42 43 Nekrologe. Ln,ngley. die außerordentlich rasch verlaufenden elektrischen Erscheinungen des erregten Warmblüternerven registriert und damit die Anschauung gesichert, daß sich bei jeder Nervenerregung, sowohl bei psychischen Prozessen als bei automatischen Regulierungen im Organismus, ein elektrischer Vorgang abspielt. Durch seine mit größter Sorgfalt ausgeführten Untersuchungen über die Beziehungen des mechanischen Ausdrucks der Tätigkeit des Muskels oder Herzens zu dem elektrischen hat er die bisherige Meinung, daß die Entwicklung des elektrischen Stroms zeitlich vor der Kontraldion erfolgt, gebrochen. Man kann also den eigentlichen Erregungsvorgang von der Kontraktion nicht trennen. Ebenso bedeutungsvoll für unsere Grundanschauung über die physikalisch- chemischen Vorgänge in dem Muskel und Nerven sind seine Untersuchungen über die Erregung der Nerven durch Wechselströme. Sie bilden eine wesentliche Unterlage für die N ernstsehe 'fheorie der N ervenerregung. Bis in die letzten Tage seines Lebens arbeitete Einthoven rastlos an der Verbesserung seiner Methodik. Er hat die Dicke der Quarzsaiten bis auf das unglaubliche Maß von 0,0001 mm, d. h. 1/4 Wellenlänge des violetten Lieh tes, verringert. Er liebte es nicht, mit unfertigen Arbeiten herauszukommen und hat ihre Veröffentlichung oft über viele Jahre hinausgeschoben. Was aber bis jetzt von dem neuen Saitengalvanometer bekannt geworden ist, eröffnet ganz neue Ausblicke. Ein wichtiges Ergebnis haben diese Bestrebungen auf dem Gebiet der akustischen Registrierung erzielt. Stellt man die feine Saite in eine Schall welle, so bewegt sie sich synchron mit den Schwingungen der Luftteilchen. Ein derartiger • Saitenphonograph" zeichnet Töne bis zu einer Frequenz von 30 000 in der Sekunde gut auf und ermöglicht dadurch eine neue objektive Bestimmung der oberen Hörgrenze. Einthovens strenger Gerechtigkeitssinn hat in ihm ein tiefgehendes Gefühl für das Schicksal des deutschen Volkes nach dem Krieg hervorgerufen. Er hat dem durch wiederholte Teilnahme an den deutschen physiologischen Tagungen und durch werktätige Hilfe Ausdruck verliehen. Wir sind ihm hiefür ebenso wie für die Gaben seiner Forschung zu stetem Dank verpflichtet. John Langley, korrespondierendes Mitglied der mathematischnaturwissenschaftlichen Abteilung, ist am 5. November 1925 gestorben. Langleys wissenschaftliche Tätigkeit nimmt im Jahre 1876 ihren Ausgangspunkt von Untersuchungen über die Wirkung von Giften auf die Speichelsekretion. Langley läßt hier ebenso wie bei seinen späteren Forschungen das Tierexperiment in ständige Fühlung mit der anatomischen .Analyse treten. Er stellt die histologische Veränderung der Drüsenzellen fest, die bei ihrer Tätigkeit erfolgt, sucht den Ort zu ermitteln, an dem die Gifte innerhalb der Zelle angreifen und zieht RückschlUsse auf die allgemeine Struktur der Zellen. Im .Anschluß hieran behandelt er die Frage nach der Wirkungsweise der Fermente. Es gibt wohl keinen schärferen Beweis für die Existenz der Profermente als den von Langley für das Pepsinogen erbrachten. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Leistungen liegt seit 1890 auf dem Gebiet der Physiologie der nervösen Organe, vor allem des Teils, der die unwillkürliche Muskulatur und die Drüsen des Organismus versorgt. Zur .Analyse dieses vor ihm wesentlich nur descriptiv behandelten Systems hat sich Langley eine klassisch gewordene Methode ausgebildet. Er verwendet das Nikotin zur funktionellen Trennung der einzelnen Abschnitte des in scheinbar unauflösbarer Komplikation verbundenen Systems. Auf Grund von äußerst mühsamen Einzeluntersuchungen kommt er zu einer abschließenden Auffassung Uber seinen Gesamtaufbau. Er faßt das ganze Nervengebiet unter dem Namen "autonomes System" zusammen. Seine Gliederung wird durch den Satz, den man als Langleysches Theorem bezeichnen kann, beschrieben, daß von der Ursprungszelle in dem Gehirn oder Rückenmark aus nur eine Ganglienzelle in den Verlauf der Bahnen bis zu den Muskeln oder DrUsen eingeschaltet ist. Streng bewiesen wird er von Langley für einige gut analysierbare Fälle und seine Richtigkeit für das ganze System so weit aufgewiesen, daß keine Tatsache ihm widerspricht. Die zentralen Leistungen des autonomen Systems werden gegenüber frUheren Behauptungen auf ihr richtiges Maß eingeschränkt. Es vermittelt keine wirklichen Reflexe, sondern nur von Langley als Axonreflexe bezeichnete funktionelle Beziehungen. Unterstützt wird das Ergebnis dieser Untersuchungen durch parallel laufende Beobachtungen über Degeneration und Otto Frank. Wahlen. Nekrologe. Regeneration des Nervensystems. Alles wird dazu benutzt um Ordnung in das scheinbare Chaos zu bringen. Was die Langleysche Arbeitsweise auszeichnet ist die auserordentliche Zuverlässigkeit, die ja bei der Erforschung dieses dunklen Gebietes Alles bedeutet. Schon 1883 hat ihm deshalb Goltz die anatomische Untersuchung seines berühmt gewordenen großhirnlosen Hundes übertragen. Auch diese Arbeit Langleys ist von Bedeutung geworden, vor allem, weil sie der Ausgangspunkt für die erfolgreichen Untersuchungen Sherringtons über die Funktionen des Großhirns wurde. Die Sorgfalt Langleys wird nie zur Pedanterie, sondern stets läßt seine Forschung die große Linie erkennen, die zu den höchsten Zielen, der Aufhellung von physiologischen Grundprinzipien, führen soll. Nicht zu vergessen ist die erzieherische Seite von Langleys Tätigkeit. Sie hat zu der Ausbildung der ausgezeichneten physiologischen Schule in England wesentlich beigetragen, die der deutschen den so lange behaupteten Vorrang zu entziehen droht. Ebenso hoch muß sein allgemeiner Einfluß auf das physiologische Schriftwesen bewertet werden. U nahlässig ist von ihm auf Kürze der Darstellung gedrungen worden bis zu einem Grade, daß eine gewisse noch jetzt bei seinen Kollegen nachhallende Auflehnung eingetreten ist. Mittelbar hat er so auch den langatmigen überflüssig breiten Stil der deutschen Physiologie zum Verschwinden gebracht, sehr zum Vorteil der Wirkung der V eröffentlichungen. Otto Frank. 45 In der allgemeinen Sitzung am 18. Februar 1928 wurden folgende Wahlen vollzogen: Philosophisch-philologische Klasse: als korrespondierende Mitglieder: Dr. H. Idris Bell, Assitant Keeper an der Bibliothek des Britischen Museums, London. Dr. Rudolf M u eh, o. Professor für germanische Sprachgeschichte und Altertumskunde an der Universität Wien. D1·. Giorgio Pas q u ali, Professor für klassische Philologie an der Universität Florenz. Dr. Cuthbert Hamilton Turner, Professor für Theologie an der Universität Oxford. Dr. Feodor Iwanovic U spenskij, Professor für byzantinische Geschichte an der Universität Leningrad. Historische Klasse: als ordentliches Mitglied: Dr. Karl Alexander v. Müller, Oberregierungsrat, Honorarprofessor für Geschichte an der Universität München. Mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung: a) als ordentliche Mitglieder: Dr. Max Borst, Geh. Medizinalrat, o. Universitäts-Professor für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, Vorstand des Pathologischen Instituts der Universität München.