Das WOCHEN ENDE Neue Zürcher Zeitung Sonntag, IS. Mai 1951 Die britische Königsfamilie vor der 8t. raulusKathcdralc, wo der feierliche WeihegottesdUmt stattfand; vor der Staaisl-nra*** der Lord Major 6'f London. ' i Pfingstausgdbe Nr. 1042 Blatt 4 Wochenende 19 mit Talar und Amtskcttc «FESTIVAL OF BRITAIN Jm Eröffnungsgottesdienst hnbni alle Mitglieder der Bigierttng urd die Führer der Opposition teilgenommen. L a f l Jou-il'. Tu der ernten Re<;he fron livk* n/ich rrebts) Premierminister Attlee und seine Gattin, Lord vnd y "inston Churchill und .seine Gattin, Außenminister Monison (dem das englisch» Volk als dem hiuptsächlic!,vvn Förderer des ..Festival nf trittin" den 8mtzn«»en Lord Festival geaeben hat). Höfisches Gepränge, kirchliche Zeremonien und der strenge Hintergrund militärischer Formationen geben dem Festakt die Fe'erlichkeit, die auch im moilernm Industriestaat mit einem Labourregime unbedingt '"3U gehört, wenn es sich um eine Angelegenheit der ganzen britischen Nation handelt, wie da of Britain" dies ist. London, anfangs Mai Mai 1851 wurde in London dift «Große AutMellung» im «Cryttal Palace» eröffnet, die eine lund der Welt vieles zu zeigen habe, worauf es stolz sein könne, daß die hundertste Jährung der «Great Weltsensation darstellte und vom Ausland allein nicht weniger als dreieinhalb Millionen Besucher an- Exhibition» den geeignetsten Moment zu einer Wiederholung jener erfolgreichen Kundgebung de. zog. Vor dreieinhalb Jahren erinnerte lieh der Chefredaktor dei «Newi Chronicle», Gerald Barry, inmitten einjfer schweren Kohlenkrise, die die großen nationalen Selbstbewußtsein« und Selbstvertrauens darstelle. Der Vorschlag fand auf allen Seiten viel Anklang und ist denn auch von der Labourregierung sehr bereitwillig aufgegriffen worden. Xxm 1. Anstrengungen der britischen Nation um ihre Erholung vom Zweiten Weltkrieg in Frage stellte, an jenes ' Ereignis, das dem Vereinigten Königreich damals einen unerhofften Auftrieb verliehen hatte. Barry plädierte dafür, daß auch du heutige Eng- Im Dezember 1947 kündete Herbert Morrison den Beschluß zur Durchführung dea Gedankens an, mit der dessen Urheber seibat, Gerald Barry, aU Gr. neraldi rektor des «Festiva l of Britain 1951» betraut' Die Lag* an der Themse gibt dem an sich eher nüchternen Ausstellungsgelände eine heitere Not«, lesonder» abends, wen» sidh die zahllosen Höhtet der Ballen und der im Fluß verankerten spiegeln. Schiffe im Wasser Neue Zürcher Zeitung vom 13.05.1951 werden tollte. Wie vor hundert Jahren bat auch die* mal wieder die königliche Familie an den Vorbereitungen de« großen Ereignisses lebhaften Anteil ge- nommen; wie vor hundert Jahren wurde die Festlich- keil vom König persönlich eröffnet. Am 3. Mai fand in der St. Paul'« Cathedral ein feierlieber Weihe- gottesdienst statt, worauf der König von der statt* liehen, breiten Treppe am Kircheneingang aus das Festival als eröffnet proklamieren konnte. Das Festival des Jahres 1951 erstreckt sich fiber lowohl in der Form von besonderen .Fest- und Kunstanlässen jeder Art, als auch in stadas garne Land, tionären und wandernden Ausstellungen. Dabei verfolgt das heurige Fest einen ganz anderen, tieferen Zweck als die internationale Ausstellung von 18.il. Es ist als eine Manifestation des britischen Geistes gedacht; es soll die Entwicklung alles dessen, was zur Größe und zur Besonderheit des Vereinigten Königreichs brigetragen hat, illustrieren. Es ist ein nationales Fest im besten Sinne des Wortes, eine sowohl erbauliche wie fröhliche Feier dessen, worauf die britische Nation mit Recht stolz ist. Selbstverständlich steht die britische Kapitale im Gelegenheit dazu des Festes, wo die Mittelpunkt wahrgenommen wurde, das südliche Themse-Ufer im Zentrum «Irr Stadt endlich von der industriellen Verwüstung eines vergangenen Zeitalter« zu befreien. Das «South Banki-Arcal zwischen der Waterloo- und der Westminsterbrücke, auf dem die wichtigsten Festivalbauten errichtet wurden, ist damit permanent würdigen Gegenzu einem der Schönheit des Flusse« stück des Victoria-Enibankment auf der Nordseite gemacht worden. Zwei Gebäude fesseln das Auge des Beschauers vom gegenüberliegenden Ufer schon «eit Jahr und Tag : rd e sogenannte «Dome of Discovery», eine modernistische Konstruktion au« Aluminium und Glas unter dem größten pilzartigen Kuppeldach der Welt und die in traditioneller Form gehaltene «Royal Festival ll.ilh. die vom Londoner Graf- schaftsrat der Stadt als permanente und dringend benötigte Bereicherung geschenkt wird. Sie stellt einen willkommenen Ersatz für die im Krieg zerstörte Queen's Hall, das frühere Hauptzentrum de« englischen Musiklebens, dar. Als Wahrzeichen des Festivals ist ein 80 m hohes, leuchtendes Vertikalsynihol errichtet worden, das eine scharf zugespitzte spindelförmige Gestalt hat, dem aber manche Beschauer den alten, danebenstehenden «Shot Tower» vorziehen werden, der früher zur Herstellung von Schrot diente, für die Dauer des Festivals aber als Leuchtturm ausgebaut und mit einem Radio-Teleskop zur Erforschung der Gestirn« veranderweitiger Gesehen worden ist. Eine Vielfalt bäulichkeiten dient dem gleichen Zweck der Unterbringung einer lehrreichen sowohl wie ansprechenden und anregenden Ausstellung britischen SchafDiese konzentriert «ich auf eine Auswahl wirklich wesentlicher Aspekte des WerdeSchöpfungen gangs und der der britischen Nation. Die Gefahr einer form, und uferlosen Ausstellung, die den Beschauer nur verwirren und ermüden konnte, ist damit vermiede worden. Jedes Aussteln lungsobjekt soll eine Facette im großen Gemälde der britischen Nation um die Mitte des 20. Jahrhunderts darstellen, alles ist von geübter Künstlerhand in seinen richtigen Proportionen präsentiert. Das fen« und Denken«. Ganze ist wie gesagt nur der Kern eine« über alle de« Lande« «ich aulbreitenden nationalen Fette«. Etwas weiter oben an der Themse, im «Batter- Teile Parlo, ist der rein vergnügliche Teil des Londoner Festivals untergebracht. Nicht weniger als n worden, anderthalb Millionen Pfund sind ausgegebe um allen Geschmacksrichtungen und Bedürfnissen von jung und alt gerecht zu werden . sea Anspruchsvollere Besucher der Kapitale und anderer bedeutender Stldte des Vereinigten Königreichs werden ihre Befriedigung in einer verwirrend reichen Autwahl von besonderen Festival-Konzerten, und -Kunstausstellungen finA n l ä s s mit den. In London ist der Reigen dieser e der Uraufführung eines opernartigen Werkes des Komponisten Ralph Vaughan Williams, *Thc Pilgrim's Progress* im Covent Garden Opera House glänzend eröffnet worden. Benjamin Britten hat für geschriedas Festival eine neue Oper «Billy Badd>; ben. Das «Old Vic» und manche andere private oder öffentlich finanzierte Theater im ganzen Land herum präsentieren in der «Festival Season» besondere Serien von Vorstellungen britischer Autoren von Shakespeare bis zu den jüngsten Dramaturgen. In der Royal Festival Hall sowohl wie in den traditionellen übrigen Musikzentren Edinburgh, Bath, Aldeburgh, Cheltenham, Worcester, Canterbury, Brighton, Swansea usw. sind den ganzen Sommer über Festkonzerte geplant. Im East Mini Londons, in Poplar, wird der Wiederaufbau einer ganzen im Krieg zerstörten Zone als «lebendige) Ausstellung neuen architektonischen Schaffen« in der Form einer «Model Community*, Wohnungsblocks, Schubestehend aus Wohnhäusern, len, Kaufläden, Kirchen usw., präsentiert. Diese den Namen Lansburys. des sozialistischen Reformers der zwanziger Jahre tragende Wohnkolonie, in der 1500 Personen untergebracht sind, wird für spätere Generationen vielleicht zum schönsten und interDenkmal des Festival of Britain 1951 werden. Im Victoria und Albert Museum in London Bücherausstellung aus ist eine besonders wertvolle allen Tätigkeitsgebieten der britischen Nation zusammengetragen worden, während kleinere Ausstellungen ähnlicher Art die Hunde durch die ProvinzMuseum» in South Kene städte machen. Das «Scienc sington ist in einem neuen Flügel durch eine umfaswichtigsten Darstellung wissenschaftlichen der sende und technischen Entdeckungen Englands und seiner Beiträge zur Wcltentwicklung auf diesem Gebiete bereichert worden. Auch diese Ausstellung schickt ihre Ableger nach anderen wichtigen Städten Englands. essantesten Zwei eigentliche Wanderausstellungen mit mehreren tausend Anschauungsobjekten durchziehen das ganze Land, die eine per Eisenhuhn, die den inländischen Städten ihre Aufmerksamkeit schenken wird, die andere per Schiff, die ilus ganze Inselreich umfahren und in den wichtigeren Hafenstädten längere Aufenthalte nehmen wird. Glasgow hat anläßlich des Festivals eine besondere Ausstellung für industrielle Triebkraft organisiert und Belfast eine solche für die Landwirtschaft und Fabrikationsindustrien. Das Festival of Britain dauert bis Ende September. Jede Saison hat natürlich ihre eigene Attraktion. Für London selbst sind Mai und Juni bekanntlich meist die schönsten Monate, während man im Hoch- sommer wahrscheinlich von einer Reise durch die herrlich grüne Landschaft sozusagen aller Teile des Intelreiches, auf der man da und dort ja ebenfalls Aspekten des Festivals begegnen wird, mehr Genuß hätte. Es sind mächtige Anstrengungen gemacht worden, um mehr und bessere Unterkunftsmöglichkeiten in Hotel« zu «chaffen, während man unter Tauten- den von organisierten Rundfahrten durch das Land je nach der eigenen Geschmacksneigung auswählen kann. In London ist ein Register von 6000 empfohlenen Adressen zur Unterkunft in privaten Familien angelegt worden, was für manche Besucher nicht bloß finanziell, sondern namentlich hinsichtlich des menschliehen Kontakte« reizvoll sein konnte. In diesem Jahr wird es dem fremden Besucher doppelt leicht gemacht, die bedeutendsten Wesenszüge Englands zu erfassen, die Wichtigkeit seines Beitrages zum Kulturgut der ganzen Welt m ermessen, sowie auch sich mit den Engländern in die Freude ihres Werkens und Schaffens, aber auch ihre« beschauliehen Lebens und ihres Kunstgenusse« im Rahmen des «Festival of Britain 1951>; zu teilen. «« Die Heimkehr. Auf dem Quai des Segura in Murcia begegnen sich zwei Welten: die eleganten Auto.» der ausländischen Feriengäste und die demütigen Blachcnwngcn der Bauern mit ihren malerischen Ksel- und Maultiergcspannen Spanische Impressionen Je länger man in diesem so oft beschriebenen und doch in seinem Wesen unbekannten Lande weilt, um so mehr verdichtet sich im Reisenden der Eindruck, dali Spanien wirklich wir das Sprichwort sagt die Heimstätte von vierzig Millionen Königen sei. Man erfährt es immer wieder in den Zitzen, auf der Straße, in den Gaststätten, daß hier noch jeder Bettler seinen Bettlerstolz und seine Bettlerehre hat, und immer wieder auch jene andere Wahrheit, daß dieses in seinem Kern und Wesen so seltsam ungebundene und in anderen Belangen wieder so gewissenhafte Volk sich weder in ein System noch in eine Schablone einordnen läßt; die Spanier sind aber auch eines der fremdenfreundlichsten Völker der Erde, und dies auch noch heute, obwohl ihre Heimat in den letzten Jahren der Schauplatz einer französisch englisch schweizerischen Touristeninvasion geworden ist, die natürlich auch ihre Schatten wirft. Aber der Spanier, noch immer mit den Vorzügen eines naiv-gesunden Menschenschlages begabt, dem der Fremde und Gastfreund über alle Maßen erhaben ist, wird sein Bureau schließen und die Klienten nach Hause schicken, wenn ein Fremder kommt, der Zahnarzt wird ihn gratis behandeln, weil er der Freund seines Freundes ist, der Concierge eines ihm nur dem Namen nach bekannten Hotels wird auf einen telephonischen Anruf hin ein Flugbillett Madrid-Barcelona besorgen und der Zöllner den Gegenstand, den er von Amtes wegen zu beanstanden hätte, auf einmal übersehen. Wenn der Spanier einmal zu einem Menschen oder zu einer Idee *Ja» gesagt hat, gibt es für ihn weder Grenzen noch kleinliche Zweifel mehr, da gibt er sich mit der ganzen Unbedingtheit seines Herzens, um dem Fremdling durch immer neue Beweise zu versichern, wie sehr er ihm von ganzem Wesen zugetan ist. Belsen in Spanien Virsc mächtigen Ausstellungshallen beherbergen die Vcrhchrsschau, in der allo modernen Transportmittel gezeigt werden. "!tm>;'-*w**->; Wer in Spanien Reisen auf große Strecken unternimmt, darf dabei nicht von schweizerischen Begriffen ausgehen und nicht mit einer schweizerisch aufgebauten Organisation rechnen. Rühmend muß von allem Anfang und immer wieder mit Nachdruck festgestellt werden, daß auf dem spanischen Eisenbahnnetz große Verspätungen im allgemeinen zu den Seltenheiten gehören, daß vor allem die Autorail- und die Expreßzüge sauber und die KontrollUmtaten von einer echt spanischen und geräuschlosen Höflichkeit sind alter leider bestehen die meisten Eisenbahnen aus nicht immer einwandfrei Wagen und oft auch aus nicht sehr 'eistungsfähigen Lokomotiven, denen zuweilen der (fern auszugehen droht. Die eigentliche Schwierigkeit eines jeden Reisenin Spanien bildet die Beschaffung der Fahrkarten, die nicht wie etwa bei uns an den Schaltern der Bahnhöfe gelöst werden können das trifft im allgemeinen nur für die Kurier- und die Schnellzüge aller Wagenklassen zu , während für die Autorailzüge, die auf den Hauptstrecken des Landes im allgemeinen nur dreimal wöchentlich verkehren, Fahrplätze schon einige Tage zum voraus reserdie viert werden mutten, und zwar in den Bureaus der Neue Zürcher Zeitung vom 13.05.1951 der Staatsbahnen , die sich nicht in den «Renfe» Stationen selbst, sondern int Innern der Städte befinden, wodurch die Vorbereitung einer Reise unliebsame Komplikationen erfährt; dazu kommt, daß alle Billette immer nur für einen bestimmten Zug Gültigkeit besitzen. Nun gibt es aber die jederzeit bereiten, hilfreichen Geister, die Mozos: Burschen, Dienstleute, Gehilfen. Für ein bescheidenes Trinkgeld nehmen sie uns die Mühe des halbtagelangen Wartens ab, sie räumen uns durch ihr Wirken alle Hindernisse und Widerwärtigkeiten aus dem Wege! So man aber einmal einen Platz erobert hat, öffnet sich dem Reisenden eine märchenhafte Welt, iintl nicht nur draußen vor den Fenstern, sondern in Greifnähe, im Abteil selbst; denn kaum setzt sich der Zug in Bewegung, so wimmelt es überall von buntem Volk, das nun einmal zu einer solchen Reise zu gehören scheint. Paslas! Suizosl» rufen halbwüchsige Burschen, die mit Katzenwendigkeit von Wagen zu Wagen turnen und in schön geflochtenen Bastkörben verführerische Leckerbissen tragen; wenn nun aber der ahnungslose Fahrgast ein Zuckerbrötchen oder eine Hefenschnecke erstehen möchte, so erhält er für die leichten Centimos nicht etwa die Ware selbst, wie. bei einer Tombola sondern einen Irrgarten von Nummern, die nach einer geraumen Weile nach undurchsichtigem Ritus ausgelost werden, und so kann es dann geschehen, daß ihm an Stelle des erhofften Mandelmondes mit einer überaus feierlichen Gebärde e«n Negerpüpplein überreicht wird. Zigeuner sind da, starrend vor Schmutz und von einer dunkeln und wilden Schönheit. In den Vorortszügen der großen Städte finden sich auch immer viele Kriegsverletzte, Blinde, Arm- und Beinlose, ohne Prothesen, mit ihren nackten Stummeln; manche kauern am Boden; drei Minuten bever der Billetteur erscheint, ist der Wagen fast auf einen Schlag von vielen dieser Reisenden entleert doch nach kurzer Zeit ist er wieder von vielen anderen bevölkert. Die meisten männlichen, mehr als 25 Jahre alten Spanier, die uns auf unserer sechswöchigen Fahrt von der Costa Brava über Ibiza, Valencia, Murcia, Granada, Sevilla bis in die Hauptstadt und ihre Umgebung begegnet sind, schienen im Gespräch von einer befreienden geistigen Neugier beseelt zu sein, wenn sie uns immer wieder die Frage stellten: <;Was denken Sie in der Schweiz von Spanien?» Am erfrischendsten aber schien uns immer zu sein, wenn sie unbeschadet aller Kritik aus der1 freilich auch immer die Liebe zu ihrem l.mul herausklingen mußte in ihren großangelegten Reden fortfuhren, gleichgültig, oh man ihnen folgen konnte oder nicht. Wie allerorten, offenbart sich auch hier wieder die fürstliche Höflichkeit eines jeden Spaniers, wagt doch keiner, sich eine Zigarette zu rollen, ein belegtes Brot zu essen oder einen Strahl dunkeln Riojas zu trinken, ohne daß er diese Gaben nicht zuerst jedem einzelnen Nachbarn angeboten hätte. «Vd. gustaf» «L« gusto Vd.?» Wie er mir immer noch in den O h r e nachklingt, dieser ewig gleiche und dennoch n so unendlich wandelbare Satt von bald urtümlicher, bald sublimierter Sinnenhaftigkeit, der ebensosehr :