Astroteilchenphysik Kosmische Strahlung von explodierenden Sternen und schwarzen Löchern A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Das Programm • Entdeckung der kosmischen Strahlung • Theoretische Vorstellungen zum Ursprung • Messverfahren und Ergebnisse – „geladene“ kosmische Strahlung – „TeV“-Astronomie • Zukunftsaussichten • „Anwendungen“ A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 1 Die kosmische Strahlung (CR) Entdeckung und Geschichte A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Die Entdeckung der kosmischen Strahlung I Eine einfache experimentelle Frage: Was passiert mit einem aufgeladenen Elektroskop? t=0 t>0 Die Ladung „verschwindet“ mit der Zeit aufgrund von „Ladung“ (Ionen) in der Luft! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 2 Die Entdeckung der kosmischen Strahlung II Frage: Warum ist die Luft ionisiert? Antwort (1912): Radioaktivität im Erdboden! Experimentelle Überprüfung: Messe Ionisation der Luft abhängig von der Höhe! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Die Entdeckung der kosmischen Strahlung III Ionisation der der Luft Luft Ionisation 5000 400 Höhe Höhe [m] [m] 350 4000 300 250 3000 200 2000 150 100 1000 50 00 100 5 10,5 10 1115 20 11,5 25 12 30 Ionisation Ionisation Viktor F. Hess 1912: Die Ionisation der Luft steigt mit zunehmender Höhe wieder schnell an! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 3 Victor F. Hess 1912: Die Ergebnisse der vorliegenden Beobachtungen scheinen am ehesten durch die Annahme erklärt werden zu können, daß eine Strahlung von sehr hoher Durchdringungskraft von oben her in unsere Atmosphäre eindringt, und auch noch in deren untersten Schichten einen Teil der in geschlossenen Gefäßen beobachteten Ionisation hervorruft. Die Intensität dieser Strahlung scheint zeitlichen Schwankungen unterworfen zu sein, welche bei einstündigen Ablesungsintervallen noch erkennbar sind. Da ich im Ballon weder bei Nacht noch bei einer Sonnenfinsternis eine Verringerung der Strahlung fand, so kann man wohl kaum die Sonne als Ursache dieser hypothetischen Strahlung ansehen, wenigstens solange man nur an eine direkte γ-Strahlung mit geradliniger Fortpflanzung denkt. Physik. Zeitschr. 13, 1084 (1912) A. Lindner DESY Abendvorlesung A. H. Compton Compton,, 1932: Astroteilchenphysik Woraus besteht die kosmische Strahlung? Variation des Flusses der kosmischen Strahlung mit dem Breitengrad: Die kosmische Strahlung besteht aus geladenen Teilchen! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 4 Kosmische Strahlung: Teilchen von der Sonne? Messungen des SOHOSatelliten Energien der „Sonnenteilchen“ relativ niedrig, nicht ausreichend zur Erklärung der Ionisation der Luft! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Messung der kosmischer Teilchen Funkenkammer: Nebelkammer: Mit Funken- und Nebelkammern: Nachweis einzelner Teilchen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 5 Die Geburt der Hochenergiephysik Erste Entdeckungen des „Teilchenzoos” in Analysen der kosmischen Strahlung. 1932: Positron (Antimaterie!) 1937: Myonen 1947: Pionen, Λ, K 1952: Ξ-, Σ+ 1971: Charm (?) A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 1936: Nobelpreise für Hess und Anderson V. F. Hess: Entdeckung der kosmischen Strahlung (1912) A. Lindner C. D. Anderson: Entdeckung des Positrons in der kosmischen Strahlung (1932) DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 6 P. Auger 1938: „Ausgedehnte Luftschauer“ Messung Theorie A. Lindner ) Teilchen erreichen nahezu gleichzeitig Detektoren mit bis zu 300 m Abstand. ) Die Teilchen müssen einen gemeinsamen Ursprung haben. ) Hochenergetische Primärteilchen lösen in der Luft „Schauer“ sekundärer Teilchen aus, die den Boden erreichen ) Energie bis über 1015eV = 1000·HERA(Protonen) DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Ausgedehnte Luftschauer Hochenergetische „primäre“ Teilchen der kosmischen Strahlung wechselwirken mit den Atomen der Erdatmosphäre ) Sekundäre Teilchen werden erzeugt, die in weiteren Reaktionen weitere Teilchen produzieren. ) Entstehung einer Teilchenlawine. ) Teilchen-„Pfannkuchen“ erreicht mit (fast) Lichtgeschwindigkeit den Erdboden. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 7 Energien in der kosmischen Strahlung (CR) • Einfaches Spektrum der Form E-α • Energien bis über 1020eV (=100.000.000 · HERA(Protonen)) • Mikroskopische Teilchen mit makroskopische Energien. Wirkung von 3·1021eV: HERA (p) A. Lindner Full Name: Randall David Johnson Height: 6-10. Weight: 231 lbs. Bats: Right. Throws: Left. Pos: SP. Born: September 10, 1963, Walnut Creek, CA, College: USC 2004 Salary: $16,500,000. DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Woher kommt die kosmische Strahlung (CR)? theoretische Überlegungen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 8 Temperaturen und Energien im Kosmos Zusammenhang von Temperatur und Energie: Je heißer, desto höher die Energie der Wärmestrahlung, bei der die maximale Intensität abgestrahlt wird. Wien‘sche Gesetz: Emax[eV] = 0,000427 · T[K] CR: Es gibt keine ausreichend „heiße“ Stellen im Kosmos ! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik CR CR--Spektrum Ù Wärmestrahlung Das Energiespektrum der CR ist völlig anders als ein PlanckSpektrum der Wärmestrahlung. Planck-Spektrum A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 9 Ursprung der kosmischen Strahlung Die kosmische Strahlung kann aufgrund der hohen Energien und der Form des Spektrums nicht aus Gleichgewichtsprozessen (z.B. „Sternleuchten“) stammen. Höchste Energien werden in „blitzartigen“ Ereignissen, Explosionen oder „kosmischen Beschleunigern“ erzeugt . Kosmische Strahlung: Blick in das turbulente (violent) Universum Klassische Astronomie: „Gleichgewichtsuniversum“ A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Denkbare galaktische Beschleuniger Cas. A • Supernova-Reste entwickeln Schockfronten im interstellaren Medium. • In den Schockfronten finden turbulente Prozesse statt, sichtbar in Radiound Röntgenstrahlung. Sind dies die kosmischen Beschleuniger? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 10 Schockbeschleunigung Vorgeschlagen von E. Fermi 1949: • Energiegewinn pro Querung: ΔE = E· (1+d) • Wahrscheinlichkeit für Entkommen aus dem Bereich der Schockfront: Pesc Supernova-Explosion Schockfront zum interstellaren Naive Modell Medium ) Viele Querungen: N(E) ~ E-α mit α = ln(1/(1- Pesc))/ln(1+d) + 1 Teilchen „surfen“ auf interstellaren Schockwellen A. Lindner ) Potenzspektrum mit α ≈ 2 (Cas. A) DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Kandidaten für kosmische Beschleuniger Maximal erreichbare Energie: • Stärke und • Ausdehnung des Magnetfeldes, • Ladung des Teilchens. Emax ≈ Z · B· L Bislang meist nur theoretische Möglichkeiten! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 11 Ursprung der kosmische Strahlung: Theoretische Überlegungen: • Teilchen werden an Schockfronten beschleunigt • Mögliche Kandidaten sind denkbar Die Herausforderung: experimentelle Beweise! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Intermezzo: Was ist Astroteilchenphysik? Versuch einer Zusammenstellung: • Lerne Teilchenphysik aus astrophysikalischen Beobachtungen Neutrinoeigenschaften, neue Arten von Materie und Energie, Wirkungsquerschnitte bei höchsten Energien, Zeitvariationen von Natur„konstanten“, Struktur von Raum und Zeit, … • Anwendung von Techniken der Teilchenphysik auf die Astrophysik: Kalorimeter und Spurdetektoren auf Satelliten und Ballonen, bodengestützte Teilchen- und Cherenkovlichtdetektoren zur Messung der CR, Handhabung großer Datenmengen, TeV-Astronomie, Astronomie mit Neutrinos, … • Kosmologie mit den Erkenntnissen der Teilchenphysik: Urknall-Theorie, Nukleonsynthese, Kandidaten für die dunkle Materie A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 12 Laboratorien der Astroteilchenphysik (die wahre Motivation?) Ungewöhnliche Orte ... ... und etwas Abendteuer. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Kollaborationen in der Astroteilchenphysik Ungefähr eine Größenordnung kleiner als in der Teilchenphysik MAGIC (Astroteilchenphysik) A. Lindner ATLAS (Teilchenpyhsik) DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 13 Messungen der geladenen kosmische Strahlung: • Messprinzip „Luftschauer“ • Ergebnisse im Energiebereich des „Knies“ • Ergebnisse bei höchsten Energien A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Die experimentelle Problematik • Niedrige Teilchenflüsse: – Knie: 1 Teilchen / m2 /Jahr – Knöchel: 1 Teilchen / km2 /Jahr 1/m2/Jahr • Keine direkten Beobachtungen z.B. über Satelliten möglich 1/km2/Jahr • Einzige Möglichkeit: Eigenschaften der Primärteilchen über Analyse der Luftschauer A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 14 Messprinzip „Luftschauer“ A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Die experimentelle Herausforderung Aus der Beobachtung eines Luftschauers: • Richtung, Energie und Massenbereich des Primärteilchens auf statistischer Basis Detailsimulation eines Schauers, Beobachtung von unten, Gitter bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit e±, γ, μ±, π, K, p, n, N A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 15 KASCADE: ein Experiment zum CR CR--Knie KArlsruhe Shower Core and Array DEtector A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik KASCADE (1) Messe möglichst viele Komponenten des Luftschauers: Elektronen und Photonen Myonen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 16 KASCADE (2) 320 m2 großes Zentralkalorimeter Ein 12 TeV Hadron: A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Eine Luftschauer Luftschauer--Messung Teilchenzahlverteilung ª Energie A. Lindner Ankunftszeit der Schauerfront ª Richtung DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 17 „Himmelskarte“ mit kosmischer Strahlung sichtbares Lichtfür CR Naive Vorstellung Experimentelles Ergebnis Richtungsbestimmung der (geladenen) kosmischen Strahlung: Keine kosmischen Beschleuniger direkt identifizierbar! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Warum ist die CR isotrop verteilt? Geladene Teilchen werden durch Magnetfelder abgelenkt p+p Æ πo+X Pγγ • „Beschleuniger“ nicht direkt durch geladene CR sichtbar • Anzahl neutraler CR zu klein, um z.B. mit KASCADE Beschleuniger direkt zu identifizieren Und nun? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 18 Strategien zur Identifizierung der Beschleuniger 1. Selektion von hochenergetischen Photonen aus der kosmischen Strahlung ) später 2. Detailanalysen der geladenen CR und Vergleich mit Modellen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Strategien zur Identifizierung der Beschleuniger Detailanalysen der geladenen CR und Vergleich mit Modellen Annahme über CR-Primärteilchen Modifikation Simulation Luftschauer Vorhersage Messergebnisse unterschiedlich Vergleich Problem: Zwei „Stellschrauben“! Experimentelle Resultate identisch Vergleiche Eigenschaften CR mit Vorhersagen der Beschleunigermodelle A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 19 Selektion von geeigneten Luftschauersimulationen Mühsame Selektion und Anpassung geeigneter Luftschauersimulationen, aber anscheinend (langsame) Konvergenz. Keine drastischen Inkonsistenzen zwischen Daten und Modellen. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik HEP und Luftschauersimulationen √s LHC (pp) A. Lindner HEP-Experimente: • Verfügbare Schwerpunktsenergie reicht über „Knie“ hinaus, aber • Raumwinkelabdeckung zu klein, um Luftschauersimulationen zu überprüfen. DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 20 Ergebnisse zum „Knie” • Knie in leichter („Proton“) und schwere („Eisen“) Komponente der CR kompatibel mit: Emax ≈ Z · B· L • Messungen kompatibel mit Schock-Beschleunigung der CR in SupernovaÜberresten A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Überblick: Erklärungen für das „Knie“ Modell Pro Contra ch • Unterschiedliche gli c ö Massengruppen: E(Knie) ≈ Z g mh n • Größe der Änderung des idu urc Spektralindex am Knie che ur d s)? Beschleunigung in SupernovaÜberresten ts „Leckage“ aus Galaxie c gül er Bes Photon d en ion d eis ( e n ei tifikat Nachw k n Neuartigech Ide ekten Wechselwirkung No ir di in der Atmosphäre d A. Lindner rn i no tr der Änderung des • UnterschiedlicheEn nige r •euGröße u e N e , Massengruppen: Spektralindex am Knie hl ≈enZ tig E(Knie) DESY Abendvorlesung • Unterschiedliche Massengruppen: E(Knie) ≈ Z • Keine großen Diskrepanzen zwischen Simulation und Daten Astroteilchenphysik 21 Vom „Knie“ zu höchsten Energien • Bis zum „Knie“ Schockbeschleunigung an Supernova-Überresten (?) • Woher stammt die CR bei höheren und höchsten Energien? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Neue experimentelle Herausforderungen … KASCADE AUGER • Detektorfläche: 104 m2 Ö109 m2 • (Noch) größere Unsicherheiten in den Schauersimulationen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 22 … und Chancen • CR bei höchsten Energien werden nicht mehr stark durch Magnetfelder abgelenkt. Ist „Astronomie“ möglich? • Neue Messmöglichkeit: Szintillationslicht, das durch den Luftschauer in der Atmosphäre erzeugt wird. ) Messung der gesamten Schauerentwicklung! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Bisherige Ergebnisse bei höchsten Energien I Ankunftsrichtungen: AGASA (4-10)·1019eV > 1020eV Galaktischer Äquator Supergalaktische Ebene • keine Anhäufungen sichtbar! Beschleuniger sehr weit entfernt? • sehr wenig Statistik! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 23 Bisherige Ergebnisse bei höchsten Energien II Energiespektrum: Wenn sich die Beschleuniger der CR bei höchsten Energien in kosmologischen Distanzen befinden (wie aufgrund fehlender Anhäufungen erwartet), dürften Teilchen mit E > 5·1019eV aufgrund Reaktionen mit der kosmischen Hintergrundstrahlung nicht bei uns ankommen. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Der GZK GZK--Cutoff Greisen-Zatsepin-Kuz'min: Das Universum ist für CR mit höchsten Energien nicht transparent, da es zu Photoproduktion von Pionen kommt: N + γ Æ N' + n·π mit Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung (Eγ=10-3eV): Photoproduktion für E(N) > 5·1019eV Mittlere freie Weglänge: „nur“ 30 Millionen Lichtjahre A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 24 Bisherige Ergebnisse bei höchsten Energien II Energiespektrum: Wenn sich die Beschleuniger der CR bei höchsten Energien in kosmologischen Distanzen befinden (wie aufgrund fehlender Anhäufungen erwartet), dürften Teilchen mit E > 5·1019eV aufgrund Reaktionen mit der kosmischen Hintergrundstrahlung nicht bei uns ankommen. ch! rspru c Wide A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Warum gibt es CR mit E > 5·1019eV? • Sind die Beschleuniger doch kosmologisch nahe bei und gleichzeitig die Magnetfelder viel stärker als vermutet? • Stammen die höchstenergetischen Teilchen aus Zerfällen exotischer Reste des Urknalls? • Ist die Lorentz-Invarianz verletzt? • Sind die Beobachtungen falsch? Mehr Daten! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 25 Das Pierre Auger Observatorium • Deutlich verbesserte Statistik • Durch Messung von Szintillationslicht viel bessere Systematik bei Energiebestimmung Klärung des GZK-Problems in wenigen Jahren? Zweites Observatorium in Utah geplant A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Die neue Astronomie „Licht“ mit Energien größer als 100 GeV A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 26 Motivation für Astronomie bei E > 100 GeV Geladene Teilchen werden durch Magnetfelder abgelenkt p+p Æ πo+X Pγγ • Indirekte Identifikation der galaktischen Beschleuniger (Supernova-Überreste) durch Analysen der geladenen kosmischen Strahlung problematisch ) Suche nach hochenergetischen Photonen, die am Beschleuniger erzeugt werden Neue experimentelle Methoden notwendig! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Instrumente für GeV GeV--TeV Photonen Die Herausforderung: Photonenfluß des Krebsnebels (hellste galaktische Quelle im GeV-TeV Bereich) F(Eγ > 500GeV) = 10 /m2/Jahr ª Nicht mit Satelliten messbar! Die Lösung: Messe durch Photonen ausgelöste Luftschauer! ¾ Selektion von „Photonschauern“ ¾ Möglichst niedrige Energieschwelle, um maximalen Photonzahl zu detektieren. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 27 Proton Proton-- und Photonschauer Photoninduzierte Luftschauer sind gegenüber protoninduzierten • nur aus Elektronen, Positronen und Photonen zusammengesetzt, • viel kompakter, • viel gleichmäßiger, • klingen schneller ab.Detailsimulation von Schauern, Beobachtung von unten, Gitter bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit e±, γ, μ±, π, K, p, n, N A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Imaging Air Cherenkov Telescopes ((IACTs IACTs IACTs)) Cherenkov-Licht wird von geladenen Teilchen emittiert, die sich in einem Medium schneller als das Licht bewegen Teilchen aus Schauer müssen nicht den Boden erreichen ) niedrige Energieschwelle Nur in klaren, mondlosen Nächten! 120 m A. Lindner Messe das vom Luftschauer emittierte Cherenkov-Licht. „Automatisch”: Detektorfläche: 104 m2 DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 28 IACT Beispiel: Das HEGRA Experiment • Segmentierter Spiegel (Anforderungen viel geringer als für optische Astronomie) • Kamera aus hunderten Photomultiplier, um die sehr schwachen und sehr kurzen Cherenkov-Lichtblitze zu messen. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Identifikation von Photonschauern Luftschauerbilder Photonschauer sind • kompakter und • homogener als durch Atomkerne ausgelöste Schauer HESS γ ª Bildanalysen CR • Selektion von Photonen erfolgreich! • Sehr gute Richtungsbestimmung A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 29 Noch besser : Stereo Beobachtung HEGRA Durch Kombination von unterschiedlichen Bildern des gleichen Luftschauers Verbesserungen von Photon-Selektion und Messpräzision: Für einzelne Photonen: σE=10%, σΘ<0.1° A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 30 Der Krebsnebel (M1): die Standardkerze Überrest einer Supernova-Explosion aus dem Jahr 1054 Expansion in 30 Jahren Synchrotronstrahlung von Elektronen Compton-gestreute Photonen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Neue Experimente HESS: 4 10m-IACTs, Namibia MAGIC: 17m IACT, La Palma (2003) 1989: Erste Beobachtung des Krebsnebels bei TeV Energien: 50h Beobachtungszeit (WHIPPLE, Arizona) 2003/2004: HESS und MAGIC Messung des Krebsnebels in 30s! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 31 High Energy Stereoscopic System & Major Advanced Gamma ImagingCherenkov Telescope Schnell für „Burst“ Ausrichtung der einzelnen Spiegel MAGIC HESS MAGIC • Sensitiv auf Quellen mit < 1% des Flusses des Krebs-Nebel • Beobachtungslücke zu Satellitenmessungen wird geschlossen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Ergebnisse: galaktische Quellen (Auswahl) Krebs-Nebel (Elektron-Beschleuniger) Cas. A (Kosmische Strahlung?) Gal. Zentrum (Schockfronten?) (CR-Gas WW?) (Protonen am schwarzen Loch?) (Annihilation Dunkler Materie?) Hier: sind Supernova-Überreste die gesuchten Beschleuniger der kosmischen Strahlung? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 32 Beobachtung: Korrelation von Röntgen Röntgen-- und TeV TeV--Strahlung • Synchrotron-Emission von Röntgenstrahlung • Inverse ComptonStreuung der Röntgenphotonen auf TeV-Energien Synchrotronstrahlung von Elektronen Compton-gestreute Photonen A. Lindner • Parameter: – Stärke des Magnetfeldes – Energie der Elektronen DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Beschleunigung in Supernova Supernova--Überresten? W. Hofmann, MPI Heidelberg SN 1006 Energy flux E2 dn/dE πo ~ ρ2ISM Electron population low B field (4 μG) Electrons + protons high B field (> 20 μG) A. Lindner DESY Photon Abendvorlesung energy [eV] IC ~ B-2 Astroteilchenphysik 33 Kosmische Strahlung aus Supernova Supernova-Überreste Magnetfeld klein ) Elektronbeschleuniger • • Magnetfeld groß ) Elektron- und Kernbeschleuniger SN 1006, Berezhko, Ksenofontov, Völk, 2003 Cas A, Berezhko & Völk, 2004 Große Magnetfelder! Chandra SN 1006 Chandra Cassiopeia A [O(100 μG)] Fast 100 Jahre altes Rätsel der kosmischen Strahlung: Bald gelöst? HESS, MAGIC und Co. könnten die Antwort liefern A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Suche nach galaktischen Beschleunigern … … und entdecke extragalaktischer Quellen! Die Überraschung: TeV-Photonen aus entfernten Galaxien ) Hochvariabel ) Heller als der Krebs! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 34 Extragalaktische Quellen: Active Galactic Nuclei (AGN) • AGNs: schwarze Löcher mit bis zu 1010 Sonnenmassen • Aufgrund Gravitation Einfall von Materie ª Relativistische Jets auf Rotationsachse des schwarzen Lochs • Falls Jet auf Beobachter zeigt: ª TeV Photonen A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Was wird in AGNs beschleunigt? Beobachtung: enge Korrelation zwischen Röntgen- und TeV-Strahlung TeV-Emission von AGNs kann mit Elektronen erklärt werden. Beschleunigung von Kernen nicht ausgeschlossen, aber Beweis fehlt. A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 35 Analyse von AGN AGN--Daten A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik „GZK “: Reaktionen von TeV GZK--Analogon Analogon“: TeV--Photonen Das Universum ist für hochenergetische Photonen nicht transparent: γTeVγbackground Æ e+ eWieso erreichen uns 10 TeV Photonen aus kosmologischen Distanzen? • Gibt es unbekannte Eigenschaften der Quelle? • Unerwartete Eigenschaften der intergalaktischen Strahlungsfelder? • Lorentz-Invarianz verletzt? Mehr Daten! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 36 Überraschung von HEGRA: H1426+428 Entfernung: z=0,129 ) Vierfache Entfernung von Mkn 421, 501! Teilweise „unsinnige“ Ergebnisse nach Absorptionskorrektur ? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik IACTS: ein neuer Zweig der Astronomie • Entdeckung der galaktischen Beschleuniger der kosmischen Strahlung • Verständnis der aktiven galaktischen Kerne • Photonen aus der Annihilation dunkler Materie • Mehr Überraschungen? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 37 Überraschung: unidentifizierte Quelle I HEGRA A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Überraschung: unidentifizierte Quelle II Februar 2004 März April / Mai 2 2 2 1 1 1 HESS: 1: PSRB1259-63 (eigentliches Ziel der Beobachtung) 2: Unbekanntes Objekt, Ausdehnung etwa 0,2° A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 38 Resümee und Ausblick A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Woher stammt die kosmische Strahlung? GRB Unser heutiges Modell: Atomkerne werden an Schockwellen auf höchste Energien beschleunigt. Kandidaten für Beschleuniger: Beschleuniger SupernovaSupernovaÜberrest Überrest Ausdehnung Magnetfeld Max. Energie 9 100 100 pc pc -3 10 10-3 G G 17 10 1017 eV eV ? 0,01 pc 10 G 1018 eV Gamma Ray ?? Bursts (GRB) 100 km 1010 G 1020 eV AGN Jets A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 39 Das Spektrum der kosmischen Strahlung A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Ausblick • Durchbrüche in den nächsten Jahren durch – neue Instrumente (HESS, MAGIC), – „Multiwavelength“ Kampagnen. • Nächste Experiment-Generation wird bereits geplant: – IACTs, – geladene kosmische Strahlung bei kleinen und höchsten Energien. • Ein ganz neues Fenster: Neutrino-Astronomie! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 40 Neutrino Neutrino--Astronomie AMANDA Geladene Teilchen werden durch Magnetfelder abgelenkt p+p Æ π++X Pυμ+ „Smoking Gun“ für die Beschleunigung von Atomkernen: Entdeckung von kosmischen Neutrino-Quellen. DESY ist maßgeblich an Betrieb und Entwicklung entsprechender Experimente beteiligt: BAIKAL, AMANDA, ICECUBE (1km3) Es funktioniert! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik „Anwendungen“ A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 41 Projekte an Schulen Einfache Detektoren, die von Schülern betreut und durch Wissenschaftler koordiniert werden: • HISPARC (Niederlande) • (N)ALTA (Nordamerika) • SESA (Schweden) • EEE (Italien) • … Kombination von Didaktik und „echter“ Wissenschaft! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Was verbirgt sich im Inneren einer Pyramide? Idee: • „Durchleuchte“ eine Pyramide mit kosmischen Muonen • Falls Hohlräume existieren, werden Muonen aus den entsprechenden Richtungen weniger absorbiert. Leider noch keine Ergebnisse! A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 42 Kosmische Strahlung und Erdklima Warum haben kleine Änderungen in der Intensität der Sonne relativ große Änderungen des Erdklimas zur Folge? Svensmark, Friis-Christensen (1997): Erhöhte Sonnenaktivität ) weniger CR ) weniger Ionisation in Luft ) weniger Wolken „Missing Link“ zum Klimaverständnis? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Anstelle einer Zusammenfassung A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 43 Astroteilchenphysik Vielseitig ... A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik Astroteilchenphysik ... aufregend … Feuer und Eis am HEGRA Experiment auf der Kanarischen Insel La Palma A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 44 … und faszinierend! H1 bei HERA Wenn Größtes und Kleinstes so eng zusammenhängen, wie dies in der Astroteilchenphysik sichtbar ist: Fangen wir an, die Wirklichkeit zu begreifen? A. Lindner DESY Abendvorlesung Astroteilchenphysik 45