Reportage ∂ Das Klinikum Bremerhaven zählt seit seinem Bau im Jahr 1976 zu den modernsten seiner Art im Land Bremen. Hier konnte durch die umfassende Erneuerung gebäudetechnischer Anlagen der Energieverbrauch um mehr als 25 % reduziert werden. Bild: Siemens Building Technologies Energiespar-Contracting: Mit geringen Investitionen zu neuen technischen Anlagen Für den öffentlichen Sektor wird Energiespar-Contracting als eine Möglichkeit, bei geringem Einsatz finanzieller Mittel Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen, zunehmend wichtiger und attraktiver. So auch im Klinikum Bremerhaven/Reinkenheide. Hier konnte durch die umfassende Erneuerung gebäudetechnischer Anlagen der Energieverbrauch um mehr als 25 % reduziert werden. Somit spart das Klinikum im Rahmen des mit Siemens Building Technologies abgeschlossenen Energiespar-Contracting-Vertrags jährlich 519 000 Euro an Energiekosten und entlastet die Umwelt um 2635 t CO2 pro Jahr. Um die Nachhaltigkeit und damit auch die Wirtschaftlichkeit zu sichern, wurde der Vertrag für eine Laufzeit von zwölf Jahren geschlossen. I m Jahr 1976 eröffnet, war das Klinikum Bremerhaven im Stadtteil Reinkenheide mit seinen 680 Betten das modernste seiner Art im Land Bremen. Bis heute konnte es seine Spitzenstellung als Therapie- und Diagnosezentrum kontinuier- 30 lich ausbauen. Im Gegensatz dazu haben die gebäudetechnischen Anlagen über die Betriebsjahre ihre Leistungsfähigkeit und Effizienz insbesondere im Hinblick auf den Energieverbrauch eingebüßt. Im Jahr 2004 mussten rund zwei Mio. Euro für Primär­ energie aufgewendet werden. Es bestand dringender Handlungsbedarf für eine umfassende Sanierung und Modernisierung. Mit einer von der Klimaschutzagentur „Bremer Ener- gie-Konsens“ erstellten Ausschreibung wurde im Frühjahr 2006 das Vergabeverfahren für das Energiespar-Contracting-Projekt europaweit gestartet. Die Agentur steuerte den Vergabeprozess und stand auch während der Realisierungsphase dem Bauherrn beratend zur Seite. Den Auftrag erhielt letztlich die Siemens-Division Building Technologies, die mit einem Angebot überzeugte, das eine Reduktion des Jahresenergieverbrauchs um 25 % garantiert. Die baulichen Maßnahmen sowie die Modernisierungs- und Optimierungsmaßnahmen der technischen Anlagen begannen im April 2006 und dauerten rund zwölf Monate, da nahezu alle notwendigen Baumaßnahmen im laufenden Betrieb durchgeführt werden mussten. Dazu hebt Jürgen Breuer, Technischer Leiter des Klinikums Bremerhaven, hervor: „Die Ener­gieeinsparungen, IKZ-FACHPLANER · Heft 3 /2008 Reportage die wir bereits in den zwölf Monaten der Baumaßnahmen erzielen konnten, sind alleine dem Klinikum zugute gekommen, da die erste Contracting-Rate erst mit der vollständigen vertraglich vereinbarten Energieeinsparung von 25 % fällig wurde. Das heißt, die Hauptleistungsphase beginnt erst mit der Umsetzung der Energieeinspargarantie und dauert dann in unserem Fall zwölf Jahre.“ Die Gesamtinvestition in die Erneuerung der technischen Gebäudeausrüstung des Klinikums beträgt rund 5,2 Mio. Euro. Zudem investiert Siemens in den zwölf Jahren der Vertragslaufzeit etwa 2,5 Mio. Euro für die Instandhaltung. 120 Einzelmaßnahmen Insgesamt wurden in dem Klinikgebäude rund 120 Einzelmaßnahmen umgesetzt. Diese betrafen gebäudebetriebstechnische Einrichtungen wie die: ∑ Heizungsinfrastruktur, ∑ Kälteerzeugung, ∑ Erneuerung der Großküchenspülmaschinen, ∑ medizinische Druckluftversorgung, ∑ Niederspannungshauptversorgung, ∑ Dampfsterilisatoren, ∑ gesamte Gebäudeautomation mit Managementsystem und Energieoptimierungsprogrammen. Zudem wurden über 70 raumlufttechnische Anlagen komplett entkernt und nach dem neuesten Stand der Technik wieder aufgebaut. ∂ Jürgen Breuer, Technischer Leiter des Klinikums Bremerhaven: „Durch den Einsatz von z. B. hocheffizienten Umwälzpumpen werden rund 50 MWh Strom pro Jahr eingespart.“ Bei einem Strompreis von 0,20 Euro/kWh beträgt die Einsparung bereits 10 000 Euro in einem Jahr. Heft 3 /2008 · IKZ-FACHPLANER Was umfasst Energiespar-Contracting im Vergleich zum Anlagen-Contracting? Energiespar-Contracting ist eine vertraglich vereinbarte Dienstleistung zwischen einem Unternehmen (Contractor oder auch Energiesparpartner) und einem Gebäudeeigner (Auftraggeber). Der Contractor führt in dem Gebäude Investitionen und Maßnahmen zur Energieeinsparung durch. Seine Aufwendungen lässt er sich durch den Erfolg der Einsparmaßnahmen, also über die reduzierten Energiekos­ ten des Gebäudes, vergüten. Der Gebäudeeigner muss nicht investieren, trägt kein Risiko und ist trotzdem an dem Erfolg der Einsparmaßnahme beteiligt. Dieses Modell zur Modernisierung mit gesicherter Finanzierung ist besonders für größere Liegenschaften oder Gebäudegruppen wie Krankenhäuser, Schwimmbäder, Universitäten und Schulen geeignet. Im Unterschied zum Anlagen-Contracting umfasst das Energiespar-Contracting Maßnahmen, die hinter dem Zähler ansetzen, also alle Maßnahmen, die den Verbrauch von Wärme oder Strom reduzieren. Häu- ∂ Energiespar-Contracting von Siemens Building Technologies – garantierte Einsparungen als Investitionsvolumen. fig werden auch Maßnahmen zur Wassereinsparung in die Konzepte einbezogen. Beim Anlagen-Contracting bietet ein Dienstleister in der Regel die Planung, Errichtung, Finanzierung, den Betrieb und die Wartung einer Versorgungsanlage (z. B. Heizkessel, Blockheizkraftwerk, Holzhackschnitzelanlage) an. Diese Dienstleistung lässt er sich über eine vertraglich festgelegte Vergütung der gelieferten Mengen an Strom, Wärme oder Kälte bezahlen. Der Hauptvorteil beim Ener­giespar-Contracting liegt darin, dass der Gebäu- deeigner zweifach entlastet wird: Zum einen von der organisatorischen Umsetzung der Ener­giesparmaßnahmen und zum anderen von der finanziellen Belastung, die mit den Investitionen verbunden ist. Damit setzt das Ener­ giespar-Contracting genau da an, wo in vielen Städten und Gemeinden der Schuh drückt: Für viele Objekte wird zwar ein energetischer Sanierungsbedarf konstatiert, doch häufig fehlt das Geld, um die Energiesparmaßnahmen zu finanzieren. Mit EnergiesparContracting kann dieser unbefriedigende Zustand über∂ wunden werden. Reportage ∂ Über 70 Raumlufttechnische Anlagen wurden komplett entkernt und nach dem neuesten Stand der Technik wieder aufgebaut. Zur Wärmerückgewinnung sind z. B. Rotationswärmetauscher zum Einsatz gekommen. Die Energieeinsparungen sind beachtlich, wie Breuer an einigen Beispielen aufzeigt. So konnte der Energiebedarf für Ferndampf zur Klimatisierung, zum Kochen und zur Sterilisation um rund 6200 MWh oder um 72 % verringert werden, was dem thermischen Energieverbrauch von rund 350 Einfamilienhäusern entspricht. „Die Klimaanlagen, die nicht zum Operationsbereich oder zur Inten- ∂ Das Energiespar-Contracting wurde zu den Energieeinsparmaßnahmen des Contractors um Pflichtmaßnahmen nach der Vorgabe des Klinikums ergänzt. Energiesparmaßnahmen durch Contractor Bild: Klinikum Bremerhaven ∑ Erneuerung Klima- und Lüftungsanlagen einschließlich bedarfs­ optimierter Regelung, Einsatz von Wärmerückgewinnung und Frequenzumformern. ∑ Erneuerung Gebäudeleittechnik (GLT) ∑ Optimierung der Heizungstechnik (Regelung) ∑ Wassersparmaßnahmen (Einsatz von Wassersparperlatoren) ∑ Energiespar-Schulung des Klinikum-Personals (Nutzermotivation) sivpflege gehören, beginnen jetzt erst bei einer Außentemperatur von 2 °C zu heizen. Bevor jedoch die Temperatur unter diesen Grenzwert sinkt, kann über ein Wärmerückgewinnungssystem der Abluft soviel Energie entzogen werden, dass kein zusätzlicher Heizbetrieb notwendig ist“, so Breuer. Ein weiteres großes Einsparpotenzial betrifft die bedarfsgerechte Wärmeversorgung des Gebäudes. Durch den Einsatz von hocheffizienten Umwälzpumpen werden rund 50 MWh Strom pro Jahr eingespart. Durch die Erneuerung der Heizkreisregelung werden die Raumtemperaturen innerhalb der Nachtstunden, beziehungsweise außerhalb der Nutzungszeiten, in bestimmten Gebäudebereichen abgesenkt. Die Energieeinsparung für die Raumheizung liegt bei rund 5000 MWh oder 50 %. Als Fazit betont Ullrich Brickmann, Leiter Marketing und Vertrieb Deutschland bei Siemens Building Technologies: „Das Wichtigste für die Patienten im Krankenhaus sind und bleiben kompetente Ärzte und moderne Medizintechnik. Doch das medizinische System und die rasche Genesung der Patienten funktionieren nur mit guter haustechnischer Infrastruktur. Hier hat das Klinikum Bremerhaven/Reinkenheide einen Meilenstein hinsichtlich Anlagenqualität, nachhaltiger Kosteneinsparung und Energieoptimierung gesetzt.“ ∂ @ Internetinformationen: www.siemens.de/ buildingtechnologies Pflichtmaßnahmen nach Vorgabe Klinikum ∑ Erneuerung der Niederspannungs-Hauptverteilung (NSHV) ∑ Erneuerung der Sterilisatoren für ZSVA und Bettendesinfektion ∑ Erneuerung der zentralen Kälteanlage ∑ Erneuerung der Geschirrspülmaschinen für die Hauptküche ∑ Trennung der medizinischen und technischen Drucklufterzeugung und Aufbau einer medizinischen Druckluftzentrale (doppelt redundant) ∂ Basiswerte zum Contracting-Projekt Klinikum Bremerhaven. Vertragslaufzeit (Hauptleistungsphase) Energiekosten 2004 (Baseline) 12 Jahre 2 065 000 € Einspargarantie (Grundvergütung) 5 19 000 €/a Zuzahlung für Pflichtmaßnahmen 2 65 000 €/a Einspargarantie Reduzierung CO2-Ausstoß Investition des Contractors 32 25,6 % 2635 t/a 5,2 Mio. € ∂ Die Kälteanlagen wurden im Rahmen der Pflichtmaßnahmen erneuert. „Auch in diesem Bereich ist die effiziente Regelungstechnik, wie Frequenzumformer, zum Einsatz gekommen“, so Breuer. IKZ-FACHPLANER · Heft 3 /2008