DAS

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INFORMATION DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR JUSTIZ
DAS GESCHWORENENGERICHTLICHE VERFAHREN
INFORMATION ZUM STRAFVERFAHREN
GEGEN JOSEF F.
März 2009
Personenbezogene Ausdrücke in dieser Broschüre umfassen Frauen und Männer
gleichermaßen.
Impressum
Herausgeber:
Bundesministerium für Justiz
1070 Wien, Museumstraße 7
Redaktion: Abteilung Pr 3
Inhalt: Abteilung IV 2 (E-Mail: [email protected])
INHALTSÜBERSICHT
Zuständigkeit und Zusammensetzung des Landesgerichtes als
Geschworenengericht
1
Der Schwurgerichtshof
1
Die Geschworenenbank
1
Geschworene
2
Der Ablauf eines geschworenengerichtlichen Verfahrens
4
Das Ermittlungsverfahren
4
Die Hauptverhandlung
6
Der Ablauf der Hauptverhandlung
7
Die Beteiligten des geschworenengerichtlichen Verfahrens
9
Das Strafverfahren gegen Josef F.
10
Zuständigkeit und Zusammensetzung des Landesgerichtes als
Geschworenengericht
 Zuständigkeit des Landesgerichtes als Geschworenengericht
Wenn dem Angeklagten besonders schwere Verbrechen (z.B. Mord, Sklavenhandel,
besonders schwere Fälle von Vergewaltigung) oder politische Delikte angelastet
werden, obliegt die Hauptverhandlung und die Urteilsfällung dem Landesgericht als
Geschworenengericht.
 Zusammensetzung des Landesgerichtes als Geschworenengericht
Das Landesgericht als Geschworenengericht setzt sich aus

dem Schwurgerichtshof und

der Geschworenenbank
zusammen.
Liegt dem Angeklagten ein Sexualdelikt (z.B. Vergewaltigung) zur Last, müssen
mindestens jeweils zwei Geschworene dem Geschlecht des Angeklagten und dem
Geschlecht des Opfers angehören.
 Der Schwurgerichtshof
Der Schwurgerichtshof besteht aus einem Senat von drei Berufsrichtern (ein
Vorsitzender und zwei beisitzende Richter; bei längeren Verfahren sind auch
Ersatzrichter beizuziehen). Der Vorsitzende leitet den Gang der Hauptverhandlung.
Der Schwurgerichtshof entscheidet alleine über prozessrechtliche Fragen und im
Falle eines Schuldspruchs durch die Geschworenen gemeinsam mit diesen über die
Höhe der zu verhängenden Strafe.
 Die Geschworenenbank
Die Geschworenenbank besteht aus acht Geschworenen (bei längeren Verfahren
sind auch Ersatzgeschworene beizuziehen), die alleine über die Frage der Schuld
1
oder Unschuld des Angeklagten entscheiden. Im Falle eines Schuldspruchs
entscheiden die Geschworenen gemeinsam mit dem Schwurgerichtshof über die
Höhe der zu verhängenden Strafe.
 Geschworene
Das
Amt
des
Geschworenen
verfassungsgesetzlich
ist
ein
vorgeschriebenen
Ehrenamt
Mitwirkung
und
des
besteht
Volkes
in
der
an
der
Rechtsprechung. Diese Mitwirkung ist in Österreich allgemeine Bürgerpflicht!
Geschworene

werden nach dem Geschworenen- und Schöffengesetz in einem aufwändigen
Zufallsverfahren aus der Wählerevidenz ermittelt;

wirken als unabhängige Richter an der Strafgerichtsbarkeit mit und unterliegen in
dieser Eigenschaft keinerlei Weisungen: niemand kann ihnen die Anordnung
erteilen, einen Angeklagten für schuldig oder nicht schuldig zu befinden oder eine
bestimmte Strafe zu verhängen!

tragen daher eine hohe Verantwortung, da sie ohne Voreingenommenheit und
ohne vorgefasste Meinung an die Strafsache heranzugehen und ausgewogen
und nach objektiven Maßstäben zu urteilen haben:
Jeder Angeklagte hat das Recht auf eine faire und vorurteilsfreie Behandlung
und gilt bis zu seiner Verurteilung als unschuldig!
Von einer Mitwirkung als Geschworener ist ausgeschlossen, wer am bisherigen
Verfahren beteiligt war, durch die Straftat geschädigt worden sein könnte oder als
Zeuge in Betracht kommt. Das Gleiche gilt, wenn ein Angehöriger des
Geschworenen am Verfahren beteiligt war oder geschädigt worden sein könnte.
Geschworene sind weiters vom Verfahren ausgeschlossen, wenn sonstige Gründe
vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in
Zweifel
zu
ziehen.
Solche
Umstände
sind
dem
Vorsitzenden
des
Geschworenengerichtes unverzüglich anzuzeigen. Dieser hat auch über allfällige
Anträge auf Ablehnung von Geschworenen zu entscheiden.
2
Geschworene entscheiden immer alleine über die Frage der Schuld oder Unschuld
des Angeklagten. Diese Entscheidung wird als „Wahrspruch“ bezeichnet. Sie kommt
zustande,
indem
die
Geschworenen
über
die
vom
Schwurgerichtshof
vorzubereitenden Fragen abstimmen. Diese Fragen sind aus dem Gesetz und dem
Verhandlungsgegenstand vorgegeben. Sie sind so zu stellen, dass sie nur mit „Ja“
oder „Nein“ beantwortet werden können.
Die Fragestellung durch die Berufsrichter soll sicherstellen, dass die Geschworenen
eine umfassende, rechtlich korrekte Beurteilung des Sachverhaltes vornehmen
können. Zur weiteren rechtlichen Klärung der einzelnen Fragen und dem Verhältnis
dieser Fragen zueinander ist den Geschworenen daher vom Vorsitzenden auch eine
„Rechtsbelehrung“ zu erteilen. Diese dient dazu, sämtliche Unklarheiten über die
Fragen auszuräumen und allfällige Missverständnisse zu vermeiden.
3
Der Ablauf eines geschworenengerichtlichen Verfahrens
Geschworene wirken im Strafverfahren nicht von Anfang an, sondern erst in der
Hauptverhandlung mit. Bevor es zu einer solchen Hauptverhandlung kommt, hat oft
schon ein umfangreiches Vorverfahren – das Ermittlungsverfahren – stattgefunden,
in welchem die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der Kriminalpolizei den
Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht soweit zu klären hat, dass sie
über Erhebung der Anklage oder sonstige Beendigung des Strafverfahrens
entscheiden kann.
Im gesamten Verfahren haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht die
Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der
Tat von Bedeutung sind. Dabei ist unparteilich und unvoreingenommen vorzugehen.
Die zur Belastung und Entlastung des Beschuldigten dienenden Umstände sind mit
gleicher Sorgfalt zu ermitteln!
Das Ermittlungsverfahren
Das Ermittlungsverfahren

wird von der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im Einvernehmen geführt,

ist ein nicht öffentliches Verfahren, in welchem die Beweise aufzunehmen sind,
die für die Entscheidung über die Erhebung der Anklage unerlässlich sind.
Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und entscheidet über dessen

Fortgang
(Ermittlungsmaßnahmen
und
Beweisaufnahmen,
wie
z.B.
Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen, Durchsuchungen von Orten und
Gegenständen,
DNA-Untersuchungen,
Sachverständigengutachten,
besondere
Einholung
Ermittlungsmaßnahmen
Überwachung von Nachrichten, Festnahme des Beschuldigten) und
4
von
wie

Beendigung (Einstellung des Verfahrens, Rücktritt von der Verfolgung oder
Anklageerhebung).
Das Gericht (ein Berufsrichter)

entscheidet im Ermittlungsverfahren über Anträge der Staatsanwaltschaft auf
Bewilligung
bestimmter
Wohnräumlichkeiten,
Zwangsmittel
Festnahme
des
(z.B.
Durchsuchung
Beschuldigten,
Verhängung
von
und
Fortsetzung der Untersuchungshaft) und

führt
im
Ermittlungsverfahren
auf
Antrag
der
Staatsanwaltschaft
die
„Tatrekonstruktion“ (Nachstellen des Tatverlaufs am Tatort sowie dessen Tonund Bildaufnahme) und die „kon-tradiktorische Vernehmung“ (gerichtliche
Vernehmung unter Beteiligung von Staatsanwaltschaft, Beschuldigten, Opfern
und deren Vertretern) von Zeugen und Beschuldigten durch. Eine solche
Vernehmung ist nur dann zulässig, wenn die unmittelbare Vernehmung in der
Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr
möglich sein wird. Sie wird im Regelfall in Ton und Bild aufgezeichnet, sodass die
spätere Vorführung der Vernehmung in der Hauptverhandlung möglich ist.
Das Ermittlungsverfahren dauert so lange, bis die Staatsanwaltschaft geklärt hat, ob
gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist.
In folgenden Fällen kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom
Oberlandesgericht überprüft werden:

bei Einstellung des Verfahrens: auf Grund eines Antrags auf Fortsetzung des
Verfahrens

bei Erhebung einer Anklageschrift: auf Grund eines Einspruchs gegen die
Anklageschrift.
Wenn gegen die Anklageschrift kein Einspruch erhoben wird oder ein solcher ohne
Erfolg bleibt, ist die Anklageschrift samt Ermittlungsakt dem nach der festen
Geschäftsverteilung
zuständigen
Vorsitzenden
des
Geschworenengerichtes
vorzulegen, der einen Termin für die Hauptverhandlung festzulegen hat. Die
Zuständigkeit der weiteren Berufsrichter ergibt sich auch aus der festen
5
Geschäftsverteilung des Gerichtes. Die Auswahl der Geschworenen erfolgt nach
dem Zufallsprinzip.
Die Hauptverhandlung
Die Hauptverhandlung bildet den Schwerpunkt des Strafverfahrens. Die im
Ermittlungsverfahren gesammelten Beweise müssen zur Gänze vor neuen, an den
Ermittlungen unbeteiligten Richtern noch einmal aufgerollt werden, die mit
Unbefangenheit an die Strafsache herantreten und nur aufgrund der in der
Hauptverhandlung vorkommenden Beweise ihre Entscheidung treffen.
Staatsanwaltschaft und Angeklagter stehen einander in der Hauptverhandlung mit
gleichen Rechten gegenüber und haben dort die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge
darzulegen. Der Angeklagte muss durch einen Verteidiger vertreten sein, der ihm
beratend und unterstützend zur Seite steht.
Die Durchführung der Hauptverhandlung muss mündlich und öffentlich erfolgen. In
der Hauptverhandlung sind alle Beweise, die Grundlage für das Urteil sind,
unmittelbar aufzunehmen.

Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit:
Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn eine Gefährdung der
öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit besteht, wenn der persönliche
Lebensbereich von Beteiligten erörtert wird (z.B. im Falle von Sexualdelikten), oder
wenn wegen besonderer Gefährdung die Identität eines Zeugen geschützt werden
muss. Die Urteilsverkündung hat jedoch stets öffentlich zu erfolgen.

Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit:
Beweisaufnahmen
Tonaufnahmen
durch
sind
nur
Verlesungen
zulässig,
oder
wenn
Vorführungen
die
von
Bild-
Beweisaufnahme
in
und
der
Hauptverhandlung aus tatsächlichen (z.B. bei verstorbenen Zeugen) oder rechtlichen
Gründen (z.B. im Falle von Sexualdelikten, wo die wiederholte Befragung der Opfer
zur Vermeidung von seelischen Belastungen vermieden werden soll) nicht mehr
möglich ist.
6
Der Ablauf der Hauptverhandlung

Aufruf der Strafsache durch den Schriftführer.

Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden zu seinen persönlichen
Daten
und
Ermahnung
des
Angeklagten
zur
Aufmerksamkeit
auf
die
vorzutragende Anklage und auf den Gang der Verhandlung.

Beeidigung der Geschworenen.

Vortrag der Anklage durch den Staatsanwalt.

Gegenäußerung des Verteidigers.

Vernehmung des Angeklagten zur Sache (der Angeklagte hat das Recht, eine
zusammenhängende Darstellung des Sachverhaltes aus seiner Sicht abzugeben;
er hat aber auch das Recht, Angaben zur Sache überhaupt oder zu einzelnen
Fragen zu verweigern). Im Gegensatz zu Zeugen darf der Angeklagte, sofern er
niemand anderen zu Unrecht beschuldigt, auch die Unwahrheit sagen! Die
Vernehmung erfolgt durch den Vorsitzenden, danach haben die beisitzenden
Richter, die Geschworenen, der Staatsanwalt, die Opfer bzw. deren Vertreter und
der Verteidiger das Recht, nach Erteilung des Wortes durch den Vorsitzenden
Fragen zu stellen.

Durchführung
des
Beweisverfahrens
(z.B.
Vernehmung
von
Zeugen,
Sachverständigen, Verlesung bedeutsamer Aktenstücke). Nach Befragung durch
den Vorsitzenden haben auch die übrigen Verfahrensbeteiligten nach Erteilung
des Wortes das Recht, Fragen zu stellen.

Schluss des Beweisverfahrens durch den Vorsitzenden.

Beratung
des
Schwurgerichtshofs
über
die
Fragestellung
an
die
Geschworenen. Die Beratung ist nicht öffentlich, die schriftliche Abfassung der
Fragen ist danach vom Vorsitzenden in der öffentlichen Verhandlung vorzulesen.

Schlussvorträge der Parteien („Plädoyers“ von Staatsanwalt, Opfer bzw.
dessen Vertreter, Verteidiger). Dem Angeklagten gebührt jedenfalls das letzte
Wort!
7

Schluss der Verhandlung

Die Geschworenen begeben sich in das für sie vorgesehene Beratungszimmer.
Dort erfolgt die Wahl des Obmanns der Geschworenen, der die Beratung der
Geschworenen und die Abstimmung leitet und die Antworten der Geschworenen
auf die gestellten Fragen niederschreibt.

Zwischenzeitig berät der Schwurgerichtshof über die den Geschworenen zu
erteilende
„Rechtsbelehrung“,
die
schriftlich
zu
verfassen
und
den
Geschworenen nach Wahl des Obmanns durch den Vorsitzenden mündlich
vorzutragen ist. Die Rechtsbelehrung soll die Fragestellung in rechtlicher Hinsicht
erklären und Unklarheiten beseitigen.

Beratung und Abstimmung der Geschworenen über die Fragestellung. Bei
der Beratung der Geschworenen können zur besseren Aufklärung schwieriger
Tat- oder Rechtsfragen ausnahmsweise die Berufsrichter teilnehmen. Bei der
Abstimmung entscheiden die Geschworenen immer alleine!
Beachte: Der Inhalt der Beratung und die Abstimmung selbst unterliegen
dem „Beratungsgeheimnis“! Die öffentliche Bekanntgabe, welche Argumente
in der Beratung vorgebracht wurden, welcher Geschworene welche Meinung
vertreten hat oder wie von den einzelnen Geschworenen abgestimmt wurde,
kann eine gerichtliche Strafe nach sich ziehen!

Nach
Abstimmung
der
Geschworenen
verständigt
deren
Obmann
den
Vorsitzenden. Schwurgerichtshof, Schriftführer, Staatsanwalt und Verteidiger
begeben sich in das Beratungszimmer der Geschworenen und vernehmen den
Wahrspruch (das ist die Entscheidung) der Geschworenen.

Ausnahmsweise
kann
der
Schwurgerichtshof
den
Geschworenen
bei
Missverständnissen oder Widersprüchen die Verbesserung des Wahrspruchs
auftragen oder bei einem Irrtum der Geschworenen in der Hauptsache einhellig
die Aussetzung des Wahrspruchs beschließen.

Ist der Angeklagte aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen für schuldig
befunden
worden,
erfolgt
sodann
die
gemeinsame
Beratung
von
Schwurgerichtshof und Geschworenen über die Höhe der zu verhängenden
Strafe. Auch der Inhalt dieser Beratung unterliegt dem Beratungsgeheimnis!
8

Wiedereröffnung
der
öffentlichen
Sitzung
durch
den
Vorsitzenden
und
Verkündung des Wahrspruches und des Urteiles.

Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden und Erklärung durch Angeklagten
und Staatsanwalt, ob ein Rechtsmittel erhoben wird.

Schriftliche Ausfertigung des Urteils durch den Vorsitzenden.

Allenfalls
Rechtsmittelverfahren
Verfahrensfehlern
oder
Rechtsmittelverfahren
vor
(Nichtigkeitsbeschwerde
Berufung
dem
wegen
Obersten
Höhe
der
Gerichtshof
wegen
Strafe).
oder
Im
den
Oberlandesgerichten entscheiden nur Berufsrichter.
Die Beteiligten des geschworenengerichtlichen Verfahrens

Vorsitzender: Berufsrichter, der den Gang der Hauptverhandlung leitet.

Beisitzer: zwei weitere Berufsrichter, die gemeinsam mit dem Vorsitzenden den
Schwurgerichtshof bilden und über prozessrechtliche Fragen entscheiden.

Geschworener: „Laienrichter“, acht Geschworene entscheiden über Schuld des
Angeklagten und gemeinsam mit dem Schwurgerichtshof über die Höhe der zu
verhängenden Strafe.

Schriftführer: Gerichtsbediensteter, der den Gang und den wesentlichen Inhalt
der Hauptverhandlung in einem Protokoll schriftlich festhält.

Staatsanwalt: Leitet das Ermittlungsverfahren, entscheidet über die Anklage und
vertritt
diese
in
der
Hauptverhandlung.
Gegen
das
Urteil
des
Geschworenengerichtes stehen ihm die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde
und der Berufung zu.

Verteidiger: Vertreter des Angeklagten, der diesem beratend und unterstützend
zur Seite steht. Anders als der Staatsanwalt ist er nicht zur Objektivität verpflichtet
und hat alles, was der Verteidigung des Angeklagten dient, vorzubringen. Auch
ihm stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zu.

Opfer: Person, die durch eine Straftat beeinträchtigt wurde. Das Opfer kann sich
– im Regelfall durch einen Rechtsanwalt – vertreten lassen.

Privatbeteiligter: Opfer, das gegen den Täter im Strafverfahren Ansprüche auf
Schadenersatz oder Entschädigung geltend macht. Der Privatbeteiligte kann sich
– im Regelfall durch einen Rechtsanwalt – vertreten lassen. Durch die Möglichkeit
der Privatbeteiligung soll vermieden werden, dass Opfer ihre privatrechtlichen
9
Ansprüche gegen den Täter im Zivilrechtsweg einklagen müssen. Dem
Privatbeteiligten stehen (eingeschränkt) ebenfalls Rechtsmittel offen.
Das Strafverfahren gegen Josef F.
Beim Landesgericht St. Pölten beginnt im “Inzestfall Amstetten”
am Montag, dem 16. März 2009, um 9.30 Uhr
im Schwurgerichtssaal (Zimmer 119)
die Hauptverhandlung gegen Josef F. vor dem Geschworenengericht. Die
Verhandlung wird an den folgenden Tagen fortgesetzt werden (Beginn jeweils 9.00
Uhr).
Die Öffentlichkeit kann unter anderem aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder
zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Beteiligten von der ganzen
Verhandlung
oder
Teilen
der
Verhandlung
ausgeschlossen
werden.
Die
Urteilsverkündung hat jedenfalls öffentlich zu erfolgen.
Soweit die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, sind Mitteilungen über diesen
Teil bei Strafe untersagt.
Sollte in Verhandlungsabschnitten die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wird
der Vizepräsident des Landesgerichtes St. Pölten an jedem Verhandlungstag den
Medien für Fragen zur Verfügung stehen.
Der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht des Landesgerichtes St.
Pölten ging ein umfangreiches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft St.
Pölten voran.
Josef F. wurde am 26. April 2008 festgenommen. In weiterer Folge wurde die
Untersuchungshaft verhängt. Zur Aufklärung des Sachverhaltes wurden durch die
Staatsanwaltschaft St. Pölten
zahlreiche Ermittlungshandlungen durchgeführt
10
(Vernehmung des Beschuldigten, Vernehmungen von Zeugen, Durchsuchungen von
Orten
und
Gegenständen,
DNA-Untersuchungen,
Einholung
von
Sachverständigengutachten, Tatrekonstruktion und Auskunft über Daten einer
Nachrichtenübermittlung).
Am 12. November 2008 wurde von der Staatsanwaltschaft St. Pölten beim
Landesgericht St. Pölten die Anklageschrift gegen Josef F. eingebracht.
Gegenstand der Hauptverhandlung sind folgende Anklagepunkte, die dem
Angeklagten von der Staatsanwaltschaft St. Pölten zur Last gelegt werden:

Mord: Josef F. steht im Verdacht, 1996 als leiblicher Vater den neugeborenen
M. F. dadurch getötet zu haben, dass er es trotz Erkennens der
lebensbedrohlichen Situation
des Säuglings vorsätzlich
unterließ,
die
erforderliche Hilfe durch Dritte zu veranlassen, sodass das Kind verstarb. Die
Strafdrohung beträgt 10 bis 20 Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe.

Sklavenhandel: Josef F. steht im Verdacht, im Zeitraum vom 29. August 1984
bis zum 26. April 2008 bewirkt zu haben, dass Elisabeth F. in eine
sklavereiähnliche Lage gebracht wurde, indem er sie im genannten
Tatzeitraum in ein Kellerverlies verschleppte und einsperrte, sie in vollständige
Abhängigkeit brachte, ihr sexuelle Dienste abverlangte und über sie wie über
sein Eigentum verfügte. Die Strafdrohung beträgt 10 bis 20 Jahre
Freiheitsstrafe.

Vergewaltigung: Josef F. steht im Verdacht, Elisabeth F. in einer Vielzahl von
Tatangriffen regelmäßig zum Beischlaf genötigt zu haben. Die Strafdrohung
beträgt 5 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe.

Freiheitsentziehung: Josef F. steht im Verdacht, drei von ihm mit Elisabeth
F. gezeugte Kinder jahrelang durch Einsperren in einem beengten, feuchten
Kellerverlies seines Hauses ohne Fenster und somit ohne Tageslicht und
direkter Frischluftzufuhr widerrechtlich gefangen gehalten zu haben. Die
Strafdrohung beträgt 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
11

Schwere Nötigung: Josef F. steht im Verdacht, vom 29. August 1984 bis
zum 26. April 2008 Elisabeth F. und die drei gemeinsamen Kinder wiederholt
durch gefährliche Drohung mit angebrachten Gas- und Sprengfallen zur
Abstandnahme von Fluchtversuchen genötigt zu haben. Die Strafdrohung
beträgt sechs Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.

Blutschande: Josef F. steht im Verdacht, wiederholt den Beischlaf mit einer
Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, nämlich seiner Tochter
Elisabeth F., vollzogen zu haben. Die Strafdrohung beträgt bis zu 1 Jahr
Freiheitsstrafe.
Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat die Bestrafung des Angeklagten wegen der
angeführten Delikte und seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme
Rechtsbrecher beantragt.
Das Landesgericht St. Pölten hat als Geschworenengericht über die Anklageschrift
der Staatsanwaltschaft St. Pölten zu entscheiden.
Der Angeklagte hat das Recht auf eine faire und vorurteilsfreie Behandlung
und gilt bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig!
In rechtlicher Hinsicht findet bei einer allfälligen Verurteilung wegen mehrerer Delikte
nach dem österreichischen Strafgesetzbuch eine Zusammenrechnung der für die
einzelnen Delikte vorgesehenen Strafen nicht statt.
Im Falle eines Schuldspruches richtet sich die Strafe nach dem mit der strengsten
Strafe bedrohten Delikt. Die Begehung weiterer Delikte wäre bei der Strafbemessung
als erschwerend zu werten.
Die
von
der
Staatsanwaltschaft
St.
Pölten
beantragte
Unterbringung
des
Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kann vom
12
Landesgericht St. Pölten im Falle der Verurteilung zugleich mit dem Strafausspruch
angeordnet werden. Dazu muss im Verfahren festgestellt werden, dass der
Angeklagte, ohne zurechnungsunfähig zu sein,

unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren
Grades eine schwere Straftat begangen hat, und wenn

zu befürchten ist, dass er nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach
der Art der Tat unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit
höheren Grades weitere Straftaten mit schweren Folgen begehen werde.
Für den Fall, dass eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig
abnorme Rechtsbrecher angeordnet wird, wäre eine solche Unterbringung vor der
zugleich verhängten Freiheitsstrafe zu vollziehen. Eine Unterbringung ist auf
unbestimmte Dauer anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck
erfordert.
Die weitere Notwendigkeit der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme
Rechtsbrecher ist vom Gericht regelmäßig zu überprüfen. Die Zeit der Anhaltung ist
auf die Strafe anzurechnen. Wenn die Unterbringung vor Ablauf der Strafzeit
aufgehoben wird, ist der Rechtsbrecher in den Strafvollzug zu überstellen.
13
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