Gutachten 2016 - Bundesnetzagentur

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Wissenschaftliches Gutachten zur Schätzung
der Marktrisikoprämie (Equity risk premium)
im Rahmen der Entgeltregulierung
Prof. Richard Stehle, Ph.D.
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin, April 2016
1
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. 2
I
II
Der Gutachtenauftrag, die Vorgehensweise und der Gutachtenaufbau .................... 5
I.1
Der Gutachtenauftrag ................................................................................. 5
I.2
Vorgehensweise und Gutachtenaufbau .......................................................... 6
Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen und Ergebnisse ........................ 11
III Rahmenbedingungen der Schätzung der Marktrisikoprämie im Rahmen der
Entgeltregulierung .......................................................................................... 15
III.1 Gesetzliche und institutionelle Grundlagen ................................................... 15
III.2 Das CAPM und die WACC-Formel als wesentliche Bestandteile der
Entgeltregulierung in Deutschland, dem UK und Australien ............................. 18
III.3 Andere Anwendungsgebiete der Risikoprämie ............................................... 19
III.3.a Die Ermittlung des Wertes einer Unternehmung, für die kein bzw. kein
adäquater Börsenkurs existiert ..............................................................19
III.3.b Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprojektes bzw. der
Vorteilhaftigkeit von dessen Weiterführung .............................................20
III.3.c Die Ermittlung des voraussichtlichen Endwertes einer einmaligen
Kapitalanlage bzw. eines Sparprozesses an einem zukünftigen Stichtag. .....21
III.3.d Die interne oder externe Beurteilung der renditemäßigen Performance von
Investmentfonds ..................................................................................21
III.3.e Die Entgeltfestlegung bzw. -überwachung ...............................................21
III.4 Bundesanleihen und die „Global Financial Crisis“ (GFC) .................................. 22
III.5 Maßnahmen zur „Abfederung“ des WACC-Absinkens als Folge der globalen
Finanzkrise ab 2007 .................................................................................. 24
IV Ökonomische und datenmäßige Grundlagen ....................................................... 25
IV.1
Reale vs. nominale Betrachtung .................................................................. 25
IV.2
Das
CAPM
und
alternative
Kapitalmarktgleichgewichtsmodelle,
insbesondere das internationale CAPM ......................................................... 26
IV.2.a Handelt es beim CAPM um ein Modell das reale oder um ein Modell das
nominale Renditen erklärt?....................................................................29
IV.2.b Die Länge der vom CAPM betrachteten Zeitperiode ..................................29
IV.3
„Wahre“ Werte vs. Schätzungen und Prognosen, „In-Sample“ Ergebnisse
vs. „Out-of-Sample” Prognosen ................................................................... 30
IV.4
Arithmetisches vs. geometrisches Mittel ....................................................... 31
IV.5
Renditedaten ............................................................................................ 33
IV.5.a Aktienrendite-Zeitreihen: Grundlagen .....................................................34
IV.5.b Die Aktienrenditen-Zeitreihen von Dimson/Marsh/Staunton .......................36
IV.5.c Die Renditen festverzinslicher Wertpapiere: Grundlagen ...........................38
IV.5.d Die Bond-Renditezeitreihen von Dimson/Marsh/Staunton ..........................39
2
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IV.5.e Verbraucherpreisindizes ........................................................................40
IV.5.f
V
Fazit zu den für eine Schätzung der Marktrisikoprämie verfügbaren Daten. .40
Die Schätzung der Marktrisikoprämie mit dem Wright-Ansatz vs. die
traditionelle Schätzung auf Basis historischer Daten für Aktien und Anleihen .......... 42
V.1
Die Schätzung auf Basis historischer Daten für Aktien und Anleihen ................ 42
V.2
Der Wright-Ansatz und seine Begründung .................................................... 43
V.3
Die empirische Untermauerung durch die Siegel-Grafik .................................. 45
V.3.a
USA ...................................................................................................45
V.3.b
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (UK) .......................48
V.3.c
Deutschland ........................................................................................50
V.3.d
Australien ...........................................................................................52
V.3.e
Fazit ...................................................................................................52
V.4
Die
Verwendung
des
CAPMs
durch
ausgewählte
nationale
Regulierungsbehörden ............................................................................... 52
V.4.a
Deutschland ........................................................................................54
V.4.b
UK .....................................................................................................55
V.4.c
Australien ...........................................................................................55
V.4.d
USA ...................................................................................................56
V.5
Die Schätzung der CAPM Risikoprämie auf Basis von historischen Daten .......... 57
V.5.a
UK .....................................................................................................57
V.5.b
Australien ...........................................................................................57
V.5.c
Andere Länder .....................................................................................59
VI Andere Schätzverfahren für die zukünftige Marktrisikoprämie und/ oder die
zukünftige Aktienrendite .................................................................................. 60
VI.1
Das
Dividendendiskontierungsmodell
in
der
Form:
Aktuelle
Dividendenrendite plus historische Wachstumsrate der Dividenden.................. 60
VI.2
Das
Dividendendiskontierungsmodell
unter
Verwendung
der
Dividendenschätzungen von Finanzanalysten ................................................ 62
VI.3
Rein empirisch ermittelte Zusammenhänge .................................................. 62
VI.4
Die Schätzung der Risikoprämie bzw. der langfristigen nominalen oder
realen Aktienrendite durch Expertenbefragungen .......................................... 62
VI.5
Die Kombination von alternativen Schätzwerten bzw. -verfahren .................... 62
VII Schätzung und Festlegung der anderen Eingangsparameter des CAPMs ................. 64
VII.1 Risikoloser Zinssatz und Inflationsrate ......................................................... 64
VII.2 Beta ........................................................................................................ 66
VIII Literaturverzeichnis ......................................................................................... 67
VIII.1 Bücher und wissenschaftliche Aufsätze ........................................................ 67
VIII.2 Gutachten ................................................................................................ 72
VIII.3 Berichte, Verlautbarungen und Stellungnahmen von Behörden, betroffenen
Parteien,Verbänden und Beratungsunternehmen ........................................... 74
3
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
VIII.4 Entscheidungen von Regulierungsbehörden, Spruchkammern und Gerichten .... 76
IX Anhang A: Die Stellungnahmen und Festlegungen der australischen
Regulierungsbehörden zur Marktrisikoprämie, insbesondere zum WrightVorschlag zur Schätzung der Prämie.................................................................. 78
IX.1
Telekommunikationsnetz-Entscheidungen der Australian Competition &
Consumer Commission (ACCC) ................................................................... 78
IX.1.a Public inquiry into final access determinations for fixed line services, 09. Okt.
2015, .................................................................................................78
IX.1.b Mobile Termination Access Service, Final Access Determination, 24. Aug.
2015 ..................................................................................................79
IX.1.c Public inquiry to make a final access determination for the Wholesale ADSL
service, Final Report, Mai 2013, (177 Seiten, einschließlich der Anhänge) ...80
IX.2
Stromnetz- und Gasnetz-Entscheidungen des Australian Energy Regulators
(AER) ...................................................................................................... 80
IX.2.a Die Rate of Return Guideline .................................................................81
IX.2.b Jemena Gas Networks' Access Arrangement 2015–20, Final Decision, Juni
2015 ..................................................................................................82
IX.2.c ActewAGL (ACT) - Access arrangement 2016-21 ......................................84
IX.2.d Australian Gas Networks (SA) Access Arrangement 2016 to 2021 ..............84
IX.2.e Jemena Electricity Networks (Vic) Ltd, 2016-20 Electricity Distribution Price
Review ...............................................................................................86
IX.3
Stellungnahmen und Verfahren der Queensland Competition Authority
(QCA) ...................................................................................................... 86
IX.3.a Cost of capital: market parameters, Final Decision, August 2014 ...............86
X
IX.4
Stellungnahmen und Verfahren des Independent Pricing and Regulatory
Tribunal (IPART) von New South Wales ........................................................ 88
IX.5
Weitere australische Regulierungsbehörden .................................................. 88
Anhang
B:
Die
Stellungnahmen
und
Festlegungen
der
britischen
Regulierungsbehörden zur Marktrisikoprämie, insbesondere zum WrightVorschlag zur Schätzung der Prämie.................................................................. 90
X.1.a
Ofcom (2011 und 2015): Mobile call termination......................................90
X.1.b
Competition Commission (März 2014) ....................................................93
XI Anhang C: Das Sharpe/Lintner Capital Asset Pricing Model (CAPM) ....................... 94
XII Anhang D: Daten und ihre Probleme ................................................................. 95
XIII Anhang E: Vergleich von arithmetisch, geometrisch und implizit ermittelten
Marktrisikoprämien auf Basis der Damodaran-Daten für die USA 1928 – 2014 ........ 98
4
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
I
Der Gutachtenauftrag, die Vorgehensweise und der Gutachtenaufbau
I.1
Der Gutachtenauftrag
Die für den Bereich Telekommunikation verantwortliche Abteilung der Bundesnetzagentur
(BNetzA) hat mich beauftragt, ein Gutachten zur Schätzung der zukünftigen Marktrisikoprämie zu erstellen. Diese ist einer der drei Eingangsparameter des Capital Asset Pricing Model (CAPM), das der Ermittlung der Eigenkapitalkosten in der Entgeltregulierung
zugrunde liegt. Die weitere diesbezügliche Verwendung des CAPMs ist unstrittig, auf sie
wird im Gutachten deshalb nur kurz eingegangen. Die Eigenkapitalkosten stellen wiederum einen wichtigen Eingangsparameter in die WACC-Formel zur Berechnung der durchschnittlichen Kapitalkosten dar, die ebenfalls unstrittig ist.
Neben der zukünftigen Marktrisikoprämie sind der zukünftige risikolose Zinssatz und das
zukünftige nichtdiversifizierbare Risiko der regulierten Aktivitäten (das Beta) Eingangsparameter der CAPM-Gleichung. Alle drei müssen im Rahmen des Regulierungsbescheides
im Einklang miteinander geschätzt werden, also mehrere Monate vor Beginn der Regulierungsperiode. Die Schätzung der Risikoprämie ist besonders schwierig, da deren Höhe
auch im Nachhinein nicht beobachtet werden kann.
Der Schwerpunkt des Gutachtens soll laut Auftrag auf der Frage liegen, ob die derzeit zur
Schätzung der Marktrisikoprämie verwendete Methode durch den Wright-Ansatz ergänzt
oder sogar ganz ersetzt werden soll und gegebenenfalls auf welche Weise.
Bei der derzeit verwendeten Schätzmethode für die zukünftige Marktrisikoprämie wird für
jedes Jahr des zugrunde liegenden historischen Betrachtungszeitraums die Überrendite
von Aktien, d. h. die Differenz aus der nominalen Rendite des „Marktportefeuilles aller
Aktien“ (approximiert für Deutschland durch die DAX-Änderungsrate) und der nominalen
Rendite von Bundesanleihen (approximiert für Deutschland durch den REXP-Index) berechnet und über die einbezogenen Jahre der Mittelwert gebildet. Dieser Vorgehensweise
liegt die Annahme zugrunde, dass der Erwartungswert der so berechneten Überrendite
im Zeitablauf konstant ist. Deren historischer Mittelwert ist deshalb der beste Schätzwert
für den Erwartungswert der zukünftigen Prämie. Diese Vorgehensweise wird in der englischsprachigen Literatur oft als „Historical (risk) premium approach“ bezeichnet. Wir bezeichnen sie als die auf traditionelle Weise (aus historischen Renditedaten) ermittelte
Marktrisikoprämie, da auch beim Wright-Ansatz die Marktrisikoprämie auf Basis von historischen Daten geschätzt wird, allerdings nur auf Basis von historischen Aktienrenditen.
Dem Wright-Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass der Erwartungswert der realen
Rendite des Marktportefeuilles aller Aktien im Zeitablauf konstant ist. Dieser wird in einem ersten Schritt durch den historischen Durchschnittswert geschätzt. Der aktuelle
Schätzwert für die zukünftige Marktrisikoprämie ergibt sich aus der Differenz zwischen
dem historischen Durchschnittswert und dem verwendeten risikolosen Realzinssatz.1 Bei
dieser Vorgehensweise variiert die Risikoprämie also im Zeitablauf. Fällt der risikolose
1
Oft wird auch eine nominale Marktrisikoprämie nach dem Wright-Ansatz wie folgt berechnet (vgl. Frontier
(2016), S. 30, RN 90): Der historische Durchschnittswert der realen Aktienrendite wird mithilfe der aktuell
erwarteten Inflationsrate in einen Erwartungswert der nominalen Rendite des Marktportefeuilles umgerechnet.
Davon wird der verwendete risikolose Nominalzinssatz abgezogen. Diese Vorgehensweise wird u. a. bevorzugt, wenn kein risikoloser Realzinssatz beobachtet werden kann und die nominalen Eigenkapitalkosten geschätzt werden sollen. Beide Berechnungsweisen führen zu fast identischen Ergebnissen, vgl. hierzu Abschnitt
IV.1. Für unsere folgenden Erörterungen spielt dieser Unterschied eine untergeordnete Rolle.
5
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Zinssatz z. B. um 1 %, dann steigt der Schätzwert für die Marktrisikoprämie um 1 %. Oft
wird deshalb von einer (vollkommen) inversen Beziehung zwischen der Marktrisikoprämie
und dem risikolosen Zins gesprochen.
Auf die ökonomischen und nicht-ökonomischen Begründungen der beiden Vorgehensweisen ist einzugehen, ebenso auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie gegebenenfalls die praktische Umsetzung. Der Unterschied zwischen der realen und der nominalen Risikoprämie ist zu erläutern.
Beide Schätzverfahren können so modifiziert werden, dass nicht unterstellt wird, dass die
zu schätzende Größe, also die Marktrisikoprämie bzw. die erwartete reale Aktienrendite,
im Zeitablauf vollkommen konstant ist, sondern (leicht) variiert. In diesem Fall muss bei
beiden Vorgehensweisen in einem ersten Schritt die zukünftige Höhe der jeweiligen
„Schlüsselgröße“ mithilfe eines geeigneten Verfahrens prognostiziert werden. Prinzipiell
könnte der risikolose Zins eine Eingangsgröße für diese Schätzungen darstellen. Ein wichtiger derartiger Vorschlag ist, dass die jeweiligen Schlüsselgrößen mithilfe eines Dividendendiskontierungsmodells geschätzt werden, bei dem an die Stelle der historischen Renditen historische Wachstumsraten für die Dividenden oder Gewinne treten oder Analystenschätzungen zum zukünftigen Dividenden- und Gewinnwachstum verwendet werden
(implizite Marktrisikoprämie). Aktuell (Ende Februar 2016) hat die Diskussion um den
Wright-Ansatz in Australien einen geringeren Stellenwert, sie hat sich inzwischen stärker
dem Dividendendiskontierungsmodell zugewandt. Ich werde also auch vertieft auf die
vielfältigen Ausprägungen des Dividendendiskontierungsmodells eingehen. Auf die Dividendendiskontierungsmodelle ist in einer Weise, die eine eigenständige Anwendung
durch die BNetzA ermöglicht, allerdings nur einzugehen, falls die grundlegenden Erörterungen zum Ergebnis führen, dass sie für Deutschland im Rahmen der Festnetz-, Mobilfunk- und UKW-Entgeltregulierung derzeit oder in naher Zukunft in Frage kommen.
Unstrittig ist auch, dass im Telekommunikationsbereich weiterhin unterstellt wird, dass
das CAPM für einen internationalen Kapitalmarkt gilt. Für die Schätzung der internationalen Marktrisikoprämie sind deshalb historische Aktien- und Anleiherenditen nicht nur für
Deutschland, sondern auch für andere Länder erforderlich. Vielfach werden in diesem Zusammenhang die von Dimson/Marsh/Staunton seit circa 2002 jährlich veröffentlichten
Werte verwendet, die sich aktuell auf den Zeitraum seit 1900 und auf 23 Länder erstrecken. In meinem Gutachten von 2010 habe ich von der Verwendung dieser Daten im TKBereich abgeraten und vorgeschlagen, in die Schätzung nur Datenreihen einzubeziehen,
deren Qualität bereits überprüft wurde. Auch auf diesen Aspekt der Schätzung ist einzugehen, ebenso auf die damit zusammenhängenden Probleme wie die Wahl eines historischen Betrachtungszeitraumes und die Gewichtung im Fall, dass ein vollkommen integrierter internationaler Kapitalmarkt unterstellt wird.
Schließlich ist zu überprüfen, ob andere Aspekte der in meinem Gutachten von 2010 zur
Schätzung der Risikoprämie und des risikolosen Zinssatzes vorgeschlagenen Vorgehensweise zu ändern sind. Dazu zählt beispielsweise die Verwendung des Mittelwertes aus
arithmetischem und geometrischem Mittel, die konkrete Wahl des risikolosen Zinssatzes,
die Verwendung eines 10-jährigen Durchschnittswertes für diesen Zinssatz, die Anwendung der exponentiellen Glättung und die Wahl des Indexes für die Beta-Berechnung.
I.2
Vorgehensweise und Gutachtenaufbau
Bei der Schätzung der Eigenkapitalkosten auf Basis des CAPMs handelt es sich um eine
ökonomisch gut begründete Vorgehensweise, die im Rahmen der Entgeltregulierung
6
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
„weltweit“ Anwendung findet. Da es sich allerdings um ein höchst abstraktes Modell handelt, ist bei der Umsetzung eine Vielzahl von Detailproblemen zu lösen. Darüber, wie die
einzelnen Detailprobleme am besten gelöst werden, existiert in der Wissenschaft und
noch mehr bei den involvierten Praktikern eine Vielzahl von unterschiedlichen Meinungen
und Verbesserungsvorschlägen. Die Lösung der Detailprobleme wird insbesondere für die
Regulierungsbehörde dadurch erschwert, dass zwischen vielen Detailproblemen ein Zusammenhang herrscht, der bei der Lösung beachtet werden muss. Aktuell kommt hinzu,
dass die Zinssätze in den vergangenen Jahren stark gefallen sind (vgl. Abschnitt III.4).
Wie in meinem Gutachten für die BNetzA (2010), auf das ich mich oft beziehe,2 stütze ich
mich in meinen Ausführungen und Empfehlungen stark auf die in Fußnote 5 genannten
„weltweit“ führenden Lehrbücher des
Gebietes Finance, insbesondere Brealey/Myers/Allen (2014), Welch (2014) und Koller/Goedhart/Wessels (2015), auf die wissenschaftliche Literatur, auf Entgeltfestlegungen von Regulierungsbehörden in Deutschland, dem UK, in Australien und den USA sowie auf weitere Dokumente im Zusammenhang mit diesen Festlegungen.
Im folgenden Kapitel II werden die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen im Sinne
einer „Executive Summary“ zusammengefasst und kurz begründet.
Prinzipiell könnte beides, die reale Marktrisikoprämie als auch die erwartete reale Rendite
des Marktportefeuilles aller Aktien, im Zeitablauf konstant sein, nämlich dann, wenn real
risikolose Wertpapiere existierten und der Realzins im Zeitablauf ebenfalls konstant wäre.
Wissenschaftlich ist unstrittig, dass alle drei genannten Größen im Zeitablauf nicht konstant sind, sondern leicht variieren. Mit Theorien bzw. Modellen kann zurzeit jedoch keine
Aussage darüber getroffen werden, welche der drei Größen im Zeitablauf am wenigsten
variiert. Dies kann zurzeit nur durch empirische Untersuchungen geklärt werden. Ob und
gegebenenfalls wie Änderungen im Zeitablauf prognostiziert werden können, ist ebenfalls
eine Frage, die nur auf empirische Weise geklärt werden kann.
Wright et al. (2003) begründen ihren Vorschlag zur Schätzung der Risikoprämie hauptsächlich mit einer auf Siegel (1994) zurückgehenden Grafik über historische Aktienrenditen für die USA (ihre Abbildung 2.4 auf S. 32), die ich im Folgenden als Siegel-Grafik bezeichne. Aktuell verwenden fast alle britischen Regulierer den Wright-Ansatz, wobei sie
u. a. auf diese Grafik Bezug nehmen. Australische Regulierungsbehörden haben den
Wright-Ansatz in den vergangenen zwei bis drei Jahren intensiv erörtert und verwenden
ihn in ihren Festlegungen nicht oder nur am Rande. Diese Vorgehensweise wurde gerade
(26.02.2016) von der Revisionsinstanz „Australian Competition Tribunal“ bestätigt. Ich
habe leider keinen repräsentativen Überblick über die Festlegungen von Regulierungsbehörden anderer Länder. Als Folge erörtere ich die Festlegungen der britischen und australischen Behörden und deren Begründungen ausführlich, in Abschnitt V.4 und V.5, und
gehe auf die USA und weitere Länder nur am Rande ein (V.4.d).
Zuvor werden in Kapitel III die gesetzlichen und weiteren Rahmenbedingungen behandelt, die für die Schätzung der Risikoprämie und für die hierzu erfolgende Gutachtenerstellung relevant sind. Unter weiteren Rahmenbedingungen verstehe ich insbesondere die
Unstrittigkeit der Verwendung der WACC-Formel zur Berechnung der durchschnittlichen
Kapitalkosten und des CAPM-Modells zur Schätzung der Eigenkapitalkosten in allen hier
betrachteten Ländern. Unstrittig ist zudem, dass der Entgeltregulierung im Bereich Telekommunikation eine internationale Version des CAPMs zugrunde gelegt wird (III.2). In
2
Das Gutachten ist auf der Webseite der BNetzA mit dem Suchbefehl „Stehle“ zu finden.
7
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Abschnitt III.3 gehe ich kurz darauf ein, dass die Risikoprämie nicht nur in der Entgeltregulierung sondern auch in anderen Zusammenhängen, insbesondere der Unternehmensbewertung, eine wichtige Rolle spielt und in diesen eventuell auf andere Weise geschätzt
werden sollte als im Rahmen der Entgeltregulierung. Dieser Hinweis auf andere Zusammenhänge ist u. a. deshalb wichtig, weil für den Bereich Unternehmensbewertung eine
Vielzahl von Dokumenten und Gerichtsurteilen existiert. Das starke Fallen der Zinssätze
in den vergangenen Jahren betrachte ich ebenfalls als eine wichtige Rahmenbedingung
und erörtere sie kurz in Abschnitt III.4. Ein derart starkes Fallen kann, in Abhängigkeit
von der Vorgehensweise bei der WACC-Schätzung, zu einer starken Reduktion des
WACCs führen, was nicht mit dem Regulierungsziel „stabile Rahmenbedingungen“ vereinbar wäre. In Abschnitt III.5 gehe ich darauf ein, wie im BNetzA-Bereich Telekommunkation in den letzten Jahren „abgefedert“ wurde. Ein Teil der Änderungen in der Vorgehensweise anderer Regulierungsbehörden bei der WACC-Schätzung in den letzten Jahren
könnte u. a.mit dem Abfederungsmotiv zusammenhängen.
In Kapitel IV werden relevante ökonomische und datenmäßige Grundlagen erörtert.
Wichtige ökonomische Grundlagen sind u. a.:
- die Unterschiede zwischen einer Real- und einer Nominalbetrachtung bei der
Schätzung der Eigenkapitalkosten (Abschnitt IV.1),
- das CAPM und andere hier relevante Modelle, insbesondere das internationale
CAPM (IV.2),
- der Unterschied zwischen „wahren“ Werten und Schätzungen und „In-Sample“
und „Out-of-Sample“ Prognosen (IV.3),
- arithmetisches und geometrisches Mittel (IV.4).
Durch die Nichtexistenz bzw. die schlechte Qualität von Daten werden unsere Möglichkeiten bei der Schätzung der Risikoprämie merklich eingeengt (Abschnitt IV.5).
In Abschnitt V werden der Wright-Ansatz und der bisher verwendete Ansatz ausführlicher
dargestellt, verglichen und im Hinblick auf ihre Verwendung in der Entgeltregulierung erörtert. Dabei repliziere ich in Abschnitt V.3 zuerst die Siegel-Grafik für die USA und erstelle dann vergleichbare Grafiken für das UK und Deutschland. Die regionale australische
Regulierungsbehörde Queensland Competition Authority (QCA) hat eine vergleichbare
Grafik für Australien erstellt. Die Grafiken zeigen, dass das Hauptargument, auf das der
Wright-Ansatz aufbaut, zwar für die USA und für das UK zutrifft, aber nicht für Deutschland und Australien (vgl. Abschnitt V.3.e)
Eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wright-Ansatz zur Schätzung der Risikoprämie existiert meiner Meinung deshalb nicht, weil die unterstellte vollkommen inverse Beziehung zu stark im Widerspruch mit allen vorhandenen empirischen
Studien zur Schätzung der Marktrisikoprämie steht. Für ihre Untersuchung aus rein wissenschaftlichen Motiven besteht deshalb kein Anlass. Mehrere Wissenschaftler haben sich
jedoch in Gutachten zum Wright-Ansatz geäußert. Professor Gregory bemerkt z.B. in einem Gutachten, dass dieser Ansatz nicht im Einklang mit unseren Vorstellungen über den
Realzins und Aktienindizes steht: Er impliziert nämlich, dass die Indexhöhe gleich bleibt,
auch wenn die realen Zinssätze steigen oder fallen. Ist dagegen die Marktrisikoprämie im
Zeitablauf konstant, dann führt eine Realzinserhöhung zu fallenden Aktienindizes bzw.
eine Realzinssenkung zu steigenden Aktienkursen.
Als Folge des Fehlens einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem WrightAnsatz außerhalb von Regulierungsverfahren gehe ich ausführlich auf die Verwendung
des Ansatzes in solchen Verfahren im UK und in Australien ein. Von deutschen Regulierungsbehörden wurde der Wright-Ansatz bisher nicht verwendet. Als Vorstufe hierfür er-
8
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
örtere ich in Abschnitt V.4 die generellen Vorgehensweisen bei der Verwendung des
CAPMs in Deutschland, im UK und in Australien, diese unterscheiden sich z. T. beträchtlich. Abschnitt V.5 behandelt darauf aufbauend die Verwendung des Wright-Ansatzes. In
beiden Abschnitten ist es nicht möglich, auf die Vielzahl der Regulierungsverfahren in
beiden Ländern einzeln einzugehen. Es können nur die generellen Tendenzen und wichtigsten aktuellen Entscheidungen erörtert werden. In den Anhängen A (Australien) und B
(„Britannien“, d. h. UK) erfolgt eine ausführlichere Berichterstattung über die wichtigsten
Entscheidungen der australischen und britischen Regulierungsbehörden in den vergangenen Jahren.
In Kapitel VI stehen andere Schätzverfahren für die Marktrisikoprämie im Mittelpunkt.
Die wohl wichtigsten Alternativen zur Prognose der zukünftigen Marktrisikoprämie mit
dem historischen Mittelwert bzw. deren wichtigste Ergänzung sind dividenden- bzw. gewinnbasierte Modelle, für die in der Literatur alternative Bezeichnungen und eine Vielzahl
von Varianten existieren. Ich verwende diesbezüglich die Sammelbezeichnung Dividendendiskontierungsmodelle und beziehe mich damit auf alle Varianten von Dividendendiskontierungs- bzw. –wachstumsmodellen und alle Varianten von Gewinn- und Cash-flowModellen. Diese können nur auf historischen Daten basieren (Abschnitt VI.1) oder zusätzlich auf Gewinn- oder Dividendenprognosen von Aktienanalysten (implizite Risikoprämie,
vgl. Abschnitt VI.2). Auch hier existieren viele Varianten. Diese Verfahren besitzen im
Vergleich zur historisch ermittelten Marktrisikoprämie eine Reihe von Vor- und Nachteilen, die in der wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Literatur seit mehreren Jahren
ausführlich erörtert werden, vgl. z.B. Stehle (2004, S. 917 ff.) und Damodaran (2016).
Inwieweit rein auf historische Daten aufbauende Dividendendiskontierungsmodelle und
inwieweit zukunftsorientierte Verfahren zur impliziten Schätzung zu besseren Ergebnissen führen als die rein historische, auf Renditedaten basierende Vorgehensweise bzw. ob
sie eine sinnvolle Ergänzung dieses Verfahrens darstellen, wurde meines Wissens allerdings noch nicht intensiv genug untersucht, insbesondere nicht mit deutschen Daten.
Deutsche Daten, die einen Vergleich über einen ausreichend langen Zeitraum ermöglichen würden, liegen mir nicht vor. Damodaran (2015 bzw. 2016) stellt solche Daten für
den US-amerikanischen Kapitalmarkt zur Verfügung. Ich nutze diese Daten in Anhang E,
um Damodarans Schätzwerte für die Marktrisikoprämie auf Basis der traditionellen Methode mit seinen impliziten Marktrisikoprämien für die vergangenen 53 Jahre zu vergleichen. Anhang E bietet übrigens dem interessierten Leser die Möglichkeit, mit den Daten
für die USA die Schätzung der auf traditionelle Weise ermittelten Marktrisikoprämie selbst
nachzuvollziehen.
In Kapitel VII werden die beiden anderen Eingangsgrößen des CAPMs, der risikolose Zins
und das Beta, kurz erörtert, da alle drei Eingangsgrößen auf konsistente Weise geschätzt
und festgelegt werden müssen. Dieses Kapitel stellt das Ende des Hauptteiles des Gutachtens dar.
Literaturverzeichnisse sind traditionell ein wichtiger Teil wissenschaftlicher Arbeit. Meines
befindet sich in Kapitel VIII. In diesem differenziere ich zwischen
- Büchern und wissenschaftlichen Aufsätzen (VIII.1),
- Gutachten (VIII.2),
- Berichten, Verlautbarungen und Stellungnahmen von Behörden, betroffenen Parteien, Verbänden und Beratungsunternehmen (VIII.3),
- Entscheidungen von Regulierungsbehörden, Spruchkammern und Gerichten
(VIII.4).
Als Folge der großen Zahl von Dokumenten, die in britischen und australischen Entgeltfestlegungsverfahren vorgelegt werden, habe ich es nicht geschafft, alle ins Literaturver-
9
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
zeichnis aufzunehmen. Da diese im Internet verfügbar sind, gebe ich in den Anhängen A
und B die URLs an, unter denen diese Dokumente leicht gefunden werden können.
Die Anhänge A bis E dienen der Dokumentation und der weiteren Vertiefung.
Begriffliche Grundlagen
Die Lehrbuchautoren Brealey et al. (2014, u. a. auf S. 220) und Koller et al. (2014, u. a.
auf S. 274) sowie der insbesondere für seine regelmäßigen Umfragen unter Professoren
zur Höhe des premiums bekannte spanische Professor Fernandez und viele andere Wissenschaftler verwenden nur den Begriff Market risk premium und beziehen sich dabei auf
den Term in der eckigen Klammer der CAPM-Formel auf Seite 26 meines Gutachtens.
Traditionell lassen Brealey et al. den Erwartungswert-Operator weg, um MBA-Studenten
nicht allzu sehr einzuschüchtern.
Dimson et al., Damodaran und Ofcom verwenden in ihren Veröffentlichungen hierfür traditionell nur den Begriff Equity risk premium.
Welch verwendet in seinem Lehrbuch (2014) und seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen beide Begriffe synonym. Das halte ich für die sinnvollste Vorgehensweise und
verwende sie fast immer in meinen Veröffentlichungen und auch im Folgenden. Und so
ist es auch im Titel gemeint.
10
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
II
Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen und Ergebnisse
Wie bereits erwähnt, kann zurzeit nur durch empirische Untersuchungen geklärt werden,
ob die Marktrisikoprämie oder die erwartete reale Aktienrendite im Zeitablauf stärker variiert. Auf Basis solcher Untersuchungen und von Überlegungen zur optimalen Vorgehensweise bei der Schätzung der Variation im Zeitablauf müssen Regulierungsbehörden
und andere Anwender des CAPMs entscheiden, wie sie diesbezüglich vorgehen. Die diesbezüglich vorliegenden Entscheidungen erhärten meine eigene Einschätzung.
In Anbetracht dessen,
- dass das Hauptargument für den Wright-Ansatz, die historisch relativ starke Instabilität der Marktrisikoprämie im Vergleich zur durchschnittlichen realen Aktienrendite, für Deutschland und Australien nicht zutrifft (vgl. hierzu Gutachtenabschnitt V.3, insbesondere V.3.c und V.3.d);
- dass diese relative Instabilität in den USA und im UK vor allem auf die Jahre des
2. Weltkrieges und die Jahre unmittelbar davor und danach zurückzuführen ist
(V.3.a und V.3.b);
- dass der empirische Zusammenhang zwischen der Höhe des risikolosen Zinses
und der Marktrisikoprämie höchstens sehr gering ist, im Zeitablauf nicht stabil ist
und seine empirische Ausprägung (positiv oder negativ) als Folge der Instabilität
umstritten ist (vgl. hierzu die Abschnitte IV.3 und VI.3);
- dass er meines Wissens vor allem im UK verwendet wird und dort erst seit kurzem, in Australien und in den USA bisher nicht (vgl. Abschnitt V.4 und V.5);
- dass selbst die betroffenen australischen Unternehmen und ihre Berater aktuell
sich nicht mehr für eine alleinige Verwendung dieses Ansatzes einsetzen;
- dass die empirische Stabilität der erwarteten realen Aktienrendite in den USA zwar
in Lehrbüchern bemerkt, aber nicht im Sinne des Wright-Ansatzes weiter verwendet wird (vgl. hierzu das Ende von Abschnitt V.3.a);
- dass auch in anderen Bereichen, in denen die Marktrisikoprämie eine wichtige Rolle spielt, insbesondere im Bereich der Unternehmensbewertung, der WrightAnsatz bisher nicht verwendet wird (vgl. hierzu Abschnitt III.3.a);
rate ich zurzeit von jedweder Verwendung des Wright-Ansatzes in Deutschland mit Nachdruck ab. Auch Stabilitäts- und Konsistenzüberlegungen sprechen gegen einen vollen
Übergang zu diesem Ansatz oder seiner Verwendung als Ergänzung.
Mein Vergleich des bisher im Telekommunikationsbereich verwendeten Verfahrens mit
dem Verfahren „implizite Risikoprämie“ unter Zugrundelegung der Vorgehensweise von
Damodaran und seiner Daten für den US-amerikanischen Kapitalmarkt (vgl. Abschnitt VI
und insbesondere Anhang E) führt zum Ergebnis, dass für die vergangenen zehn Jahre
beide Verfahren im Schnitt zu fast gleichhohen Schätzwerten für die Marktrisikoprämie
führen. Der sich beim bisher verwendeten Verfahren „Mittel aus arithmetischem und geometrischem Mittel“ ergebende Durchschnittswert ist nur 0,18 % höher als der Vergleichswert auf Basis der impliziten Schätzung. Für weiter zurückliegende Zeiträume
führt die implizite Schätzung der Marktrisikoprämie allerdings zu wesentlich niedrigeren
Schätzwerten, selbst im Vergleich zur reinen Verwendung des geometrischen Mittels.
Bis geklärt ist, warum die implizit ermittelten Marktrisikoprämien vor 2007 beträchtlich
niedriger waren als die auf traditionelle Weise geschätzten historischen Prämien, rate ich
von deren Verwendung ab.
11
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Die umfassendste und unter Wissenschaftlern anerkannteste Studie zur Prognose der zukünftigen Risikoprämie ist die von Goyal/Welch (2008). In ihr werden alle anderen wichtigen Vorschläge zu dieser Prognose umfassend empirisch überprüft mit dem Ergebnis,
dass sie nicht funktionieren (vgl. IV.3). Dazu kommt, dass viele Vorschläge zur Prognose
der zukünftigen Marktrisikoprämie höchst komplex sind und ökonomische Begründungen
meist fehlen oder umstritten sind. Derartige Verfahren werden auch selten für die Entgeltregulierung empfohlen. Möglicherweise werden sie vielfach von Hedgefonds eingesetzt.
Ich empfehle deshalb auch weiterhin die Zugrundelegung der Annahme, dass die Risikoprämie im Zeitablauf konstant ist und die Verwendung der rein historischen Schätzung.
Wegen des geringen Unterschieds zwischen einer auf Basis von nominalen und einer auf
Basis von realen Renditen geschätzten Risikoprämie (vgl. IV.1) und wegen der Probleme
im Rahmen der Schätzung von Inflationsraten (vgl. IV.5.e), empfehle ich, auch weiterhin
die Risikoprämie auf Basis von nominalen Renditen und auf die gleiche Weise wie bisher
zu schätzen. Die derzeit verwendete Methode zur Schätzung der Risikoprämie ist fast
identisch mit der CAPM-Vorgehensweise, die die U.S.-amerikanische Federal Communication Commission (FCC) am 30.03.2016 für die Zukunft empfohlen hat (vgl. Abschnitt
V.4.d). Allerdings empfiehlt die FCC, gleichberechtigt ein Diskontierungsmodell zur
Schätzung der Eigenkapitalkosten einzusetzen.
Ich vertrete auch weiterhin die Ansicht, dass die für die meisten Länder vorhandenen Daten zu Aktienrenditen für die Zeit vor der Mitte des letzten Jahrhunderts eine nicht ausreichende Qualität besitzen und als Folge möglicherweise zu zu niedrigen Schätzwerten
für die historische und damit die zukünftige Risikoprämie führen. Wichtige Ausnahmen
hiervon sind die Daten für die USA (ab 1871), das UK (ab 1900), für Deutschland (ab
1954) und für Australien (ab 1958). Seit meinem Gutachten von 2010 fand eine intensive
Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen australischen Daten statt (vgl. IV.5.a). Ich
gehe davon aus, dass als Folge der niedrigen durchschnittlichen historischen Aktienrenditen für viele andere Länder (vgl. die Erörterung der Aktiendaten von Dimson/Marsh/Staunton in Abschnitt IV.5.b) in diesen in naher Zukunft ähnlich wie in Australien eine kritische Auseinandersetzung stattfindet. Dabei ist aus meiner Sicht wahrscheinlich, dass die Schätzwerte für die historischen Durchschnittsrenditen sich etwas erhöhen, nicht aber auf das Niveau Australiens. Die sofortige Einbeziehung Australiens
würde zu einer geringfügigen Erhöhung der Marktrisikoprämie führen, die folgenden Einbeziehungen weiterer Länder zu einer geringfügigen Verringerung. Aus Stabilitätserwägungen empfehle ich, die bisherige Vorgehensweise, einschließlich der Gewichtung, vorerst beizubehalten.
Von der Verwendung der Welt-Risikoprämie von Dimson/Marsh/Staunton im Rahmen der
TK-Entgeltfestlegung rate ich zumindest für die nächsten Jahre ab. Diese wird zwar oft in
den in Abschnitt III.3 genannten vier anderen Anwendungsgebieten und gelegentlich in
den Entgeltfestlegungen anderer Behörden verwendet und leistet dort teilweise gute
Dienste. Jedoch unterscheiden sich die fünf Anwendungsgebiete der CAPM-Risikoprämie
in ihren Anforderungen im Hinblick auf die Datenqualität, die Transparenz und die Vermeidung von Schätzfehlern (vgl. Abschnitt IV.5.b).
Falls entgegen dieser Empfehlung doch in Zukunft die Welt-Datenreihe von Dimson/Marsh/Staunton zugrunde gelegt wird, so empfehle ich mit Nachdruck, die Risikoprämie in Euro umzurechnen. Die Welt-Risikoprämie im Sourcebook ist in USD denominiert. Die Umrechnung in Euro würde meines Erachtens die Risikoprämie gegebenenfalls leicht erhöhen. Wahrscheinlich ist diese kleine Änderung bei der derzeit im Telekommunikationsbereich verwendeten Vorgehensweise weniger dringlich, da hier nur
12
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
50 % der in die Gesamtprämie eingehenden Länderprämien in USD denominiert sind. Aus
Konsistenzgründen rate ich, die diesbezügliche Änderung in den anderen Bereichen der
BNetzA abzuwarten (vgl. Abschnitt IV.5.b).
Für Deutschland wird für Entgeltfestlegungen im Telekommunikationsbereich als Renditezeitreihe für Aktien schon seit mehr als zehn Jahren der offizielle DAX verwendet, der seit
1988 berechnet wird. Auf Vorschlag von Stehle (1999) wird die bis zum Jahr 2000 existierende Körperschaftsteuergutschrift zur DAX-Änderungsrate hinzuaddiert. Für die Jahre
vor der Einführung des offiziellen DAX, also vor 1988, wird die Rückberechnung dieses
Indexes von Stehle/Huber/Maier (1996) verwendet. Vor kurzem haben Stehle/Schmidt
(2015) eine Renditereihe für Aktien für die Jahre ab 1954 vorgelegt, der alle jeweils notierten Aktien im jeweiligen obersten Segment der Frankfurter Börse zugrunde liegen.
Aus theoretischer Sicht ist diese Reihe den DAX-Daten vorzuziehen, da die Aktienbasis
wesentlich breiter ist und damit dem CAPM-Erfordernis näher kommt. Diese Reihe ist
auch ein Teil der Daten von Dimson/Marsh/Staunton für Deutschland. Abbildung 5 und
die zugehörigen Daten zeigen, dass ein Übergang auf die „Frankfurt Top Segment“-Daten
von Stehle/Schmidt nur zu einer sehr geringen Änderung des Schätzwertes für die Risikoprämie führen würde. Ich empfehle deshalb, vorerst bei der DAX-Renditereihe zu bleiben, um die weitere Reaktion der Fachwelt auf die neue Zeitreihe abzuwarten.
Im Hinblick auf die gewählte Restlaufzeit für den risikolosen Zins bestehen in den von mir
intensiv betrachteten Festlegungen von Regulierungsbehörden in Australien und dem UK
zum Teil große Unterschiede, ebenso im Hinblick auf die Durchschnittsbildung, einerseits
innerhalb der beiden Ländergruppen und zwischen den Ländergruppen, andererseits zur
im BNetzA-Telekommunikationsbereich verwendeten Vorgehensweise und zur Vorgehensweise im BNetzA-Bereich Strom & Gas. Da die in den verschiedenen BNetzABereichen verwendeten Vorgehensweisen ökonomisch sinnvoll und fast identisch sind,
empfehle ich auch diesbezüglich, an der bisherigen Vorgehensweise vorerst festzuhalten.
Hierfür sprechen vor allem auch Stabilitätsüberlegungen sowie die Nichtexistenz von
Wertpapieren mit einer längeren Laufzeit als zehn Jahre für die zur Schätzung der Risikoprämie benutzten Jahre vor 1986 in Deutschland (vgl. hierzu insbesondere die Abschnitte III.4, IV.5.c und VII.1).
Im Hinblick auf die Frage, ob ein arithmetischer Mittelwert oder ein Mittel aus dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel zugrunde gelegt werden soll, bestehen bei den
Regulierungsbehörden ebenfalls unterschiedliche Meinungen. Neuere unstrittige Äußerungen von Wissenschaftlern existieren hierzu nicht. In den RisikoprämieAnwendungsgebieten Unternehmensbewertung und Investitionsrechnung, in denen traditionell das arithmetische Mittel dominiert, werden mehr und mehr Werte unterhalb des
arithmetischen Mittels empfohlen (vgl. Abschnitt III.3.b). In Anbetracht dieser Entwicklung und der Ergebnisse meines Vergleichs der Verfahren „Mittel der Mittel“ und „implizite Marktrisikoprämie“ in Anhang E spricht auch hier alles für die Beibehaltung der bisherigen Vorgehensweise.
Das seit 2009 im Telekommunikationsbereich zur Abfederung des drastischen Absinkens
der WACC-Schätzung verwendete Verfahren „exponentielle Glättung“ halte ich für sehr
sinnvoll und empfehle mit Nachdruck, es beizubehalten (vgl. Abschnitt III.5).
Insgesamt empfehle ich, im Bereich Telekommunikation die derzeitige Vorgehensweise
zur Schätzung der Risikoprämie, der Eigenkapitalkosten und des WACCs vorerst (also
zumindest für die nächsten drei bis fünf Jahre) voll beizubehalten. Dies schließt ein, dass
ich empfehle, auch weiterhin die Risikoprämie, die Eigenkapitalkosten und den WACC al-
13
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
lein in der derzeit verwendeten Vorgehensweise zu schätzen und festzulegen. Sollte die
BNetzA allerdings, sofort oder in den nächsten Jahren, zu der Ansicht kommen, dass im
TK-Bereich ein zweites Verfahren zur Ergänzung oder Validierung eingesetzt werden soll,
so empfehle ich dem TK-Bereich mit Nachdruck, hierfür die früher verwendete Bilanz(wert-)methode und nicht die Wright-Methode oder das Dividendendiskontierungsmodell
zu nutzen.
14
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
III Rahmenbedingungen der Schätzung der Marktrisikoprämie im
Rahmen der Entgeltregulierung
III.1
Gesetzliche und institutionelle Grundlagen
Im Rahmen der Schätzung der angemessenen Verzinsung des für die Leistungsbereitstellung notwendigen Kapitals (WACC-Schätzung) sind die relevanten Gesetze zu beachten,
insbesondere die Paragraphen 2, 27 und 32 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom
22.06.2004, zuletzt geändert am 17.02.2010, 03.05.2012 und am 10.12.2015; ebenso
die relevanten Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft.
§ 2 (2) TKG nennt die Ziele und Grundsätze der Regulierung. Dazu zählen die Wahrung
der Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation, die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte und die Förderung des Binnenmarktes der Europäischen Union.
Nach § 2 (3) TKG hat die Bundesnetzagentur objektive und transparente Regulierungsgrundsätze anzuwenden und die Vorhersehbarkeit der Regulierung dadurch zu fördern,
dass sie über angemessene Überprüfungszeiträume ein einheitliches Regulierungskonzept
beibehält. Die Forderung von objektiven und transparenten Regulierungsgrundsätzen beinhaltet meines Erachtens, dass eine für sachkundig Beteiligte inhaltlich und rechnerisch
überprüfbare, nachvollziehbare und prinzipiell selbst implementierbare Vorgehensweise
vorgeschlagen bzw. implementiert wird.
Nach § 31 (1) TKG dürfen bei der Festlegung der Entgelte die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschritten werden. Nach § 32 (1) TKG ist in die Kosten der
effizienten Leistungsbereitstellung eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals einzubeziehen.
Bei der Schätzung der angemessenen Verzinsung bzw. des WACCs ist insbesondere § 32
(3) TKG zu beachten:
„Bei der Festlegung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals berücksichtigt die Bundesnetzagentur insbesondere:
1. die Kapitalstruktur des regulierten Unternehmens,
2. die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten und die
Bewertung des regulierten Unternehmens auf diesen Märkten,
3. die Erfordernisse hinsichtlich der Rendite für das eingesetzte Eigenkapital, wobei auch die leistungsspezifischen Risiken des eingesetzten Eigenkapitals gewürdigt werden sollen. Das kann auch etwaige spezifische Risiken im Zusammenhang mit der Errichtung von Netzen der nächsten Generation im Sinne des
§ 30 Absatz 3 umfassen,
4. die langfristige Stabilität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auch im
Hinblick auf die Wettbewerbssituation auf den Telekommunikationsmärkten.“
Die gleichzeitige Berücksichtigung aller in den Punkten 1 bis 4 genannten Aspekte kann
u. a. deshalb schwierig sein, weil sich die Kapitalstruktur des regulierten Unternehmens
und die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten kurzfristig
stark ändern können und somit auch die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung.
Eine entsprechende Anpassung des WACCs steht aber möglicherweise in Widerspruch zu
Punkt 4.
15
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem ökonomisch sehr sinnvollen
§ 32 (3) Punkt 4 TKG ist: Besteht eine Auswahl zwischen alternativen Schätzverfahren,
so spricht § 32 (3) Punkt 4 TKG für Verfahren, die zu stabilen Schätzwerten führen.
Das gesetzliche Gebot von objektiven und transparenten Regulierungsgrundsätzen, das
vom Gesetzgeber auferlegte Streben nach einem einheitlichen Regulierungskonzept über
angemessene Zeiträume (vgl. § 2 (3)) und die Förderung einer langfristigen Stabilität der
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Telekommunikationsmärkten (vgl § 31 (3)
Punkt 4 TKG) sind u. a. auch deshalb ökonomisch sehr sinnvoll, weil sie für die regulierten Unternehmen die Stabilität und/oder die Planungssicherheit fördern. Ähnliche Forderungen werden in den Festlegungen ausländischer Regulierungsbehörden fast immer erwähnt.
Zudem ist das Konsistenzgebot des § 27 (2) TKG zu beachten. In einem weiteren Sinne
könnte das Konsistenzgebot so ausgelegt werden, dass bei der Methodenwahl und der
konkreten Ermittlung der Schätzwerte die diesbezügliche Vorgehensweise in anderen Bereichen der Bundesnetzagentur (insbesondere Elektrizität und Gas und Eisenbahnen) beachtet werden soll, ebenso die EU-Empfehlungen, die Vorgehensweisen anderer EURegulierungsbehörden und die Vorgehensweisen von Regulierungsbehörden außerhalb
der EU, insbesondere solcher innerhalb der OECD. Die genannten anderen Bereiche der
Bundesnetzagentur unterliegen allerdings leicht unterschiedlichen Gesetzen, die Regulierungsbehörden anderer EU-Länder unterliegen den jeweiligen lokalen Gesetzen, die sich
von den relevanten deutschen Gesetzen oft stark unterscheiden.
Die aktuelle, hier relevante Gesetzgebung in den Bereichen Strom- und Gasnetzregulierung ist z. B. weitgehend ähnlich, aber nicht identisch. Hauptursachen für die kleinen Unterschiede sind wahrscheinlich die Unterschiede zwischen den regulierten Unternehmen
und Märkten sowie die unterschiedliche Historie der beiden Regulierungsbereiche. § 21
Abs. 2 EnWG und § 7 NEV Strom bzw. Gas gehen z. B. ausführlicher auf die Berechnung
der Eigenkapitalkosten ein: § 7 (4) NEV besagt diesbezüglich: „(4) Der auf das betriebsnotwendige Eigenkapital, das auf Neuanlagen entfällt, anzuwendende Eigenkapitalzinssatz
darf den auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der
von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung
netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse nach Absatz 5 nicht überschreiten.“
Die Eigenkapitalverzinsung ergibt sich also aus einem Basiszins und einem Risiko- bzw.
„Wagniszuschlag“:3
Eigenkapitalverzinsung = Basiszins + Zuschlag für Wagnisse
Die weiteren bei der Schätzung der Eigenkapitalverzinsung in den Bereichen Strom und
Gas zu berücksichtigenden Kriterien ähneln § 31 Absatz 3 TKG. Praktisch identisch ist das
Kriterium „Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten und die
Bewertung … auf diesen Märkten“. Nahezu identisch ist „die durchschnittliche Verzinsung
des Eigenkapitals …“. In den gesetzlichen Regelungen für Strom und Gas fehlt allerdings
eine Forderung, die § 31 (3) Punkt 4 TKG ähnelt, also eine Forderung von „langfristige(r)
Stabilität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass
3
Die Strom- und Gasnetzregulierung hat eine längere Historie als die Regulierung der Telekommunikationsmärkte. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass hier der früher in der deutschen Betriebswirtschaftslehre übliche Begriff verwendet wird. Ich verwende statt Wagniszuschlag den Begriff „Risikoprämie der betrachteten
Aktie“ bzw. „Risikoprämie des Eigenkapitals der betrachteten Unternehmung“ (vgl. S. 27).
16
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
die gesetzlich vorgeschriebene Durchschnittsbildung der Umlaufsrenditen über zehn Jahre
wesentlich zur Stabilität der Eigenkapitalverzinsung beiträgt.
Im Sinne dieser gesetzlichen Vorgaben werden in meinem Gutachten nach Möglichkeit
besonders hervorgehoben und erörtert:
 Abweichungen von der derzeitigen Praxis in anderen Bereichen der Bundesnetzagentur,
 Abweichungen von den Konkretisierungen anderer wichtiger EU- und OECDRegulierungsbehörden, insbesondere von Ofcom,
 Abweichungen von Vorgehensweisen, die in wichtigen Bereichen der Praxis üblich
sind, insbesondere der IDW-Vorgehensweise bei der Unternehmensbewertung.
Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich die Risikoprämie nicht direkt ableiten. Zusätzliche Konkretisierungen sind erforderlich. Bei diesen Konkretisierungen, d. h. bei der Wahl
von Modellen, Schätzmethoden und der Datengrundlage, sind die relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen („Wissenschaftliches Gutachten“). Hierbei
werde ich mich insbesondere auf die neuesten Auflagen der weltweit führenden Lehrbücher des hier relevanten betriebswirtschaftlichen Wissenschaftsgebietes Finanzwirtschaft 4
(im angelsächsischen Wissenschaftsraum wird das Gebiet als Finance bezeichnet) stützen,5 gelegentlich auch auf Fachliteratur, die noch nicht Eingang in die Lehrbücher gefunden hat, falls die Ergebnisse unter Wissenschaftlern breit anerkannt werden, also weitgehend unstrittig sind.
Bei den von mir zu treffenden Ermessensentscheidungen werden insbesondere auch folgende Aspekte berücksichtigt:
 die möglichen Auswirkungen von Schätzfehlern im Rahmen der Entgeltregulierung. Überschätzungen der Risikoprämie haben negative Auswirkungen auf die
Nutzer der regulierten Vorleistungen und letztendlich auf die (End-)Verbraucher,
zu niedrige Schätzungen negative Auswirkungen auf die Verkäufer der regulierten
Vorleistungen, eventuell aber auch langfristig auf die Verbraucher, weil der Ausbau und der Unterhalt der Infrastrukturen darunter leidet. Beide Arten von
Schätzfehlern sind also zu minimieren;
 das Streben nach Methoden- und Parameterkonvergenz innerhalb der Bundesnetzagentur;
 das Streben nach internationaler Methoden- und Parameterkonvergenz der Regulierungsbehörden, insbesondere innerhalb der EU und der OECD. Dieser Punkt ist
u. a. auch deshalb wichtig, weil viele der möglicherweise betroffenen Unternehmen in mehreren nationalen Märkten agieren und dabei von Auswirkungen der
jeweils nationalen Regulierungsmaßnahmen betroffen sind.
4
5
Im volkswirtschaftlichen Teilgebiet Finanzwissenschaft (Public Finance) geht es um öffentliche Finanzen.
Die „weltweit“ wichtigsten einführenden Finance-Lehrbücher sind seit vielen Jahren: Brealey, Myers und Allen
(2014 ): Principles of Corporate Finance, 11. Global Edition, und Ross, Westerfield, Jaffe und Jordan (2009):
Modern Financial Management, 9. Aufl., McGraw-Hill. Für Fortgeschrittene gedacht ist Copeland, Weston und
Shastri (2005): Financial Theory and Corporate Policy, 4. Aufl., Pearson Addison Wesley. Auf dem Gebiet Unternehmensbewertung ist seit Jahren das Lehrbuch von Koller/Goedhart/Wessels „weltweit“ führend, 2015
wurde die 6. Auflage herausgegeben. Neue, vielbeachtete Finance-Lehrbücher sind Berk/DeMarzo, 3. Aufl.
2013 und Welch, 3. Aufl. 2014.
17
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
III.2
Das CAPM und die WACC-Formel als wesentliche Bestandteile der
Entgeltregulierung in Deutschland, dem UK und in Australien
Die BNetzA verwendet bei der Entgeltfestlegung im Bereich Strom und Gas seit 2008 eine
CAPM-basierte Schätzung der Eigenkapitalkosten, in den Telekommunikationsbereichen
Festnetz und Mobilfunk seit 2010. Die WACC-Formel fand schon früher in beiden Bereichen Anwendung. Aktuelle Regulierungsbescheide sind u. a.:
- Strom und Gas, 2. Regulierungsperiode (01.01.2014 - 31.12.2018): BK4-11-304
vom 31.10.2011,
- Telekommunikation, Festnetz und Mobilfunk: Beschlüsse (BK 2a-15/001 bzw. BK
2a-15/002) vom 05.02.2016 aufgrund der Anträge der Telekom Deutschland
GmbH
vom
21.04.2015
auf
Genehmigung
von
Entgelten
für
Carrier-
Festverbindungen (CFV)-SDH bzw. -Ethernet. In diesen Beschlüssen werden die
Verwendung des CAPMs und dessen Eingangsparameter ausführlich diskutiert und
die diesbezüglichen Festlegungen der BNetzA genannt und begründet. Seit 2010
werden der WACC für das Festnetz und der WACC für den Mobilfunk auf gleiche
Weise berechnet.
Auch ist geplant, in Zukunft bei der Regulierung des Schienennetzes von einer CAPMbasierten WACC-Schätzung auszugehen.6
Alle im Gutachten erwähnten Entgeltfestlegungen in Australien, im UK und in den USA
basieren dem WACC-Ansatz. Alle erwähnten Festlegungen in Australien und im UK basieren ganz oder zumindest zum großen Teil auf dem CAPM. Im U.S.-amerikanischen
Strom- und Gasbereich basieren Festlegungen zum Teil ausschließlich auf dem Diskontierungsmodell.
Die weitere Verwendung des CAPMs im Rahmen der Entgeltregulierung in Deutschland,
dem UK und in Australien ist in naher Zukunft unstrittig. Unterschiede bestehen allerdings dahingehend, ob eine nationale oder eine internationale Version des CAPMs verwendet wird und wie die Eingangsparameter geschätzt werden.
Zwar existiert eine Reihe von Alternativen zum CAPM, die prinzipiell auch für die Entgeltregulierung in Frage kommen. Deren empirische Gültigkeit ist in der Regel jedoch umstritten. Zudem stehen die erforderlichen Daten in naher Zukunft oft nicht in der erforderlichen Qualität und Quantität zur Verfügung. Auf diese CAPM-Alternativen wird in diesem Gutachten deshalb nur kurz eingegangen (vgl. Abschnitt IV.2). Dieses Gutachten
geht davon aus, dass die Verwendung des international interpretierten CAPMs (vgl. hierzu ebenfalls Abschnitt IV.2) und des WACCs im Augenblick im Sinne von § 2 (3) TKG zu
den festen Rahmenbedingungen zählt, unter denen die Gutachtenerstellung erfolgt. Der
australische Strom- und Gasnetzregulierer „Australian Energy Regulator“ (AER) bezeichnet in seiner „Rate of Return Guideline“ das CAPM in diesem Sinne als das „Foundation
Model“ für seine Entgeltfestlegungen (vgl. Abschnitt IX.2.a von Anhang A). Andere Modelle kommen danach auch zur Anwendung, das CAPM ist jedoch das grundlegende Modell.
Im Folgenden wird unter Marktrisikoprämie, kurz Risikoprämie, abgekürzt MRP, stets die
CAPM-Marktrisikoprämie verstanden.
6
Vgl. hierzu das Frontier-Economics-Gutachten (2009) und das im Auftrag der Deutschen Bahn AG erstellte
NERA-Gutachten vom 18.06.2010.
18
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Zudem beschränken sich die Erörterungen zur Schätzung der Marktrisikoprämie im
Hauptteil des Gutachtens allein auf die Schätzung der Marktrisikoprämie als Eingangsparameter in eine CAPM-basierte Schätzung der Eigenkapitalkosten im Rahmen der Entgeltregulierung. Für andere Zwecke wird die Marktrisikoprämie eventuell aus ökonomischen,
historischen oder anderen Gründen auf eine etwas andere Weise geschätzt. Mehr dazu im
nächsten Abschnitt.
III.3
Andere Anwendungsgebiete der Risikoprämie
Dass die Schätzung der drei Eingangsgrößen des CAPMs, insbesondere der Risikoprämie,
vom geplanten Verwendungszweck abhängt, hat u. a. folgende Gründe:
- Die genannten Eingangsgrößen werden durch das CAPM nicht präzise definiert. Im
Rahmen einer konkreten WACC-Schätzung müssen also auf einer ersten Stufe die
Eingangsgrößen präzisiert werden. Diesbezüglich sind wichtige Fragen: Soll der
nationale oder ein internationaler Kapitalmarkt modelliert werden? Wie lange ist
die vom Modell betrachtete Zeitperiode? Einen Monat, ein Jahr oder mehrere Jahre? Liegt der Zeitpunkt, für den die Schätzung erfolgt, in der Vergangenheit? In
diesem Fall kann der benötigte risikolose Zinssatz beobachtet werden. Oder in der
Zukunft? Dann muss dieser geschätzt werden.
- Die Festlegungen im Rahmen der Entgeltregulierung stellen hoheitliche Akte dar,
die der gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Die Interessenlage der betroffenen
Parteien unterscheidet sich stark. In anderen Anwendungen ist die Vorgehensweise eine subjektive Entscheidung eines allein Betroffenen, für die zum Teil andere
Maßstäbe anzuwenden sind.
- Die Daten, die idealerweise für eine Schätzung erforderlich wären, liegen teilweise
nicht vor. Die vorliegenden Daten besitzen oft nicht die Qualität, die eigentlich erforderlich wäre. Gewisse Daten können für manche Anwendungen ausreichen, für
andere nicht. Für die Entgeltregulierung sind möglicherweise höhere Anforderungen an die Datenqualität zu stellen als bei anderen Anwendungen.
- In den verschiedenen Anwendungsbereichen hat die Marktrisikoprämie zudem
zum Teil eine unterschiedliche Wichtigkeit. In Bereichen, in denen sie das Ergebnis
nur geringfügig beeinflusst, reichen oft einfachere Schätzungen.
Die wichtigsten Anwendungsbereiche (bzw. Verwendungszwecke bzw. Einsatzorte) für
das CAPM werden in den Unterabschnitten III.3.a – d behandelt.
III.3.a
Die Ermittlung des Wertes einer Unternehmung, für die kein
bzw. kein adäquater Börsenkurs existiert
Dieser Wert wird durch eine Abzinsung einer i.d.R. unendlich langen Zahlungsreihe auf
den heutigen Tag bzw. den noch früheren Stichtag der Wertermittlung berechnet. Es
handelt sich also um eine Barwertermittlung unter Zugrundelegung des für den Stichtag
geschätzten WACC. Weil
- eine unendlich lange Zahlungsreihe abgezinst wird,
- insbesondere bei Unternehmensbewertungen im Rahmen von „Squeeze-outs“ die
Interessen der beteiligten Parteien einander diametral gegenüberstehen und beide
Seiten viel gewinnen bzw. verlieren können,
19
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
erfolgen vielfach gerichtliche Überprüfungen, in denen viele Aspekte der Eigenkapitalkosten-Schätzung ausführlich erörtert werden.7 Auf den Wright-Ansatz wird dabei bisher
meines Wissens nicht eingegangen.
Stehle (2004), aufbauend auf der internationalen Literatur, insbesondere Cooper (1996)
und Fama (1996), empfiehlt für diese Fragestellung die Verwendung des arithmetischen
Mittels und für Deutschland das Steuer-CAPM. Die in diesem Aufsatz ermittelten historischen Marktrisikoprämien dienten für viele Jahre den Wirtschaftsprüfern, die traditionell
in Deutschland die Schätzgutachten erstellen, als CAPM- bzw. Steuer-CAPMEingangsgrößen.
Deutsche Wirtschaftsprüfer beachten traditionell die Empfehlungen des deutschen Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) stark, insbesondere dessen Stellungnahme „IDW S1“. In
mehreren Schritten wurden vom IDW Erhöhungen der Risikoprämien empfohlen, zuletzt
2012, als Folge einer kurzen Stellungnahme des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB). Der FAUB stützt seine Empfehlung von
2012 argumentativ auf aktuelle Marktbeobachtungen, Kapitalmarktstudien, implizite
Marktrisikoprämien und Überlegungen zur Entwicklung realer Renditen auf Basis historischer Daten, geht auf seine exakten Informationsquellen aber nicht explizit ein. Inwieweit diese Erhöhungen von den zuständigen Oberlandesgerichten gebilligt werden, steht
aktuell noch aus.
III.3.b
Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprojektes
bzw. der Vorteilhaftigkeit von dessen Weiterführung
Ökonomisch sind die einzigen Unterschiede zu a), dass es i.d.R. um nur endlich lange
Zahlungsreihen geht und die Ermittlung stets zum heutigen Tag oder zu einem Tag in absehbarer Zukunft erfolgt. Was früher war, interessiert hier i.d.R. nicht. Die Beurteilung
von Investitionsprojekten ist die in Lehrbüchern des Gebietes Finance üblicherweise unterstellte Anwendung, wenn die Marktrisikoprämie erörtert wird, z.B. in Brealey et al.
(2014). Die Anwendungsgebiete a) und b) werden in Koller et al. (2015) ausführlich behandelt.
Ob die Ermittlung des Barwertes einer einmaligen zukünftigen, nach N Perioden erfolgenden Einzahlung mit dem arithmetischen oder dem geometrischen Mittel oder einer Kombination dieser Mittel erfolgen soll, wird von Cooper (1996) diskutiert, vgl. hierzu Abschnitt IV.4. Zusätzlich zu den dort erörterten Problemen kommt hinzu, dass bei Investitionen unklar ist, welcher konkrete Wert als N angesetzt werden soll. Cooper (1996, S.
165) schlussfolgert für den von ihm untersuchten Fall einer einzigen zukünftigen Zahlung: „In all cases, the corrected discount rates are closer to the arithmetic than the geometric mean.”
Das arithmetische Mittel wurde von den führenden Lehrbüchern in diesem Zusammenhang viele Jahre empfohlen, ebenso von Stehle (2004). Brealey et al. (2014, S. 163)
empfehlen diese Vorgehensweise heute noch: „Moral: If the cost of capital is estimated
from historical returns or risk premiums, use arithmetic averages, not compound annual
rates of return” [geometrische Mittel]. Mehrere neuere Lehrbücher empfehlen einen etwas unter dem arithmetischen Mittel liegenden Satz, Koller et al. z.B. auf Seite 273 f.
und Seite 807. Welch (2014, S. 231) kommt zum Ergebnis: „You should probably com-
7
Die Vielzahl der jüngeren gerichtlichen Überprüfungen werden u. a. von Hachmeister et al. (2015), Hachmeister et al. (30.10.2015), Schüler (2015) und Ruthardt/Hachmeister (2015) erörtert.
20
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
pound an equity risk premium estimate somewhere in between the arithmetic and geometic averages”. Darmodaran (2015, S. 28) spricht sich noch stärker für das geometrische Mittel aus: „In corporate finance and valuation, at least, the argument for using
geometric average premiums as estimates is strong”.
III.3.c
Die Ermittlung des voraussichtlichen Endwertes einer einmaligen Kapitalanlage bzw. eines Sparprozesses an einem zukünftigen Stichtag.
Bei Altersvorsorgeüberlegungen könnte der Stichtag der Ruhestandseintritt in zehn bis 50
Jahren sein. Hierbei erfolgt eine Aufzinsung von Zahlungen mit der erwarteten (bzw.
durch das CAPM geschätzten) zukünftigen Portefeuillerendite. Ein regelmäßiges Überdenken des Stichtags und der zukünftigen Bedürfnisse sowie eine regelmäßige (z. B. jährliche) Wiederholung der Schätzung und eine darauf aufbauende Anpassung der Sparleistung und der Portfoliostruktur sind empfehlenswert.
Ob und gegebenenfalls welches CAPM dieser Entscheidung zugrunde gelegt wird, obliegt
allein dem Vorsorgenden und seinen Beratern. Die weltweit größten Beratungs- und Anlagevermittlungsgesellschaften (z. B. Dimensional Fund Advisors) verwenden in diesem
Zusammenhang seit mehreren Jahren die von Fama-French (1993) vorgeschlagene
CAPM-Alternative „Drei-Faktoren-Modell“ oder noch neuere Ansätze.
Ob die Ermittlung des voraussichtlichen Endwertes einer einmaligen Kapitalanlage an einem zukünftigen Stichtag mit dem arithmetischen oder dem geometrischen Mittel oder
einer Kombination dieser Mittel erfolgen soll, wird von Blume (1974), auf dessen Arbeit
Cooper (1996) aufbaut, ohne Bezugnahme auf ein CAPM intensiv diskutiert.
III.3.d
Die interne oder externe Beurteilung der renditemäßigen Performance von Investmentfonds
Für diese Anwendung wurde zwischen den Jahren 1960 und 2000 fast ausschließlich das
CAPM verwendet, seit einigen Jahren alternativ oder zur Ergänzung des CAPMs die von
Fama-French (1993) vorgeschlagene CAPM-Alternative „3-Faktoren-Modell“, das darauf
aufbauende „4-Faktoren-Modell“ oder noch neuere Ansätze. Die diesbezügliche Entwicklung ist in den USA, dem UK und Australien schon weiter fortgeschritten als in Deutschland.
Hier dienen die Modelle innerhalb von Kapitalanlagegesellschaften dazu, Fondsmanager
zu beurteilen. Zusätzlich können sie von Anlegern und ihren Beratern genutzt werden.
Brückner/Lehmann/Schmidt/Stehle (2015) zeigen, dass die mit der Verwendung des 4Faktoren-Modells von Fama-French verbundenen Datenprobleme außerhalb der USA sehr
groß sind und in der Regel davon abgeraten werden muss.
III.3.e
Die Entgeltfestlegung bzw. -überwachung
Hier sind die CAPM-basierten Eigenkapitalkosten eine Eingangsgröße in den WACC. Dieser wiederum ist eine Eingangsgröße bei der Festlegung oder der Überwachung der Entgelte für eine i. d. R. durch Investitionen erstellte Infrastruktur (z. B. einen Flughafen
oder Strom-, Gas-, Telefon- bzw. Schienennetze). Der WACC soll hierbei so ermittelt
werden, dass es dem Entgeltempfänger mit den genehmigten Entgelten voraussichtlich
21
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
möglich ist, das bereits existierende Infrastrukturobjekt zu erhalten, gegebenenfalls auf-,
aus- oder abzubauen und dabei das eingesetzte und das zusätzlich benötigte Eigen- und
Fremdkapital adäquat zu verzinsen. Außerdem wird das Entgelt u. U. so festgelegt, dass
es einem externen Dritten ermöglicht wird, selbst eine Infrastruktur aufzubauen (vgl. Abschnitt III.1). Die Dauer der weiteren Nutzung des Objekts wird als langfristig (also zehn
oder mehr Jahre) angesehen, doch sind die genaue ökonomische und die technische Nutzungsdauer i.d.R. unbekannt. Die Entgelte werden letztendlich durch die Regulierungsbehörde festgelegt und können auf Antrag der Beteiligten durch die zuständigen Gerichte
überprüft werden. Der festgelegte WACC hat Gültigkeit für die Regulierungsperiode, die
in der Regel ein bis fünf Jahre lang ist.
III.4
Bundesanleihen und die „Global Financial Crisis“ (GFC)
In meinem Gutachten von 2010 lautete die Überschrift von Abschnitt III.4 „Die ökonomischen Krisenjahre 2007 - ??“. Darüber, ob diese Krisenjahre schon endgültig vorbei sind,
möchte ich hier keine Aussage treffen. Die diesbezügliche Situation ist zu kompliziert.
Unstrittig ist, dass die aktuellen Zinssätze in Deutschland noch fast auf dem historischen
Tiefstand sind, zumindest seit 1955, sowohl in Deutschland als auch in den USA und in
den meisten anderen „soliden“ Industrieländern. Der DAX und der CDAX haben aktuelle
Indexstände, die über ihren historischen Höchstständen vor 2008 und wesentlich über ihren darauf folgenden Tiefständen im Jahr 2009 liegen. Allerdings wurden 2015 neue historische Höchstwerte erreicht, die circa 20 % über den aktuellen Indexständen lagen.
Das Bruttosozialprodukt und die Arbeitslosigkeit haben sich seit 2008 in Deutschland in
die wünschenswerte Richtung entwickelt, was jedoch nicht in allen europäischen Ländern
und besonders nicht in vielen Entwicklungs- und Schwellenändern der Fall ist. Besondere
Probleme existieren in den Ländern, deren Wirtschaft stark rohstofforientiert ist oder
stark von den Preisen für Agrarprodukte abhängt. Dazu kommt in vielen Ländern eine
unerträglich hohe Jugendarbeitslosigkeit.
Für die aktuelle Schätzung der Marktrisikopramie spielen insbesondere folgende Fakten
eine Rolle:
Am 30.03.2016 berichtete die Deutsche Finanzagentur in ihrer täglich veröffentlichten
Renditetabelle, dass ALLE Bundeswertpapiere, die vor dem 15.02.2025 fällig werden, eine negative Effektivverzinsung haben. Aus dieser Tabelle geht weiterhin hervor:
Die Bundesanleihe, deren Restlaufzeit (RLZ) aktuell am nächsten bei zehn Jahren liegt,
ist die 0,5 %-Anleihe von 2016, die am 15.02.2026 fällig wird. Sie besitzt ein ordentliches Emissionsvolumen (14 Mrd. €). Ihre aktuelle Effektivverzinsung beträgt 0,13 %.
Zurzeit sind die Effektivverzinsungen fast aller Bundeswertpapiere geringer als die Nominalverzinsung (hier 0,5 %). Am 30.06.2010 betrug die Effektivverzinsung von vergleichbaren Bundesanleihen noch 2,53 %. In den Jahren davor war sie noch höher, bis Mitte
2008 lag sie meist über 4,5 % (vgl. Bundesbank-Zeitreihe WT 10-10), danach sank sie,
fast kontinuierlich, auf den jetzigen Stand.
Die Bundesanleihe, deren Restlaufzeit am nächsten bei 30 Jahren liegt, ist die 2,5 %Anleihe von 2014, die am 15.08.2046 fällig wird. Sie besitzt ebenfalls ein ordentliches
Emissionsvolumen (15 Mrd. €). Ihre aktuelle Effektivverzinsung beträgt 0,80 %. Die aktuelle Zinskurve ist zwischen 10 und 30 Jahren also relativ flach. Dies impliziert, dass der
Markt davon ausgeht, dass die Zinsen für Anleihen mit RLZ zehn Jahre noch eine Weile
sehr niedrig bleiben werden.
22
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
30-jährige Bundesanleihen wurden meines Wissens in der Bundesrepublik erstmals 1986
emittiert.
Die (inflations-)indexierte Bundesanleihe, deren Restlaufzeit am nächsten bei 10 Jahren
liegt, ist die 0,100 %-Anleihe von 2015, die am 15.04.2026 fällig wird. Sie besitzt ein etwas geringeres Emissionsvolumen (6,5 Mrd. €). Ihre aktuelle Effektivverzinsung beträgt
minus 0,79 %.
Die (inflations-)indexierte Bundesanleihe, deren Restlaufzeit am nächsten bei 30 Jahren
liegt, ist die 0,100 % Anleihe von 2015, die am 15.04.2046 fällig wird. Sie besitzt ein
noch geringeres Emissionsvolumen (3,5 Mrd. €). Ihre aktuelle Effektivverzinsung beträgt
minus 0,47 %.
Das UK war das erste Industrieland, das inflationsindexierte Bundesanleihen (Gilts) emittiert hat (1981). Australien folgte 1985, die USA 1997, Deutschland erst 2006.8 Letztere
hatte einen Nominalzins von 1,5 %, ein Volumen von 15 Mrd. € und eine Endfälligkeit am
15.4.2016. Die nächsten zumindest zehnjährigen inflationsindexierten Bundesanleihen
wurden 2009, 2012, 2014 und 2015 aufgelegt, die ersten beiden mit ordentlichem Volumen, die letzten beiden mit einem etwas geringeren Volumen.
Inflationsindexierte Zinssätze spielen in der britischen und australischen Entgeltregulierung seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. Wegen der späten Einführung von indexierten
Anleihen in Deutschland, ihrer geringen Zahl und ihrem teilweise geringen Emissionsvolumen sind sie zurzeit noch nicht geeignet, für Zwecke der Schätzung der Marktrisikoprämie oder des risikolosen Zinssatzes genutzt zu werden.
Ähnlich wie in Deutschland sind aktuell die Zinssätze von Staatsanleihen auch im UK und
in Australien nahe ihren historischen Tiefstwerten. Dafür verantwortlich sind in erster Linie die für die nahe Zukunft niedrigen erwarteten Inflationsraten. Zusätzlich wird wegen
der äußerst niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeit dieser Länder oft auf das „Safe-Heaven-“
bzw. „Flight-to-Quality-Argument“ hingewiesen. Danach präferieren besonders risikoaverse Anleger in ihnen extrem unsicher erscheinenden Zeiten solche Anlagemöglichkeiten, bei denen sie unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung möglichst wenig verlieren. Nach dieser Argumentation sind die gegenwärtigen Zinssätze von Staatsanleihen
von Ländern, die vom Markt als solide angesehen werden, u. a. Deutschland, niedriger
als in historisch weniger unsicheren Zeiten mit identischen Inflationserwartungen.
Auch die Effektivverzinsungen von Anleihen von soliden Unternehmen sind aktuell nahe
den historischen Tiefstwerten: Die am 03.04.2023 fällige €-Anleihe der Deutschen Telekom International B.V. mit einem Nominalzins von 0,625 % hat aktuell z.B. eine Effektivverzinsung von 0,60 %.
Griechenland hat gerade erfolgreich eine 100-jährige Anleihe zu 2,35 % emittiert, möglicherweise um den Markt zu testen. Mexiko tat dies schon 2015 zu 4 % (Börsen-Zeitung
vom 31.03.2016, S. 13).
Unabhängig davon, dass viele Marktteilnehmer aktuell davon ausgehen, dass der Erwartungswert für die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen in naher Zukunft ungewöhnlich
niedrig ist, können merkliche Zinssteigerungen in naher Zukunft nicht ausgeschlossen
werden. Ebenso ist unwahrscheinlich, dass die Aktien im nächsten Jahr um 30 % oder
8
Wilkens et al. (2012) enthält eine gute und leicht zu lesende Einführung in inflationsindexierte Wertpapiere.
23
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
mehr steigen oder fallen, dies ist aber auf Basis der historischen Erfahrungen in Deutschland durchaus möglich (vgl. Stehle/Schmidt (2015), S.447). Aus historischer Erfahrung
ist allerdings die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Anstiegs beträchtlich höher als die
eines derartigen Fallens.
III.5
Maßnahmen zur „Abfederung“ des WACC-Absinkens als Folge der
globalen Finanzkrise ab 2007
Im Zusammenhang mit dem drastischen Sinken der in der Entgeltregulierung traditionell
eine wichtige Rolle spielenden Effektivverzinsung von langfristigen Staatsanleihen wurden
in vielen Ländern Maßnahmen ergriffen, die das Absinken des WACC „abgefedert“ haben,
damit für die Verkäufer der regulierten Produkte die ökonomischen Rahmenbedingungen
nicht zu instabil wurden. Nicht immer wurden diese Maßnahmen explizit mit der Abfederung begründet.
Der aus ökonomischer und regulatorischer Sicht enorme Unterschied zwischen den Festnetz-WACC-Schätzungen 2007 und 2009 (8,07 % bzw. 5,51%, das Absinken betrug also
2,56 Prozentpunkte bzw. 32 %) veranlasste die Bundesnetzagentur, im Telekommunikationsbereich ab 2009 eine exponentielle Glättung der Schätzwerte durchzuführen. Dabei
ergibt sich der „Anzulegende WACC“ aus der Summe des aktuellen WACC-Schätzwertes,
gewichtet mit 0,3, und dem Anzulegenden WACC der letzten Festlegung, gewichtet mit
0,7 (vgl. Stehle (2010), S. 72 ff.). Der Anzulegende WACC wird seit 2009 in den Entgeltfestlegungen des Telekommunikationsbereiches verwendet.
Der Anzulegende WACC sank seit 2009 langsamer als die jeweils aktuelle WACCSchätzung. Wenn die Zinssätze wieder steigen (oder wenn die Risikoprämie oder das Beta steigt), dann wird der Anzulegende WACC allerdings langsamer ansteigen als die jeweils aktuelle WACC-Schätzung.
Die exponentielle Glättung hat in merklicher Weise zur Stabilität im Sinne von § 32 (1)
TKG beigetragen. Möglicherweise hat sie zudem die Auswirkungen eines möglichen
Schätzfehlers zu ungunsten der regulierten Unternehmen eliminiert. Der aus meiner Sicht
noch größere Vorteil dieses Verfahrens ist, dass schon heute für alle Beteiligten feststeht,
dass die Abfederung auf symmetrische Weise erfolgt, wenn die Zinsen und/oder die Risikoprämien steigen.
Im Rahmen der Diskussion der Entgeltfestlegungen in anderen Ländern in den vergangenen Jahren werden mehrere Vorgehensweisen erörtert, die im Endeffekt das Absinken
der Zinssätze und der Risikoprämien abgefedert haben. Spannend wird in den kommenden Jahren, ob diese Maßnahmen auch dann weiter benutzt werden, wenn die Zinssätze
und/oder die Risikoprämien wieder steigen.
Ich empfehle mit Nachdruck, die exponentielle Glättung in der gegenwärtigen Form beizubehalten, zumindest so lange, bis die dadurch erfolgte Abfederung nach unten durch
eine Abfederung nach oben ausgeglichen wird.
24
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IV
IV.1
Ökonomische und datenmäßige Grundlagen
Reale vs. nominale Betrachtung
Bei der Analyse von langfristigen Aktienrenditen ist eine reale Betrachtung in den meisten Zusammenhängen sinnvoll, in Ländern mit traditionell hoher Inflation unerlässlich.
Dazu werden folgende Formeln benutzt:
1+reale Rendite = (1+nominale Rendite)/(1+Inflationsrate)9,
approximativ: Reale Rendite = nominale Rendite minus Inflationsrate.
Zahlenbeispiel: Beträgt die nominale Aktienrendite 10%, die Inflationsrate
3%, dann beträgt die approximativ berechnete reale Aktienrendite 7%. Genau
berechnet beträgt die reale Aktienrendite 1,1/1,03 = 6,8%.
Ähnliches gilt für den Zinssatz: Bei einem Nominalzins von 4% beträgt der
exakt berechnete Realzins 0,97%, approximativ beträgt er 1%.
Bei einem Vergleich auf Basis der nominalen Sätze ist die Aktienrendite also
2,5-mal so hoch wie der Zinssatz, bei einem Vergleich der realen Sätze circa
7-mal so hoch.10
Die nominale und reale Risikoprämie sind bei traditioneller Berechnung (als Differenz wie in der CAPM-Formel, vgl. Abschnitt IV.2) dagegen fast identisch. Im Zahlenbeispiel approximativ 6%, genau gerechnet 5,83%.
In seinem Lehrbuch schreibt Welch (2014, S. 231):“It does not matter, whether the
equity premium numbers are inflation adjusted”. Er denkt dabei, so scheint es, an die
approximative Berechnung der realen Renditen. Auch Damodaran(2015, S. 27) ist der
Ansicht, dass die Frage, reale und nominale Berechnungen der Risikoprämie, keine große
Bedeutung hat. In seinen Berechnungen der U.S.-Risikoprämie (vgl. seine 2015-Fußnote
54), die ich in Anhang E nachvollziehe, legt er nominale Renditen zugrunde und berechnet die Risikoprämie als „arithmetische“ Differenz.
Dimson/Marsh/Staunton berechnen die Risikoprämie als Quotient (1+Rm)/(1+Rf). Diese
Berechnungsweise wird oft als geometrische Differenz bezeichnet. In den Jahrbüchern
von Ibbotson Associates wird bereits seit 1988 die Risikoprämie im Vergleich zu kurzfristigen Wertpapieren (bills) auf diese Weise berechnet Bei dieser Berechnungsart sind die
nominale und die reale Risikoprämie vollkommen identisch. Im Sourcebook werden deshalb nur Risikoprämien angegeben, es wird nicht zwischen nominal und real differenziert.
Diese Berechnungsart hat sich in der Wissenschaft aber noch nicht bei Risikoprämien im
Vergleich zu langfristigen Anleihen durchgesetzt.11
Bei unsicheren Erwartungen sind die Formeln etwas komplizierter, am Grundprinzip ändert sich jedoch nichts. Brailsford et al. (2012, S.240) berechnen die nominale und die
reale historische Risikoprämie für Australien für diverse Zeiträume ab 1883, sowohl auf
9
Dies ist die übliche, in Lehrbüchern und wissenschaftlichen Arbeiten verwendete Formel, vgl. z.B. Brealey et
al. (2014), S. 165, FN 14 und Brailsford et al. (2012), Erklärung von Tabelle 1, S. 240.
10
10%/4% = 2,5; 6,8%/0,97% =7,01.
11
Vgl. z.B. Brailsford et al. (2012), Erklärung von Tabelle 1, S. 240.
25
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Basis des arithmetischen als auch des geometrischen Mittels. Die berechneten nominalen
Risikoprämien auf Basis des arithmetischen Mittels liegen für Anleihen (bonds) zwischen
5 % (1988-2010) und 6,1 % (1983-2010 und 1958-2010), die auf gleiche Weise ermittelten realen Risikoprämien sind gleich hoch (1883-2010) oder maximal 0,2 % geringer.
Bei den auf geometrische Weise ermittelten Risikoprämien sind die realen und die nominalen Prämien für die Zeiträume 1980-2010 und 1988-2010 gleich hoch (3,2 % bzw.
3,1 %), für die anderen Zeiträume sind die realen Risikoprämien höher, für den Zeitraum
1883-2010 um 0,1 % (4,7 % vs. 4,8 %). Die reale und die nominale Risikoprämie wären
damit fast identisch, wenn für ihre Schätzung das Mittel aus dem arithmetischen und
dem geometrischen Mittel zugrunde gelegt wird.
Allerdings kann es in Ländern mit stark variierender Inflationsrate zu größeren Unterschieden kommen. Zum Beispiel macht es einen Unterschied, ob eine nominale Aktienrendite von 50 % von einer Inflationsrate von 2 % oder 20 % begleitet wird. Brealey et
al. (2014, S.165, FN 14) bemerken hierzu: “For countries such as Italy that have experienced a high degree of inflation, this real risk premium may be considerably lower than
the nominal premium”.
Ein wichtiges Argument für die Berechnung der Risikoprämie auf nominale Weise ist, dass
dabei keine Daten zur Inflation benötigt werden. Solche Daten existieren zwar in
Deutschland seit weit über 100 Jahren. Die Berechnungsformeln für die Preisentwicklung
und die praktische Anwendung der Formeln, so die heute herrschende Meinung, führten
allerdings zu zu hohen Inflationsraten. Hoffmann (1999) schätzt die Verzerrung der Inflationsraten für Deutschland auf ¾ Prozentpunkte pro Jahr. (vgl. Abschnitt IV.5.d). Ich
vermute, dass die heutigen Inflationsraten wesentlich genauer sind als die Inflationsraten
für die fünfziger und die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, Schätzungen hierzu
sind mir aber nicht bekannt. Wegen unserer Unkenntnis der Entwicklung der Verzerrung
im Zeitablauf rate ich von der Verwendung realer Risikoprämien mit Nachdruck ab.
IV.2
Das CAPM und alternative Kapitalmarktgleichgewichtsmodelle,
insbesondere das internationale CAPM
Das von Sharpe (1963) und unabhängig davon von Lintner (1965) entwickelte Capital
Asset Pricing Model, in diesem Gutachten „das CAPM“ wird in allen Lehrbüchern des Gebietes Finance (vgl. Fußnote 9) und auch in meinem Gutachten für die BNetzA (2010) in
dessen Abschnitt IV.2, S. 56 – 65, ausführlich beschrieben und erörtert und mit Beispielen illustriert. Die zugrunde liegende ökonomische Argumentation kann mit mathematischen Formeln bzw. mit einer Grafik (vgl. Anhang C) nachvollzogen werden.
Unter den strengen Modellannahmen ist die erwartete Rendite einer jeden Aktie i bzw.
sind die Eigenkapitalkosten der betreffenden Unternehmung (nach Körperschaftsteuer):
kS  E  Ri   R f  i  E  Rm   R f  , i 
cov  Ri , Rm 
 m2
wobei:
E  Ri 
erwartete Rendite der Aktie
i
das (standardisierte) Maß für das nicht diversifizierbare Risiko, kurz das „Beta“ der
Aktie
i
i
bzw. Eigenkapitalkosten der Unternehmung
i
(präziser: das Aktienbeta)
26
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Rf
der “risikolose” Zinssatz (der Zinssatz für risikolose Kapitalüberlassungen),
 E  Rm   R f  die Marktrisikoprämie, die Differenz zwischen der erwarteten Rendite
des
Marktportefeuilles aller vorhandenen Aktien und dem risikolosen Zinssatz.
Der zweite Term in der CAPM-Formel, also das Produkt aus Aktienbeta und Marktrisikoprämie wird allgemein und im Folgenden als Risikoprämie der (betrachteten) Aktie i
bezeichnet. Für eine Aktie, deren Beta gleich eins ist, ist die Risikoprämie der Aktie identisch mit der Marktrisikoprämie. Die erwartete Rendite dieser Aktie ist unabhängig von
der Höhe des risikolosen Zinssatzes identisch mit der erwarteten Rendite aller Aktien, also mit der erwarteten Rendite des Marktportefeuilles. Dieser Fall spielt im Wright-Ansatz
eine wichtige Rolle.
Für regulierte Unternehmen, insbesondere für Unternehmen in den Bereichen Telekommunikation, Strom und Gas sowie Wasser liegt das Aktienbeta meist unter eins, oft beträchtlich. Oft wird in Regulierungsbescheiden das durchschnittliche Beta der betreffenden Branche verwendet. Stehle (2010) schätzt das Branchen-Aktienbeta („industry beta“) für die Bereiche Festnetz und Mobilfunk zum Stichtag 30.6.2010 auf 0,78, inzwischen hat sich dieses Beta mit Stand 31.03.2016 auf 0,89 entwickelt
In der Modellwelt handelt es sich um die von den Anlegern zu Periodenbeginn erwarteten
Renditen für die einzelnen Aktien und das „Marktportefeuille“. Die tatsächlichen Renditen
werden erst am Periodenende bekannt, sie können beträchtlich höher oder niedriger sein.
Annahmegemäß gehen die Anleger insbesondere von identischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen aus (‚homogene Erwartungen‘), wodurch die mathematische oder grafische Ableitung möglich wird. Die Anleger können allerdings (mit gewissen Einschränkungen) unterschiedliche Risikopräferenzen besitzen.
In der Modellwelt sind der risikolose Zinssatz,
R f , die Betas, die erwarteten Renditen der
einzelnen Aktien und die Marktrisikoprämie Marktgleichgewichtswerte. Ein Marktgleichgewicht besteht dann, wenn bei den impliziten Kursen aller vorhandenen Aktien („pricing
model“) jeweils alle ausstehenden Wertpapiere von Anlegern gehalten werden, also kein
Angebots- oder Nachfrageüberhang besteht. Über die Länge der unterstellten Betrachtungsperiode macht das Modell keine Aussage, sie könnte z.B. einen Monat, ein Jahr oder
zehn Jahre betragen. Das CAPM besitzt nur eine einzige Modellperiode, unter geeigneten
Annahmen kann es auf den Mehrperiodenfall übertragen werden.
Aus der Formel geht klar hervor, dass es sich beim Zinssatz, der für die Risikoprämie zugrunde gelegt wird, um den gleichen Zinssatz handelt, der den ersten Term auf der rechten Seite der Gleichung bildet.
Vor einer praktischen Umsetzung des sehr abstrakten Modells muss festgelegt werden:
- ob das Modell nominale oder reale Größen beschreibt,
- wie lang die Betrachtungsperiode sein soll,
- welcher Markt betrachtet werden soll (nationaler vs. internationaler Kapitalmarkt).
Die beiden ersten Punkte werden in den folgenden Unterabschnitten behandelt. Im hier
betrachteten Zusammenhang ist die Zugrundelegung eines internationalen CAPMs unstrittig (vgl. Abschnitt III.2).
Ab circa 1970 wurde eine Reihe von theoretischen CAPM-Alternativen vorgelegt. Typisch
für diese Modelle ist, dass eine einzige der strengen Annahmen des CAPMs aufgehoben
27
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
und durch eine zumindest aus der Sicht des Modellentwicklers weniger strenge Annahme
bzw. ein weniger strenges Annahmebündel ersetzt wird. Die CAPM-Alternativen werden in
den Lehrbüchern und in „unzähligen“ Veröffentlichungen diskutiert, u. a. auch in Wright
et al. (2003) und in Stehle (2010). Auch liegt eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen des CAPMs vor, die dessen Erklärungsfähigkeit für beobachtete Aktienrenditen
anzweifeln, oft erheblich. Brückner/Lehmann/Stehle (2012) geben einen relativ aktuellen
Überblick über diese empirischen Untersuchungen und verweisen auf weitere Überblicksartikel sowie auf die grundlegende Literatur. Sie führen insbesondere auch eigene Untersuchungen für Deutschland durch und kommen, darauf aufbauend, zum Ergebnis „In
Germany the CAPM is Alive and Well“.
Auch die theoretischen Varianten des CAPMs konnten wichtige Abweichungen beobachteter Renditen vom CAPM nicht erklären, insbesondere konnten der „Size“-Effekt“ und der
„Buchwert-Marktwert-Effekt modellmäßig nicht erklärt werden. Fama/French legten deshalb 1993 ein rein empirisch fundiertes CAPM vor, das Fama/French „Drei-FaktorenModell“, das später zunächst zum „Vier-Faktoren-Modell“ erweitert wurde, circa 2012 um
noch ein bis zwei weitere Faktoren. Brückner/Lehmann/Schmidt/Stehle (2015) erörtern
diese Modelle, untersuchen ihre Eignung für Deutschland und ihre hohen Datenanforderungen empirisch und kommen darauf aufbauend zum Ergebnis „Non-U.S. Multi-Factor
Data Sets Should be Used with Caution“.
Die modellbasierten und die rein empirisch entwickelten CAPM-Modelle werden meines
Wissens von keiner Regulierungsbehörde im Rahmen der Entgeltregulierung alleine, d. h.
anstelle des CAPMs verwendet. Gelegentlich, sehr selten, werden sie ergänzend zum
CAPM verwendet. Sie werden allerdings häufig von den regulierten Unternehmen bzw. ihren Beratern als sinnvolle Vorgehensweise zur Ergänzung des CAPMs eingestuft, z. B. in
den aktuell laufenden australischen Konsultationsverfahren im Bereich Strom und Gas,
vgl. die Abschnitte IX.2.c, IX.2.d und IX.2.e. Hier wurde im Januar 2016 beantragt, die
vier folgenden Modelle im Rahmen einer Multi-Model-Approach einzusetzen und die mit
den Modellen berechneten Werte für die Eigenkapitalkosten wie folgt zu gewichten:
- CAPM (9,2 %) gewichtet mit 12,5 %;
- Black CAPM (9,8 %) gewichtet mit 25 %;
- Fama/French (9,8 %) gewichtet mit 37,5 %;
- Dividendendiskontierungsmodell (10,2 %) gewichtet mit 25 %.
Die modellbasierten und die rein empirisch entwickelten CAPM-Modelle kommen in den
anderen, in Abschnitt III.3 erörterten Anwendungen des CAPMs häufiger für sich alleine
oder neben dem CAPM zur Anwendung:
- Das Steuer-CAPM wird in Deutschland seit 2004 im Rahmen der Unternehmensbewertung wahrscheinlich häufiger verwendet als das CAPM, aufbauend auf Stehle
(2004).
- Faktormodelle werden in den USA, dem UK, in Australien seit fast 20 Jahren und
seit mehreren Jahren auch in Deutschland im Rahmen der Beurteilung der Performance von Investmentfonds und in der Anlageberatung an Stelle des CAPMs
verwendet.
Die schon lange vor dem CAPM entwickelten, in vielen Varianten und Bezeichnungen
existierenden Diskontierungsmodelle (Discounted cash flow models, kurz DCF-Models),
zu dieser Gruppe zähle ich u. a.
- Dividendendiskontierungs- bzw. -wachstumsmodelle und
- Cash-flow-Diskontierungsmodelle
28
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
wurden in den USA vor der Existenz des CAPMs im Rahmen der Entgeltregulierung als
wichtigste Modelle genutzt. Inzwischen konnte das CAPM Marktanteile gewinnen, ein Diskontierungsmodell scheint aber immer noch das am häufigsten verwendete Grundmodell
zur Schätzung der zukünftigen Eigenkapitalkosten im U.S.-amerikanischen Strom- und
Gasbereich zu sein (vgl. hierzu Abschnitt V.4.d).
Diskontierungsmodelle werden in den Abschnitten VI.1, VI.2 und V.2 erörtert. Sie werden
im UK und in Australien häufig als Teil einer CAPM-basierten Vorgehensweise zur Schätzung der zukünftigen Marktrisikoprämie verwendet, meist in Verbindung mit einer Schätzung auf Basis von historischen Aktienrenditen.
IV.2.a
Handelt es sich beim CAPM um ein Modell, das reale Renditen
erklärt oder um ein Modell das nominale Renditen erklärt?
Im ursprünglichen Modell wird implizit unterstellt, dass es nur ein Konsumgut gibt, dessen Preis konstant, also am Periodenanfang und am Periodenende gleich hoch ist. Würden stochastische Preisänderungen zugelassen, dann wäre nur eine reale Interpretation
aus theoretischer Sicht korrekt. Grauer/Litzenberger/Stehle (1976) leiten ein internationales CAPM für den Fall ab, dass die zukünftigen Konsumgüterpreise unsicher sind, alle
Anleger aber identische Konsumpräferenzen (und damit Warenkörbe) haben und „weltweit“ Kaufkraftparität gilt. Derartige Modelle sind wesentlich komplexer und deshalb
schwerer nachzuvollziehen. Sie sind für die Entgeltregulierung derzeit nicht geeignet.
In der praktischen Anwendung erfolgt fast immer eine nominale Interpretation des
CAPMs, insbesondere wird diese in den Lehrbüchern vorgeschlagen (vgl. z.B. von Brealey
et al. (2014) in Kapitel 8, Koller et al. (2015) in Kapitel 13 und Welch (2014) in Kapitel
9). Dies wird insbesondere damit begründet, dass in der Lehrbuchanwendung, der Investitionsbeurteilung (vgl. Abschnitt III.3.b), nominale Zahlungsströme auf Basis des CAPMs
beurteilt werden. In den Worten von Welch (2014, S. 227): „First, don’t forget to use
nominal rates to discount nominal expected cash flows”. Ebenso wird in den meisten Entgeltfestlegungen und in den anderen CAPM-Anwendungen eine nominale CAPM-Version
zugrunde gelegt. In der BNetzA erfolgte in den Bereichen Telekommunikation sowie
Strom und Gas bisher ausschließlich eine nominale Verwendung des CAPMs. Die diesbezüglichen Vorgehensweisen im UK und in Australien sind uneinheitlich, hierauf gehe ich in
Abschnitt V.4 ein
Für sich gesehen ist eine reale Interpretation der CAPM-Gleichung aus theoretischer Sicht
zweifellos korrekter. Für die Entgeltregulierung im Telekommunikationsbereich werden
nominale Eigenkapitalkosten geschätzt und festgelegt, um mit den nominalen Fremdkapitalkosten zu einem nominalen WACC verbunden zu werden. Dieser wird in einem letzten
Schritt in einen realen WACC umgerechnet. In Anbetracht der von den Lehrbüchern vorgeschlagenen Vorgehensweise, der uneinheitlichen Vorgehensweise im UK und in Australien und aus Stabilitätsüberlegungen empfehle ich, an der nominalen Berechnung der Eigenkapitalkosten vorerst festzuhalten.
IV.2.b
Die Länge der vom CAPM betrachteten Zeitperiode
In dieser Hinsicht ist das Modell, wie bereits erwähnt, vollkommen offen. Die Festlegung
wirkt sich möglicherweise stark auf die Wahl des risikolosen Zinssatzes und auf den
Schätzwert für die Risikoprämie aus. Vom Modell wird aber klar gefordert, dass beide
Eingangsparameter im Einklang miteinander festgelegt werden.
29
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Wird als risikoloser Zins z.B. die Effektivverzinsung von Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von einem Jahr zugrunde gelegt, dann müssen der Schätzung der Marktrisikoprämie auch Bundesanleihen mit einer kurzen Restlaufzeit zugrunde gelegt werden.
Wird als risikoloser Zins die Effektivverzinsung von Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit
von 10 Jahren zugrunde gelegt, dann müssen der Schätzung der Marktrisikoprämie auch
Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren zugrunde gelegt werden. Normalerweise sind die Effektivverzinsungen für längere Laufzeiten höher und damit die entsprechenden Risikoprämien geringer.
Falsch wäre es deshalb z.B., zur Schätzung der Risikoprämie Bundeswertpapiere mit einer wesentlich kürzeren Laufzeit zu verwenden als beim Ansatz des risikolosen Zinssatzes. Bei dieser Vorgehensweise würde die Summe von beiden, also z.B. die Eigenkapitalkosten bei einem Beta von 1, zu hoch ausfallen. In den Worten von Welch (2014, S.
231): „Just don’t commit the mistake of using a (high) long-term risk-free rate in the
first CAPM term and a (high) equity premium over the short-term T-Bill rate in the second CAPM term.” Dies ist auch in der Entgeltregulierung unumstritten. In den Worten von
Frontier Economics (2009, S. 46): „Bei der Ableitung des risikolosen Zinssatzes sollte daher sichergestellt sein, dass die in diesem Schritt referenzierte risikofreie Anlageoption
nicht strukturell von den für die Marktrisikoprämie verwendeten Daten verschieden ist.“
IV.3
„Wahre“ Werte vs. Schätzungen und Prognosen, „In-Sample“Ergebnisse vs. „Out-of-Sample”-Prognosen
Im Rahmen der Entgeltregulierung muss die Risikoprämie für einen zukünftigen Zeitraum
geschätzt werden, der mit dem Beginn der Regulierungsperiode beginnt. Dies ist u. a.
deshalb schwer, weil der „wahre Wert“ der Prämie auch im Nachhinein nicht beobachtbar
ist. Bei der Risikoprämie des CAPMs handelt es sich um einen Erwartungswert, im Nachhinein beobachtbar sind nur die tatsächlichen Renditen.
Die Prognose ist zudem schwer, weil sie nur auf Basis von Daten und Modellen erfolgen
kann, welche im Zeitraum der Vorbereitung der Festlegung schon bekannt bzw. festgelegt sind. Es handelt sich um eine Schätzung für die Zukunft bzw. eine „Out-of-Sample“Prognose. Dabei kann nur ein Schätzmodell verwendet werden, das bereits im Vorfeld
festgelegt wurde und nun mit den neuesten Daten „gefüttert“ wird.
Zur Ermittlung des besten Schätzmodells könnten Daten verwendet werden, die im Zeitpunkt der Festlegung schon bekannt sind. Sind zum Beispiel jährliche Daten für die vergangenen 50 Jahre vorhanden, so könnte innerhalb dieses Datensatzes das beste Modell
mit einer „In-Sample“-Prognose identifiziert werden. Bei dieser wird das beste Schätzmodell auf Basis der vorliegenden Daten für die vergangenen 50 Jahre gesucht und gefunden. Dieses wird dann für die Prognose der zukünftigen Werte verwendet.
Eine Vielzahl von Studien in unterschiedlichen Bereichen führt zum Ergebnis, dass viele
Prognosemodelle „In-Sample“ weitaus besser funktionieren als „Out-of-Sample“. Wichtige Gründe hierfür sind:
- Der wahre, aber unbekannte Zusammenhang ist Änderungen im Zeitablauf unterworfen. Der innerhalb des Datensamples existierende Zusammenhang gilt deshalb
nicht unbedingt für die Zukunft.
- In Wahrheit besteht kein Zusammenhang. Es handelte sich nur um einen zufälligen Fund. In diesem Zusammenhang wird oft von Data-Mining gesprochen. Wissenschaftler untersuchen meist eine Vielzahl von Zusammenhängen und kommen
so zu ihrem Ergebnis, das im Endeffekt aber zufällig ist.
30
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Prognosen, die „In-Sample“ gut funktionieren, werden häufig von Fachzeitschriften als
Publikation angenommen, ohne dass ihre „Out-of-Sample“-Eigenschaften untersucht
wurden. In der wissenschaftlichen Literatur sind deshalb viele Beispiele für Schätzverfahren zu finden, die „Out-of-Sample“ nicht funktionieren.
Die vielbeachtete Arbeit von Welch/Goyal (2008) kommt diesbezüglich unter Bezugnahme auf die Marktrisikoprämie zum Ergebnis:
Our article comprehensively reexamines the performance of variables that
have been suggested by the academic
literature to be good predictors of the
equity premium.We find that by and
large, these models have predicted
poorly both in-sample (IS) and out-ofsample (OOS) for 30 years now; these
models seem unstable, as diagnosed by
their out-of-sample predictions and
other statistics; and these models
would not have helped an investor with
access only to available information to
profitably time the market.
Unser Aufsatz überprüft auf umfassende
Weise die Performance von Variablen, die
in der wissenschaftlichen Literatur als gute Vorhersage-Variable vorgeschlagen
wurden. Unser Ergebnis, im Großen und
Ganzen, ist, dass die jeweiligen Modelle
sowohl In-Sample (IS) als auch Out-ofSample (OOS) für nun 30 Jahre schlecht
prognostizierten; die Modelle scheinen
nicht stabil zu sein, was wir auf Basis ihrer Out-of-Sample-Prognosen und anderen Statistiken diagnostizieren; und diese
Modell würden keinem Kapitalanleger,
der nur die verfügbaren Informationen
besitzt, geholfen haben, die Entwicklung
des Marktes zu antizipieren.
Dieses Ergebnis ist nicht unumstritten. Inhaber der Sichtweise, dass es möglich ist, die
zukünftige Risikoprämie mit im Prognosezeitpunkt verfügbaren Daten zu prognostizieren,
verweisen dabei in der Regel auf sehr komplexe Modelle, deren Prognosefähigkeit sehr
gering ist, aber existiert. Derartige Modelle eignen sich nicht für die Entgeltregulierung.
In Abschnitt VI.3 gehe ich ausführlicher auf solche Prognosemodelle ein.
In einer gerade veröffentlichten Arbeit untersuchen McLean/Pontiff (Journal of Finance,
Febr. 2016) 97 Variable, die nach früheren Studien die zukünftigen Renditen besser
prognostizieren als das CAPM. Ihre Ergebnisse sind:
- Die Überrenditen sind nach dem untersuchten Zeitraum 26 % geringer als im untersuchten Zeitraum.
- Nach der Publikation sind sie 58 % geringer als in der untersuchten Zeit.
IV.4
Arithmetisches vs. geometrisches Mittel
Beide Arten der Berechnung eines Mittelwertes spielen in den in Abschnitt III.3 genannten Anwendungsgebieten eine wichtige Rolle, u. a. deshalb, weil sich die Ergebnisse
merklich unterscheiden können. Bei den realen Aktienrenditen beträgt der Unterschied
zwischen dem geometrischen Mittel und dem arithmetischen Mittel für den Betrachtungszeitraum 1900-2014 für die USA, das UK und mehrere andere über das letzte Jahrhundert relativ stabile Länder ungefähr 2 % (vgl. Tabelle 1 am Ende von Abschnitt IV.5.b).
Wenn Aktienkurse drastisch fallen und wieder ansteigen, wenn also die Standardabweichung der Renditen hoch ist, können sich das arithmetische und das geometrische Mittel
der realen Renditen allerdings noch beträchtlich stärker unterscheiden:
31
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Fällt eine Aktie von 100 auf 10 und steigt dann wieder auf 100, so betragen die
Renditen -90% und +900 %.
Arithmetisches Mittel der historischen Renditen = 405%
Geometrisches Mittel [(1-0,9)*(1+9)]^1/2 = 0 %
Der große Unterschied zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel der
realen Renditen für Deutschland, Österreich und mehrere andere Länder in Tabelle 1 in
den Jahren 1900-2014 (über 4 %) zeigt, dass in diesen Ländern im letzten Jahrhundert
die Turbulenzen am Aktienmarkt beträchtlich höher waren als in den relativ stabilen Ländern.
Bei den Risikoprämien sind die Unterschiede zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel für die meisten Länder ungefähr gleich hoch wie bei den realen Aktienrenditen (vgl. Tabelle D1 in Anhang D). Hier fällt Österreich aus dem Rahmen, die
beiden Mittelwerte unterscheiden sich um 19 Prozentpunkte. Dieser Unterschied dürfte
größtenteils aus der sehr hohen unerwarteten Inflation während und nach den beiden
Weltkriegen resultieren. Hohe Inflationsraten haben die Renditen der festverzinslichen
Wertpapiere in manchen Jahren beträchtlich stärker reduziert als die der Aktien. Als Folge variiert die Zeitreihe der Überrenditen für Österreich im Vergleich zu anderen Ländern
sehr stark. Dies führt zu dem ungewöhnlichen Unterschied zwischen dem arithmetischen
und dem geometrischen Mittel.
Das arithmetische Mittel ist stets höher als das geometrische Mittel.
Es existieren zwei, zumindest teilweise unumstrittene wissenschaftliche Arbeiten, die für
konkrete Situationen und unter vorgegebenen Annahmen optimale Schätzformeln
(„Schätzer“) für die zukünftige Risikoprämie bzw. die zukünftige Aktienrendite ableiten
und erörtern: Blume (1974) und Cooper (1996). Stehle (2004) und Stehle (2010) erörtern die Annahmen, die Schätzformeln und die Ergebnisse dieser Arbeiten und geben Beispiele.
In beiden Arbeiten beginnt die Zeit, für die die Schätzung erstellt wird, sofort und nicht
mit einem zeitlichen Verzug wie bei der Entgeltregulierung. In beiden ist eindeutig definiert, wessen Perspektive der Schätzung zugrunde liegt. Beide betrachten nur den Fall
einer einmaligen Zahlung, deren Wert geschätzt wird. Blume analysiert aus der Sicht des
Kapitalanlegers die Frage, wie hoch der Endwert eines heute angelegten Betrages nach
genau N Perioden sein wird. Cooper analysiert, wie hoch der heutige Wert, also der Barwert einer in N Perioden erfolgenden Einzahlung, aus der Sicht dessen ist, der einen Anspruch auf die Zahlung hat. In Blumes Analyse spielt das Aufzinsen eine zentrale Rolle,
bei Cooper das Abzinsen. Die unvermeidbaren Schätzfehler wirken sich in beiden Situationen unterschiedlich aus, als Folge ergeben sich unterschiedliche Schätzformeln. Zusätzlich zu N spielt in beiden Arbeiten die Zahl der Perioden eine Rolle, für die historische Daten vorliegen.
In beiden Arbeiten wird unterstellt, dass die historischen und zukünftigen Überrenditen
bzw. Aktienrenditen aus identischen und voneinander unabhängigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen stammen. Für die Fälle „Autokorrelation“ (auf eine überdurchschnittlich hohe (niedrige) Ausprägung folgt tendenziell ebenfalls eine hohe (niedrige) Ausprägung)
und „Mean Reversion“ (auf eine Reihe guter Jahre folgen tendenziell schlechte Jahre und
umgekehrt) fallen die Meinungen von Wissenschaftlern über die besten Schätzformeln
weniger einheitlich aus. Wissenschaftler sind sich auch nicht einig darüber, wie stark diese Phänomene und wie stabil sie im Zeitablauf sind.
32
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
In zwei Gutachten erörtern Kempf (2005) und Ballwieser (2006) die Problematik der
Schätzung der zukünftigen Risikoprämie aus regulatorischer Sicht. Kempf legt in seinem
Gutachten im Auftrag des VG Köln die Perspektive der Anleger und deren durchschnittliche Haltedauer von Aktien zugrunde. Ballwieser legt in seinem Gutachten für die Vorgängerin der BNetzA, die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), die
Sichtweise der Unternehmung und deren Investitionsdauer zugrunde. Als Folge dieser
und weiterer Unterschiede in der Vorgehensweise kommen beide Arbeiten zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Die Frage, wie die Risikoprämie aus regulatorischer Sicht geschätzt werden soll, ist aus
meiner Sicht wissenschaftlich deshalb noch nicht endgültig gelöst.
Die BNetzA verwendet im Telekommunikationsbereich explizit den Mittelwert aus arithmetischem und geometrischem Mittel als Schätzwert für die zukünftige Risikoprämie, im
Bereich Strom und Gas wird dieser Mittelwert implizit zugrunde gelegt. Von ausländischen Regulierungsbehörden wurde traditionell meist ebenso verfahren, seit Beginn der
„Global Financial Crisis“ wird vermehrt das arithmetische Mittel oder ein geringerer Abschlag vom arithmetischen Mittel verwendet. Eine reine Verwendung des geometrischen
Mittels beobachte ich selten, sie erfolgte zum Beispiel in Italien in den vergangenen 10
Jahren (vgl. Abschnitt V.5.c).
Für die Anwendungsgebiete Unternehmensbewertung und Investitionsrechnung (vgl. die
Abschnitte III.3.a und III.3.b) wurde von den führenden Lehrbüchern bis vor kurzem
empfohlen, das arithmetische Mittel zu verwenden. Die neuesten Auflagen empfehlen
diesbezüglich einen etwas niedrigeren Ansatz, also einen Ansatz in Richtung geometrisches Mittel (vgl. Abschnitt III.3.b).
In Anbetracht der Unsicherheit über die korrekte Vorgehensweise empfehle ich der
BNetzA, im TK-Bereich auch weiterhin das „Mittel der Mittel“ zu verwenden.
IV.5
Renditedaten
Hier lauten die Grundprinzipien:
- Die historischen Daten sollten Zeitperioden entstammen, die für die Zukunft relevant sind.
- Ungewöhnliche Zeitperioden, z. B. größere Rezessionen und Depressionen, sollten
nicht ausgeschlossen werden.
- Je länger die Zeitperiode ist, desto höher ist die Schätzgenauigkeit.
- Die verwendeten Daten sollten unverzerrt sein.
Über die Relevanz weit zurück liegender Zeitperioden für die Zukunft existieren natürlich
unterschiedliche Meinungen. Ich teile die Meinung von Dimson et al., Brailsford et al.,
Siegel und Wright, dass die Daten ab Beginn des 20. bzw. Mitte des 19. Jahrhunderts Relevanz für die Zukunft besitzen. Welch (2014) ist anderer Ansicht.
Sowohl bei historischen Daten über Aktien als auch bei historischen Daten über festverzinsliche Wertpapiere sowie bei Inflationsdaten bestehen im Hinblick auf die Unverzerrtheit der Daten vor der Mitte des letzten Jahrhunderts meines Erachtens allerdings gravierende Probleme. Diese werden in der wissenschaftlichen Literatur zwar gelegentlich diskutiert, aber meines Erachtens nicht tiefgängig genug. Auf die diesbezüglichen Probleme
gehe ich in den folgenden Abschnitten deshalb relativ ausführlich ein.
33
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IV.5.a
Aktienrendite-Zeitreihen: Grundlagen
Stehle schrieb in seinem Beitrag zur Millennium-Beilage der Süddeutschen Zeitung am
01.12.1999:
„Waren Aktien in den letzten 100 Jahren eine gute Kapitalanlage? Die Deutsche Bank wurde 1910 in Berlin – der damals wichtigsten deutschen Börse –
zu 250 gehandelt. Ebenso im Laufe der Jahre 1914, 1958, 1974 und 1979.
Die Daimler-Motoren-Gesellschaft quotierte 1916 im außerbörslichen Handel –
während des ersten Weltkrieges waren die Börsen geschlossen – zu 600. Diesen Kurs erreichte die Daimler Benz AG 1958, 1965, 1983, 1992 und 1995.
Auch die Harpener Bergbau AG hat ihren Namen im Zeitablauf verändert. Sie
notierte 1913, 1947, 1968, 1975 und 1981 zu 180.
Trotz der vielfach fast unveränderten Kurse zu Beginn und zu Ende des Jahrhunderts waren Aktien in der Vergangenheit eine gute Kapitalanlage. Wer
1948 eine Aktie mit Nennwert 100 RM besaß, diese im Portefeuille hielt und
das Glück hatte, daß sie heute noch existiert, besitzt als Folge der Nennwertänderungen in der Regel 20 Aktien mit Nennwert 5 DM. Dazu bekam er
durchaus üppige Dividenden (im langfristigen Durchschnitt 3-4% des Kurswertes), Erlöse aus dem Verkauf von Bezugsrechten, Gratisaktien aus Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und sonstige Vermögensvorteile. Bei der
Deutschen Bank konnten Bezugsrechte in der Zeit von 1958 bis 1990 19mal –
also praktisch jedes zweite Jahr ausgeübt oder verkauft werden. Die Verkaufserlöse variierten zwischen 3,80 DM und 130 DM pro Bezugsrecht. Die
steuerfreien, aus Bezugsrechten resultierenden Werterhöhungen waren bei
der Deutschen Bank in den genannten Jahren insgesamt höher als die Dividenden. Bei der Daimler Benz AG gab es im genannten Zeitraum achtmal Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln. Von den Aktien, deren Notiz eingestellt wurde, bescherten manche ihren Eigentümern im Vorfeld hohe Verluste,
andere im Rahmen von Fusionen dagegen hohe Gewinne.“
Die Beispiele Deutsche Bank, Daimler Benz AG und Harpener Bergbau illustrieren, dass
nur bei kurzfristiger Betrachtung ein Großteil der Rendite der Aktionäre mit Kurssteigerungen zusammenhängt. Je länger der Betrachtungszeitraum, desto wichtiger wird es,
Bereinigungsereignisse wie Dividenden (Cash dividends), Nennwertänderungen (pure
stock splits), Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln (stock dividends) und Bezugsrechte in die Analyse einzubeziehen. Ein unverzerrter Schätzwert für die Risikoprämie
kann nur dann erreicht werden, wenn alle „Bereinigungsereignisse“ termin- und betragsgenau erfasst werden.
Stehle/Huber/Maier (1996) haben den DAX für die Jahre 1960-1987 zurück berechnet
und schätzen dessen jährliche Rendite (= Änderungsrate) auf 9,79 %. Auf Basis von früher existierenden, mit diesbezüglichen Schwächen behafteten Indizes schätzt Mella diese
Rendite nur auf etwas mehr als halb so hoch, 5,58 %. Das Beispiel illustriert, dass früher
existierende Indizes oft ungenau sind, weil sie nicht alle Bereinigungsdaten berücksichtigt
und/oder nicht die heute übliche Rechenweise verwendet haben. Dazu kommt, dass in
historische Indizes neue Unternehmen und Branchen oft erst mit einer mehrjährigen Verzögerung aufgenommen wurden. Als Folge wurden die alten (= niedergehenden) Branchen im Index zu stark gewichtet. Möglicherweise gab es auch in der Zeit, in der noch
per Hand gerechnet wurde, mehr Rechenfehler. Solche wurden früher (wie auch heute
noch) nicht nachträglich verbessert.
34
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Ein weiteres Beispiel für eine Schätzung der historischen Aktienrendite in Deutschland,
die stark nach unten verzerrt ist, enthält Stehle (2010, S.181, letzter Absatz). Die von
Gielen (1964) auf Basis des Indexes des Statistischen Reichsamtes geschätzte Aktienrendite der Jahre 1938 - 1954 hat ein arithmetisches Mittel von 15,75 %, Ronge (2002)
schätzt diese auf 20,78 %, Stehle et al. schätzt sie auf 21,15 %.
Stehle/Schmidt (2015) haben eine Zeitreihe für die Renditen aller im jeweils obersten
Segment der Frankfurter Börse gelisteten Aktien für den Zeitraum 1954 bis 2013 berechnet und mit den in diesem Zeitraum existierenden Aktienindizes verglichen. In allen vier
untersuchten Teilzeiträumen gab es Indizes, die zum fast gleichen Ergebnis führten. In
zwei anderen Rückberechnungen konnten jedoch eklatante Fehler gefunden werden. Eine
dieser beiden Rückberechnungen befand sich wahrscheinlich jahrelang auf der Webseite
der Deutschen Bundesbank (vgl. Stehle/Schmidt (2015), Fußnote 34).
Auch auf heutige Rückberechnungen von Aktienrenditen sollte deshalb nur vertraut werden, wenn sie durch Vergleiche verifiziert werden konnten. Je mehr Jahre eine Rückberechnung zurück liegt, desto wahrscheinlicher sind aus meiner Sicht Fehler. Stehle/Hartmond (1991) weisen einen Rechenfehler des damals höchst renommierten Frankfurter Professors Häuser (1985) nach, die diesen veranlasste, von einer „Renditeparadoxie bei Aktien“ zu sprechen, d. h. einer negativen Risikoprämie. Häusers „Beweis“ einer
negativen Risikoprämie wurde von Anlageberatern, die auf festverzinsliche Anlagen spezialisiert sind, verwendet, um in den Medien vor einer Kapitalanlage in Aktien zu warnen.
Den genannten Rückrechnungen von Stehle et al. für deutsche Aktien liegt eine Datenbank zugrunde, die von 1977 bis 1990 aufgebaut und seitdem systematisch verbessert
und ergänzt wurde und die keinen Survivorship-Bias enthält: Alle jemals existierenden
Aktien der untersuchten Aktiengruppe wurden also einbezogen, nicht nur die, die heute
noch existieren. Tabelle D3 in Anhang D illustriert die große Bedeutung die Bereinigungsereignissen zukommt. Die Datenbank wurde von einer Reihe von früheren Mitarbeitern
genutzt und liegt seit 1992 ca. 20-30 wissenschaftlichen Arbeiten zugrunde, vgl. Stehle/Schmidt (2015).
Die Stehle-Datenbank orientiert sich in ihren Qualitätsanforderungen an der Aktiendatenbank des Centers for Research in Security Prices (CRSP-Datenbank), die diesbezüglich
unstrittig das „weltweite“ Vorbild darstellt. Ken French, dessen im Internet frei verfügbare Datenbank Berechnungen für andere Wissenschaftler enthält, baut auf dieser Datenbank auf. Sie enthielt am 04.12.2015 das einführende Statement: “Please note, CRSP
just completed an extensive review of their shares outstanding data for 1925-1946. The
file they released in January 2015 (with data through December 2014) incorporates over
4000 changes that affect 400 Permnos. As a result, many of the returns we report for
1925-1946 change in our January 2015 update and some of the changes are large.”
CRSP hat 2015 also für 400 Wertpapiere im Zeitraum 1925–1946 4000 Änderungen vorgenommen, die deren Rendite zum Teil beträchtlich änderten. In mehreren früheren wissenschaftlichen Arbeiten werden systematische Fehler in der Datenbank beschrieben, die
in der Folge von CRSP behoben wurden. Brückner (2013, Fußnote 1) nennt diesbezüglich
die folgenden, zum Teil vielbeachteten Arbeiten: Rosenberg/Houglet (1974), Bennin
(1980), Courtenay/Keller (1994), Shumway (1997), Shumway/Warther (1999) und
Ince/Porter (2006)).
Die an der London Business School (LBS) unterhaltene Datenbank für Aktien des UK
dürfte der Qualität der CRSP-Datenbank ebenfalls nahekommen, aber diese nicht erreichen. Sie wurde bereits von einer Reihe britischer Wissenschaftler benutzt. Wie bei CRSP
35
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
wurden systematische Fehler entdeckt, die in der Folge behoben wurden. Die auf Basis
der CRSP-Daten, der LBS-Daten und der Stehle-Daten berechneten Renditezeitreihen für
Aktien liegen für die jeweils erfassten Jahre der Datenbank von Dimson/Marsh/Staunton
zugrunde.
Ebenfalls eine sehr hohe Qualität dürfte die Datenreihe für australische Aktien und Risikoprämien von Brailsford et al. (2008 und 2012) für die Jahre ab 1958 besitzen. Insgesamt erstreckt sich ihre Datenreihe auf die Jahre 1883 bis 2010. Brailsford (2008) enthält
ausführliche Vergleiche mit anderen Renditereihen für Australien und erörtert die Qualität
der zugrunde liegenden Datenquellen. Wichtige Schlussfolgerungen sind (2008, Conclusion):
- Die Datenqualität spielt eine umso größere Rolle, je weiter man zurückgeht. Insbesondere haben die Daten vor 1958 beträchtliche Mängel. Alle Schätzwerte die
auf die Daten vor 1958 zurückgehen, sollten mit Vorsicht betrachtet werden.
- Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die historische Marktrisikoprämie in
Australien wesentlich geringer ist als die bisher vorliegenden Studien schätzen (in
diesen Vergleich ist die Zeitreihe von Dimson/Marsh/Staunton einbezogen).
Die von Brailsford et al. geschätzten Risikoprämien werden in den meisten neueren australischen Regulierungsbescheiden verwendet. Ihre Qualität wird mehrfach in den jeweils
vorherigen Konsultationsverfahren und in den Regulierungsbescheiden erörtert. Dimson/Marsh/Staunton (2015, S. 61) erwähnen die Risikoprämien-Zeitreihe von Brailsford
et al., verwenden diese aber nicht, ohne Angabe von wichtigen Gründen.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Qualität von bisher nicht erwähnten
professionellen Datenbanken für einzelne Aktien hat erst vor wenigen Jahren begonnen.
Wichtige Beiträge sind Ince/Porter (2006) und darauf aufbauend Brückner (2012). Die
Qualität von bisher nicht erwähnten Datenbanken und von Aktienindizes erörtert Ehrhardt (2012) mit einem Schwerpunkt auf Deutschland.
Ein wichtiger Beitrag zur vergleichsweise hohen historischen Rendite U.S.-amerikanischer
Aktien ist Jorion/Goetzmann (1999). Sie führen diese auf einen „survivorship bias“ zurück, da sich die U.S.-amerikanische Wirtschaft im 20. Jahrhundert zu der erfolgreichsten
Volkswirtschaft der Welt entwickelt hat, und gehen davon aus, dass die zu Jahrhundertbeginn, also um ca. 1900, erwartete Aktienrendite niedriger war als die späteren tatsächlichen Renditen. Dieses Argument ist sicher richtig, über die Höhe der Verzerrung existieren aber keine unstrittigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Aus meiner Sicht dürfte
sie 0,2 % (pro Jahr) in den Jahren von 1900 bis 2000 nicht übersteigen.
IV.5.b
Die Aktienrenditen-Zeitreihen von Dimson/Marsh/Staunton
Eine erste wichtige Schwäche der seit 2002 von Dimson et al. in regelmäßigen Abständen
veröffentlichten und dabei laufend verbesserten Daten für Aktienrenditen ist, dass sie für
fast alle Länder für den größten Teil des Betrachtungszeitraums 1900 bis „heute“ auf historischen Indizes basieren. Sie wurden also größtenteils nicht mit der heutigen Indextechnologie aus qualitativ hochwertigen Daten für einzelne Aktien berechnet (siehe
Tabelle 1). Die historischen Indizes wurden vielmehr auf Basis der zur jeweiligen Zeit im
jeweiligen Land üblichen Indextechnologie berechnet. Dies führt, wie das DAX-Beispiel im
letzten Abschnitt illustrierte, möglicherweise zu erheblichen Verzerrungen nach unten,
d.h. es werden eventuell merklich zu niedrige Renditen bzw. Risikoprämien ausgewiesen.
36
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Die Daten von Dimson et al. waren meines Erachtens ursprünglich für die Anlageberatung gedacht. Die Monografie von Dimson et al. (2002) mit dem Titel „Triumph of the
Optimists – 101 Years of Global Investment Returns“ sollte Anlegern die Vorteilhaftigkeit
von Aktienanlagen aufzeigen. Der zweite Satz im Vorwort lautet: „Unsere Studie zeigt,
dass die Risikoträger, die optimistisch in Aktien anlegten, die Gruppe sind, die langfristig
triumphierte“.
Die Daten waren meines Erachtens ursprünglich also nicht für alle in Abschnitt III.3 beschriebenen fünf CAPM-Anwendungsbereiche gedacht. Diese unterscheiden sich natürlich
in ihren Anforderungen an die Datenqualität und die Transparenz der Vorgehensweise bei
der Berechnung. Und sie unterscheiden sich im Hinblick darauf, wie eine Verzerrung der
Aktienrenditen nach unten bzw. die Möglichkeit einer solchen Verzerrung einzustufen ist.
Werden z. B. Bankkunden im Rahmen von Altersvorsorgeüberlegungen über die Vorteilhaftigkeit von Aktienanlagen beraten, dann führt eine zu niedrige Schätzung der Aktienrendite im Vergleich zur Rendite von festverzinslichen Kontrakten „nur“ dazu, dass die
Anleger weniger in Aktien und damit ihr Geld sicherer anlegen. Im Bereich der Entgeltfestlegung hat eine zu niedrige Schätzung der Aktienrendite bzw. der Risikoprämie möglicherweise ernsthaftere Konsequenzen, die hier nicht näher untersucht werden können.
Zur möglichen Verzerrung der für historische Zeitperioden meist nur vorliegenden
Kursindizes kommt hinzu, dass diese traditionell Dividenden nicht einbeziehen. Dimson et
al. (2002) müssen die historische Dividendenhöhe deshalb für fast alle Länder schätzen.
Dazu nannte ich 2010, S. 183, folgendes Beispiel: „Für Schweden lagen in DMS 2002 von
1900-1918 keine Dividenden vor. Die Dividendenhöhe wurde deshalb auf die Umlaufrendite von Anleihen +1,33 Prozentpunkte geschätzt. Die genauere Schätzung der Dividende
in DMS 2010 für diesen Zeitraum hat möglicherweise zum Rückgang der Risikoprämie in
Höhe von 1,12 Prozentpunkten beigetragen.“ Die genauere Schätzung der Dividenden
hat auch zur geringeren Durchschnittsrendite von Aktien in Brailsford et al. (2008, 2012)
wesentlich beigetragen (vgl. Abschnitt IV.5.a).
Dimson et al. (2002) beschreiben auch für die anderen Länder ihre Vorgehensweise bei
der Schätzung der Dividenden, z.B. für Belgien auf S. 234: “Over 1914-25 and 1940-51
we assume the pre-war level of dividends remained unaltered in nominal terms. For
1952-97 we add Belgian dividend yields to produce a total return.” Ich vermute, dass die
Dividendenschätzungen in Dimson et al. 2002 tendenziell zu großzügig ausfielen. Die
bessere Schätzung der Dividenden in den neueren Auflagen von Dimson et al., z. B. in
(2009 und 2015), hat meines Erachtens in nicht unerheblicher Weise zum Rückgang der
Durchschnittsrenditen der einzelnen Länder und als Folge zum Rückgang der Rendite des
Welt-Portefeuilles beigetragen (vgl. hierzu Tabelle D2 in Anhang D). Zu diesem Rückgang
haben natürlich zusätzlich die im historischen Vergleich niedrigen Aktienrenditen zwischen 2000 und 2014 und die Einbeziehung von China und Russland in das WeltPortefeuille beigetragen.
Ebenso wie sich die Dividendenschätzungen von Dimson et al. seit 2002 merklich verbessert haben, hat sich das Ausmaß der Verwendung von historischen Aktienkursindizes
merklich verringert. Ein hohes Ausmaß ist jedoch noch immer für einen Großteil der Länder für jeweils große Teile des Betrachtungszeitraumes vorhanden, vgl. Tabelle 1. Zwar
muss nicht jede Verwendung eines historischen Indexes zu einer Verzerrung der durchschnittlichen Aktienrendite bzw. der Risikoprämie nach unten führen. Die Tabelle zeigt
jedoch, dass das Potential hierfür groß ist. Aus diesem Grunde rate ich stark davon ab, in
den nächsten Jahren die Daten von Dimson/Marsh/Staunton im Rahmen der Festnetz-,
Mobilfunk- und UKW-Entgeltregulierung zu verwenden.
37
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Tabelle 1: Durchschnittliche reale Aktienrenditen für die Jahre 1900-2014 laut Dimson/Marsh/Staunton, geometrische Mittel und arithmetische Mittel
Land
Australien
Österreich
Belgien
Kanada
GM AM
Diff.
7.3% 8.9% 1.6%
0.6% 4.6% 4.0%
2.7% 5.4% 2.7%
5.8% 7.2% 1.4%
Bemerkungen:
l t. Bra i l s ford (2008, 2012) etwa s zu hoch
zwi s chen 1925 und 1994 hi s tori s che Indi zes
2015 veröff. neue Da tenrei he, wa hrs chei nl i ch gut
vor 1925 kei ne Berei ni gungs da ten, a ußer Di vi denden,
da nn bi s 1957 hi s tori s che Indi zes
Dänemark 5.3%
Finnland
5.3%
Frankreich 3.2%
Deutschland 3.2%
Irland
4.2%
Italien
1.9%
Japan
4.1%
Niederlande 5.0%
Neuseeland 6.1%
Norwegen 4.2%
Portugal
3.4%
Südafrika
7.4%
Spanien
3.7%
Schweden 5.8%
Schweiz
4.5%
UK
5.3%
US
6.5%
Europa
4.3%
Welt
5.2%
7.2%
9.3%
5.7%
8.2%
6.8%
5.9%
8.8%
7.1%
7.8%
7.2%
8.4%
9.5%
5.9%
8.0%
6.3%
7.1%
8.5%
6.2%
6.6%
1.9%
4.0%
2.5%
5.0%
2.6%
4.0%
4.7%
2.1%
1.7%
3.0%
5.0%
2.1%
2.2%
2.2%
1.8%
1.8%
2.0%
1.9%
1.4%
vor 2002 hi s tori s che Indi zes
gute Da tenrei he a b 1912
hi er l ä uft ei ne wi s s ens cha ftl. Di s kus s i on
gute Da tenrei he, i ns bes ondere a b 1954
gute Da tenrei he a b 1988, da vor unkl a re Qua l i tät
vor 1999 hi s t. Indi zes
a b 1952 gute Da tenrei he, zuvor hi s t. Indi zes
a b 1981 gute Da ten, zuvor hi s t. Indi zes
a b 1987 gute Da ten, da vor unkl a re Qua l i tät
a b 1996 gute Da ten, zuvor hi s t. Indi zes
a b 1988 gute Da ten, zuvor unkl a re Qua l i tät
vermutl. gute Qua l i tät, M. Staunton wa r i nvol vi ert
a b 1985 gute Da ten, zuvor unkl a re Qua l i tät
vermutli ch gute Qua l i tät
a b 1984 gute Da ten, zuvor hi s t. Indi zes
gute Da ten a b 1900
gute Da ten a b 1900
Quelle: Dimson/Marsh/Staunton (2015)
Beurteilung: Stehle
GM bzw. AM: geometrisches bzw. arithmetisches Mittel
IV.5.c
Die Renditen festverzinslicher Wertpapiere: Grundlagen
Unstrittig ist, dass die Nominalverzinsung im Rahmen der Verwendung des CAPMs keine
Rolle spielt, sondern nur die vorausschauende Effektivverzinsung (= Verzinsung bis zur
Endfälligkeit, engl. yield-to-maturity, kurz yield) und die Rendite in historischen Zeitintervallen (engl. Rate of return, kurz return). Letztere ergeben sich aus den Zinsausschüttungen in Höhe der Nominalverzinsung, den Änderungen in den Stückzinsen und der
Kursänderung im betrachteten Zeitintervall. Da sich die Kauf- bzw. Verkaufspreise aus
der Summe aus dem jeweiligen Kurs plus der Stückzinsen ergeben, sollten Letztere nach
Möglichkeit in die Renditeberechnung einbezogen werden. Terminologisch ist in Deutschland ungünstig, dass oft dem schlechten Beispiel der Deutschen Bundesbank gefolgt
wird, und der Begriff „Umlaufsrendite“ (kurz Rendite) verwendet wird, obwohl eigentlich
die „Effektivverzinsung“ gemeint ist.
38
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Berechnungen von Effektivverzinsungen und historischen Renditen sollten sich, auch das
ist unstrittig, auf bestimmte Restlaufzeiten (time-to-maturity) beziehen.
Im Rahmen der Entgeltregulierung, darüber besteht weitgehend Einigkeit, sollten Staatspapiere (government bonds) mit einer Restlaufzeit von zumindest mehreren Jahren verwendet werden. Nur selten werden Staatspapiere mit einer Restlaufzeit von weniger als
fünf Jahren oder mehr als 20 Jahren zugrunde gelegt. Derartige Papiere existieren in vielen Ländern, einschließlich Deutschland, erst seit wenigen Jahren (vgl. Abschnitt III.4).
Bei der Berechnung einer Marktrisikoprämie muss eine bestimmte Restlaufzeit vorgegeben werden, zumindest approximativ, weil die Marktrisikoprämie auf Basis einer Restlaufzeit von zehn oder mehr Jahren (risk premium with respect to bonds) um 1-2% niedriger
sein kann als die Marktrisikoprämie auf Basis einer Restlaufzeit von wenigen Wochen oder Monaten (risk premium with respect to bills).
Für die Berechnung der deutschen Marktrisikoprämie kann (glücklicherweise) für die Jahre ab 1968 auf die jährlichen Renditen (= jährliche Änderungsraten) des REXP (Performance-Version des REX) zurückgegriffen werden. Dies erfolgt z. B. bei Dimson et al.
(2002 bis 2015) und bei Stehle (1999, 2004 und 2010). Für die USA wird für die Jahre ab
1926 meist auf die „Bond returns“ mit längster Restlaufzeit von Ibbotson Associates zurückgegriffen, z. B. von Dimson et al. (2002 bis 2015) und Stehle (2010). Für das UK
stellen Dimson et al. (2002 bis 2015) eigene Berechnungen zur Verfügung, die auch von
Stehle (2010) verwendet bzw. empfohlen werden.
IV.5.d
Die Bond-Renditezeitreihen von Dimson/Marsh/Staunton
Abgesehen von den erwähnten Zeitreihen für langfristige festverzinsliche Staatspapiere
(long term government bonds) für die USA, Deutschland und das UK sind die Laufzeiten
und die Art der Wertpapiere für die anderen von Dimson et al. betrachteten Länder sehr
uneinheitlich. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Dimson et al. (2015).
Für die Schweiz wird z.B. erst ab 1981 ein Datastream-Index für die Restlaufzeit 10 Jahre
zugrunde gelegt, wahrscheinlich handelt es sich um einen Kursindex. Erst ab 1990 handelt es sich explizit um einen Performanceindex (=total returns index). Die Qualität der
Daten vor 1981 ist ohne Rückgriff auf die Originaldaten schwer zu beurteilen. Ähnliches
gilt für
- Österreich, hier wird ab 1998 ein Performanceindex für österreichische Staatspapiere mit einer Restlaufzeit von 15 oder mehr Jahren verwendet;
- Dänemark, hier werden von 1925-1998 hypothekengesicherte Anleihen zugrunde
gelegt;
- Belgien, hier werden ab 1986 Indizes verwendet, deren Restlaufzeit wechselt. Unklar ist, ob es sich um Performance- oder Kursindizes handelt. Es wird in Erwägung gezogen, in Zukunft eine Masterarbeit zugrunde zu legen;
- Finnland, hier werden von 1930 – 1999 Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von
fünf Jahren zugrunde gelegt, danach zwei verschiedene Indizes für Wertpapiere
mit einer Restlaufzeit von 10 oder mehr Jahren;
- Frankreich, hier werden vor 1950 Effektivverzinsungen für Wertpapiere mit einer
unendlichen Laufzeit zugrunde gelegt, danach Indizes.
- Irland, hier werden bis 1978 die Daten für das UK verwendet;
- Japan, hier werden vor 1957 Effektivverzinsungen verwendet;
39
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
-
-
Niederlande, hier ist die Restlaufzeit vor 1974 unklar, danach wird ein Index,
wahrscheinlich ein Kursindex, für eine Restlaufzeit von 7 Jahren, ab 1999 ein Performanceindex für eine Restlaufzeit von über 10 Jahren verwendet;
Neuseeland, Norwegen, Portugal, Südafrika, Spanien und Schweden.
IV.5.e
Verbraucherpreisindizes
Im Februar 1998 wurde in der Reihe der Diskussionspapiere der Bundesbank eine Arbeit
von Hoffmann veröffentlicht, die sich mit den Problemen der Inflationsmessung in
Deutschland beschäftigt. Sie baute auf der umfangreichen Diskussion auf, die zuvor in
den USA und anderen Ländern stattgefunden hatte, vgl. hierzu Tabelle 2 in Hoffmann
(1999). Diese Veröffentlichung hat ein so starkes Echo gefunden, dass die Deutsche
Bundesbank dazu 1999 einen Workshop organisierte, dessen Ergebnisse von ihr im Mai
1999 in der Reihe der Diskussionspapiere veröffentlicht wurden.
Die zentrale Schlussfolgerung von Hoffmann (1998) ist, „dass vermutlich der deutsche
Preisindex für die Lebenshaltung die „wahre“ Inflationsrate [….] überzeichnet“.12 „Gleichzeitig wurde auf der Tagung deutlich, dass die Schätzunsicherheiten auf diesem Gebiet
nach wie vor groß sind.“ Mögliche Fehlerquellen sind nach Hoffmann insbesondere:
- das Produkte-Substitutions-Problem
- das Qualitätsänderungs-Problem
- das Neue Produkte-Problem
- das Verkaufsstellen-Substitutions-Problem (zu diesem zählt wahrscheinlich auch
der „Schlussverkaufseffekt“).
Hoffmann schätzt, dass die Verzerrung unter „normalen“ Umständen etwa ¾ Prozentpunkte pro Jahr beträgt (Zusammenfassung der Tagung, S. 2). Für andere Länder wird
der Grad der Verzerrung sogar noch höher eingeschätzt, Schätzungen für die USA betragen circa 1% pro Jahr (vgl. Tabelle 2 in Hoffmann 1999).
Für viele Zwecke werden die veröffentlichten Inflationsdaten weiterhin verwendet, vor allem wahrscheinlich deshalb, weil es keine unstrittige Alternative dazu gibt. In Anbetracht
der hohen Verzerrung erscheint eine Verwendung der verfügbaren Inflationsdaten im
Rahmen der Schätzung der Marktrisikoprämie allerdings höchst problematisch zu sein,
für alle Länder, nicht nur für Deutschland. Meine Empfehlung ist, historische Inflationsraten nicht zu verwenden.
IV.5.f
Fazit zu den für eine Schätzung der Marktrisikoprämie verfügbaren Daten.
Unzweifelhaft haben Dimson/Marsh/Staunton eine große Leistung erbracht, auch aus
wissenschaftlicher Sicht. Es ist insbesondere sehr verdienstvoll, dass die Daten nun schon
bereits seit über 10 Jahren Jahr für Jahr verbessert werden. In welche Richtung sich die
Schätzung für die Welt-Risikoprämie „1900 bis heute“ mit der immer besser werdenden
Datengrundlage entwickeln wird, ist allerdings schwer abzuschätzen. Ich vermute, dass
sie sich durch die Verbesserungen bei den historischen Aktiendaten langfristig eventuell
leicht nach oben entwickeln wird.
Die für die Telekommunikationsregulierung verantwortliche Abteilung der BNetzA verwendet für die Schätzung der Risikoprämie zurzeit aufgrund der Empfehlung von Stehle
12
Dieses und das folgende Zitate stammen aus der Zusammenfassung der Tagung durch Herrmann (1999).
40
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
(2010) nur qualitativ hochwertige Daten. Langfristig können sicher zu den Daten für die
USA, Deutschland und das UK Daten für weitere Länder hinzugefügt werden, im Augenblick könnte schon Australien ab 1958 hinzugefügt werden.
Langfristig kann durchaus auch die Gewichtung verbessert und können gleichlange Betrachtungszeiträume für alle einbezogenen Länder zugrunde gelegt werden. In Anbetracht der relativ geringen Unterschiede zwischen den Risikoprämien der vier verwendeten Reihen halte ich eine solche Verbesserung allerdings nicht für das Problem mit der
höchsten Dringlichkeit. In meinem Gutachten von 2010 wurden folgende vier Risikoprämien jeweils als „Mittel der Mittel“ berechnet und dann gleich gewichtet:
USA 1871-2009: 4,64 %, USA 1926-2009: 5,19 %, UK 1900-2009: 4,75 %, Deutschland
1955-2009 4,35 %, Gesamtdurchschnitt 4,73 %.
Durch diese Vorgehensweise werden weiter zurückliegende Zeiträume, die eventuell für
die Zukunft eine geringere Bedeutung haben, geringer gewichtet. Von den insgesamt 428
einbezogenen Jahren fallen nur 55 vor das Jahr 1926. Die USA, das Land mit dem größten Kapitalmarkt und der höchsten Datenqualität, werden am stärksten gewichtet. Beide
Weltkriege sowie die „Greatest Depression“ (in den USA 1929 bis Ende der 30er Jahre)
und auch die „Long Depression“ (USA 1873 bis 1879) werden einbezogen.
Die entsprechenden Werte für die Regulierungsgutachten im Telekommunikationsbereich
im Jahr 2015 lauten:
USA 1871-2014: 4,7 %, USA 1926-2014: 5,2 %, UK 1900-2014: 4,5 %, Deutschland
1955–2014: 4,5 %, Gesamtdurchschnitt ebenfalls 4,73 %.
Bei dieser Vorgehensweise blieb der Schätzwert für die Marktrisikoprämie zwischen 2010
und 2015 also konstant.
Bei einer Schätzung auf Basis des Weltportefeuilles von Dimson et al. verringerte sich die
Risikoprämie von 4,9 % (2009) auf 4,5 % (2014) bei Verwendung des arithmetischen
Mittels, von 3,7 % auf 3,2 % bei Verwendung des geometrischen Mittels.
Ob die internationale Marktrisikoprämie auf Basis der Daten von Dimson et al. oder auf
Basis der derzeitigen Vorgehensweise geschätzt wird, ist letzten Endes eine Ermessensfrage, bei deren Beantwortung die Datenqualität, die Breite des Portefeuilles, die Gewichtung, die historischen Zeiträume und die Transparenz der Vorgehensweise eine wichtige
Rolle spielen sollten. Ich empfehle für den TK-Bereich auch weiterhin die derzeitige Vorgehensweise.
Besonders problematisch wäre allerdings eine Verwendung der Risikoprämie von Dimson
et al. für Deutschland, allein oder zusammen mit der Weltrisikoprämie. Dimson et al. beziehen in ihre Schätzung die Jahre 1922 und 1923 nicht ein (vgl. Dimson et al. (2015), S.
105). In diesen beiden Jahren, zusammengenommen, dürfte die Rendite von Reichsanleihen fast -100 % betragen haben. Ihre Einbeziehung würde die Dimson et al.Schätzung für die Rendite von Anleihen um mehrere Prozentpunkte verringern und die
deutsche Risikoprämie in gleichem Maße erhöhen.
41
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
V
Die Schätzung der Marktrisikoprämie mit dem Wright-Ansatz
vs. die traditionelle Schätzung auf Basis historischer Daten für
Aktien und Anleihen
Die Marktrisikoprämie konnte sich als Folge der wissenschaftlichen Akzeptanz des CAPMs
bald nach dessen Publikation 1964 bzw. 1965 als ökonomisches Maß für den langfristigen
Renditevorteil von Aktien gegenüber festverzinslichen Anleihen etablieren, vgl. Stehle
(2010, Anhang B). Von beiden in diesem Abschnitt diskutierten Schätzverfahren für die
zukünftige Marktrisikoprämie existieren mehrere Varianten, die im Folgenden kurz erwähnt werden, um die nachfolgenden Erörterungen zu erleichtern. Beide verwenden historische Daten.
V.1
Die Schätzung auf Basis historischer Daten für Aktien und Anleihen
Die aus meiner Sicht am meisten genutzte Vorgehensweise bei der Schätzung der Marktrisikoprämie auf Basis von historischen Daten basiert sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen auf jährlichen nominalen Renditen. Bei der Ermittlung auf Basis des arithmetischen
Mittels (MRP arithm.) wird für jedes in die Schätzung einbezogene Jahr die nominale
Überrendite von Aktien berechnet, d. h. die Differenz aus der nominalen Aktienrendite
und der nominalen Anleiherendite. Schließlich wird das arithmetische Mittel der Überrenditen gebildet. Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zugrunde, dass der Erwartungswert der nominalen Überrendite im Zeitablauf konstant ist. Deren historischer Mittelwert ist deshalb der beste Schätzwert für den zukünftigen Erwartungswert.13
Auf entsprechende Weise wird die Marktrisikoprämie auf Basis des geometrischen Mittels
berechnet. Beide Vorgehensweisen werden z. B. von Damodaran (2015, ebenso 2016)
verwendet, er bezeichnet sie als Historical premium approach. In (2015), auf den S. 2441, wird die Historical premium approach ausführlich beschrieben und erörtert und in
seinem Anhang I durch ein umfassendes Beispiel (USA, 1928-2014) illustriert. Eine Replikation dieses Beispiels ist Teil von Anhang E. Beide Vorgehensweisen werden auch in
Stehle (2004) und Stehle (2010) verwendet und liegen damit der Marktrisikoprämienberechnung im BNetzA-Bereich Telekommunikation zugrunde.
Anstelle von Anleiherenditen werden oft auch die Effektivverzinsungen von Anleihen benutzt, z.B. von Brailsford et al. (2008,2012), vgl. z. B. die Tabellen 1 in beiden Veröffentlichungen.
Dimson/Marsh/Staunton berechnen die Risikoprämie auf Basis der jährlichen Quotienten
(1+Rm)/(1+Rf). Sie bilden also entweder das arithmetische Mittel oder das geometrische
Mittel der historischen Zeitreihe der jährlichen Quotienten.
Im Vergleich zu den anderen Festlegungen, die im Rahmen der Schätzung zu treffen
sind, dürften die Unterschiede zwischen diesen Vorgehensweisen in den meisten Fällen
sehr gering sein. Als Folge werden sie nur selten angesprochen. Die etwas leichtere Verfügbarkeit von Effektivverzinsungen ist wahrscheinlich der wichtigste Grund für deren
13
Meist erfolgt die Berechnung von MRP arithm. in der Weise, dass zuerst das arithmetische Mittel der jährlichen Aktienrenditen berechnet, dann das arithmetische Mittel der Renditen der Anleihen (bonds), jeweils für
die einbezogenen Jahre. Schließlich wird die Differenz beider Mittel gebildet. Diese Berechnungsweise führt
zum gleichen Ergebnis wie die oben beschriebene, ihr Vorteil ist, dass sie die beiden Zwischenprodukte liefert.
42
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Verwendung. Dimson et. al. verwenden bevorzugt Anleiherenditen. Nur wenn diese nicht
verfügbar sind, weichen sie auf Effektivverzinsungen aus.
Wichtige Vorteile dieser Vorgehensweise sind:
- Die Annahme der Stabilität der Risikoprämie im Zeitablauf wurde bzw. wird von
den meisten Wissenschaftlern als sinnvoll erachtet.
- Es werden nur Daten benötigt, die am Markt beobachtbar sind, Aktien- und Anleiherenditen, also keine Daten, die zu schätzen sind, insbesondere keine Inflationsraten.
V.2
Der Wright-Ansatz und seine Begründung
Die im Folgenden als Wright-Ansatz zur Schätzung der Marktrisikoprämie, kurz WrightAnsatz, bezeichnete Vorgehensweise geht zurück auf ein Gutachten mit Datum
13.02.2003, das im Auftrag mehrerer britischer Regulierungsbehörden durch Smithers &
Co. Ltd erstellt wurde, deshalb wird gelegentlich auch vom Smithers-Ansatz gesprochen.
Als Autoren des 144 Seiten umfassenden Dokuments werden Wright, Mason und Miles
genannt, die alle drei mit britischen Universitäten affiliert sind. Das Gutachten nimmt zu
fast allen Einzelfragen der WACC-Schätzung ausführlich Stellung und wird als Folge in
vielen Regulierungsfestlegungen, hierfür erstellten Gutachten und allgemeinen wissenschaftlichen Arbeiten zur WACC-Festlegung im Rahmen der Entgeltregulierung erwähnt
und/oder zitiert. Jenkinson (2006, S. 6) nennt als Grund für den Gutachtenauftrag, dass
die Regulierungsbehörden nach möglichen Alternativen zum CAPM suchten.
Dem Wright-Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass der Erwartungswert der realen
Rendite des Marktportefeuilles aller Aktien im Zeitablauf konstant ist. Dieser wird in einem ersten Schritt durch den historischen Durchschnittswert geschätzt. Der aktuelle
Schätzwert für die Marktrisikoprämie ergibt sich aus der Differenz zwischen dem historischen Durchschnittswert der realen Rendite von Aktien und dem verwendeten risikolosen
Realzinssatz. Bei dieser Vorgehensweise variiert die Risikoprämie also im Zeitablauf. Fällt
der risikolose Zinssatz z.B. um 1 %, dann steigt der Schätzwert für die Marktrisikoprämie
um 1 %. Oft wird deshalb von einer (vollkommen) inversen Beziehung zwischen der
Marktrisikoprämie und dem risikolosen Zins gesprochen.
Beispiel: Wird im Zeitpunkt X der Erwartungswert der zukünftigen realen Aktienrendite
auf Basis von historischen Daten auf 6,5 % geschätzt und der reale risikolose Zins aktuell
auf 2 % geschätzt, dann ergibt sich als Wright-Schätzwert für die Marktrisikoprämie
4,5 %. Ist im späteren Zeitpunkt X+1 als Folge eines Börsencrashs der Erwartungswert
der zukünftigen realen Aktienrendite, wiederum geschätzt mit historischen Daten, 6,3 %
und der reale risikolose Zins aktuell nur noch 1 %, dann ergibt sich als WrightSchätzwert für die Marktrisikoprämie 5,3 %.
Zur Wright-Schätzung der Risikoprämie werden historische Zeitreihen für die nominale
Aktienrendite, die zugehörigen Inflationsraten und ein Schätzwert für den zukünftigen risikolosen Zinssatz benötigt. Die historischen Renditen von Anleihen spielen höchstens für
die Schätzung des zukünftigen risikolosen Zinssatzes eine Rolle.
Wright et al. begründeten ihren Ansatz ursprünglich (2003) damit, dass die von Siegel
(1994) beobachtete empirische Stabilität der realen Renditen von US-amerikanischen Aktien seit 1802 insbesondere Regulierungsbehörden die Anwendung des CAPMs erleichtert.
Dies deshalb, weil das Beta dieser Unternehmen oft nahe bei eins liegt.
43
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
In den Worten von Wright et al. (2003, S.4):
“It is standard usage to follow the
CAPM by building up the cost of equity
capital from its two common elements:
the risk-free rate and the expected excess return on the market (or equity
premium). We argue however that this
approach is not necessarily the most
efficient way to proceed. In the CAPM,
the expected return on a firm’s equity
can be re-expressed equivalently as a
weighted average of the risk-free rate
and the expected market return, where
the closer is a given firm’s β to unity
(i.e., the closer it is to being “average”)
the lower the implied weight on the
safe rate.
Es ist bei Verwendung des CAPMs üblich,
die Eigenkapitalkostenschätzung auf zwei
Elementen aufzubauen, dem risikolosen
Zinssatz und der Marktrisikoprämie. Wir
argumentieren allerdings, dass diese
Vorgehensweise nicht notwendigerweise
die effizienteste ist. Im CAPM kann die
erwartete Rendite des Eigenkapitals einer
Unternehmung als gewichteter Durchschnitt des risikolosen Zinssatzes und der
erwarteten Rendite des Marktportefeuilles
aller Aktien interpretiert werden. Je näher
das Beta bei eins (also beim Durchschnitt) liegt, desto geringer ist das Gewicht des risikolosen Zinses.
Regulated industries are unlikely to be
“precisely” average, with a beta of unity; but nonetheless the dominant element in their cost of capital will always
be the expected market return, with a
distinctly smaller role for the risk-free
rate. This will also generally be the
case in alternative, more complicated
asset pricing models.
Es ist unwahrscheinlich, dass regulierte
Wirtschaftsbranchen „genau“ dem Durchschnitt entsprechen und ein Beta von eins
besitzen. Nichtsdestoweniger wird das
dominierende Element in ihrer Kapitalkostenschätzung immer die erwartete
Rendite des Marktportefeuilles sein, der
risikolose Zins wird eine geringere Rolle
spielen. Dies wird auch in alternativen,
komplexeren CAPMs der Fall sein.
The relatively greater importance of the
market return is fortunate for the regulators, since we argue that there is
considerably more uncertainty about
the true historic risk-free rate, and
hence the equity premium, than there
is about the market return itself. The
historic size of the equity premium is
still the subject of considerable puzzlement and controversy amon[g]st academics; but this is largely due to the
historic behaviour of the risk-free rate
(proxied by the short-term interest
rate.) In contrast, we summarise a
range of evidence that the equity return has, over reasonably long samples, been fairly stable both over time,
and across different markets.”
Die relativ größere Bedeutung der Rendite des Marktportefeuilles ist ein glücklicher Zufall für die Regulierungsbehörden,
da wir argumentieren, dass im Hinblick
auf die Höhe der wahren historischen
Rendite von Anleihen und damit der Risikoprämie von Aktien eine beträchtlich
höhere Unsicherheit besteht als über die
historische Rendite von Aktien. Die historische Höhe der Marktrisikoprämie ist
heute noch immer Gegenstand von akademischen Diskussionen, aber dies betrifft in erster Linie die Höhe des risikolosen Zinses. Im Gegensatz zu der üblichen
Vorgehensweise fassen wir ein breites
Spektrum von Erkenntnissen zusammen,
dass die Rendite von Aktien bei sehr langen Betrachtungszeiträumen ziemlich
stabil im Zeitablauf und in unterschiedlichen Märkten war.
44
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Die Frage, ob die Risikoprämie oder die reale Rendite von Aktien im Zeitablauf konstant
bzw. stabiler ist, könnte sicherlich auf theoretische Weise diskutiert werden. Die dazu
benötigten Modelle sind jedoch wahrscheinlich sehr komplex und ihre Schlussfolgerungen
von den jeweiligen Annahmen abhängig. Ich kenne keinen theoretischen Vergleich der
beiden Annahmen. Aus der Sicht von Wright et al. und auch meiner Sicht handelt es sich
um eine Frage, die nur durch einen empirischen Vergleich der beiden Annahmen beantwortet werden kann.
V.3
Die empirische Untermauerung durch die Siegel-Grafik
In der Siegel-Grafik (vgl. Siegel (1994)) und ihrem Update von Wright et al. (2003, S.
32) werden die 30-Jahres-Renditen des Marktportefeuilles aller Aktien und eines vergleichbaren Portefeuilles festverzinslicher Wertpapiere einander gegenübergestellt. Die
30-Jahres-Renditen werden aus den Renditen der einzelnen Jahre durch das geometrische Mittel berechnet. Die 30-Jahres-Renditen können als Schätzwerte für die erwartete
Rendite in den jeweiligen 30 Jahren interpretiert werden. Die Differenz der 30-JahresRenditen für Aktien und Anleihen kann als Schätzwert für die Risikoprämie in den 30 Jahren interpretiert werden. Ich präsentiere für die USA, das UK und Deutschland jeweils
zwei Grafiken. Die jeweils obere entspricht der Grafik von Siegel bzw. Wright et al. Aus
ihr kann prinzipiell auch die empirische Stabilität der Risikoprämie „abgelesen“ werden,
die jeweilige zweite Grafik gibt diesbezüglich aber ein klareres Bild.
V.3.a
USA
Die gestrichelte Linie enthält die realen 30-Jahres-Renditen des S&P500 Index, der als
Folge der Größe der 500 einbezogenen Aktien ein sehr gutes Bild der Rendite des gesamten Marktportefeuilles U.S.-amerikanischer Aktien darstellt. Auf der x-Achse sind die Anfangszeitpunkte der 30-Jahres-Zeiträume eingetragen. Ich beschränke mich auf die Jahre
ab 1871, Siegel (1994) und Wright et al. (2003) beginnen ihre Grafik mit 1802. Die Daten für die Jahre 1802 bis 1870 haben Qualitätsmängel, ihre Einbeziehung führt zu keinen zusätzlichen Erkenntnissen. Für die einbezogenen Jahre ist meine Grafik weitgehend
identisch mit den Grafiken von Siegel und Wright et al., diese vermerken auf der x-Achse
allerdings den Endzeitpunkt der 30-jährigen Anlagedauer. Mit meiner Kennzeichnung der
Achsen möchte ich verdeutlichen, dass die letzte historische 30-Jahres-Rendite 1986 begann.
Die historische maximale reale Aktienrendite, gemessen durch das geometrische Mittel
der jährlichen realen Renditen, beträgt 10,58 %. Sie wurde in den 30 Jahren von 1932
bis 1961 erreicht. Die historisch minimale 30-Jahres-Aktienrendite ist 3,11 %. Damit beträgt die Streubreite bei den realen Aktienrenditen 7,47 %. Statistisch wird die Streubreite meist mit der Standardabweichung gemessen, diese beträgt für die 30-JahresRenditen 1,75 %.
Das geometrische Mittel der realen Anleiherenditen beträgt im Gesamtzeitraum 2,88 %,
in den 30-Jahres-Zeiträumen variiert es stärker als meist erwartet, zwischen –2 % und
nahezu 8 %.
Abbildung 1 gibt den klaren visuellen Eindruck, dass in den USA in den betrachteten Jahren die als Differenz der beiden Zeitreihen ermittelten realen Marktrisikoprämien im Zeitablauf stärker variieren als die realen Aktienrenditen. Abbildung 2 zeigt dies noch deutlicher: Die minimale 30-Jahres-Marktrisikoprämie beträgt -0,05 % (1982-2011), die maximale 11,02 %. Damit ist die Spannweite über 11 % und somit beträchtlich höher als
45
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
die der Aktienrenditen. Die Standardabweichung der 30-Jahres-Marktrisikoprämien beträgt 2,69 % und ist damit ebenfalls beträchtlich höher als die der realen Aktienrenditen
(1,75 %). Für die USA komme ich also zum gleichen Ergebnis wie Siegel und Wright et
al.
Koller et al. (2015, S. 276) schätzen die erwartete Rendite des Marktportefeuilles aller
US-amerikanischen Aktien auf Basis von historischen Unternehmensdaten. Es handelt
sich um eine Variante der Modelle, die ich in Abschnitt VI.1 erörtere. Ihr Ergebnis ist,
dass die erwartete reale Rendite von Aktien zwischen 1962 und 2013 auf bemerkenswerte Weise relativ konstant war. In ihren Worten (S.277): „After inflation is stripped out,
the expected market return (not excess return) is remarkably constant, averaging 7 percent. For the United Kongdom, the real market return […] averages 6 percent”. Dies
stützt die Annahme einer konstanten realen Rendite von Aktien in beiden Ländern.
Für Investitionsentscheidungen empfehlen Koller et al. (S. 274), von einer (konstanten)
auf Basis von historischen Daten geschätzten Marktrisikoprämie auszugehen: „the U.S
market risk premium, as measured by excess returns, is in the range of 4.7 percent to
5.4 percent, which we round to 5 percent”. Diese Zahlen wurden wie folgt berechnet (S.
273 f.): 5,4 % ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel (USA, 1900-2014, bonds,
6,2 %) und einem Abschlag wegen des „survivorship premiums“ in Höhe von 0,8 %.
4,7 % ergibt sich aus dem Mittelwert für 10-jährige Anlagen (ein großer Schritt in Richtung geometrisches Mittel, 5,5 %) und dem gleichen Abschlag. Die Weiterverwendung
der Annahme durch Koller et al., dass die Marktrisikoprämie konstant ist, spricht gegen
den Wright-Ansatz.
46
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Abbildung
1:
Reale
30-Jahres-Renditen
in
den
USA
1871
-
2015
Geometrische Mittelwerte der realen jährl. Renditen einer Anlage in U.S.- amerikanischen Aktien (S&P500) und in U.S. Treasury bonds bei einer Anlagedauer von 30 Jahren
12,00%
Mittelwerte und Standardabweichungen für jeweils alle 145 realen Renditen
10,00%
geometrischer MW
arithmetischer MW
Standardabweichung
Aktien T-Bonds Infl.-rate
6,76 % 2,88 % 2,06 %
8,38 % 3,34 % 2,22 %
18,24 % 9,94 % 5,95 %
8,00%
6,00%
4,00%
2,00%
0,00%
Aktien real
Anleihen real
1871
1873
1875
1877
1879
1881
1883
1885
1887
1889
1891
1893
1895
1897
1899
1901
1903
1905
1907
1909
1911
1913
1915
1917
1919
1921
1923
1925
1927
1929
1931
1933
1935
1937
1939
1941
1943
1945
1947
1949
1951
1953
1955
1957
1959
1961
1963
1965
1967
1969
1971
1973
1975
1977
1979
1981
1983
1985
-2,00%
Zeitpunkt des Beginns der 30-jährigen Kapitalanlage
Graphik: Stehle, aufbauend auf Siegel (1994, 2008, S. 17) und Wright/Mason/Miles
(2003, S. 32). Datenquelle: Webseite von Robert Shiller, Datenvergleich mit Siegel
Abbildung 2: Reale 30-Jahres-Aktienrenditen (S&P 500) und 30-Jahres-Marktrisikoprämien in den USA, 1871 – 2015
12,00%
10,00%
8,00%
6,00%
4,00%
2,00%
Aktien real
Aktien-Anleihen
1871
1873
1875
1877
1879
1881
1883
1885
1887
1889
1891
1893
1895
1897
1899
1901
1903
1905
1907
1909
1911
1913
1915
1917
1919
1921
1923
1925
1927
1929
1931
1933
1935
1937
1939
1941
1943
1945
1947
1949
1951
1953
1955
1957
1959
1961
1963
1965
1967
1969
1971
1973
1975
1977
1979
1981
1983
1985
0,00%
Zeitpunkt des Beginns der 30-jährigen Kapitalanlage
47
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
V.3.b
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (UK)
Abbildung 3 wiederholt die Analyse von Abbildung 1, also der Siegel-Grafik, für das UK.
Hier werden die 115 jährlichen Renditen von 1900 bis 2014 untersucht. Über den Gesamtzeitraum beträgt das geometrische Mittel der realen Renditen von Aktien 5,27 %,
das der realen Renditen von Anleihen nur 1,56 % und folglich die Risikoprämie 3,71 %.
Alle drei Werte sind geringer als in den USA.
In beiden Ländern war die reale Aktienrendite für 30-Jahres-Zeiträume, die im vorletzten
Jahrhundert oder am Anfang des letzten Jahrhunderts begannen, geringer als die für 30Jahres-Zeiträume, die erst danach begannen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die
durch die geringere Qualität der historischen Daten verursachte Verzerrung der Renditeschätzwerte nach unten.
In Abbildung 3 wird die hohe durchschnittliche Inflationsrate im UK ausgewiesen, das geometrische Mittel über den Gesamtzeitraum beträgt 3,92 %, die Standardabweichung der
Einzelwerte beträgt 6,47 %. Insbesondere das Mittel ist wesentlich höher als in den USA
(2,06 %), es ist fast doppelt so hoch.
Die historische maximale reale Aktienrendite über 30 Jahre, gemessen durch das geometrische Mittel der jährlichen realen Renditen, beträgt 10,85 %. Sie wurde in den 30
Jahren von 1978 bis 2007 erreicht. Die historisch minimale 30-Jahres-Aktienrendite ist
2,46 % (1911-1940). Damit beträgt die Spannbreite bei den realen Aktienrenditen
8,39 %. Die Standardabweichung für die 30-Jahres-Renditen ist 1,75 %. Beide Werte
sind ähnlich wie in den USA.
Das geometrische Mittel der realen Anleiherenditen beträgt im Gesamtzeitraum nur
1,56 %, in den 30-Jahres-Zeiträumen variiert es stärker als erwartet, zwischen -4 %
(1947-1976) und 6,3 % (1982-2011).
Abbildung 3 gibt ebenfalls den klaren visuellen Eindruck, dass in den USA, in den betrachteten Jahren, die als Differenz der beiden Zeitreihen ermittelten realen Marktrisikoprämien für Zeiträume von 30 Jahren im Zeitablauf stärker variieren als die Vergleichswerte für die reale Aktienrendite. Abbildung 4 zeigt dies ebenfalls noch deutlicher:
Die minimale 30-Jahres-Marktrisikoprämie beträgt 0,17 % (1920-1949), die maximale
9,70 % (1943-1972). Damit ist die Spannweite über 9,50 % und somit höher als bei Aktienrenditen (8,39 %). Die Standardabweichung der 30-Jahres-Marktrisikoprämien beträgt 2,78 % und ist damit beträchtlich höher als die der realen Aktienrenditen (1,75 %).
Für das UK kommen wir also ebenfalls zum gleichen Ergebnis wie Wright et al.: Die reale
Aktienrendite ist im Zeitablauf stabiler als die Marktrisikoprämie.
48
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Abbildung 3: Reale 30-Jahres-Renditen im UK 1900 - 2014
Geometrische Mittelwerte der realen jährl. Renditen einer Anlage in UK-Aktien
und einer Anlage in Treasury bonds bei einer Anlagedauer von 30 Jahren
12,00%
Mittelwerte und Standardabweichungen für jeweils alle 115 realen Renditen
Aktien T-Bonds Inflationsrate
10,00%
geometrischer MW
arithmetischer MW
8,00% Standardabweichung
5,27 %
7,10 %
19,72 %
1,56 % 3,92 %
2,41 % 4,12 %
13,64% 6,47 %
6,00%
4,00%
2,00%
0,00%
-2,00%
Aktien real
Anleihen real
1900
1902
1904
1906
1908
1910
1912
1914
1916
1918
1920
1922
1924
1926
1928
1930
1932
1934
1936
1938
1940
1942
1944
1946
1948
1950
1952
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
-4,00%
Datenquelle: Dimson/Marsh/Staunton (2015), S. 186 ff.
Abbildung 4: Reale 30-Jahres-Aktienrenditen und 30-Jahres-Marktrisikoprämien
im UK, 1900 – 2014 (Datenquelle: Dimson/Marsh/Staunton (2015), S. 186 ff.)
12,00%
10,00%
Aktienrendite real, geom. Mittel
1975-2004: 10,85%
Risikoprämie real, geom. Mittel
1943 - 1972: 9,70%
8,00%
6,00%
4,00%
2,00%
Aktien real
Aktien-Anleihen
1900
1902
1904
1906
1908
1910
1912
1914
1916
1918
1920
1922
1924
1926
1928
1930
1932
1934
1936
1938
1940
1942
1944
1946
1948
1950
1952
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
0,00%
49
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
V.3.c
Deutschland
Für Deutschland sind in Abbildung 5 zwei Zeitreihen für die reale Aktienrendite einbezogen, die realen Renditen auf Basis des DAX und die realen Renditen auf Basis der Renditezeitreihe „Frankfurt Top Segment“ (FTS). Letztere gibt ein Bild der Rendite aller im jeweiligen obersten Segment der Frankfurter Börse jeweils notierten Aktien, vgl. Stehle/Schmidt (2015). Für den DAX beginnt meine grafische Analyse 1954, für die FTSZeitreihe 1955. Über den Gesamtzeitraum ist das geometrische Mittel der FTSRenditezeitreihe etwas höher als das Mittel der DAX-Renditezeitreihe (7,01 % vs.
6,69 %). Hauptgründe hierfür sind, dass mittlere und kleine Aktien vor 1990 im Schnitt
höhere Renditen hatten als die DAX-Werte, nach 1990 hatten die MDAX-Werte die im
Schnitt höchsten Renditen. Die 30-Jahres-Renditen liegen fast immer nahe beieinander,
die Reihe auf Basis des DAX variiert etwas stärker: In den guten, 30 Jahre umfassenden
Zeiträumen ist sie tendenziell etwas höher, in den schlechten etwas niedriger.
Die geometrischen Mittelwerte über 30 Jahre haben bei der FTS-Reihe eine Spannweite
von 5,58 %, von 3,35 % (1961-1990) bis 8,93 % (1978-2007), die Standardabweichung
der 30-Jahres-Renditen beträgt 1,43 %.
Die Marktrisikoprämien auf Basis von 30 Beobachtungsjahren schwanken zwischen
0,27 % (1961-1990) und 4,94 % (1978-2007), wenn die FTS-Reihe zugrunde gelegt
wird. Für den DAX war die Rendite von 1961-1990 sogar geringer als die des zugrunde
liegenden Anleihenindex REXP, die Marktrisikoprämie somit negativ. Bei Zugrundelegung
der FTS-Reihe beträgt die Standardabweichung der 30-Jahres-Risikoprämie 1,14 %. Beides, Spannbreite und Standardabweichung sind für die Marktrisikoprämie also merklich
geringer als für die realen Aktienrenditen. In Deutschland beschreibt die Annahme einer
im Zeitablauf konstanten Marktrisikoprämie die Realität somit besser als die Annahme einer im Zeitablauf konstanten realen Aktienrendite. Damit ist für Deutschland die wichtigste Begründung, die Wright et al. für ihr Schätzverfahren nennen, empirisch nicht
nachzuweisen.
50
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Abbildung 5: Reale 30-Jahres-Renditen in Deutschland 1955 – 2015
Geometrische Mittelwerte der realen jährl. Renditen einer Anlage in deutsche
Blue-Chips (DAX), in allen Aktien des obersten Segmentes der Frankfurter Börse
(FTS) und in Bundesanleihen (REXP) bei einer Anlagedauer von 30 Jahren
10,00%
Maximale reale DAX-Rendite über 30 Jahre (1971-2000): 8,9% p.a.
9,00%
8,00%
7,00%
6,00%
5,00%
4,00%
3,00%
FTS real
REXP real
2,00%
Mittelwerte und Standardabweichungen für die jeweils 61 realen Renditen
1,00%
geometrischer MW
arithmetischer MW
DAX
FTS
6,69 % 7,01 %
9,81 % 9,65 %
DAX real
REXP Infl.-rate
3,76 % 2,56 %
3,86 %
2,57 %
0,00%
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
Abbildung 6: Reale 30-Jahres-Aktienrenditen (FTS) und
risikoprämien in Deutschland, 1955-2015
1976
1978
1980
1982
1984
1986
30-Jahres-Markt-
10,00%
9,00%
8,00%
7,00%
6,00%
Risikoprämie real
1978 – 2007: 4,94 %
5,00%
4,00%
3,00%
2,00%
FTS-REXP
FTS real
1,00%
0,00%
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
51
1984
1986
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
V.3.d
Australien
Für Australien wurden in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Entgeltfestlegungen mehrere „Siegel-Grafiken“ erstellt. Ich beziehe mich im Folgenden auf die von
der Queensland Competition Authority im Rahmen der Final Decision „Cost of capital:
market parameters“ im August 2014 erstellte und veröffentlichte Grafik (Figure 4, S.
87).14 Sie ist Teil einer ausführlichen Diskussion des Wright-Ansatzes, auf die ich später
zurückkomme.
Der Grafik liegen die australischen Daten von Brailsford et al. zugrunde, sie erstreckt sich
auf die Jahre 1883 bis 2013. Für Anleihen werden Effektivverzinsungen zugrunde gelegt.
Die Standardabweichung der realen Aktienrendite über 30 Jahre lange Zeiträume, gemessen mit dem geometrischen Mittel, beträgt 1,69 %. Die Standardabweichung für die
Marktrisikoprämie beträgt 0,86 %, etwas mehr als die Hälfte. Die Regulierungsbehörde
führt diesbezüglich aus: „Die empirische Evidenz zeigt auf, dass die Marktrisikoprämie
beträchtlich stabiler ist als die Aktienrendite“.
V.3.e
Fazit
Die von Wright et al. vorgebrachte, durch die Siegel-Grafik und meine Berechnungen unterlegte Begründung ihres Ansatzes trifft für die USA und das UK voll zu. 15 Die größten
positiven Abweichungen vom Mittel der Gesamtperiode treten in den USA in den 30Jahres-Zeiträumen auf, die zwischen 1935 und 1955 beginnen. In diesen Jahren war die
Inflation z. T. ungewöhnlich hoch, z. B. betrug diese 1941 und 1942 über 9 %, 1946 sogar 18 %, 1947 und 1973 9 %, 1974 12 %. Dies hat zweifellos dazu beigetragen, dass
die realen Renditen von Bonds in den USA in diesen Zeiträumen oft negativ waren.
Ähnliches gilt für das UK. Von 1900 bis 1913 war hier der Geldwert fast stabil, in den
Kriegsjahren 1914 bis 1918 betrug die Inflationsrate 9,5 %, 22,7 %, 22,2 %, 12,1 %
und 18,9 %. 1939 betrug sie 11 %, 1940 13 %, 1951 12 %. Darüber, ob die Einbeziehung solcher Zeiträume sinnvoll ist, existieren unterschiedliche Meinungen (vgl. z.B.
Welch (2014)).
Die von Wright et al. vorgebrachte empirische Begründung ihres Ansatzes trifft für
Deutschland und Australien nicht zu. Für die USA und das UK ist die Begründung zumindest diskussionsfähig. Aus diesen Gründen empfehle ich mit Nachdruck, den WrightAnsatz vorerst nicht zu verwenden.
V.4
Die Verwendung des CAPMs durch ausgewählte nationale Regulierungsbehörden
Marktrisikoprämien werden „weltweit“ von Regulierungsbehörden im Rahmen der Entgeltregulierung geschätzt, meist für eine Reihe von Regulierungsbereichen und/oder regulierten Unternehmen. Neben den nationalen Regulierungsbehörden existieren oft zusätzlich Regulierungsbehörden für Bundesländer bzw. Bundesstaaten. Die Schätzungen erfolgen in regelmäßigen Abständen und sind meist in den öffentlich mehr oder weniger leicht
zugänglichen Regulierungsfestlegungen und den zugehörigen Unterlagen dokumentiert.
14
15
Ähnliche Grafiken wurden von Lally (2013) erstellt und auf ähnliche Weise interpretiert.
Lally argumentiert, dass eigentlich die jeweiligen Erwartungswerte verglichen werden müssten. Dies ist natürlich ein schwer zu implementierender Vergleich.
52
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Als Folge der unterschiedlichen Interessen der an den Verfahren Beteiligten und der Vielzahl der dokumentierten Verfahren lassen sich für fast jede der umstrittenen Vorgehensweisen Festlegungen finden, die eine bestimmte Vorgehensweise anwenden. Ein Eingehen auf die Vielzahl der „weltweiten“ Einzelentscheidungen erscheint mir nicht sinnvoll,
da sich das Ausmaß und die Qualität der Begründungen stark unterscheiden. Dazu
kommt, dass Regulierungsbehörden, die noch keine oder nur eine geringe Erfahrung im
Bereich der Anwendung des CAPMs haben, sich oft sehr stark auf europa- oder weltweit
agierende Beratungsfirmen stützen. Ihre Einbeziehung verspricht deshalb keine neuen
oder besonderen Erkenntnisse. Dazu kommt weiterhin, dass die Festlegungen meist in
der Landessprache erfolgen und ihre exakte Nachvollziehung deshalb nicht immer leicht
ist.
Ich gehe im Folgenden und in den zugehörigen Anhängen A und B vertieft auf die Schätzungen britischer und australischer Regulierungsbehörden für Telekommunikations- sowie Strom- und Gasnetze ein, ebenso auf derartige Schätzungen für netzähnliche Infrastrukturen (z.B. Flughäfen). In diesen beiden Ländern und den genannten Bereichen erfolgen zum Teil seit mehr als 20 Jahren Festlegungen auf die heute übliche Weise. Sie
sind in vielerlei Hinsicht Vorreiter für viele andere Länder. In beiden Ländern erfolgt eine
intensive Auseinandersetzung mit den hier relevanten Problemen.
Im UK und in Australien existieren jeweils weniger als zehn 10 Regulierungsbehörden, in
den USA über 50.16 Dazu kommt, dass fallweise Entscheidungen durch Gerichte in den
USA eine größere Rolle spielen als in Deutschland, Australien und dem UK. Es ist also
schwieriger, allgemeingültige Aussagen darüber zu machen, wie häufig bestimmte Methoden verwendet werden. Die in den USA übliche Vorgehensweise kann ich deshalb nur
skizzieren.
Zu den wichtigsten britischen Regulierungsbehörden zählen neben dem für die Telekommunikationsnetze zuständigen Office of Communication (Ofcom) das für Strom- und
Gasnetze zuständige Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem), die für Flughäfen zuständige Civil Aviation Authority (CAA) und die für Wasser zuständige Water Services Regulation Authority (Ofwat). Die Competition Commission (CC) war bis 2014 direkt zuständig für einige Regulierungsbereiche und zugleich Revisionsinstanz für Ofwat und Ofgem, sie wurde durch die Competition & Capital Markets Authority (CMA) ersetzt.
Zusätzlich zu den eigentlichen, manchmal im jährlichen Abstand erfolgenden Festlegungen dieser Behörden existieren oft von ihnen im mehrjährigen Abstand vorgelegte, noch
ausführlichere Dokumente zur Vorgehensweise, z.B. „Ofcom’s approach to risk in the assessment of the cost of capital“, Final statement, 18. August 2005, und Ofgems „Decision
on our methodology for assessing the equity market return for the purpose of setting RIIO-ED1 price controls”, Final Statement, 17. Februar 2014.
Ähnliche Dokumente für Australien sind die bereits erwähnte Studie der lokalen Regulierungsbehörde Queensland Competition Authority QCA, „Cost of Capital: market parameters“, August 2014, das Dokument der lokalen Regulierungsbehörde Independent Pricing
and Regulatory Tribunal von New South Wales IPART, „Review of WACC Methodology,
Dezember 2013, das Dokument der nationalen Regulierungsbehörde Australian Energy
Regulator (AER), „Rate of Return Guideline“, 20. Dezember 2013. Von der für die nationale Telekommunikationsregulierung zuständigen Australian Competition & Consumer
16
In meinen Ausführungen über die USA stütze ich mich stark auf das im Auftrag der ATCO Gas Australia erstellte NERA-Gutachten von Makholm (2013).
53
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Commission (ACCC) habe ich bisher noch keine grundlegende Studie zum WACC bzw. zu
den Eigenkapitalkosten gefunden. Von dieser Behörde liegen mir aber zwei ausführlich
begründete Entgeltfestlegungen aus dem Jahr 2015 vor.
In die Schätzung der Eigenkapitalkosten gehen neben dem Schätzwert für die Marktrisikoprämie die Schätzwerte für den risikolosen Zins und das Beta ein. Im Rahmen meiner
Erörterung der Verwendung des Wright-Ansatzes durch die nationalen Regulierungsbehörden im folgenden Abschnitt V.5 spielen die allgemeinen Vorgehensweisen dieser Behörden bei der Schätzung der Eigenkapitalkosten eine nicht unwesentliche Rolle. Diese
werden in den folgenden vier Unterabschnitten behandelt. Dabei gehen wir insbesondere
darauf ein:
- Werden die nominalen oder die realen Eigenkapitalkosten geschätzt?
- Wie wird der risikolose Zins geschätzt?
- Werden dabei präzise Vorgaben eingehalten oder werden fallweise Ermessensentscheidungen durch die Behörde getroffen?
V.4.a
Deutschland
Die BNetzA verwendet bei Entgeltfestlegungen in den Bereichen Strom und Gas seit 2008
eine CAPM-basierte WACC-Schätzung, in den Telekommunikationsbereichen Festnetz und
Mobilfunk seit 2010. Auch ist geplant, in Zukunft bei der Regulierung des Schienennetzes
von einer CAPM-basierten WACC-Schätzung auszugehen.
Im Telekommunikationsbereich werden dabei die Eigenkapitalkosten nominal geschätzt,
vor und nach Steuern. Ebenso der WACC, dieser wird erst im letzten Schritt real berechnet. Dabei wird der Durchschnittswert der Inflationsrate des Bruttoinlandsproduktes der
vergangenen 10 Jahre zugrunde gelegt.
Eingangsgrößen der nominalen Eigenkapitalkosten sind (vgl. hierzu Stehle (2010) und die
Beschlüsse der Beschlusskammern):
- Ein nominaler Zins: die Effektivverzinsung von Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 9–10 Jahren, wobei seit 2010 ein Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre
verwendet wird. Die Restlaufzeit von 10 Jahren kann als durchschnittliche Laufzeit
der zu finanzierenden Investitionen betrachtet werden. Sie steht im Einklang mit
der durchschnittlichen Restlaufzeit des verwendeten REXP Index, der für die
Schätzung der Marktrisikoprämie verwendet wird.
- Eine nominale Risikoprämie von Aktien, wobei ein Mittel aus dem arithmetischen
und dem geometrischen Mittel verwendet wird. Die nominalen Mittelwerte werden
aus nominalen Renditen berechnet.
Ein nominales Beta.
Eine rein nominale Vorgehensweise wird in den gängigen Finanzierungslehrbüchern für
Investitionsentscheidungen bis heute empfohlen. In Deutschland ist diese Vorgehensweise wegen der niedrigen Inflationsraten in der Nachkriegszeit sinnvoll, da die reale Betrachtung eine Reihe weiterer Probleme mit sich bringen würde (vgl. Abschnitt IV.5.e).
In den Bereichen Strom und Gas ist die nominale Berechnung des Zinses sogar gesetzlich
geregelt: Er orientiert sich am „auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten“ (§ 7 (4) NEV Strom). Im Beschluss BK4-11-304 vom 31.10.2011 erfolgt diesbezüglich eine Erörterung auf den S. 4–
6. Der Durchschnittswert beträgt 3,80 %.
54
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Im Hinblick auf die Marktrisikoprämie orientiert sich der Beschluss BK4-11-304 an der
Welt-Marktrisikoprämie von Dimson et al. 2011: geom. Mittel 3,80 %, arithm. Mittel
5,0 %, jeweils real = nominal. Unter Einbeziehung zusätzlicher Erwägungen legt die Behörde die Risikoprämie für die betrachteten Unternehmen, d. h. den Wagniszuschlag, auf
3,59 % fest.
In beiden Bereichen spielen für die Entgeltfestlegung Gutachten von Wissenschaftlern
oder Beratungsunternehmen eine wichtige Rolle. Diese sind angewiesen, Verfahren zu
entwickeln, die letztendlich eine Punktschätzung des WACCs ermöglichen. Diese Punktschätzungen gehen in der Regel unverändert in die Entgeltfestlegungen ein.
V.4.b
UK
Zur Schätzung der Kosten des Eigenkapitals wird von allen Behörden das CAPM verwendet, oft werden zusätzliche Informationen berücksichtigt. Ofcom schätzt einen nominalen
WACC, die meisten anderen Behörden schätzen den WACC auf Basis von realen Renditen.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo exakt definierte Zinssätze zugrunde gelegt und eine
auf eine präzise Weise vorgegebene Durchschnittsbildung erfolgt, werden im UK seit
mehreren Jahren historische, aktuelle und erwartete zukünftige Zinssätze für mehrere
Restlaufzeiten betrachtet und in der Konsultationsphase mit den Beteiligten erörtert. Der
letztendlich in die CAPM-Formel eingehende Wert wird auf Basis einer oft seitenlang begründeten Ermessensentscheidung der Behörde festgelegt (UKRN (2015), S. 7), üblicherweise als relativ runder Wert. Dabei werden in der Regel die Effektivverzinsungen
von regulären und inflationsgeschützten (index-linked) Gilts mit Laufzeiten von fünf und
zehn Jahren betrachtet. Normalerweise erfolgt implizit eine Durchschnittsbildung, die
aber nicht präzise festgelegt ist. Seit mehreren Jahren wird ein realer risikoloser Zins geschätzt und zusammen mit einer Risikoprämie nach Dimson/Marsh/Staunton zugrunde
gelegt (real = nominal). Von 2010 bis 2014 war der Höchstwert des real risikolosen Zinssatzes von Einzelentscheidungen 2,00% (dies in 6 von 20 Entscheidungen, die von UKRN
(2015, S. 14) berichtet werden), der niedrigste Wert 0,5%. In diesem Zeitraum war der
reale Stichtagszins oft negativ. Durch die Ermessensentscheidungen der Behörden wurden die Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf die Zinssätze also abgemildert.
V.4.c
Australien
In Australien wird seit mehreren Jahren der aktuelle risikolose Zins am Tag der Festlegung (Current rate) zugrunde gelegt, exakt der Durchschnitt der letzten 20 Tage. Anders
als in Deutschland wird also kein mehrjähriger Durchschnitt verwendet. Die Restlaufzeit
der verwendeten Staatsanleihen ist im Telekommunikationsbereich 10 Jahre, in anderen
Bereichen entspricht sie in mehreren Festlegungen, anders als in Deutschland, dem Regulierungszyklus, nicht der Laufzeit der Investitionen (vgl. z. B S.14, QCA (2014)) und ist
damit kürzer, teilweise wesentlich kürzer. Beides, die Current rate und die geringe Restlaufzeit der zugrunde liegenden Wertpapiere, haben dazu beigetragen, dass der in die
CAPM-Formel eingehende Zinssatz sich seit 2008 stark verringert hat.
Es wird traditionell die australische Risikoprämie zugrunde gelegt, also keine internationale Risikoprämie. Diese ist zwar beträchtlich höher als die von Dimson/Marsh/Staunton
geschätzte Welt-Risikoprämie, sie hat sich in den Jahren seit 2008 aber auch verringert.
55
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Möglicherweise als Folge der im Vergleich zum risikolosen Zinssatz relativ hohen Marktrisikoprämie wurde deren exakte Berechnung in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert. Meist werden die nominalen Eigenkapitalkosten geschätzt und festgelegt.
V.4.d
USA
Die Federal Communication Commission (FCC) hat am 30. März 2016 das Dokument FCC
16-33 „REPORT AND ORDER, ORDER AND ORDER ON RECONSIDERATION, AND FURTHER
NOTICE OF PROPOSED RULEMAKING” veröffentlicht, das aus meiner Sicht die letzte Vorstufe für die Festlegung der WACCs für die circa 1200 Telekommunikationsgesellschaften
ist, die der „Rate-of-Return“-Regulierung unterliegen. Diese dürfen eine vorgeschriebene
Rendite auf bestimmte Telekommunikationsanlagen erzielen, die als „authorized rate of
return“ bezeichnet wird. Die letzte vorherige Festlegung der Authorized return erfolgte
1990 (!), sie wurde damals von 12 % auf 11,25 % herabgesetzt. FCC (2016) baut auf
dem „Staff Report“ aus dem Jahr 2013, FCC 13-1111 „Prescribing the Authorized Rate of
Return”, auf. Der lange Zeitraum zwischen der letzten und der aktuellen festlegung der
Authorized return kann als Abfederungsmaßnahme interpretiert werden.
In der Festlegung von 1990 wurde zur Schätzung der Eigenkapitalkosten ausschließlich
ein „Discounted Cash Flow Model“ (DCF) verwendet, vgl. FCC (2013, S.20). Im gerade
vorgelegten Dokument FCC 16-33 werden die Eigenkapitalkosten sowohl mit dem CAPM
als auch mit einem „Discounted Cash Flow Model“ geschätzt. Mithilfe beider Verfahren
wird jeweils eine Bandbreite für die Eigenkapitalkosten festgelegt, die beiden Bandbreiten
werden dann zum endgültigen „Reasonable-WACC“-Bereich verarbeitet, dieser liegt zwischen 7,12 % und 9,01 % (S. 122).
Die Schätzung der CAPM basierten Marktrisikoprämie (Punktschätzung: 5,88 %) erfolgt
in der von Damodaran seit mehreren Jahren verwendeten Vorgehensweise und auf der
Grundlage von dessen Daten für die USA (vgl. FCC 16-33, S. 114 und insbesondere Anhang J, S. 236). Es handelt sich um das arithmetische Mittel auf Basis der historischen
Renditen von Aktien und Anleihen mit der Restlaufzeit von 10 Jahren, die Vorgehensweise entspricht also weitgehend der Vorgehensweise im BNetzA-Bereich Telekommunikation. Mein Anhang E (=Abschnitt IX) enthält die von Damodaran verwendeten U.S.-Daten
ab 1928 und die darauf aufbauenden Berechnungen. Die Punktschätzung der Marktrisikoprämie der FCC ist der in Spalte (MRP arithm.) und Zeile (2012) enthaltene Wert
(5,88 %). Der Wright-Ansatz wird in den beiden FCC-Dokumenten nicht erwähnt.
Im Hinblick auf die Schätzung der Eigenkapitalkosten von Strom- und Gasnetzbetreibern
stütze ich mich auf das Dokument des NERA-Mitarbeiters Makholm (2013). Er führt im
Rahmen der Darstellung der DCF-Methode aus, dass diese noch immer die meistverwendete Vorgehensweise ist. Die CAPM-Methode werde nie als alleinige Methode verwendet,
führt er bei deren Erörterung aus. Er hält die vom CAPM erfasste Auswirkung der Verschuldung auf die Eigenkapitalkosten für einen wichtigen Vorteil des CAPMs, ist aber der
Ansicht, dass dieses in der Finanzkrise versagt habe. Auf die Feinheiten der Schätzung
der Marktrisikoprämie geht er nicht ein, insbesondere nicht auf den Wright-Ansatz.
Die Public Utilities Commisson of the State of California legte mit ihrer Entscheidung 1212-034 vom 20.12.2012 die Kapitalkosten für die großen Versorgungsunternehmen (utilities) in ihrem Regulierungsbereich fest. Diese gelten bis 2017, PG&E hat am 01.09.2015
einen Neuantrag für die Jahre 2017-2019 gestellt. In dieser Entscheidung wird dem
CAPM das Gewicht ¼ beigemessen, der „risk premium method“ ebenfalls ¼ und dem Di-
56
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
videndenwachstumsmodell ½. Zusätzlich zu den Modellen findet eine Reihe weiterer
Überlegungen Eingang in die Entscheidung. Der Wright-Ansatz wird nicht verwendet.
Die Basis für meine Erörterung der USA ist zweifellos gering. Da ich aber keine Spur des
Wright-Ansatzes finden konnte, halte ich es im Augenblick nicht für sinnvoll, dass ich
mich tiefergehend mit der unübersichtlichen U.S.-Regulierungslandschaft befasse.
V.5
V.5.a
Die Schätzung der CAPM Risikoprämie auf Basis von historischen
Daten
UK
Der Wright-Ansatz wird aktuell von mehreren, vielleicht sogar allen britischen Regulierungsbehörden verwendet. In der britischen Regulierung der Festnetz- und Mobilfunkmärkte, für die das Office of Communications (Ofcom) zuständig ist, wurde der WrightAnsatz bis 2011 allerdings noch nicht benutzt, nicht einmal erwähnt. In ihrer MobilfunkFestlegung von 2011 schreibt Ofcom, dass ihre Vorgehensweise noch immer auf der Vorgehensweise von 2005 beruht. Als Marktrisikoprämie setzt die Behörde den Wert von
Dimson/Marsh/Staunton für deren Welt-Portfolio an.
Andere britische Regulierer verwendeten schon etwas früher den Wright-Ansatz. Ein
wichtiger Wendepunkt diesbezüglich könnte das Bristol Water Revisionsverfahren gewesen sein. In ihrer Entscheidung vom 4.August 2010 legt die Competition Commission den
Wright-Ansatz zugrunde (Report, Anhang N, S.22), die zuvor entscheidende Behörde,
Ofwat, drückt sich diesbezüglich nicht klar aus. Die betroffene Unternehmung Bristol Water verweist im Revisionsverfahren darauf, dass es bisher allgemeine Übung war, die
Marktrisikoprämie durch ihren historischen Mittelwert zu schätzen und verweist dabei
(Fußnote 44) auf Brealey/Myers. Die Revisionsinstanz Competition Commission begründet ihre Vorgehensweise mit der empirischen Stabilität bzw. Instabilität und zusätzlich
damit, dass die zur aktuellen Schätzung des risikolosen Zinssatzes verwendeten indexgebundenen Staatsanleihen (gilts) erst seit einigen Jahren existieren und deshalb nicht zur
Verwendung der historischen Risikoprämie herangezogen werden könnten (Punkt 93). 17
In den neuesten Ofcom Festlegungen von 2015 wird der Wright-Ansatz zur Schätzung
der Marktrisikoprämie nun auch zugrunde gelegt. Der Wechsel in der Vorgehensweise
wird aber nur kurz begründet, vgl. hierzu Anhang B.
Die britischen Regulierungsbehörden beachten ihre Festlegungen allerdings untereinander stark, es handelt sich keineswegs um Meinungen, die voneinander unabhängig sind.
Es ist deshalb sinnvoll, die relativ unabhängig von den britischen Behörden handelnden
australischen Behörden in unsere Untersuchung einzubeziehen.
V.5.b
Australien
In den vergangenen zwei bis drei Jahren haben Beratungsunternehmen in Australien
(insbesondere SFG Consulting und Frontiers Economics [Australia])18 empfohlen, dass
17
“Index linked gilts have not been available for the full 110-year period and it is usual to use the return on
Treasury Bills as a proxy for the RFR. However, it is doubtful that Treasury Bills have been free of inflation
risk (for example, rates were negative from 1970 to 1979 when inflation was high).”
18
Vgl. u. a. SFG Consulting, 13.Febr. 2015) RN 138 und Frontier Economics [Australia], Januar 2016. Beide
Gutachten sind unter fast identischer Autorenschaft entstanden. Die Autoren von SFG (2015) sind S.Gray und
57
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
neben der historisch geschätzten Marktrisikoprämie die nach Wright geschätzte Marktrisikoprämie von den dortigen Regulierungsbehörden bei Entgeltfestlegungen beachtet werden sollte. Mehrere Regulierungsbehörden haben dazu Gutachten von Wissenschaftlern
eingeholt, die zu den Gutachten, die von Beratungsunternehmen im Auftrag von betroffenen Unternehmen eingereicht wurden, Stellung nehmen. Die Gutachten im Auftrag
der betroffenen Unternehmen plädieren für eine Verwendung des Wright-Ansatzes, zumindest als Ergänzung zu der Schätzung durch den historischen Mittelwert. In ihren neuesten Festlegungen kommt die Mehrzahl der australischen Regulierungsbehörden zum
Ergebnis, dass der Wright-Ansatz nicht oder nur in unwesentlicher Weise zur Ergänzung
der bisherigen Schätzung der Marktrisikoprämie durch den historischen Mittelwert verwendet werden und diese auf keinen Fall ersetzen soll, so z.B. (vgl. Anhang A):
-
die Competition & Consumer Commission (ACCC) in ihren Festnetz- und Mobilfunk-Entgeltfestlegungen von 2015,
-
der Australian Energy Regulator (AER) in seiner „Jemena Gas Networks“- Entgeltfestlegung von 2015.
Gegen diese Festlegung der AER wurde von mehreren betroffenen Unternehmen die Berufungsinstanz Australian Competition Tribunal angerufen, allerdings ohne Erfolg.
Im Gegensatz zur BNetzA-Vorgehensweise, dass der zehnjährige Durchschnitt von (ca.)
zehnjährigen Bundesanleihen als risikoloser (Nominal-)Zins zugrunde gelegt wird, wird
von den führenden australischen Regulierungsbehörden seit (zumindest) mehreren Jahren die aktuelle Höhe der (nominalen) Effektivverzinsung von Commonwealth bonds mit
einer Restlaufzeit von 10 Jahren zugrunde gelegt (genau: ein Durchschnitt von 20 Tagen). Da die als historischer Durchschnitt geschätzte Marktrisikoprämie seit mehreren
Jahren fast unverändert ist, haben die australischen Zinssenkungen seit 2013 dazu geführt, dass die australischen Eigenkapitalkosten sich fast parallel zu den Zinssenkungen
verringert haben, vgl. Abbildung 2 in Fontier Economics [Australia], Januar 2016. Dass
die Wright-Hypothese langfristig (also in den vergangenen 50–100 Jahren) für Australien
nicht zutrifft, wird von Frontier Economics implizit akzeptiert. Es ist zurzeit nur noch strittig, ob die Wright-Hypothese für die Zeit seit 2013 die Realität gut trifft und zur Ergänzung des Schätzwertes der Risikoprämie auf Basis historischer Daten herangezogen werden sollte In Frontier Economics Worten (ibid., S. 37):
„In our view, the most important problem is that the AER has asked the wrong
question here. The AER has effectively disregarded the Wright evidence because it
considers that the long-run historical evidence of a negative relationship between
the risk-free rate and MRP is not sufficiently compelling. However, the proper
question is whether there is such a negative relationship in the prevailing market
conditions.“
“The AER’s approach is to estimate the risk-free rate using the contemporaneous
yield on 10-year government bonds and to add a risk premium to that base. In
the recent market conditions, some independent experts have increased their estimate of the MRP and others have used an estimate of the risk-free rate that sits
above the contemporaneous yield on 10-year government bonds. The end result is
the same – the premium above the contemporaneous bond yield is higher.”
J. Hall, bei Frontier (2016) ist nur der aktuelle Frontier-Chairman Gray Autor. J. Hall ist aktuell Direktor bei
Frontiers.
58
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Frontier Economics Australia wäre in den aktuellen Verfahren also wahrscheinlich voll
damit zufrieden, dass an Stelle der bisher zugrunde liegenden aktuellen Höhe der Effektivverzinsung von Commonwealth bonds mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren ein mehrjähriger Durchschnitt dieses Zinssatzes zugrunde gelegt wird. Dies ist in Deutschland seit
mehreren Jahren Usus.
V.5.c
Andere Länder
Die italienische Regulierungsbehörde AEEGSI hat im Dezember 2015 neue Richtlinien zur
Schätzung der Kapitalkosten veröffentlicht. Dabei wurde sie von OXERA beraten. Deren
Dokument „Italian renaissance in regulation? Cost of capital for energy networks, March
2016” berichtet, dass die Regulierungsbehörde nun den Wright-Ansatz empfiehlt. Bisher
wurde die Marktrisikoprämie allein durch das geometrische Mittel der italienischen Überrenditen geschätzt.
Die Alberta Utilities Commission legte am 23.03.2015 mit ihrer Entscheidung 2191-D012015 die 2013 Generic Cost of Capital fest. Die Zusammenfassung im Hinblick auf die
CAPM-Risikoprämie findet sich unter RN 146. Es wird akzeptiert, dass die Risikoprämie
als Folge der aktuell niedrigen Zinsen etwas höher ist als der historische Durchschnitt.
Dem Dividendenwachstumsmodell wird ebenfalls große Aufmerksamkeit gegeben, ebenso
einer Reihe weiterer Überlegungen.
59
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
VI
VI.1
Andere Schätzverfahren für die zukünftige Marktrisikoprämie
und/oder die zukünftige Aktienrendite
Das Dividendendiskontierungsmodell in der Form: aktuelle Dividendenrendite plus historische Wachstumsrate der Dividenden
Eines der grundlegenden Modelle des Gebietes Finance ist das Dividendendiskontierungsbzw. –wachstumsmodell (dividend discount bzw. dividend growth model), das schon lange vor dem CAPM entwickelt wurde. Danach ergibt sich der heutige Kurs einer Aktie, P0,
als Barwert der in (aller) Zukunft am Ende der jeweiligen Zeitperioden t auf sie entfallenden (nominalen) Dividendenzahlungen, Dt, wobei die Diskontierung mit den nominalen
Eigenkapitalkosten k erfolgt:19
P0 = D1/(1+k) + D2/(1+k)2 + D3/(1+k)3 + D4/(1+k)4
+ …..
Unterstellt man, dass die Dividenden in alle Ewigkeit mit der konstanten Rate g wachsen,
d. h.:
Dt+1 = Dt * (1+g)
für alle zukünftigen Zeitperioden t
dann ergibt sich nach einigen Umformungen
P0 = D1/(k-g)
bzw.
k = D1/P0 + g
Die nominalen Eigenkapitalkosten ergeben sich aus der Summe der aktuellen Dividendenrendite und der nominalen Wachstumsrate der Dividenden.
Der aktuelle Aktienkurs ist beobachtbar, die nächste Dividende kann meist gut geschätzt
werden. Problematischer ist die Schätzung der für alle zukünftigen Zeitperioden als konstant unterstellten Wachstumsrate der Dividenden g. Sie kann z. B. auf Basis des historischen Dividendenwachstums geschätzt werden. Dabei muss die Höhe der Dividende pro
Aktie zugrunde gelegt werden, nicht die Gesamtdividende. Ein Zinssatz wird für die
Schätzung nicht benötigt.
Das Dividendendiskontierungs- bzw. -wachstumsmodell wurde viele Jahre im U.S.amerikanischen Strom- und Gasbereich als alleiniges Modell zur Schätzung der Eigenkapitalkosten verwendet, vgl. hierzu das Beispiel in Brealey et al. (2014, S. 85-89). Auch
heute ist es in diesem Bereich noch das wichtigste Modell und wird noch häufig für sich
allein angewendet, das CAPM wurde aber in den vergangenen Jahren immer stärker beachtet (vgl. Abschnitt V.4.d). Dies u. a. deshalb, weil mit dem CAPM das Risiko bzw. Risikounterschiede besser erfasst werden können.
In den USA spricht für das Dividendendiskontierungsmodell, dass traditionell viele öffentliche Versorgungsunternehmen (Utilities) börsennotiert sind und damit datenmäßig erfasst sind. Dies erlaubt, dass Schätzwerte für die nominale Wachstumsrate g einzelner
19
Das Modell dürfte (ebenso wie das CAPM) in allen einführenden Lehrbüchern des Gebietes Finance (in
Deutschland Finanzierung oder Finanzwirtschaft) ausführlich dargestellt werden, in Brealey et al. (2014) z. B.
auf den Seiten 80-84. Stehle (2004) geht kurz auf die Modellhistorie ein.
60
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Unternehmen und darauf aufbauend Schätzungen für deren Eigenkapitalkosten leicht erstellt werden können. Unter Zugrundelegung von Datensätzen, die viele einander ähnliche Unternehmen und lange Zeitperioden umfassen, können dann Durchschnittswerte
gebildet werden. Diese sind unter der sinnvollen Annahme, dass die Schätzfehler für die
einzelnen Unternehmen voneinander (weitgehend) unabhängig sind, gute Schätzwerte
für die Eigenkapitalkosten der betrachteten Unternehmensgruppe. Da einander ähnliche
Unternehmen zugrunde gelegt werden, d. h. Unternehmen, die ähnlichen Risiken gegenüberstehen, kann argumentiert werden, dass die Risikounterschiede keine Rolle spielen.
Derartige Schätzungen werden schon zumindest seit den sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts durchgeführt und schon damals wurden Datensätze verwendet, die sich auf
mehrere Unternehmen und mehrere Jahre beziehen. Diese Datensätze wurden seither
erweitert und verfeinert, insbesondere von den Beratern, die in den USA traditionell eine
große Rolle spielen.
In der praktischen Anwendung ist die konkrete Schätzung und Festlegung der Wachstumsrate der Dividenden natürlich ähnlich schwierig wie beim CAPM die Schätzung bzw.
Festlegung der Marktrisikoprämie.
Alternativ zur Zugrundelegung einer Gruppe von ähnlichen Unternehmen kann natürlich
die Gesamtheit aller Unternehmen zugrunde gelegt werden, in der praktischen Anwendung z. B die jeweiligen im U.S.-amerikanischen S&P 500-Index enthaltenen Aktiengesellschaften. Bei dieser Vorgehensweise ist das Endergebnis ein Schätzwert für die durchschnittlichen Eigenkapitalkosten aller Unternehmen, d. h. der Summe aus risikolosem
Zinssatz und Marktrisikoprämie. Auf Basis dieser Summe kann unter Zugrundelegung eines geeigneten risikolosen Zinssatzes die Marktrisikoprämie „herausgerechnet“ und dann
im Rahmen einer prinzipiell CAPM-basierten Vorgehensweise als Schätzwert für die
Marktrisikoprämie verwendet werden, allein, gleichberechtigt mit anderen Schätzungen
oder zur Ergänzung oder Validierung. Die für eine solche Vorgehensweise erforderlichen
Daten, stehen in den USA bereits seit den sechziger Jahren, rückwirkend bis ins 19.
Jahrhundert zur Verfügung. Der Schätzung der Risikoprämie U.S.-amerikanischer Aktien
von Fama/French (2002) liegen z. B. Daten für die Jahre 1872-2000 zugrunde. Ihr
Schätzwert für die Risikoprämie entspricht den damaligen Schätzwerten auf Basis der
historischen Renditezeitreihe (circa 4 %). Die Schätzung auf Basis der Jahre 1951-2000
ergibt bei ihrer dividendenorientierten Vorgehensweise einen merklich geringeren Wert
als bei einer Schätzung auf Basis von historischen Renditezeitreihen (2,55 % vs.
7,43 %). In Deutschland stehen solche Daten nur für einen weit kürzeren historischen
Zeitraum zur Verfügung und ihre Verwendung wäre mit hohen Kosten verbunden.
Besonders häufig erwähnte Varianten des dargestellten einfachen Dividendendiskontierungsmodells sind Zwei- oder Dreiphasenmodelle (im Beispiel von Brealey et al. (2014)
wird ein solcher Schätzwert in der letzten Spalte berechnet und auf den Seiten 87 f. erläutert). In diesen Modellen werden zwei oder sogar drei unterschiedliche Wachstumsraten für unterschiedliche Zeitperioden geschätzt. Weitere wichtige Varianten verwenden
zusätzlich zu den Daten für Aktien Bilanzdaten für die Unternehmen, insbesondere Daten
über Gewinne und Cash flows. Das von Koller et al. (2014, S. 276 ff.) vorgeschlagene
Modell und seine Verwendung für die USA sowie die darauf aufbauenden Schätzwerte für
die USA (Marktrisikoprämie = 5 %, vgl. S. 278) stehen im Einklang mit ihren CAPMbasierten Schätzungen.
Beide Gruppen von Varianten zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass keine subjektiven, eventuell verzerrten Schätzwerte erforderlich sind. Es müssen zwar Annahmen
über die zukünftige Entwicklung der Dividenden bzw. Gewinne gemacht werden. Diese
61
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Annahmen können aber prinzipiell, falls sie explizit gemacht werden, unter den Beteiligten diskutiert werden. Die begrenzten Erfahrungen ausländischer Regulierungsbehörden
deuten an, dass die diesbezüglichen Schätzwerte der Beraterfirmen oft beträchtlich höher
sind als die Schätzwerte der zuständigen Behörden.
Für Deutschland stehen auch hier aktuell die erforderlichen Daten nicht zur Verfügung.
VI.2
Das Dividendendiskontierungsmodell unter Verwendung der Dividendenschätzungen von Finanzanalysten
Bereits in den achtziger Jahren wurden in den USA Dividendendiskontierungsmodelle
vorgeschlagen, bei denen die Wachstumsraten der Dividenden in den nächsten Jahren
auf Basis von Schätzungen von Finanzanalysten geschätzt werden (vgl. Stehle, 2004,
S.917 f.). Diese Verfahren werden oft als „implizite Schätzungen“ der Marktrisikoprämie
bezeichnet. In den USA haben Schätzungen von Finanzanalysten eine noch längere, vielleicht achtzig Jahre lange Tradition. Privatanleger können die Schätzwerte „schon immer“
in den Public libraries ihrer Wohnorte kostenlos nachlesen. Derartige Schätzungen der
zukünftigen Wachstumsrate der Dividenden bzw. der Gewinne und der Ausschüttungsquoten erstrecken sich oft nur auf höchstens die nächsten fünf Jahre und/oder sie haben
für die Folgejahre eine wesentlich geringere Qualität. Die beiden Hauptprobleme dieser
Vorgehensweise sind:
- Schätzungen von Finanzanalysten sind eventuell, zumindest teilweise, zu optimistisch;
- Die Wachstumsrate der Dividenden nach Ablauf der fünf Jahre muss geschätzt
werden. Darüber, wie dabei vorzugehen ist, besteht weder in der Wissenschaft
noch in der Praxis Konsens.
Aus meiner Sicht sind diesbezüglich die in Anhang E präsentierte Untersuchung von Damodaran und seine detaillierten Ausführungen (2016, S. 76-107) interessant.
VI.3
Rein empirisch ermittelte Zusammenhänge
In einer Vielzahl von Arbeiten in Wissenschaft und Praxis wird versucht, die zukünftige
Rendite von Aktien bzw. die Risikoprämie mit den heutigen und eventuell früheren Dividenden, Gewinnen, Zinssätzen und weiteren Kennzahlen zu prognostizieren. Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zugrunde, dass die erwartete Rendite bzw. die Risikoprämie im Zeitablauf variiert und ihre Änderungen auf Basis der erwähnten Variablen
prognostiziert werden können. Die Ergebnisse solcher Studien sind höchst strittig. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass nur komplexe Modelle eine Chance haben, die zukünftige Rendite von Aktien bzw. die Risikoprämie besser zu prognostizieren als die diesbezüglichen historischen Durchschnittswerte. Und dass die Qualität der Prognose höchstens
auf geringfügige Weise verbessert wird.
VI.4
Die Schätzung der Risikoprämie bzw. der langfristigen nominalen
oder realen Aktienrendite durch Expertenbefragungen
Diese Vorgehensweise wird von Damodaran (2016, S. 24-29) ausführlich beschrieben
und erörtert.
VI.5
Die Kombination von alternativen Schätzwerten bzw. -verfahren
62
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Für den Fall, dass eine Variable mit zwei oder mehrere Schätzmodellen gut geschätzt
werden kann, lautet die wissenschaftliche Empfehlung, dass aus den Schätzwerten der
Einzelmodelle ein kombinierter Schätzwert berechnet wird. Gut bezieht sich auf die Unverzerrheit und die Präzision der Schätzung, letztere eventuell gemessen mit der Standardabweichung der Schätzfehler. Bei der Kombination der Schätzwerte müssen prinzipiell die Autokorrelationen der einzelnen Schätzwerte und die Korrelationen zwischen den
einzelnen Schätzwerten beachtet werden.
In der Praxis wird gelegentlich argumentiert, dass mehrere Schätzverfahren, z.B. das
CAPM, ein Dividendendiskontierungsmodell und ein auf Expertenumfragen basierender
Schätzwert prinzipiell geeignet sind, die Eigenkapitalkosten zu schätzen. Besteht diesbezüglich unter den Beteiligten ein Einvernehmen, dann werden die Gewichte, mit denen
die Einzelschätzungen in den endgültigen Schätzwert eingehen, im Rahmen eines Konsultationsverfahrens oder durch die Regulierungsbehörde festgelegt. Aus wissenschaftlicher
Sicht ist gegen eine solche Vorgehensweise nichts einzuwenden, wenn die Gewichte auf
begründete Weise festgelegt werden. Von einer diesbezüglich gut begründeten Vorgehensweise ist zu erwarten, dass sie zu stabilen Gewichten im Zeitablauf führt. Objektive
Erfahrungswerte hierfür, die sich auf einen längeren Zeitraum erstrecken, sind mir nicht
bekannt.
In Deutschland wird bereits seit mehreren Jahren die CAPM-basierte Vorgehensweise
verwendet. Zuvor wurde im Telekommunikationsbereich die Bilanz-(wert-)methode eingesetzt, diese Vorgehensweise hat ebenfalls zu guten Ergebnissen geführt. Mit der CAPMMethode wird allerdings das Risiko der regulierten Netze bzw. Infrastrukturen besser berücksichtigt. Die anderen in diesem Abschnitt behandelten Verfahren wurden in Deutschland bisher meines Wissens im Bereich der Entgeltregulierung nicht verwendet. Aufgrund
der großen Probleme, die im Rahmen ihrer Verwendung zu lösen wären, stellt sich das
Problem der Kombination von alternativen Schätzverfahren in Deutschland nicht. Die
diesbezügliche Vorgehensweise in Ländern, in denen alternative Schätzverfahren aktuell
schon genutzt werden, sollte jedoch beobachtet und gegebenenfalls auf deren Erfahrung
zurückgegriffen werden.
63
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
VII Schätzung und Festlegung der anderen Eingangsparameter
des CAPMs
Im Telekommunikationsbereich der BNetzA wird der WACC traditionell nominal geschätzt
und erst im letzten Schritt in einen realen WACC umgerechnet. Bei dieser Umrechnung
wird die Inflationsrate des Bruttoinlandsproduktes zugrunde gelegt. Für eine derartige
Vorgehensweise spricht eine Reihe von Gründen:
Alle drei wichtigen Eingangsgrößen in die CAPM-basierte Schätzung der Eigenkapitalkosten sowie die kalkulatorisch berechneten Fremdkapitalkosten werden im Hinblick auf die
Frage nominal oder real gleich behandelt. Bei allen drei Eingangsgrößen des CAPMs und
bei den Fremdkapitalkosten ist die nominale Berechnung mit Vorteilen verbunden, die
insbesondere mit der Verfügbarkeit von Daten in Deutschland zusammenhängen:
- Der deutsche Markt für nominal denominierte Bundesanleihen ist einer der wichtigsten derartigen Märkte der Welt. Die gehandelten Anleihen sind höchst liquide
und werden in regelmäßigen Abständen großvolumig emittiert. Dies gilt insbesondere für die ursprüngliche Laufzeit von 10 Jahren. (Inflations-)indexierte Anleihen
werden erst seit wenigen Jahren gehandelt und sind weniger liquide (vgl. Abschnitt III.4).
- Die nominale Berechnung der Marktrisikoprämie dürfte in Deutschland wegen der
traditionell niedrigen Inflationsrate zu ähnlichen Ergebnissen führen, wie eine reale Berechnung auf Basis der „wahren“ Inflationsrate. Die offiziellen Preisindizes für
die Lebenshaltung dürften bis vor wenigen Jahren zu hohe Inflationsraten implizieren (vgl. Abschnitt IV.5.e). Es ist also sinnvoll, diese nicht zu nutzen, wenn es
nicht unbedingt erforderlich ist. Dies ist nicht der Fall.
- Die Beta-Schätzung erfolgt meines Wissens „weltweit“ stets nominal. Hier ist wissenschaftlich unstrittig, dass eine reale Berechnung mit keinen Vorteilen verbunden wäre.
- Im Fremdkapitalbereich von Unternehmen sind praktisch nur nominale Kontrakte
zu beobachten.
Eine rein nominale Vorgehensweise wird in den gängigen Finanzierungslehrbüchern für
Investitionsentscheidungen bis heute empfohlen. In Ländern, in denen inflationsindexierte Anleihen seit vielen Jahren in liquiden Märkten gehandelt werden, z. B. im UK,
kann es dagegen durchaus sinnvoll sein, einen Schätzwert für den real risikolosen Zinssatz auf Basis dieser Wertpapiere festzulegen.
VII.1 Risikoloser Zinssatz und Inflationsrate
Für Investitionsentscheidungen von Unternehmen empfehlen die wichtigsten Lehrbücher
des Gebietes Finance, beim risikolosen Zins Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von
zehn Jahren zugrunde zu legen. Für die Wahl der Restlaufzeit im Rahmen der Entgeltregulierung sind mir keine theoretisch begründeten wissenschaftlichen Empfehlungen bekannt. Eine Reihe von Gründen sprechen dafür, auch hier eine Restlaufzeit von zehn Jahren zu verwenden:
- Im Rahmen der deutschen Telekommunikationsregulierung wird diese Restlaufzeit
schon seit circa zehn Jahren im Fremdkapitalbereich verwendet, seit 2010 auch im
Bereich der Eingangsparameter des CAPMs, zumindest näherungsweise.
- Die Einschränkung „zumindest näherungsweise“ erfolgt deshalb, weil beim in Anleihenindex REXP die durchschnittliche Restlaufzeit der zugrunde liegenden Bundeswertpapiere unter zehn Jahren liegt. Hier ist es aber in Deutschland aktuell
nicht möglich, auf einen Anleihenindex mit einer längeren durchschnittlichen Rest64
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
-
-
laufzeit oder vergleichbare Berechnungen zurückzugreifen. Die Restlaufzeit im
ersten und zweiten Term der CAPM-Formel stehen also nicht voll miteinander im
Einklang, aber so gut wie möglich.
Bei Zugrundelegung einer kürzeren Restlaufzeit als zehn Jahre würden zwar die
Restlaufzeiten der beiden Termen der CAPM-Formel besser miteinander im Einklang stehen, die durchschnittliche Restlaufzeit der Investitionen im Telekommunikationsbereich dürfte aber eher über zehn Jahren liegen als unter zehn Jahren.
Insoweit dürften zehn Jahre einen guten Kompromiss darstellen.
Auch die meisten hier erörterten ausländischen Behörden sprechen sich für eine
Restlaufzeit von zehn Jahren aus.
Ich empfehle deshalb, auch weiterhin eine Restlaufzeit von zehn Jahren beim risikolosen
Zins anzusetzen.
Aus rein theoretischen Gründen dürfte ein Schätzwert für den durchschnittlichen Stichtagszins in der Regulierungsperiode wahrscheinlich die mit der Regulierung verfolgten
Ziele am besten erfüllen. In Australien wird der durchschnittliche Zins im Umfeld von 20
Tagen vor der Festlegung als Schätzwert für die Zinsen in der Regulierungsperiode verwendet. Im UK wird dieser Zins durch die Regulierungsbehörde auf Basis von umfangreichen, für externe Beobachter nicht immer voll transparenten Erwägungen festgelegt. Bei
den Festlegungen der vergangenen Jahre dürfte es sich um nach oben verzerrte Schätzwerte für die Regulierungsperiode gehandelt haben. Für die in Deutschland aktuell erfolgende Zugrundelegung eines Durchschnittes der vergangenen zehn Jahre spricht eine
Reihe von Gründen:
- Sie wird im Bereich Strom und Gas gesetzlich vorgeschrieben und im Bereich Telekommunikation seit 2010 verwendet.
- Diese Vorgehensweise stellt aktuell eine nach oben verzerrte Schätzung der Zinsen in der Regulierungsperiode dar. Dies war auch bei der Einführung 2010 der
Fall. Sie hat bei ihrer Einführung 2010 aber geholfen, die enormen Zinssenkungen
der Vorjahre abzufedern. Sie sollte deshalb zumindest so lange beibehalten werden, bis die Zinsen wieder merklich angestiegen sind.
- Es handelt sich um eine klare, für alle Beteiligten leicht nachvollziebare Regel, die
sich auch gut für die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen im Fremdkapitalbereich eignet. Hier wäre eine Zugrundelegung der erwarteten Stichtagszinsen in
der Regulierungsperiode ökonomisch nicht sinnvoll, weil das in der Regulierungsperiode ausstehende Fremdkapital größtenteils in den vergangenen Jahren aufgenommen wurde und zu den damaligen Zinssätzen bedient werden muss.
Ich empfehle deshalb, vorerst beim risikolosen die Bildung eines Durchschnittswertes für
die vergangenen 10 Jahre beizubehalten. Von einer Verkürzung des Zeitraumes rate ich
ab. Von einer Verlängerung des Zeitraumes für die Durchschnittsbildung rate ich mit
Nachdruck ab. Längere Zeiträume für die Durchschnittsbildung sind mir nicht bekannt.
Der in der Regulierungsperiode erwartete risikolose Zins und die für diese erwartete Inflationsrate sollten auf gleiche Weise geschätzt werden, sofern sich aus wissenschaftlicher Sicht keine anderweitige Vorgehensweise anbietet. Eine solche ist mir nicht bekannt.
Ich empfehle deshalb, auch die Inflationsrate mit dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre zu schätzen, also bei der Umrechnung des nominalen in einen realen
WACC den Durchschnittswert der Inflationsrate des Bruttoinlandsproduktes der vergangenen zehn Jahre zugrundezulegen.
65
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
VII.2 Beta
Die Betaschätzung wurde in meinem Gutachten 2010 sehr ausführlich behandelt. Neuere
diesbezügliche Erkenntnisse habe ich nicht. Ich empfehle deshalb, die derzeit verwendete
Methode weiter zu nutzen.
66
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
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im Auftrag der Bundesnetzagentur, verfügbar auf der Webseite der BNetzA.
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VIII.3 Berichte, Verlautbarungen und Stellungnahmen von Behörden,
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VIII.4 Entscheidungen von Regulierungsbehörden, Spruchkammern und
Gerichten
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zum
Gesamtverfahren:
https://www.accc.gov.au/regulatedinfrastructure/communications/mobile-services/mobile-terminating-accessservice-fad-inquiry-2014/final-decision.
Australian Energy Regulator (AER) (2015): Jemena Gas Networks' (NSW) Ltd Access
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den
Einzeldokumenten:
https://www.aer.gov.au/networkspipelines/determinations-access-arrangements/jemena-gas-networks-nswaccess-arrangement-2015-20/final-decision.
Australian Energy Regulator (AER) (2015): ActewAGL (ACT, Queanbeyan and Palerang) Access arrangement 2016-21.Der Link zum Verfahren und zu einer Reihe von
Stellungnahmen
und
Gutachten
ist:.https://www.aer.gov.au/networkspipelines/determinations-access-arrangements/actewagl-act-queanbeyan-andpalerang-access-arrangement-2016-21/revised-proposal.
Australian Energy Regulator (AER) (2015): Australian Gas Networks Access Arrangement
2016 to 2021.
Link zum Verfahren:https://www.aer.gov.au/networkspipelines/determinations-access-arrangements/australian-gas-networks-sa%E2%80%94-access-arrangement-2016%E2%80%9321/draft-decision.
Bundesnetzagentur
(2008):
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vom
07.07.2008:Beschluss hinsichtlich der Festlegung von Eigenkapitalzinssätzen
(Bund) URL: http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/16988/
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Bundesnetzagentur (2011): Beschlusskammer-4-Beschluss BK4-11-304 vom 31.102011:
Beschluss hinsichtlich Festlegung von Eigenkapitalzinssätzen für Alt und Neuanlagen für Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen für die zweite
Regulierungsperiode in der Anreizregulierung.
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http://www.accc.gov.au/content/item.phtml?itemId=896690&nodeId=c715419a
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77
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IX
Anhang A: Die Stellungnahmen und Festlegungen der australischen Regulierungsbehörden zur Marktrisikoprämie, insbesondere zum Wright-Vorschlag zur Schätzung der Prämie
Australien besteht aus sechs Bundesstaaten und drei Territorien. Zusätzlich zu den zentralen Regulierungsbehörden existiert eine Reihe von Regulierungsbehörden auf der Ebene
der Bundesstaaten und Territorien, die oft für mehrere Staaten bzw. Territorien zuständig
sind. Die einzelnen Behörden sind i.d.R. nur für bestimmte Regulierungsbereiche zuständig. Vor fast allen Festlegungen im Regulierungsbereich (Final Decisions) finden ausführliche Konsultationsprozesse statt, die üblicherweise mit ersten Stellungnahmen der Beteiligten und einer „First Draft“ der Behörde beginnen und im Schnitt circa ein Jahr dauern.
Nachdem die Betroffenen eventuell weitere Stellungnahmen und Gutachten eingereicht
haben, folgt meist eine „Revised Draft“, auf die die Betroffenen mit neuen Stellungnahmen eingehen. Oft findet auch noch ein Workshop mit Teilnahme der Betroffenen statt,
bevor die (Final) Decisions erfolgen. Zusätzlich zu den Drafts und Decisions und den zugehörigen Stellungnahmen der Betroffenen veröffentlichen mehrere Behörden gelegentlich eigene Stellungnahmen zu grundsätzlichen Fragen.
Im Folgenden gebe ich nur die URLs der Final Decisions und/oder der Gesamtverfahren
an, unter diesen sind in der Regel alle anderen Dokumente leicht zu finden
Neuere „Decisions“ und Stellungnahmen sowie laufende Verfahren sind:
IX.1
IX.1.a
Telekommunikationsnetz-Entscheidungen der Australian Competition & Consumer Commission (ACCC)
Public inquiry into final access determinations for fixed line services, 09. Okt. 2015
Dies ist die aktuellste und ausführlichste ACCC-Festlegung. Auf sie stütze ich mich im
Hauptteil.
Kurztitel und direkter Link zum Word-Dokument: FSR FAD Final Decision Report:
https://www.accc.gov.au/system/files/FSR%20FAD%20Final%20Decision%20Report%20
-%20Public%20Version.pdf
Link
zum
Gesamtverfahren:
https://www.accc.gov.au/regulatedinfrastructure/communications/fixed-line-services/fixed-line-services-fad-inquiry-2013
Aktueller Stand: Am 5.Nov. 2015 hat Telstra eine „Judicial review“ beim Federal Court
beantragt. Deren Ergebnis liegt noch nicht vor bzw. ist mir noch nicht bekannt.
S. XV der Final Decision: “The ACCC’s final decision is to maintain the weighted average cost of
capital (WACC) framework of the draft decision with the exception of the methodology for estimating
the debt risk premium and to adopt an updated real vanilla WACC of 3.42 per cent (6 per cent nominal). This compares with a nominal WACC of 8.54 per cent that applied at the time of the 2011
FADs and is a significant factor in prices being lower this time.”
78
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Alle Aspekte der WACC–Schätzung werden in der Final Decision auf den Seiten 66-120
ausführlich erörtert und begründet. Im Rahmen der Decision finden die Final Decisions
des Australian Energy Regulators (AER, vgl. Abschnitt IX.2) des Jahres 2015 Beachtung.
Als risikoloser Zins wird der 20-Tages-Durchschnitt der Effektivverzinsung von australischen Commonwealth Government Securities mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren zugrunde gelegt, 2,76 %. Aus den Inflationsschätzungen der australischen Zentralbank für
die nächsten 10 Einzeljahre wird das geometrische Mittel gebildet (2,5 %) und auf dessen Basis der risikolose Realzins geschätzt (0,25%).
Der Schätzwert für die Risikoprämie ist 6 %. Im Rahmen der Schätzung werden die historischen Überrenditen besonders stark gewichtet. Dabei wird Tabelle 6.2 auf S. 75 zugrunde gelegt, die aus der AER-Entscheidung im Verfahren Jemena Gas vom Juni 2015
übernommen wurde. Sie enthält historische Überrenditen (arithmetische und geometrische Mittel) für mehrere historische Zeitperioden. Auf Basis der Tabelle wird als historische Marktrisikoprämie 6,2 % festgelegt. Dieser Wert entspricht dem arithmetischen Mittel für den Gesamtzeitraum, für den die australischen Daten von Brailsford et al (2012)
vorliegen, 1883-2014. Aufgrund der Kritikpunkte der AER (vgl. S. 77) wird das Dividendenwachstumsmodell (dividend growth model, DGM) nicht beachtet. In Tabelle 6.3 sind
mehrere Umfrageergebnisse zur Marktrisikoprämie (Surveys) enthalten, diese stehen, so
wird argumentiert im Einklang mit der bisherigen Prämie von 6 % und den von anderen
australischen Regulierungsbehörden verwendeten Prämien
In ihrer Stellungnahme im Konsultationsverfahren
https://www.accc.gov.au/system/files/Telstra%20Submission%20to%20the%20fixed%2
0services%20FAD%20primary%20price%20terms%20Discussion%20Paper%20%28cont
ains%20Appendix%201%29%20-%20Public%20Submission%20Document.PDF
bemerkte Telstra auf S. 85, dass es den Anschein hat, dass im Draft Statment der
Wright-Ansatz nicht beachtet wurde. Hierauf geht die ACCC in der Final Decision nicht
ein. Offensichtlich stimmte diese Telstra-Einschätzung.
IX.1.b
Mobile Termination Access Service, Final Access Determination,
24. Aug. 2015
Kurztitel und direkter Link zum Word-Dokument:
MTAS FAD final decision on primary price terms
Link zum Gesamtverfahren:
https://www.accc.gov.au/regulated-infrastructure/communications/mobileservices/mobile-terminating-access-service-fad-inquiry-2014/final-decision
In dieser Entscheidung wird nur sehr kurz auf den WACC eingegangen, in Abschnitt 3.3.4
auf den S. 14 – 16. Es wird entschieden, dass dieses Mal der WACC verwendet wird, der
in der Fixed-line Service Review festgelegt wurde. Die Diskussion im Konsultationsverfahren konzentrierte sich auf die Frage, ob es adäquat ist, für den Mobilfunk den FestnetzWACC zu verwenden.
79
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IX.1.c
Public inquiry to make a final access determination for the
Wholesale ADSL service, Final Report, Mai 2013 (177 Seiten,
einschließlich der Anhänge)
ACCC final view (S. 37): “The ACCC maintains its view that the use of a vanilla WACC is
appropriate. The ACCC also maintains its view that the WACC parameters and estimation
methodologies, used in the March 2013 Draft Report are appropriate”. Insbesondere wird
die nominale Marktrisikoprämie in Höhe von 6 % beibehalten. Der Wright-Ansatz wird
nicht erwähnt.
IX.2
Stromnetz- und Gasnetz-Entscheidungen des Australian Energy
Regulators (AER)
Die 2005 gegründete Australian Energy Market Commission (AEMC) ist eine Behörde zur
Beaufsichtigung der Energiemärkte Australiens. Sie ist wie die BNetzA Mitglied der International Confederation of Energy Regulators. Die für die Netzregulierung zuständige Behörde ist der Australian Energy Regulator (AER).
Aktuell (April 2016) laufen für 35 Netze die Regulierungsperioden, d. h. die Konsultationsverfahren sind abgeschlossen und die Entgeltfestlegungen in Form von Final Determinations erfolgten bereits, vgl. AER, Determinations & Access Arrangements, unter Current
(Links
unten
auf
der
Webseite):
http://www.aer.gov.au/networkspipelines/determinations-access-arrangements?f[0]=field_accc_aer_status%3A7
Gegen die Final Determinations kann Widerspruch eingelegt werden. Gerade wurde ein
Widerspruchsverfahren bei Jemena Gas, vgl. den folgenden Abschnitt b) beendet. Für 15
Netze laufen Konsultationsverfahren (gleiche Webseite, unter Open). Hier dürfte u a. den
Verfahren ActewAGL, Australian Gas Networks (SA), und Jemena Gas für die nahe Zukunft eine große Bedeutung zukommen, vgl. die folgenden Abschnitte c) d) und e). In allen drei Verfahren wurde im Januar 2016 von den Unternehmen ein Dokument von Frontier Economics mit dem Titel „The required return on equity under a foundation model
approach“ eingereicht, das aus meiner Sicht den aktuellen Diskussionsstand in Australien
gut widergibt und deshalb in Abschnitt c) ausführlich behandelt wird.
In Anbetracht der jährlichen Zahl der Entgeltfestlegungen und in Anbetracht der komplexen Diskussionen im Rahmen der Konsultationsverfahren (AER erwähnte, dass im Rahmen des Jemena-Gas-Verfahrens 5000 Textseiten eingereicht wurden) hat die AEMC die
AER beauftragt, ein „Better Regulation Reform Program“ durchzuführen. Daraus entstand
die Rate of Return Guideline, deren Konsultationsprozess am 10. Dezember 2012 begann
und mit der Verabschiedung der Guideline am 17. Dezember 2013 endete. Ab dem 7. April 2014 bauen alle Netzregulierungsentscheidungen der AER auf dieser Guideline auf, die
das frühere Verfahren prinzipiell fortführt, dieses aber teilweise strukturierter und aufwändiger gestaltet.
Inzwischen wurde die Guideline in den australischen National Gas Rules verankert, die
nach dem National Gas Law Gesetzeskraft haben, vgl. National Gas Rules Version 28 vom
5. November 2015, Part 9, Division 5, § 87. Ebenso in den National Electricity Rules, Version 79 vom 10. März 2016 in Chapter 6, Punkt 6.5.2.m.
Unter § 87 Absatz (18) der National Gas Rules wird bestimmt, dass die AER zwar in Einzelfestlegungen von den Guidelines abweichen kann, dies in ihren Entscheidungen aber
begründen muss.
80
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
IX.2.a
Die Rate of Return Guideline
Die Rate of Return Guideline besteht aus vier Dokumenten:
-
dem Factsheet
-
der eigentlichen Guideline (‚Better Regulation Rate of Return Guideline, 28 Seiten)
http://www.aer.gov.au/system/files/AER%20Rate%20of%20return%20guideline
%20-%20December%202013.pdf
In dieser werden in Abschnitt 5 (S. 11 – 17) die Vorschläge zur Schätzung der erwarteten Rendite des Eigenkapitals beschrieben.
-
dem Explanatory Statement (182 Seiten)
https://www.aer.gov.au/system/files/AER%20Explanatory%20statement%20%20rate%20of%20return%20guideline%20-%20December%202013.pdf
-
und dessen Anhängen (215 Seiten)
https://www.aer.gov.au/system/files/AER%20Explanatory%20statement%20%20appendices%20-%20rate%20of%20return%20guideline%20%20December%202013_0.pdf
Im Hinblick auf die Eigenkapitalkosten wird vorgeschlagen, dass „a broader range of material“ (Guideline, S. 4) mit dem Ziel einer Punktschätzung herangezogen werden soll.
Das heranzuziehende Material wird in die Kategorien Finanzmarkt-Modelle, Schätzverfahren, Marktdaten und andere Informationen eingeteilt (S. 6), wobei klare Auswahlkriterien genannt werden. Die Vorgehensweise zur Berechnung des jährlich zu ermittelnden WACC wird vorgeschlagen (S. 9), wobei die Eigenkapitalkosten für die gesamte
mehrjährige Regulierungsperiode festzulegen sind.
Bei der Schätzung der Eigenkapitalkosten, so wird vorgeschlagen, ist in mehreren Schritten vorzugehen (Guideline S. 13 ff.):
1. Schritt: Das relevante Material, also das Material, das die Schätzung beeinflussen
könnte, ist zu benennen.
2. Schritt: Jedes einzelne Stück Material wird untersucht und es wird ihm eine einzige der
folgenden vier Rollen im Schätzverfahren zugewiesen:
- als „Foundation Model“ zu fungieren (dazu wird im Folgenden nur das SharpeLintner CAPM benannt);
- als Informationsquelle für die Parameter des Foundation Models (Marktrisikoprämie, Beta, risikoloser Zinssatz) zu dienen.
Tabelle 5.1 auf Seite 13 beinhaltet, wie die vier Modelle, die als relevant gelten, präzise
genutzt werden können: Das Black-CAPM kann im Rahmen der Beta-Schätzung eingesetzt werden, das Dividend Growth Model bei der Schätzung der Marktrisikoprämie, das
Drei-Faktoren-Modell von Fama-French überhaupt nicht. Tabelle 5.2 auf S. 14 beinhaltet,
wie bestimmte weitere Informationen eingesetzt werden können. Die historische Überrendite von Aktien soll z.B. zur Schätzung der Marktrisikoprämie eingesetzt werden,
ebenso die Ergebnisse von Befragungen und die Schätzungen anderer Regulierungsbehörden.
- als weitere Information im Rahmen der letztendlichen Festlegung der Eigenkapitalkosten herangezogen zu werden.
81
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Diese Rolle wird dem Wright-Ansatz, Publikationen zu Take-overs und Unternehmensbewertungen, Schätzungen von Aktienanalysten, den Eigenkapitalkosten-Festlegungen anderer Regulierungsbehörden und Renditen aus dem festverzinslichen Bereich zugewiesen.
- keine Rolle zu spielen. Hier werden insbesondere WACC-Schätzungen bzw. Festlegungen von anderen Regulierungsbehörden und von Aktienanalysten genannt.
3. Schritt: Auf Basis des CAPMs, so wird vorgeschlagen, werden eine Ausgangs-Punktschätzung und eine Ausgangs-Intervallschätzung für die Eigenkapitalkosten durchgeführt.
Dabei soll als risikoloser Zins die Effektivverzinsung von Commonwealth Government
Securities mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren verwendet werden, die so nah wie möglich zum Beginn der Regulierungsperiode liegt, wobei ein Durchschnitt über 20 Tage gebildet werden soll. Auch die Beta-Berechnung und die Bestimmung der Risikoprämie werden relativ präzise festgelegt.
4. Schritt: Die weiteren Informationen werden nach Regeln eingesetzt, die im Explanatory Statement beschrieben werden.
5. Schritt: Die Gesamtmenge des „Materials“ zur Schätzung der Eigenkapitalkosten wird
noch einmal herangezogen.
6.Schritt: Eine Punktschätzung der nominalen Eigenkapitalkosten wird erstellt.
Als risikoloser (Nominal-)Zinssatz wird in den Guidelines die Effektivverzinsung von
Commonwealth Government Securities mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren festgelegt,
auf Basis eines 20-Tage-Durchschnittes.
IX.2.b
Jemena Gas Networks' Access Arrangement 2015–20, Final Decision, Juni 2015
Der Zugang zu den Einzeldokumenten dieses Verfahrens, ähnliches gilt für die weiteren
AER-Verfahren, kann über die AER-Webseite www.aer.gov.au/ und die schrittweise Verwendung der Links „Networks & Pipelines“, „Determinations & Access Arrangements“,
„Current“ und Jemena Gas“ erfolgen.
Unter dem weiteren Link „Final Decision“ bzw. direkt unter
https://www.aer.gov.au/networks-pipelines/determinations-accessarrangements/jemena-gas-networks-nsw-access-arrangement-2015-20/final-decision
finden sich die von der Behörde im Rahmen der Final Decision erstellten 20 Dokumente,
3 Excel-Spreadsheets mit eigenen Berechnungen, zu deren Veröffentlichung die Behörde
verpflichtet ist, und die 10 „Consultant Reports“, die von der Behörde in Auftrag gegeben
wurden. Für dieses Gutachten sind insbesondere die beiden Behörden-Dokumente wichtig:
Overview (52 Seiten)
Attachment 3 – Rate of Return, June 2015, 542 Seiten
https://www.aer.gov.au/system/files/AER%20%20Final%20decision%20JGN%20distribution%20access%20arrangement%20%20Attachment%203%20-%20Rate%20of%20return%20-%20June%202015.pdf
82
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Von den zehn von der Behörde in Auftrag gegebenen Gutachten hängen sieben mit der
Schätzung der Eigenkapitalkosten und des WACCs zusammen. Sie wurden alle von mir
fachlich bekannten, renommierten Wissenschaftlern erstellt. Diese sind:
-
Partington, G./Satchell, S. (Mai 2015): Report to the AER – Return of Equity and
Comment on Submissions in Relation to JGN;
-
Partington, G. (April 2015), Report to the AER – Advice on the Return on Equity
(Updated);
-
Lally (April 2015), Review of submissions on the cost of debt;
-
4 von Handley erstellte Gutachten. Prof. Handley ist seit circa 4 Jahren Chairman
des Finance Departments der University of Melbourne.
In der Final Decision legt die AER die Marktrisikoprämie auf Basis der Daten für Australien von Brailsford et al. auf 6,5 % fest. Deren Schätzungen der historischen Überrendite
für alternative Mittelwertbildungen und für alternative Zeitperioden liegen zwischen
5,1 % und 6,5 %, also laut AER circa 6 %. Auf Basis des DGM (dieses liefert Werte zwischen 7,4 % und 8,6 %, vgl. S. 35), von weiteren Erwägungen und unter Beachtung der
Entscheidungen von anderen Regulierungsbehörden ergibt sich der Wert 6,5% %. Dabei
wird der Wright-Ansatz nur am Rande beachtet, vgl. dazu S. 33 und den Anhang E1 auf
S. 468 ff. Die Eigenkapitalkosten-Festlegung ist 7,1 %, eine drastische Reduktion.
In den genannten Dokumenten finden oft intensive Auseinandersetzungen mit den Dokumenten statt, die vom regulierten Unternehmen und von Gutachtern, die es beauftragt
hat, als Antwort auf die Revised Proposal der Behörde eingereicht wurden. Diese sind:
-
8 Dokumente von Jemena Gas
-
4 unter „Supporting information“ ausgewiesenen Dateiordner (neudeutsch: Folder).
Diese Dokumente finden sich in der Jemena-Gas-Webseite mit dem Link „Revised Proposal“.
Von den 4 Foldern ist für dieses Gutachten nur der erste, „Appendices 1.01 to 10.02“ von
Interesse, insbesondere die Anhänge 7.01–7.15. In diesen Anhängen befinden sich weitere Dokumente von Jemena Gas und die Gutachten, die von Jemena Gas in Auftrag gegeben wurden, hier handelt es sich ausschließlich um Gutachten von Beratungsunternehmen, teilweise von solchen, deren Namen international bekannt sind: SFG (5x), Incenta (1x), NERA (2x), CEG (2x).
In ihrer Response zur AER Draft Decision vom 27.02.2015 ist Jemena Gas
gangen (das Dokument befindet sich in Anhang 7.01), dass die MRP durch
vier Verfahren geschätzt und ein Mittel auf Basis der Gewichtungen von
50 % und 20 % ermittelt werden soll (vgl. Tabelle 3-4 auf S. 31). Dieses
8,17 %
-
Historisches Mittel der Überrenditen: 6,56 %
-
Wright-Ansatz: 9,00 %
-
Dividendendiskontierungsmodell (DGM): 8,73 %
davon ausgedie folgenden
20 %, 20 %,
Mittel beträgt
83
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
-
Gutachten von unabhängigen Experten: 6,93 %
Diese Zahlen und Gewichte wurden Jemena Gas vom Beratungsunternehmen SFG empfohlen, im Dokument mit Datum Juni 2014.
Auffällig ist die starke Gewichtung des Dividendendiskontierungsmodells (50 %) und die
Höhe des DGM-Schatzwertes (8,73 %). Dieser liegt außerhalb des Intervall-Schätzwertes
der Behörde, dieser beträgt, siehe oben, 7,4 % - 8,6 %.
Aktueller Stand des Verfahrens, zu finden unter Link “Appeal”: “In June 2015, JGN applied to the Australian Competition Tribunal for merits review and the Federal Court for
judicial review of the AER’s final decision for its 2015-20 access arrangement”. Am
26.02.2016 hat das “Tribunal” die Rate-of Return-Einwände von JGN abgelehnt.
IX.2.c
ActewAGL (ACT) Access arrangement 2016-21
Das Verfahren läuft seit 30.Juni 2015. AER hat mit Datum 6. Januar 2016 eine Revised
Proposal erstellt. Der Link zum Verfahren und zu einer Reihe von Stellungnahmen und
Gutachten ist:
https://www.aer.gov.au/networks-pipelines/determinations-accessarrangements/actewagl-act-queanbeyan-and-palerang-access-arrangement-201621/revised-proposal
Zur ‘Rate of Return’ wurden von ActewAGL insbesondere zwei Gutachten eingereicht, die
auf dieser Webseite verfügbar sind:
Appendix 5.06 [der Revised 2016-2021 access arrangement proposal, Response to the
AER’s draft decision by ActewAGL] - Expert report by Frontier Economics im Auftrag von
ActewAGL und anderen Strom- und Gasnetzbetreibern, The relationship between government bond yields and the market risk premium, Januar 2016, Autor: Professor Stephen Gray, 69 Seiten.
Appendix 5.07 [der Revised 2016-2021 access arrangement proposal, Response to the
AER’s draft decision by ActewAGL] - Expert report by Frontier Economics, The required
return on equity under a foundation model approach, Januar 2016.
Beide Gutachten wurden auch in den folgenden beiden Verfahren von den betroffenen
Unternehmen eingereicht. Ich gehe im folgenden Abschnitt d) auf das letztere Dokument
ein.
IX.2.d
Australian Gas Networks (SA) Access Arrangement 2016 to
2021
Link zum Verfahren:
https://www.aer.gov.au/networks-pipelines/determinations-accessarrangements/australian-gas-networks-sa-%E2%80%94-access-arrangement2016%E2%80%9321/draft-decision
Wichtige Dokumente:
Draft Decision, Overview, November 2015, 61 Seiten
84
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Draft Decision, Attachment 3 – Rate of Return, November 2015, 633 Seiten
Auf S. 329 des letztgenannten Dokuments nimmt die AER zum wiederholten Mal in den
jüngsten Verfahren klar Stellung zum Wright Ansatz: „We do not agree with the form of
the Wright CAPM, or the underlying premise of the model that there is a clear inverse relationship between movements in the risk free rate and MRP. We note the model is not
widely accepted or used in practice”. Die zugehörige Fußnote 1166 (!!) führt weiter aus:
“The model's main use appears to be for regulatory purposes in the UK. See Wright, Review of risk free rate and cost of equity estimates: A comparison of UK approaches with
the AER, October 2012. Einige Sätze weiter bemerkt die Behörde zudem: “While required
returns on equity are not directly observable, we have not been provided with compelling
evidence for a clear inverse relationship between the long term forward looking risk free
rate and the long term forward looking MRP” und nennt hierzu Quellen.
Auf S. 516 prüft die AER noch, ob der Wright-Ansatz, wenn er als ‚Other information‘ im
Sinne der Guideline verwendet wird, das Ergebnis beeinflusst. Die AER bemerkt hier,
dass sie den Wright-Ansatz etwas anders interpretiert als die Australian Gas Networks
und ihre Berater und dass deshalb kein Einfluss auf das Ergebnis besteht.
Im Januar 2016 wurde auch in diesem Verfahren vom betroffenen Unternehmen ein Dokument von Frontier Economics mit dem Titel „The required return on equity under a
foundation model approach“ eingereicht, das aus meiner Sicht den aktuellen Diskussionsstand in Australien gut wiedergibt, in diesem Verfahren im Rahmen von 46 Dokumenten
als Attachment 10.34 (circa 100 Seiten). In diesem Dokument werden u. a. folgende Ansichten vertreten:
-
In der AER Guideline würde das CAPM als Foundation model zu stark in der Vordergund gerückt. Dies entspreche nicht den Intentionen der aktuellen National
Electricity Rules (NER) und der National Gas Rules (NGR), vgl. Punkt 1.2.a des
Dokuments (S. 7).
-
Eine „multi-model-approach“ würde den Intentionen dieser Gesetze besser entsprechen als die „foundation-model-approach“ der Guidelines.
Frontier Economics schlägt folgende Gewichtung der aktuellen Schätzwerte von fünf alternativen CAPM-Modellen zur Schätzung der „required return on equity“ vor (vgl. Tabelle
1 auf S. 7) und argumentiert, dass dies den Intentionen der aktuellen National Electricity
Rules (NER) und der National Gas Rules (NGR) am besten entspreche, insbesondere weil
dadurch die aktuelle Lage auf den Märkten besser berücksichtigt wird (the prevailing
conditions in the market for equity funds). Das CAPM spiegele nur die langfristige Situation auf den Aktienmärkten wider.
-
CAPM (9,2 %) gewichtet mit 12,5 %;
-
Black CAPM (9,8 %) gewichtet mit 25 %;
-
Fama/French (9,8 %) gewichtet mit 37,5 %;
-
Dividendendiskontierungsmodell (10,2 %) gewichtet mit 25 %;
Insgesamt ergibt sich dadurch eine „required return on equity“ von 9,8 %.
85
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Alternativ schlägt Frontier eine Vorgehensweise vor, bei der das CAPM als Foundation
Model verwendet wird. Anders als bei der AER-Vorgehensweise wird die Marktrisikoprämie aber nicht durch das arithmetische Mittel der historischen Marktrisikoprämie (6,5 %)
nach oben begrenzt. Die Marktrisikoprämie wird mithilfe der historischen Marktrisikoprämie, eines Schätzwertes auf Basis des Wright-Ansatzes und eines Schätzwertes auf Basis
des Dividendendiskontierungsmodells festgelegt. Dadurch ergibt sich ein Schätzwert für
die Marktrisikoprämie in Höhe von 7,9 %.
IX.2.e
IX.3
Jemena Electricity Networks (Vic) Ltd, 2016-20 Electricity Distribution Price Review
Stellungnahmen und Verfahren der Queensland Competition Authority (QCA)
Die für Queensland (einer der sechs Bundesstaaten) zuständige Regulierungsbehörde
QCA hat im August 2014 nach einem Konsultationsverfahren eine Studie zur Schätzung
und Festlegung der drei Eingangsparameter des CAPMs für regulatorische Zwecke erstellt, die in ihren zukünftigen Festlegungen als Ausgangspunkt dienen soll:
IX.3.a
Cost of capital: market parameters, Final Decision, August 2014
http://www.qca.org.au/getattachment/820a4f29-2878-4641-b445-dcf8af7f75ed/QCAFinal-Decision-Cost-of-Capital-Market-Paramete.aspx
Die letzte derartige Studie der QCA wurde 2004 veröffentlicht. Am Konsultationsprozess
nahmen die wichtigsten involvierten Parteien teil. Es wurden mehrere Gutachten von
Wissenschaftlern und Stellungnahmen von Beratungsunternehmen vorgelegt. Auf diese
wird ausführlich eingegangen.
Die Studie besteht aus 30 Textseiten und hat einen 80-seitigen Anhang. (Das Abkürzungsverzeichnis befindet sich auf S. 30, das Symbolverzeichnis auf S. 32 f.) Im Text
werden jeweils die Positionen der „stakeholder“ und ihrer Gutachter (u.a. SFG) kurz dargestellt, dann folgt die „QCA-Position.
Wichtige Punkte sind:
• die Eigenkapitalkosten werden nominal geschätzt, vor und nach Steuern.
• Ebenso der WACC-Berechnung zugrunde liegen ein nominaler Zins (praktisch die
aktuelle Höhe der Effektivverzinsung von Commonwealth Government bonds, Fristigkeit: Länge der Regulierungsperiode (5 Jahre)
Eingangsparameter der Eigenkapitalkostenschätzung sind:
- ein nominaler Zins (praktisch die aktuelle Höhe der Effektivverzinsung von Commonwealth Government bonds, Fristigkeit: Länge der Regulierungsperiode (5 Jahre);
- eine nominale Risikoprämie, diese wird auf Basis von vier Verfahren festgelegt,
kein Mittelwert, nur australische Aktien, nur arithmetisches Mittel; der WrightAnsatz wird abgelehnt („QCA will have limited regard to the Wright estimates”);
- ein nominales Beta.
86
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Die grundlegende Vorgehensweise ist also die gleiche in der BnetzA TelekommunikationsWACC-Schätzung: Es erfolgt eine einheitliche Verwendung von nominalen Werten und eine Schätzung der Risikoprämie mit historischen Daten
Relevante Ausführungen im Detail sind:
Einführend argumentieren einige Stakeholder (S. 5), dass die Vorgehensweise bei der
Schätzung die Global Financial Crisis berücksichtigen sollte, andere argumentieren für eine stabile Vorgehensweise im Zeitablauf.
Die QCA spricht sich für die weitere Nutzung des CAPMs aus (S.8).
Risikoloser Zinssatz: „Current rate“ of Commonwealth Government bonds (also kein
mehrjähriger Durchschnitt), Laufzeit soll dem Regulierungszyklus entsprechen, nicht der
Laufzeit der Investitionen (S.14).
Marktrisikoprämie: Fazit (S. 15 Mitte): weiterhin wird 6% als langfristiger Wert angesehen, aktuell 6,5%. Breite Unterstützung durch die Stakeholders für die Verwendung eines gleichgewichteten Durchschnittes von vier Schätzverfahren (a) – (d), (S. 16). Diese
Schätzwerte sind etwas höher als unsere arithm. Mittel. Ursachen: nur australische Daten, kurze Laufzeit bei risikolosem Zinssatz.
Verfahren (a) : Die historische Risikoprämie. Sie wird nur für Australien und nur als
arithmetisches Mittel geschätzt, dies wird als „Ibbotson estimate“ bezeichnet (vgl. S. 53
– 55). Die Qualität der Datengrundlage und die Relevanz weit zurückliegender Zeitperioden werden ausführlich erörtert (S. 20, 55 – 59). Es wird korrekt argumentiert, dass die
Daten von Brailsford/Handley/Maheswaran derzeit die besten für Australien sind, diese
haben ab 1958 die höchste Qualität.
Alternative Schätzperioden werden ausführlich erörtert (S. 58 ff.). Das Ibbotson-Estimate
für die Zeitperiode 1958 -2013 ist 6,5%, für die anderen Zeitperioden liegt es zwischen
6,0 und 6,7%. Seine Berechnung wird auf den Seiten 17 und 20 erörtert. Zuzüglich zum
Ibbotson-Estimate gehen (S. 81 unten) in die Festlegungen ein:
(b) ein Siegel-Estimate, ebenfalls auf Basis der Daten von Brailsford et al. (S. 81). Für
1958 bis 2013 liegt dies bei 5,5%, für andere Zeitperioden zwischen 4 % und 6,5%; im
Siegel–Estimate wird die Risikoprämie um die unerwartete Inflation korrigiert, deshalb
sind die Risikoprämien etwas niedriger.
(c) aktuelle Umfrageergebnisse (6,2%);
(d) Cornell dividend growth estimates (5,5 % – 8 %);
Eventuell gehen auch weitere durch Vorhersage geeignete Faktoren ein (Conditional information).
Als Gesamtergebnis ergibt sich: 6,5 %. Zufällig (??) ist dies identisch mit dem IbbotsonEstimate für die Jahre ab 1958.
Die QCA nimmt wie folgt zum Wright-Ansatz Stellung (Übersetzung: Stehle):
87
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Original
Übersetzung (Weglassungen oder Ergänzungen durch Stehle):
S. 22: „The Wright approach has been
proposed as a way to correct for the
influence of currently low risk‐free
rates. The premise of the Wright
method is that a better assumption
than a stable market risk premium is
a stable (real) return on equity (i.e.
the risk‐free rate and market risk
premium are perfectly, negatively correlated). The QCA notes that Dr Lally‘s, and its own, analysis shows that
the market risk premium is relatively
more stable than the return on equity
for Australia. As a result, the QCA will
have limited regard to the Wright estimates. The QCA notes that regulators in the United Kingdom have begun moving away from that approach
in recent decisions (e.g. Competition
Commission, 2013).”
„Der Wright-Ansatz wurde vorgeschlagen
als ein Mittel, um den Einfluss der aktuell
niedrigen Zinsen zu korrigieren. Der Ausgangspunkt des Wright-Ansatzes ist, dass
die Annahme einer stabilen realen Rendite
des Eigenkapitals eine bessere Annahme
ist als die Annahme einer im Zeitablauf
stabilen Marktrisikoprämie (d.h., der risikolose Zinssatz und die Marktrisikoprämie
sind vollkommen negativ korreliert). Die
QCA bemerkt hierzu, dass ihre eigene
Analyse und die Analyse von Dr. Lally [des
Gutachters] zeigen, dass die Marktrisikoprämie in Australien relativ stabiler ist
als die Rendite des Eigenkapitals. Als Folge
beachtet die QCA die Wright-Schätzwerte
nur am Rande. Die QCA bemerkt, dass die
Regulierungsbehörden im UK damit begonnen haben, in neueren Entscheidungen
den Wright-Ansatz auf geringere Weise zu
beachten als bisher. (z.B. in Competition
Commission 2013).
However, while available evidence
does not support the Wright method,
at the same time it also does not preclude a possible negative relationship
between the risk‐free rate and the
market risk premium. The question is
the strength of the relationship, which
is difficult to determine. The QCA's
view is that there could be a negative
relationship at this time, but that the
relationship between these two parameters also changes over time.”
Die Wright-Methode wird zuvor auf S.
19 -20 kurz erörtert, zusätzlich auf S.
78 f. und 85 -88.
IX.4
Jedoch, obwohl die empirischen Ergebnisse den Wright-Ansatz nicht bestätigen,
schließen sie auch eine mögliche negative
Beziehung zwischen dem risikolosen Zinssatz und der Marktrisikoprämie nicht aus.
Unklar ist die Stärke der Beziehung, die
sich nur schwer bestimmen lässt. Die Meinung der QCA ist, dass eine negative Beziehung zurzeit existieren könnte, dass
sich die Beziehung zwischen diesen beiden
Parametern sich aber im Zeitablauf auch
ändert.“
Stellungnahmen und Verfahren des Independent Pricing and Regulatory Tribunal (IPART) von New South Wales
Auch diese lokale Regulierungsbehörde hat ein “Kochbuch“ für die WACC-Berechnung
veröffentlicht: Review of WACC Methodology, Research – Final Report, December 2013.
IX.5
Weitere australische Regulierungsbehörden
88
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
-
Economic Regulation Agency of Western Australia (ERA)
-
Essentail Services Commission of Victoria (ESCV)
-
Essentail Services Commission of Southern Australia (ESCOSA)
-
Northern Territory Utility Commission (NTUC)
89
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
X
Anhang B: Die Stellungnahmen und Festlegungen der britischen Regulierungsbehörden zur Marktrisikoprämie, insbesondere zum Wright-Vorschlag zur Schätzung der Prämie
Einen guten Einstieg in die aktuelle Vorgehensweise der sechs Regulierungsbehörden des
UK gibt das „Information Paper“ des UK Regulators‘ Network (UKRN) vom 11. Febr.
2015, „Market Returns and Cost of Capital: A Refresh“. Dessen Vorgänger, die Joint Regulators Group (JRG) publizierte im März 2013 ein ähnliches Information Paper mit dem
Titel „Cost of Capital and Financeablity“. Das aktuelle Information Paper ist verfügbar unter:
http://www.ukrn.org.uk/wp-content/uploads/2015/02/Market-returns-and-cost-ofcapital-a-refresh.pdf
Die sechs britischen (Netz-)Regulierungsbehörden
-
Civil Aviation Authority (CAA)
-
Office of Communications (Ofcom)
-
Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem)
-
Water Services Regulation Authority (Ofwat)
-
Northern Ireland Authority for Utility Regulation
verwenden ähnliche Vorgehensweisen zur WACC-Schätzung, Ofcom und Ofgem weichen
in Teilbereichen ab (UKRN 2015, RN 3.1). Zur Schätzung der Kosten des Eigenkapitals
wird das CAPM als Grundlage verwendet, von manchen Behörden werden zusätzliche Informationen berücksichtigt (RN 3.4). Ofcom legt dabei nominale Renditen zugrunde, Ofgem eine ‚modified approach‘, die anderen vier schätzen den WACC auf Basis von realen
Renditen (RN 3.5). Zur Schätzung des risikolosen Zinssatzes werden die Effektivverzinsungen längerfristiger regulärer Anleihen oder längerfristiger (preis-)indexgebundener
Anleihen des UK verwendet (Gilts bzw. index-linked Gilts), wobei die Regulierungsbehörden eine Ermessensentscheidung auf Basis historischer, aktueller und prognostizierter
Zinssätze fällen (RN 3.8). Für die Jahre 2013 bis 2014 werden in Figure 1 (S.7) die
Zinssätze von neun Festlegungen aufgelistet, diese liegen zwischen 0,5 % und 1,75 %.
Ähnlich wird bei der Schätzung der Markrisikoprämie vorgegangen, wobei oft die Daten
von Dimson/Marsh/Staunton verwendet werden, meist ergänzt durch zusätzliche Erwägungen (RN 3.10). In RN 3.11 wird erwähnt, dass hierbei der Wright-Ansatz eine Rolle
spielt, dieser wird zitiert. Zwischen 2013 und 2014 wurden Marktrisikoprämien zwischen
5,0 % und 5,75% verwendet.
Exemplarisch werden im Folgenden unter a) die Ofcom-Breitband-Entscheidungen von
2011 und 2015 und b) die NIE-Entscheidung der Revisionsinstanz Competition Commission im Bereich Strom und Gas von 2014 behandelt.
X.1.a
Ofcom (2011 und 2015): Mobile call termination
Ocom (2011): Wholesale mobile voice call termination, Statement, vom 15.11.2011
90
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations/mtr/statement/MCT_statement.
pdf . Der hier besonders relevante Anhang 8 ist verfügbar unter:
http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations/mtr/statement/MCT_statement_
Annex_6-10.pdf
Ofcom (2015): Mobile call termination review 2015-2018 vom 17.03.2015
http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations/mobile-call-termination14/statement/MCT_final_statement.pdf . Der hier besonders relevante Anhang 10 ist verfügbar unter
http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations/mobile-call-termination14/statement/Annexes_7-13_final.pdf
In beiden Verfahren werden die Eigenkapitalkosten nominal geschätzt, vor und nach
Steuern (vgl. 2015 Tabelle A10.1, S. 84), ebenso der WACC, dieser wird wie im Telekommunikationsbereich der BNetzA erst im letzten Schritt real berechnet („deflation with
forecast RPI and, alternatively, forecast CPI“).
2015 liegt wie bei allen mir bekannten britischen Regulierungsentscheidungen der
Wright-Ansatz zugrunde. Dieser wird ein realer Zinssatz zugrunde gelegt, der für die
Schätzung der Risikoprämie verwendet wird. Dieser wird mit der RPI-Inflationsrate in einen nominalen Zinssatz umgerechnet und in der CAPM-Formel verwendet. Es wird eine
nach Wright berechnete Risikoprämie von Aktien (real=nominal) verwendet.
Das Beta wird nominal geschätzt.
Die Risikoprämie wird mit DMS UK verglichen, beide sind nahezu identisch.
2011 wurde der Wright-Ansatz noch nicht benutzt, nicht einmal erwähnt, DMS World
wurde zugrunde gelegt.
Die Marktrisikoprämien, die risikolosen Zinssätze und die realen Renditen aller Aktien
wurden in den beiden genannten und in früheren Festlegungen wie folgt geschätzt:
Datum
18.08.2005
27.03.2007
15.11.2011
26.06.2014
17.03.2015
Bezeichnung Qualität
MRP,wo?
Höhe
MRP
Fin. Statem.
Statement
4,5
Statement Anhang 8 5,0
Statement Anhang 14
Statement Anhang 10 5,3
Höhe
real rf
2
1,5
1,3
1
Reale
Rendite aller Aktien
6,5
6,5
6,3
Die Tabelle zeigt u. a.: die reale Rendite aller Aktien blieb seit 2007 nahezu konstant. Der
Rückgang der Realzinssätze wurde durch die erhöhte Marktrisikoprämie (MRP), die sich
2015 aus dem Wright-Ansatz ergibt, ausgeglichen.
Wichtige Punkte der Ofcom-Entscheidung vom 15.11.2011 sind, vgl. deren Anhang 8:
91
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
A8.24: "Our approach…is the same as it has been in the past: we observe and exercise
judgement in interpreting that data"
A8.31: "The risk-free rate is perhaps the most important parameter."
A8.32: "..this charge control is for a 4 year period, and therefore our rate needs to be
relevant for that period"
A8.33: "…estimate a rate that is based on historic and current data, but which should be
relevant for the period covered."
A8.34: “..in April 2010 we estimated the real risk-free rate to be 2 %.”
A8.40: "..in its recent determination on Bristol Water, the CC [Competition Commission]
used a real risk-free rate range of 1%-2% and chose a point estimate at the top“
A8.42: “we can track real gilt yields, 5 year and 10 year. We favor 5 years but also consider 10 years.”
A8.46: “we give more weight to the 1, 2 and 5 year averages than the recent very low
rates. The 10-year average for the 5-year real gilts is 1.7 %”
A8.68: "The ERP is a key component of …WACC"
A8.72: " …5%, up from an estimate of 4.5% in 2007. Our estimate was informed in particular by Dimson/Marsh/Staunton"
A8.73: "In addition …volatility…"
A8.78: "DMS have suggested an arithmetic mean premium for the world index of around
4.5 - 5%” (bills adjusted, bills unadjusted 5.9 %, vgl. DMS Sourcebook 2010, page 34)
A8.78: "for the UK ..it is 5.2% "(vgl. DMS Sourcebook 2010, page 158, arithmetic
mean).
A8.84: "Recent ERP estimates by the UK's economic regulators and competition authorities are in a range of 5 % - 5.5 %." (Erwähnt werden u. a. Ofcom 2009:LLU Charge Control; CC: Bristol Water 2010; CAA: NATS 2010).
In dieser Entscheidung von 2011 erfolgt keine Erwähnung von Wright et al.(2003) bzw.
Smithers (2003)
Wichtige Punkte in der Ofcom-Entscheidung vom 17.03.2015: Mobile call termination review 2015 – 2018 sind:
A10.2: "We attach weight to the objective of promoting regulatory predictability”
Table A10.1: WACC estimate for an average efficient MCP: Aus der real risk-free rate und
der erwarteten Inflationsrate ergibt sich die nominale RFR, dann auf Basis der in A10.8
genannten Standard-CAPM-und –WACC-Formeln der nominale und reale WACC.
92
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
A10.7: "…we have consistently used the …CAPM, which the CC has previously found to be
the most robust way for a regulator…”
A10.22: "The 2003 Smithers & Co report [=Wright et al.] recommended that the cost of
equity should be derived from estimates of the TMR [Total market return], with any
changes in the real RFR or the ERP offsetting each other." (vgl. Smithers, pages 48 and
49)
A10.23: "The CMA said in its 2014 NIE Determination that "historically, the market return
has tended to be less volatile than the ERP…and there is some evidence of the ERP being
negatively correlated with treasury bill rates over the short term"."
Table A10.3: "Recent regulatory decisions on the real RFR, ERP and TRP "(TMR?)
A10.32: "In previous estimates of the cost of capital, we have estimated the ERP by taking into account the following sources: historical data on the premium, ..surveys..(..little
weight..), ..recent ERP estimates by regulators"
A10.33: "In more recent estimates….we have also considered volatility…"
A10.34:" We have also previously noted that the real RFR and the ERP are likely to move
in opposite directions"
A10.50:"We conclude that it is appropriate to place more weight on the TMR approach
than we have in previous reviews"
A10.51: Comparison with the DMS Sourcebook 2015
Table A10.5: ERP estimates used in recent regulatory desisions
X.1.b
Competition Commission (März 2014)
Final determination sent by CC to Regulator.
Zum 1. April 2014 wurde die CC aufgelöst.
Der Nachfolger, The Competition and Markets Authority, published the Competition
Commission’s final determination on 20.Mai 2014:
Northern Ireland Electricity Limited price determination, Final determination
(502 Seiten).
Wie fast immer im UK wird mit realen Renditen und Zinssätzen argumentiert, auch wenn
dies nicht speziell erwähnt wird , vgl. z.B. Punkt 17.40, S. 443. Auch wird weiterhin mit
einer konstanten erwarteten realen Rendite bei Aktien gerechnet, statt wie bisher meist
7 % wird 5 % – 6,5 % zugrunde gelegt (Punkt 13.146 d)). Dies impliziert eine Marktrisikoprämie von 4 % – 5 %.
93
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
XI
Anhang C: Das Sharpe/Lintner Capital Asset Pricing Model (CAPM)
Annahmen:
 homogene Erwartungen und rationale, den Erwartungswert des Nutzens maximierende Investoren
 vollkommener Kapitalmarkt (identischer, risikoloser Soll und Habenzins; keine Transaktionskosten und Steuern)
 Risikoaversion
 normalverteilte Wertpapierrenditen oder quadratische Nutzenfunktionen
Das Markowitz-Modell bei Gültigkeit des CAPMs:
 
E R
 
E R
 
E Rm
Marktportefeuille
•
ₒ ₒ
Das Hauptergebnis des CAPMs:
E R
Kurve der effizienten
Portefeuilles
E R
ₒ
 
E Rm
ₒ
Einzelne
Aktien
Rf
Rf
•
ₒ
ₒ
ₒ
m  1
 ,  R , 
E Rm
Wertpapiermarktlinie
(Security Market Line, SML)
Einzelne
oder
feuilles
Aktien
Porte-
i 
E  R
R p / Ri = die Zufallsvariable Rendite von Portefeuille
p bzw. Aktie i
Charakteristika des Marktportefeuilles:
ₒ
  R
  Rm 
E   = Erwartungswertoperator
Marktportefeuille
 
ₒ
ₒ
 
Kapitalmarktlinie,
(Capital Market Line, CML)
m
m
 
 im
 m2
 
E Ri  R f  i  E Rm  R f 
1
R f = risikoloser Zinssatz
 im =
feuilles
Kovarianz der Rendite des Wertpapiers i mit der Rendite des Marktporte-
94
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
XII Anhang D: Daten und ihre Probleme
Tabelle D1: Die Unterschiede zwischen den durch das arithmetische Mittel und
den durch das geometrische Mittel geschätzten Risikoprämien von Dimson/Marsh/Staunton für die Jahre 2000, 2009 und 2014
Land
Australien
Österreich
Belgien
Kanada
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Irland
Italien
Japan
Niederlande
Neuseeland
Norwegen
Portugal
Südafrika
Spanien
Schweden
Schweiz
UK
US
Europa
Welt
GM 2000 AM 2000 Diff.
6.3%
8.0%
1.7%
2.9%
4.5%
2.0%
4.8%
6.0%
3.3%
4.9%
6.7%
3.2%
5.0%
6.2%
4.7%
GM 2009 AM 2009 Diff.
6,0%
7,9% 1,9%
7.0%
9.9%
4.6%
8.4%
10.3%
6.7%
1.9%
1.5%
1.3%
0.0%
2.1%
3.2%
1.4%
3.4%
4.1%
2.0%
2,6%
3,7%
1,8%
5,4%
3,3%
5,4%
2,6%
3,8%
5,1%
3,5%
4,1%
2,4%
4,9%
5,3%
3,3%
9,1%
5,7%
8,8%
4,7%
7,3%
9,2%
5,9%
6,0%
5,4%
2,3%
1,6%
1,5%
3,7%
2,4%
3,4%
2,1%
3,5%
4,1%
2,4%
1,9%
3,0%
5.4%
2.3%
5.2%
2.7%
4.4%
5.0%
7.1%
4.2%
7.4%
4.2%
5.6%
7.0%
1.7%
1.9%
2.2%
1.5%
1.2%
2.0%
4.6%
5.6%
1.0%
5,4%
2,4%
3,6%
2,1%
3,9%
4,2%
3,9%
3,7%
7,2%
4,4%
6,0%
3,7%
5,2%
6,3%
5,2%
4,9%
1,8%
2,0%
2,4%
1,6%
1,3%
2,1%
1,3%
1,2%
GM 2014 AM 2014 Diff.
5.6%
7.5% 1.9%
2.5% 21.5% 19.0%
2.3%
4.4% 2.1%
3.5%
5.1% 1.6%
2.0%
3.6% 1.6%
5.1%
8.7% 3.6%
3.0%
5.3% 2.3%
5.0%
8.4% 3.4%
2.6%
4.5% 1.9%
3.1%
6.5% 3.4%
5.1%
9.1% 4.0%
3.2%
5.6% 2.4%
3.9%
5.5% 1.6%
2.3%
5.3% 3.0%
2.6%
7.4% 4.8%
6.3%
8.4% 2.1%
1.9%
3.9% 2.0%
3.9%
5.9% 2.0%
2.1%
3.6% 1.5%
3.7%
5.0% 1.3%
4.4%
6.5% 2.1%
3.1%
4.4% 1.3%
3.2%
4.5% 1.3%
Quellen und einbezogene Jahre: Dimson/Marsh/Staunton (2002), 1900-2000; Dimson/Marsh/
(2010), 1900-2009; Dimson/Marsh/Staunton (2015), 1900 -2014
Abkürzungen: GM, AM: Risikoprämie auf Basis des geometrischen bzw. des arithmetischen Mittels
95
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Tabelle D2: Die Unterschiede zwischen den durch das arithmetische Mittel geschätzten Risikoprämien von Dimson/Marsh/Staunton für die Jahre 2000, 2009
und 2014
AM (2000) AM (2009)
Diff.
2000-2009
Australien
8.0%
7.9%
Österreich
Belgien
4.8%
4.9%
Kanada
6.0%
5.3%
Dänemark
3.3%
3.3%
Finnland
9.1%
Frankreich
7.0%
5.7%
Deutschland
9.9%
8.8%
Irland
4.6%
4.7%
Italien
8.4%
7.3%
Japan
10.3%
9.2%
Niederlande
6.7%
5.9%
Neuseeland
6.0%
Norwegen
5.4%
Portugal
Südafrika
7.1%
7.2%
Spanien
4.2%
4.4%
Schweden
7.4%
6.0%
Schweiz
4.2%
3.7%
UK
5.6%
5.2%
US
7.0%
6.3%
Europa
5.2%
Welt
5.6%
4.9%
Durchschnitt über die 16 Länder von 2000
6.5%
6.0%
-0.1%
0.1%
-0.7%
0.0%
-1.3%
-1.1%
0.1%
-1.1%
-1.1%
-0.8%
0.1%
0.2%
-1.4%
-0.5%
-0.4%
-0.7%
-0.7%
-0.5%
AM 2014
Diff
Diff
2009-2014 2000-2014
7.5%
-0.4%
-0.5%
21.5%
4.4%
-0.5%
-0.4%
5.1%
-0.2%
-0.9%
3.6%
0.3%
0.3%
8.7%
-0.4%
5.3%
-0.4%
-1.7%
8.4%
-0.4%
-1.5%
4.5%
-0.2%
-0.1%
6.5%
-0.8%
-1.9%
9.1%
-0.1%
-1.2%
5.6%
-0.3%
-1.1%
5.5%
-0.5%
5.3%
-0.1%
7.4%
8.4%
1.2%
1.3%
3.9%
-0.5%
-0.3%
5.9%
-0.1%
-1.5%
3.6%
-0.1%
-0.6%
5.0%
-0.2%
-0.6%
6.5%
0.2%
-0.5%
4.4%
-0.8%
4.5%
-0.4%
-1.1%
5.8%
-0.2%
-0.7%
96
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Tabelle D3: Vergleich des Amtlichen Marktes und des Geregelten Marktes in Frankfurt in Hinblick auf die Anzahl der Aktien, IPOs,
Dividendenzahlungen und Kapitalmaßnahmen im Zeitraum von Mai 1987 bis Oktober 2007 (Quelle: Brückner/Stehle (2013)
Anzahl notierter Aktien
Zugänge (insgesamt)
IPOs
Abgänge (vor 31.10.2007)
Dividendenausschüttungen
in Prozent
9
3,5
1
0,4
3
1,2
n/A
20
7
0
5
n/A
1
1988
262
2
243
91,7 27 10,2 9
3,4
3
1,1
0
0,0
20
22
7
0
27
87,1
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
268
287
298
316
318
326
330
344
2
7
6
1
5
2
10
6
251
270
280
280
263
276
281
280
90,5
92,3
91,2
88,3
81,7
84,1
83,4
80,5
4,3 1 0,4
5,5 2 0,7
2,0 2 0,7
3,8 1 0,3
3,4 1 0,3
2,7 4 1,2
4,2 38 11,3
2,6 36 10,3
0
0
0
0
8
0
5
0
0,0
0,0
0,0
0,0
2,5
0,0
1,5
0,0
42
56
71
73
78
77
83
86
14
17
9
6
4
9
5
6
8
14
7
6
2
7
5
4
0
2
7
1
5
3
2
13
35
48
56
57
59
53
52
56
71,4
75,6
77,8
75,5
76,1
66,3
61,5
67,9
1997
352
8
278
79,2 34 9,7 13 3,7 18 5,1
2
0,6
79
5
3
5
43
1998
350
14
299
81,9 31 8,5 14 3,8 32 8,8
0
0,0
79
14
9
11
1999
380
1
27
331
84,2 22 5,6 10 2,5 75 19,1
0
0,0
82
13
8
2000
2001
2002
406
410
395
3
7
13
5
1
332
334
274
81,4 25 6,1 6 1,5 31 7,6
83,0 15 3,7 11 2,7 17 4,2
72,4 5 1,3 4 1,1 4 1,1
1
1
1
0,2
0,2
0,3
88
92
98
1
4
11
10
6
2003
362
20
1
221
63,3 15 4,3
4
1,1
2
0,6
4
1,1
99
23
2004
2005
336
320
21
19
3
14
188
187
57,3 16 4,9
59,1 18 5,7
6
4
1,8
1,3
0
5
0,0
1,6
1
2
0,3
0,6
97
97
2006
313
18
20
193
60,6 13 4,1
8
2,5
8
2,5
2
0,6
2007
324
23
11
202
62,3 13 4,0
4
1,2 10 3,1
2
/ 
331
0
n/A
0
n/A
2
6,5
0
0,0
0
0,0
0
0,0
7
19
11
9
1
16
8
6
14,3
29,9
15,3
11,9
1,3
20,0
9,5
7,3
0
2
3
3
3
0
0
2
0,0 0
3,1 1
4,2 0
4,0 0
3,9 0
0,0 1
0,0 8
2,4 10
0,0
1,6
0,0
0,0
0,0
1,3
9,5
12,1
0
1
0
0
2
0
0
0
0,0
1,6
0,0
0,0
2,6
0,0
0,0
0,0
54,4
6
7,6
0
0,0
3
3,8
0
0,0
45
55,9
8
9,9
0
0,0
7
8,7
0
0,0
7
45
52,9
2
2,4
5
5,9 17 20,0 2
2,4
5
5
3
7
4
5
51
47
38
56,7
49,5
38,6
3
6
1
3,3
6,3
1,0
5
1
1
5,6
1,1
1,0
6
4
1
6,7
4,2
1,0
0
1
1
0,0
1,1
1,0
4
0
6
31
31,6
7
7,1
1
1,0
0
0,0
3
3,1
17
19
5
3
2
1
5
6
32
37
33,0
38,7
2
1
2,1
1,0
0
3
0,0
3,1
0
1
0,0
1,0
4
3
4,1
3,1
94
14
16
9
3
37
36,8
4
4,0
5
5,0
0
0,0
1
1,0
0,6
107
14
11
8
4
37
33,5
5
4,5
1
0,9
2
1,8
3
2,7
13 163 5457 78,3 650 9,7 191 2,8 291 3,8 32 0,5
80
13 210 120 96 891
57,0
2
65
72
46
36
47
68
35
28
23,4
24,6
15,0
11,4
14,6
20,7
10,4
8,0
12
16
6
12
11
9
14
9
Kapitalerhöhungen mit
Bezugsrecht
in Prozent
Kapitalerhöhungen aus
Gesellschaftsmitteln
in Prozent
n/A
Anzahl Penny Stocks
0
in Prozent
Kapitalerhöhungen mit
Bezugsrecht
in Prozent
Kapitalerhöhungen aus
Gesellschaftsmitteln
in Prozent
n/A
Anzahl Penny Stocks
in Prozent
in Prozent
75,8 19 7,4
Kapitalherabsetzungen
Kapitalherabsetzungen
194
in Prozent
in Prozent
5
Nennwertumstellungen
Nennwertumstellungen
250
Anzahl notierter Aktien
Jahr
1987
Dividendenausschüttungen
Geregelter Markt Frankfurt
IPOs
Amtlicher Markt Frankfurt
125 8,3 35 2,1 61 3,6 21 1,1
Die Tabelle zeigt die Anzahl der jeweils zum Jahresanfang notierten Aktien (einschließlich Penny Stocks, jedoch ohne Zugänge aus dem Neuen Markt) und für die
jeweiligen Jahre die Zahl der Penny Stocks, der Dividenden zahlenden Aktien (Bardividende bzw. Bonus > 0,00 €), der Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln, der Nennwertumstellungen, der Kapitalherabsetzungen, der Bezugsrechte (theoretischer Bezugsrechtwert > 0,00 €). Für den Geregelten Markt werden zusätzlich die Zu- und Abgänge dargestellt. Die Angaben „in Prozent“ beziehen sich jeweils auf die durchschnittliche Anzahl Aktien die im Jahresverlauf im jeweili97
gen Segment notiert waren und berechnen sich aus der Hälfte der Summe der Anzahl der Aktien zu Beginn und zum Ende des Jahres.
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
XIII Anhang E: Vergleich von arithmetisch, geometrisch und implizit ermittelten Marktrisikoprämien auf Basis der DamodaranDaten für die USA 1928 – 2014
(Die Berechnung der Marktrisikoprämien (MRP arithm. und MRP geom.) erfolgt in den
einbezogenen Jahren auf Basis des jeweiligen Jahres und der jeweiligen Vorjahre seit
1928 auf der unten beschriebenen Weise.)
Diff. zwischen Diff. zwischen Diff. zwischen
MRP MRP MRP MRP arith. und MRP geom. und Mittel d. Mittel
Bonds arithm geom impli. und impl. MRP und impl. MRP und impl. MRP
Jahr
Aktien
1961
26.64%
2.06%
9.37%
6.62%
2.92%
6.45%
3.70%
5.07%
1962
-8.81%
5.69%
8.69%
5.97%
3.56%
5.13%
2.41%
3.77%
1963
22.61%
1.68%
9.03%
6.36%
3.38%
5.65%
2.98%
4.32%
1964
16.42%
3.73%
9.13%
6.53%
3.31%
5.82%
3.22%
4.52%
1965
12.40%
0.72%
9.20%
6.66%
3.32%
5.88%
3.34%
4.61%
1966
-9.97%
2.91%
8.63%
6.11%
3.68%
4.95%
2.43%
3.69%
1967
23.80%
-1.58%
9.05%
6.57%
3.20%
5.85%
3.37%
4.61%
1968
10.81%
3.27%
9.01%
6.60%
3.00%
6.01%
3.60%
4.80%
1969
-8.24%
-5.01%
8.72%
6.33%
3.74%
4.98%
2.59%
3.79%
1970
3.56%
16.75%
8.21%
5.90%
3.41%
4.80%
2.49%
3.64%
1971
14.22%
9.79%
8.12%
5.87%
3.09%
5.03%
2.78%
3.91%
1972
18.76%
2.82%
8.30%
6.08%
2.72%
5.58%
3.36%
4.47%
1973
-14.31%
3.66%
7.73%
5.50%
4.30%
3.43%
1.20%
2.31%
1974
-25.90%
1.99%
6.97%
4.64%
5.59%
1.38%
-0.95%
0.22%
1975
37.00%
3.61%
7.52%
5.17%
4.13%
3.39%
1.04%
2.22%
1976
23.83%
15.98%
7.53%
5.22%
4.55%
2.98%
0.67%
1.82%
1977
-6.98%
1.29%
7.21%
4.93%
5.92%
1.29%
-0.99%
0.15%
1978
6.51%
-0.78%
7.21%
4.97%
5.72%
1.49%
-0.75%
0.37%
1979
18.52%
0.67%
7.42%
5.21%
6.45%
0.97%
-1.24%
-0.13%
1980
31.74%
-2.99%
7.93%
5.73%
5.03%
2.90%
0.70%
1.80%
1981
-4.70%
8.20%
7.55%
5.37%
5.73%
1.82%
-0.36%
0.73%
1982
20.42%
32.81%
7.18%
5.10%
4.90%
2.28%
0.20%
1.24%
1983
22.34%
3.20%
7.40%
5.34%
4.31%
3.09%
1.03%
2.06%
1984
6.15%
13.73%
7.13%
5.12%
5.11%
2.02%
0.01%
1.02%
1985
31.24%
25.71%
7.11%
5.13%
3.84%
3.27%
1.29%
2.28%
1986
18.49%
24.28%
6.89%
4.97%
3.58%
3.31%
1.39%
2.35%
1987
5.81%
-4.96%
6.95%
5.07%
3.99%
2.96%
1.08%
2.02%
1988
16.54%
8.22%
6.98%
5.12%
3.77%
3.21%
1.35%
2.28%
1989
31.48%
17.69%
7.08%
5.24%
3.51%
3.57%
1.73%
2.65%
1990
-3.06%
6.24%
6.82%
5.00%
3.89%
2.93%
1.11%
2.02%
1991
30.23%
15.00%
6.96%
5.14%
3.48%
3.48%
1.66%
2.57%
1992
7.49%
9.36%
6.82%
5.03%
3.55%
3.27%
1.48%
2.38%
1993
9.97%
14.21%
6.65%
4.90%
3.17%
3.48%
1.73%
2.61%
1994
1.33%
-8.04%
6.69%
4.97%
3.55%
3.14%
1.42%
2.28%
(Fortsetzung und Datenquelle nächste Seite)
98
Stehle BNetzA-Gutachten zur Marktrisikoprämie 2016
Jahr
Aktien
Diff. zwischen Diff. zwischen Diff. zwischen
MRP
MRP MRP
MRP arith. und MRP geom. und Mittel d. Mittel
Bonds arithm. geom. impliz. impliz. MRP impliz. MRP
und impl. MRP
1995
37.20%
23.48%
6.80%
5.08%
3.29%
3.51%
1.79%
2.65%
1996
22.68%
1.43%
7.01%
5.30%
3.20%
3.81%
2.10%
2.96%
1997
33.10%
9.94%
7.24%
5.53%
2.73%
4.51%
2.80%
3.65%
1998
28.34%
14.92%
7.32%
5.63%
2.26%
5.06%
3.37%
4.22%
1999
20.89%
-8.25%
7.63%
5.96%
2.05%
5.58%
3.91%
4.75%
2000
-9.03%
16.66%
7.17%
5.51%
2.87%
4.30%
2.64%
3.47%
2001
-11.85%
5.57%
6.84%
5.17%
3.62%
3.22%
1.55%
2.38%
2002
-21.97%
15.12%
6.25%
4.53%
4.10%
2.15%
0.43%
1.29%
2003
28.36%
0.38%
6.54%
4.82%
3.69%
2.85%
1.13%
1.99%
2004
10.74%
4.49%
6.53%
4.84%
3.65%
2.88%
1.19%
2.04%
2005
4.83%
2.87%
6.48%
4.80%
4.08%
2.40%
0.72%
1.56%
2006
15.61%
1.96%
6.57%
4.91%
4.16%
2.41%
0.75%
1.58%
2007
5.48%
10.21%
6.43%
4.79%
4.37%
2.06%
0.42%
1.24%
2008
-36.55%
20.10%
5.65%
3.88%
6.43%
-0.78%
-2.55%
-1.67%
2009
25.94%
-11.12%
6.03%
4.29%
4.36%
1.67%
-0.07%
0.80%
2010
14.82%
8.46%
6.03%
4.31%
5.20%
0.83%
-0.89%
-0.03%
2011
2.10%
16.04%
5.80%
4.10%
6.01%
-0.21%
-1.91%
-1.06%
2012
15.89%
2.97%
5.88%
4.20%
5.78%
0.10%
-1.58%
-0.74%
2013
32.15%
-9.10%
6.29%
4.62%
4.96%
1.33%
-0.34%
0.49%
2014
13.52%
10.75%
6.25%
4.60%
5.78%
0.47%
-1.18%
-0.36%
Arithmet. Mittel
Arithmet. Mittel
1961-2014 (54 Jahre)
2005-2014 (10 Jahre)
3.22%
1.03%
1.21%
-0.66%
2.22%
0.18%
Datenquellen: Die Daten in den Spalten Aktien und Bonds wurden der Daten-Webseite
von A.Damodaran am 20.3.2016 entnommen (Historical Returns…):
http://people.stern.nyu.edu/adamodar/New_Home_Page/datacurrent.html
Die Daten in der Spalte MRP impliz. wurden aus Anhang 6 von Damodaran (2016), S.
119 f. übertragen. Diese Daten stehen nur für die Jahre ab 1961 zur Verfügung.
Die Daten in den Spalten MRP arithmetisch und MRP geometrisch wurden selbst berechnet und mit den von Damodaran berechneten Mittelwerten (Damodaran (2016), Anhang
1, S. 108 ff.) verglichen. Bis auf das arithmetische Mittel für 2014 sind die Werte fast
identisch.
Im Rahmen der Ermittlung der Marktrisikoprämie auf Basis der arithmetischen Mittel
(MRP arithm.) wird zuerst das arithmetische Mittel der jährlichen Aktienrenditen berechnet, dann das arithmetische Mittel der Renditen der Anleihen (bonds), jeweils für die einbezogenen Jahre. Schließlich wird die Differenz beider Mittel gebildet.
Im Rahmen der Ermittlung der Marktrisikoprämie auf Basis des geometrischen Mittels
(MRP geom.) wird zuerst das geometrische Mittel der Aktienrenditen berechnet, dann das
geometrische Mittel der Anleiherenditen, jeweils für die einbezogenen Jahre. Schließlich
wird wieder die Differenz beider Mittel gebildet.
99
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