Foto: Marlies Kross 30 Architektur beschreibt der Direktor des Sprengel Museums in Hannover die Attitüde einiger Baumeister. „Natürlich sollte Museumsarchitektur immer eine ästhetische Dimension haben. Wenn man dann noch Glück hat, stimmen Form und Funktion.“ Nun erhält auch das Sprengel Museum mit seinen Schwerpunkten Deutscher Expressionismus und Französische Moderne einen neuen Erweiterungsbau. Hierbei handelt es sich bereits um die zweite Vergrößerung des 1979 eröffneten Hauses. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, die umfangreiche Cottbus: Vom Kraftwerk Sammlung an Arbeiten von Kurt Schwitzum Kunsttempel. ters und Niki de Saint Phalle endlich ihrer Bedeutung gemäß zu präsentieren sowie internationale Sonderausstellungen auszurichten. Schon das ursprüngliche Gebäude zeichnete sich durch eine sehr zurückhaltende Architektursprache aus, Dieser hatte einige seiner wichtigsten Werke in Halle geschafdie darauf bedacht war, sich in die urbane Umgebung einzugliefen. Der respektvolle Umgang mit dem Vorhandenen und dern. Dieser Ansatz soll mit dem Erweiterungsbau evolutionär das vorsichtige Setzen moderner architektonischer Akzente fortgesetzt werden und mit dazu beitragen, die Philosophie des machten die Moritzburg zu einer ganz besonderen AttraktiHauses zu betonen. „Ursprünglich war eine Spiegelglasfassade on. Die Kombination von Gewölben aus der Frührenaissance, vorgesehen, die sich aber im Verlaufe der Planungen als wenig dem Flügel der Westruine mit seinem dominanten Mauerwerk geeignet herausgestellt hatte“, skizziert Krempel die Vorgesowie den neuen Ausstellungsflächen, die als weiße Boxen von schichte des Vorhabens. „Jetzt entsteht eine Fassade aus Beton, die durch gestalterische Eingriffe eine Struktur erhält und der Dachkonstruktion abgehängt sind, ist in ihrer Art wohl einzigartig. „Die klassische Abfolge von Raum auf Raum gibt damit aufgewertet wird.“ Rampen- und Treppenspirale verbinden die verschiedenen Ebenen des Gebäudes miteinander. Zwar es bei uns einfach nicht“, erklärt die Direktorin. „Das erzeugt bleibt die Raumfolge im Ausstellungstrakt den klassischen eine ganz besondere Spannung für den Museumsbesucher.“ Prinzipien verpflichtet, doch verleiht ihnen das Konzept der Diese scheinen das Konzept zu honorieren. „Seit der Eröffnung „Tanzenden Räume“, das sich durch unterschiedliche Formate und Deckenhöhen auszeichnet sowie aufgrund leichter Drehungen einen ganz besonderen Rhythmus erzeugt, eine gewisse Eigenständigkeit. Darüber hinaus erlauben verglaste Loggien einen Blick auf den nahen Maschsee. „Die Diskussionen über den Erweiterungsbau haben deutlich gemacht, dass die vor vier Jahren haben sich unsere Zahlen fast verdoppelt“, so Öffentlichkeit hoch sensibel reagiert, wenn es um die architekSchneider nicht ohne Stolz. „Natürlich sind wir uns bewusst, tonische Gestaltung ihres Museums geht“, lautet die Erfahrung dass das Konzept Moritzburg nicht beliebig kopierbar ist.“ des Sprengel-Direktors. „Genau deshalb haben wir uns für eine Aber als Alleinstellungsmerkmal erfüllt das architektonische Lösung entschieden, die mehr auf die Eleganz des Gebäudes Konzept auf jeden Fall seinen Zweck. setzt als auf ein optisches Spektakel.“ „Vielleicht lassen sich die Museumsbauten der letzten Eine ganz besondere Historie hat auch das Kunstmuseum Diezwanzig Jahre als Ausdruck einer Gesellschaft deuten, die selkraftwerk Cottbus. „Früher waren wir in einem ehemaligen keine Kathedralen mehr baut“, lautet Prof. Dr. Ulrich KremTextilkaufhaus in der Fußgängerzone der Stadt untergebracht“, pels Erklärung, warum häufig die Optik neuer Gebäude im erinnert sich Carmen Schliebe. Doch irgendwann reichte der Mittelpunkt steht und nicht ihre Inhalte. „Manche Architekten Platz nicht mehr aus. „Unser Haus ist im Jahr 1977 ins Leben gehen sogar so weit und planen, wo welches Bild hängen soll“, Verdopplung der Besucherzahlen durch Neubau. Architektur 31 Klamme Kassen verlangen kreative Lösungen. gerufen worden und war damit eine der drei Kunstmuseumsgründungen der DDR“, so die amtierende Direktorin. Schließlich umfassen die früheren Brandenburgischen Kunstsammlungen, die es jetzt unter der Trägerschaft der Brandenburgischen Kulturstiftung zu beherbergen galt, über 23.000 Werke, darunter eine wohl einmalige internationale Plakatsammlung mit vielen Raritäten aus der Zeit nach den sechziger Jahren, als die Gebrauchsgrafik der Kino- und Theaterwelt einen Höhepunkt erreichte. „Da braucht man viel Ausstellungsfläche“, so Schliebe. „Und die fanden wir in dem ehemaligen Dieselkraftwerk.“ Dieses liegt auf einer Spreeinsel im Stadtzentrum und ist ein beeindruckendes Industriedenkmal, das Ende der zwanziger Jahre vom Berliner Architekten Werner Issel im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfen wurde. „Die Standortwahl war eine kluge Entscheidung“, ist sich Schliebe sicher. „Zumal das Gebäude nahe des Amtsteiches inmitten einer Parklandschaft eingebettet ist.“ Dem Besucher fallen sofort die schlanken hohen und orangerot gefassten Fensterbahnen auf, die dem massiven Industriebau eine gewisse Leichtigkeit verleihen. Ein weiterer optischer Effekt geht von den alten Klinkerfassaden aus, deren Farben je nach Sonneneinstrahlungen zwischen Weinrot und Violett changieren. „Selbstverständlich erforderte der Umbau des alten Dieselkraft- werks in ein modernes Kunstmuseum zahlreiche Kompromisse“, weiß Schliebe zu berichten. „Schließlich gilt es Beleuchtung, Klimatisierung und Sicherheitstechnik unterzubringen.“ Trotzdem ging man behutsam mit der alten Bausubstanz um. „So ermöglichte die Integration zweier Kuben genau die großflächigen weißen Wände, die wir für unsere Ausstellungen brauchen“, skizziert sie die Umbaumaßnahmen. „Letztendlich hat sich der Aufwand gelohnt“, lautet ihr Fazit nach vier Jahren. „Wir werden völlig anders wahrgenommen als früher. In manchen Monaten haben wir dreimal mehr Besucher als früher. Viele kommen ursprünglich nicht wegen der Kunst, sondern weil sie von dem Industriedenkmal Dieselkraftwerk gehört haben. Dann entdecken sie unsere Ausstellungen und sind oft ganz begeistert.“ Gerade in Zeiten klammer Kassen macht es durchaus Sinn, auf architektonisch interessante und nicht mehr genutzte Zweckbauten zurückzugreifen. Insbesondere auch deshalb, weil der Trend, Museumsneubauten immer öfters von denselben prominenten Baumeistern entwerfen zu lassen, zu einer Uniformität in der Architekturlandschaft geführt hat. Alle setzen auf den BilbaoEffekt. Die von Frank O. Gehry spektakulär geformte und kühn konstruierte Guggenheim-Dependance hatte der darbenden Hafenstadt in Nordspanien nach seiner Eröffnung 1997 einen wahren Touristenboom beschert. Doch je häufiger das Konzept kopiert wird, desto eher bleibt das Alleinstellungsmerkmal dabei auf der Strecke. „Das kann unserem Haus natürlich nicht passieren“, glaubt Schliebe. 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