www_Leseprobe_Kapitel 2_das Geheimnis

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Klare Projektdefinition
Wie Sie eine klare Abgrenzung von Projekten und
Linien(Regel-)aufgaben in Ihrem Unternehmen schaffen und damit
sicherstellen, dass nur wirkliche Projekte zu solchen werden und diese
mit einem adäquaten Projektmanagement-Aufwand abgewickelt
werden.
▼
Auch wenn sich Projekte als spezifische Organisationsform etabliert haben, so wird das
Projektmanagement dieser immer noch heftig diskutiert. Projektmanagement muss sich
zum Teil nach wie vor gegen den Vorwurf des „Mehr-Aufwandes“ wehren oder beweisen,
dass es sich dabei nicht um das „Ausfüllen von Formularen“ handelt. Nährboden für diese
Argumente sind Projekte, die eigentlich keine sind, aufgrund individueller Entscheidungen
zu solchen wurden und folglich so abgewickelt werden, wie es der jeweilige Projektleiter
für angemessen hält. Das nachfolgende Kapitel zeigt Ihnen, wie Sie mit Hilfe einer Projektdefinition Standards setzen und damit nicht nur die Projektentscheidung, sondern auch
den Umfang des Projektmanagements mitbestimmen.
WER ENTSCHEIDET IN IHREM UNTERNEHMEN, OB EINE AUFGABENSTELLUNG
PROJEKTWÜRDIG IST?
WIE WIRD ZWISCHEN LINIENAUFGABEN UND PROJEKTEN UNTERSCHIEDEN?
WER ENTSCHEIDET, WIE VIEL PROJEKTMANAGEMENT RICHTIG IST? NACH
WELCHEN KRITERIEN?
UNTERSCHEIDEN SIE ZWISCHEN KONZEPTIONS- UND REALISIERUNGSPROJEKTEN?
HABEN SIE PROGRAMME IN IHREM UNTERNEHMEN UND VERFÜGEN IHRE
PROGRAMMMANAGER ÜBER DAS NÖTIGE KNOW-HOW?
WIE WIRD MIT PROJEKTÄHNLICHEN AUFGABEN IN IHREM UNTERNEHMEN
UMGEGANGEN?
C. Sterrer, Das Geheimnis erfolgreicher Projekte,
DOI 10.1007/978-3-658-04797-9_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
7
8
2 Klare Projektdefinition
„organisationsübergreifend“
eher „komplex“
regelmäßig
Prozesse
Regelaufgabe
„intern“
eher „einfach“
LinienAufgabe
Aufgaben
„einfach bis komplex“
einmalig
Projektähnliche
Aufgabe
Vorhaben
„übergreifend“
„komplex bis sehr komplex“
Projekte
Abb. 2.1 Übersicht Aufgaben in einer Organisation
Aufgaben in einem Unternehmen
▼
Grundsätzlich lassen sich in einer Organisation regelmäßig wiederkehrende Regelaufgaben und (meist) einmalige Vorhaben unterscheiden (Abb. 2.1). Regelaufgaben können
hinsichtlich ihrer Komplexität und ihres Umfangs in Prozesse und Linienaufgaben weiter differenziert werden. Während Linienaufgaben häufig in einzelnen Teams oder
Abteilungen bewerkstelligt werden, sind Prozesse meist abteilungsübergreifend und
komplexer.
Die Umsetzung von Linienaufgaben wird meist durch Checklisten, Formulare und
Arbeitsbeschreibungen unterstützt. Prozesse werden in der Regel in Form von Flowcharts
visualisiert, die neben dem detaillierten Ablauf auch die beteiligten Rollen darstellen und
notwendige Hilfsmittel zur Verfügung stellen (Abb. 2.2).
Ein Prozess ist eine definierte und abgegrenzte Verkettung von Einzeltätigkeiten (und Verantwortungen) meist mehrerer Organisationseinheiten mit dem
Fokus auf Erfüllung einer Kundenerwartung oder eines geschäftlichen Ziels.
Prozesse zeichnen sich durch eine (häufige) Wiederholung und eine geringe bis
mittlere Komplexität und Varianz aus.
Aufgaben in einem Unternehmen
Abb. 2.2 Beispielhafte
Darstellung eines typischen
Prozesses
9
PL
6.1
Kundenkontakt
annehmen
6.2
Kunden
anliegen iden'fizieren
KundenStammdaten
prüfen
6.3
6.4
Weiterleitung
notwendig
Ja
Nein
6.5
Weiterleitung an zust.
HV-Bearbeiter
6.6
Beschwerde/
Information
FP
Beschwerde
Information
6.7
Beschwerde bearbeiten
6.8
Beschwerdebearbeitung
abgeschl.
Nein
Ja
6.9
Statusinfo an Kunden
senden
6.10
Info. Status erheben
6.11
notwendige Info
vorhanden
Nein
Ja
6.12
Informa'onen
erstellen
6.13
Info übermiNeln
zusammen-stellen
6.14
Letzt-Info an Kunden
weitergeben
6.15
Info-AuskunE
dokumen'eren und
archivieren
FP
10
2 Klare Projektdefinition
Temporäre
Aufgabe
Projektähnliche
Aufgabe
Aufgabe hat keine
hohe Komplexität
Kleinprojekt
Aufgabe hat mittlere
Komplexität
Projekt
Programm
Aufgabe hat hohe
Komplexität
Mehrere zusammenhängende Aufgaben
mit unterschiedlicher
Komplexität
Abb. 2.3 Überblick temporäre Aufgaben
Projekte und projektähnliche Aufgaben
▼
Ein Projekt ist eine komplexe Aufgabenstellung, zeitlich begrenzt, mit einem
definierten Budget, in dem definierte Projektziele umzusetzen sind. Projekte
unterscheiden sich entsprechend der höheren Komplexität von Regelaufgaben.
Ihre Umsetzung erfordert eine Projektorganisation und ein entsprechendes
Projektmanagement.
▼
Im Unterschied zu typischen Prozessen und Linienaufgaben zeichnen sich temporäre Vorhaben durch ihre Einzigartigkeit aus. Die klassische temporäre Aufgabe ist das Projekt. Die
Komplexität von Projekten kann jedoch stark variieren, man differenziert häufig zwischen
Kleinprojekten, Projekten und Programmen (Abb. 2.3). Darüber hinaus gibt es temporäre
Aufgaben (projektähnliche Aufgaben, auch Issues genannt), die aufgrund ihrer geringen Komplexität keine vollständige Projektorganisation und Projektplanung erfordern,
sondern auch alleine oder in einem kleinen Team durchgeführt werden können.
Projektähnliche Aufgaben (häufig auch als Maßnahmen oder Issues bezeichnet) sind meist einmalige, weniger komplexe Aufgaben, die sich ausgewählter
reduzierter Projektmanagement-Methoden bedienen (z. B. Auftrag, To-do- und
Entscheidungsliste, Statusbericht) und alleine oder in kleinen Teams abgearbeitet werden. Aufgrund ihrer Einmaligkeit ist es nicht sinnvoll, allgemeine
Checklisten, Vorlagen oder Prozesse zu definieren.
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Abb. 2.4 Beispiel einer To-do-Liste
Projekte und projektähnliche Aufgaben
12
2 Klare Projektdefinition
Das Management projektähnlicher Aufgaben
Auch projektähnliche Aufgaben (Issues) gehören organisiert. Dazu ist ein Mindestmaß
an Planung und Controlling notwendig. Es hat sich bewährt, die Aufgabe in Form eines
reduzierten (Projekt-)Auftrags abzugrenzen und zu definieren:
•
•
•
•
•
Was ist die Zielsetzung bzw. welche Ergebnisse sind zu erreichen?
Bis wann sind die Ziele zu erreichen (geplantes Ende)?
Welche sind die wesentlichen Meilensteine?
Welches Ressourcen- und Kostenbudget steht zur Verfügung?
Wer sind die Auftraggeber und Aufgabenverantwortlichen?
Um den Managementaufwand der Aufgabe möglichst reduziert zu halten, wird zur Planung und Steuerung der Aufgabe nur mit einer To-do- und Entscheidungsliste gearbeitet.
Alle nötigen Aufgaben werden mittels To-do-Liste definiert, Zuständigkeiten im Team
vergeben und die Termine dazu festgelegt. Mit Hilfe einer Statusspalte kann der Fortschritt der notwendigen Maßnahmen dokumentiert werden (Abb. 2.4). Alle getroffenen
Entscheidungen werden in der Entscheidungsliste mitgeführt. Die beiden Listen dienen
auch gleichzeitig zur Protokollierung von Meetings.
Sollen die projektähnlichen Aufgaben auch im Projektportfolio mitbetrachtet werden
(Issuetracking), ist es sinnvoll, einen Ampelstatus, einen aktuellen Endtermin sowie
einen möglichen Handlungsbedarf in Form eines reduzierten Statusberichtes an das
Portfoliomanagement zu melden.
Zur besseren Übersicht werden projektähnliche Aufgaben in manchen Unternehmen
auch in Form eines A3-Cockpits zusammengefasst (Abb. 2.5).
Eine Frage der Dimension – Projekt ist nicht gleich Projekt
Die Einschätzung, ob die zu lösende Aufgabenstellung als Projekt oder in Form eines
Prozesses abgewickelt werden soll, trifft in der Regel der Antragssteller, also jene Führungskraft, die die Aufgabe umsetzen will. Hat ein Unternehmen ein Unternehmensportfolio
aufgesetzt, wird ein Projektantrag in einer Projektesteuerkreissitzung diskutiert, priorisiert
und beauftragt oder abgelehnt (siehe Kap. 3). Erscheint die Umsetzung in Form eines bereits definierten Prozesses möglich, wird die für die jeweilige Aufgabe zuständige Abteilung
bzw. der Prozessverantwortliche mit der Umsetzung beauftragt.
Steht fest, dass die anstehende Aufgabenstellung nicht als Regelaufgabe oder Prozess
durchgeführt werden kann, sondern als Projekt umgesetzt werden muss, ist eine Klassifizierung hinsichtlich der Projektgröße empfehlenswert. In den meisten Fällen handelt es sich
um die Frage, ob die anstehende Tätigkeit als „Kleinprojekt“ oder „Projekt“ durchgeführt
werden soll. (Programme sind aufgrund der wesentlich höheren Komplexität eindeutig abgrenzbar und gesondert zu betrachten.) Eine Differenzierung in Kleinprojekte und
Projekte ist sinnvoll, da dadurch entsprechende Rahmenbedingungen für die Umsetzung
sichergestellt und vereinheitlicht werden können:
Ende
Projekt xx
Abb. 2.5 Beispiel für ein A3-Cockpit
Start
Projektblatt
30.11.2014
03.11.2013
Relaxingzone
Projektleiter:
Meier
Projektauftraggeber:
Sterrer
Coach:-
Teammitglieder:
Weichselbaum, Aufhauser, Huber
Niederberger, Gruber
Lenkungsausschuss:
Eine Frage der Dimension – Projekt ist nicht gleich Projekt
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14
2 Klare Projektdefinition
Kriterien
Organisatorische
Komplexität
(Anzahl Abteilungen)
Kleinprojekt
Projekt
2-3 Abteilungen
> 3 Abteilungen
keine Auswirkungen auf org.
Strukturen und Prozesse
neue org. Strukturen und/oder
Prozesse als Ergebnis des
Projekts
Personaleinsatz
in Personentagen
(PT)
80PT - 200PT
> 200PT
Kosten
40.000 - 100.000 EUR
> 100.000 EUR
Dauer
mind. 2 Monate
mind. 6 Monate
Risiko
Aufgabe ohne Wirkung
außerhalb des
Unternehmens (Kunden,
Lieferanten, Presse)
Aufgabe mit Wirkung
außerhalb des Unternehmens
(Kunden, Lieferanten, Presse)
Inhaltliche
Komplexität
Abb. 2.6 Beispiel einer Differenzierung von Projekt und Kleinprojekt anhand von Kriterien und
Ausprägungen
• Auswahl Projektleiter: unterschiedliches Anforderungsprofil für Projektleiter von
Kleinprojekten und Projekten
• Umfang Projektmanagement: Kleinprojekte können mit einem reduzierten Set an PMMethoden abgewickelt werden (siehe Kap. 7)
• Gestaltung der PM-Prozesse: Die Prozesse von Kleinprojekten können schlanker
gestaltet werden
• Interne organisatorische und rechtliche Vereinbarungen: Ab welcher Projektgröße
ist ein Lenkungsausschuss notwendig? Innerhalb welchen Budgetrahmens ist der
Projektleiter entscheidungsbefugt?
Die in Abb. 2.3 vorgestellte Definition ist für den operativen Gebrauch zu wenig
konkret. Aus diesem Grund wird in vielen Unternehmen eine Projektwürdigkeitsanalyse
durchgeführt, also eine Differenzierung von temporären Aufgaben anhand von Kriterien
und Ausprägungen. Abbildung 2.6 zeigt ein Beispiel dafür. (Um in diesem Beispiel von
einem Kleinprojekt oder Projekt sprechen zu können, müssen mindestens vier der sechs
Kategorien zutreffen.)
Die strategische Relevanz einer Projektdefinition
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Die strategische Relevanz einer Projektdefinition
Die Differenzierung von Regelaufgaben (Linienaufgaben und Prozesse) und Vorhaben
(Projekte und projektähnliche Aufgaben) ist für Unternehmen eine wichtige strategische Entscheidung, die nicht durch persönliche Einschätzung der Projektleiter oder
-auftraggeber, sondern durch im Unternehmen abgestimmte Standards erfolgen soll. Die
strategische Relevanz dieser Differenzierung ergibt sich aufgrund nachfolgender Punkte:
▼
a. Effizienz der Abwicklung:
Die Durchführung einer Aufgabenstellung als Projekt ist immer mit einem Mehraufwand verbunden (Definition einer eigenen Projektorganisation, Erstellung von
Projektplänen, regelmäßiges Projektcontrolling). Somit ist die prozesshafte Umsetzung einer Aufgabe (anhand eines vordefinierten Prozesses) in der Regel schlanker
und effizienter. Erst wenn die Komplexität in der Linien- bzw. Prozessorganisation
nicht mehr zu bewältigen ist, ist eine Umsetzung in Projektform notwendig und sinnvoll. Unternehmen sollten daher versuchen, Aufgabenstellungen so lange prozesshaft
abzuwickeln, solange es die Komplexität zulässt. Diese Entscheidung kann Ihrem
Unternehmen einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil oder auch -nachteil bringen:
Handelt Ihre Konkurrenz eine Aufgabenstellung (Kundenaufträge) prozessorientiert
ab, die Ihr Unternehmen in Projektform umsetzt, dann hat Ihre Konkurrenz hier
ganz klar die Nase vorne! Sie wird mit weniger (personellem) Aufwand ihre Ziele erreichen und somit die Aufgabe kostengünstiger abwickeln bzw. einen größeren
Deckungsbeitrag generieren.
Was in einer To-do-Liste abgehandelt werden kann, ist kein Projekt! Wozu
Balkenpläne und Projektorganigramme erstellen, wenn eine einfache To-doListe auch ausreicht? (siehe Abb. 2.4) Versuchen Sie Aufgabenstellungen erst
dann als Projekt abzuhandeln, wenn es Ihnen die Komplexität der Aufgabe
nicht mehr erlaubt, sie in einem Prozess abzubilden!
b. Strategische Steuerung von Projekten:
Alle im Unternehmen laufenden Projekte können in einem Projektportfolio (Def. siehe Kap. 3) zusammengefasst und durch einen Projektesteuerkreis (Def. siehe Kap.
3), einem Entscheidergremium bestehend aus relevanten Führungskräften, gesteuert
werden. Damit wird sichergestellt, dass Projekte priorisiert und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens entsprechen. Wird eine Aufgabenstellung nicht als Projekt,
sondern prozesshaft abgehandelt, ist sie nicht Teil des Portfolios, wird entsprechend
dort auch nicht abgebildet und koordiniert, sondern in der Linie bzw. in der Prozessorganisation gemanagt. Für eine Sicherstellung der abteilungsübergreifenden Ressourcen
und damit geplante Abhandlung des Projektes ist eine Berücksichtigung im Projektportfolio allerdings unbedingt notwendig, da dort Projekte priorisiert und Ressourcen
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2 Klare Projektdefinition
gesteuert werden. Umgekehrt ist es im Sinne des Managements, eine Übersicht über alle
relevanten Projekte zu generieren, um mit Hilfe von Priorisierungen und anderen steuernden Maßnahmen die strategische Ausrichtung des Projektportfolios sicherstellen zu
können (siehe Kap. 3).
Existiert im Unternehmen eine einheitliche Projektdefinition, können Führungskräfte
im Projektbeauftragungsprozess gemäß diesen Kriterien entscheiden, ob eine Aufgabe
projektwürdig ist oder nicht. Ist darüber hinaus auch noch festgelegt, welche Rahmenbedingungen (z. B. Lenkungsausschuss JA/NEIN) geschaffen bzw. Methoden (Methodenliste
siehe Kap. 7) für die jeweilige Größe angewandt werden müssen, setzt das Management mit
der Projektentscheidung wichtige Standards für die Umsetzung und schafft damit Effizienz
und Einheitlichkeit.
Zusammenhang Projekte und Prozesse
Nicht immer können die Linien- Prozess- und die Projektwelt so gesondert betrachtet
werden. Bei Produkten wird der Produktlebenszyklus in Form eines Prozesses dargestellt.
Einzelne Prozessschritte werden allerdings aufgrund ihrer Komplexität als Projekt abgehandelt, während andere Prozessschritte im Rahmen der Prozessorganisation abgewickelt
werden. So zeichnet sich der Teilprozess der Produktentwicklung beispielsweise meist
durch hohe inhaltliche und organisatorische Komplexität aus. Die Umsetzung der Aufgabenstellung in einer temporären Organisation inkl. entsprechendem Projektmanagement
ist notwendig. Der Teilprozess der Produktion bzw. Sales ist hingegen eine eindeutige
Angelegenheit für Prozess- bzw. Linienorganisation (Abb. 2.7).
Konzeptionsprojekte
▼
In vielen Unternehmen noch weitgehend unbekannt sind Konzeptionsprojekte (Vorprojekte). Gerade für Führungskräfte, die häufig als Projektauftraggeber oder als Mitglied eines
Projektesteuerkreises tätig sind, wäre es wichtig, bestimmte Vorhaben nicht automatisch
als Umsetzungs- oder Realisierungsprojekte zu beauftragen.
Konzeptionsprojekte (oder Vorprojekte, Studienprojekte) sind spezifische Projekte, deren Ziel nicht eine Realisierung, sondern auf Basis einer strukturierten
Aufbereitung aller entscheidungsrelevanten Informationen ein Konzept für eine spezifische Themenstellung ist. Dieses Konzept ist wiederum Basis für eine
Realisierungsentscheidung. Konzeptionsprojekte werden häufig in die Phasen Istanalyse, Sollkonzept (Variantendarstellung), Realisierungsplanung und
Entscheidungsaufbereitung und -findung gegliedert.
Entwicklung
Abb. 2.7 Projekte segmentieren einen Prozess
Realisierungs entscheidung
Produktkonzept &
Machbarkeit
Konzeptionsprojekt
Produktidee
SOP
Fertigungsvorbereitung
Realisierungsprojekt
Prototypenbau &
Optimierung
Serienanlauf
Prozesse
Vertrieb
Produktion
Projekt
Relaunch
Prozesse
Vertrieb
Produktion
Projekt
Phase Out
Konzeptionsprojekte
17
18
2 Klare Projektdefinition
Insbesondere im Bereich der Produktentwicklung können Konzeptionsprojekte Kosten,
Ressourcen und Nerven sparen. Hat ein Produktmanager eine neue Produktidee, ist zu
Beginn meist völlig unklar, ob diese Idee technisch umsetzbar ist, ob es genügend Käufer
dafür geben oder ob sich das Produkt auch rechnen wird. Wird zu diesem Zeitpunkt sofort
ein Realisierungsprojekt aufgesetzt, müsste dies bei Eintreffen einer der oben genannten
Prognosen (z. B. negativer Business Case), wieder abgebrochen werden. Allerdings wird
in vielen Unternehmen ein Projektabbruch mit dem Scheitern einer einzelnen Person in
Verbindung gebracht, weshalb Produktentwicklungen – sind sie einmal beauftragt – häufig
durchgezogen werden. Das Ergebnis ist ein fertig entwickeltes Produkt, das aber von den
Kunden nicht gekauft wird oder nie in die Gewinnzone kommt.
Eine alternative Vorgehensweise wäre die Beauftragung eines Konzeptionsprojekts.
Ziel dieses Projekts ist nicht ein fertiges Produkt, sondern eine Realisierungsentscheidung (Go-NoGo-Entscheidung). In einem Konzeptionsprojekt wird in strukturierter
Vorgehensweise eine Entscheidungsgrundlage für die Realisierungsentscheidung getroffen
(Abb. 2.8).
1. Projektmanagement: Typische Projektmanagement-Aufgaben vom Start bis zum
Abschluss des Projekts.
2. Istanalyse: Was erwarten Kunden von den zukünftigen Produkten? Wie wird sich der
Markt entwickeln? Was macht die Konkurrenz?
3. Sollkonzept: Was soll das Produkt können? Wie viel soll das Produkt kosten? Wer ist
die Zielgruppe?
4. Realisierungsplanung und Erstellung Business Case: Wie lange dauert die Produktentwicklung? Was wird diese kosten? Wer muss mit eingebunden sein? Was sind
die Risiken? Wann ist mit einem Break-Even zu rechnen? Wie viel Stück muss ich
verkaufen, um in die Gewinnzone zu kommen?
5. Entscheidungsfindung: Zusammenfassung der Information in einem Entscheidungspapier und Entscheidung.
Wird eine positive Realisierungsentscheidung getroffen, kann in einem Folgeprojekt die
eigentliche (Produkt-)Realisierung beauftragt werden.
Erscheinen Konzeptionsprojekte auf den ersten Blick oftmals als Zusatzaufwand,
rechnen sich Zeit, Ressourcen und Energie dieser Projekte allemal:
• Reduktion des Projektrisikos und der Kosten zunächst auf die Aufwände einer
Konzeption
• Strukturierte Abwicklung der notwendigen „Hausaufgaben“ zur Aufbereitung von
Informationen für eine fundierte Realisierungsentscheidung
• Beauftragung von planbaren Aufgaben (wie soll ein Realisierungsprojekt geplant
werden, wenn nicht einmal klar ist, wie das Projektergebnis (z. B. Produkt) aussieht?)
• Effizientere und raschere Abwicklung: Konzeptionsprojekte können mit einem kleineren Team und damit auch rascher abgearbeitet werden, als wenn diese Aufgaben im
Rahmen eines Realisierungsprojekts durchgeführt werden
1.2
0%
...
1.1
Abb. 2.8 Phasen eines Konzeptionsprojekts
Projektmanagement
Istanalyse
0%
...
1
1.3
Sollkonzept
Christian Sterrer
0%
...
0%
...
Konzeptionsprojekt
Realisierungsplanung
0%
...
Konzeptionsprojekt
Entscheidungsfindung
0%
...
Projektstrukturplan
Konzeptionsprojekte
19
1.5
1.4
20
2 Klare Projektdefinition
Programm
Programmmangement
Programmaufgaben
Projekt 1
Projekt 2
Projekt X
P-Start
AP 1
Phase 1
Phase 1
Phase 1
P-Koordination
AP 2
Phase 2
Phase 2
Phase 2
P-Controlling
AP 3
Phase 3
Phase 3
Phase 3
P-Marketing
AP 4
P-Abschluss
AP X
Projekt 1
Phase 1
Phase 2
Phase 3
AP 1.1
AP 2.1
AP 3.1
AP 1.2
AP 2.2
AP 3.2
AP 1.3
AP 2.3
AP 3.3
AP 1.4
AP 2.4
AP 3.4
Abb. 2.9 Die Programmstruktur
▼
Management von Programmen
Ist eine Aufgabenstellung so komplex und umfangreich, dass sie nicht mehr in
einem Projekt abgewickelt werden kann, sondern sind dazu mehrere Projekte
(und Kleinprojekte) notwendig, spricht man von einem Programm. Unter einem Programm werden somit mehrere Projekte (Kleinprojekte, Aufgaben) mit
einer gemeinsamen Zielsetzung verstanden. Programme benötigen neben dem
Management der Projekte (oder Kleinprojekte) eine ganzheitliche Steuerung,
also ein spezifisches Programmmanagement.
Generell werden im Programmmanagement die gleichen Methoden wie im Projektmanagement verwendet. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Projektpläne der
Einzelprojekte in übergeordnete Programmpläne integriert werden. Dabei ist es wichtig,
eine durchgängige Struktur zu verwenden und die Pläne der Einzelprojekte auf Programmebene zu verdichten (Abb. 2.9). Wird dies berücksichtigt, kann der Programmleiter seinem
Programmauftraggeber jederzeit einen (verdichteten) Überblick über den Programmstatus
geben, aber auch in die Detailpläne der Projekte einsteigen.
Management von Programmen
21
Programmlenkungsausschuss
Programm
AG
Programmleiter
Programmteam
PL
Projekt I
PL
Projekt II
PTM 1
Programmbüro
PL
Projekt x
PL
Projekt III
PTM 1
PTM 2
PTM x
PTM 2
PTM 1
PTM 1
PTM 2
PTM x
PTM x
PTM 2
PTM x
Abb. 2.10 Die Programmorganisation
Auch die Programmorganisation gleicht in ihren Rollen der Projektorganisation.
Die typische Programmorganisation besteht aus einem Programmauftraggeber, einem
Programmleiter und dem Programmteam. Das Programmteam setzt sich aus den
Projektleitern der Einzelprojekte zusammen (Abb. 2.10).
Aufgrund der Größe und der strategischen Bedeutung wird bei Programmen üblicherweise ein Programmlenkungsausschuss gebildet. Eine spezifische Frage ist die
Projektauftraggeberschaft von Projekten innerhalb eines Programms: Im Idealfall ist
der Progammleiter auch gleichzeitig der Auftraggeber der Einzelprojekte seines Programms. Dies gewährleistet, dass er den Programmauftrag sinnvoll auf die Projekte
(Projektaufträge) verteilen und deren Umsetzung sicherstellen kann.
Insgesamt kommt dem Programmmanagement eine immer größere Bedeutung zu,
da aufgrund der generellen Erhöhung der Komplexität auch immer mehr Programme
entstehen und diese professionell abgewickelt und gemanagt werden müssen.
Zusammenfassung
Die in einem Unternehmen zu bewerkstelligenden Aufgaben sind divers und hinsichtlich ihrer Einmaligkeit und Komplexität zu klassifizieren. Nach welchen Kriterien diese
Klassifizierung vorgenommen wird, ist von grundlegender strategischer Bedeutung, da
22
2 Klare Projektdefinition
dadurch sichergestellt werden kann, dass Linienaufgaben und Prozesse ressourcenschonend und effizient in Abteilungs- und Prozessstrukturen abgewickelt werden. Nur so
werden jene Aufgaben zu Projekten, die auch wirklich welche sind. Eine dem Unternehmen angepasste Projektdefinition setzt die dafür notwendigen Standards und verhindert
Willkür und unnötigen Mehraufwand.
Neben der Abgrenzung zu Linienaufgaben und Prozessen ist die Klassifizierung einer temporären Aufgabenstellung hinsichtlich Projektgröße empfehlenswert. Dadurch
können bestimmte Rahmenbedingungen sowie der Umfang des Projektmanagements
der Komplexität des Projektes angepasst werden. Eine Projektwürdigkeitsanalyse anhand von Kriterien und Ausprägungen ermöglicht diese Abgrenzung. Eine immer
größere Bedeutung kommt Programmen zu, die aufgrund ihrer Größe und Komplexität ein entsprechendes Management benötigen. Noch weitgehend unbekannt, jedoch
von großer strategischer Relevanz sind sogenannte Konzeptionsprojekte (Vorprojekte),
deren Ziel nicht die Umsetzung oder Realisierung eines bestimmten Vorhabens, sondern die strukturierte Aufbereitung relevanter Information als Basis für eine daran
anschließende Realisierungsentscheidung ist.
Checkliste Projektdefinition
• Wird bei Ihnen im Unternehmen die Entscheidung, ob es sich um eine Regelaufgabe
(Linienaufgabe oder Prozess) oder um ein Projekt (Vorhaben) handelt, anhand von
festgelegten Kriterien gefällt?
• Trifft diese Entscheidung der Projektesteuerkreis (Führungskräftegremium) auf
Basis der Projektdefinition des Unternehmens?
• Unterscheiden Sie zwischen Kleinprojekten und Projekten gemäß standardisierter
Kriterien?
• Hat das Ergebnis dieser Entscheidung einen Einfluss auf den ProjektmanagementUmfang bzw. andere Rahmenbedingungen?
• Ist die Projektdefinition bzw. sind die daraus resultierenden Konsequenzen dokumentiert und sind alle Beteiligten bekannt? Wird die Projektdefinition auch
gelebt?
• Wie werden projektähnliche Aufgaben in Ihrem Unternehmen abgewickelt?
• Differenzieren Sie zwischen (Groß-)Projekten und Programmen? Werden Programme auch gemäß einem professionellen Programmmanagement abgewickelt?
• Differenzieren Sie zwischen Konzeptions- und Realisierungsprojekten?
Zugehörige Unterlagen
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