dl-Technik-Edition Ztm. Kurt Fiedler BPS-Totalprothetik mit System zum Ziel Verlag Neuer Merkur GmbH 2 BPS-Totalprothetik Impressum dl-Technik-Edition Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. © 2003 Verlag Neuer Merkur GmbH Verlagsort: Postfach 46 08 05, D-80939 München Alle Urheberrechte vorbehalten. Vervielfältigungen bedürfen der besonderen Genehmigung. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle in dieser Veröffentlichung enthaltenen Angaben, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und von ihm und dem Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. 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Seine Häufigkeit wird zwar mittelfristig abnehmen, seine Behandlung, die Eingliederung eines vollständigen Zahn- und partiellen Kieferersatzes, aber unverändert Teil des Zahntechnikerhandwerks in Mitteleuropa bleiben. Die Behandlung der Zahnlosigkeit ist stets eine Kooperation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker. Der Techniker ist dabei auf korrekte Arbeitsunterlagen des Zahnarztes angewiesen, er kann erwarten, dass ihm die notwendigen Informationen durch die Arbeit des Zahnarztes übermittelt werden. Der Arzt ist ohne die verlässliche Arbeit des Technikers gezwungen, Mehrarbeit und Korrekturen am Patienten durchzuführen, in der Regel eine zeitaufwändige und frustrierende Tätigkeit. Nur wenn beide Berufe aufeinander abgestimmt und die beteiligten Personen miteinander eingespielt sind, kann dem gemeinsamen Patienten optimaler Zahnersatz eingegliedert werden. Leider droht die Totalprothetik zu einem Stiefkind der Zahntechnik zu werden. Der ambitionierte Zahntechniker interessiert sich nicht selten mehr für ästhetische Keramikrestaurationen oder für hochpräzise Kombinationstechnik: Totalprothetik und „Kunststofftechnik“ wird dann schnell als etwas Minderwertiges angesehen. Schließlich wird – auch unter dem gegenwärtigen Kostendruck – die Kunststofftechnik mehr oder weniger gut angelernten Hilfskräften überlassen. Das Produkt ist dann leider auch häufig danach! In dieser Situation ist es wichtig immer wieder darauf hinzuweisen, dass Zahnersatz unabhängig von seinem ästhetischen oder technischen Aufwand immer nur Mittel zum Zweck ist. Und dieser besteht einzig und allein darin, dem kranken Patienten die bestmögliche Hilfe anzubieten. Ziel ist die Zufriedenheit des Patienten und nicht, dafür möglichst raffinierte Technik anzuwenden! In dem vorliegenden Buch hat Zahntechnikermeister Fiedler zahntechnische Arbeitsschritte sowie grundlegende werkstoffkundliche Aspekte der Totalprothetik detailliert und sorgfältig zusammengestellt. Er fragt stets, was kann aus der Theorie für die praktische Anwendung als hilfreich und zweckmäßig extrahiert werden? So entstand ein Kompendium der Totalprothetik, das nicht nur durch den geschriebenen Inhalt sondern auch durch die Qualität der Abbildungen beeindruckt. Dem Buch ist daher weite Verbreitung sowohl im Kreise der Zahntechniker als auch im Kreise der Zahnärzteschaft zu wünschen. Es ist außerdem bestens für den Unterricht im Zahntechnikerhandwerk wie im Studium der Zahnheilkunde geeignet. Prof. Dr. Jürgen Setz Halle, Januar 2003 BPS-Totalprothetik 3 4 BPS-Totalprothetik Vorwort dl-Technik-Edition Liebe Leserin, lieber Leser, BPS-Totalprothetik, was ist das eigentlich? B steht für Biofunktionalität, P für Prothetik und S für System. Es handelt sich also um das Biofunktionelle Prothetik System zur Erstellung von Zahnersatz, in diesem Fall für unbezahnte Kiefer. In kaum einer anderen Disziplin, außer bei der Implantologie, ist Teamarbeit so eminent wichtig wie zwischen Zahnarzt und zahntechnischem Labor bei der Versorgung von zahnlosen Patienten mit totalem Zahnersatz. Der Zahnarzt als Auftraggeber, welcher in der 1. Sitzung durch seine Erstabformungen und Registrate dem zahntechnischen Labor erste Arbeitsgrundlagen liefert, erwartet in der 2. Sitzung einwandfreie und zweckentsprechende individuell gefertigte prothetische Hilfsteile zur Erstellung der Funktionsabformungen und einer präzisen Bisslagenbestimmung. Aus diesen erstellt der Zahntechniker seinerseits exakte Meistermodelle, die patientenindividuell im Artikulator montiert werden. Der Zahntechniker wiederum erwartet vom Zahnarzt zweckentsprechende Angaben über die zukünftige Position, Form und Farbe der zur Anwendung kommenden Zähne, um einen natürlich wirkenden totalen Zahnersatz zu fertigen. Da der im zahntechnischen Labor arbeitende Zahntechniker in der Regel ausschließlich an leblosen, starren Gipsmodellen in mechanischen Artikulatoren aus Metall arbeitet und nur selten einen Patienten zu Gesicht bekommt, kann dieser sich häufig nicht vorstellen, wie seine prothetischen Hilfsteile funktionieren bzw. seine Zahnaufstellungen und Prothesen im Munde des Patienten wirken. Dieses Buch wendet sich sowohl an den Zahnarzt als auch an den Zahntechniker und wirbt um gegenseitiges Verständnis, um dem Behandlungsteam zeitraubende Korrekturen, Wiederholungen und unnötigen Ärger zu ersparen. Totalprothetik ist nicht nur ein schönes Hobby, sondern sie dient dem Zahnarzt und dem zahntechnischen Labor als ein Teilbereich des Berufs zum Broterwerb und muss aus diesem Grund so effizient wie möglich – sprich wirtschaftlich – sein. Mit der Systematik der BPS-Totalprothetik ist es möglich, effizient und mit voraussagbarem Erfolg ästhetischen und funktionellen totalen Zahnersatz zur Freude aller Beteiligten zu erstellen. dl-Technik-Edition Vorwort An Hand drei authentischer Patientenfälle wird diese Systematik aufgezeigt: Der 1. Patientenfall widmet sich diesen ineinander verwobenen Arbeitsabläufen und erläutert chronologisch in Step by Step-Manier die gesamten klinischen und zahntechnischen Abläufe von der Erstabformung bis zur Inkorporation der Totalprothesen. Für diesen Fall wurden die der Natur sehr nahe kommenden SR Antaris-Front- und SR Postaris-Seitenzähne mit ihrer Zahn-zu-Zahn-Beziehung verwendet. Beim 2. und 3. Fall wurden alle vorbereitenden Maßnahmen bis zu den montierten Funktionsmodellen im Artikulator und die Fertigstellung nicht nochmals wiederholt. Besonderen Wert wurde allerdings auf die patiententypische Zahnauswahl und die Beurteilung bei der Einprobe gelegt. Der 2. Patientenfall hat eine eugnathe Lage der Kiefer zueinander, wobei die SR Vivodent PE-Front- und SR Orthotyp (N)-Seitenzähne zur Anwendung kamen. Der 3. Patientenfall weist eine Kreuzbiss-Situation auf, bei dem der Orthotyp PE Seitenzahn in seiner K-Form verwendet wurde. Danksagung: An dieser Stelle darf ich vor allem Herrn Herbert Frick einen herzlichen Dank aussprechen, der die gesamten klinischen Arbeiten in der zahnärztlichen Praxis mit großem Enthusiasmus, Sachverstand, Einfühlungsvermögen und viel Geduld an den Patienten begleitet hat. Für einen geordneten und mit allen notwendigen Materialien und Instrumenten ausgestatteten Arbeitsplatz in der zahnärztlichen Praxis hat die Zahnarzthelferin Nicole Albrecht gesorgt und die Arbeit an den Patienten mit ihrem stets freundlichen Wesen unterstützt. Herzlichen Dank auch dafür. Obwohl mir das Fotografieren sehr viel Freude macht, kam ich dennoch nicht umhin, einige Aufnahmen vom Einschleifen der Prothesen von einer anderen Person anfertigen zu lassen. Herr Olivier Marco Delphino hat mich dabei mit seinem zahntechnisch geschulten Blick hilfreich unterstützt, wofür ich ebenfalls herzlich danke. Nicht zuletzt danke ich auch den Patienten, die sich bereitwillig für die Aufnahmen zur Verfügung gestellt haben, denn ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden. Kurt Fiedler Rühlingen, Februar 2003 BPS-Totalprothetik 5 6 BPS-Totalprothetik Inhalt dl-Technik-Edition Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Die soziale Bedeutung der Totalprothetik .........................................9 Mit System zum Ziel...............................................................................10 Das stomatognathe System und seine Funktionen .......................10 Kapitel 2 1. Patientenfall 1. Sitzung: Klinisches Vorgehen ............................................................13 1. Labortechnisches Vorgehen: ............................................................22 Funktionsbiss-Schablonen ...................................................................24 Möglichkeiten der Bisslagenregistrierung.......................................28 2. Sitzung: Klinisches Vorgehen ...........................................................32 Extraorale Registrierung mit dem UTS-Transferbogen .................36 Intraorale Pfeilwinkel-Registrierung .................................................37 Verschlüsselung des Registrats...........................................................42 Zahnauswahl ...........................................................................................43 Arbeitsunterlagen..................................................................................44 Farbbestimmung....................................................................................48 2. Labortechnisches Vorgehen..............................................................51 Ivocap-Modellmaterial..........................................................................54 Übertragung der Funktionsmodelle in den Stratos 200...............54 3. Labortechnisches Vorgehen.............................................................62 3. Sitzung: Klinisches Vorgehen...........................................................87 Beurteilungskriterien............................................................................88 4. Labortechnisches Vorgehen – Die Fertigstellung der Prothesen...................................................90 Ivocap-Injektionsverfahren .................................................................98 Reokkludieren ....................................................................................... 105 Ausarbeitung und Politur.....................................................................117 4. Sitzung: Klinisches Vorgehen .........................................................118 dl-Technik-Edition Kapitel 3 Inhalt 2. Patientenfall Zahnauswahl..........................................................................................125 Frontzahnaufstellung mit der Ästhetik-Schablone ......................127 Aufstellung nach Ästhetik-Schablone .............................................129 Mittelwertige Aufstellregeln ..............................................................131 Gestaltung und Modellation des Prothesenkörpers ....................143 Die Wachseinprobe – Gelegenheit für Korrekturen .....................145 Das Reokkludieren................................................................................148 Ausarbeitung, Politur und Abgabe der Prothesen ........................159 160 Kapitel 4 Inkorporation......................................................................................... 3. Patientenfall Der Kreuzbiss........................................................................................ 166 Zahnauswahl .........................................................................................168 Zahnaufstellung.....................................................................................171 Aufstellung der unteren Kreuzbisszähne ........................................177 Wachs-Einprobe....................................................................................186 Fertigstellung ........................................................................................188 Inkorporation der Prothesen..............................................................195 Stichwortverzeichnis....................................................................................................201 BPS-Totalprothetik 7 dl-Technik-Edition Kapitel 1 Die soziale Bedeutung der Totalprothetik Totalprothesen sollen durch eine unkomplizierte Nahrungsaufnahme zur Lebensfreude beitragen (Funktion). Der Patient erhält einen ansprechenden natürlichen Gesichtsausdruck (Ästhetik), durch den er sich in seinem sozialen Umfeld wohlfühlen kann (sozialpsychologische Integration). Was haben ein Totalprothesenträger und ein Baby (Abb. 1 und 2) gemeinsam? Diese Frage würde der Laie wohl mit „Beide haben keine Zähne“ beantworten. Bei näherer Betrachtung wissen wir, dass sich beim Baby noch keine natürlichen Zähne in der Mundhöhle befinden, weil die Dentition des temporären Gebisses, auf die eine zweite Dentition für das permanente Gebiss folgt, erst noch bevorsteht. So mancher Zahnlose wünscht sich sicher, wenn auch vergeblich, noch weitere Dentitionen. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage gibt uns folgende Geschichte: Abb. 1 Baby ohne Zähne, noch vor der Dentition 1 BPS-Totalprothetik Abb. 2 Zahnloser Totalprothesenträger 9 10 BPS-Totalprothetik Kapitel 1 Ein Junge, der am gemeinsamen Abendessen der Familie seines Schulfreundes teilnahm, erlebte eines Tages einen Schock: Aus dem lebensfrohen, vitalen Vater war urplötzlich ein alter Mann mit eingefallenen Lippen und vorstehendem Unterkiefer geworden. Das sonst so herzhafte Lachen und die Freude an den Späßen mit den Kindern waren verschwunden. Er wirkte seltsam zurückgezogen und beim Versuch zu Lachen hielt er aus Verlegenheit immer wieder die Hand vor den Mund. Auch hatte sich die Sprache so merkwürdig verändert und das Gesagte wurde unverständlich. Anstatt der gewohnten Mahlzeit, die sonst aus Kartoffeln, Gemüse und einem Stückchen Fleisch bestand, bekam der Vater einen durchgesiebten Brei serviert. Was war geschehen? Die zerbrochene Oberkieferprothese des zahnlosen Vaters war über Nacht zur Reparatur beim Zahnarzt geblieben. Zahnlosigkeit hat gravierende Auswirkungen auf den Betroffenen und sein soziales Umfeld. Der Verlust der eigenen Zähne, der Abbau der Alveolarfortsätze und Veränderungen im stomatognathen System nehmen einem Menschen – unabhängig vom Alter – Kaufunktion, natürliche Sprache, äußeres Erscheinungsbild und Lebensqualität. Diese Veränderungen wirken sich auch auf die Psyche des Betroffenen aus und können bis zum Rückzug aus dem sozialen Umfeld führen. Durch die eingeschränkte Nahrungsaufnahme wird sich der Betroffene nur noch einseitig ernähren können. Dem Körper fehlen lebenswichtige Nährstoffe; der Organismus wird nicht mehr richtig versorgt, und es kommt zu entsprechenden Folgekrankheiten. Aus diesem Grunde ist die Wiederherstellung der verloren gegangenen oder eingeschränkten Funktionen durch richtig gestaltete Totalprothesen von großer Wichtigkeit. dl-Technik-Edition Mit System zum Ziel Bei der Rekonstruktion zum Beispiel einer Einzelkrone im Frontzahngebiet sind bestimmte Gegebenheiten wie Zahnstumpf, Zahnform, Oberflächentextur, Glanzgrad, Kontaktpunkte, Gegenbezahnung, Zahnfarbe etc. vorgegeben. In diesem Fall wird ein Zahn spiegelbildlich kopiert, was an dieser Stelle, wie die Eingeweihten wissen, nicht unterschätzt werden soll. Bei der Anfertigung von Totalprothesen gibt es nur vage Anhaltspunkte über die ursprüngliche Position der Zähne. Durch neue Totalprothesen wird auf jeden Fall das Gesicht und somit die Physiognomie des zahnlosen Menschen verändert. In welche Richtung dies geschieht, wird vom Prothetiker beeinflusst. Der Keramiker kopiert, der Totalprothetiker kreiert Zahnersatz. Die Systematik der BPS-Totalprothetik hat das Ziel, dem Behandler in der Zahnarztpraxis und dem Zahntechniker im Dental-Labor eine zeitsparende und sichere Vorgehensweise mit den geeigneten Materialien, Instrumenten und Geräten an die Hand zu geben; um hygienische, ästhetische und kaufunktionstüchtige Totalprothesen zu erstellen, die ein ungestörtes Sprechen (und Singen) erlauben und den zahnlosen Menschen wieder in sein soziales Umfeld integrieren. Nicht zuletzt geben wir dem Patienten damit sein Lächeln wieder. Das stomatognathe System und seine Funktionen Das komplexe stomatognathe System (Einfügung) ist ein harmonisches Wirkungsgefüge (Abb. 3 und 4) und gibt gerade für die Herstellung von totalem Zahnersatz wichtige Werte und Größen vor. Die Prothesen müssen sich harmonisch in ein kompliziertes Netzwerk integrieren: l das knöcherne Prothesenfundament mit seinen umgebenden Weichgeweben, l die Lippen-, Wangen-, Zungen- und Kaumuskulatur, l das Kiefergelenk und der Bandapparat l die Speichelkonsistenz (Abb. 3 und 4). dl-Technik-Edition Abbeißen, kauen, einspeicheln und schlucken Mit der Prothese muss der Patient die Nahrung abbeißen und zerkleinern können. Der aufgenommene Bissen muss durch die Funktion der Kaumuskeln mit Hilfe der Lippen-, Wangen- und Zungenmuskulatur zwischen den Mahlkammern der Molaren zerkleinert, eingespeichelt, gedreht und gewendet werden können, so dass der Speisebolus gut vorbereitet durch die Speiseröhre in den Magen-/Darmtrakt gelangen kann. Kapitel 1 BPS-Totalprothetik Speichelfunktion „Gut gekaut ist halb verdaut!“ spricht der Volksmund. Der Speichel dient neben der Vorverdauung auch dazu, den Speisebolus zu formen und macht diesen schluckbereit. Die Konsistenz des Speichels (viskös oder flüssig) trägt aber auch wesentlich zum adhäsiven Halt der Prothesen bei, was sich bei einem eher viskösen Speichel vorteilhaft auswirkt. Abb. 3 und 4 Harmonisches Wirkungsgefüge des stomatognathen Systems 11 12 BPS-Totalprothetik Kapitel 1 dl-Technik-Edition Abb. 5 Das kann nicht zum Erfolg führen Sprachfunktion (Phonetik) Der Patient muss mit den eingegliederten Prothesen störungsfrei sprechen können. Die Zähne sind so zu platzieren, dass die Bildung der verschiedenen Laute ohne Veränderung der patientenindividuellen Sprache möglich ist. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass für die Lautbildung ein komplexes, harmonisches Zusammenspiel von Lippen-, Wangen- und Zungenmuskulatur im Zusammenwirken mit Mundöffner und Mundschließer, mit der Zahnstellung und der Ausformung des Prothesenkörpers erforderlich ist. Von besonderer Wichtigkeit sind hier die Bildung von S- und F- Lauten, die wertvolle Hinweise für die Platzierung der oberen und unteren Frontzähne liefern. Bewegungsfunktion Die oben genannten Bewegungsfunktionen werden durch die Mimik, wie etwa Lachen und Gähnen, erweitert. Hierbei dürfen die Prothesen mit ihrer Basis, den Prothesenkörpern und den Zähnen, die muskulären Bewegungen nicht beeinflussen. Die Prothesen müssen sicher und in Ruhe an ihrem Platz bleiben und dürfen keine Schmerzen durch Scheuern oder Druckstellen verursachen; bei einer oberen Totalprothese ist dies einfacher zu realisieren als im Unterkiefer. Um so wichtiger ist es, die Prothesenkörper so zu gestalten, dass diese durch das Zusammenspiel der Muskeln stabilisiert werden. Hierbei spielt die Funktion der akzessorischen Kaumuskulatur eine nicht zu unterschätzende Rolle. Funktion des Parodontiums Im Parodontium ist der Zahn leicht beweglich in den Alveolarfortsätzen aufgehängt. Das Tastempfinden hat die wichtige Aufgabe, die beteiligten Weich- und Hartgewebe vor Überlastung zu schützen. Der Totalprothesenträger hat – bedingt durch die Zahnlosigkeit – kein Parodontium mehr, diese Aufgabe wird jedoch, wenn auch in abgeschwächter Form, von der Gingiva mit ihren sensiblen Nerven übernommen. Dies geschieht vor allem in der Frontzahn-Region, die das Prothesenlager vor unerwünschten Schubkräften schützt, die zum frühzeitigen Kieferkamm-Abbau führen können. Eine anspruchsvolle Technik Totalprothetik ist eine anspruchsvolle Technik, die allen Beteiligten Wissen, Zeit und Hingabe abverlangt. Wenn die oben angesprochenen Kriterien erfüllt werden sollen, kann man sich leicht vorstellen, dass dies nicht, wie auf einem amerikanischen Werbeplakat angepriesen, an einem Tag zum erwünschten Erfolg führen kann (Abb. 5). Die Verwendung von Haft-Cremes sollte der Vergangenheit angehören. Dennoch werden große Mengen dieser Haftmittel jährlich verkauft.