RESSORT JUGENDAMT UND SOZIALE DIENSTE FACHBEREICH KINDER- UND JUGENDHILFE Aktions-Team ”Umsetzung des Konzeptes im Bereich Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen Kinder und Jugendlichen” Umsetzungs-Konzept im Bereich Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen November, 2000 Inhalt I. Teamauftrag Seite 4 II. Einleitung Seite 5 III. Vorschläge zum weiteren Verfahren Seite 5 IV. Umsetzungsvorschläge zum Fazit aus dem „Konzept im Bereich Kinderund Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen“ 1. Qualifizierung der Fachkräfte in der Jugendhilfe Seite 7 1.1 bis 1.3 Basisqualifizierung zur Problematik des sexuellen Missbrauchs: Qualifizierungskonzept 201.0, Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe des Ressorts Jugendamt und soziale Dienste 1.4 und 1.8 Berufsfeldbezogene Ansätze in der Fortbildungsarbeit: Auflistung der Anbieter/innen von Qualifizierung für Fachkräfte 1.5 bis 1.7 Indikatoren und Konzepte für Kollegiale Beratung, Supervision und Berufsgruppen 1.9 Vorschläge für berufsfeldübergreifende Fachtagungen 2. Grundsätzliches Seite 26 2.1 Vorschläge zur Einbeziehung, Förderung und Absicherung geschlechtsspezifischer Ansätze in die Arbeit 2.2 Situationsbeschreibung der Arbeit mit ausländischen Mädchen und Jungen 2.3 Vorschläge zur Berücksichtigung altersspezifischer Unterschiede: Qualifizierung im Kleinkindbereich 2.4 Standards und Rahmenbedingungen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen 2.5.1 Vorschläge für den Umgang mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen (jugendlichen Täter/innen) 2.5.2 Sicherheit, Gewaltfreiheit und Selbstbestimmung für Mädchen und Jungen in Einrichtungen der Jugendhilfe 2.6 Konzeption und Rahmenbedingungen für eine Kontakt-, Informations- und Anlaufstelle 2.7 Konzeption und Rahmenbedingungen für eine zentrale Telefonnummer für Mädchen und Jungen 3. Prävention 3.1 Vorschläge für Primär-Präventive Angebote vorrangig bei der Familiengründungsphase 2 Seite 53 3.2.1 Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaterialien für Mädchen und Jungen 3.2.2 Sonstige öffentlichkeitswirksame Aktionen 4. Beratung und Krisenintervention Seite 63 4.1.1 und 4.2 Zugang zu Soforthilfen in Beratungsstellen und Anspruch auf Beratung 4.1.2 und 4.2 Zielgruppenorientierte Ansprache 4.1.3 und 4.2 Anregung stadtteilorientierter Hilfe 4.3.1 Differenzierte Verfahrensweisen für Rechtsberatung bei Fachkräften und Informationen für Hilfesuchende 4.3.2 Konzept für die Prozessbegleitung kindlicher und jugendlicher Opfer-Zeugen (Jugendschutzverfahren) 4.5.1 Kapazitäten und Differenzierung im Bereich Diagnostik: Standards für Diagnostik 4.5.2 Kapazitäten und Differenzierung im Bereich Diagnostik: Differenzierung Diagnostik/Therapie 4.6 und 5.6: Rahmenkonzept für eine Kinderschutzambulanz (KSA) am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Wuppertal 5. Schutz und Zuflucht Seite 83 5.1 Geschlechtsdifferenzierte institutionelle Kinder- Notaufnahme bzw. Jugendschutzstelle 5.2 Sicherstellung der Qualifizierung für Bereitschaftspflegefamilien 5.3 Entwicklung von Handlungskonzepten für den Umgang mit Mädchen und Jungen bei Aufnahme in stationäre Unterbringung 5.4 Medizinische Hilfen bei Kinderärzten/innen 6. Hilfen zur Aufarbeitung Seite 86 6.1 Koordination der Angebote und Vorschläge zur Qualitätssicherung therapeutischer Angebote 6.2 und 6.3 Gruppentherapeutische Angebote, auch mit Hilfe von trägerübergreifender Kooperation 6.4 Selbsthilfegruppen 7. Vernetzung Seite 89 7.1 und 7.2 Weiterentwicklung des AK ”sexueller Missbrauch” und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei und Justiz 7.3 Qualifizierungskonzept für Hilfeplanung 3 I. Teamauftrag Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe Aktions-Team "Umsetzung des Konzeptes Sexueller Missbrauch" Auftraggeber Management-Team Kinder und Jugendhilfe Team Auftrag Die Verwaltung wurde vom Jugendhilfeausschuss, dem Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit und dem Fachgremium Frauenförderung beauftragt, unter Beteiligung der freien Träger der Jugendhilfe ein Team einzurichten, das eine Vorgehensweise zur Umsetzung für die unter dem Punkt ”Fazit” aufgeführten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des bestehenden Hilfesystems in Wuppertal erarbeitet. Teamstart 21.4.98 Hintergrund Auftrag des Jugendhilfeausschusses, Geschäftsbereichsausschusses Soziales und Gesundheit, Fachgremiums Frauenförderung an die Verwaltung Teammitglieder Dagmar Künstler, Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe des Ressorts Jugendamt und Soziale Dienste (Teamleiterin) Roswitha Bocklage, Gleichstellungsstelle für Frauenfragen (Co-Leiterin) Angelika Blind-Osenberg, Diakonisches Werk Elberfeld Bärbel Hoffmann, Diakonisches Werk Barmen Irene Kaminski, Sozialdienst katholischer Frauen Barmen Annelore Klemmer, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Hannelore Osygus-Prüss, Sozialdienst katholischer Frauen Elberfeld Karin Pöhler, Arbeiterwohlfahrt Barbara Reinke, Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe im Ressort Jugendamt und Soziale Dienste Christine Schmidt, Jugendhilfeplanerin im Ressort Jugendamt und Soziale Dienste Sabine Schröder, Caritas in Wuppertal 4 II. Einleitung Das vorliegende Konzept orientiert sich an den Arbeitsergebnissen des Projekt Teams „Sexueller Missbrauch“. Die im Fazit des „Konzeptes im Bereich Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen“ dargestellten Vorschläge wurden vom Aktions-Team „Umsetzung des Konzeptes sexueller Missbrauch“ bearbeitet. Die Ergebnisse liegen hiermit vor. III. Vorschläge zum weiteren Verfahren Die Vorschläge zum weiteren Verfahren beziehen sich auf drei Schwerpunkte • die Umsetzung der Standards bei den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe • die Umsetzung der Konzepte für einzelne Einrichtungen und Dienste • die Weiterentwicklung von Anregungen des Teams Umsetzung von Standards im Umgang mit dem Thema Standards sind entwickelt worden in den Bereichen • Basisqualifizierung für Fachkräfte • Konzepte für Kollegiale Beratung, Supervision und Berufsgruppen • Förderung und Absicherung geschlechtsspezifischer Ansätze in der Arbeit • Vorschläge zur Berücksichtigung altersspezifischer Unterschiede • für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen • für den Umgang mit jugendlichen Täter/innen • für die Diagnostik • Qualitätssicherung therapeutischer Angebote • Qualifizierung der Hilfeplanung Damit die Vielzahl der Standards sukzessive umgesetzt werden können, wird vorgeschlagen eine Selbstverpflichtung der Träger herbeizuführen. Diese Selbstverpflichtung sollte Angaben zum Themenbereich, der Verfahrensweise, der Rahmenbedingungen und einen zeitlichen Ablauf enthalten. Die Selbstverpflichtung der Träger kann über den Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” begleitet werden. Wir empfehlen dem Arbeitskreis eine konkrete Umsetzungsplanung mit den Trägern zu vereinbaren. Umsetzung der einzelnen Konzepte Folgende Konzepte wurden entwickelt und z.T. von den politischen Gremien zur Kenntnis genommen: • Weiterentwicklung des AK ”sexueller Missbrauch” und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei und Justiz1 • Rahmenkonzept für eine Kinderschutzambulanz (KSA) am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Wuppertal2 • Konzeption und Rahmenbedingungen für eine Fachstelle „Keine Gewalt gegen Kinder“ • Konzeption und Rahmenbedingungen für eine zentrale Telefonnummer für Mädchen und Jungen 1 2 Von den Gremien bereits verabschiedet und umgesetzt Von den Gremien bereits verabschiedet und in Umsetzung begriffen 5 • Konzept für die Prozessbegleitung kindlicher und jugendlicher Opfer-Zeugen (Jugendschutzverfahren) Nach Beschlussfassung der weiteren Konzepte in den politischen Gremien muss eine Umsetzung der Konzepte erfolgen. Hierfür wird folgende Prioritätenfolge der Umsetzung vorgeschlagen. 1. Konzeption und Rahmenbedingungen für eine Fachstelle „Keine Gewalt gegen Kinder“ 2. Konzeption und Rahmenbedingungen für eine zentrale Telefonnummer für Mädchen und Jungen 3. Rahmenkonzept für eine Kinderschutzambulanz (KSA) am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Wuppertal3 4. Konzept für die Prozessbegleitung kindlicher und jugendlicher Opfer-Zeugen (Jugendschutzverfahren) 5. Weiterentwicklung des AK ”sexueller Missbrauch” und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei und Justiz4 Anregungen des Aktions-Teams zur Weiterentwicklung im AK „Hilfen bei sexueller Gewalt“ Folgende Anregungen werden zur Weiterentwicklung an den Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” übergeben: 1. Vorschläge für berufsfeldübergreifende Fachtagungen (Punkte 1.4. und 1.8 im Konzept) 2. Arbeit mit ausländischen Mädchen und Jungen (Punkt 2.2 im Konzept) 3. Arbeit mit Mädchen und Jungen mit Behinderungen (Punkt 2.4 im Konzept) 4. Zielgruppenspezifische Angebote bzw. Öffentlichkeitsarbeit (Punkt 4.1.2 und 4.2 im Konzept) 5. Anregung stadtteilorientierter Hilfe (Punkt 4.1.3 und 4.2 im Konzept) 6. Differenzierte Verfahrensweisen für Rechtsberatung bei Fachkräften und Informationen für Hilfesuchende (Punkt 4.3.1 im Konzept) 7. Kapazitäten und Differenzierung im Bereich Diagnostik (Punkt 4.5.1 und 4.5.2 im Konzept) 8. Geschlechtsdifferenzierte institutionelle Kinder-Notaufnahme bzw. Jugendschutzstelle (Punkt 5.1 im Konzept) 9. Qualifizierung von Bereitschaftspflegefamilien (Punkt 5.2 im Konzept) 10. Handlungskonzepte für den Umgang mit Mädchen und Jungen bei Aufnahme in stationäre Unterbringung (Punkt 5.3 im Konzept) 11. Medizinische Hilfen bei Kinderärzten/innen (Punkt 5.4 im Konzept) 12. Koordination der Angebote und Vorschläge zur Qualitätssicherung therapeutischer Angebote (Punkt 6.1 im Konzept) 13. Gruppentherapeutische Angebote, auch mit Hilfe trägerübergreifender Kooperation (Punkt 6.2 und 6.3 im Konzept) 14. Selbsthilfegruppen (Punkt 6.4 im Konzept) Aufgrund der Vielzahl der notwendigen Kooperationspartner konnten nur allgemeine Aussagen zu den vorgenannten Themen gemacht werden. Eine vertiefende Auseinandersetzung und Entwicklung von Konzepten erscheint somit in Anbindung an den Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” sinnvoll. Diese Themen sollten bei dem geplanten Workshop des ”Arbeitskreises Hilfen bei sexueller Gewalt” eingeplant und mit in die Prioritätenliste aufgenommen werden. 3 4 6 Von den Gremien bereits verabschiedet und in Umsetzung begriffen Von den Gremien bereits verabschiedet und umgesetzt IV. Vorschläge zum Fazit aus dem „Konzept im Bereich Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen“ 1. Qualifizierung der Fachkräfte in der Jugendhilfe Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 1.1 Zielorientierung: Umsetzung der in diesem Konzept entwickelten Positionierung in verbindliche, einrichtungsinterne und überinstitutionelle Handlungskonzepte. 1.2 Mindestanforderung an jeden Dienst und jede Einrichtung, eine zum Thema qualifizierte Mitarbeiter/in, die ihr Wissen in Teamentscheidungen einbringen kann. 1.3 Basisqualifizierung zur Problematik des sexuellen Missbrauchs aller Mitarbeiter/innen der öffentlichen Jugendhilfe, die im Einzelfall über erzieherische Hilfen (mit-)entscheiden 1.4 Weiterführung und Ausbau berufsfeldbezogener Ansätze in der Fortbildungsarbeit möglichst unter Beteiligung themenkompetenter ortsansässiger Beratungsstellen und Vereine 1.5 Förderung kollegialer Beratungsmöglichkeiten 1.6 Sicherstellung von Supervision für die Mitarbeiter/innen, die mit Betroffenen oder deren Vertrauenspersonen arbeiten 1.7 Unterstützung und Förderung von Berufsgruppen, zur gegenseitigen Fallberatung, Entlastung und Qualifizierung durch Koordinierung mittels einer Ansprechpartner/in, sowie offizieller Anerkennung als Arbeitszeit 1.8 thematische Fortführung des Fortbildungsangebotes verstärkt in Richtung Sexualpädagogik, geschlechtsspezifischer Fragestellungen, emanzipatorischer Jungenarbeit etc. 1.9 Initiierung von berufsgruppenübergreifenden Fachtagungen für Jugendhilfe, Schule, Polizei, Justiz, Gesundheitswesen etc. 7 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 1.1 Zielorientierung: Umsetzung der in diesem Konzept entwickelten Positionierung in verbindliche, einrichtungsinterne und überinstitutionelle Handlungskonzepte. 1.2 Mindestanforderung an jeden Dienst und jede Einrichtung, eine zum Thema qualifizierte Mitarbeiter/in, die ihr Wissen in Teamentscheidungen einbringen kann. 1.3 Basisqualifizierung zur Problematik des sexuellen Missbrauchs aller Mitarbeiter/innen der öffentlichen Jugendhilfe, die im Einzelfall über erzieherische Hilfen (mit-)entscheiden Zu 1.1 bis1.3: Qualifizierungskonzept des Ressorts Jugendamt und soziale Dienste Vorwort5 Das Management-Team Sozialarbeit/Pädagogik des Fachbereiches Kinder- und Jugendhilfe gab Anfang 1996 ein Projekt-Team in Auftrag, das ein Konzept im Bereich Kinder- und Jugendhilfe mit der Zielsetzung der Parteilichkeit und Ganzheitlichkeit für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen entwickeln sollte. Dieses umfangreiche Konzept wurde im Mai/Juni 1997 durch den Jugendhilfeausschuss, den Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit sowie das Fachgremium Frauenförderung zustimmend zur Kenntnis genommen. Somit sind die vom Projekt-Team entwickelten Standards und Positionierungen zum Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” als richtungsweisend und bindend für die soziale und pädagogische Arbeit im Ressort Jugendamt und Soziale Dienste anzusehen. Der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe stellt allen Mitarbeiterinnen6 im Bereich Sozialarbeit das Gesamtkonzept zur Verfügung und verpflichtet sich, Handlungsschritte einzuleiten, um die notwendige Umsetzung voranzutreiben. Das vorliegende Konzept zum Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” des Fachbereiches Kinder- und Jugendhilfe ist in diesem Kontext zu verstehen und stellt den 1. Teilschritt der Umsetzung des Gesamtkonzeptes dar. Erfahrungen mit dem vorliegenden Konzept werden im Zeitraum von 2 Jahren ausgewertet. Das Konzept wird fortgeschrieben. Definition von sexuellem Missbrauch ”Sexueller Missbrauch ist eine sexuelle Handlung, bei der eine Person, die durch Geschlecht, Alter, Autorität, soziale Stellung, materielle, kognitive o.ä. Ressourcen begründete Position ausnutzt, um eigene Bedürfnisse nach Macht, Anerkennung, Körperkontakt, Intimität, sexuelle Befriedigung gegen den Willen und auf Kosten der körperlichen und seelischen Integrität eines Mädchens oder Jungen, befriedigt.”7 5 Der Text wurde wörtlich folgendem Konzept entnommen: Konzept des Ressorts Jugendamt und soziale Dienste zur Umsetzung des Gesamtkonzeptes ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen”, 1. Teilschritt: Standards und Qualifizierungsprogramm für die Fachkräfte der Jugendhilfe Wuppertal, November 1997 6 Die ausschließliche Verwendung der weiblichen Form in der Sprachgestaltung des Konzeptes ist eine Konzession an die einfachere Lesbarkeit. Es handelt sich nicht um eine sprachliche Diskriminierung der männlichen Adressaten. 7 Monika Weber, Christiane Rohleder, 1995 8 Standards im Umgang mit sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen 1. Jede Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin ist in ihrem pädagogischen Arbeitsfeld potentiell mit der Problematik des sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen konfrontiert. Der Fachbereich 1 verpflichtet sich, entsprechend des Qualifizierungsprogramms des Fachreferates Sozialarbeit/Pädagogik, Basisinformationen für alle Mitarbeiterinnen innerhalb der nächsten 2 Jahre anzubieten. Vermittelt werden diese Basisinformationen in dreitägigen Fortbildungsangeboten bei einer Gruppenstärke von ca. 12 Teilnehmerinnen. Die Fortbildungen werden möglichst unter Hinzuziehung von Referentinnen ortsansässiger Beratungsstellen und Vereine durchgeführt, die sich den Ergebnissen des Gesamtkonzeptes verpflichtet fühlen. Folgende Punkte werden in Methodenvielfalt zur ganzheitlichen Erschließung des Themenkomplexes bearbeitet: • Basisinformationen zur Dynamik von sexueller Gewalt, dem Ausmaß, zu Ursachen und geschlechtsspezifischen Fragestellungen • Eigene Auseinandersetzung mit den Themen Sexualität, Macht, Gewalt, Geschlecht und Erschließung eigener Haltungen dazu • Entwicklung und Vermittlung von parteilichen und geschlechtsspezifischen Arbeitsansätzen zum Erkennen von und Intervention bei sexuellem Missbrauch • Juristische Fragestellungen und Aspekte zum Themenkomplex, Zeitgeist der Rechtsprechung • Notwendigkeit von Kooperation und Vernetzung bei der Thematik • Praxisreflexion 2. Handlungsorientierungen für den Umgang mit von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen • Die Grundprinzipien der Hilfen bei sexuellem Missbrauch sind die eindeutige Parteinahme für die von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen, sowie die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede. Ebenso sollen interkulturelle Unterschiede Berücksichtigung in der Arbeit mit ausländischen Mädchen und Jungen finden. • Grundlegende Zielsetzung bei allen Hilfen ist, den Schutz des Mädchens oder Jungen vor einer Fortführung der sexuellen Übergriffe sicherzustellen, sowie Sekundärschädigungen8 zu vermeiden. 3. Signale bei sexuellem Missbrauch sind vieldeutig und werden oft mit erheblichen Zweifeln und Bedenken von den Mitarbeiterinnen wahrgenommen. • Diese Zweifel und die damit einhergehende Verunsicherung machen es notwendig, sich kollegiale Beratung (im Geschäftsteam) und gegebenenfalls darüber hinaus Fachberatung (bei Expertin bzw. Fachberaterin) zu holen. • Bei Meldungen des Verdachtes auf sexuellen Missbrauch durch Institutionen ist weiterhin das seit 1996 eingeführte Verfahren ”Verbindliche Handlungsleitlinien zum Verfahren in Fällen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bei Meldungen durch Behörden” einzuhalten. • Manchmal wird erst im Rückblick auf einen Fall deutlich, dass erste Signale übersehen wurden. Als persönliche Orientierungshilfe kann deshalb, sobald ein Missbrauchsverdacht auftaucht; von der fallverantwortlichen Mitarbeiterin (BSD) bzw. betreuungsverantwortlichen Mitarbeiterin (Spezialdienst) eine Checkliste ausgefüllt werden. 8 Als primäre Schädigungen werden diejenigen verstanden, die direkt aus dem Geschehen des sexuellen Missbrauchs resultieren, während als Sekundärschädigungen die negativen Folgen bezeichnet werden, die auf unsensible Reaktionen von Eltern, Freunden, Nachbarn, Schule, Jugendhilfe, Polizei, Justiz, Medizin etc. beruhen. Unzulängliche und übereilte Interventionen können die Schädigungen der Betroffenen verstärken. 9 4. Das Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” wird fachlich weiterentwickelt. Es ist daher notwendig, in Zusammenarbeit mit dem Fachreferat Sozialarbeit/Pädagogik in jedem Geschäftsteam eine Mitarbeiterin für die Themenpflege zu gewinnen, die mitverantwortlich dafür sorgt, dass • die fachlichen Entwicklungen Eingang in die aktuelle Teamdiskussion bzw. in die kollegiale Beratung finden • die Vernetzung mit anderen Diensten des Jugendamtes und freier Träger weiterentwickelt wird • die bestehende Konzeption des jeweiligen Spezialdienstes vor dem Hintergrund des Wissens um sexuellen Missbrauch überarbeitet und fortgeschrieben wird Qualifizierungsprogramm zum Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen Um die im Gesamtkonzept entwickelten Standards im Umgang mit der Thematik ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” zu erreichen, sind Basisqualifikationen aller Mitarbeiterinnen im Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe im Bereich Sozialarbeit notwendig, die im Rahmen von 3tägigen Fortbildungsveranstaltungen sicherzustellen sind. Inhaltliche Vorgaben und Methoden wurden bereits skizziert. 1. Basisqualifikation der Mitarbeiterinnen der Bezirkssozialdienste KJE Als erstes werden die 56 Mitarbeiterinnen der sieben Bezirkssozialdienste durch Vermittlung und Aneignung von Basiswissen zum Thema qualifiziert. Bereits im November 1996 sowie im Februar und September 1997 wurden die ersten Fortbildungen für BSD Mitarbeiterinnen an drei Werktagen von jeweils acht Arbeitsstunden durchgeführt. Da sich dieses Konzept bewährt hat, werden analog dazu im nächsten Jahr Fortbildungen für die weiteren BSD Mitarbeiterinnen stattfinden. 2. Basisqualifikation der Mitarbeiterinnen der Speziellen Dienste Die fünf speziellen Dienste im Fachbereich 1 werden als nächstes dem angestrebten Standard entsprechend durch Vermittlung von Basiswissen zum Thema qualifiziert. • Erziehungsbeistandschaft mit fünf Mitarbeiterinnen • Adoptions- und Pflegekinderdienst mit acht Mitarbeiterinnen • Intensive sozialpädagogische Einzelfallhilfe mit vier Mitarbeiterinnen • Vormundschaften für Minderjährige mit vier Mitarbeiterinnen • Jugendgerichtshilfe mit acht Mitarbeiterinnen Da die Fachdienste ebenfalls arbeitsfeldbezogen qualifiziert werden sollen, empfiehlt es sich die Mitarbeiterinnen der freien Träger entsprechender Fachdienste einzubeziehen. Aus dem sich daraus ergebenden gewünschten Vernetzungs- und Kooperationseffekt ist ebenfalls eine Kostenreduzierung zu erwarten, da die freien Träger einen Teilnahmebeitrag entrichten können. Die Basisqualifikation der genannten Dienste wird in etwa einen Zeitraum von 2 Jahren in Anspruch nehmen. Der jährliche Kostenrahmen für die durchzuführenden Fortbildungen beträgt ca. 12 000,- DM. 3. Vertiefende Qualifizierung der Mitarbeiterinnen Das Basiswissen muss durch weitere arbeitsfeldübergreifende Fortbildungen vertieft und erweitert werden. Zielgruppen sind hier primär die Mitarbeiterinnen, die für die Themenpflege im Geschäftsteam verantwortlich sind, sowie die im Fachbereich tätigen Expertinnen und darüber hinaus am Thema interessierte bzw. besonders involvierte Mitarbeiterinnen. 10 Diese Qualifizierungsmaßnahmen sind als eintägige Veranstaltungen vorgesehen, im Zeitrahmen von acht Arbeitsstunden. Sie sollten ein regelmäßiges Angebot sein, um Aktualität und Entwicklung fachlicher Standards zu gewährleisten und kontinuierlich 2-mal im Jahr zu aktuellen Themenstellungen stattfinden. Der jährliche Kostenrahmen beträgt ca. 2500,- DM für 2 Veranstaltungen. Eine Beteiligung von Mitarbeiterinnen freier Träger ist anzustreben. Darüber hinaus ist es sinnvoll berufsfeldübergreifende Fachtagungen zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen zu konzipieren und durchzuführen, um Fallunabhängig professionelle Kontakte zwischen Mitarbeiterinnen der Jugendhilfe, Justiz, Medizin, Schule, Psychiatrie etc. zu initiieren. Der Fachbereich 1 strebt diesbezüglich die Durchführung bzw. Beteiligung an einer Fachtagung pro Jahr an. Da nicht mit einer Kostendeckung durch Einnahmen von Teilnehmerinnengebühren zu rechnen ist, sollte eine Summe von 1000,-DM jährlich zur Durchführung einer solchen Fachtagung veranschlagt werden. 4. Weitere unterstützende Maßnahmen zur Qualifizierung der Mitarbeiterinnen Um sich den angestrebten Standards weiter anzunähern und diese im Austausch der Fachkräfte zu erhalten und zu erweitern, soll eine Berufsgruppe zum Thema vom Fachbereich 1 initiiert werden. Die Berufsgruppenarbeit bietet neben der Vertiefung von Fachwissen und dem Vernetzungs- und Multiplikatoreneffekt auch kollegiale Hilfestellung im Einzelfall. Interessierten Mitarbeiterinnen soll die Möglichkeit an der Teilnahme der Berufsgruppe einmal monatlich für zwei Stunden während der regulären Arbeitszeit offen stehen. Zusätzliche Kosten entstehen nicht. Zusätzlich zu der Möglichkeit Fachberatung durch interne Dienste in Anspruch zu nehmen, soll den Mitarbeiterinnen des Fachbereiches das Angebot der externen Supervision, möglichst zeitnah zum auftretenden Problem, zur Verfügung stehen. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass sexueller Missbrauch ein Problemkomplex ist, der in besonderem Maße Gefühle der Überlastung und Inkompetenz auslöst und Professionelle an die Grenzen ihrer Arbeitsfähigkeit führt. Externe Supervision kann je nach Problemlage wichtige Hilfestellung bei der Strukturierung sein und zur persönlichen Entlastung der Mitarbeiterinnen beitragen, um wieder fachlich kompetent handeln zu können. Für Supervision ist jährlich ein Kostenrahmen von ca. 5000,-DM zu veranschlagen. 5. Information und Qualifizierung der Unterstützungsebene Um den Mitarbeiterinnen ”an der Basis” grundsätzlich, vor allem aber in Konfliktfällen, die notwendige Unterstützung ihrer Arbeit zusichern zu können, sind die Mitarbeiterinnen im Fachbereich 1, die mit Leitungsaufgaben betraut sind, von den Standards und Positionierungen des Gesamtkonzeptes und des vorliegenden Konzeptes des Fachbereiches 1 zum Umgang mit dem Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” in Kenntnis zu setzen. Diese fachliche Einführung soll für • die Leitungen der Bezirkssozialdienste • die Mitarbeiterinnen der Steuerungsgruppe • die Expertinnen im Bereich Sozialarbeit • durch eine Veranstaltung, moderiert von der Fachbereichsleiterin und der Fachreferentin für Sozialarbeit, stattfinden. Kosten für diese Veranstaltung fallen nicht an. 11 6. Fachliteratur und Materialien zum Thema Der Fachbereich 1 stellt jedem Geschäftsteam zur Einarbeitung in die Thematik adäquate Fachliteratur zur Verfügung. Literatur zur Vertiefung des Themas wird im Fachreferat Sozialarbeit vorgehalten. Im nächsten Schritt sind für die Geschäftsteams entsprechende Bilder-/Bücher für Mädchen und Jungen verschiedener Altersstufen anzuschaffen. Zur Weitergabe an interessierte Eltern oder andere Vertrauenspersonen sind Präventionsbroschüren ( z.B. von der AJS) in den Diensten vorzuhalten. Im Sinne einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit sollte damit begonnen werden, wo möglich, Plakate für die Zielgruppe der Kinder und jugendlichen Mädchen und Jungen aufzuhängen, um die Ansprechbarkeit der Mitarbeiterinnen auf das Thema ”sexueller Missbrauch” zu signalisieren. Fachliteratur und Materialien sind vom Fachreferat Sozialarbeit zur Verfügung zu stellen. Bei 12 Geschäftsteams ergibt sich insgesamt jährlich ein Betrag von ca. 1200 DM. Mittelfristig ist die Erstellung einer Broschüre in der die unterschiedlichen Dienste und Institutionen dargestellt werden, die zum Thema ”Sexueller Missbrauch” in Wuppertal Hilfen anbieten, sicherzustellen. Adressaten für den ”Wegweiser” sollten sein: • betroffene Mädchen und Jungen • hilfesuchende erwachsene Vertrauenspersonen und professionelle Fachkräfte Der Fachbereich 1 verpflichtet sich, durch die Bereitstellung qualifizierter Fachkräfte, an der Erarbeitung der Broschüren mitzuwirken. Für die Finanzierung sollten Sponsoren gesucht werden, so dass die Broschüren möglichst kostenneutral hergestellt werden können. Somit ergibt sich für die Umsetzung des Gesamtkonzeptes ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” im Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe für den 1. Teilschritt für die Haushaltsjahre 1998 und 1999 jeweils ein Kostenvolumen von: • 20.500,- DM für den Bereich Qualifizierung der Fachkräfte, sowie von • 2000,- DM für den Bereich Fachliteratur/Materialien. Ausblick Die Jugendhilfe hat den Auftrag, sexuell missbrauchten Mädchen und Jungen Schutz zu gewähren, ihnen Lebensraum zur Bewältigung der Erfahrungen zu bieten und falls erforderlich, erzieherische und therapeutische Hilfen zu gewähren. Gleiches gilt für unterstützende Eltern oder andere Vertrauenspersonen der Kinder und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche mit sexuellen Gewalterfahrungen brauchen konsequent entwickelte Hilfeangebote mit engagierten und kompetenten Sozialarbeiterinnen, die sich vorbehaltlos konstruktiv an den Erfordernissen und Notlagen der betroffenen Mädchen und Jungen orientieren. Der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe bildet einen wichtigen Teil im Gesamtsystem der Hilfen, deshalb ist es erforderlich, die Fachkräfte der Jugendhilfe entsprechend der komplexen Problematik des sexuellen Missbrauchs zu qualifizieren. Dies kann jedoch nur ein erster Teilschritt sein. Weiterführend müssen die Rahmenbedingungen fachlicher Arbeit sowie die Weiterentwicklung der Jugendhilfeangebote in Wuppertal und deren Vernetzung vorangetrieben werden. Der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet sich, bei der Umsetzung des Gesamtkonzeptes weiterhin engagiert mitzuwirken. 12 Persönliche Checkliste bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen Die Checkliste soll dazu dienen Wahrnehmung und persönliche Reflexion anzuregen. Sie kann eine Hilfe sein, die bei diesem Thema üblicherweise stattfindenden Verunsicherungen zu minimieren. Die Checkliste soll nicht Bestandteil der Jugendhilfeakte werden. Sofern sie personenbezogene Daten aufweist, ist sie sicher aufzubewahren bzw. nach Klärung des Sachverhaltes zu vernichten. • Persönliche Daten des betroffenen Mädchen oder Jungen (Name, Alter, Umfeld...) • Daten über die Person(en), die als Täter/innen verdächtigt werden • Wer hat mir welche Beobachtungen (z.B. Symptome, verändertes Verhalten, Äußerungen des Mädchen/Jungen) wann und wie mitgeteilt (z. B. schriftlich, persönlich, anonym, über Dritte gehört)? • Welche Beobachtungen habe ich selbst gemacht bzw. welche Äußerungen des Mädchen/Jungen (mit welchen Worten und in welchem Zusammenhang) habe ich selbst erfahren? • Was lösen die Beobachtungen/Mitteilungen bei mir aus? • Mit wem habe ich meine Beobachtungen und Gefühle ausgetauscht? Hat sich dadurch etwas für mich verändert? Wenn ja, was? • Welche anderen Erklärungsmöglichkeiten für das Verhalten des Mädchen/Jungen sind noch möglich? • Was ist meine Vermutung oder Hypothese, wie sich das Mädchen/Junge weiterentwickelt, wenn alles so bleibt wie es ist? • Welche Veränderungen wünsche ich mir für das Mädchen/Jungen? • Wer im Umfeld des Kindes ist mir als unterstützend genannt worden oder aufgefallen? • Was ist mein nächster Schritt? Wann will ich wie weitergehen? (z.B. Einbringen ins Team, Fachberatung, Einbeziehen anderer Dienste, Helferinnenkonferenz) 13 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 1.4 Weiterführung und Ausbau berufsfeldbezogener Ansätze in der Fortbildungsarbeit möglichst unter Beteiligung themenkompetenter ortsansässiger Beratungsstellen und Vereine 1.8 thematische Fortführung des Fortbildungsangebotes verstärkt in Richtung Sexualpädagogik, geschlechtsspezifischer Fragestellungen, emanzipatorischer Jungenarbeit etc. Zu 1.4 und 1.8: Berufsfeldbezogene Ansätze in der Fortbildungsarbeit: Auflistung der Anbieter/innen von Qualifizierung für Fachkräfte und Auswertung Fragebogen für die telefonische Befragung Grundlage: Angaben im Konzept bzgl. Fortbildungen für Professionelle 1. Für welche Zielgruppe werden die Fortbildungs-Angeboten konzipiert? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 2. Werden die Fortbildungen für a: interne oder b: externe Mitarbeiterinnen angeboten? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 3. Kommen die Fachkräfte aus stationären, teil-stationären oder ambulanten Bereichen? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 4. Welche Organisationsform wurde gewählt? a. Großveranstaltung - Fachtagung b. Seminar/Workshop ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 5. Welche Schwerpunkte haben sie bei den Fortbildungen gesetzt? (Diagnostik, Prävention, alltagspraktische Hilfen, rechtliche Handlungsmöglichkeiten) ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 6. Haben die Fortbildungen den Bereich Differenzierung nach Alter, Geschlecht und Behinderung enthalten? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 7. Wird auch der Themenbereich Missbrauch an ausländischen Mädchen und Jungen erfasst? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 8. Wird differenziert zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 9. Welche weiteren Fortbildungen bieten Sie an oder könnten Sie anbieten? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 14 Auswertung des Fragebogens Einrichtung Für welche Zielgruppe werden die Fortbildungs-Angebote konzipiert? Werden die Fortbildungen für a: interne oder b: externe Mitarbeiter/innen angeboten Nur für externe Mitarbeiter/innen Kommen die Fachkräfte aus stationären, teilstationären oder ambulanten Bereichen? Die Färberei Für Fachkräfte aus dem Kinder- und Jugendbereich Für Erzieherinnen und Erzieher Für interne und externe Mitarbeiter/innen Für den ambulanten Bereich (Kindertagesstätten und Kindergärten) Für Lehrer/innen für Sekundarstufe I und II Für Erzieher/innen in der Primarstufe Für professionelle Helfer/innen Nur für externe Mitarbeiter/innen Nur für ambulante Bereiche Für interne und externe Mitarbeiter/innen Es werden Fortbildungen für alle Bereiche angeboten Gleichstellungsstelle für Frauenfragen Kath. Kinderheim St. Michael Wichernhaus e.V. Frauen Beratung und Selbsthilfe e.V. Nachbarschaftsheim e.V. Für Fachkräfte, die zum Themenbereich sexuelle Gewalt geben Mädchen und Jungen arbeiten Für Mitarbeiter/innen Für interne und externe Mitarbeiter/innen Es werden Fortbildungen für alle Bereiche angeboten Für interne Mitarbeiter/innen Für Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendhilfe Für Frauen aus sozialpädagogischen Bereichen und für Lehrerinnen Zielgruppe sind die eigenen Mitarbeiter/innen Für interne und externe Mitarbeiter/innen Nur für externe Fachkräfte Es werden Forbildungen für den stationären und teilstationären Bereich angeboten Es werden Fortbildungen für alle Bereiche angeboten Es werden Fortbildungen für alle Bereiche angeboten Für interne Mitarbeiter/innen der unterschiedlichen Einrichtungen Fortbildungen werden für den ambulanten Bereich angeboten Pro Familia Zielgruppe sind Fachkräfte in Kindertagesstätten und Kindergärten, in Schulen, sozialpädagogischen Berufen und Schulen für geistig behinderte Mädchen und Jungen Im Bereich der Sexualpädagogik werden Fortbildungen für Eltern Pädagogen/innen angeboten. Erzieher/innen, Lehrer/innen, Fachöffentlichkeit Für interne und externe Mitarbeiter/innen Fortbildungen werden für alle Bereiche angeboten Fortbildungen werden für externe und interne Mitarbeiter/innen angeboten Die Fachkräfte kommen aus allen Bereichen Stadtbetrieb Tageseinrichtungen für Kinder Schulpsychologische Beratungsstelle Splittertal e.V. SKF Elberfeld Die Fachkräfte kommen aus allen Bereichen Einrichtung Welche Organisationsform wurde gewählt? a: Großveranstaltung/ Fachtagung b: Seminar/Workshop Die Färberei Nur Fachtagungen Stadtbetrieb Tageseinrichtungen für Kinder Schulpsychologische Beratungsstelle Splittertal e.V. Nur Seminare und Workshops Gleichstellungsstelle für Frauenfragen Fachtagungen/Großveranstaltungen und Seminare/Workshops Kath. Kinderheim St. Michael Wichernhaus e.V. Seminare und Workshops Frauen Beratung und Selbsthilfe e.V. Nachbarschaftsheim e.V. Großveranstaltungen und Seminare Pro Familia Nur Seminare und Workshops SKF Elberfeld Nur Seminare 16 Nur Seminare und Workshops Fachtagungen, Seminare und Workshops Fachtagung, Seminare und Workshops Nur Seminare Welche Schwerpunkte haben sie bei den Fortbildungen gesetzt? Diagnostik, Prävention, alltagspraktische Hilfen, rechtliche Handlungsmöglichkeiten? Für die Bereiche Prävention, alltagspraktische Hilfen und z.T. Diagnostik Für die Bereiche Prävention, alltagspraktische Hilfen und rechtliche Handlungsmöglichkeiten Haben die Fortbildungen den Bereich Differenzierung nach Alter, Geschlecht und Behinderung enthalten? Für die Bereiche Prävention und alltagspraktische Hilfen Für die Bereiche Diagnostik, alltagspraktische Hilfen, Hinweise zu rechtlichen Handlungsmöglichkeiten Diagnostik, Prävention, alltagspraktische Hilfen, rechtliche Handlungsmöglichkeiten Für die Bereiche Prävention, Diagnostik und alltagspraktische Hilfen Für die Bereiche Diagnostik, alltagspraktische Hilfen und rechtliche Handlungsmöglichkeiten angeboten. Für die Bereiche Prävention und alltagspraktische Hilfen Für die Bereiche Prävention, Diagnostik, alltagspraktische Hilfen, rechtliche Handlungsmöglichkeiten Für die Bereiche Prävention und alltagspraktische Hilfen, und Hinweise zu rechtlichen Handlungsmöglichkeiten Für die Bereiche Prävention, Diagnostik, alltagspraktischen Hilfen, Informationen zu rechtlichen Wegen Keine Differenzierung hinsichtlich Alter, Geschlecht und Behinderung Es wird nach Alter, Geschlecht und Behinderung differenziert. Differenzierung nach Alter, Geschlecht und Behinderung Differenzierung hinsichtlich Alter und Geschlecht Veranstaltungen werden ausschließlich für den Themenbereich ”sexuelle Gewalt gegen Mädchen” angeboten. Keine Differenzierung nach Alter und Behinderung. Es findet keine Differenzierung statt. Es findet keine Differenzierung statt. Es wird differenziert nach Alter und Geschlecht, nicht nach Behinderung Es wird differenziert nach Alter und Geschlecht, nicht nach Behinderung Es wird differenziert nach Alter und Geschlecht, nicht nach Behinderung Es wird differenziert nach Alter und Geschlecht Einrichtung Die Färberei Stadtbetrieb Tageseinrichtungen für Kinder Schulpsychologische Beratungsstelle Wird auch der Themenbereich Missbrauch an ausländischen Mädchen und Jungen erfasst? Der Themenbereich Missbrauch an ausländischen Mädchen und Jungen wurde nicht erfasst Der Themenbereich Missbrauch wird nicht nach ausländischen Mädchen und Jungen differenziert Wird differenziert zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung? Es wurde nicht zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert Der Themenbereich Missbrauch bei ausländischen Mädchen und Jungen wird nicht als gesondertes Thema behandelt Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert Splittertal e.V. Es wird der Themenbereich ausländische Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und Mädchen und Jungen erfasst, speziell im Bereich körperlicher Misshandlung differenziert Flüchtlingshilfe Gleichstellungsstelle für Frauenfragen Der Themenbereich Missbrauch wird nicht nach Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und ausländischen Mädchen und Jungen differenziert körperlicher Misshandlung differenziert Kath. Kinderheim St. Michael Wichernhaus e.V. Der Themenbereich wird nicht explizit erfasst. Frauen Beratung und Selbsthilfe e.V. Der Themenbereich wird nicht explizit erfasst. Nachbarschaftsheim e.V. Pro Familia Der Themenbereich wird nicht explizit erfasst. SKF Elberfeld Es wird noch nicht explizit differenziert. Der Themenbereich wird nicht explizit erfasst. Es wird der Themenbereich ausländische Mädchen und Jungen erfasst Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert In den internen Fortbildungen wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Es wird zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung differenziert. Welche weiteren Fortbildungen bieten Sie an oder könnten Sie anbieten? z.Z. werden keine Fortbildungen angeboten. Bei konkreter Anfrage wäre im Bereich Missbrauch behinderter Mädchen und Jungen Fortbildung möglich. z.Z. werden keine Fortbildungen angeboten Bieten laufende Fortildungen für Lehrer/innen der Sekundarstufen I und II und für Erzieher/innen in der Primarstufe an. Könnten Fortbildungen zum Thema ”Verbesserung von Kommunikationsstrukturen” für Lehrergruppen anbieten. Der Fortbildungsbereich wird im bisherigen Rahmen fortgesetzt. Angedacht ist eine Fortbildung zum Themenschwerpunkt ”Allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen” Fortbildungen werden in grundslätzlich in allen Bereichen angeboten. Fortbildungen vorwiegend auf Anfrage. Zukünftig differenzierung nach ausländischen Mädchen und Jungen und Mädchen/Jungen mit Behinderungen. Weitere Qualifizierungen der Mitarbeiter/innen sind vorgesehen. Laufende Qualifizierung der Mitarbeiter/innen zu diesem Bereich. Fachtagung zur Täterarbeit geplant. Fortbildungsangebot für den Bereich Diagnostik für externe möglich. Es werden Fortbildungen für Frauen in sozialarbeiterischen und erzieherischen Berufen zum Thema sexuelle Gewalt angeboten. Es werden weitere interne Qualifizierungs-angebote für Mitarbeiter/innen angeboten. Es werden weiterhin Fortbildungen im Bereich der Sexualpädagogik für Eltern und Pädagogen/innen angeboten. Keine Kapazitäten für weitere Fortbildungen Fortlaufende Fortbildungen, Schwerpunkt sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen 17 Auswertung der Fragebögen Im Gesamtkonzept sex. Missbrauch für Wuppertal (1997) erfolgte eine Befragung vieler Maßnahmeträger im Bereich Prävention, speziell zum Thema Fortbildungen. Intention der erneuten Befragung war, genauere Angaben über die Zielgruppe, Organisationsform und Schwerpunkte der Fortbildungen in Erfahrung zu bringen. Des weiteren wurden Fragen hinsichtlich fachlicher Differenzierung gestellt. Ebenso konnten Angebote und zukünftige Fortbildungsthemen erfasst werden. Die Befragung richtete sich ausschließlich an die im Gesamtkonzept erfassten Träger, die Angaben im Bereich Fortbildungen gemacht haben. Aufgrund weiterer Informationen konnte festgestellt werden, dass andere Träger ebenso Fortbildungen anbieten, die jedoch 1997 noch nicht erfragt wurden. Ergebnis der Befragung Insgesamt wurden 11 Träger befragt. Zielgruppen waren ausschließlich Fachkräfte der sozialen Arbeit, sowie Lehrerinnen und Lehrer. Die Fortbildungen wurden durchweg für interne und externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten. Vorwiegend wurde die Organisationsform Seminare/Workshop gewählt. Vier Träger hatten auch Fachtagungen veranstaltet. Der Themenbereich sexueller Missbrauch an ausländischen Jungen und Mädchen und die damit verbundene Problematik war nicht inhaltliches Thema der Fortbildungen. Insgesamt wurde eine Differenzierung von körperlicher Misshandlung und sexuellem Missbrauch vorgenommen. Zum Themenkomplex ” weiterer Fortbildungsangebote ”kann festgehalten werden, dass der Standard der Fortbildungen gehalten werden kann, aber aus zeitlichen Gründen wichtige Fortbildungsbereiche wie z.B. sex. Missbrauch bei Menschen mit Behinderungen oder sex. Gewalt an ausländischen Mädchen und Jungen nicht stattfinden kann. Fazit Ein aufeinander abgestimmtes Fortbildungsangebot für Wuppertal wäre notwendig. So könnten Ressourcen einzelner Träger anderen Fachkräften zugänglich gemacht und neue Themenbereiche könnten aufgrund eingesparter Fortbildungen initiiert werden. Wichtige Bereiche sind bisher nicht flächendeckend bearbeitet worden. Auch hierfür würde eine Kontakt- und Informationsstelle im Bereiche sex. Gewalt in Wuppertal koordinierende und initiatorische Arbeit leisten.8 8 siehe dazu Rahmenkonzept Punkt 2.6 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 1.5 Förderung kollegialer Beratungsmöglichkeiten 1.6 Sicherstellung von Supervision für die Mitarbeiter/innen, die mit Betroffenen oder deren Vertrauenspersonen arbeiten 1.7 Unterstützung und Förderung von Berufsgruppen, zur gegenseitigen Fallberatung, Entlastung und Qualifizierung durch Koordinierung mittels einer Ansprechpartner/in, sowie offizieller Anerkennung als Arbeitszeit Zu 1.5, 1.6 und 1.7: Indikatoren und Konzepte für Kollegiale Beratung, Supervision und Berufsgruppen 1.5 Kollegiale Beratung Ein zentrales Instrument für den Ausbau und die Erhaltung fachlicher Kompetenz der Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter ist die kollegiale Beratung. Diese prozessorientierte kontinuierliche Maßnahme zur Qualitätssicherung erfordert die Berücksichtigung folgender Punkte: Grundvoraussetzungen • Mehrperspektivität An einer kollegialen Beratung sollten mindestens drei Fachkräfte (Kooperationsmodelle kollegiale Beratung) teilnehmen, um eine Mehrperspektivität im Denken und Handeln sicherzustellen, d.h. es wird eine Arbeitsform eingeführt, in der in ”sowohl...als auch” und nicht in ”entweder oder” gedacht und gehandelt wird. • Schweigepflicht Eine vertrauensvolle Arbeit in einer kollegialen Beratung kann nur dann stattfinden, wenn alle Teilnehmerinnen/ Teilnehmer darauf vertrauen können, dass sowohl die Falldarstellung und die daraus resultierende Einsicht in die Arbeit der Kollegin/ des Kollegen, wie auch die Äußerungen der übrigen Teilnehmerinnen/ Teilnehmer ohne Einwilligung der Beteiligten den Gruppenraum nicht verlassen. • Fach- und Fallverantwortung Die zuständige Kollegin/der zuständige Kollege ist für ihren/seinen ”Fall” fachlich verantwortlich. Das Team kann keine individuelle Verantwortung abnehmen. Es kann die Einzelne/den Einzelnen in der Wahrnehmung ihrer/seiner Verantwortung fachlich und persönlich stärken. • Rahmenbedingungen Hauptamtliche Fachkräfte in der Jugendhilfe sind in ihrer täglichen Praxis mit komplexen Problemstellungen konfrontiert. Die Sicherstellung einer professionellen Kompetenz und die Stärkung der Motivation der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen Fachkräfte sind zentrale Leitungsaufgaben. Die Rahmenbedingungen für eine kollegiale Beratung müssen daher von der Leitung sichergestellt werden. Signale bei sexuellem Missbrauch sind vieldeutig und werden oft mit erheblichen Zweifeln und Bedenken von den Mitarbeiterinnen/ Mitarbeitern wahrgenommen. Diese Zweifel und die damit einhergehende Verunsicherung machen es notwendig eine kollegiale Beratung einzuholen.9 9 Hrsg.: Stadt Wuppertal - Ressort Jugendamt und Soziale Dienste / Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe - ” Umsetzung des Gesamtkonzeptes gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen ”, November 1997 19 Voraussetzungen für eine kollegiale Beratung:10 • Beratungsbedarf: d.h. gemeinsame Einsicht, dass die Qualität der Arbeit zum Nutzen der betroffenen Mädchen und Jungen steigt und die individuelle Erkenntnis, dass Vereinzelung Handlungskompetenz schwächt • Gemeinsames Aufgabengebiet: d.h. die Wechselseitigkeit von fachlicher Kompetenz für die Arbeitsaufgaben der Kolleginnen/ Kollegen und der daraus entstehenden Beratungs- und Entscheidungsarbeit • Kollegialität: d.h. die Gleichwertigkeit aller Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter für die Bearbeitung der Arbeitsaufgaben, nicht aber zwingend eine tarifliche und fachliche Gleichrangigkeit • Verbindlichkeit: d.h. die gemeinsame Notwendigkeit, Beratung in verfügbarer Zeit in Entscheidungen und Handlungen umzusetzen • Kooperationskontrakt: d.h. eine freiwillige, nicht verordnete Vereinbarung über Ort, Zeit, Ablauf und Abstimmung weiterer Vorgehensweisen Orientierungspunkte für den Verlauf einer kollegialen Beratung: • Gruppenleitung Bei einer kollegialen Beratung ist es sinnvoll einem Gruppenmitglied die Gruppenleitung zu übertragen. Diese Aufgabe kann eventuell auch reihum gehen. Aufgaben der Leitung ist es, darauf zu achten, dass die Gruppenregeln eingehalten werden. Dazu gehört auch das pünktliche Beenden der Gruppensitzung. • Situationsbeschreibung Die fallzuständige Fachkraft stellt die Situation des betroffenen Kindes, der Familie und des sozialen Umfeldes dar.11 • Fragen Die Kolleginnen/ Kollegen stellen Fragen zu den reinen Fakten. • Keine Ratschläge Die Kolleginnen/die Kollegen äußern ihre Einfälle, Assoziation, Hinweise, Diagnosen zur Problemstellung des ”Falles”. Die zuständige Kollegin/der zuständige Kollege hört nur zu. Ratschläge haben in der aktuellen kollegialen Beratung nichts zu suchen, denn meist entsprechen Ratschläge den Handlungsmöglichkeiten des/der Ratgebenden und missachten die Tatsache, dass die Berichterstatterin/der Berichterstatter eine andere Person mit anderen Handlungsmöglichkeiten ist. • Rückmeldung Die zuständige Fachkraft gibt eine Rückmeldung zu den Einfällen, Hinweisen und Hypothesen der Kolleginnen/der Kollegen. • Entscheidung Die Entscheidung über das weitere Vorgehen und die Abstimmung für die Hilfeplanung erfolgen, ebenso die Rückmeldung über die vereinbarte Vorgehensweise. • Fachliches Controlling Die Einhaltung der vereinbarten Vorgehensweise wird durch die kollegiale Beratung sichergestellt. 10 Monika Thiesmeier / Peter Berker ” Kollegiale Beratung”, ISA Kongress, April 1997 vgl. ”Persönliche Checkliste bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch bei Mädchen und Jungen”, Hrsg.: Ressort Jugendamt und Soziale Dienste, FB Kinder und Jugendhilfe, Nov. 1997 11 20 1.6 Supervision ”Supervision ist eine Beratungsform, die im Rahmen eines strukturierten Lernprozesses wirksam wird und die Reflexion des beruflichen Handelns zum Inhalt hat. Supervision dient dem Erfassen von Phänomenen der beruflichen Praxis mit dem Ziel, sich selbst und die Klientin/den Klienten besser zu verstehen und die eigene berufliche Kompetenz zu vertiefen.”12 ”Supervision ist ein Prozess des gemeinsamen Reflektierens von beruflicher Praxis. Im Mittelpunkt steht die Person in ihrem beruflichen Handeln und in ihren sozialen Bezügen. In diesem Prozess werden die persönlichen Anteile in bezug auf Kommunikation, das Verhalten und Handeln im Arbeitsfeld wahrgenommen, durchgearbeitet und weiterentwickelt. Wichtige Aspekte sind dabei die Lebens- und Glaubensebene, die Arbeitsstrukturen, die institutionelle Einbindung, sowie die sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen, die Biographie und die persönlichen Überzeugungen.”13 Grundsätzliches zur supervisorischen Arbeit mit dem Thema sexuelle Gewalt: ”Supervision wendet sich an Berufstätige, die in ihrem Berufsumfeld mit Menschen arbeiten oder deren Berufsalltag wesentlich durch den Umgang bzw. die Zusammenarbeit mit ihnen geprägt ist. Sie dient ihrer Qualifizierung und stellt Raum und Schutz bereit, ihr berufliches Handeln zu reflektieren und zu planen. Thema von Supervision ist prinzipiell alles, was die Supervisandinnen/Supervisanden aus ihrer Praxissituation vortragen. Somit setzt Supervision an deren subjektiven Erleben an. Die Bearbeitung der Themen umfasst drei Ebenen: • Individuelle Ebene die individuelle Ebene, die von Fallbesprechungen gekennzeichnet ist, in denen z.B. einzeldiagnostische Fragestellungen, Interventionsplanungen oder persönliche Blockierungen der Supervisandin thematisiert werden; • Interaktionelle Ebene die interaktionelle Ebene, die z.B. die Beziehung zwischen Supervisandin und der Klientin und entsprechend auch Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene zu Gegenstand hat; • Systematische Ebene die systematische Ebene, die sich mit den institutionellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen des beruflichen Handelns befasst und auf der z.B. Konflikte unter Kollegen/innen oder eine Analyse der Organisationskultur- oder struktur behandelt werden. ”14 Voraussetzungen für Supervision • Leistungsvereinbarung zwischen Arbeitgeberin/Arbeitgeber, Supervisorin/Supervisor und Supervisandin/Supervisanden • Freiwilligkeit der Supervisandin/des Supervisanden • möglichst zeitnahe Supervision zum aufgetretenen Problem • zeitliche Befristung der Supervision Mögliche Indikationen für Supervision • es fehlt an der angemessenen Distanz • die Supervisandin/ der Supervisand fühlt sich bedroht • persönliche Anteile der Fachkraft erschweren die weitere Arbeit • das Gefühl der Überforderung macht arbeitsunfähig • die Einschätzungshilfe einer anderen Profession ist erforderlich 12 13 14 Quelle fehlt Hrsg.: Ev. Kirche im Rheinland ” Supervision” Woltereck, Britta ” Ungelebtes Lebbar machen”, Donna Vita, S. 182 ff 21 1.7 Berufsgruppen Berufsgruppen sind eine professionelle Unterstützungsform von Fachkräften für Fachkräfte aus: • unterschiedlichen Berufsbereichen (Sozialarbeiter/innen, Erzieher/innen, Lehrer/innen, Psycholog/innen, Rechtsanwält/innen, Ärzt/innen usw.) und/oder • unterschiedlichen Praxisfeldern der Sozialarbeit/pädagogik aus verschiedenen Bereichen: ambulante, (teil)stationäre erzieherische Hilfen, TfK-Bereich, Kinder und Jugendarbeit. Die Berufsgruppe setzt sich zusammen aus Fachkräften, die mit von sexueller Gewalt betroffen Mädchen und Jungen sowie deren Vertrauenspersonen und Familien arbeiten und mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder beruflich mit ihnen konfrontiert werden. Eine Berufsgruppe trifft sich regelmäßig ( z.B. alle 4- 6 Wochen für 2 Stunden) und nimmt mit dem Ziel der Erweiterung der Handlungskompetenz der einzelnen Mitglieder folgende Aufgabe wahr: • Sie dient der Fallbesprechung, um betroffenen Mädchen und Jungen eine adäquate Hilfe zukommen zu lassen, was eine gute geplante Vorgehensweise und oft das Handeln mehrerer professioneller Fachkräfte voraussetzt. • Sie dient dem Erfahrungsaustausch und ermöglicht über die eigene Wahrnehmung und das eigene Vorstellungspotential hinaus neue Aspekte und Handlungswege kennen zu lernen. • Sie dient der Vernetzung, denn es können Kontakte hergestellt werden, die zur Kooperation im Interesse der betroffenen Mädchen und Jungen erforderlich sind. • Sie dient der Wissensorganisation und fachlichen Positionierung, denn die Teilnehmer/innen eignen sich Fachwissen an, sammeln Informationen zur Problematik der sexuellen Gewalt und tauschen sie untereinander aus. Durch Diskussionen mit Fachkräften aus verschiedenen Fachrichtungen und unterschiedlichen Praxisfeldern und -erfahrungen wird ein eigener Standpunkt sowohl im Einzelfall als auch in vielen Aspekten des Themas erarbeitet. • Sie kann auch dazu dienen, dass die eigene emotionale Beteiligung der Fachkraft, z.B. deren Ängste und Befürchtungen hinsichtlich einzuleitender Schritte bewusst gemacht und auch geklärt werden. Ziel der Berufsgruppen ist es, sich gegenseitig mit den unterschiedlichen institutionellen Sichtweisen, Arbeitsaufträgen und Handlungsstrategien vertraut zu machen, um auf dieser Basis sowohl die Differenzierung des bestehenden Hilfesystems voranzutreiben, als auch gemeinsame Handlungskonzepte im Einzelfall zu entwickeln. Für die Einrichtung einer Berufsgruppe sollten folgende Standards verbindlich sein: • Unterstützung durch die Leitung • Freiwilligkeit der Teilnahme • Verbindliche Teilnahme der Mitglieder • Kostenfreiheit • die Teilnahme an der Berufsgruppe ist Arbeitszeit • Festlegung der Laufzeit ( z.B. 1 ½ Jahre ) • Aufstellung von verbindlichen Grundsatzregeln zu Beginn der Berufsgruppe, z.B. Verschwiegenheit über Gruppen-Internas, Anonymisierung der Falldarstellung etc. Weiterhin wird empfohlen, bei den ersten 4 – 6 Treffen eine sowohl mit Themenkompetenz als auch Gruppenerfahrung ausgestattete Fachkraft der Berufsgruppe als Berater/in zur Seite zu stellen. 22 Für Wuppertal wird angeregt, zusätzlich zu den bereits existierenden verwaltungsinternen Berufsgruppen, bestehend aus Mitarbeiter/innen des Bezirkssozialdienstes und den Speziellen Diensten, zunächst mit der Bildung von zwei sozialräumlich orientierten Berufsgruppen, z.B. im Bereich Barmen und Elberfeld, zu beginnen. Die Gruppen sollten offen sein für Mitarbeiter/innen des öffentlichen Trägers und den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege und interessierten Fachkräften anderer Berufsbereiche bzw. Praxisfelder. Wünschenswert wäre u.a. eine Mischung aus Mitarbeiter/innen der ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen zur Erziehung, Mitarbeitenden der Jugendfreizeiteinrichtungen, Kindertageseinrichtungen und Schulen. 23 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 1.9 Initiierung von berufsgruppenübergreifenden Fachtagungen für Jugendhilfe, Schule, Polizei, Justiz, Gesundheitswesen etc. 1.9 Vorschläge für berufsfeldübergreifende Fachtagungen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei, Justiz, Schule und Gesundheitswesen Das Verhältnis von Jugendhilfe und Justiz bei sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen wird ganz wesentlich durch die deutlich unterschiedlichen Zielsetzungen der Institutionen bestimmt. Im Gegensatz zu den Strafverfolgungsbehörden, deren Aufgabe darin besteht, Straftaten zu verfolgen und den Nachweis der Schuld zu erbringen bzw. anderenfalls im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden, ist der originäre Handlungsauftrag der Jugendhilfe, vor allem für das Wohl des Kindes einzutreten und dieses zum Maßstab für ihr Handeln zu erheben. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen sind ausschlaggebend für zahlreiche Schwierigkeiten und Konflikte im Verhältnis von Ermittlungs/Strafverfolgungsbehörden und Jugendhilfe. Eklatant wird dieser Konflikt häufig an der Frage der Anzeigeverpflichtung von Mitarbeiter/innen der Jugendhilfe bei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch. Rechtsgutachten stellen eindeutig fest, dass die Fachkräfte des Jugendamtes verpflichtet sind auf die Beendigung des sexuellen Missbrauchs hinzuwirken, keinesfalls jedoch ein Strafverfahren anzuregen. Da die strafrechtliche Verfolgung der wirksamen Hilfe für betroffene Mädchen und Jungen im Wege stehen kann, hat die Unterstützung der Betroffenen Vorrang vor der Aufklärung der Tat. Aufgrund dieser Haltung werfen Vertreter/innen von Polizei und Justiz häufig der Jugendhilfe vor, eine Strafverfolgung in vielen Fällen zu vereiteln. Andere formulieren zumindest die Erwartung, dass Mitarbeiter/innen der Jugendhilfe bei gravierenden Fällen die Strafverfolgungsbehörden informieren, was einer Anzeigeerstattung gleichkommt. Erst nach und nach wird von Polizei und Justiz eingeräumt, dass eine Strafanzeige in der Regel nur dann Sinn macht, wenn die Opfer(zeugen) auch bereit sind auszusagen und die Belastungen eines Strafverfahrens auf sich zu nehmen. Zivilrechtliche Maßnahmen erweisen sich häufig als geeigneter, um den Schutz von Mädchen und Jungen sicherzustellen. Im Gegensatz zum Strafgericht, das den Nachweis der Tat antreten muss und nicht das Hauptaugenmerk auf den Schutz der Opfer legt, ist das Familien- und Vormundschaftsgericht angehalten zum Wohle des Kindes tätig zu sein. Allerdings sind auch mit dem Vormundschafts- und Familiengericht die Erfahrungen von Seiten der Jugendhilfe nicht immer positiv. Bedauert wird unter anderem, dass das Familiengericht von der Jugendhilfe oft den Nachweis verlangt, dass das Spektrum ambulanter Hilfen erschöpft sei. Missachtet wird damit, dass ambulante Hilfen gerade bei sexuellem Missbrauch häufig nicht ausreichen, um den Schutz von Mädchen und Jungen, die durch einen Personensorgeberechtigten missbraucht werden, zu gewährleisten. Wird auf diese Tatsache hingewiesen, werden von den Familien- und Vormundschaftsgerichten oft ähnlich hohe Anforderungen an den Nachweis des sexuellen Missbrauchs gestellt, wie von Seiten der Strafgerichte. Außerdem geschieht es häufig, dass Vormundschafts- und Familienrichter/innen ohne die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Kinder und Jugendlichen einen Verdacht auf sexuellen Missbrauch an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Dieses Vorgehen wird meist mit der Tatsache begründet, dass sexueller 24 Missbrauch ein Offizialdelikt sei, was jedoch auch für die Vormundschafts- und Familienrichter/innen nicht zwingend das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden zur Folge haben muss. Der vorangegangene Problemaufriss ist aus der Perspektive der Jugendhilfe geschrieben und zeichnet exemplarisch einige Konfliktfelder zwischen Justiz und Jugendhilfe nach. In diesem Umsetzungskonzept finden sich vielfältige andere Beispiele an denen deutlich wird, dass Zielsetzungen und Handlungsleitlinien unterschiedlicher Institutionen nicht bruchlos miteinander vereinbar, ja oft gegenläufig sind. Will die Jugendhilfe ihrem Auftrag gerecht werden, den Schutz für Mädchen und Jungen vor der Fortführung sexueller Übergriffe sicherzustellen und Sekundärschädigungen zu vermeiden, muss sie die konstruktive Auseinandersetzung mit den anderen Institutionen suchen, die ebenfalls in die Problematik des sexuellen Missbrauchs involviert sind: wie bereits mehrfach angesprochen Polizei und Justiz, aber auch Gesundheits- und Bildungswesen. Eine Kooperation aller an einem konkreten Fall beteiligten Dienste und Institutionen ist notwendig, um professionell handeln zu können. Abgrenzung und Selbstdarstellung, Misstrauen und mangelnde Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Institutionen und Berufsgruppen blockieren effektive und schnelle Hilfeleistung. Die Bedürfnisse der betroffenen Mädchen und Jungen sollten den Hilfeprozess bestimmen und nicht wechselseitige Vorurteile und eingeschränkte institutionellen Sichtweisen. Deshalb regen wir die Initiierung regelmäßig alle 2 Jahre stattfindender berufsfeldübergreifender Fachtagungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten zur Problematik des sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen an. Da die Arbeitskontakte im Alltag in der Regel kaum über die Grenzen der jeweiligen Institutionen bzw. Berufsgruppen hinausgehen, ist es zunächst Ziel der Tagungen, fallübergreifend die unterschiedlichen Arbeitsfelder und –ansätze kennen zu lernen, um dann in einem zweiten Schritt interdisziplinäre Handlungskonzepte zu entwickeln. Dabei gilt es, das Nebeneinander unterschiedlicher institutioneller Herangehensweisen zu akzeptieren und gelten zu lassen , jedoch zu einer klaren Beziehungs- und Rollendefinition zwischen den Akteuren der Institutionen zu gelangen. Das Umsetzungsteam möchte diese Aufgabe an den neuen Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” abgeben, da es sich erstens um ein kontinuierliches Vorhaben handelt und zweitens im Arbeitskreis nicht nur Vertreter/innen der Jugendhilfe sitzen, sondern die angesprochenen Institutionen Polizei, Justiz, Schule und Gesundheitswesen mit ihrer Fachkompetenz dort vertreten sind. Es wird sicher zum Gelingen der Fachtagung beitragen, wenn sie auch interdisziplinär geplant, organisiert, durchgeführt und ausgewertet wird. 25 2. Grundsätzliches Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.1 Förderung geschlechtsspezifische Arbeitsansätze, da in Wuppertal diese Angebote immer noch nicht in ausreichenden Maße zum regulären Angebot der Jugendhilfe zählen, obwohl durch § 9, Abs. 3 KJHG eine geschlechtsspezifische Arbeit nahegelegt wird 2.2 stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse und Problemlagen ausländischer Mädchen und Jungen mit sexuellen Gewalterfahrungen, sowie deren Bezugspersonen 2.3 stärkere konzeptionelle Berücksichtigung altersspezifischer Unterschiede 2.4 Differenzierung der Hilfen im Hinblick auf die Problemlagen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind 2.5 Initiierung der Arbeit mit jugendlichen Täter/innen. Arbeit mit Täter/innen wird bislang nur von wenigen Einrichtungen geleistet und ist selbst dort nicht konzeptionell verankert. 2.6 Eine Koordinierung der Hilfen sowohl fallbezogen, als auch fallübergreifend ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Einrichtung einer ”Kontakt-, Informations- und Anlaufstelle” für professionelle und andere Ratsuchende wie sie vom Arbeitskreis ”Sexueller Missbrauch” und zuvor schon vom Arbeitskreis ”Vernetzung” seit Jahren gefordert wird, sollte vorangetrieben werden. Eine Koordinationsstelle zum Themenbereich ”sexuelle Gewalt” kann eine bessere Abstimmung der Hilfsangebote gewährleisten. Sie ist Kristallisationsstelle zwischen Ratsuchenden und Fachkräften. Der kommunale Hilfebedarf kann ebenso an solcher Stelle aktualisiert werden. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (Infomaterialien, Beratungsführer etc.) und Qualifizierung der Fachkräfte (Fort- und Weiterbildung, Fachtagungen, Berufsgruppenarbeit etc.) kann eine bedarfsgerechte Steuerung erfolgen (vgl. Dezernat für Soziales, Jugend und Gesundheit, ”15 2.7 Für eine Kommune in der Größenordnung Wuppertals ist es erforderlich, dass für Kinder und Jugendliche eine zentrale Telefonnummer zur Verfügung steht, unter der sie tagsüber bis in die späten Abendstunden eine/einen kompetente Gesprächspartner/in erreichen, die ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite stehen kann. 15 Materialien zur Jugendhilfeplanung - Hilfen gegen sexuelle Gewalt”, Teil 2, 1995 und Arbeitskreis ” Sexueller Missbrauch” - Ergebnisse des Unterarbeitskreises ”Gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen”, 1996 26 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.1 Förderung geschlechtsspezifische Arbeitsansätze, da in Wuppertal diese Angebote immer noch nicht in ausreichenden Maße zum regulären Angebot der Jugendhilfe zählen, obwohl durch § 9, Abs. 3 KJHG eine geschlechtsspezifische Arbeit nahegelegt wird Zu 2.1: Vorschläge zur Einbeziehung, Förderung und Absicherung geschlechtsspezifischer Ansätze in der Arbeit In unserer Kultur existieren männliche und weibliche Lebenswelten: Selbst wenn Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer Gleiches tun, nehmen wir es unterschiedlich wahr, bewerten es und reagieren entsprechend je nach Geschlecht. Gleichzeitig unterscheiden sich bei Frauen und Männern Wünsche, Lebensentwürfe, Entfaltungsmöglichkeiten und die Betroffenheit von sozialen Veränderungen. Postuliert wird allerdings ein Gleichheitsanspruch, der im Alltag auf die gesellschaftliche Realität einer dualistischen Struktur trifft. Diese gesellschaftliche Realität ist geprägt von starren Rollenerwartungen an Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer. Gleichzeitig wird hierdurch die Bewertung männlicher Lebenswirklichkeit als höherwertiger Norm verwischt und bestehende Unterschiede werden ignoriert. Für Mädchen und Frauen bedeutet dies, • sich den als höher bewerteten und als gesellschaftliche Normalität gesetzten männlichen Lebensentwürfen anpassen zu müssen. • mit einem Bild aufzuwachsen, dass von weiblichem Normal-Sein Fürsorglichkeit, Rücksichtnahme und Orientierung an anderen verlangt. • dann besondere Anerkennung zu erfahren, wenn sie für andere da sind und zu jemandem gehören. Sie lernen so, sich selbst und anderen Frauen wenig Bestätigung zu geben. • dass reale Eigenaktivitäten und Wünsche, besonders die mit aggressiven und offensiven Komponenten verbunden sind, nicht dem weiblichen Normalbild entsprechen und abgewertet werden. • sich aufgrund einer Paradoxie zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Bedürfnissen eher resignativ und defensiv zu verhalten und Grenzüberschreitungen zuzulassen. Gleichzeitig werden eigene Dominanz-Bedürfnisse in Männer projiziert. Für Jungen und Männer • verstellt es die Sicht auf die Zweigeschlechtlichkeit unserer Welt und auf Alternativen zum männlichen Rollenkorsett. • bedeutet es mit einem prinzipiell unerreichbaren Idealbild Mann und mit dem Zwang zur ständigen Überlegenheit und der ewigen Angst als ”weiblich” zu gelten, zu leben. • bedeutet dies, dass ”männliche” Fähigkeiten, wie sich durchsetzen, zu konkurrieren, öffentliche Bereiche zu dominieren, eigene Gefühle und Befindlichkeiten zu ignorieren, gefördert werden. • bedeutet es auch, dass soziale Kompetenz und die Fähigkeit, als unmännlich empfundene Persönlichkeitsanteile zu integrieren, vernachlässigt werden. Deshalb muss die Einbeziehung spezifischer weiblicher und männlicher Lebensbedingungen, Alltagserfahrungen und Rollenerwartungen in der sozialen Arbeit selbstverständlich werden. Hierzu ist es notwendig, dass eine geschlechterbezogene Sicht- und Handlungsweise als Realität im pädagogischen Alltag und den pädagogischen Praxisfeldern als Querschnittsaufgabe verankert wird.16 16 vergl. hierzu: Institut für geschlechtsbezogene Pädagogik, Alte Molkerei Frille, Selbstdarstellung 27 Förderung und Absicherung geschlechtsspezifischer Arbeit Wie eine Förderung und Absicherung geschlechtsspezifischer Ansätze, wie in § 9, Abs. 3 KJHG empfohlen, in der praktischen Arbeit umgesetzt werden kann, wird in den Ergebnissen des Aktions-Teams zur ”Förderung von Mädchen in Wuppertal” und deren Bestandsaufnahme zu den Angeboten des Unternehmens Stadtverwaltung deutlich.17 ”Um langfristig die Stellung von Mädchen in der Stadt Wuppertal, die Angebote der Stadtverwaltung und anderer (sozialer) Einrichtungen und Institutionen zu verbessern, ist die Entwicklung eines Mädchenförderplanes notwendig.” Hierzu dienen die Ergebnisse dieses Aktions-Teams als Grundlage, müssen jedoch durch Ideen, Vorschläge und die Einbringung von Kompetenzen aus allen Arbeitsbereichen ergänzt werden. ”Parteiliche Mädchenarbeit erfordert emanzipatorische Jungenarbeit und daher eine bereichsübergreifende Entwicklung von Konzepten.” Zur Entwicklung der Konzepte wird die Einrichtung eines Aktions-Teams mit Fachpersonal aus der pädagogischen Arbeit mit Jungen empfohlen. Um die so beschriebene Verpflichtung zu geschlechtsspezifischer Arbeit umsetzen zu können, muss ein qualifiziertes Fortbildungsangebot differenziert nach verschiedenen Schwerpunkten für die geschlechtsspezifische Arbeit entwickelt werden und für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe obligatorisch sein. Ergänzt werden die Fortbildungsmaßnahmen durch Fachtagungen, die neue Ansätze der geschlechtsspezifischen Arbeit präsentieren aber auch zum übergreifenden Austausch zwischen den Trägern anregen sollen. Für die Planung und Durchführung ist eine Kooperation zwischen fachkompetenten Ansprechpartner/innen der Stadtverwaltung aber auch den Trägern der freien Jugendhilfe notwendig. Hierbei gehen wir davon aus, dass zukünftig in der fachlichen Weiterentwicklung der Angebote der Jugendhilfe geschlechtsspezifische Arbeit als Qualitätsmerkmal berücksichtigt und entsprechende Standards entwickelt werden. Die Bereiche, in denen dies zu realisieren ist, beziehen sich auf die primärpräventiven Angebote der Aufklärung und Vermittlung von Handlungsstrategien, auf die sekundärpräventiven Angebote der Beratung und Krisenintervention und die tertiär-präventiven Angebote von Schutz und Zuflucht sowie Hilfen zur Aufarbeitung. Darüber hinaus wird angeregt, zu einer besseren Vernetzung und Kooperation der Angebote und Anbieter/innen, einen Arbeitskreis zu installieren, der alle Bereiche der Jugendhilfe städtischer Einrichtungen und freier Träger einbezieht. Unter Federführung der Gleichstellungsstelle wird in 2000 ein Arbeitskreis konzipiert und installiert. 17 vergl. Management-Team Frauenförderung, Ergebnisse des Aktions-Teams ”Mädchenförderung in Wuppertal”, Ergebnisse Mädchenförderung in Wuppertal - Angebote des Unternehmens Stadtverwaltung, Drucks. 1966/98. Die Ergebnisse sind durch das Fachgremium Frauenförderung verabschiedet worden. 28 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.2 stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse und Problemlagen ausländischer Mädchen und Jungen mit sexuellen Gewalterfahrungen, sowie deren Bezugspersonen Zu 2.2: Situationsbeschreibung der Arbeit mit ausländischen Mädchen und Jungen Ausländische Mädchen und Jungen und Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen In der Formulierung ”ausländische Mädchen und Jungen” werden in der Praxis Kinder und Jugendliche zusammengefasst, die eine ausländische Nationalität nach Pass haben und Mädchen und Jungen, deren nationale, kulturelle oder geografische Herkunft nicht ausschließlich deutsch ist. Gemeint sind also auch Mädchen und Jungen aus Aussiedlerfamilien, Bi-nationalen Familien oder eingebürgerte Zuwanderungsfamilien. Anders ausgedrückt sind alle Mädchen und Jungen gemeint, die zusätzlich zu deutschen kulturellen Erfahrungen weitere kulturelle Erfahrungen durch ihre Herkunftsfamilie haben. Der Anteil ausländischer Mädchen und Jungen nach dem Pass, von 0 bis 18 Jahren, beträgt in Wuppertal 21%. Über diese rechtliche Definition hinaus haben Mädchen und Jungen aus Aussiedlerfamilien (mit deutschem Pass) und Mädchen und Jungen, die selbst oder deren Familien eingebürgert wurden, in der Regel ähnliche Erfahrungen zwischen unterschiedlichen Kulturen wie ausländische Mädchen und Jungen. Nur über eine Hilfskonstruktion kann ein Anteil von Mädchen und Jungen mit unterschiedlicher Erfahrung in Wuppertal beziffert werden. So kann festgestellt werden, dass ca. 30% der Wuppertaler Mädchen und Jungen unterschiedliche kulturelle Erfahrungen haben, bzw. in einer Migrationsfamilie lebt. • 21% ausländische Mädchen und Jungen nach Pass • 5 % Mädchen und Jungen von Aussiedler/innen (nach Schul-Statistik 97) • 5% Mädchen und Jungen nach Einbürgerung oder Bi-nationalen Familien lebend (geschätzt) Deshalb ist davon auszugehen, dass mindestens jedes 4 Wuppertaler Mädchen und jeder 4 Wuppertaler Junge mehr als einen kulturellen Erfahrungshintergrund hat. Gemeinsame Erfahrungen von ausländischen Mädchen und Jungen Ausländische Mädchen und Jungen haben als gemeinsame Erfahrung die Diskrepanz zwischen deutscher Kultur und der Kultur eines anderen Herkunftslandes. In der Regel ist der Zugang zu deutschen Institutionen, Gruppen, kulturellen Angeboten, sozialen Bezügen etc. eingeschränkt oder faktisch nicht vorhanden. Beispielweise sind in Institutionen, die für alle Mädchen und Jungen zuständig sind (z.B. Kindergärten und Schulen), deutliche Segregationsmerkmale zu erkennen. So haben z.B. Grundschulen oder Kindergärten mit einem besonders hohen Anteil an ausländischen Kindern und Jugendlichen Imageprobleme. Je höher das Bildungsziel, desto geringer ist der Anteil ausländischer Mädchen und Jungen. Z.B. sind in den Sonderschulen für lernbehinderte und geistigbehinderte Mädchen und Jungen ausländische Mädchen und Jungen erheblich überrepräsentiert, in Gymnasien dagegen sind sie deutlich unterrepräsentiert. In der Weiterführung bedeutet dies auch, dass die Erfahrungen der deutschen Kultur von ausländischen Mädchen und Jungen aus dem Gefühl des nicht so vertrauten, fremden aus einer persönlichen Distanz gemacht werden. Dies hat z.B. besondere Auswirkungen, wenn Fragen des Zugangs zum Hilfesystems zu klären sind. 29 Ausländische Mädchen und Jungen haben keinen gleichen Erfahrungshintergrund, sind keine homogene Gruppe Ansonsten gibt es keine homogenen Erfahrungen von ausländischen Mädchen und Jungen, da sich ihre kulturellen Erfahrungen, je nach Herkunftsland, Nationalität, Dauer des Aufenthaltes in Deutschland oder in einem anderen Land, Integration in die deutsche Kultur, Integration in die ausländische Kultur, Schichtzugehörigkeit (mit eventueller großen Unterschieden), Religion, Familienzusammenhang etc., erheblich unterscheiden können. Auch Vorerfahrungen wie Flucht, Krieg oder Verlust von Familienmitgliedern (z.B. durch Wegzug) prägen die Selbstsicht, Fremdsicht und Lebensweltperspektive von Mädchen und Jungen. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer Geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei allen Erfahrungen von ausländischen Mädchen und Jungen in der Regel erheblich. Diese sind auch in der deutschen Bevölkerung wahrscheinlich die prägenden Differenzen in der gesellschaftlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen. In den meisten Herkunftskulturen der ausländischen Mädchen und Jungen ist die Rollenzuweisung traditionell ausschließlicher und sind patriarchale Normen stärker ausgeprägt. Der familiäre Zusammenhang oder –halt ist häufig ausgeprägter als bei deutschen Familien. Er unterstützt zum einen und normiert zum anderen. Dies kann auf die Besonderheit der kulturellen Herkunft zurückgeführt werden und besonders durch Fremdheitsgefühle massiv verstärkt bzw. verfestigt werden. Differenzierung nach Herkunft, Nationalität etc. Die größte Gruppe der ausländischen Einwohner/innen in Wuppertal ist türkischer Nationalität. Aber auch für Mädchen und Jungen anderer ausländischer Nationalität oder geografischer Herkunft (z.B. Aussiedlerkinder) sind ähnliche Unterschiede zu durchschnittlichen deutschen Sozialisationserfahrungen zu erkennen. Beispiel Aus einer festen Rollenverteilung ist eine traditionelle Aufgabenverteilung abgeleitet: So ist davon auszugehen, dass Mädchen in der Verantwortung für die Familie, für die leibliche Versorgung, für das emotionale Klima, für die Fortsetzung von Normen und Traditionen der nächsten Generationen erzogen werden. Jungen erhalten Freiheiten in der persönlichen Entwicklung und sind eher für externe Angelegenheiten der Familie zuständig, z.B. für Regeln und Normen, die Ehre und den Ruf der Familie regeln, bzw. erhalten. Hinzu kommt, dass ein guter Ruf junger Mädchen und Frauen, ihre Normentreue für das Selbstbild einer Familie und der einzelnen Personen von großer Bedeutung sein können. Sanktionierte Normenverstöße sind z.B. nicht-eheliche Sexualität, Widerspruch gegenüber patriarchalen Normsetzungen (z.B. gegenüber dem Vater, Bruder oder älteren Familienangehörigen). Die in den letzten 2 Jahrzehnten beschriebene Entwicklung von einer Erosion von Lebensbezügen und Lebenswelten (Münchmeier) in der deutschen Gesellschaft, die Risiken und Chancen für Entwicklung beinhalten, stehen manchmal sogar verhärtete traditionelle Normen und Rollentrennungen in Teilen der ausländischen Bevölkerung gegenüber. Das Thema sexueller Missbrauch ist ab Mitte der 80ger Jahre durch Projekte der Frauenbewegung in die öffentliche Auseinandersetzung in Deutschland gebracht worden. Gerade die in Deutschland hauptsächlich vertretene ausländische Bevölkerung kommt zum überwiegenden Teil aus Herkunftsländern, in denen die Diskussion um Sexualität als Lebensäußerung, Gewalt gegen Frauen und sexuellen Missbrauch nicht öffentlich geführt wurde oder wird. In einigen Herkunftsländern ist in den letzten Jahren mit Aufklärung und Hilfsangeboten begonnen worden. In anderen hat sich jedoch die Tabuisierung von Aufklärung verschärft. Die faktische Veränderung der Familienstrukturen, die in Deutschland durch den Motor der industriellen und politischen Entwicklung viele Optionen für das Individuum eröffnet hat, steht einer eher traditionellen Arbeitsteilung und Chancenperspektive gegenüber. 30 Rechtlicher Status und Erfahrung mit Institutionen Für viele ausländische Mädchen und Jungen beinhaltet der rechtliche Status als Ausländer/in eine Unsicherheit in der Zukunftsperspektive und in der Lebensplanung. Die Erfahrungen der ausländischen Bevölkerung mit deutschen und ausländischen Behörden, z.B. die tatsächliche oder angenommene Drohung einer Ausweisung oder einer Verweigerung einer Arbeitserlaubnis, führt zu einer kritischen Distanz zu Behörden und offiziellen Institutionen. Mit diesem Erfahrungshintergrund wird ein institutionelles Hilfsangebot mit Unsicherheit und Ängsten verbunden oder gar abgelehnt. Diskriminierung und Ausgrenzung der ausländischen Bevölkerung darf jedoch nicht nur in Zusammenhang mit der deutschen Bevölkerung gesehen werden. Auch innerhalb der ausländischen Bevölkerung ist eine Diskriminierungshierarchie zu beobachten. Sexuelle Verstümmelung Besondere Aufmerksamkeit ist Mädchen aus Ländern und Kulturen zu widmen, in denen sexuelle Verstümmlungen (Klitorisbeschneidungen) durchgeführt werden. Auch innerhalb Deutschlands gibt es Anzeichen dafür, dass bei ausländischen Mädchen sexuelle Verstümmlungen auf dem Hintergrund von Ritualen und Traditionen fortgesetzt werden. Die sexuelle Verstümmelung ist sexuelle Gewalt. Häufig führt dies zu Traumatisierungen, Verletzungen und körperlichen Problemen in Bezug auf Sexualität, Menstruation und Geburt. Prävention Es ist kein fremdsprachliches Informationsmaterial für Mädchen und Jungen, Mütter und Väter in Wuppertal zu dem Themenkomplex sexuelle Gewalt erstellt worden oder im Umlauf. Ausländische Mädchen und Jungen, Frauen und Männer sind auf 2 Ebenen erreichbar: • Standardsystem: z.B. Schule, Kindergarten, Beratung • Lebenszusammenhängen (Milieus) ausländischer Bevölkerung innerhalb der deutschen Gesellschaft Über beide Bereiche liegen keine Informationen in Bezug auf Prävention oder auch Intervention im Bereich sexueller Gewalt vor, die ausländische Mädchen und Jungen zur Zielgruppe haben. • Beratung und Krisenintervention • Hilfen zur Aufarbeitung • Schutz und Zuflucht Im Rahmen erster Auswertungen von Datenmaterial aus der Arbeit des Bezirkssozialdienstes ist die geringe Inanspruchnahme durch ausländische Mädchen und Jungen und ihren Familien im Arbeitsbereich Hilfe zur Erziehung besonders hervorzuheben. Um hier Ansätze für Ursachen und darüber hinaus einer Verbesserung des Hilfesystems für ausländische Mädchen und Jungen zu bekommen, wird im Sommer 1999 eine Befragung von Fachkräften der Hilfen zur Erziehung durchgeführt. Schon jetzt ist festzuhalten, dass Unterstützungs- und Hilfsangebote für ausländische Mädchen und Jungen geöffnet werden müssen, um die Aufgaben der Jugendhilfe tatsächlich umsetzen zu können. Die Angebote der Jugendhilfe (ausgenommen die mit besonderen Zielgruppen) sind wohl für alle Mädchen und Jungen zugänglich und offen, jedoch werden ausländische Mädchen und Jungen nicht entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung und auch nicht entsprechend ihres Hilfebedarfes erreicht. Ob ein separates Hilfesystem für Mädchen und Jungen ausländischer Herkunft erforderlich ist oder das bestehende Hilfesystem sich stärker auf die Bedürfnisse und den Bedarf ausländischer Mädchen und Jungen ausrichtet ist zu klären. Arbeitsansätze sind zu entwickeln Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das kulturelle und familiäre Lebensumfeld und die Einbindung von Mädchen und Jungen individuell aufgearbeitet und berücksichtigt werden müssen. Es ist nicht möglich, je nach nationaler Herkunft oder Identität, Sichtweisen und Regeln für Hilfsmöglichkeiten zu beschreiben. 31 Notwendig ist die Erarbeitung von Standards für Hilfen, die Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen kulturellen und familiären Erfahrungen verstärkt einbeziehen. Die Anfragen bei Fachkräften unterschiedlicher Profession und Arbeitsgebieten hat ergeben, dass Erfahrungen mit Zielen, Methoden und Organisationsformen in der Arbeit mit ausländischen Mädchen und Jungen in Bezug auf Gewalterfahrungen und sexuellen Missbrauch noch nicht systematisch aufgearbeitet sind. Es ist dringend erforderlich einen Arbeitsansatz zu entwickeln. Der Zugang ausländischer Mädchen und Jungen zum Hilfesystem ist durch Benachteiligungen geprägt. An diesem Grundproblem ist systematisch zu arbeiten, dabei sind Problemkomplexe der sexuellen Gewalt zu bearbeiten. 32 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.3 stärkere konzeptionelle Berücksichtigung altersspezifischer Unterschiede Zu 2.3: Vorschläge zur Berücksichtigung altersspezifischer Unterschiede18: Qualifizierung im Kleinkindbereich Grundsätzliches Sexueller Missbrauch ist ein Syndrom von Geheimhaltung und Abhängigkeit. Der Mensch ist im Vergleich zu anderen Lebewesen eine physiologische Frühgeburt und lebt daher in besonderem Maße in den frühen Lebensphasen in Abhängigkeitsbeziehungen zu seinen Pflegepersonen (frei nach Geelen) Statistik Statistische Zahlen zu Übergriffen auf Kinder im Alter von 0–6 Jahren fallen je nach Zielgruppe der Befragten unterschiedlich aus. Sie schwanken von 7-8 % (Bange), über 27,2 % zu 40 % (Teegen).Dunkelziffer: Kliniker/innen, Polizei und Berater/innen weisen auf eine hohe Dunkelziffer von Missbrauch an Kindern zwischen 0-6 Jahren hin. Gründe für eine hohe Dunkelziffer: • Rechtskontext: die rechtliche Verfolgung ist meistens nicht möglich, da die Aussagemöglichkeiten der jungen Kinder den Maßstäben für Zeugentauglichkeit (Strafprozessordnung) nicht genügen • Problematik der Früherkennung im frühkindlichen Alter • Loyalitätskonflikte: Eltern bzw. Schutzpersonen fürchten Belastungen für das Kind und die Familie. Problemaufriss 1. Einflussfaktoren auf das Ausmaß der Schädigung durch sexuellen Missbrauch Das Ausmaß des seelischen und körperlichen Schadens durch sexuellen Missbrauch beim Kind wird bedingt durch: • das Alter des Kindes bei Misshandlungsbeginn, • die Dauer des Misshandlungszeitraumes und der Anzahl der Schädiger, • den Grad der Gewaltanwendung und der Gewaltandrohung aus der Sicht des Kindes, • den Altersunterschied zwischen Misshandler und Kind, sowie die zugeschriebene Autorität und die Motive des Schädigers, • Geschlecht des Schädigers, des Kindes, • die Nähe des Verwandtschaftsgrades, bzw. die Stärke der vom Kind empfundenen Loyalität bzw. Abhängigkeit, • den Grad und die Dauer der Geheimhaltung, • die An- und Abwesenheit von schützenden Personen. Im folgenden werden Schwierigkeiten bei der Feststellung eines sexuellen Missbrauchs bei kleinen Kindern besprochen. Die Ausführungen erfolgen in enger Anlehnung an F. Fegert. 18 Verwendete Literatur: a) Jörg M. Fegert: Sexuell Missbrauchte Kinder und das Recht, Band 2, Volksblatt Verlag Köln, 1993. b) Gegenfurtner/Keukens (Hrsg.): Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Reihe Sozialpädagogik und Psychologie, Bd. 4, Verlag Westarp Wissenschaften Essen, 1992. c) Dirk Bange: Die dunkle Seite der Kindheit, Volksblatt Verlag Köln, 1992. d) Ursula Enders (Hrsg.): Zart war ich, bitter war`s Volksblatt Verlag Köln, 1990. 33 2. Äußerungsmöglichkeiten kleiner Kinder Kleine Kinder sind aufgrund ihres Entwicklungsstandes zu sprachlichen oder symbolischen (z. B. Malen) Mitteilungen nur eingeschränkt in der Lage, was die Diagnose eines sexuellen Missbrauchs erschwert. Verfügen die Kinder über sprachliche Fähigkeiten, so besteht dennoch eine Schwierigkeit bei Erwachsenen - mit Ausnahme enger Bezugspersonen des Kindes- seine Kommunikation zu verstehen und einzuordnen. Das Denken des Kleinkindes unterscheidet sich grundlegend von dem des Erwachsenen. Das Kleinkind verfügt noch nicht über die Fähigkeit, abstrakt zu denken und ist somit nicht in der Lage, verschiedene Perspektiven zu überdenken. Sein Denken wird als magisch, prälogisch und egozentrisch beschrieben. Das bedeutet, es orientiert sich an seinem eigenen inneren Wollen, Werten und Fühlen und projiziert diese Empfindungen in die Außenwelt. Diese Ausführungen verdeutlichen die Schwierigkeiten im Umgang mit Aussagen kleiner Kinder, da oft nicht ersichtlich ist, ob eine Äußerung in die Kategorie ”Fakt” oder ”Phantasie” einzuordnen ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen ”Phantasie” und ”Lüge”. Die Fähigkeit zu lügen entwickelt sich erst allmählich im Laufe der Entwicklung, d.h. Kinder im Vorschulalter sind i. d. R. nicht in der Lage, bewusst und ausgerichtet auf einen bestimmten Sinn und Zweck die Unwahrheit zu sagen. Kinder sind im Vergleich zu Erwachsenen lange nicht in der Lage, ihr nonverbales Verhalten zu kontrollieren, d. h. ihre Mimik ist „verräterisch“. Möglicherweise fehlt bei jüngeren Kindern auch die Einsicht, dass andere eine Lüge im nonverbalen Verhalten erkennen können, da die Fähigkeit zur Rollenübernahme erst gering ausgeprägt ist. Erst mit dem Ende des Grundschuljahres dürften Kinder gelernt haben, ihre Mimik zu kontrollieren, wenn sie lügen. 3. Einordnung von Symptomen Die Annahme, aufgrund von Symptomen direkte Rückschlüsse auf die Tat oder gar die Täter/in zu ziehen, hat sich als wissenschaftlich haltlos erwiesen. Ein Kind im Alter bis zu 3 Jahren kann auf der Gefühlsebene auf Stimuli, die es überfordern, mit Angst und Verwirrung reagieren und unangenehme Empfindungen verspüren, die es aber nicht reflektieren und verbal äußern kann. Auf der Verhaltensebene wird es vermutlich Verhaltensauffälligkeiten zeigen, wie Schlaf- oder Ess-Störungen, die Tendenz zu Verhaltensextremen, Angst vor Fremden, Rückzug oder altersunangemessenes sexuelles Spiel. Ein Kind im Vorschulalter (3-6 Jahre) kann auf unangenehme Stimuli zusätzlich zu den o.g. Reaktionsmustern mit Scham reagieren. Verhaltensauffälligkeiten können sich z. B. ausdrücken durch regressives Verhalten, Alpträume, Aggressionen oder auffälliges sexuelles Verhalten (z. B. dauerndes Masturbieren). 4. Qualifizierungsstandards • Zum Schutz junger Kinder und zur Früherkennung von Hinweisen auf sexuellem Missbrauch ist Qualifizierung von Mitarbeiter/innen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erforderlich. • Initiator/innen sollen die Arbeitgeber sein und aus personellen Fluktuationsgründen soll eine turnusmäßige Wiederholung des Fortbildungsangebotes stattfinden. • Fortbildungen sollen fortlaufend mit einer breiten Themenpalette angeboten werden. Themen der Fortbildung sollen sein: • entwicklungspsychologische Grundkenntnisse, • Grundkenntnisse über die psychosexuelle Entwicklung des Kindes, • Grundkenntnisse über Entwicklungsabweichungen, • Grundkenntnisse über die Missbrauchsthematik, Missbrauchskontext, • Umgang mit kindlichen Ausdrucksformen und Folgen und Schädigungen durch sexuellen Missbrauch, • Handlungsabläufe bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und diagnostiziertem sexuellem Missbrauch, • Gesprächsführung und Setting mit beteiligten Personen, • Rechtskontext, • Psychohygiene für Helfer/innen. 34 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.4 Differenzierung der Hilfen im Hinblick auf die Problemlagen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind Zu 2.4 Standards und Rahmenbedingungen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen19 Differenzierung nach den unterschiedlichen Behinderungsarten Das BSHG trifft die Unterscheidung zwischen körperlich, geistig und seelisch wesentlicher Behinderung (§ 39) und beschreibt die Eingliederungshilfe wie folgt: (1)Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, ist Eingliederungshilfe zu gewähren. ... (2)Den Behinderten stehen die von Behinderung Bedrohten gleich. ... (3)Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. • Der Personenkreis der körperlich, geistig und seelisch wesentlich Behinderten ist im einzelnen in den §§ 1-3 Eingliederungshilfe-Verordnung abgegrenzt. • In § 40 BSHG werden die Maßnahmen der Hilfe aufgeführt. • Die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche wird in § 35a KJHG geregelt. Art und Umfang der Behinderung muss in der Regel immer wieder durch Gutachten von Fachärzten, Amtsärzten, Psychologen oder Psychiatern belegt werden. Die Umfänglichkeit einer Behinderung kann sehr unterschiedlich sein und sich bis zu einer Mehrfachbehinderung erstrecken. In diesen Fällen ist zu klären, ob vorrangig Anspruch auf Eingliederungshilfe (Sozialhilfe) oder auf Hilfe zur Erziehung (Jugendhilfe) besteht. Das Erleben der Behinderung bzw. der eingeschränkten oder andersartigen Lebensführung stellt sich für jedes einzelne behinderte oder von Behinderung bedrohte Kind, für jeden einzelnen behinderten oder von Behinderung bedrohten Jugendlichen sehr individuell dar. Beim Umgang mit behinderten Kindern und Jugendlichen ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass diese Mädchen und Jungen alle eingeschränkte Erfahrungszugänge zu Lebenszusammenhängen haben und vor allem in der Regel nur über eine eingeschränkte verbale und nonverbale Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeit verfügen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen* Sexualisierte Gewalt ist eine Form des Machtmissbrauchs und trifft als solche die schwachen Mitglieder dieser Gesellschaft. In diesem Sinne sind gerade auch behinderte Kinder und Jugendliche gefährdet Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Aufgrund ihrer Behinderung sind sie zum einen häufig auf die Pflege und Versorgung durch andere angewiesen und somit noch in stärkerem Maße abhängig von ihren Vertrauensund Kontaktpersonen als nichtbehinderte Kinder und Jugendliche. 19 Verwendete Literatur: Becker, M.: Sexuelle Gewalt gegen Mädchen mit geistiger Behinderung, Heidelberg, 1995 Bundesverein zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen: Prävention- Themenschwerpunkt: Sexueller Missbrauch an Menschen mit Behinderungen, 2 (1998), Heft 1 Ev. Arbeitskreis für Kinder- und Jugendschutz: Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, Münster, 1996 Hartwig, L. / Weber, M.: Sexuelle Gewalt und Jugendhilfe, Münster, 1991 Senn,C.: Gegen jedes Recht, Berlin, 1993 Voss, A. / Hallstein, M.: Menschen mit Behinderungen, Ruhnmark, 1993 Weinwurm-Krause, E.-M.: Sexuelle Gewalt und Behinderung, Hamburg, 1994 35 Zum anderen sind durch die Behinderung oftmals ihre Möglichkeiten, eigene Grenzen zu ziehen und ihr Recht auf persönliche Selbstbestimmung durchzusetzen, eingeschränkt. Für behinderte Mädchen und Jungen, die durch ihre körperliche, geistige oder umfängliche Behinderung auf ständige körperliche Pflege (Füttern, Wickeln, Waschen) angewiesen sind, ist die Ausbildung eines eigenständigen, unabhängigen Körperbewusstseins und Körpergefühls fast unmöglich. Dadurch sind sie im besonderen Maße von sexuellen Übergriffen bedroht. Werden behinderte Mädchen und Jungen Opfer sexualisierter Gewalt, dann sind sie noch weniger als ihre Altersgenossen/innen in der Lage, das ihnen widerfahrene Unrecht als solches zu benennen und sich Hilfe zu organisieren. Besonders geistig-, körper-, sprach- und schwerstmehrfachbehinderten Kindern und Jugendlichen fällt es schwer bzw. sind gar nicht in der Lage, die erfahrene sexuelle Gewalt zu artikulieren. Anlaufstellen, die ihnen möglicherweise Hilfe und Unterstützung bieten könnten, sind für sie meist unerreichbar, da viele behinderte Kinder und Jugendliche nur mit Begleitung Erwachsener öffentliche Einrichtungen aufsuchen können. Zudem wird die Glaubwürdigkeit von behinderten Kindern und Jugendlichen, die über ihre sexuellen Gewalterfahrungen berichten, von der Umwelt häufig in Zweifel gezogen. Die Umwelt hält behinderte Kinder und Jugendliche, im Besonderen geistig- und körperbehinderte Kinder und Jugendliche, für sexuell unattraktiv und kann sich daher sexuelle Missbrauchshandlungen an ihnen nicht vorstellen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass dem letztgenannten Personenkreis eine eigenständige und selbstbestimmte Sexualität nicht zugestanden wird. In den meisten Behinderteneinrichtungen sind Sexualität und Körperlichkeit der Behinderten tabuisierte Themenbereiche. Die von Abhängigkeit geprägte Situation behinderter Kinder und Jugendlicher lässt diese häufig – über Umfang und Ausmaß liegen noch keine gesicherten Untersuchungsergebnisse vor - Opfer von sexuellen Missbrauchshandlungen werden. Dass der sexuelle Missbrauch an behinderten Mädchen und Jungen jedoch gravierende Ausmaße einnimmt, ist Berichten Betroffener und pädagogischer Fachkräfte in Behinderteneinrichtungen zufolge eine berechtigte Vermutung. Abgrenzung KJHG und BSHG § 10 KJHG sagt dazu aus: (1)Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind. (2)Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz vor. Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, gehen Leistungen nach diesem Buch vor. ... Während die Wiedereingliederungshilfen für körperlich und geistig wesentlich behinderte Kinder und Jugendliche von den Trägern der Sozialhilfe finanziert werden, ist die Wiedereingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche finanziell und organisatorisch Aufgabe der Jugendhilfe. Dabei ist es ganz wesentlich, dass sich niemand seiner/ihrer Verpflichtung gegenüber hilfesuchenden Personen entziehen darf, indem er/sie diese auf Leistungen der Jugendhilfe bzw. der Sozialhilfe verweist. Der grundsätzliche Vorrang der Jugendhilfeleistung bedeutet, dass in Zweifelsfällen Leistungen der Jugendhilfe und nicht der Sozialhilfe in Frage kommen. In einem angenommenen Fall, dass sich eine körperbehinderte Jugendliche nach sexuellen Missbrauchserfahrungen hilfesuchend an eine Jugendamtstelle wendet, muss dieser Jugendlichen durch die Mitarbeiter/innen des Jugendamtes geholfen werden und die Frage der Kostenübernahme darf nur eine zweitrangige sein. 36 Welche Themen und Fragestellungen sind noch offen? Das Leben behinderter Mädchen und Jungen ist in der Regel durch Separation und, damit häufig verbunden, durch Isolation bestimmt. Die speziellen Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche (z. B. Sonderkindergärten, Sonderschulen, Heime) sind Schonraum, Förderort und Zuhause für die behinderten Mädchen und Jungen. Um so mehr sind sie abhängig von ihren Bezugspersonen, je schwerer und umfänglicher ihre Behinderung ist. Um so mehr sind diese Menschen aber auch den Menschen, die für sie Sorge tragen, (Eltern, Erzieher/innen, Lehrer/innen, u. a.) ausgeliefert. In den meisten Einrichtungen werden die Themen Körperlichkeit und Sexualität der Behinderten und Sexueller Missbrauch an den Behinderten weder im Mitarbeiterkreis noch mit den behinderten Kindern und Jugendlichen angesprochen. Hier gibt es großen Handlungsbedarf dahingehend, die Mitarbeiter/innen der unterschiedlichen Einrichtungen durch Fortbildungen zu diesen Themenbereichen für die Thematik zu sensibilisieren und sie sowohl für aufklärende und präventive Arbeit wie für intervenierende Arbeit zu qualifizieren. Dazu bedarf es eines offenen, aber auch selbstkritischen Umgangs der Mitarbeiter/innen untereinander. Die Möglichkeit zur Supervision sollte in den Einrichtungen uneingeschränkt gegeben sein. Sowohl in der Literatur als auch im Gespräch mit Wuppertaler Fachkräften, die entweder im Behindertenbereich (z.B. Färberei) arbeiten, oder zum Thema Sexuelle Gewalt (z.B. Splittertal, FrauenNotruf), wird deutlich, dass ”Fälle” von behinderten Kindern und Jugendlichen, die sexuell missbraucht werden, ”nicht auf den Tisch kommen”. Es stellt sich die Frage, warum sich weder die betroffenen Kinder und Jugendlichen, noch deren Eltern, noch Betreuer/innen aus Einrichtungen hilfesuchend an entsprechende Einrichtungen wenden. Hier muss dringend der Zugang der sozialen Dienste, sowie die Bereitschaft, sich auch für die Belange Behinderter einzusetzen, sie in ihrer besonderen Situation zu verstehen und ihnen zu helfen, verbessert werden. Standards für die Arbeit mit Mädchen und Jungen mit Behinderungen, die von sexuellen Missbrauchserfahrungen betroffen sind: • Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen in den verschiedenen Behinderteneinrichtungen für die Themenbereiche Körperlichkeit, Sexualität und sexueller Missbrauch • Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen beim Bezirkssozialdienst (BSD) und der freien Träger der Jugendhilfe für die Situation und die Belange behinderter Kinder und Jugendlicher • Qualifizierung der unterschiedlichen Fachkräfte durch Fortbildungsmaßnahmen und Fachtagungen • Etablierung präventiver Ansätze in den unterschiedlichen Einrichtungen der Sonderpädagogik und der Behindertenarbeit • Benennen von Ansprechpartner/innen in den einzelnen Institutionen/Einrichtungen/sozialen Diensten • Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten der sozialen Dienste für Menschen mit Behinderungen • Zugang zu Soforthilfe in Beratungsstellen auch für behinderte Mädchen und Jungen • Die Arbeitsweise der Parteilichen Intervention gilt auch uneingeschränkt für die Arbeit mit behinderten Kindern und Jugendlichen • Schaffung von Schutz- und Zufluchtmöglichkeiten auch für behinderte Mädchen und Jungen • Konsequentes strafrechtliches Vorgehen gegen Mitarbeiter/innen, die behinderte Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben. • Die Schwierigkeiten, die hinsichtlich der Abgrenzung der seelisch behinderten zu den geistig und körperlich behinderten jungen Menschen bestehen, lassen sich dadurch vermeiden, dass das Jugendamt mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Trägers der Sozialhilfe beauftragt wird. Damit bleibt die Leistung zwar eine Sozialhilfeleistung, es ist jedoch gesichert, dass die fachliche Kompetenz des Jugendamtes für den gesamten Bereich der sozialpädagogischen Hilfen eingesetzt werden kann. 37 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.5 Initiierung der Arbeit mit jugendlichen Täter/innen. Arbeit mit Täter/innen wird bislang nur von wenigen Einrichtungen geleistet und ist selbst dort nicht konzeptionell verankert. Zu 2.5.1: Vorschläge für den Umgang mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen (jugendlichen Täter/innen) ”Seit den 80er Jahren veröffentlichen zunehmend Therapeuten von erwachsenen sexuellen Missbrauchern, das nicht wenige der Täter ihre ersten Delikte bereits im Jugend- und Heranwachsendenalter begangen hatten”.20 Deshalb ist eine möglichst frühe Intervention und Hilfe notwendig. In dem 1997 erschienenen Buch ”Sexual Aggressive Children - Thousand Oaks” führt S. K. Araij in seiner Übersicht von neun Untersuchungen aus den USA aus, dass sexuell aggressive Kinder in extrem hohen Ausmaßen selbst eine oder mehrere Formen der Kindesmisshandlung (Sexueller Missbrauch, seelische Gewalt, körperliche Misshandlungen und Vernachlässigungen) erlitten hatten. Allgemein konnte das familiäre Klima als in der Regel äußerst aggressiv, konflikthaft und sexualisiert beschrieben werden. Die Kinder wuchsen meist in dysfunktionalen, zerrütteten Familien auf, viele ihrer Eltern erlitten selbst in der Kindheit Misshandlungen und wiesen Persönlichkeits- , Verhaltens und Beziehungsstörungen auf. Da sexuelle aggressive Handlungen auch von Kindern und Jugendlichen begangen werden, müssen Eltern, Lehrer/innen und Helfer/innen lernen, diese Handlungen angemessen und zutreffend als ”Sexuelle Aggression” wahrzunehmen, zu bezeichnen und sich der Auseinandersetzung damit stellen. Damit ist nicht gemeint, diese Handlungen ausschließlich im Sinne eines kriminellen Delikts zu bewerten, sondern im Rahmen von Entwicklungs- und Verhaltensstörungen. ”Dies heißt auch, auf den Unterschied achten zu lernen, nicht ein Kind, sondern eine bestimmte Verhaltensweise von ihm (zu) ´etikettieren´.”21 Grundsätzliches Die Hilfe muss auf den individuellen Bedarf der oder des sexuell aggressiven Jugendlichen abgestimmt sein. Die Hilfe muss sich daher für das ”Gesamt der Entwicklung und Persönlichkeit langfristig interessieren”, die Standards unterscheiden sich, je nachdem ob die Hilfe ambulant, teilstationär oder stationär ausgerichtet ist. Generell ist es notwendig, dass das Konzept der Arbeit mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen von der Leitung der Einrichtung mitgetragen wird und abgesichert wird. Die Arbeit mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen muss jungen- und mädchenspezifische Aspekte mit berücksichtigen und die Arbeit vor dem Hintergrund einer mädchen- und jungenspezifischen Sozialisation verstehen. Deshalb müssen in der Betreuung von sexuell aggressiven Mädchen und Jungen unterschiedliche Konzepte entwickelt werden. Die Betreuung von Mädchen und Jungen muss getrennt erfolgen. Es empfiehlt sich geschlechtshomogene Gruppen einzurichten. Darüber hinaus ist eine alters- und entwicklungsgemäße sexualpädagogische Aufklärung und Begleitung als Bestandteil in die Arbeit zu integrieren. Die Arbeit mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen macht es erforderlich, dass Fachkräfte lernen, die Ursache sexueller Aggression nicht mehr nur verharmlosend als ´pubertäre Neugier, pubertäre Triebspannung oder eine Art Übersprungshandlung´ anzusehen, sondern als Anzeichen für Entwicklungs- 20 21 ”Auftrag und Prävention”, Hrsg.: Hand Seidel Stiftung, 1999, S. 362ff a.a.o. 38 und Verhaltensstörungen. International gibt es relativ wenig aussagekräftige Untersuchungen zu den Unterschieden und Übergängen zwischen Jugendlichen und erwachsenen Sexualtäter(innen). In Abgrenzung zu der Arbeit mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen gehen wir bei der Arbeit mit erwachsenen Sexualtäter(innen) davon aus, dass das delinquente Verhalten nicht das Symptom einer Störung, sondern ein zielgerichtetes Verhalten, dem eine Reihe von Entscheidungen der Täter(innen) zwischen verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten vorangeht. Der sexuell aggressive Junge und das sexuell aggressive Mädchen haben Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Im Rahmen der Jugendlichen kommen Sozialarbeiter/innen mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen in Kontakt, für die es in der Regel schwierig ist eine qualifizierte therapeutische und pädagogische Betreuung zu finden. Die Arbeit mit jugendlichen Täter(innen) unterscheidet sich von der Arbeit mit erwachsenen Straftäter(innen) dahingehend, dass der psychische und physische Entwicklungsstand des betroffenen Kindes oder Jugendlichen Berücksichtigung finden muss. Kinder und Jugendliche haben ungleich größere Chancen ihre sexuell aggressiven Verhaltensweisen abzulegen, wenn sie eine adäquate Hilfestellung bekommen. Folgende Anforderungen sind bei der Arbeit mit sexuell aggressiven Kindern und Jugendlichen zu beachten: • der Opferschutz muss gewährleistet und sichergestellt sein. • Die Therapiemotivation muss sichergestellt sein, z.B. durch Einschaltung des Jugendamtes, gerichtliche Verpflichtung usw.. • Das Helfer/innensystem muss multiprofessionell sein. • Das jeweilige Bezugssystem ist in die Betreuung mit einbezogen. Personal und Ausbildung Für die Arbeit zum Thema sexuelle Gewalt bietet sich ein multiprofessionelles Team an. Je nach Problematik der betreuten Klientel und nach Charakter des institutionellen Konzeptes hat das Team die Berufsgruppen zu umfassen, deren spezifische Kenntnisse zur Lösung beitragen können. Je nach Erfordernis muss die Möglichkeit bestehen, dass Berater/innen unterschiedlicher Professionen in den Beratungsprozess einer Person oder einer Gruppe einbezogen werden. Regelmäßige Teamtreffen oder Helfer/innenkonferenzen dienen der Koordination und angemessenen Fallbearbeitung. Hierbei sollten mindestens 2 Personen im Team als Leitung und Co-Leitung zusammenarbeiten. Dies ist u.U. auch über die Kooperation unterschiedlicher Träger zu realisieren. Darüber hinaus hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass Fachkräfte, die mit sexuell aggressiven Kindern arbeiten, Erfahrungen aus der Opferarbeit mitbringen. Möglichkeiten der Qualitätssicherung Um die Qualität der Arbeit sicherzustellen sollten bei Bedarf Angebote wie Supervision, kollegiale Beratung und fortlaufende Fortbildungen für Fachkräfte zur Verfügung gestellt werden. Eine sorgfältige Bewertung der Erfahrungen und Betreuungsergebnisse sollte durch eine fortlaufende Konzept- und Organisationsentwicklung ermöglicht werden. Rechtliche oder vertragliche Rahmenbedingungen Es sollte eine Helfer/innenkooperation, primär mit dem Jugendamt eingerichtet werden. Im Bedarfsfall muss das Jugendgericht in die weitere Hilfeplanung mit einbezogen werden. Der Schutz des Opfers ist zwingend erforderlich, deshalb ist eine Absprache zwischen der Opferhilfe und dem Helfer/innensystem, das die pädagogische Betreuung und die Therapie für das sexuell aggressive Kind oder Jugendlichen koordiniert, erforderlich. Die Teilnahme der oder des sexuell aggressiven Kindes oder Jugendlichen an der Betreuung und Therapie muss sichergestellt sein, ebenso die Mitarbeit der Eltern oder sonstiger der Sorgeberechtigter. 39 Kooperation und Vernetzung Kooperation mit anderen Einrichtungen der regionalen psychosozialen Versorgungskette, Abstimmung mit vergleichbaren Einrichtungen anderer Träger zur Vermeidung von Konkurrenzsituationen und eine Beteiligung von kommunaler psychosozialer Gremienarbeit ist erforderlich. Zusätzlich beinhaltet die o.g. Kooperation eine fallübergreifende Zusammenarbeit mit verschiedenen Leistungsträgern, wie z.B. Justiz und Polizeibehörden. Folgende Kooperationspartner sind für die Betreuung von jugendlichen Täter/innen unerlässlich: • Eltern oder andere Sorgeberechtigte • Institutionen der Hilfe für das Opfer • Jugendamt • Jugendgerichtshilfe • andere Jugendhilfeträger • Vormundschaftsgericht • Jugendgericht • Kinder- und Jugendpsychiatrie • Kindergärten • Schulen • andere Beratungsstellen Transparenz des Angebotes Der Öffentlichkeitsarbeit, die die entwickelte Angebotsstruktur transparent macht und die Zugänge zu den Institutionen erleichtern soll, kommt eine besondere Bedeutung zu. Alle Einrichtungen, soweit es möglich ist, sind aufgerufen, ihre Erkenntnisse und Hilfsangebote in der Öffentlichkeit darzustellen und in präventiver Absicht Einfluss auf die öffentliche Diskussion zu nehmen. Die Verfahrensweise mit den jugendlichen Täter/innen sollte aufgrund der Transparenz des Angebotes im Konzept dargestellt werden. 40 Anbieter/innen und Angebote zum Themenfeld sexuell aggressive Kinder und Jugendliche (jugendliche Täter/innen) 1b Aufgabenbereich 2 Eigene Definition der Arbeit mit Täter/innen 3a Wie sind Sie in Ihrer Arbeit mit den Täter/innen konfrontiert? 3b Wie alt sind die Täter/innen in der Regel? 4a Wie kommen die Täter/innen zu Ihnen? 4b Sind es männliche oder weibliche Täter/innen Kinder- und Jugendwohngruppen Kindernotaufnahme; Kinderwohngruppe Der Stadtbetrieb nimmt Täter/innen stationär auf älter als 12 Jahre Inobhutnahme nach § 42 und § 34 KJHG In der Regel männliche Täter Bewährungshilfe Aufsicht und Betreuung v. straffällig gewordenen Menschen, die verurteilt wurden Erziehungsberatung; Diagnostik; Familienberatung; Therapie für Kinder u. Jugendliche; Beratung bei sexuellem Missbrauch; Trennung, Scheidung Fachreferat Sozialarbeit; Unterbringung/Belegung; Zuweisung nach Wuppertal Resozialisierung; Vermeidung weiterer Opfer Kindernotaufnahme, Kinderwohngruppe; Notaufnahme der Opfer; Notaufnahme der Täter Persönliche, direkte Bestellung ab Straffähigkeit bis Lebensende Zuweisung durch Strafgerichte In der Regel männliche Täter Gesprächsangebot für mutmaßliche Täter/innen; Familiengespräche keine Angaben Erwachsene evtl. durch andere Familienangehörige In der Regel männliche Täter Keine fachlich bewusste und konzeptionelle Täter(innen)-Arbeit; Bekannte Täter=Freundtäter/in -> sofortige räumliche Trennung; Unterbringung in Männerheimen; Abwehr und Ausgrenzung; Seiltanz zwischen Vertrauensbildung und Grenzsetzungen; Schutz der vermutlich Missbrauchten Vorübergehende Unterbringung nach JSSt; Beratung Wohnheime; Wohnraum; Wohnungen; in der Familie, während der allgemeinen, psychologischen Betreuung; Sprechstunde in der Beratung Verdächtige Täter/innen: männliche Jugendliche, männliche Verwandte; Väter, Mütter kommen mit dem Thema gar nicht; wir gehen zu den Familien Überwiegend männliche Täter Übergriffe in den Einrichtungen oder im sozialen Umfeld; Jugendliche untereinander; Täter/innen als Angehörige oder im sozialen Umfeld des Jugendlichen In allen Arbeitsbereichen im Referat Sozialarbeit 13 – 17jährige Jungen und Mädchen, teilweise unter Verdacht der Täterschaft, in Ausnahmen verurteilt 8 - 80 Einweisung durch JA, Polizei, Eltern etc.; Selbstmeldung; Beratung in der Regel telefonisch Überwiegend männliche Täter Durch BSD/ Steuerungsgruppe keine Angaben In den Familienwohngruppen; in den Tagesgruppen; in den Familien 8 - 18 Nicht in der Regel als Täter/innen ausgewiesen durch die Steuerungsgruppe offensichtlich männliche Täter, versteckt weibliche Täterinnen Krisengespräche, Hilfeplanung, Helferkonferenz Jugendliche Mißhandler, Väter, Lebensgefährte der Mutter Hilfeplanung, Sozialer Druck der Familie, Sozialer Druck von Schule, Jugendgerichtshilfe Selten als Selbstmelder zu 99% männliche Täter Institution Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Caritas in Wuppertal Stadtbetrieb Flüchtlinge Jugendschutzstelle, Caritas in Wuppertal Krisenintervention; Sozialpädagogische Beratung (telefonisch und persönlich); vorübergehende Unterbringung, Inobhutnahme (§42 KJHG) Partnerschafts-, Erziehungs- und Scheidungsberatung Kein Arbeitsschwerpunkt, sondern im Einzelfall sich ergebende Notwendigkeit Ev. Kinderheim Flexible Erziehungshilfe; stationäre Behandlung von sexuell übergriffigen Wuppertal Familienhilfe Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in der Hoffnung auf Realitätsanbindung und unter der Voraussetzung der Verantwortungsübernahme Fachbereich Bezirkssozialarbeit: Beratung, Opferschutz: Koordinierung des Kinder- und Unterstützung, Hilfen für Kinder Hilfeangebotes einschl. Sicherstellung Jugendhilfe und und Jugendliche und deren und Gewährleistung des Schutzes vor Fachbereich Erziehungspersonen weiteren Übergriffen und vor dem/der Bezirkssozialdienst, Ressort Jugendamt Insbesondere Hilfen zur Erziehung Täter/in Täterarbeit: Weitervermittlung an und soziale Dienste (§27 KJHG) Mitwirkung in Familiengerichtsandere Dienste bei jugendlichen verfahren (§49 FGG) Täter/in, Begleitung des Täters im Diakonisches Werk Barmen Jugendstraf-verfahren (JGH) bei jugendlicher Täter/-in die Hilfen zur Erziehung erhalten. Koordinierung des Hilfeprozesses, Hilfeplanung, Abstimmung mit Bewährungshilfe und anderen Diensten. 1b Aufgabenbereich 2 Eigene Definition der Arbeit mit Täter/innen 3a Wie sind Sie in Ihrer Arbeit mit den Täter/innen konfrontiert? Jugendgerichtshilfe Ressort Jugendamt und soziale Dienste Mitwirkung in Jugendstrafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende Beratung und Betreuung von jugendlichen/Heranwachsenden Delinquenten; sozialpädagogische Beurteilung des Beschuldigten; Durchführung von sozialpädagogischen Maßnahmen; Teilnehme an der Gerichtsverhandlung, Mitwirkung bei der Wiedereingliederung Information durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht, Beratungsgespräche Inspe Ressort Jugendamt und soziale Dienste Betreuung gemäß §§ 35 und 41 KJHG Täter und Opfer werden von der Betreuung nicht ausgeschlossen zwischen 16 und 21 Jahren Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Wuppertal Betreuung von Jugendlichen und jungen volljährigen gem §§ 35 und 41 KJHG Kinder- und Jugendärztlicher Dienst selten bis gar nicht Angaben nicht möglich Beratung für sexuell Missbrauchte Kinder, Jugendliche und Frauen, gefährdete und vernachlässigte Kinder und Jugendliche Sie treten als ratsuchende Frauen und Männer auf Institution Kinder- und Jugendärztlicher Dienst, Gesundheitsamt Sozialdienst katholischer Frauen Elberfeld 42 3b Wie alt sind die Täter/innen in der Regel? Jugendliche/Heranwachs ende 14 bis 21 Jahre 4a Wie kommen die Täter/innen zu Ihnen? 4b Sind es männliche oder weibliche Täter/innen Einladung der JGH, Besuche in der Haft und Hausbesuche o.ä. überwiegend männliche Täter durch andere Jugendämter oder BSD keine Unterschiede feststellbar Im Verlauf der Betreuung es können keine können sich Angaben zu einer Angaben Täterschaft entwickeln gemacht werden höchst selten 20 bis 60 Jahre alt Mundpropaganda, Öffentlichkeitsarbeit überwiegend männliche Täter 5a 5b 6a 6b 7a 7b 8a 8b Institution Arbeiten Sie mit bereits verurteilten Täter/innen Wie sehen die Rahmenbedingungen aus Gibt es einen Verlaufsplan in Ihrer Arbeit mit Täter/innen? Gibt es ein fachliches Controlling? Welche Strukturen haben Sie in ihrer Arbeit? Welche Strukturen wünschen Sie sich? Gibt es Vernetzung/ Kooperation? Sind Sie bereit Ihre Konzeption vorzustellen? Kinder- und JugendwohnGruppen Nein Ja Ja Es gibt einen internen Leitfaden zum sexuellen Missbrauch keine Angaben Ja, z. B.: Wildwasser, Pro Familia, Weißer Ring, Splittertal Nein Bewährungshilfe Ja Rahmenbedingungen werden, wenn möglich, individuell und vom Fachberater geschaffen (nicht verurteilte Personen) Einzelberatung; Gruppenangebot Psychosozialer Dienst Dokumentation keine speziellen keine Angaben AG; diverse Einrichtungen aller Art Ja Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Caritas in Wuppertal Nein Angebote für beschuldigte Personen zu Einzelgesprächen; evtl. Familiengespräch Ja Team-Supervision internes Konzept für sexuellen Missbrauch keine Angaben andere Institutionen, Wohlfahrtsverbände Stadtbetrieb Flüchtlinge Nein Nein HPG, kollegiale Beratung, Fachberatung, Supervision KJHG, Betreuung + Grundberatung = kollegiale Beratung; Fachberatung , Doppelbetreuung keine Angaben keine Angaben Jugendschutzstelle, Caritas in Wuppertal Nur in Ausnahmefällen Nein Supervision Zuordnung des Jugendlichen zu Experten/innen im Team, falls bekannt keine Angaben Vernetzung im JHVerband Diakonisches Werk Barmen Nein Einzelfallhilfe, Helfer/innenkonferenzen, kollegiale Beratung, Fachberatung, Supervision, geschlechtsspezifische Doppelbetreuung möglich Opfer und Täter(innen) in einer Gruppe; wechselnde Gruppe von Jungen und Geschlechter-trennung möglich; Einzelfallhilfe Kollegiale Beratung, Fachberatung; Supervision Z. Zt. nicht. Ein Konzept ist in Überarbeitung und Auswertung zur Zeit noch nicht ... Ja, bei jugendlichen Täter(innen) HPG und Supervision Vorstellung in Fallgruppe Supervision verbindlich Ev. Kinderheim Wuppertal vorwiegend Arbeit mit Verdächtigen oder nicht strafmündigen Tätern/innen intensive Dokumentation, HPG’s, Fachgespräche, Supervision keine Angaben In der pädagogischen Gruppe wird das ”Täter/in-sein” offen gehandhabt. Täter/innen müssen an einer Einzelbehandlung teilnehmen. Die Verantwortungsübernahme durch d. Täter/in ist Grundlage. Trennung von Täter und Opfer. Einbeziehung des familiären Umfeldes In Einzelfällen Zusammenarbeit mit EB’s Verbindlicher, Innerhalb von kontrollierbarer Rahmen in Fallarbeit und einem Zusammenarbeit mit BSD AK W-RG-S und Justiz gewünscht, Akzeptanz der Arbeit bis zur Organisationsspitze keine Angaben keine Angaben Konzeptvorstellung noch unentschlossen 43 5a Arbeiten Sie mit bereits verurteilten Täter/innen 5b Wie sehen die Rahmenbedingungen aus 6a Gibt es einen Verlaufsplan in Ihrer Arbeit mit Täter/innen? 6b Gibt es ein fachliches Controlling? 7a Welche Strukturen haben Sie in ihrer Arbeit? 7b Welche Strukturen wünschen Sie sich? 8a Gibt es Vernetzung/ Kooperation? 8b Sind Sie bereit Ihre Konzeption vorzustellen? Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe und Fachbereich Bezirkssozialdienst, Ressort Jugendamt und soziale Dienste Ja, im Rahmen von Hilfe zur Erziehung. Bei der Jugendgerichtshilf e Wiederholungstät er Angebot Fachreferat -Fachberatung -Fallbegleitung -Vorbereitung und Moderation von Helfer/innenkonferenzen Koordinierung der Hilfeformen innerhalb HZE, bei Bedarf Abstimmung mit den Stellen, die die Hilfe durchführen Hilfeplangesprächsprotokolle, Aktenführung, Fachberatung durch Experten/innen oder Fachreferat, Fachgespräch in Steuerungsgruppe Fallbesprechung im Geschäftsteam, kollegiale Beratung, Fachberatung durch Experten/in, Fachberatung durch Fachreferat Es gab einen Unterarbeitskreis Täterbehandlung auf örtlicher Ebene, Es gibt einen Regionalen Arbeitskreis Täterarbeit mit SG, RS, Langenfeld und Wuppertal keine Angaben Jugendgerichtshilfe Ressort Jugendamt und soziale Dienste Die JGH arbeitet mit verdächtigten und verurteilten Tätern nicht ausgeschlossen Ja, Bericht an das Gericht Ja, bei Bedarf Fallbesprechung, Fachberatung Verbindliche verlässliche Struktur der Kooperation bei der Einzelfallbearbeitung zwischen den Diensten Jugendamt (BSD/JGH), Bewährungshilfe und Justiz Angebot mit Behandlungskonzept z. Täterbehandlung Rahmenkonzept Kooperation mit dem Bezirkssozialdienst, Fachstellen, Arbeitskreise Nein keine Angaben Institution Inspe Ressort Jugendamt und soziale Dienste Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Wuppertal Kinder- und Jugendärztlicher Dienst, Gesundheitsamt Sozialdienst katholischer Frauen Elberfeld 44 §§ 35 und 41 KJHG Ja, aber Ja ausschließlich bezogen auf sexuellen Missbrauch Nein Teamstruktur, Einzelfallbezogene Arbeit eine Täterarbeit wird nicht angeboten Nein keine Themenbezogenen Rahmenbedingungen Ja Sozialarbeiterin mit Zusatzausbildung in Diagnostik und Therapie für sexuell Missbrauchte. Medien: Rollenspiel, Körperarbeit, gestalttherapeutische Methoden, Home-VideoTraining-Methoden, Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit nicht Themenbezogen Dieses Klientel nimmt keine Langzeitberatung in Anspruch, es handelt sich um Krisenintervention bis zu max. 5 Sitzungen Ja Frauenfachverband mit 8 verschiedenen Fachbereichen, Vernetzung innerhalb des SKF, Krisenintervention, Gerichtsbegleitung, Aufarbeitung, Prävention, Fortbildung keine Angaben keine Angaben nicht Themenbezogen Jugendamt, BSD´s keine Angaben Schulen, Kindergärten, Jugendamt, Polizei, div. Beratungsstellen, Weißer Ring, je nach Erfordernis der Situation keine Angaben Zu 2.5.2 Sicherheit, Gewaltfreiheit und Selbstbestimmung für Mädchen und Jungen in Einrichtungen der Jugendhilfe Die Sicherheit, Gesundheit und Selbstbestimmung in Hilfsangeboten und Institutionen, in denen Mädchen und Jungen leben oder Unterstützung erhalten, ist eine noch zu bearbeitende Dimension der Organisation der sozialen Arbeit. Alle Kinder haben ein Recht auf Schutz. Gerade Mädchen und Jungen, die sexuelle Gewalterfahrungen gemacht haben, benötigen einen besonderen Schutz vor neuen oder weiteren Übergriffen. Auch in Institutionen, die von Mädchen und Jungen genutzt werden, wie z.B. Schulen, Tageseinrichtungen für Kinder, Beratungsstellen, Pflegestellen, Wohngruppen werden sexuelle Gewalttaten bekannt. Alle Institutionen, in denen für und mit Mädchen und Jungen gearbeitet wird, müssen sich im Rahmen der Sicherstellung ihrer Fachlichkeit damit auseinandersetzen, wie ihr Personal beraten und kontrolliert wird, damit Strukturen, die sexuelle Gewalt begünstigen, verändert werden. Ein Träger der Jugendhilfe (als überregionales Beispiel ist der ”Paritätische Wohlfahrtsverband, Fachberatung des Bundesverbandes” zu nennen) und Schulen haben konkret Kriterien entwickelt, die einer Missbrauchsstruktur in ihren Institutionen entgegenwirkt. Dazu gehört auch ein Verfahren zum institutionellen Umgang mit Missbrauch innerhalb des eigenen Arbeitsfeldes in Form eines Konzeptes. In vielen Bereichen der Arbeit mit Mädchen und Jungen ist das Thema der sexuellen Gewalt innerhalb des eigenen Dienstes wie ein Tabu besetzt. Im Rahmen der Diskussion zur Qualitätssicherung schlägt deshalb z.B. Norbert Struck, Fachberatung im Bundesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes22 vor Kriterien zu erarbeiten, die sexuelle Gewalt in der Arbeit mit Mädchen und Jungen entgegen wirkt. Beispiel für Qualitätssicherung Integriert in die Zielsetzung der Arbeit könnte das Ziel wie folgt definiert werden: Ziel: Sicherung der Alltagsqualität Voraussetzung: wirkungsvoller Schutz gegen Übergriffe Maßnahmen z.B. • Beteiligungs- und Mitbestimmungsstrukturen für junge Menschen in Einrichtungen und übergreifende Selbsthilfeorganisationsformen. • Hilfeplanung und Erziehungsplanung unter Einbezug der Interessen, Wünsche und Meinungen von Kindern und Jugendlichen. • Ansprechbarkeit von Jugendämtern und Einrichtungsleitungen für Kinder, Jugendliche und Kollegen/innen. • Die Information junger Menschen in Erziehungshilfen über ihre Rechte und über Unterstützungsmöglichkeiten verbindlich gestalten. • Zugang zu Vereinen und Institutionen, die sich um die Rechte von Kindern kümmern und ihre Projekte fördern. Integriert in Konzepte, Leistungsbeschreibungen und Organisationsregeln sind Ziele und Maßnahmen zu entwickeln, die eine Offenheit und Klarheit in der Arbeit mit Mädchen und Jungen bringt. Reflektierte Teamarbeit, Auseinandersetzungen mit der eigenen Geschlechterrolle, mit Themen wie Macht, Generationshierarchie etc. sind Möglichkeiten, die Sicherheit von Mädchen und Jungen auf der strukturellen Ebene des Personaleinsatzes zu gewährleisten. 22 Norbert Struck, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Forum Erziehungshilfen, 3. Jg. 1997, Heft 3, S. 115 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.6 Eine Koordinierung der Hilfen sowohl fallbezogen, als auch fallübergreifend, ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Einrichtung einer ”Kontakt-, Informations- und Anlaufstelle” für professionelle und andere Ratsuchende wie sie vom Arbeitskreis ”Sexueller Missbrauch” und zuvor schon vom Arbeitskreis ”Vernetzung” seit Jahren gefordert wird, sollte vorangetrieben werden. Eine Koordinationsstelle zum Themenbereich ”sexuelle Gewalt” kann eine bessere Abstimmung der Hilfsangebote gewährleisten. Sie ist Kristallisationstelle zwischen Ratsuchenden und Fachkräften. Der kommunale Hilfebedarf kann ebenso an solcher Stelle aktualisiert werden. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (Info-Materialien, Beratungsführer etc.) und Qualifizierung der Fachkräfte (Fort- und Weiterbildung, Fachtagungen, Berufsgruppenarbeit etc.) kann eine bedarfsgerechte Steuerung erfolgen23 Zu 2.6: Konzeption und Rahmenbedingungen für Fachstelle „Keine Gewalt gegen Kinder“ Der institutionelle Umgang mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen ist durch das Zusammenspiel eines heterogenen institutionellen Systems psychosozialer, familien- und vormundschaftsrechtlicher sowie strafrechtlicher Instanzen charakterisiert, wobei häufig die verschiedenen Institutionen in einen Fall involviert sind. Gesetzliche Rahmenbedingungen bestimmen Aufträge und Handlungsweisen der jeweiligen Institutionen, welche sich grob in Hilfe und Sicherung des Kindeswohls einerseits und den strafrechtlichen Auftrag der Wahrheitsfindung andererseits untergliedern lassen. In dem hoch sensiblen Bereich des Kinderschutzes ist somit das Zusammenwirken der verschiedenen Interventionsstränge sowie die Frage nach dem Gelingen oder Misslingen der Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen von zentraler Bedeutung für die Betroffenen. In einer 1996 von der Freien Universität Berlin in den Städten Köln und Berlin durchgeführten Studie zum Thema ”Sexueller Missbrauch: individuelle und institutionelle Reaktionen”, wurde festgestellt, dass das Jugendamt von allen Institutionen am häufigsten (Gesamt: 95,8%) als Kooperationspartner genannt wurde. Die Studie machte deutlich, dass die Sicherung des Kindeswohls stark von der Kooperation der Institutionen und der zeitliche Abstimmung der Maßnahmen auf die Bedürfnisse des Kindes bestimmt wird. Darüber hinaus machen die Forderungen der befragten Eltern, deren Kinder von sexueller Gewalt betroffen waren, nach besserer Koordination und Fachkompetenz deren Hilflosigkeitserleben gegenüber den institutionellen Strukturen deutlich. Ein Fazit der Studie ist, dass zur Steigerung der Effektivität der professionellen Arbeit zum einen klare, konkurrenzfreie Kooperationsbedingungen sowie zum anderen die Stärkung der Position des Kindes erforderlich ist. Die Erfahrungen der zum Thema ”Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” in Wuppertal arbeitenden Fachkräfte deckt sich mit den hier nur skizziert wiedergegebenen Aussagen der Studie. Eine Zusammenarbeit und Vernetzung aller an einem konkreten Fall beteiligten Dienste und Institutionen ist unbedingt notwendig um professionell im Sinne des Kinderschutzes handeln zu können. Durch gute Zusammenarbeit kann verhindert werden, dass einzelne Institutionen zufällig und unkoordiniert mit in das Geschehen eingreifen. Ebenso kann ein vorschnelles Handeln verhindert werden, das den Schutz des Mädchen oder Jungen gefährdet, z. B. das übereilte Offenlegen 23 vgl. Dezernat für Soziales, Jugend und Gesundheit, ”Materialien zur Jugendhilfeplanung - Hilfen gegen sexuelle Gewalt”, Teil 2, 1995 und Arbeitskreis ”Sexueller Missbrauch” - Ergebnisse des Unterarbeitskreises Gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen”, 1996 46 eines Verdachtes. Des weiteren wird die u.U. unberechtigte Vorverurteilung eines Verdächtigen vermieden. Um diese Aufgabe besser leisten zu können, wird die Einrichtung einer zentralen Koordinationsstelle vorgeschlagen. Die Fachstelle „Keine Gewalt gegen Kinder ” (Arbeitstitel) soll eine zum Thema sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen arbeitende Anlaufstelle sein, die jedoch nicht direkt Hilfen für Mädchen und Jungen mit sexuellen Gewalterfahrungen bzw. deren Vertrauenspersonen bereitstellt, sondern vorrangig koordinierende, informierende, und organisatorische Aufgaben wahrnimmt. Mit der Organisation von präventiven Angeboten wie lnformationsveranstaltungen und Fortbildungen wendet sie sich vor allem an sozialarbeiterische und pädagogische Fachkräfte aus Einrichtungen in öffentlicher und freier Trägerschaft. In konkreten Fällen sexuellen Missbrauchs vermittelt sie die Betroffenen bzw. deren Vertrauenspersonen an die jeweils zuständigen ambulanten Beratungsangebote. Das Angebot der Fachstelle richtet sich gezielt und nahezu ausschließlich an Fachkräfte, die im Rahmen ihres beruflichen Auftrages mit der Thematik ”Sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen” umgehen. Ziele und Aufgaben der Fachstelle Zentrale Aufgabe ist die Förderung der Zusammenarbeit und Kooperation der in Wuppertal vorhandenen Hilfsangebote: • hinsichtlich der Entwicklung von Handlungsstrategien für die Intervention im Einzelfall • hinsichtlich der Weiterentwicklung der Angebotsstruktur In einem weiteren Arbeitsfeld befasst sich die Fachstelle mit Angeboten zur Prävention in diesem Problembereich. Alle o.g. Aufgaben haben das übergeordnete Ziel, den Schutz von Mädchen und Jungen vor einer Fortführung sexueller Übergriffe sicherzustellen und Sekundärschädigungen zu vermeiden Koordination der Hilfen im Einzelfall: Die komplexe Problematik sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stellt sehr hohe fachliche und persönliche Anforderungen an professionelle Helfer, die in ihrem Berufsfeld aufdeckende, beratende, begleitende und therapeutische Arbeit mit betroffenen Kindern leisten. Das Beratungsangebot der Fachstelle umfasst vorrangig fachliche Hilfen im Einzelfall: • Beratung von Fachkräften bei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen • Herstellung von Kontakten unter Fachkräften zur gegenseitigen Beratung und / oder gemeinsamen Fallarbeit • Organisation und Moderation von Helfer/innenkonferenzen und /oder von Hilfeplangesprächen mit dem Ziel, am Kindeswohl orientierte, einvernehmliche Lösungswege und Hilfen für jeweils bedrohte Mädchen oder Jungen zu erreichen. Die Fallverantwortung bleibt beim BSD, bzw. in der Einrichtung. • Auf Wunsch der Fachkräfte kontinuierliche Fallbegleitung Weiterentwicklung der Angebotsstruktur • Geschäftsführung des AK ”Hilfen bei sexueller Gewalt”. • Beteiligung an problemrelevanten Arbeitskreisen (z.B. Jugendhilfe und Justiz) • Kooperation mit der Jugendhilfeplanung 47 • Erarbeitung probIemadäquater Hilfekonzepte (geschlechtsspezifische Differenzierung, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, ausländische Mädchen und Jungen, drogenabhängige Mädchen und Jungen, die sexuelle Ausbeutung erfahren haben...) • Erarbeitung eines Konzeptes für den Schutz der Fachkräfte in der Jugendhilfe Öffentlichkeitsarbeit zum Thema sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen für Fachkräfte und die Bevölkerung • Planung, Organisation und Beteiligung an der Durchführung von Informationsveranstaltungen für Berufsgruppen, die professionell mit sexuell missbrauchten Mädchen und Jungen konfrontiert sind. (Sozialarbeiter/innen -pädagogen/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen, Ärzte/innen, Juristen/innen etc.) • Planung, Organisation und Beteiligung an der Durchführung präventiver Angebote für die Öffentlichkeit • Planung, Organisation und Beteiligung an Informationsveranstaltungen für Mädchen und Jungen in Schulen, Jugendzentren etc. • Sammeln und Weitergabe von Informationen über Fachliteratur, Kinder- und Jugendliteratur, Veranstaltungen, Weiterbildungsangebote, rechtliche Aspekte, Hilfsmöglichkeiten, etc. zum Thema Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen • Regelmäßige Information der Fachkräfte in der Jugendhilfe über den neuesten Stand der Forschungsentwicklung zum Thema, Aufbereitung von Informationen und Archivierung. Organisation und Initiierung von Fortbildungen: • Planung, Organisation und Beteiligung an Fortbildungen für die Fachkräfte in der Jugendhilfe • Organisation von Berufsgruppen, auch interdisziplinär Weitervermittlung von Hilfesuchenden an die ambulanten Beratungsstellen Kompetente Weitervermittlung von Mädchen und Jungen oder deren Vertrauenspersonen an die entsprechenden Beratungsdienste bzw. den zuständigen BSD. Dabei ist es wichtig, den Auslastungsgrad der jeweiligen Dienste zu kennen, um den Betroffenen lange Wartezeiten zu ersparen. Ebenso ist es notwendig zu wissen, in welchen Diensten Fachkräfte mit Expertenwissen zu bestimmten Fragestellungen und Problemkonstellationen arbeiten. Voraussetzungen für die Arbeit • Verlässliche Ansprechbarkeit, Präsenz • Möglichkeit der niedrigschwelligen Kontaktaufnahme durch Zielgruppe • Telefon, Fax, E-mail • Akzeptanz Personelle Ausstattung: • Zwei Fachstellen mit der Qualifikation Sozialarbeit -pädagogik, Diplom Pädagogik, Diplom Sozialwissenschaften o.ä. • Fachliche Voraussetzungen: Themenkompetenz, breitgefächerte beraterische Kompetenz, eingehende Kenntnisse über die Infrastruktur in Wuppertal, eingehende Kenntnisse über Angebotsstruktur in Wuppertal und die umliegenden Städte Räumliche Ausstattung: • Ein geräumiges Büro mit guter Technikausstattung: Telefon, Fax, Fotokopierer, PC mit InternetZugang Träger/Anbindung: Enge Anbindung an den städtischen Träger 48 Finanzierung: • 1,5- 2 Planstellen mit o.a. Qualifikation • Erstaustattungsbudget: Möbel, Technikausstattung, Fachliteratur • laufendes Budget: Etat für Fachliteratur, Etat für Fortbildung, Etat für Öffentlichkeitsarbeit 49 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 2.7 Für eine Kommune in der Größenordnung Wuppertals ist es erforderlich, dass für Kinder und Jugendliche eine zentrale Telefonnummer zur Verfügung steht, unter der sie tagsüber bis in die späten Abendstunden eine/einen kompetente/n Gesprächspartner/in erreichen, die ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite stehen kann. Zu 2.7 Wuppertaler Kinder- und Jugendhilfetelefon Einrichtung einer zentralen Telefonnummer für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen Die Notwendigkeit ein zentrales Notdiensttelefon für Mädchen und Jungen in Wuppertal einzurichten, ergibt sich nicht allein aus der Problematik des sexuellen Missbrauchs, sondern hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche allen möglichen Formen von Gewalt innerhalb oder außerhalb ihrer Familien ausgesetzt sind. Gibt es tagsüber für akute Krisensituationen noch professionelle Ansprechpartner/innen in Kindergarten, Schule, Beratungsstelle oder anderen Einrichtungen, so sind die Mädchen und Jungen nach den üblichen Erreichbarkeitszeiten der Institutionen weitestgehend allein gelassen. Familiäre Krisen treten aber erfahrungsgemäß häufig abends, an den Wochenenden und Feiertagen auf. Zwei Einrichtungen in Wuppertal bilden eine Ausnahme bezüglich der Erreichbarkeit, sogar rund um die Uhr: die Kindernotaufnahme und die Jugendschutzstelle. Diese Häuser, das erste für Kinder bis 14 Jahren und das zweite für Jugendliche bis 18 Jahren, bieten umfangreichen Schutz für Mädchen und Jungen in Not, allerdings in den Einrichtungen vor Ort. Auch das Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes, die ”Nummer gegen Kummer”, ist an einigen Werktagen nachmittags und abends zu erreichen, ebenso der Notruf für vergewaltigte Mädchen und Frauen. Trotzdem votieren wir für die Einrichtung eines ”Wuppertaler Kinder- und Jugendhilfetelefons” (Arbeitstitel) da keine der genannten Einrichtungen für Mädchen und Jungen die Möglichkeit bietet, in einer akuten Notsituation (Gewalt der Eltern untereinander, Gewalt Familienangehöriger gegen das Kind oder ein Geschwisterkind, Eingesperrt oder Alleingelassen werden von den Bezugspersonen, akute emotionale Krise mit depressiven oder autoaggressiven Phantasien und Handlungen bis hin zum Suizidversuch usw.) mit einer kompetenten und einfühlsamen Person am Telefon reden zu können, die aber auch in der Lage ist, schnellstmöglich zum Ort des Geschehens zu kommen und dort fachkundig zu helfen. Nicht bei jedem Anruf wird es zu einem Einsatz vor Ort kommen und nicht jeder Einsatz zieht zwangsläufig eine Unterbringung in der Kindernotaufnahme oder Jugendschutzstelle nach sich. Zeitnahes und fachlich fundiertes Konflikt- und Krisenmanagement stärkt in der Regel die Selbstorganisationskräfte des Individuums und des Familiensystems. An diesem Punkt wird der Stellenwert der Vermittlung in eine geeignete ”Nachsorge” erkennbar. Die Kompetenzen der Mitarbeiter/innen des Kinder- und Jugendhilfetelefons dürfen sich also nicht nur auf Kriseninterventionsstrategien am Telefon und vor Ort beschränken, sondern müssen auch eine genaue Kenntnis der Angebotsstruktur in Wuppertal und der Region beinhalten. Dies bezieht sich auf die Jugendhilfeeinrichtungen, ebenso wie auf die Einrichtungen des 50 Gesundheitswesens, niedergelassene Ärzte/innen und Therapeuten/innen, sowie auf die Institutionen Polizei und Justiz. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Justiz, hier vor allem Richter/innen des Familiengerichtes, schon seit Jahren auf die Einrichtung eines ”Bereitschaftsdienstes des Jugendamtes” drängen. Durch den in der letzten Zeit intensivierten Austausch von Fachkräften des Jugendamtes mit den Einsatzkräften der Polizei und des Rettungswesens wurde auch die hohe Wahrscheinlichkeit deutlich, dass das Wuppertaler Kinder- und Jugendhilfetelefon von Polizei und Rettungsdienst angefragt werden wird. Beispiel: Vater in alkoholisiertem Zustand schlägt Mutter, Nachbarn rufen die Polizei, Rettungsdienst wird ebenfalls informiert. Mutter kommt zur Behandlung der Verletzungen ins Krankenhaus. Vater bleibt nach wie vor alkoholisiert mit 3 kleinen Kindern, von denen zwei weinend die ganze Szenerie verfolgt haben, in der Wohnung zurück. Frage: Können die Kinder in der Obhut des Vaters bleiben, bis die Mutter aus dem Krankenhaus zurück kommt? Kommt sie überhaupt in der Nacht zurück, oder muss sie in der Klinik verbleiben? Wer beruhigt, tröstet, versorgt die Kinder bis zum nächsten Tag? Müssen sie vor gewalttätigen Übergriffen des betrunkenen Vaters geschützt werden? Müssen sie vor Vernachlässigung geschützt werden, da der Vater nicht nach ihnen sieht, und stattdessen seinen Rausch ausschläft? In dem ausgewählten Beispiel ist es sicherlich hilfreich für die betroffenen Kinder, wenn eine Fachkraft zur Stelle ist, in deren Kompetenz es liegt, die Situation nüchtern mit dem Blick auf das Wohlergehen der Kinder einzuschätzen und das für den Moment Notwendige zu veranlassen. Damit sich nicht nur die Fachkräfte, sondern auch Mädchen und Jungen direkt an das Kinder- und Jugendtelefon wenden, muss gerade in der ersten Zeit ein entsprechendes Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt werden. Die Einrichtung eines Kinder- und Jugendhilfetelefones sollte zunächst auf einen Zeitraum von drei Jahren angelegt werden. Nach einer qualitativen und quantitativen Auswertung sollte über den Fortbestand und Weiterentwicklung erneut entschieden werden. 51 Rahmenkonzept 1. • • • Voraussetzungen Der Schutz von Mädchen und Jungen hat oberste Priorität Ausreichende Anzahl fachkompetenter Mitarbeiter/innen Kooperation mit ambulanten und stationären Jugendhilfeeinrichtungen, dem Gesundheitswesen, Polizei und Justiz • Möglichkeit der Anonymität für die Mädchen und Jungen • Bekanntmachung der neuen Einrichtung durch Plakataktionen, Veranstaltungen in Schulen, Printmedien, Lokalfunk und –fernsehen usw. 2. Ziele • Am Kinderschutz- orientierte vertrauensbildende Maßnahme für Mädchen und Jungen, die sich in Krisensituationen befinden • Bei den Kindern u. Jugendlichen in Wuppertal das Bewusstsein fördern, dass die ambulante Jugendhilfe auch außerhalb der üblichen Sprechzeiten (8.30 – 15.00 Uhr bzw. 18.00 Uhr) in Krisensituationen für sie erreichbar ist und unmittelbar konkrete Hilfe anbieten kann. • Einfache und direkte Ansprechbarkeit und Erreichbarkeit für Mädchen und Jungen bis 18 Jahren. • Montag - Freitag, 15 - 22 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag, 10 - 22 Uhr • Danach Umstellen der Rufnummer auf Jugendschutzstelle oder Kindernotaufnahme 3. Angebote • Hilfe und Unterstützung in aktuellen Krisen für Mädchen und Jungen bis 18 Jahre außerhalb der regulären Erreichbarkeit der Dienststellen des Jugendamtes. Dies bezieht sich sowohl auf telefonische Beratung und Unterstützung, als auch auf Krisenintervention vor Ort. • Bei Telefonberatung Garantie der Vertraulichkeit, auf Wunsch Anonymität, wenn keine direkte massive Gefährdung des Kindes oder Jugendlichen erkennbar ist. • Vermittlung an Institutionen die nach der akuten Krise weiterhelfen können und im Zuständigkeits- bzw. Erreichbarkeitsbereich der Betroffenen liegen. (z.B. Bezirkssozialdienste, nächstgelegene bzw. spezialisierte Beratungsstelle) 4. Kooperation und Vernetzung • Kenntnis von und Kooperation mit allen im Bereich Kinderschutz und Jugendhilfe tätigen Institutionen, sowie den medizinischen Hilfen, Polizei und Gericht 5. Personelle und technische Ausstattung • Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagogen/innen des Ressorts Jugendamt und Soziale Dienste mit umfangreicher Erfahrung bezüglich Krisenintervention in der Kinder- und Jugendhilfe, sowie Kenntnis der Angebotsstruktur in Wuppertal • Mobiltelefon, das von den Fachkräften genutzt wird • Einprägsame Rufnummer für die Kinder und Jugendlichen • Freecall - Nummer • Auto bzw. Fahrdienst (Taxi) bei Transport von Kindern und Jugendlichen, gegebenenfalls in Kooperation mit der aufnehmenden Einrichtung • Dienstausweis 6. Träger und Finanzen • Das ”Wuppertaler Kinder- und Jugendhilfe Telefon” sollte an das Ressort Jugendamt und Soziale Dienste angebunden sein • Die Honorierung der Mitarbeiter/innen ist verwaltungsintern zu klären • Zusätzliche Kosten entstehen durch Werbung in der ersten Phase, sowie das Einrichten einer Freecall Nummer, das Mobiltelefon und die Telefongebühren. 52 3. Prävention Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes Prävention 1. 2. 3. 4. 5. Herausgabe Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltungen, Fortbildungen, parteiliche Mädchenarbeit, emanzipatorische Jungenarbeit, Offensive Sexualpädagogik. 3.1 Primär präventive Angebote, die perspektivisch eine Verringerung des Gewalthandelns anstreben, fehlen weitgehend. Es werden kaum Projekte, Strategien oder Maßnahmen angeboten und unterstützt, deren Aufgabe darauf gerichtet ist, dass die Gewalt weniger wird. 3.2 Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaterialien für Mädchen und Jungen sind kaum vorhanden. Gezielte Informationsveranstaltungen finden selten statt (Hinweis: Der Präventionsbereich der offenen Kinder - und Jugendarbeit ist in die Angebotstruktur nicht mit aufgenommen worden, die hier vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen sollten unbedingt genutzt werden.) 3.3 Die Fachtermini ”parteiliche Mädchenarbeit”, ”emanzipatorische Jungenarbeit” und ”offensive Sexualpädagogik” waren für viele Fachkräfte irritierend, bzw. unbekannt, deshalb sollte eine Förderung und strukturelle Absicherung dieser Arbeitsansätze z. B. im Rahmen von Jugendfreizeitangeboten, Beratungsstellen etc. stattfinden. 53 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 3.1 Primär präventive Angebote, die perspektivisch eine Verringerung des Gewalthandelns anstreben, fehlen weitgehend. Es werden kaum Projekte, Strategien oder Maßnahmen angeboten und unterstützt, deren Aufgabe darauf gerichtet ist, dass die Gewalt weniger wird. Zu 3.1 Vorschläge für Primär-Präventive Angebote vorrangig bei der Familiengründungsphase Um dieses Thema besser bearbeiten zu können, gab es ein Treffen mit der Arbeitsgemeinschaft Wuppertaler Familienbildungsstätten (städtische, katholische und evangelische Familienbildungsstätten). Alle Beteiligten stellten den Qualifizierungsbedarf für Spielgruppenleitungen (Eltern- Kind Gruppen) fest. Qualifizierungsmöglichkeiten werden bislang auf freiwilliger Basis in Form von Fortbildungen angeboten. Die Institutionsleitungen wünschen, dass diese Honorarmitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Fortbildungsprogramm des Jugendamtes partizipieren können. Zukünftig müsste im Spielgruppenbereich Selbstbehauptung und Selbstbestärkung der Kinder noch vordergründiger beachtet werden. Eine Idee dazu wäre, ein Faltblatt für die Lehrkräfte zu entwickeln, in dem die Hauptmerkmale von Spielgruppenarbeit mit Eltern und deren Kindern aufgeführt wären. Eine gemeinsame Vorgehensweise für die primär präventiven Angebote ist bereits in Teilbereichen umgesetzt worden. Für den Bereich Qualifizierung von Tagespflegeeltern ist in Zusammenarbeit der drei Familienbildungsstätten und dem Zentrum für Zusammenarbeit ein gemeinsames Konzept erstellt worden. Ein Wahlthema innerhalb dieses Baukastensystems ist das Qualifizierungsangebot ”sexuellem Missbrauch vorbeugen.” Weitere Vorschläge zur Erweiterung von primär präventiven Angeboten für die Familiengründungsphase könnten in den Arbeitspeicher des neu konstituierten AK sexueller Missbrauch mit einfließen. 54 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 3.2 Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaterialien für Mädchen und Jungen sind kaum vorhanden. Gezielte Informationsveranstaltungen finden selten statt (Hinweis: Der Präventionsbereich der offenen Kinder - und Jugendarbeit ist in die Angebotstruktur nicht mit aufgenommen worden, die hier vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen sollten unbedingt genutzt werden.) Zu 3.2.1: Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaterialien für Mädchen und Jungen Broschüre: ”... bis du mich findest!”/Infos und Adressen für Mädchen und Jungen zum Thema sexueller Missbrauch Die Entwicklung der im Folgenden näher beschriebenen Broschüre für Mädchen und Jungen steht ähnlich wie das im nächsten Kapitel dargestellte Theaterprojekt im Spannungsfeld zwischen primärer und sekundärer Prävention. Primäre Prävention beinhaltet alle Versuche, die Entstehung des sexuellen Missbrauchs zu verhindern. Sie zielt allgemein darauf, die Bevölkerung, also auch die Mädchen und Jungen, durch Aufklärungsaktionen und Beratung in die Lage zu versetzen, sexuellen Missbrauch als gesellschaftliche Realität, wenn nicht sogar als Alltagsphänomen für Kinder und Jugendliche zu erfassen, Ursachen zu erkennen, zu reflektieren und Veränderungen herbeizuführen. Sekundäre Prävention beinhaltet alle Maßnahmen der Frühintervention und ist an potentielle und bereits betroffene Opfer gerichtet. Durch Information und Stärkung ihrer Persönlichkeit sollen sie in die Lage versetzt werden, den sexuellen Missbrauch zu beenden und sich Hilfe zu holen. Der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe hat gemeinsam mit der Marketing- und Grafikabteilung der Geschäftsstelle Soziales und Kultur im Dezember 98 begonnen, eine Broschüre für Mädchen und Jungen zu entwickeln, die diese über Beratungseinrichtungen zum Thema ”Sexueller Missbrauch” in Wuppertal informieren soll. Die Broschüre richtet sich an Mädchen und Jungen im Alter von ca. 9 – 13 Jahren und wird sowohl an den Grundschulen, die das Theaterpräventionsprojekt aufgenommen haben, als auch an weiterführenden Schulen der 5. – 7. Jahrgänge verteilt. Ziel der Broschüre ist es, eine Transparenz der Angebote im Tal für betroffene Mädchen und Jungen herzustellen und diese zu ermutigen sich Hilfe zu holen. In der Broschüre sollen die Mitarbeiter/innen der Institutionen vorgestellt werden, die den Kindern und Jugendlichen Hilfe anbieten. Damit verlässt die Broschüre den bisher gewohnten Rahmen, dass lediglich Institutionen mit ihrem Angebot dargestellt werden und ist von der Konzeption her unseres Kenntnisstandes nach einmalig in der Bundesrepublik. Die Präsentation der Fachkräfte mit Foto setzt allerdings voraus, dass die Broschüre alle zwei Jahre aktualisiert und neu aufgelegt wird. Den Herausgeber/innen ist es wichtig, nicht nur hoch spezialisierte Beratungsdienste aufzunehmen, sondern auch niedrigschwellige Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wie z.B. Jugendzentren, sofern sie den betroffenen Mädchen und Jungen adäquate Hilfe bereitstellen. Dabei wird analog dem im Gesamtkonzept empfohlenen Systemcharakter der Hilfen nicht davon 55 ausgegangen, dass eine Einrichtung alle notwendigen Hilfen gleichzeitig zur Verfügung stellen kann. Die Aufnahme einer Einrichtung oder eines Dienstes ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: • Positionierung der Einrichtung am vorliegenden Gesamtkonzept • die Qualifizierung der in der Broschüre vorgestellten Mitarbeiter/in für die besonderen Problemlagen von Mädchen und Jungen, die von sexueller Gewalt betroffen sind • Verbindlichkeit der angegebenen Öffnungs- bzw. Erreichbarkeitszeiten • direkter Zugang für die Mädchen und Jungen ohne bürokratische Hürden • aktueller Kenntnisstand über die bestehenden erzieherischen, therapeutischen und beratenden Institutionen zum Thema innerhalb Wuppertals • Freiwilligkeit der Mitarbeiter/in sich mit einer Fotographie in der Broschüre veröffentlichen zu lassen Zu 3.2.2 Sonstige öffentlichkeitswirksame Aktionen 1. Notfallkarte Bisher sind folgende Projekte durchgeführt worden: Ein Plakatentwurf-Wettbewerb von verschiedenen Schulklassen zum Thema ”Notfall-Rufnummern”, die Erstellung und Verteilung von Notfall-Karten mit verschiedenen Motiven und bundesweiten Notfall-Rufnummern auf der Vorderseite (Polizei, Kinder- und Jugendtelefon) und auf der Rückseite die jeweils örtlichen Ansprechpartner/innen für Kinder und Jugendliche (Kindernotaufnahme, Klinik, KiJu u.a.) wurde durch die Betriebssportgemeinschaft der Stadtverwaltung Wuppertal initiiert. 2. Das Theaterprojekt ”Mein Körper gehört mir” Ein Präventionsprojekt gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen In Kooperation von • Kriminalkommissariat Vorbeugung Wuppertal (K Vorbeugung) • Deutscher Kinderschutzbundes Ortsverband Wuppertal e.V. (DKSB) • Ressort Jugendamt und Soziale Dienste • Stadtbetrieb Schulen • und der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück Zur Prävention von sexuellem Missbrauch Wie kaum ein anderes Thema hat das Problem des sexuellen Missbrauchs an Kindern in den letzen Jahren öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. So gerät es z.B. immer wieder durch spektakuläre Vorfälle im In- und Ausland (Affäre Dutroux, Sexualmorde an mehreren Mädchen, Kinderpornoskandal im Internet) in die Schlagzeilen. Die vielfältige mediale Aufbereitung des Themas führt dabei zwar zu vermehrter öffentlicher Diskussion, jedoch wird durch die mehr reißerische an den Details der Tat, denn sachliche an den Leiden der Opfer orientierte Berichterstattung, keine Bewusstseinsveränderung in der Bevölkerung bewirkt. Es wird eher ein emotionales Klima der Verunsicherung, Hilflosigkeit und Angst geschürt 56 und die Gefahr für Kinder insbesondere auf den ”Fremden” als Täter fokussiert, der sie entführt, vergewaltigt und schlimmstenfalls tötet. Dabei wird der Blick auf die Realität verstellt, dass Mädchen und Jungen in ihrer Kindheit vornehmlich Opfer von sexuellem Missbrauch im sozialen Nahraum werden. Täter sind oft Bezugspersonen des Kindes, die sein Vertrauen und seine Abhängigkeit ausnutzen. Sexueller Missbrauch als leidvolle Alltagserfahrung vieler Mädchen und Jungen wird meist nicht öffentlich sondern bleibt ein ”Tabu”, das den Täter schützt und weitere Taten ermöglicht. Prävention bedeutet im wörtlichen Sinn zunächst ”Zuvorkommen”. Prävention von sexuellem Missbrauch hat zum Ziel sexuelle Übergriffe auf Mädchen und Jungen zu verhindern oder zumindest die Dauer der sexuellen Gewalt abzukürzen. Es wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden. Primärprävention zielt darauf ab, das Auftreten sexuellen Missbrauchs von vornherein zu verhindern. Hierzu gehören Informationen und Aufklärung von Erwachsenen, um das Problembewusstsein zu schärfen, Öffentlichkeitsarbeit, sowie Programme zur Stärkung und Unterstützung von Mädchen und Jungen. Sekundärprävention bezeichnet Interventionen, die den Missbrauch beenden und langfristig zur Aufarbeitung der Gewalterfahrungen beitragen. Hier ist deshalb von Prävention zu sprechen, auch wenn sexuelle Übergriffe bereits geschehen sind, da durch die Intervention bei den betroffenen Mädchen und Jungen der Kreislauf der Gewalt und das erhöhte Risiko, erneut Opfer zu werden, durchbrochen wird. Außerdem kann der Kreislauf von erlebter Gewalt und dem aktiven Wiederholen und Weitergeben dieser Gewalt unterbrochen werden. Tertiärprävention richtet sich auf die Folgeschäden sexueller Gewalt. Hier ist z.B. die Arbeit mit Sexualstraftätern anzusiedeln. Die Bereiche der primären und sekundären Prävention sind im weiteren Zusammenhang von Bedeutung. Die Adressaten dieser Prävention sind die potentiell gefährdeten oder bereits betroffenen Mädchen und Jungen, Eltern und die Vertrauenspersonen der Kinder, professionelle Helfer/innen und die Öffentlichkeit. Da Primärprävention immer auch mit der Aufdeckung von sexuellem Missbrauch verbunden sein kann, sind Hilfs- und Unterstützungsangebote für die betroffnen Kinder unabdingbare Rahmenbedingungen für vorbeugende Maßnahmen. Die Verantwortung dafür, dass sexueller Missbrauch verhindert wird, liegt bei den Erwachsenen. Präventionsprogramme, die sich mit dem Ziel der Aufklärung und Stärkung ausschließlich an die Kinder richten, übertragen ihnen unzulässigerweise die Verantwortung für ihren Schutz. Frauen und Männer müssen in die fachliche und emotionale Auseinandersetzung mit der Problematik des sexuellen Missbrauchs treten, um als verantwortungsbewusste Erwachsene gegen sexuellen Missbrauch handeln zu können. Verantwortungsbewusstes Handeln bedeutet a u c h, Mädchen und Jungen durch kindgerechte und sachgemäße Informationen aufzuklären. So kann auch der hervorgerufenen Verunsicherung und Überforderung entgegengewirkt werden, die wie eingangs erwähnt durch die einseitige Berichterstattung vieler Medien hervorgerufen wird. 57 Kinder im Grundschulalter benötigen ihrem Entwicklungstand entsprechend angemessene Informationen, die nicht ausschließlich auf der kognitiven Ebene vermittelt werden können. Prävention von sexuellem Missbrauch darf kein einmaliges Unterfangen sein, sondern muss zu einer allgemeinen alltäglichen Haltung werden, die Kinder als selbstbestimmte Persönlichkeiten respektiert, deren Grenzen achtet, sowie das Selbstbewusstsein und die Autonomie von Mädchen und Jungen fördert. Wesentliche Themen für die präventive Arbeit mit Mädchen und Jungen sind: Mein Körper gehört mir Mädchen und Jungen müssen wissen, dass sie selber über ihren Körper bestimmen dürfen und das Recht haben, Berührungen anzunehmen und zurückzuweisen. Angenehme, unangenehme und komische Berührungen Kinder merken wenn aus Zärtlichkeiten plötzlich unangenehme Berührungen werden. Sie sollen darin bestärkt werden, unterschiedliche Berührungen wahrzunehmen. Es ist wichtig, Mädchen und Jungen die Erlaubnis zu geben unangenehme und komische Berührungen zurückzuweisen. Intuition und Gefühle Erwachsene versuchen häufig, Gefühle von Kindern zu banalisieren oder umzudeuten. Der Täter sagt z.B. ”Stell dich nicht so an, das ist doch schön, das magst du doch gerne”. Mädchen und Jungen haben das Recht ihren Gefühlen und ihrer Intuition zu trauen und danach zu handeln. Nein-Sagen Kinder dürfen und müssen in bestimmten Situationen Grenzen ziehen und ”Nein” sagen. Sie haben dieses Recht auch gegenüber Erwachsenen. Gute und schlechte Geheimnisse Kinder haben einen ausgeprägten Ehrenkodex was das ”Petzen” anbelangt. Deshalb ist es für sie wichtig, zwischen guten und schlechten Geheimnissen zu unterscheiden und letztere weitererzählen zu dürfen. Hilfe holen Mädchen und Jungen müssen wissen, wem sie sich ohne Angst vor Schuldzuweisung und Strafe anvertrauen können. Dabei ist es sinnvoll, konkrete Ansprechpersonen zu benennen, Hilfsangebote in der Stadt vorzustellen und auf das kostenlose Kinder- und Jugendtelefon hinzuweisen. Um mit Kindern über das Thema ”sexueller Missbrauch” ins Gespräch zu kommen, ist ein konkreter Anlass hilfreich. Dies kann ein Buch, der Besuch einer Infoveranstaltung oder ein Theaterstück sein. Projektbeschreibung Das Kommissariat Vorbeugung, der DKSB, Ortsverband Wuppertal und das Ressort Jugendamt und Soziale Dienste haben sich schon lange den Schutz von Mädchen und Jungen vor sexuellem Missbrauch durch gezielte Präventionsarbeit zur täglichen Aufgabe gemacht. Das im folgenden skizzierte Projekt stellt einen Meilenstein der Zusammenarbeit der drei Institutionen dar. ”Mein Körper gehört mir” ist der Titel eines Präventionstheaterstückes, das von der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück für Grundschulkinder der 3. und 4. Klasse entwickelt 58 wurde und den sexuellen Missbrauch an Kindern zum Thema hat. Dabei werden die o.a. Themen kind- und sachgerecht aufbereitet. Es handelt sich um ein interaktives Theaterstück, dessen Programmteile in drei Abschnitten über den Zeitraum von drei Wochen auf jeweils eine Unterrichtsstunde verteilt sind. Das Projekt findet grundsätzlich im Klassenverband statt und wird in allen Klassen der 3. und 4. Jahrgänge der jeweiligen Grundschule durchgeführt. Um das Theaterstück thematisch und inhaltlich in Wuppertal bekannt zu machen, wurde im November 1998 eine Präsentationsveranstaltung für die Schulräte/innen, alle Schulleitungen und Schulpflegschaftsvorsitzenden der Wuppertaler Grundschulen sowie der Fachöffentlichkeit vorangestellt. Diese Veranstaltung hatte eine positive Resonanz, was sich u.a. an der großen Zahl der Wuppertaler Grundschulen (47,7%), die das Präventionstheaterstück übernommen haben, ablesen lässt. Bevor das Präventionsprojekt in den Schulklassen durchgeführt wird, findet grundsätzlich eine ”Sichtveranstaltung” für die Eltern der Kinder, sowie die Lehrkräfte der jeweiligen Grundschule statt. Bei der 2 bis 2 ½stündigen ”Sichtveranstaltung” werden die 3 Programmteile im Block vorgestellt. Die ”Sichtveranstaltungen” werden durch das K Vorbeugung, den örtlichen Kinderschutzbund und seit August 99 auch durch den Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe des Ressorts Jugendamt und Soziale Dienste begleitet. Nach der Begrüßung der Gäste durch die Schulleitung, führt Frau Dreesbach (Kommissariat Vorbeugung) mit einem Referat in das Thema ”Sexueller Missbrauch” ein. Im Anschluss an die Theateraufführung stehen die Theaterpädagogen sowie Frau Dreesbach, Frau Klemmer (DKSB) und Frau Künstler (FB Kinder- und Jugendhilfe) für Nachfragen aus der Eltern- und Lehrerschaft zur Verfügung. Das Kommissariat Vorbeugung, der Kinderschutzbund und der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe sind darüber hinaus bei der Projektdurchführung ständige Ansprechpartner für die Grundschulen. Das Projekt wurde zunächst durch das Kommissariat Vorbeugung bis zur Präsentationsveranstaltung vorbereitet und mit Sondermitteln finanziert. Die Schulen, die das Projekt übernehmen, müssen ihrerseits die Zusammenarbeit mit der Theaterpädagogischen Werkstatt für ihre Schule eigenständig realisieren und auch weitestgehend finanzieren. Die Kosten für das Projekt betragen pro Klasse ( = 3 Aufführungen) 400,- DM zuzüglich Fahrtkosten für die Theaterpädagogen. Die ”Sichtveranstaltung” für die sich auch 2 oder 3 Grundschulen zusammenschließen können, kostet 800,- DM. Der Deutsche Kinderschutzbund stellt auf Anfrage eine Unterstützung von 100,- DM pro Schule zur Verfügung. Seit Mitte 99 unterstützt das Ressort Jugendamt und Soziale Dienste auf Antrag der jeweiligen Schule ebenfalls das Theaterpräventionsprojekt sowohl finanziell als auch fachlich. Für die Vergabe von Zuschüssen aus Mitteln der Jugendhilfe wurden zwei Grundsatzkriterien festgelegt: 59 • Das Thema Prävention von sexuellem Missbrauch gegen Mädchen und Jungen wird nicht ausschließlich für den Zeitraum des Theaterprojektes thematisiert, sondern kontinuierlich im Unterricht bearbeitet. • In der Grundschule wird eine Pädagogische Konferenz mit allen Lehrkräften der Schule zum Thema ”Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe in Fällen von sexuellem Missbrauch” durchgeführt. Eine Mitarbeiterin des Fachbereiches Kinder- und Jugendhilfe gestaltet gemeinsam mit der Schulleitung diese Konferenz. Inhaltlicher Schwerpunkt der mindestens 2stündigen Konferenz ist, vor dem Hintergrund des Gesamtkonzeptes, die Darstellung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, deren gesetzlichen Grundlagen und methodischen Handlungsweisen sowie die Angebotsstruktur in Wuppertal. Ziel der pädagogischen Konferenz ist es, die wechselseitigen Vorurteile von Jugendhilfe und Schule, sowie die eingeschränkten institutionellen Sichtweisen die einen positiven Verlauf des Hilfeprozesses im Einzelfall deutlich behindern oder sogar gefährden können, abzubauen. Es ist notwendig, sich gegenseitig mit den jeweiligen Arbeitsaufträgen und Handlungsstrategien vertraut zu machen, um ein gemeinsames, am Wohl des Kindes orientiertes Handlungskonzept, zu entwickeln. Dabei hat der Schutz des Mädchen oder Jungen vor weiteren sexuellen Übergriffen sowie die Vermeidung von Sekundärschädigungen oberste Priorität. Von den Kooperationspartnern wird angestrebt, möglichst viele Schulen für das Projekt zu interessieren und für die Übernahme in das Programm der Schule zu gewinnen. Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass das Projekt einen wertvollen Beitrag im Bereich der schulischen Präventionsarbeit gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen leisten kann. Es bietet hervorragende Möglichkeiten • eine große Zahl von Eltern und Kindern in Form einer sensiblen Aufklärung zu erreichen, die ermutigt, stärkt und schützt • Präventionsarbeit flächendeckend in Grundschulen sinnvoll und effektiv in den Unterricht zu integrieren • über die Einbindung der Medien gute Öffentlichkeitsarbeit zu leisten • die für den Bereich der sekundären Prävention fachlich notwendige Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen zu vertiefen (Polizei, Schule, öffentliche Kinder- und Jugendhilfe, freie Träger der Jugendhilfe) Bezüglich des letzten Punktes, der gelungenen Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichen Institutionen, nimmt das Projekt in Wuppertal eine herausragende Rolle ein und hat landesweit Modellcharakter. Sollte es im weiteren Verlauf gelingen, dass durch den Stadtbetrieb Schulen für die interessierten Lehrerinnen und Lehrer eine 2tägige Fortbildung zum Thema ”Sexueller Missbrauch wahrnehmen, deuten, erklären und handeln” angeboten wird, würde das Projekt eine notwendige und wünschenswerte Erweiterung erfahren. Kontakte mit den Schulräten/innen sind bereits intensiviert und die Zusage der Freistellung interessierter Lehrer/innen vom Unterricht in Aussicht gestellt worden. 60 Mit der Durchführung der Fortbildungen soll ”Splittertal e.V. - Verein zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen, Wuppertal” beauftragt werden. Ein Konzept lieg bereits vor. Auswertung des bisherigen Projektverlaufes (Stand 11/00) Von 65 Wuppertaler Grundschulen haben bisher 34 Grundschulen (52,3%) und eine Sonderschule für Kinder mit Lernbehinderungen an Sichtveranstaltungen des Theaterpräventionsprojektes teilgenommen, dadurch konnten bislang ca. 2800 Erwachsene, d.h. Eltern, Lehrkräfte sowie externe Besucher/innen erreicht werden. 31 Grundschulen (47,7%) und 1 Sonderschule L haben das Projekt bislang für ihre 3. und 4. Klassen abgeschlossen. Damit ereichte das Präventionsprojekt ca. 4000 Mädchen und Jungen im Alter von 8 –10 Jahren. Das Präventionsprojekt ”Mein Körper gehört mir” ist in Wuppertal vielversprechend angelaufen. Es findet bei den Kindern, Eltern und Lehrer/innen eine breite Zustimmung. Die Resonanzen der Schulleitungen, in deren Grundschulen das Projekt bereits abgeschlossen ist, sind durchweg positiv. In den meisten Fällen wird eine Fortsetzung des Projektes angestrebt, in einigen Schulen startet bereits der zweite Durchgang. Viele Schulen haben, angeregt durch das Projekt, das Thema ”Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen” in ihr Schulprogramm aufgenommen. Von dem seit Mitte 99 bestehenden Unterstützungsangebot durch das Ressort Jugendamt und Soziale Dienste wird zunehmend Gebrauch gemacht. Es wurden bisher 20 Anträge von Schulleiter/innen bezüglich einer finanziellen Unterstützung durch die Jugendhilfe gestellt. Dabei konnte jeweils 1/3 der Kosten für die Klassenaufführungen übernommen werden. Alle antragstellenden Schulen erfüllten die Kriterien für die Vergabe der Zuschüsse und stehen der Durchführung einer pädagogischen Konferenz in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Kinderund Jugendhilfe positiv gegenüber. An 12 Grundschulen wurde eine solche Konferenz bereits erfolgreich durchgeführt. In 8 weiteren Grundschulen ist die Konferenz noch vor den Weihnachtsferien geplant. Es ist davon auszugehen, dass sich weitere Schulen um eine Bezuschussung des Projektes bemühen werden und die finanzielle und fachliche Unterstützung der Jugendhilfe in Anspruch nehmen. Es ist zu hoffen, dass sich in Zukunft auch die Schulen für die Teilnahme am Präventionsprojekt entscheiden, die die Realisierung dieses Vorhabens bisher aufgrund von Finanzierungsproblemen nicht in Angriff nehmen konnten. Hilfreich und wünschenswert wäre deshalb zur Entlastung der Grundschulen eine zusätzliche Förderung des Projektes aus öffentlichen Mitteln oder durch einen bzw. mehrere auf Dauer verlässliche Sponsoren. Soll das Konzept langfristig greifen, muss eine Finanzierung des Projektes über den von der jeweiligen Grundschule leistbaren Eigenanteil (Elternbeiträge, Förderverein, Erlös aus schulischen Aktivitäten...) sichergestellt werden. 61 So ließe sich eine sinnvolle, effektive und anerkannte Präventionsmaßnahme auf Dauer installieren, die dem Recht aller Mädchen und Jungen auf Schutz vor sexuellem Missbrauch Rechnung trägt. 3. Selbstbehauptung- und Selbstverteidigung Durch Ratsbeschluss werden den Schulen jährlich 20.000,- DM für ”Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse” zur Verfügung gestellt, die über die Gleichstellungsstelle für Frauenfragen bewilligt und ausgezahlt werden. Diese Kurse werden von allen Schulformen in Anspruch genommen, stellen jedoch kein flächendeckendes Angebot für Schulen dar. Zusätzlich hat die Gleichstellungsstelle für Frauenfragen eine Ausstellung mit begleitender Dokumentation konzipiert und erstellt, die für die Durchführung von Wendo-Kursen an Schulen werben sollte. Die Gleichstellungsstelle hat ebenfalls Broschüren zu diesem Thema herausgegeben, um eine breitere Öffentlichkeit über die Möglichkeit von Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursen für Mädchen und Frauen zu informieren. 62 4. Beratung und Krisenintervention Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes Beratung und Krisenintervention 1. nur Weitervermittlung, 1a. Weitervermittlung, 2. kurzfristige Beratung, 3. langfristige Beratung, 4. Prozessbegleitung, Rechtsberatung, 5. Notdienst, Sorgentelefon, 6. Diagnostik, gutachterliche Tätigkeit, 7. Supervision, 8. Alltagspraktische Hilfen. 4.1 Soforthilfen in Beratungsstellen sind nicht Standard. Auf eine Umsetzung des Beratungsanspruchs von Mädchen und Jungen nach § 8 Abs. 3 KJHG muss durch Absicherung bestehender Jugendberatungsangebote, sowie Qualifizierung bestehender Beratungseinrichtungen auf diesen Arbeitsschwerpunkt hingearbeitet werden. Außerdem muss eine zielgruppenorientierte Ansprache von Jugendlichen durch offene Sprechstunden, entsprechende Öffentlichkeitsmaterialien etc. sowie eine stadtteilorientierte Zusammenarbeit zwischen Schule, Jugendarbeit, Beratungsstelle gewährleistet sein. 4.2 Die Beratungsarbeit bedarf einer Qualifizierung im Hinblick auf Mütter, Hilfen für jüngere Kinder sowie Gruppenangebote für Jugendliche und die Arbeit mit Täter/innen. Außerdem ist eine stärkere Gemeinwesenorientierung der Beratungsarbeit durch offene Sprechstunden sowie ergänzende niedrigschwellige Angebote von Nöten. 4.3 Rechtsberatung und Prozessbegleitung sind unversorgte Bereiche. Es gibt keine institutionell verankerte Rechtsstelle, die Hilfe bei juristischen Fragen anbietet. In Wuppertal werden geschädigte Kinder und Jugendliche durch die Jugendhilfe nur unzureichend auf ein Strafverfahren vorbereitet und kompetent durch dieses begleitet, wenn sie als Zeugen aussagen müssen. 4.4 Notdienste sind in nicht stationären Einrichtungen nur selten vorhanden. Auch gibt es kein Sorgentelefon mit ausreichenden Erreichbarkeitszeiten für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen. 4.5 Die Kapazitäten im Bereich Diagnostik sind unzureichend. Es gibt zu lange Wartezeiten und zu wenig Differenzierung zwischen Diagnostik und Therapie. 4.6 In anderen Städten haben sich die Einrichtungen von ”Kinderschutzambulanzen” oder ”Ärztlichen Beratungsstellen”, die Hilfe bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch anbieten, bewährt. Ein Großteil dieser Einrichtungen sind räumlich und z. T. auch organisatorisch den örtlichen Kinderkliniken angeschlossen. Bei der Neukonzipierung der Kinderklinik in Wuppertal sollten Überlegungen in dieser Richtung angestellt werden. 63 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 4.1 Soforthilfen in Beratungsstellen sind nicht Standard. Auf eine Umsetzung des Beratungsanspruchs von Mädchen und Jungen nach § 8 Abs. 3 KJHG muss durch Absicherung bestehender Jugendberatungsangebote, sowie Qualifizierung bestehender Beratungseinrichtungen auf diesen Arbeitsschwerpunkt hingearbeitet werden. Außerdem muss eine zielgruppenorientierte Ansprache von Jugendlichen durch offene Sprechstunden, entsprechende Öffentlichkeitsmaterialien etc. sowie eine stadtteilorientierte Zusammenarbeit zwischen Schule, Jugendarbeit, Beratungsstelle gewährleistet sein. 4.2 Die Beratungsarbeit bedarf einer Qualifizierung im Hinblick auf Mütter, Hilfen für jüngere Kinder sowie Gruppenangebote für Jugendliche und die Arbeit mit Täter/innen. Außerdem ist eine stärkere Gemeinwesenorientierung der Beratungsarbeit durch offene Sprechstunden sowie ergänzende niedrigschwellige Angebote von Nöten. Zu 4.1.1 und 4.2: Zugang zu Soforthilfen in Beratungsstellen und Anspruch auf Beratung Familiäre Gewalt gegen Frauen und Kinder ist seit einigen Jahren als erhebliches soziales Problem bekannt und wird immer stärker öffentlich dargestellt und diskutiert. Auch die sexuelle Ausbeutung von Kindern als ein Aspekt strukturell verbreiteter Gewalttätigkeit in unserer Gesellschaft wurde in den letzten Jahren vermehrt zum Thema gemacht. Durch verstärkte zielgruppenorientierte Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit können Betroffene auf die Beratungsangebote hingewiesen werden. Eine intensive Zusammenarbeit von Beratungsstellen und offener Jugendarbeit könnte eine aufsuchende Arbeit ermöglichen, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht schnell Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Zu 4.1.2 und 4.2: Zielgruppenorientierte Ansprache Prophylaktische Arbeit im Kindergarten und in der Vor- und Grundschulzeit muss andere Schwerpunkte haben als die Arbeit mit Kindern in den Sekundarstufen 1 und 2. Die vorbeugenden Maßnahmen richten sich in der Regel an Vor- und Grundschulkinder. Das erscheint angesichts der Prävalenzraten sinnvoll. 50% der betroffenen Mädchen und Jungen sind unter 10 Jahren alt.24 In einer Studie von David Finkelhor über die Wirksamkeit von vorbeugenden Maßnahmen wurde festgestellt, dass kleine Kinder komplexe Zusammenhänge noch nicht verstehen können und zu Polarisierungen bei der Beurteilung von Personen und Situationen neigen. Die Kinder beurteilen die Situationen entweder als gut oder als böse. Ambivalente Gefühle gegenüber Erwachsenen oder Situationen können noch nicht wahrgenommen und zugelassen werden. Die Entscheidungen erfolgen affektiv und spontan. Deshalb werden kritische Situationen, in denen der/ die Täter(in) das Kind mit attraktiven Reizen lockt zu Lasten bereits vermittelter Handlungs- und Verhaltenskonzepte vernachlässigt. Die Inhalte und Konzepte einmalig angelegter Programme geraten bereits nach zwei Monaten allmählich wieder in Vergessenheit und stehen dem Kind dann nicht mehr als Handlungs- und Reaktionsmuster zu Verfügung. Deshalb müssen Inhalte und Methoden zur Vorbeugung gegen Sexuellen Missbrauchs bei Kindern im Kindergarten-, Vorschulund Grundschulalter mindestens einmal im Jahr wiederholt und aktualisiert werden. 24 May, Angela, ”Sexuellen Missbrauch verhindern”, 1999 64 Für die älteren Kinder und Jugendlichen gibt es nur wenig vorbeugende Angebote. Mädchen und Jungen sind in diesem Lebensabschnitt kognitiv, sexuell und psycho- sozial auf einem völlig anderen Entwicklungsstand als Grundschulkinder. Sie können komplexere und umfangreiche Informationen auch zum Thema Sexuelle Gewalt verarbeiten. Für Jugendliche ist es wichtig, dass sie lernen ihren eigenen Gefühlen zu trauen und sich z. B. gegen unangenehm empfundene Berührungen zur Wehr setzen zu können. Sie müssen aber auch lernen, positiv erlebte Gefühle moralisch- ethisch zu überprüfen, denn auch der/die Gewaltausübende erlebt positive Gefühle, wenn er/sie den/die Schwachen unterdrückt. Durch Selbstreflexion können die Jugendlichen Verhaltensänderungen erreichen und lernen unangenehm erlebten Situationen zu entgehen und sich Hilfe zu holen. Zu 4.1.3 und 4.2: Anregung stadtteilorientierter Hilfe In der sozialen Arbeit wird zukünftig stadtteilorientierte Arbeit mehr Beachtung finden. Es finden bereits Stadtteilkonferenzen unter der Geschäftsführung der Leiterinnen und Leiter der einzelnen Bezirkssozialdienste bzw. unter Leitung von Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit statt. Die Möglichkeit durch Vernetzung, Kooperation und Koordination auf bestimmten Gebieten des Gemeinwesens soziale und kulturelle Arbeit effektiver und effizienter zu nutzen und den Bürgerinnen und Bürgern transparenter und zugänglicher zu machen, bzw. seine Partizipationsmöglichkeiten zu stärken und zu optimieren, sollte auch für den Themenkomplex sexuelle Gewalt an Kinder und Jugendlichen genutzt werden. Gerade im Bereich der präventiven Hilfen aber auch im informellen Bereich könnte diese Ressource weiter gestärkt und genutzt werden. Schnittstellen könnten dabei abgebaut und Informationen schneller weitergeleitet werden. Zudem wären durch stadteilvernetzte Angebote trägerübergreifende Projekte und damit auch abgestimmte Umsetzungen möglich. Das Umsetzungsteam wünscht deshalb, dass stadtteilorientierte Arbeitsansätze bzw. Ideen dazu als Thema mit in den neu konstituierten AK ”Hilfen bei sexueller Gewalt” einfließt. 65 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 4.3 Rechtsberatung und Prozessbegleitung sind unversorgte Bereiche. Es gibt keine institutionell verankerte Rechtsstelle, die Hilfe bei juristischen Fragen anbietet. In Wuppertal werden geschädigte Kinder und Jugendliche durch die Jugendhilfe nur unzureichend auf ein Strafverfahren vorbereitet und kompetent durch dieses begleitet, wenn sie als Zeugen aussagen müssen. 4.3 Rechtsberatung und Prozessbegleitung 4.3.1 Differenzierte Verfahrensweise für Rechtsberatung bei Fachkräften und Information für Hilfesuchende Wir empfehlen, diesen Punkt im Arbeitskreis „Hilfen bei sexueller Gewalt“ zu behandeln. 4.3.2 Konzeption zur Regelung des Jugendschutzverfahrens Prozessbegleitung bei Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen Einleitung Gemäß der Ergebnisse des Projekt-Teams ”Sexueller Missbrauch”, die vom Jugendhilfeausschuss, Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit und vom Fachgremium Frauenförderung als handlungsleitend für den Jugendhilfebereich in Wuppertal verabschiedet wurden, sollen Hilfen bei sexuellem Missbrauch stets von den beiden grundlegenden Zielsetzungen geleitet sein: 1. den Schutz des Mädchens oder Jungen vor Fortführung der sexuellen Übergriffe sicherzustellen 2. Sekundärschädigungen zu vermeiden. Sekundärschädigungen zu vermeiden, setzt eine genaue Kenntnis der Dynamik sexuellen Missbrauchs und der Problemlagen der Betroffenen voraus. Die Kritik von in der Kindheit bzw. Jugend von sexueller Gewalt betroffenen Frauen hat gezeigt, dass sich im Rahmen der Jugendhilfe - aber auch im Kontakt mit Polizei, Justiz, Medizin-, ihre Befürchtungen, die sie ehemals mit der Aufdeckung verbanden, leider oft bewahrheitet haben. Sie stießen auf Unglauben, Schuldzuweisungen, Sprechverbot und wurden dadurch in einem nicht unerheblichen Maße zusätzlich geschädigt. Die Ausrichtung der Jugendhilfe am Kindeswohl, die eindeutige Parteinahme für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sowie die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei ganzheitlicher Sicht- und Arbeitsweise, bilden die wesentlichen Bezugspunkte für die Weiterentwicklung der Hilfen bei sexueller Gewalt. Zur Zeit ist die Prozessbegleitung von Mädchen und Jungen im Rahmen des Jugendschutzverfahrens in Wuppertal nicht nach den oben genannten Handlungsleitlinien geregelt. Durch das vorliegende Konzept soll eine Neuregelung des z. Zt. gültigen Verfahrens eingeleitet werden, das vorrangig die Verbesserung der Situation betroffener Mädchen und Jungen, vor allem in dem Punkt ”Betreuung des Kindes oder Jugendlichen vor, während und nach der Hauptverhandlung” zum Ziel hat. 66 Prozessbegleitung im Jugendschutzverfahren Der Begriff ”Prozessbegleitung” meint die Vorbereitung des Mädchens oder Jungen auf den Strafprozess gegen den Schädiger/die Schädigerin und die Begleitung während und nach dem Prozess durch eine/n Sozialarbeiter/in. In die Arbeit mit dem Kind/Jugendlichen werden die personensorgeberechtigten Mütter und Väter bzw. Vertrauenspersonen des Mädchen oder Jungen einbezogen. Die folgenden Schritte sollten unter Einbeziehung (Information und Absprache je nach Alter, Entwicklung und Betroffenheit) des Mädchens oder Jungen erfolgen: • Kontaktaufnahme mit dem betroffenen Mädchen oder Jungen, seiner sorgeberechtigten Mutter, Vater und nach Absprache gegebenenfalls Vertrauenspersonen des Kindes • Kontaktaufnahme mit den am Prozess beteiligten Fachleuten wie: Richter/innen, Staatsanwälte/innen, Gutachter/innen, Polizeibeamte/innen, Nebenklagevertreter/in • Kontaktaufnahme mit Personen, die darüber hinaus für das Verfahren einen relevanten Bezug zu dem Mädchen oder Jungen haben (Erzieher/in, Lehrer/in, Arzt/Ärztin Therapeut/in etc.) Prozessvorbereitung Ziel ist es, die Angst und Irritationen der Mädchen und Jungen zu verringern. Zu einer aktiven Prozessvorbereitung gehören die folgenden Schritte: • Erörterung und ”Übersetzung” der Anklageschrift unter Berücksichtigung der Situation, des Alters und Entwicklungsstandes des Mädchens oder Jungen. • Erklären des Ablaufes eines Strafverfahrens inklusive Erörterung was eine Verurteilung des/der Angeklagten (Inhaftierung, Strafe zur Bewährung ausgesetzt etc.) oder ein Freispruch bedeutet. • Besprechung der ”Zeugenrolle” des Mädchens/Jungen • Besichtigung des Gerichtssaals; alternativ kann der Gerichtssaal mit der gegebenen Sitzordnung der Prozessbeteiligten aufgezeichnet, bzw. ein Video der Räumlichkeiten gezeigt werden. • Sitzposition des Mädchen oder Jungen besprechen und ausprobieren • Klärung welche Möglichkeiten die Prozessbegleiter/in hat, um im Bedarfsfall das Befinden des Kindes während der Zeugenaussage dem Gericht zu vermitteln (z.B. Anregung des Ausschlusses des/der Angeklagten bzw. der Zuschauer während der Zeugenaussage, Anregung einer Unterbrechung der Verhandlung) • Besprechen wer das Kind oder den Jugendlichen sonst noch begleiten kann, welchen Wunsch das Mädchen oder der Junge dazu hat und wie weit dieser umsetzbar ist. • Bei jüngeren Mädchen oder Jungen erörtern, was noch zur Angstreduzierung beitragen könnte, z.B. Übergangsobjekte wie Kuscheltier, Nuckeltuch, Kissen • Besprechen wo und wie die Wartezeit überbrückt werden kann (Zeugenbetreuungszimmer, anderer geeigneter Raum außerhalb des Gerichtsgebäudes, Spiele, Malsachen, Gameboy) Hauptverhandlung • Wenn das Mädchen oder der Junge den Ausschluss des Angeklagten/der Angeklagten bei der Zeugenaussage wünscht, soll der Eintritt in den Gerichtssaal erst erfolgen, sobald er/sie den Gerichtssaal verlassen hat. Wichtig ist in dem Fall, ein Zusammentreffen von Angeklagtem/Angeklagter und dem Mädchen oder Jungen zu vermeiden, so dass der Weg den der Angeklagte/die Angeklagte zu gehen hat bekannt sein muss. • Wenn der Angeklagte/die Angeklagte im Gerichtssaal anwesend ist, sollte an der linken Seite des Mädchen oder Jungen Platz genommen werden, als psychischer Schutz und Halt vor dem/der Angeklagten. Dies kann auch erfolgen, wenn der Angeklagte/die Angeklagte den Gerichtssaal verlassen hat. • Die Prozessbegleiter/in sollte sich in das Mädchen oder den Jungen während der Zeugenaussage einfühlen können, um Signale wahrzunehmen, ob und wann im Interesse des 67 Kindes/Jugendlichen gegebenenfalls eine Unterbrechung der Verhandlung anzuregen ist. Die Pause, deren Dauer durch das Gericht verkündet wird, kann genutzt werden um mit dem Mädchen/Jungen das Gerichtsgebäude zu verlassen, einen kleinen Spaziergang zu machen oder ähnliches. Nach der Zeugenaussage • Nachdem das Mädchen /Junge die Zeugenaussage gemacht hat, wird es entlassen und bedarf danach in der Regel einer weiteren Unterstützung. Es gibt Kinder/Jugendliche, die heftig weinen und getröstet werden wollen, andere die den erlebten Druck durch erhöhte motorische Aktivität ausagieren, wieder andere, die ein großes Hungergefühl verspüren, weil sie vorher vor Aufregung nichts essen konnten. Die Reaktionen sind so vielfältig wie die Mädchen und Jungen selbst, so dass individuelles Reagieren vom Prozessbegleiter/in gefragt ist. • Mit älteren Mädchen oder Jungen sollte vorher abgesprochen werden, ob sie der Urteilsverkündung beiwohnen möchten. Für viele ist es wichtig, mit eigenen Ohren zu hören, dass der/die Angeklagte schuldig gesprochen wird. Manchmal sind sie jedoch auch empört über das -in ihren Augen- zu geringe Strafmaß. Die Mädchen und Jungen müssen also auch in diesem Punkt ausführlich beraten und während der Urteilsverkündung gestützt werden. Prozessnachbereitung Nach dem abgeschlossenen Verfahren sollte mindestens noch ein Kontakt mit dem Mädchen oder Jungen stattfinden um eine Einschätzung bezüglich des Standes der Verarbeitung hinsichtlich der erfahrenen sexuellen Gewalt als auch der Verarbeitung des Prozessgeschehens vornehmen zu können und gegebenenfalls die Mädchen und Jungen sowie die sorgeberechtigten Mütter und Väter über Möglichkeiten weiterer Hilfestellungen im Rahmen der Jugendhilfe oder des Gesundheitswesens zu informieren. Zur Verarbeitung der gemachten Erfahrungen im Strafverfahren können gegebenenfalls auch Gruppenangebote für betroffene Mädchen und Jungen sowie Gruppenangebote für betroffenen Mütter und Väter entwickelt und durchgeführt werden. Dies könnte in Kooperation mit anderen Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (Erziehungsberatung, Familienbildungsstätte etc.) geschehen und zu einem Selbsthilfekonzept erweitert werden. In dem abschließenden Gespräch mit dem betroffenen Mädchen oder Jungen und deren Mütter und Väter sowie gegebenenfalls anderen Vertrauenspersonen können Anhaltspunkte für eine Verbesserung des Handlungskonzeptes der Prozessbegleitung im Jugendschutzverfahren gewonnen werden. Diesbezüglich sind noch Evaluationskriterien zu entwickeln. Erweiterte Prozessbegleitung • Über die Einzelfallhilfe hinaus geht es grundsätzlich auch darum, an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kinder- und Jugendliche als Zeugen/innen in einem Strafprozess mitzuwirken. Dies erfordert den Aufbau guter Kooperationsbeziehungen zu den relevanten Instanzen von Polizei und Justiz. • Des weiteren gehören zu einer erweiterten Prozessbegleitung: - die Klärung der Vertretung der Nebenklage durch eine geeignete Rechtsanwältin oder einen geeigneten Rechtsanwalt mit den Sorgeberechtigten des Mädchen oder Jungen bzw. der/dem Jugendlichen (erfahrungsgemäß wegen der Kostenfrage erst sinnvoll nach Zulassung der Anklage durch das Gericht) - sowie die Prüfung, ob Hilfen nach dem Opferentschädigungsgesetz oder durch bestimmte Organisationen (z.B. Weißer Ring) möglich und angezeigt sind. 68 Anforderungen an die Fachkräfte der Jugendhilfe als Prozessbegleiter/in Das Jugendamt Wuppertal verfügt grundsätzlich über Fachkräfte, die im Jugendschutzverfahren die Prozessbegleitung wahrnehmen können. Die z.Zt. gültige Regelung der Aufgabenteilung zwischen Bezirkssozialdienst und Jugendgerichtshilfe erreicht jedoch weder inhaltlich noch organisatorisch den geforderten Standard. Grundsätzlich ist von Fachkräften der Jugendhilfe, die Prozessbegleitung in Verfahren gegen die sexuelle Selbstbestimmung anbieten, folgendes vorauszusetzen bzw. zu fordern: • Umfangreiche Kenntnisse in Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters • Umfassende Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Familien (Beratungskompetenzen, Kriseninterventionstechniken, sichere Handhabung unterschiedlicher Methoden und Medien) • Erfahrungen in und Interesse an Netzwerkarbeit • Umfassende Auseinandersetzung mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen inklusive deren rechtlichen und strafrechtlichen Aspekten • eine bedarfsgerechte Positionierung - Ausrichtung der Hilfe am Kindeswohl - Parteinahme für die betroffenen Mädchen und Jungen - Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede - Lebensweltorientierter ganzheitlicher Arbeitsansatz • laufendes Studium der Fachliteratur und Teilnahme an themenbezogenen Fortbildungen, um die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen berücksichtigen und umsetzen zu können. • Bereitschaft und Geschick sich mit Polizei und juristischen Instanzen (Staatsanwaltschaft, Gericht, Rechtsanwälte/innen, Gutachter/innen etc.) konstruktiv auseinanderzusetzen, um an einer positiven Prozessgestaltung für Mädchen und Jungen mitzuwirken. Einrichtung des Schwerpunktes Prozessbegleitung bei einem der speziellen Dienste Die Arbeit als Prozessbegleiter/in erfordert wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich wurde ein hohes Maß an sozialer und professioneller Kompetenz sowie zeitlicher Verfügbarkeit. Es ist evident, dass diese Arbeit nicht ”nebenbei” geleistet werden kann. Somit ist zu prüfen, inwieweit ein schon vorhandener spezieller Dienst zusätzlich mit dieser Aufgabe betraut werden kann, da der Bezirkssozialdienst sowohl aufgrund der vorhandenen Arbeitsdichte als auch wegen der engen terminlichen Bindung für eine Prozessbegleitung nicht in Frage kommt. Außerdem wird eine Bezirksorientierung z.Zt. für diese spezielle Aufgabe nicht für erforderlich gehalten. Die Mitarbeiter/innen der Jugendgerichtshilfe verfügen zwar über umfangreiche juristische Kenntnisse und sind mit dem Prozedere einer juristischen Klärung im Strafverfahren vertraut, die Arbeit mit den kindlichen oder jugendlichen Opfer-Zeugen stellt jedoch andere Anforderungen an die Fachkräfte. Von den Mitarbeiter/innen der Jugendgerichtshilfe würde der Wechsel in eine komplementäre Rolle verlangt, die dem zu erfüllenden Standard an personaler Kompetenz vor allem im Hinblick auf Authentizität sowie professioneller Kompetenz bezogen auf die geforderte Parteilichkeit für die Mädchen und Jungen nicht ausreichend gewährleisten kann. Es ist daher wünschenswert, die Aufgabe der Prozessbegleitung einem anderen speziellen Dienst, z.B. der Erziehungsbeistandschaft, anzugliedern. Nach statistischen Berechnungen müsste eine zusätzliche Stelle eingerichtet werden, die anteilig von zwei Fachkräften wahrgenommen wird. Um eine geschlechtsbezogene Hilfe für Mädchen und Jungen anbieten zu können, sollte es sich 69 um eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter handeln. Zwei Kollegen/innen sind auch notwendig, um Zeiten von Urlaub, Erkrankung und Fortbildung zu überbrücken. Darüber hinaus können sich Verfahren bei unterschiedlichen Gerichten (Einzelrichter/in, Jugendschöffengericht, Jugendkammer) überschneiden. Die bei der Arbeit im Themenbereich ”sexuelle Gewalt” unabdingbare kollegiale Beratung und Unterstützung ist damit ebenfalls gewährleistet. Folgende Regelung wird vorgeschlagen: Der Bezirkssozialdienst erhält die Benachrichtigung vom Gericht, dass ein Verfahren wegen sexuellem Missbrauch eines Mädchen oder Jungen angestrengt wird. Der/die Mitarbeiter/in klärt, ob das Mädchen oder der Junge bzw. die Familie aktuell durch das Jugendamt oder freie Träger betreut wird. Wenn ein spezieller Dienst tätig ist (auch freie Träger) wird vorgeschlagen im Rahmen der Betreuungsverantwortung der speziellen Dienste die Prozessbegleitung zu übernehmen. Dieses Verfahren gilt für alle ambulanten Dienste wie Erziehungsbeistandschaft, Intensive Sozialpädagogische Einzelfallhilfe, Ambulante Betreuungen, Sozialpädagogische Erziehungshilfe, Flexible Erziehungshilfe und bei Pflegekindern auch für den Pflegekinder- und Adoptions-Dienst. Wenn das Mädchen/der Junge bzw. die Familie nicht durch das Jugendamt betreut wird, soll der noch einzurichtende Spezielle Dienst mit der Aufgabe ”Prozessbegleitung” die Aufgabe übernehmen. Die bisherige Arbeitsweise der Erziehungsbeistandschaft sowie der Auftrag des KJHG § 30 ”Der Erziehungsbeistand soll das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes unterstützen...” legen eine Regelung nahe, den Schwerpunkt ”Prozessbegleitung” unter Einrichtung einer neuen Stelle an eines der bestehenden Teams der Erziehungsbeistandschaft anzubinden. Die Einrichtung des Schwerpunktgebietes ”Jugendschutzverfahren-Prozessbegleitung” in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen innerhalb eines speziellen Dienstes sollte als Modellprojekt für zwei Jahren installiert werden. Bei der Einarbeitung der neuen Fachkräfte sollen die Kompetenzen der Jugendgerichtshilfe genutzt werden. Das Projekt kann vom Fachreferat Sozialarbeit/Pädagogik des Fachbereichs Kinder- und Jugendhilfe in der konzeptionellen Entwicklung und unter fachlichen Gesichtspunkten begleitet werden. Die Erfahrungen sollen nach zwei Jahren ausgewertet und veröffentlicht werden. 70 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 4.5 Die Kapazitäten im Bereich Diagnostik sind unzureichend. Es gibt zu lange Wartezeiten und zu wenig Differenzierung zwischen Diagnostik und Therapie. 5.5 Kapazitäten und Konzepte im Bereich Aufdeckungsarbeit sind unzureichend. Zu 4.5.1: Kapazitäten und Differenzierungen im Bereich Diagnostik: Standards für die Diagnostik25 Zum Begriff der Diagnose Diagnostik wird in diesem Konzept verstanden als ein Prozess, der auf das Kind und seine Bedürfnisse fokussiert und den Versuch darstellt, die zur Diagnostik führende Symptomatik aus der Gesamtheit der vorliegenden Untersuchungsergebnisse zu erklären. Das im folgenden dargestellte Diagnostik-Konzept bezieht sich auf eine umfassende Begutachtung und ist nicht zu verwechseln mit der in der Jugendhilfe zu erstellenden Psychosozialen Diagnose, die zur Einleitung einer Hilfe zur Erziehung notwendig ist. Um das Verhalten und die Aussagen eines Kindes beurteilen zu können, muss sich die Diagnostiker/in ein Bild von seiner psychischen und sozialen Situation machen, d.h. er/sie muss mehr wissen als eine Antwort auf die Frage, ob das Kind mit seinem Verhalten, seinen Andeutungen oder Aussagen die Erfahrung eines sexuellen Missbrauchs ausdrücken will. Diagnostik beinhaltet auch Angaben über den Stand der kindlichen Entwicklung, speziell seiner Ich-Entwicklung, seiner Realitäts- und Erinnerungsfähigkeit, seiner emotionalen und familialen Situation sowie seiner sozialen Fähigkeiten und sozialen Einbindung. Diese Informationen können nur gewonnen werden, wenn die relevanten Bezugspersonen der Familie und möglicherweise auch die des sozialen Umfeldes (Kindergarten, Schule) in die Untersuchung einbezogen werden. Somit ist der Verdacht auf sexuellen Missbrauch ein Diagnostik auslösender Faktor. Er ist aber nicht der einzig bedeutsame Faktor für das Wohl des Kindes und seiner Familie, da in dieser oft vielfältige körperliche, seelische und soziale Probleme existieren, die ebenfalls zu erfassen sind. Eine so umfassende Diagnostik hat den wichtigen Vorteil, dass neben der Beantwortung der Frage nach sexuellen Missbrauchserfahrungen auch andere mögliche Misshandlungsformen wie körperliche Misshandlung oder Vernachlässigung in Erfahrung gebracht werden. Gerade die psychische Vernachlässigung in Missbrauchsfamilien, die für die Prognose zur Überwindung des Traumas überaus wichtig ist, kann auf diese Weise eruiert werden. 25 Um den Text übersichtlich zu gestalten und das Lesen zu vereinfachen, wird im Konezept der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas in Wuppertal durchgängig die Schreibweise des relativ geschlechtsneutralen ”großen I” eingesetzt, wenn Substantive benutzt werden, die Personen bezeichnen. So wird z.B. von der HelferIn und von der SchädigerIn gesprochen. Diese konsequent angewendete Schreibweise soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach gegenwärtigem Wissensstand der Großteil der SchädigerInnen männlichen Geschlechts ist. verwendete Literatur: a) Bange, D.; Enders, U.: Auch Indianer kennen Schmerz. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 1997. b) Fegert, J.M.: Sexuell Missbrauchte Kinder und das Recht. Band 2.Volksblatt-Verlag. Köln, 1993. c) Motzkau Dr., E.: ”Aufdecken”, Diagnostik und Therapie - Das Kind zwischen Vermutung und Wahrheitsfindung. In: Kinder als Zeugen Helfer in der Not? Hrsg.: Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren e.V. Köln. d) Projekt-Team ”Sexueller Missbrauch”: Konzept im Bereich Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen. Ressort Jugendamt und soziale Dienste, Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe. Wuppertal, 1997. e) Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Was stimmt da nicht? Sexueller Missbrauch: Wahrnehmen und Handeln. NRW, 12/91. 71 Diagnostik darf bei Missbrauchsverdacht weder die Sache eines Einzelnen noch eines Berufsstandes sein, da die Problematik zu vielschichtig und die Dynamik der Spaltung in den Familien zu tiefgehend sind. Motzkau führt dazu aus: ”Weil die Grenzen dieser Familiensysteme so starr und undurchdringlich sind, weil die Realität in diesen Familien so doppelbödig ist und weil das, was wir zunächst aus diesen Familien erfahren, so wenig und so widersprüchlich ist und im krassen Gegensatz zu dem steht, was wir befürchten, deshalb gibt es zunächst im Kontakt mit diesen Familien nur die Muster ja/nein, schwarz/weiß, gut oder böse. Mit diesen Mustern kann niemand allein umgehen, wer es versucht, bleibt draußen und erfährt nichts oder sitzt im System und identifiziert sich in der Regel mit dem Opfer. Beides nützt in keinem Fall dem Kind und bringt überdies auch keine brauchbaren Informationen. Aus dem gleichen Grund übertragen sich aber auch Muster von außen nach innen. Ob es dabei um Konkurrenz, um Macht oder um Spaltung im System der Helfer geht, die betroffene Familie wird diese Muster aufgreifen und in ihrem Sinne damit umgehen. Wir können also nicht erwarten, dass Eltern konstruktiv und integrativ mit ihren Konflikten umgehen, wenn z.B. Jugendamt und Familienhelfer um Macht und Geltung kämpfen. Diagnostik beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch ist: • mehr als die Ermittlung und Feststellung von Tatsachen und die Weiterleitung an zuständige Stellen, • immer Aufgabe fachkompetenter Stellen und Personen, • immer die Sache eines Teams, • auf Multiprofessionalität angewiesen, • nur in Vernetzung mit anderen Einrichtungen machbar und in seinen Konsequenzen wirksam.”26 Grundlegende Zielorientierungen des professionellen Handelns Die grundlegenden Zielorientierungen und die Definition des sexuellen Missbrauchs basieren auf dem Konzept für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen, wie sie vom Projekt-Team ”Sexueller Missbrauch” der Stadt Wuppertal festgelegt worden sind. Sie betreffen Ansätze von Parteilichkeit und Ganzheitlichkeit. Aus diesen Konzepten ergeben sich die folgenden praktischen Grundlagen, die handlungsweisend sein sollen: • Vermeidung von übereilten Interventionen. Es ist überaus wichtig, dass die HelferIn sich selbst und dem betroffenen Kind genügend Zeit lässt, um die Diagnostik durchzuführen. Dies bezieht sich sowohl auf die Anzahl der gemeinsamen Gespräche als auch auf ausreichend große Zeitabstände zwischen den Gesprächen, um die Belastungsgrenzen von Kind und HelferIn nicht zu überschreiten. Auch ist Zeit für Absprachen im Diagnose-Team zu nehmen. • Sicherstellung des Schutzes eines Mädchens oder Jungen zur Vermeidung weiterer Übergriffe. • Vermeidung von Sekundärschädigungen durch unsensible Reaktionen. • Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensbezüge des Kindes, vor allem seiner meist ambivalenten Bindungen. Verantwortungsvolle Helfer/innen und Bezugspersonen sollen es dem Kind ermöglichen, eine Balance zwischen Schutzbedürfnis und Bindungserhaltung zu finden, wenn dies vom Kind gewünscht wird. • Berücksichtigung der Wünsche des betroffenen Mädchens oder Jungen bzgl. des Geschlechts der Helfer/in. • Ernstnehmen der Aussagen des betroffenen Mädchens oder Jungen. • Eigene Auseinandersetzung der Helfer/in mit dem Thema. • Verantwortung für die Tat bei der Schädiger/in belassen. • Unterstützung der nicht sexuell missbrauchenden Bezugspersonen des Kindes. 26 Literaturhinweis: C 72 Diagnose und Intervention als Prozess Besteht ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch, ist er anfangs meistens sehr vage. In der anschließenden Überprüfungsphase (Evaluation) hat die Helfer/in zu untersuchen, ob dieser vage Verdacht sich erhärtet und somit letztendlich begründet ist, oder ob andere Erklärungen für das auffällige Verhalten des Mädchens bzw. Jungen wahrscheinlicher sind. Es versteht sich von selbst, dass die Untersucher/in in der diagnostischen Untersuchung immer mehrere Erklärungsmöglichkeiten für die vorgestellten Auffälligkeiten als Hypothesen im Kopf hat und abklärt. Um das folgende Schema zu vereinfachen, wurde von dem Fall ausgegangen, dass ein sexueller Missbrauch vorliegt. Führt die Evaluation des Verdachtes zu der Annahme, dass ein sexueller Missbrauch vorliegt, so schließt sich die Interventionsphase an, d.h. der sexuelle Missbrauch wird nachgewiesen und es werden Maßnahmen zum Schutz des Mädchens bzw. Jungen getroffen. Die einzelnen Stufen dieses Prozesses sind im folgenden dargestellt: 1. Vermutung, vager Verdacht • Auf Signale, Symptome und Verhalten des Kindes achten. • Die Kommunikation des Kindes ernst nehmen. • Unterstützung für die ausgewählte Person (Vertrauensperson) des Kindes 2. Erhärtung des Verdachtes • Schriftliche Fixierung spontaner Aussagen des Kindes durch Eltern, Erzieher/innen etc. • Auswertung des Informationsstandes: Was hat das Kind wem in welcher Situation berichtet? Wer hat was, wann, wie oft, wo getan? • Unterstützung für die ausgewählte Person (Vertrauensperson) des Kindes. 3. Einschalten von Helfer/innen, die mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs vertraut sind und Handlungskompetenz besitzen • Unterstützung für die ausgewählte Person (Vertrauensperson) des Kindes. • Gemeinsame Beurteilung der Situation (anonym oder offen): Wird der erhärtete Verdacht aufgrund des vorliegenden Materials nach gemeinsamer Evaluation zu einem begründeten Verdacht, ist die Intervention vorzubereiten. • Wenn eine Intervention erfolgen soll, muss die Klärung der folgenden Fragen erfolgen: Wer spricht wann und wo mit dem Kind? Wer spricht mit dem vermutlich nicht missbrauchenden Elternteil/den Eltern? Wer spricht mit der vermutlichen Schädiger/in? Wer schützt das Kind? Wie wird das Kind geschützt? Wohin kann das Kind gehen, wenn es nicht zu Hause bleiben kann? Koordination von Terminen: z.B. Konfrontation und Fremdunterbringung des Kindes. 4. Intervention • In Abhängigkeit von der dem sexuellen Missbrauch zugrundeliegenden Konstellation wird die Intervention mit Helfer/innen anderer Dienste durchgeführt, d.h. es muss geklärt werden, welche Personen (Professionelle und Nicht-Professionelle) an dem Gespräch beteiligt werden sollen. • Wichtig ist, dass der sexuelle Missbrauch als Familienrealität erst verankert ist, wenn er unter Anwesenheit aller Familienmitglieder benannt und beschrieben worden ist. Daraus resultiert die Notwendigkeit eines Gespräches mit der Gesamtfamilie. Ziele des Familiengespräches: - Deutlich, verständlich und klar den sexuellen Missbrauch benennen. 73 - Der Familie zu einer gemeinsamen Realität über die Vorkommnisse verhelfen. - Den Geheimhaltungsdruck aufheben. - Zur Entlastung des Kindes Verantwortung klarstellen: Schädiger/in trägt alleinige Verantwortung für den sexuellen Missbrauch und der nicht-missbrauchende(r) Eltern(teil) trägt Verantwortung für den Schutz des Kindes. Das Kind selbst war dabei und ist in die Handlungen involviert, aber nicht verantwortlich. • Bei Fremdunterbringung des Kindes ein Übergabetreffen organisieren. - Die verantwortliche Helfer/in und das Kind suchen gemeinsam das Heim auf und besprechen mit der Erzieher/in die Vorkommnisse. - Dem Kind wird die ausdrückliche Erlaubnis zum Reden erteilt und eine erneute Geheimhaltung wird somit vermieden. - Dem Kind wird ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, sich an eine neue Bezugsperson zu binden. Spaltungen in der professionellen Zusammenarbeit sind zu vermeiden. Inhalte des diagnostischen Prozesses Wie zu Beginn erläutert wurde, muss sich die Diagnostik bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch auf verschiedene Bereiche beziehen, die im folgenden erörtert werden. Die Darstellung wird in Anlehnung an Fegert (b) und Motzkau (c) vorgenommen. 1. Fragestellung und Auftraggeber/in klären. Der Kontext, in dem der sexuelle Missbrauch passiert sein soll, hat einen Einfluss auf die Planung und Durchführung von Interventionen, d.h. handelt es sich um einen Verdacht innerhalb oder außerhalb der Familie. Wichtig ist auch, wer den Verdacht äußert und um Unterstützung nachfragt. Ist es eine Person, die selbst Mitglied der betroffenen Familie ist oder steht sie außerhalb. Bei Verdacht eines innerfamiliären sexuellen Missbrauchs ist die diagnostische Untersuchung des Kindes und die der Eltern von unterschiedlichen Helfer/innen durchzuführen. 2. Klären, welche weiteren Helfer/innen involviert sind 3. Klären, ob es bereits Befunde zu der Fragestellung gibt und wie sie lauten 4. Anamnese Spätestens zum Zeitpunkt der Anamneseerhebung ist eine intensive Vernetzung aller beteiligten Personen und Einrichtungen nötig, um ein Gelingen der Arbeit zu ermöglichen. Die Rollen im diagnostischen Team müssen aufgeteilt werden, wobei die Einbeziehung der vermuteten Schädiger/in selbstverständlich ist. Der Zeitpunkt der Einbeziehung der vermuteten Schädiger/in ist sorgfältig abzuwägen. Es empfiehlt sich der Einsatz eines strukturierten Anamnesebogens, wie z.B. der anamnestische Elternfragebogen. Diese diagnostische Arbeit ist nicht mit Therapie zu vergleichen, da sie fokussiert erfolgt und Gefühle zwar berücksichtigt, aber nicht bearbeitet werden. Auf die Beantwortung der folgenden Fragen ist besonders zu achten: Familienanamnese Die Familienstruktur soll möglichst vollständig in ihrer gegenwärtigen Situation und in ihrer Geschichte erfasst werden (Mitglieder, Rollen, Regeln, Kommunikationsstrategien, soziales Milieu, soziale Kontakte). • Gewalt,- Misshandlungs- und Missbrauchserfahrungen der Eltern und Großeltern • Psychische Erkrankungen in den Herkunftsfamilien 74 • • • • • • • • • • • • • • • Sexualanamnesen der Eltern Abhängigkeit der Eltern bzw. Großeltern von Alkohol, Drogen, Tabletten Häufigkeit der Partnerwechsel bei den Eltern Umgang mit Grenzen in den (Herkunfts-)Familien Wer lebt in der Wohnung? (Alter, Familienstand, Dauer der Beziehungen, Stiefvater Familie) Wer besucht die Familie häufig oder regelmäßig? (Familienangehörige, Freunde, Babysitter, Putzfrau, wichtige Kontaktpersonen) Wer geht wie lange arbeiten oder zur Schule? Welche Belastungen gibt es? (gesundheitliche Sorgen, Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, Wohnungsschwierigkeiten) Wer schläft wo zusammen mit wem? (Schlafzimmerarrangements und tatsächliche Schlafgewohnheiten müssen genau erfragt werden, evtl. Grundrisszeichnung) Gibt es akute Belastungen? (Tod, Trennung, Scheidung, Unfall, Kündigung, Schwangerschaft, Umzug) Wer hat Freunde und soziale Kontakte? (Beschreibung der Familienmitglieder, Stärken, Schwächen, Vorlieben, Attraktivität sozialer Beziehungen der Familienmitglieder) Hat jemand in der Familie Probleme? (Alkohol, Drogen, Medikamentenmissbrauch, Kontrollverlust, Schlagen, körperliche Misshandlungen, Eheprobleme) Sind die Generationsgrenzen in der Familie verwischt? (Wurde das Kind in eine Elternrolle gedrängt, indem die Eltern eigene Bedürfnisse an das Kind richten, die es überfordern? Fühlt sich das Kind für das Wohl der Erwachsenen verantwortlich? Hat das Kind Elternaufgaben auszuführen?) Scheint das Familienleben emotional eng verstrickt? (wenig Flexibilität, autoritäre Familienstruktur, starker Grad an Harmonie nach außen) Werden Probleme und Schwierigkeiten der einzelnen Familienmitglieder thematisiert, Gefühle benannt, oder herrscht emotionale Sprachlosigkeit? Anamnese des Kindes • Frühkindliche Entwicklung des Kindes und spätere Sozialintegration • Bindungsdiagnostik, sowie Qualität und Bedeutung der familialen Bindungen • Aktueller Entwicklungsstand des Kindes • Leistungsverhalten und Leistungseinbrüche • Umgang mit und Kenntnisse über Sexualität • Bezeichnungen des Kindes für verschiedene Körperteile • Emotionale Befindlichkeit des Kindes • Diagnostik der sozialen Kompetenz und Einbindung in Kindergarten, Schule, Freundeskreis etc. • Erfassen der Symptomatik, auch in ihrem zeitlichen Auftreten, die sich verbal, im Verhalten, in psychischen Veränderungen und körperlich darstellen kann • Gegebenenfalls Durchführung einer pädiatrischen und/oder kindergynäkologischen Untersuchung • Kinderpsychiatrische und -psychologische Statuserhebung mit besonderem Augenmerk auf die Realitätswahrnehmung und -verarbeitung, Entwicklung von zeitlicher Orientierung, Erinnerungsfähigkeit, Konsistenz der Denkabläufe und der sprachlichen Kompetenz, Phantasietätigkeit, Unterscheidung von Phantasie und Realität und Strategien der Angstverarbeitung • Spezifische Diagnostik von eventuellen Traumatisierungserfahrungen • Ressourcen des Kindes 75 5. Grundsätze für die Exploration des Kindes • Für eine ruhige, ungestörte Gesprächsatmosphäre sorgen • Offener Umgang mit dem Grund für das Gespräch (z.B. Sorge der Mutter, dass es dem Kind nicht gut geht, formulieren) • Vertrauen zum Kind aufbauen • Nicht mehr versprechen, als man halten kann. Dem Kind nie versprechen, dass man Gesprächsinhalte nicht weitergibt. Stattdessen dem Kind zusichern, dass es über Handlungsschritte informiert wird Protokollierung der Aussagen • Explorative Gespräche möglichst mit Tonband aufzeichnen, anschließend Aussagen zum sexuellen Missbrauch schriftlich festhalten. • Frei erinnerte Zusammenhänge detailliert protokollieren Aussagen zur Entlastung des Kindes treffen • Dem Kind die Erlaubnis zum Sprechen geben und somit vom Geheimhaltungsdruck entlasten • Das Kind wissen lassen, dass andere Kinder ähnliches erleben, dass es keine Schuld trifft und dass ihm geglaubt wird • Herausfinden, womit die Schädiger/in gedroht hat und dem Kind versichern, dass ihm geholfen wird • Bedenken, dass das Kind der Schädiger/in sehr häufig auch positive Gefühle entgegenbringt. Der Schädiger/in deutlich die Verantwortung für den sexuellen Missbrauch zuweisen, als Person aber nicht abwerten • Das Kind nicht zum Sprechen drängen. Es besteht immer die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt auf die Frage zurückzukommen • Widersprüche und Ungereimtheiten des Kindes nicht über Nachfragen bei Dritten sondern möglichst mit dem Kind selbst klären Befragung des Kindes • Zum Gespräch mit dem Kind, sich auf die Körperhöhe des Kindes begeben • Kind ermutigen klar zu sagen, wenn es sich an etwas nicht erinnert, nicht genau weiß oder die Frage nicht verstanden hat • Fragen ohne Vorannahmen, kindgerecht und emotional neutral formulieren • Fragen direkt, einfach, einfühlsam und offen stellen, z.B. ”Magst du mir erzählen, was der Onkel gemacht hat?” • Immer nur eine Frage stellen und Reaktion abwarten, bevor die nächste Frage erfolgt • Kleinen Kindern Hilfestellungen bei den zeitlichen Einordnungen geben, z.B. ”War das vor oder nach deinem Geburtstag/Weihnachten/an einem Kindergartentag/am Wochenende/in den Ferien?” • Warum-Fragen vermeiden, weil diese eine aktive Beteiligung des Kindes am sexuellen Missbrauch unterstellen und damit die Schuldfrage verstärken • Das Kind zum Ende des Gespräches loben und die weiteren Schritte mit ihm absprechen. Exploration bei kleinen Kindern Je kleiner die zu untersuchenden Kinder sind, desto mehr gewinnen das Spiel und andere Medien an Bedeutung. Die Untersuchung kleiner Kinder verlangt Helfer/innen, die in der Arbeit mit Kindern qualifiziert und erfahren sind. • Spontane, frei im Spiel gezeigte, häufig wiederkehrende, teilweise nur Ausschnitte einer Missbrauchssituation widerspiegelnde Spielsituationen stellen wichtige und genaue 76 • • • • Informationen dar. Wichtig ist es, die Spielhandlungen des Kindes nicht zu deuten, sondern immer zu versuchen mit dem Kind über die Darstellungen ins Gespräch zu kommen. Im Spiel auftauchende Figuren vom Kind benennen lassen, ohne in Deutungen zu verfallen. Jegliches Spielmaterial eines gut ausgestatteten Spielzimmers kann für das Kind bedeutend sein. Neben den üblichen Spielmaterialien wie Puppenhaus (mit Keller und Garage), Handpuppen, Puppen, Kuscheltieren, Kuschelecke, Arztkoffer und Regelspielen, sollen auch eine Spielzeugkamera und ein Spielzeugtelefon vorhanden sein, da bei sexuellem Missbrauch auch Fotografieren eine Rolle spielen kann. Eine große Bedeutung ist dem Malen und Zeichnen beizumessen. Malen entspannt viele Kinder und deshalb sollten Stifte und Papier bei der Untersuchung von Kindern zur Verfügung stehen. Vor Überinterpretationen der Darstellungen muss gewarnt werden. Empfehlenswert ist es, mit dem Kind über ein gemaltes Bild in den Dialog zu kommen, d.h. das Kind zum Bildinhalt zu befragen, aber nicht zu deuten. Wichtig sind spontane Zeichnungen, Zeichnungen von männlichen und weiblichen Figuren, Familienszenen, Selbstportraits, Zeichnungen darüber, was und wo passierte oder eine Zeichnung der beschuldigten Schädiger/in. Dabei liegt die Bedeutung der Zeichnungen auch in dem Affekt und in den Emotionen, die sie beim Zeichnen wachrufen. Kenntnisse der Helfer/in über Phasen der Zeichenentwicklung beim Kind sind unbedingt notwendig. Die Bilder des Kindes sind zu sammeln. Bilderbücher können die diagnostische Untersuchung unterstützen. Rollenspiele und Träume können für das Kind weitere Möglichkeiten sein die Realität szenisch darzustellen. Besonderheiten bei der Exploration von Mädchen • Angst des Mädchens vor Schwangerschaft • Angst des Mädchens, nicht mehr schwanger werden zu können • Angst vor Entjungferung und den damit verbundenen Konsequenzen • Mädchen sind aufgrund ihrer Sozialisation vielleicht eher an Grenzüberschreitungen gewöhnt und haben hier eine geschlechtsspezifische Toleranzgrenze Besonderheiten bei der Exploration von Jungen Die gängige Jungensozialisation (”Ein Indianer kennt keinen Schmerz”) erschweren es den Jungen, Gefühle wie Trauer, Hilflosigkeit und Ohnmacht für sich zu akzeptieren und für andere wahrnehmbar auszudrücken. Für die diagnostische Untersuchung ist eine Berater/in nötig, die sich intensiv mit der Jungensozialisation auseinandergesetzt hat. • Jungen fällt es schwerer, sich mitzuteilen, wenn sie in Not sind • Sie haben große Angst über Verletzungen zu sprechen, da sie befürchten abgelehnt zu werden und als Schwächlinge dazustehen • Sie sind bezüglich ihrer männlichen Identität stark verunsichert, haben oft Angst homosexuell zu sein • Sie sind gehemmt durch die erlebte Scham, die sie in Verbindung mit der eigenen Passivität erfuhren 6. Testpsychologische Untersuchung Es gibt keine testpsychologischen Verfahren, die sexuellen Missbrauch diagnostizieren. Zur Explorationsergänzung sind einige Verfahren empfehlenswert. • Projektive Testverfahren: Sceno-Test, Mensch-Zeichnen-Test, Familie in Tieren, Family-RelationsTest, Schweinchen-Schwarzfuß-Test, Satzergänzungstests etc. 77 • Entwicklungstests: Entwicklungsgitter nach Kiphardt, Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik nach Hellbrügge etc. • Intelligenztests: K-ABC, CFT, Hawik-R etc. 7. Psychopathologischer Eindruck der einzelnen Familienmitglieder • Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes (Größe, Gewicht, Reife, Pflegezustand) • Form der Kontaktaufnahme zur Untersucher/in (Blickkontakt, Selbstsicherheit, Trennungsängstlichkeit, Widerstand in der Kooperation, Distanzlosigkeit) • Sprache (Wortschatz, sprachliches Differenzierungsniveau, Sprachverständnis, Gehemmtheit beim Sprechen, Stottern) • Wahrnehmung kognitiver Funktionen (Einschätzung der Intelligenz, Auffassungsgabe, Gedächtnis, Merkfähigkeit) • Vorherrschende Gefühle (Stimmung, Affekt, Ängste, Selbstwertstörungen, Identitätsstörungen, Befürchtungen, Phantasien, Träume) • sexualisiertes Verhalten • Psychopathologien im engeren Sinne (Bewusstseinsstörungen, Ich-Störungen, Orientierungsstörungen, Wahn, Zwänge, aggressive Durchbrüche, sexuelle Perversionen, schwere Neurosen, Psychosen) 8. Erziehungsfähigkeit eines Elternteils bzw. der Eltern Die Erziehungsfähigkeit der Eltern bzw. eines Elternteils muss eruiert werden, um im Falle eines innerfamiliären sexuellen Missbrauchs Sorgerechtsentscheidungen zu erleichtern. • Beschreibung der emotionalen Beziehung zwischen Kind und potentiell nicht-missbrauchenden Elternteil. (Kann diese(r ) das Kind schützen und akzeptieren?) • Beschreibung der emotionalen Beziehung zwischen Kind und potentiell Missbrauchenden Elternteil (Angst, Loyalität und Bindung des Kindes, geheime Botschaften, offene/verdeckte Drohungen des potentiell missbrauchenden Elternteils) • Psychopathologische Befunde der Eltern bzw. eines Elternteils (s.o.) • Erzieherische Kompetenz, lebenspraktische Fähigkeiten der Alltagsbewältigung der Eltern, bzw. eines Elternteils • Inwieweit ist der das Sorgerecht ausüben wollende Elternteil bei Bedarf bereit, Hilfsmöglichkeiten für sich anzunehmen und sie aktiv zu nutzen? 9. Berücksichtigung der Geschwisterkinder Im Falle eines innerfamiliären sexuellen Missbrauchs ist zu berücksichtigen, dass auch Geschwisterkinder missbraucht sein können oder betroffen sind. Auch ist bei einer Herausnahme des Kindes aus der Familie zu berücksichtigen, ob das Kind von seinen Geschwistern getrennt werden soll und kann und wie sich die Beziehung zu den einzelnen Geschwisterkindern gestaltet. 10. Abschließende diagnostische Beurteilung Nach Motzkau ist von einer sicheren Missbrauchsdiagnostik auszugehen, wenn eindeutige verbale Aussagen vorliegen, die sich einfügen in das Bild der übrigen Befunde und den angemessenen Glaubwürdigkeitskriterien genügen. Aus den Befunden müssen sich die notwendigen Unterstützungs- und Therapiemaßnahmen ableiten lassen. Dies hat im Kreis aller bisher und zukünftig beteiligten Helfer/innen zu geschehen, um gegen die Spaltungstendenzen integrativ und unterstützend arbeiten zu können. In der abschließenden Helferkonferenz muss festgelegt werden, wer für die Begleitung und Kontrolle der weiteren Entwicklung verantwortlich ist und wer mit wem zu welchem Zweck über welchen Zeitraum Kontakt hält. (Welche Bedürfnisse von Kind und/oder Familie müssen von außen abgedeckt werden? - Feststellung des 78 erzieherischen Bedarfs - Wer kann was am besten, um diese Bedürfnisse abzudecken? Feststellung der notwenigen Hilfearten - Dauer sowie Feststellung des Zeitpunktes, an dem eine Rückmeldung über Verlauf und Stand der Hilfe, Entwicklungsbericht, notwendig erscheint.) Dies muss in einem Hilfeplangespräch den Eltern transparent dargestellt werden, um nicht zusätzlich Misstrauen und Abschottung zu bewirken. Auch müssen dem Kind und der Familie die jeweiligen Rollen verdeutlicht werden, um ihnen zu größerer Autonomie und durchlässigen Grenzen zu verhelfen. Die schriftliche diagnostische Beurteilung soll folgende Aussagen beinhalten: 1. Beurteilung der Symptome, der Aussagen und des Verhaltens des Kindes bezüglich des Missbrauchsverdachts. 2. Darstellung der psychischen und sozialen Situation des Kindes, d.h.: • Ausführungen zum (kognitiven) Entwicklungsstand (speziell Ich-Entwicklung, Realitäts- und Erinnerungsfähigkeit) des Kindes • Ausführungen zu seiner emotionalen und familialen Situation • Ausführungen zu seiner sozialen Einbindung in die Familie und in das soziale Umfeld • Ausführungen zu den sozialen Fähigkeiten (Ressourcen) 3. Feststellung des erzieherischen Bedarfs 4. Feststellung der notwendigen Hilfearten Zu 4.5.2 und 5.5 Kapazitäten und Differenzierung im Bereich Diagnostik: Differenzierung Diagnostik/Therapie Das Konzept der sog. ”Aufdeckungsarbeit” darf heute als überholt angesehen werden. Es hat sich in der Vergangenheit oftmals als problematisch erwiesen, da der Begriff Aufdeckung implizierte, dass bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch die diagnostische Arbeit in der Aufdeckung desselben bestehen müsse. Die neutrale Haltung der Untersucher/in bzgl. des bestehenden Verdachts wurde in diesem Zusammenhang oft in Frage gestellt. Wie in dem vorliegenden Gesamtkonzept unter ”Diagnostik bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch” ausgeführt, wird Diagnostik in diesem Konzept als ein Prozess verstanden, der auf das Kind und seine Bedürfnisse fokussiert und den Versuch darstellt, die zur Diagnostik führende Symptomatik aus der Gesamtheit der vorliegenden Untersuchungsergebnisse zu erklären. Die Untersuchung umfasst dabei z.B. folgende Bereiche: psychische und soziale Situation des Kindes, Entwicklungsstand, Familienanamnese, Erziehungsfähigkeit der Eltern. Einzelheiten sind der o.g. Konzeption zu entnehmen. 79 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 4.6 In anderen Städten haben sich die Einrichtungen von ”Kinderschutzambulanzen” oder ”Ärztlichen Beratungsstellen”, die Hilfe bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch anbieten, bewährt. Ein Großteil dieser Einrichtungen sind räumlich und z. T. auch organisatorisch den örtlichen Kinderkliniken angeschlossen. Bei der Neukonzipierung der Kinderklinik in Wuppertal sollten Überlegungen in dieser Richtung angestellt werden. 5.6 Auch für o.g. Bereiche ”Medizinische Hilfen und ”Aufdeckungsarbeit” ist die Überlegung der Einrichtung eines Angebotes im Sinne einer ”Ärztlichen Beratungsstelle” oder ”Kinderschutzambulanz.” in Zusammenhang mit der neuen Kinderklinik für Wuppertal sinnvoll Zu 4.6 und 5.6: Rahmenkonzept für eine Kinderschutzambulanz (KSA) am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Wuppertal27 Die nachfolgende Konzeption wurde von einer Unterarbeitsgruppe des jetzt aufgelösten Arbeitskreises ”Sexueller Missbrauch” und in enger Anbindung an das Team entwickelt. Um die Konzeption in den Neubau der Kinderklinik einfliesen lassen zu können, wurde dieses Konzept bereits in den Ausschüssen (Jugendhilfeausschuss, Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit, Fachgremium Frauenförderung) besprochen und abgestimmt. Voraussetzungen • Das Wohl von Mädchen und Jungen hat höchste Priorität • Ausreichende personelle Ausstattung • Fachkompetenz • Multiprofessionelles Vorgehen • Abgestimmte Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe • Kooperation und Vernetzung mit anderen Einrichtungen • Gewährleistung und Kostenfreiheit für in Wuppertal lebende Mädchen und Jungen sowie deren Familien • Einhaltung des (Sozial-)Datenschutzes mit der Einschränkung, dass auch in der Kinderschutzambulanz Datenschutz nicht zum Tatenschutz werden darf • Sicherstellung von Opferschutz durch Schaffung eines ”täterfreien” Raumes Ziele • Kinderschutz - Kinderschutz unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Mädchen und Jungen - Verhinderung weiterer Vernachlässigung und Gewalthandlungen - Grundlagen für eine altersgerechte Entwicklung schaffen • Diagnostik und Beratung für Mädchen und Jungen sowie deren Familien mit Gewaltproblemen - Vernachlässigung - körperliche und seelische Misshandlung - sexuelle Gewalt • Beratung bei erkennbaren Risikofaktoren Bei den oben genannten Themenbereichen muss aufgrund fachlicher Erkenntnisse ein inhaltlich und methodisch differenziertes Vorgehen beachtet werden (z.B. unterschiedliche fachliche 27 Das Rahmenkonzept wurde durch den Jugendhilfeausschuss, das Fachgremium Frauenförderung und den Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit Anfang 1999 zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Verwaltung wurde beauftragt, eine Umsetzungsmöglichkeit zu eröffnen. 80 Standards bei sexueller Gewalt und körperlicher Misshandlung). Diagnostik und Beratung sollen Schwerpunkt sein. Leistungsangebot Zielgruppe • Mädchen und Jungen (bis 18 Jahre) sowie deren Mütter und/oder Väter und Vertrauenspersonen • Arbeit mit Tätern nur im Rahmen des gezielten Kinderschutzes Angebot • Krisenintervention unter Nutzung der Ressourcen der Kinderklinik über 24 Std. mit dem Ziel des Schutzes • Gewährleistung einer Absprache mit den entsprechend qualifizierten Angeboten der Kinderklinik • Medizinische und psychologische Diagnostik bei Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Gewalt. Die Diagnostik muss gerichtlich verwertbar sein. • Beratung bei Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Gewalt • Kurzfristige Therapie mit dem Ziel der Weitervermittlung an ansässige Beratungsstellen und niedergelassene Therapeuten/innen, Möglichkeit zur langfristigen Therapie in begründeten Einzelfällen • Prävention in Kooperation mit bestehenden Einrichtungen • Telefonische Erreichbarkeit zu festgelegten Zeiten, darüber hinaus qualifizierte Ansprechpartner in der Kinderklinik • Offene Sprechstunde Kooperation und Vernetzung • Kooperation mit Institutionen, vorrangig aus dem Bereich der Jugendhilfe, Bildungs- und Gesundheitswesen, Justiz, Polizei etc. • Bei Vermittlungen der Kinderklinik an die Kinderschutzambulanz muss die Rolle des Bezirkssozialdienstes gerade auch im Hinblick auf die Grenze zwischen Schweigepflicht und Meldepflicht verbindlich geklärt werden. Vorteile bei Anbindung an Kinderklinik: Die Anbindung der Kinderschutzambulanz an die Kinderklinik Wuppertal wird für sinnvoll und erforderlich angesehen. • Im Bedarfsfall problemlose sofortige kindgerechte stationäre Unterbringung möglich • 24 Std. ärztlicher Bereitschaftsdienst • Rasche Differentialdiagnostik • Meldung von Verdacht auf Gewalthandlungen an Mädchen und Jungen durch niedergelassene Ärzte/innen eher an Institutionen wie Klinik • ”Stigmatisierung” von Ratsuchenden durch das soziale Umfeld wird bei Anbindung an Kinderklinik minimiert Personelle und räumliche Ausstattung • 1 Stelle für Psychologe/in mit therapeutischer Zusatzausbildung • 0,5 Stelle für Arzt/Ärztin, Festanstellung eines Kinder- und Jugendpsychiaters/einer Kinderund Jugendpsychiaterin oder eines Kinderarztes/einer Kinderärztin mit therapeutischer Zusatzausbildung, 1,5 Stellen für Sozialpädagogen/innen, Heilpädagogen/innen, Sozialarbeiter/innen o.ä., 0,5 Stelle für Verwaltungsfachkraft (Beratungsassistent/in), Honorarkräfte und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen mit qualifizierter Ausbildung, Konsiliardienst durch Kindergynäkologen/in • Der erforderliche Beratungsstellenstandard muss gewährleistet sein (1 Raum pro Mitarbeiter/in) 81 Träger und Finanzierung • Trägerzusammenschluss zwischen Klinikum GmbH, Stadt Wuppertal und interessierten freien Trägern der Jugendhilfe in Wuppertal • Zusätzliche Gründung eines Fördervereins • Beteiligung aller Träger des Trägerzusammenschlusses an der Finanzierung • Landesmittel, EU-Mittel, Krankenkassen, Spenden (Förderverein), Bußgelder • Geschätzte jährliche Kosten für laufende Personal- und Sachkosten: DM 500.000 plus einmaliges Ausstattungsbudget 82 5. Schutz und Zuflucht Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes Schutz und Zuflucht 1. Inobhutnahme, 2. mittelfristige Krisenunterbringung, 3. langfristige Krisenunterbringung, 4. medizinische Hilfe, 5. Aufdeckungsarbeit. 5.1 Es gibt z. Zt. keine ausreichend geschlechtsdifferenzierte institutionelle Kinder-Notaufnahme bzw. Jugendschutzstelle in Wuppertal, obwohl dies aus fachlichen Gründen dringend angezeigt ist. Eine Einrichtung bietet z.Z. in Ausnahmefällen eine Krisenunterbringung speziell für Mädchen an. 5.2 Als Ergänzung sollte eine fachliche Schulung und Unterstützung von bereits vorhandenen und neu zu werbenden Bereitschaftspflegefamilien entwickelt werden. 5.3 Im Bereich der mittel- und langfristigen Unterbringungen sind in Wuppertal vielfältige flexibel aufeinander abgestimmte Angebote im Bereich ”Hilfen zur Erziehung” (§ 27 ff.)vorhanden. Trotz positiver struktureller Entwicklungen und zunehmender Fachkompetenz der Mitarbeiter/innen, ist jedoch auch hier Qualifizierungsbedarf festzustellen und die Erarbeitung eines einrichtungsinternen verbindlichen Handlungskonzeptes für den Umgang mit von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen einzufordern. 5.4 Medizinische Hilfen scheinen ausreichend vorhanden, aber zu wenig bekannt. 5.5 Kapazitäten und Konzepte im Bereich Aufdeckungsarbeit sind unzureichend. 5.6 Auch für o.g. Bereiche ”Medizinische Hilfen und ”Aufdeckungsarbeit” ist die Überlegung der Einrichtung eines Angebotes im Sinne einer ”Ärztlichen Beratungsstelle” oder ”Kinderschutzambulanz” in Zusammenhang mit der neuen Kinderklinik für Wuppertal sinnvoll. 83 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 5.1 Es gibt z. Zt. keine ausreichend geschlechtsdifferenzierte institutionelle Kinder-Notaufnahme bzw. Jugendschutzstelle in Wuppertal, obwohl dies aus fachlichen Gründen dringend angezeigt ist. Eine Einrichtung bietet z.Z. in Ausnahmefällen eine Krisenunterbringung speziell für Mädchen an. Zu 5.1 Geschlechtsdifferenzierte institutionelle Kinder- Notaufnahme bzw. Jugendschutzstelle Der Bedarf von geschlechtsspezifischen Notaufnahmeplätzen für Kinder und Jugendliche ist in Wuppertal gedeckt. Eine räumliche Trennung von Jungen und Mädchen in der Jugendschutzstelle ist erfolgt. Im Ausnahmefall kann eine Notaufnahme speziell für Mädchen im katholischem Mädchenheim St´Hildegard erfolgen. In der Kindernotaufnahme ist derzeit eine räumliche Trennung von Jungen und Mädchen nicht umsetzbar. Die Notwendigkeit wird jedoch gesehen und an der Realisierung der räumlichen Trennung wird gearbeitet. Im Einzelfall ist im Rahmen von § 42 KJHG die Unterbringung in einer anderen adäquaten Einrichtung möglich.28 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 5.2 Als Ergänzung sollte eine fachliche Schulung und Unterstützung von bereits vorhandenen und neu zu werbenden Bereitschaftspflegefamilien entwickelt werden. Zu 5.2 Sicherstellung der Qualifizierung für Bereitschaftspflegefamilien Wir empfehlen, diesen Punkt an den Arbeitskreis „Hilfen bei sexueller Gewalt“ zu delegieren. Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 5.3 Im Bereich der mittel- und langfristigen Unterbringungen sind in Wuppertal vielfältige flexibel aufeinander abgestimmte Angebote im Bereich ”Hilfen zur Erziehung” (§ 27 ff.)vorhanden. Trotz positiver struktureller Entwicklungen und zunehmender Fachkompetenz der Mitarbeiter/innen, ist jedoch auch hier Qualifizierungsbedarf festzustellen und die Erarbeitung eines einrichtungsinternen verbindlichen Handlungskonzeptes für den Umgang mit von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen einzufordern. Zu 5.3 Entwicklung von Handlungskonzepten für den Umgang mit Mädchen und Jungen bei Aufnahme in stationäre Unterbringung In Deutschland können ca. 120.000 Mädchen und Jungen aufgrund krisenhafter familiärer Situationen – zumindest vorübergehend – oft aber über Jahre hinweg nicht mehr in ihrer 28 Ergebnis des Teams Kindernotaufnahme und Jugendschutzstelle unter Beteiligung der entsprechenden Träger, der Steuerungsgruppe, der Jugendhilfeplanerin und des Landesjugendamtes. 84 Ursprungsfamilie leben. Davon leben ca. 50.000 Kinder in Pflegefamilien und 70.000 Mädchen und Jungen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.29 Der Umgang mit von sexueller Gewalt betroffene Mädchen und Jungen stellt an die Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe besondere Anforderungen. Die in der Arbeitsgemeinschaft 3 nach § 78 KJHG vertretenen Einrichtungen der Erzieherischen Hilfen haben sich zur Aufgabe gemacht, eine Übersicht über die Angebotsstruktur , eine Vernetzung der Angebote und die Nutzung der vorhandenen Ressourcen im Bereich der Erzieherischen Hilfen sicherzustellen. Die Arbeitsgemeinschaft hat die Möglichkeit ein Handlungskonzept für den Umgang mit von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe zu entwickeln und im Rahmen einer Selbstverpflichtung für die Umsetzung Sorge zu tragen. Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 5.4 Medizinische Hilfen scheinen ausreichend vorhanden, aber zu wenig bekannt. Zu 5.4 Medizinische Hilfen bei Kinderärzten/innen Eine Befragung der niedergelassenen Kinderärzte konnte aus zeitlichen Gründen nicht erfolgen. Innerhalb der Kinderärzteschaft gibt es Ansprechpartnerinnen für diesen Themenkomplex. Um eine bessere Vernetzung und Kooperation der medizinischen Hilfen als auch die der Fachkräfte sicherzustellen, ist die Mitwirkung der niedergelassenen Kinderärzte im Arbeitskreis sexueller Missbrauch in Form einer Multiplikatorin wünschenswert. 29 Auftrag Prävention Hrsg. Hans Seidel Stiftung hier: Jürgen Haerlin ” Tabaluga Kinder- und Jugendhilfe Tutzing, S.262ff 85 6. Hilfen zur Aufarbeitung Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes Hilfen zur Aufarbeitung 1. 2. 3. 4. Einzeltherapie, Gruppentherapeutische Angebote, Familientherapeutische Angebote, Selbsthilfegruppen. 6.1 Qualifizierte therapeutische Angebote sexuell traumatisierter Mädchen und Jungen, sowie u.U. deren Müttern, Vätern, etc. sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Besonders die Zielgruppe der jüngeren Kinder und Jugendlichen, der Mütter von betroffenen Kindern und der therapiewilligen (jugendlichen) Täter/innen finden aufgrund von mangelnden Angeboten, langen Wartezeiten, schlechter zeitlicher Erreichbarkeit keine adäquate Hilfe. Hilfesuchende ausländische Mädchen und Jungen, sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben noch höhere Barrieren zu überwinden. 6.2 Der Bereich der gruppentherapeutischen Angebote für Jugendliche sollte im Bereich der niedrigschwelligen Angebote gefördert werden, z. B. als konzeptionelle Ausgestaltung eines Schwerpunktes innerhalb der offenen Kinder- und Jugendarbeit, als Mischung aus Therapie- und Freizeitgruppe. Eine Kooperation zwischen verschiedenen Einrichtungen und Trägern wäre sinnvoll. 6.3 Eine verstärkte Schaffung von Gruppenangeboten sollte auch träger- und beratungsstellenübergreifend angedacht werden. 6.4 Die Initiierung und Begleitung von Selbsthilfegruppen muss gefördert werden. 86 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 6.1 Qualifizierte therapeutische Angebote sexuell traumatisierter Mädchen und Jungen, sowie u.U. deren Müttern, Vätern, etc. sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Besonders die Zielgruppe der jüngeren Kinder und Jugendlichen, der Mütter von betroffenen Kindern und der therapiewilligen (jugendlichen) Täter/innen finden aufgrund von mangelnden Angeboten, langen Wartezeiten, schlechter zeitlicher Erreichbarkeit keine adäquate Hilfe. Hilfesuchende ausländische Mädchen und Jungen, sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben noch höhere Barrieren zu überwinden. Zu 6.1. Koordination der Angebote und Vorschläge zur Qualifizierung therapeutischer Angebote Die Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Angelegenheiten mit ihren Fachgruppen und Sektorenkonferenzen ist ein Zusammenschluss von Freien Trägern und der Stadtverwaltung. Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist die Vernetzung und Koordinierung aller Hilfs- und Beratungsangebote in Wuppertal. Es wird in den nächsten Jahren eine Gemeinschaftsaufgabe werden, die Beratungsangebote für sexuell traumatisierte Mädchen und Jungen zu erweitern, zu qualifizieren und abzusichern. Wir schlagen vor, die Fachgruppe Beratung, in der alle Beratungsstellen vertreten sind, mit der Aufgabe zu betrauen, Vorschläge zur Qualifizierung therapeutischer Angebote zu entwickeln. Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 6.2 Der Bereich der gruppentherapeutischen Angebote für Jugendliche sollte im Bereich der niedrigschwelligen Angebote gefördert werden, z. B. als konzeptionelle Ausgestaltung eines Schwerpunktes innerhalb der offenen Kinder- und Jugendarbeit, als Mischung aus Therapie- und Freizeitgruppe. Eine Kooperation zwischen verschiedenen Einrichtungen und Trägern wäre sinnvoll. 6.3 Eine verstärkte Schaffung von Gruppenangeboten sollte auch träger- und beratungsstellenübergreifend angedacht werden. Zu 6.2. und 6.3 Gruppentherapeutische Angebote, auch mit Hilfe von trägerübergreifender Kooperation Durch die Auseinandersetzung um Inhalte und Ziele der Broschüre „... bis du mich findest!“ mit Infos und Adressen für Mädchen und Jungen zum Thema ”Sexueller Missbrauch”, die das Ressorts Jugendamt und soziale Dienste herausgibt, wurde auch in den Jugendfreizeiteinrichtungen über Möglichkeiten der Unterstützung für Betroffene neu diskutiert. Es wird angeregt in enger Kooperation zwischen den Jugendfreizeiteinrichtungen und den Erziehungsberatungsstellen ein entsprechendes Konzept für gruppentherapeutische Angebote zu entwickeln. Hierbei sollte geprüft werden, ob eine Modellförderung über das Landesjugendamt in Betracht kommt. Um eine Umsetzung auf breiter Basis zu erreichen wird weiterhin angeregt, im Rahmen der Weiterentwicklung und Umsetzung der Standards zur Mädchenarbeit zunächst 87 Qualifizierungsangebote für die Mitarbeiterinnen zu entwickeln, die sich am Qualifizierungskonzept des Ressorts Jugendamt und soziale Dienste orientieren sollten. Darüber hinaus kann über die Weiterentwicklung der Konzepte der Jugendfreizeiteinrichtungen ein offensiver Umgang mit dem Thema diskutiert und installiert werden. Eine weitere Begleitung dieses Themas kann über den Arbeitskreis ”Mädchenarbeit im Jugendring” auch für die freien Träger erfolgen, um hier ggf. Kooperationen anzuregen. Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 6.4 Die Initiierung und Begleitung von Selbsthilfegruppen muss gefördert werden. Zu 6.4 Selbsthilfegruppen Wir empfehlen, diesen Punkt an den Arbeitskreis „Hilfen bei sexueller Gewalt“ zu delegieren. 88 7. Vernetzung Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes Vernetzung 1. Teilnahme an Arbeitskreisen, 2. Teilnahme an Berufsgruppen, 3. Initiierung von Berufsgruppen, 4. Organisation von Helfer/innenkonferenzen. 7.1 Die Weiterführung des Arbeitskreises ”Sexueller Missbrauch” im Hinblick auf die Koordinierung und Abstimmung der bestehenden Angebotsschwerpunkte und Weiterentwicklung der bestehenden Angebotsstruktur wird empfohlen. Des weiteren wird angeregt den Arbeitskreis als Arbeitsgemeinschaft nach § 78 KJHG anzuerkennen.30 7.2 Förderung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Polizei und Justiz, zur Abstimmung von Handlungsstrategien 7.3 Das Instrument der Hilfeplanung und Helfer/innenkonferenz ist den meisten Einrichtungen bekannt. 30 vgl. Empfehlung des Arbeitskreises ”Beratungsgrundsätze bei Gewalt, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch bei Kindern” des MAGS NRW, 3/94 89 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 7.1 Die Weiterführung des Arbeitskreises ”Sexueller Missbrauch” im Hinblick auf die Koordinierung und Abstimmung der bestehenden Angebotsschwerpunkte und Weiterentwicklung der bestehenden Angebotsstruktur wird empfohlen. Des weiteren wird angeregt, den Arbeitskreis als Arbeitsgemeinschaft nach § 78 KJHG anzuerkennen. (vgl. Empfehlung des Arbeitskreises ”Beratungsgrundsätze bei Gewalt, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch bei Kindern” des MAGS NRW, 3/94) 7.2 Förderung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Polizei und Justiz, zur Abstimmung von Handlungsstrategien Zu 7.1 und 7.2 Weiterentwicklung des Arbeitskreises ”sexueller Missbrauch” und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei und Justiz Strukturen für den Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” 31 Position der Stadt Wuppertal und der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Am Runden Tisch vereinbarten die Stadt Wuppertal und die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ein abgestimmtes Vorgehen, um in ihrer nächsten Sitzung am 28.4.99 zu einer möglichst gemeinsamen abschließenden Positionierung hinsichtlich der künftigen Struktur des AK Hilfen bei sexueller Gewalt zu kommen. Dies war erforderlich, nachdem einerseits der Teamauftrag für das Projektteam ”Sexueller Missbrauch” abgeschlossen war und andererseits eine Reihe von Vorüberlegungen des bisherigen Arbeitskreises zur künftigen Struktur nicht die Zustimmung der beteiligten Träger gefunden hat. Die zuvor von beiden Seiten ausgearbeiteten Vorstellungen wurden am 19.4.99 in einem gemeinsamen Gespräch zwischen der Stadt (Frau Krentz, Herrn Lenz) und der Arbeitsgemeinschaft (Frau Hüppe DPWV, Frau Hoffmann (Diakonisches Werk Barmen), Herr Römer (Caritas in Wuppertal) und Frau Kröning (AGfW) ausführlich beraten und zu folgendem Konsens geführt. 1. Ziele Die Stadt und die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege wollen die Weiterentwicklung des Themas sexuelle Gewalt in Wuppertal entsprechend seiner anerkannt hohen Bedeutung nach Kräften unterstützen. Dabei greifen sie auf die inhaltlichen Ergebnisse der bisherigen Arbeit zurück – insbesondere das Konzept des Projektteams ”Sexueller Missbrauch” – die sie als Grundlage des weiteren Prozesses ansehen und anerkennen. Die bisher erzielten und künftigen Arbeitsergebnisse müssen (weiterhin) eine abgesicherte hohe Qualität aufweisen, in ein Gesamtsystem sozialer Maßnahmen und Einrichtungen dynamisch integriert sein und dürfen nicht unverbindlich sein oder bleiben. 2. Aktions-Rahmendaten Es wird ein Fach-Arbeitskreis ”Hilfen bei sexueller Gewalt” (AK) eingerichtet, der multidisziplinär zusammengesetzt ist. 31 Die neue Struktur des Arbeitskreises wurde in den Sitzungen des Jugendhilfeausschusses, des Geschäftsbereichsausschusses Soziales und Gesundheit und dem Fachgremium Frauenförderung im Mai 1999 zustimmend zur Kenntnis genommen. 90 Ziel des AK ist es, die bestehenden Angebote der einzelnen Mitglieder für von sexueller Gewalt bedrohte und betroffene Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene untereinander abzustimmen und das Angebot dem Bedarf entsprechend fortzuentwickeln. Insbesondere gehören zu seinen Aufgaben: • Mitwirkung bei der Jugendhilfeplanung • Vernetzung der vorhandenen Hilfeangebote • Beratung des Jugendhilfeausschusses und anderer Fachausschüsse • Erarbeitung von Einzelprojekten, wie z.B. - Hilfen für sexuelle missbrauchte Kinder, deren Mütter, Väter und Familien Erarbeitung von Hilfen für Probleme, die aus der Praxis ersichtlich werden (Umgang mit betroffenen Kindern, Umgang mit Tätern und Täterinnen etc.), Maßnahmen zur Prävention - Vorschläge für und Koordination von Öffentlichkeitsarbeit - Fortbildungsangebote • Votierung im Themenbereich der sexuellen Gewalt aus fachlicher Sicht. Der AK nimmt dabei im wesentlichen koordinierende Aufgaben wahr, er beauftragt und steuert Expertenteams. Die Zahl seiner Mitglieder ist unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsfähigkeit begrenzt. b) Die Stadt und die Freien Träger beteiligen sich durch eigene Mitarbeiter/innen an dem FachArbeitskreis und sichern Institutionsintern durch Auswahl fachlich qualifizierter Vertreter/innen Entsprechende Mandatierung und Internen Austausch zwischen Mitarbeiter/innen und Geschäftsleitungsebene die Qualität von Ergebnissen und die rückhaltlose Unterstützung der Positionen ab. Durch eine personelle Vernetzung mit bestehenden Strukturen in der Jugendhilfe tragen Stadt und Verbände dazu bei, dass eine integrative Verfahrens- und Ergebnisqualität erreicht werden kann. Soweit es darum geht, Positionen auch in kommunalen Gremien, insbesondere dem Geschäftsbereichsausschuss Soziales und Gesundheit und dem Jugendhilfeausschuss, vorzutragen und zu vertreten, können dafür die stimmberechtigten oder nicht stimmberechtigten Mitglieder in diesen Gremien und der jeweilige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (über den Sprecher/die Sprecherin des AK) in Anspruch genommen werden. Die schon bisher bestehende, zusätzliche Möglichkeit, Arbeitsergebnisse durch die Stadt als Verwaltungsvorlage/Verwaltungsvortrag oder unmittelbar durch den Arbeitskreis Hilfen bei sexueller Gewalt einzubringen, bleibt davon unberührt. c) Es besteht die Notwendigkeit eines intervisorischen Austausches auf breiter Ebene. Diesem Bedarf wird durch ein jährliches, offenes und öffentlichkeitswirksames Forum (Workshop) entsprochen, welches in Verantwortung des AK durchgeführt wird. d) In Übereinstimmung mit der abgestimmten Meinung der Stadtverwaltung Wuppertal (Geschäftsbereich Soziales und Kultur) sehen die Verbände keine Möglichkeit Konsens über die 91 Notwendigkeit zu erzielen, dass einem Fach-Arbeitskreis Hilfen bei sexueller Gewalt der Status einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 78 KJHG verliehen werden müsste. 3. Organisatorische Regelungen a) Mitgliedschaft: Es gibt vier Gruppen von Mitgliedern: aa. Stadtverwaltung bb. Verbände der Freien Wohlfahrtspflege cc. Frauenprojekte/Selbsthilfe/Gesundheit dd. Personen mit besonderer Fachkenntnis Stadt Wuppertal Träger der Freien Wohlfahrtspflege Frauenprojekte/Selbsthilfe/Gesundheit Jugendhilfeplanung 6 Mitglieder der Freien Wohlfahrtspflege aus dem Arbeitskreis der Leitenden Fachkräfte Sprecher/in der AG III (1 Mitglied der Freien Wohlfahrtspflege) Frauenberatung Splittertal Notruf Frauen helfen Frauen Pro Familia VAMV Fachbereich 0 BSD´s Ärztliche Beratungsstelle des Kinderschutzbundes Stadtbetriebe (bis zu 7) Gleichstellungsstelle 7 bis max. 14 7 bis zu 7 Personen mit besonderer Fachkenntnis Richter/in Bewährungshelfer/in Rechtsanwälte/in Psychotherapeutische Gutachter/in Kripo Bis zu 7 Die vertretenen Träger müssen durch ihre Organisationsform und die Dauer ihrer Tätigkeit eine gewisse Beständigkeit erkennen lassen. (Rechtsform des Vereins und mindestens zwei Jahre Bestand) b) Stimmrecht/Votierung: Jedes Mitglied hat eine Stimme. Voten sollen - wenn irgend möglich - im Konsens zustandekommen; lässt sich kein Einvernehmen erzielen, so ist eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung von 2/3 der anwesenden Mitglieder möglich. Minderheitenvoten sind als solche zu dokumentieren. c) Vorstand/Sprecher/in: Der AK hat einen aus drei Personen bestehenden Vorstand. Eine Person wird von der Stadt bestimmt; diese übernimmt die Geschäftsführung. Eine zweite Person wird aus dem AK gewählt, wobei die Vertreter/innen der Stadt nicht mitwählen und auch nicht gewählt werden dürfen. Die dritte Person wird aus der Mitte des AK von allen Mitgliedern gewählt, sie übernimmt zugleich die Aufgabe des Sprechers/der Sprecherin. 92 Diese/r hat u.a. den Auftrag, Voten des AK an den Leiter des Geschäftsbereichs Soziales und Kultur sowie den Vorsitzenden der AGfW weiterzuleiten. Eine Vorstandsperiode dauert zwei Jahre, erneute Bestimmung bzw. Wiederwahl sind möglich. d) Sitzungen: Der AK tagt mindestens dreimal jährlich. Er stellt auf der Grundlage der Ergebnisse eines ”Workshops” jährlich einen Arbeitsplan auf. Der Vorstand bereitet die Sitzungen vor. Der Sprecher/die Sprecherin leitet in der Regel die Sitzungen persönlich. e) Expertenteams: Zur Erfüllung besonderer Aufgaben kann der AK mit zeitlicher Befristung und schriftlicher Aufgabenstellung Expertenteams einrichten und wieder aufheben, die ihm zuarbeiten und berichten. Das derzeit bestehende städtische Aktions-Team ”Umsetzung des Gesamtkonzeptes – Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen” bleibt bestehen und führt seine Arbeit in den bisherigen Strukturen und Bezügen zum Abschluss. Sollte es nicht gelingen diesen Abschluss zum geplanten Zeitpunkt (voraussichtlich zum Jahresende) zu erreichen, ist über seine weitere Integration in das neue Strukturmodell neu zu entscheiden. f) Workshop: Einmal im Jahr findet in Verantwortung des AK ein Workshop statt. Der erste Workshop eröffnet zugleich die Einführung der neuen Organisationsstruktur. So ist er von Anfang an an der Planung der Jahresarbeit des AK maßgeblich beteiligt. g) Verfahrens- und Ergebnistransparenz Über die Sitzungen des AK werden Protokolle erstellt. Die vertretenden Mitglieder informieren ihre jeweiligen Träger regelmäßig über den Fortgang des Entwicklungsprozesses. Für das Management-Team ”Kinder- und Jugendhilfe” das Management-Team ”Hilfen bei sexueller Gewalt (Erwachsene)” angebunden an die Gleichstellungsstelle, für den Jugendhilfeausschuss, für das Fachgremium Frauenförderung und für die AGfW wird ein jährlicher Bericht erstellt. h) Geschäftsordnung Die Einzelheiten der Zusammenarbeit innerhalb des AK sind in einer Geschäftsordnung geregelt, welche am Runden Tisch der Stadt und der AGfW abgestimmt wird. i) Inkrafttreten/Geltungsdauer: Die neue Organisationsstrukturen treten durch Vereinbarung am Runden Tisch in Kraft; sie bilden zunächst für die kommenden beiden Jahre die Grundlage des weiteren Vorgehens. Gezeichnet: Stadt Wuppertal, Herr Lenz, Ressortleitung, Kommission der AGfW, Herr Römer, stellv. Caritas-Geschäftsführer 93 Auszug aus dem Fazit des Gesamtkonzeptes 7.3 Das Instrument der Hilfeplanung und Helfer/innenkonferenz ist den meisten Einrichtungen bekannt. Zu 7.3 Qualifizierungskonzept für Hilfeplanung § 36 KJHG32 ein zentrales Instrument der Qualitätssicherung in der Jugendhilfe Standards für das Problemfeld ”Sexueller Missbrauch” § 36 KJHG bestimmt Vorgaben für das Handeln der Jugendhilfe im Feld der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche zur Gestaltung des Hilfeplanprozesses. Im Mittelpunkt des Hilfeplanverfahrens steht ein Aushandlungs- und Einigungsprozess: • an dem Kinder und Jugendliche, junge Volljährige und Eltern bezüglich der zu gewährenden Hilfe beteiligt werden • in dem mehrere Fachkräfte vor der Entscheidung über die im Einzelfall angezeigten Hilfen zusammenwirken. Dies stellt hohe Anforderungen an die Fachlichkeit sowohl der fallverantwortlichen (BSD) als auch der in der Betreuungsverantwortung stehenden (Spezialdienste, stationäre Einrichtungen) Mitarbeiter/innen in der Jugendhilfe. Dabei kann nicht übersehen werden, dass der im KJHG idealtypisch gedachte und strukturierte Prozess in der Praxis auch zu Überforderungen der Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen führen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass das KJHG dem Jugendamt eine Doppelrolle zuweist: • einerseits Eltern bei der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder zu unterstützen und diese sowie die Mädchen und Jungen bei allen Entscheidungen zu beteiligen • andererseits zum Schutz der Kinder und Jugendlichen bei Bedarf auch gegen den Willen der Eltern intervenieren zu müssen Die Fachkräfte der Jugendhilfe stehen also in dem Spannungsfeld, das sich aus Beratung und Hilfe einerseits und der Wahrnehmung des Wächteramtes andererseits ergibt. Sie stehen in einem schwierigen Abwägungsprozess, in dem sie Elternrechte, Kindeswohl und Kindesrechte wie auch die Tatsache zu beachten haben, dass vorschnelles, nicht sorgfältig genug geprüftes Eingreifen in elterliche Rechte ebenso zum Schaden der Kinder führt, wie zu langes Zögern. Wirkt dem vorschnellen Handeln noch die richterliche Prüfung entgegen, so hat unangemessenes Zögern jede Fachkraft allein zu verantworten. Für die Mitarbeiter/innen in der Jugendhilfe bedeutet die Achtung der elterlichen Erziehungsautonomie einerseits und der Anspruch der Mädchen und Jungen auf Schutz vor Gefährdung andererseits häufig eine schwierige Gratwanderung, die fachliche Kompetenz und Erfahrung voraussetzt. Es gilt den richtigen Zeitpunkt und das richtige Hilfekonzept zu finden, da 32 Verwendete Literatur: Deutscher Städtetag, Vorbericht: Standortbestimmung der Jugendämter zur Qualitätssicherung erzieherischer Hilfen insbesondere bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch, Köln, Mai 1999 • Harnach-Beck, Viola, Psychosoziale Diagnostik in der Jugendhilfe – Grundlagen und Methoden für Hilfeplan, Bericht und Stellungnahme, Weinheim, 1997 • Institut für Soziale Arbeit e.V. (Hg.), Hilfeplanung und Betroffenenbeteiligung, Münster, 1994 • Landeshauptstadt Dresden, Jugendamt, Handlungsorientierung zum Umgang mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes und des Amtes für Kindertageseinrichtungen der Landeshauptstadt Dresden, Dresden, Januar 1998 • • Marquardt, Claudia / Lossen, Jutta, Sexuell missbrauchte Kinder in Gerichtsverfahren, Münster, 1999 94 sich die Jugendhilfe sowohl für eine zu frühe als auch für eine zu späte Intervention den Betroffenen gegenüber und häufig auch öffentlich rechtfertigen muss. In der Vergangenheit wie Gegenwart sind Sozialarbeiter/innen der Jugendhilfe Ziel öffentlich geäußerter Kritik geworden. Dabei ging es um Entscheidungen, mit denen elterliche Sorge eingeschränkt oder entzogen worden war, insbesondere aber um Entscheidungen bei sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen durch Familienangehörige. Die Kritik gipfelte in der Formulierung vom ”Missbrauch mit dem Missbrauch”. Umgekehrt verlief die Kritik in einigen schlagzeilenträchtigen Fällen des sexuellen Missbrauchs: Den Jugendämtern wurde nun vorgeworfen, zu spät oder nicht intensiv genug zum Schutz von Kindern eingetreten zu sein. Um den besonderen Problemlagen von Mädchen und Jungen, die sexuelle Gewalt innerhalb ihrer Familie erleben und der sich daraus ergebenden Dynamik in Familie und Helfersystem gerecht zu werden, muss die Jugendhilfe eine Qualitätssicherung auf allen Ebenen ihres Handelns herstellen. Fachlichkeit und Verantwortlichkeit der Fachkräfte müssen in der Einzelfallarbeit systematisch unterstützt und gefördert werden durch: • entsprechende Strukturen, einschließlich notwendiger Sach- und Finanzmittel • die ausreichende Bereitstellung von qualifiziertem Personal • angemessene Verfahrensregeln Im folgenden werden drei unterschiedliche Qualitätsebenen dargestellt, zwischen denen vielfältige Schnittstellen bestehen. • Strukturqualität • Prozessqualität = Ergebnisqualität • Personalqualität Das eigentliche Ziel, die Ergebnisqualität ist nur durch die Sicherung der drei genannten Ebenen zu erreichen. Die Jugendhilfe muss sich darüber bewusst sein, dass alle Strukturen und Verfahren darauf auszurichten sind, bedarfsgerechte Lösungen für und mit den Eltern, Kindern und Jugendlichen zu erzielen. Die dort erreichten Ergebnisse und Wirkungen entscheiden über die Qualität der Arbeit. Im Folgenden werden die Ebenen Struktur und Personalqualität nur skizziert. Dezidierter wird auf den, in diesem Zusammenhang relevanten Begriff der Prozessqualität eingegangen. Strukturqualität Die Struktur des Arbeitsfeldes (hier Hilfen zur Erziehung und Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren innerhalb der Jugendhilfe) ist eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass die angestrebten , bzw. vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziele erreicht werden können. Die Qualität der Struktur ist eine zwingende Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Jugendhilfe. Elemente dieser Qualitätsebene sind • Organisatorischer Aufbau • Entscheidungsebenen • Ressourcenausstattung • Struktur und Ausstattung des Leistungsangebotes 95 Prozessqualität Im Mittelpunkt des Hilfeplanverfahrens steht ein Einigungs- und Aushandlungsprozess, an dem Eltern, Kinder und Jugendliche, bzw. junge Volljährige bezüglich der zu gewährenden Hilfe beteiligt werden. Außerdem wird durch das Prinzip des Zusammenwirkens mehrerer Fachkräfte sichergestellt, dass der Auswahl und Gestaltung der Hilfe, der Beratung und Unterstützung im Aushandlungsprozess mit Eltern, Kindern und Jugendlichen genügend Raum gelassen wird, damit alle denkbaren Hilfemöglichkeiten in Betracht gezogen werden können und zum Zuge kommen. Auf diesem Weg wird • der Blick für das Verständnis einer häufig komplexen Krisensituation und für die Klärung dahinterstehender Ursachen geschärft, • die Auswahl der im Einzelfall geeigneten und notwendigen Hilfe mit sich daraus jeweils ergebenden Anforderungen und Auswirkungen für Eltern, Kinder und Jugendliche erleichtert, • die Kontrolle sozialpädagogischer Annahmen und Erklärungen gesichert, • die hinreichende Beteiligung von Mädchen und Jungen, sowie deren Eltern geprüft. Leitungskräfte sind im Sinne der Fachaufsicht für die fachliche Begleitung und Beratung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während des Hilfeprozesses verantwortlich. Dazu gehören: 1. die Förderung eines Arbeitsklimas, das • Selbstkontrolle und Verantwortlichkeit stärkt, • Fehler erlaubt (jedoch nicht ohne Ende), • Hilf- oder Ratlosigkeit nicht als Schwäche bewertet, • Konflikte zulässt, • Zeit für die Suche nach Lösungen einräumt, • Unterstützung in risikoreichen Prozessphasen ermöglicht 2. die verbindliche Regelung des Hilfeplanverfahrens • Sorge dafür, dass im Hilfeplanverfahren alle Handlungsschritte dokumentiert und ihre Ergebnisse festgehalten werden • Evaluation, insbesondere Selbstevaluation von Hilfeprozessen Leitungskräfte sind weiterhin zuständig für die Förderung von Rahmenbedingungen, die den fallverantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen den gesetzlichen Vorgaben entsprechend zu handeln. Dazu gehören: • die Erarbeitung von Leitlinien unter Beteiligung der Mitarbeiter/innen • die Sicherstellung von Kooperationsstrukturen, innerhalb und außerhalb des Amtes • die Sicherstellung eines transparenten Informationsflusses • die Entwicklung von geregelten Besprechungs- und Beratungsstrukturen • die Entwicklung von Qualitätsstandards. Im Arbeitsalltag muss für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar werden, dass Qualität und Fachlichkeit bei der Entwicklung von Hilfekonzepten hohe Priorität eingeräumt wird. Unverzichtbar, aber eben erst an zweiter Stelle steht die Forderung nach einer kostengünstigen und wirtschaftlichen Umsetzung gefundener Lösungen. Personalqualität Soziale Arbeit wird von Personen erbracht und findet zwischen Personen statt. Es muss daher betont werden, dass neben dem Fachwissen die persönliche Eignung für das jeweilige Aufgabenfeld in der Sozialarbeit die Basis der Kompetenz bietet. Fachkompetentes Personal ist 96 nur zu bekommen durch sorgfältige Personalauswahl und fortwährende Festigung und Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Mitarbeiter/innen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es verantwortbar den Jugendämtern den oben dargestellten Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Elemente dieser Qualitätsebene sind • Ausbildung • Fortbildung und Supervision • Erweiterung fachlicher und persönlicher Kompetenz und Performanz • Werte- und Verantwortungsverständnis Standards für das Problemfeld ”Sexueller Missbrauch” Wie in allen anderen Gefahren- und Schädigungsbereichen von Mädchen und Jungen hat die Jugendhilfe und insbesondere die Jugendämter auch bezüglich des sexuellen Missbrauchs Handlungsaufträge in der • Prävention • Früherkennung und frühen Hilfen • Beendigung der akuten Gefährdung bzw. Schädigung • Nachfolgenden pädagogischen und therapeutischen Hilfen zur Aufarbeitung stattgefundener Schädigungen Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch sollten alle Entscheidungen, Maßnahmen zur Verdachtsabklärung und deren Auswertung im Team getroffen werden. Die Eröffnung des Verdachts, erst recht die Erhärtung durch eine Diagnostik, stellt eine entscheidende, für alle Beteiligten meist bedrohliche Veränderung dar, die die Familie und das Helfersystem in eine erhebliche Krise stürzen kann. Der Schutz des Kindes und Vermeidung von Sekundärschädigungen hat in dieser Phase Vorrang vor anderen Überlegungen. 1. Schritt: Kollegiale Beratung Bei Verdacht und/oder Offenbarung von sexuellem Missbrauch ist es erforderlich den Fall in die Kollegiale Beratung des Teams zu tragen. Die Kollegiale Beratung dient sowohl der fachlichen Reflexion als auch dem Festlegen der weiteren Vorgehensweise. Schwerpunkte • Darstellung des Sachverhaltes • Klärung der Verdachtsmomente • Festlegung des nächsten Schritts Ein Teammitglied sollte als Sitzungsleiter/in bestimmt werden. Seine/ihre Aufgabe ist es, die Fallbesprechung zu strukturieren und zu moderieren. Ein Ergebnisprotokoll dokumentiert den Beratungsprozess. Fakten sind von Vermutungen oder Bewertungen zu trennen. 2. Schritt: Helfer/innenkonferenz Ergibt sich aus dem Anfangsverdacht eine Verdachtserhärtung, erfolgt als nächster Schritt die Einberufung einer Helferkonferenz. Ab hier ist für den gesamten Ablauf des Verfahrens ein/e Gesamtverantwortliche/r zu bestimmen, welche/r die Kommunikation zwischen den Helfern aufrecht erhält und die Kontinuität des Hilfeprozesses wahrt. Der Bezirkssozialdienst sollte an dieser ersten Helferkonferenz teilnehmen. 97 Darüber hinaus ist zu prüfen, welche anderen Einrichtungen oder Dienste, die mit dem Mädchen oder Jungen bzw. der Familie arbeiten, teilnehmen. Eine möglichst unabhängige Moderatorin/ein möglichst unabhängiger Moderator, d.h. eine Fachkraft die nicht mit dem Fall befasst ist, sollte die Helferkonferenz strukturieren und moderieren. Aufgaben der Moderatorin/des Moderators sind • auf verbindliche zeitliche und inhaltliche Absprachen achten • die Rolle der Helfer klären helfen • Vorgehensweisen klären • Unsicherheiten im Helfersystem entgegenwirken In dieser Helferkonferenz, die ausschließlich aus Fachkräften besteht, sollte vor allem aus unterschiedlicher Sicht die Einschätzung des Verdachtes beleuchtet werden. In der ersten Helferkonferenz werden Informationen zum Datenschutz gegeben. Zu klärende Fragen • Was macht unsicher und was sind erhärtende Momente? • Wer sollte die professionelle Bezugsperson / Beraterin des Mädchen oder Jungen sein? • Welche Institution kann ggf. diagnostisch tätig werden, um weitere Klarheit zu erhalten? • Ist der Schutz für das Mädchen oder den Jungen sichergestellt? • Wo kann eine Unterbringung stattfinden? • Ist das Vormundschafts- Familiengericht anzurufen? • Sind Gutachten zu beantragen? • Ist es sinnvoll Polizei oder Staatsanwaltschaft zu informieren? Bei der Protokollierung des Beratungsverlaufs ist darauf zu achten, dass Verantwortlichkeiten klar geregelt und mit vereinbarter Terminierung festgeschrieben werden. Weitere Helferkonferenzen werden entsprechend der Festlegung anberaumt. Sie haben das Ziel • Strategien auf ihre Brauchbarkeit zu überprüfen und fortzuschreiben • Absprachen zu kontrollieren • Neue Verabredungen zu treffen 3. Schritt: Konfrontation Ergibt sich aus dem Fortgang des Hilfeprozesses die Notwendigkeit einer Konfrontation (des Täters, der Mutter, des Vaters, der Geschwister usw. ) ist zu klären • Wer übernimmt welche Beraterrolle und Verantwortung im Hilfesystem (für betroffenes Mädchen / Junge, Geschwister, Eltern, Dulder, Täter...)? • Wer führt die Konfrontation durch? Die Täterkonfrontation sollte in jedem Fall von zwei Fachkräften durchgeführt werden. Eine davon muss Erfahrung mit der Methode der Täterkonfrontation haben. Die /der andere führt das Protokoll. Das Gespräch ist im Vorfeld möglichst genau zu konzipieren • Wo findet das Gespräch statt • Zeitlicher Rahmen • Konkretes Benennen der Tat • Zu erwartende Reaktion • Auflagen 98 4. Schritt: Hilfeplangespräch Das Setting, der Verlauf und die Zielsetzung des Hilfeplangespräches, an dem vom Grundsatz her das Mädchen bzw. der Junge mit seinen Erziehungsberechtigten sowie die Helfer/innen teilnehmen, ist von der Struktur des Einzelfalls abhängig. In jedem Fall haben auch hier der Schutz des Kindes und die Vermeidung von Sekundärschädigungen oberste Priorität. Die im Gesamtkonzept aufgeführten Handlungsorientierungen müssen im Hilfeplangespräch Anwendung finden. Das Ressort Jugendamt und Soziale Dienste hat einen Handlungs- und Gesprächsleitfaden für die Hilfeplanung nach § 36 KJHG entwickelt, in der die Beteiligung von Mädchen und Jungen bei der Ausgestaltung der Hilfe einen hohen Stellenwert einnimmt. Die Einführung der neuen Formulare zur Hilfeplanung ist im Oktober ´00 erfolgt. Parallel dazu wird ein breit angelegtes Qualifizierungsprogramm für die Mitarbeiter/innen der Bezirkssozialdienste gestartet, das ebenfalls im Frühjahr ´01 beginnt. Wie in der Helferkonferenz ist die Moderation des Hilfeplangespräches durch eine nicht in der Fall- bzw. Betreuungsverantwortung stehende Fachkraft wünschenswert. Unabdingbar ist sie in jedem intrafamilialen Missbrauchsfall. Die Moderation kann trägerübergreifend organisiert werden. Zusammenfassung Alle Fachkräfte, die im Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt sind, können mit der Problematik der sexuellen Gewalt konfrontiert werden. Dabei stellen klare Handlungsleitlinien in der Hilfeplanung wie die oben beschriebenen nicht nur einen notwendigen fachlichen Standard dar, sondern sind beim Erfüllen ein Nachweis für die Qualität und Professionalität des Handelns. In jedem Fall ist ein hohes Maß an Vernetzung und Kooperation erforderlich. Der Hilfeprozess steht und fällt mit einem differenzierten Angebot an qualifizierten Hilfen. Dies müssen jedoch keine auf das Symptom Missbrauch ausgerichteten Spezialinstitutionen sein. Der Hilfeplanung kommt eine Schlüsselfunktion bei der Verbesserung der fachlichen Qualität der Hilfe und bei deren rechtlicher Absicherung zu. Da die Hilfeplanung die praktische Umsetzung wichtiger Prinzipien, die den Neuerungen des KJHG zugrunde liegen, notwendig macht, ist sie als Herausforderung und Anreiz für Fachlichkeit und Selbstverständnis der sozialen Arbeit in der Jugendhilfe und als große Chance für deren weitere Professionalisierung zu sehen. Werden mit diesem Instrument die Paradigmen der Partizipation von Kindern und Jugendlichen und deren Eltern, sowie der planvollen Arbeit in die Praxis umgesetzt und in der Theorie weiterentwickelt, so kann sich das Jugendamt immer mehr als Fachbehörde legitimieren, die rechtliche und sozialpädagogische Aspekte so zu verbinden weiß, dass daraus eine an den Interessen und Rechten der Adressaten verpflichtende Arbeit resultiert. 99 Literatur Arbeitskreis ”Sexueller Missbrauch” „Ergebnisse des Unterarbeitskreises Gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen”, Wuppertal, 1996 Bange, Dirk „Die dunkle Seite der Kindheit“, Köln, 1992. Bange, Dirk; Enders, Ursula „Auch Indianer kennen Schmerz“, Köln, 1997. Becker, M. „Sexuelle Gewalt gegen Mädchen mit geistiger Behinderung“, Heidelberg, 1995 Bundesverein zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen „Prävention- Themenschwerpunkt: Sexueller Missbrauch an Menschen mit Behinderungen“, 2 (1998), Heft 1 Deutscher Städtetag Vorbericht: Standortbestimmung der Jugendämter zur Qualitätssicherung erzieherischer Hilfen insbesondere bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch, Köln, Mai 1999 Dezernat für Soziales, Jugend und Gesundheit „Materialien zur Jugendhilfeplanung - Hilfen gegen sexuelle Gewalt”, Teil 1 und 2, Wuppertal, 1994 Enders, Ursula (Hrsg.) „Zart war ich, bitter war`s“, Köln, 1990. Evangelische Kirche im Rheinland, Hrsg ”Supervision” Evangelischer Arbeitskreis für Kinder- und Jugendschutz „Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen“, Münster, 1996 Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe, Ressort Jugendamt und Soziale Dienste, „Standards und Qualifizierungsprogramm für die Fachkräfte der Jugendhilfe“, Wuppertal, November 1997 Fegert, Jörg M. „Sexuell Missbrauchte Kinder und das Recht“, Band 2, Köln, 1993. Gegenfurtner/Keukens (Hrsg.) Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Reihe Sozialpädagogik und Psychologie, Bd. 4, Essen, 1992. 100 Geschäftsbereich Soziales und Kultur, „Konzept im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe für die von sexueller Gewalt betroffenen und bedrohten Mädchen und Jungen”, Wuppertal, Oktober 1997 Hans Seidel Stiftung, Hrsg. ”Auftrag und Prävention”, München, 1999 Harnach-Beck, Viola „Psychosoziale Diagnostik in der Jugendhilfe – Grundlagen und Methoden für Hilfeplan, Bericht und Stellungnahme“, Weinheim, 1997 Hartwig, Luise; Weber, Monika „Sexuelle Gewalt und Jugendhilfe“, Münster, 1991 Institut für geschlechtsbezogene Pädagogik, Alte Molkerei Frille, Selbstdarstellung Institut für Soziale Arbeit e.V. (Hg.) „Hilfeplanung und Betroffenenbeteiligung“, Münster, 1994 Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden „Handlungsorientierung zum Umgang mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes und des Amtes für Kindertageseinrichtungen der Landeshauptstadt Dresden“, Dresden, Januar 1998 Management-Team Frauenförderung Ergebnisse des Aktions-Teams ”Mädchenförderung in Wuppertal”, Ergebnisse Mädchenförderung in Wuppertal - Angebote des Unternehmens Stadtverwaltung, Wuppertal, 1998 Marquardt, Claudia; Lossen, Jutta „Sexuell missbrauchte Kinder in Gerichtsverfahren“, Münster, 1999 May, Angela ”Sexuellen Missbrauch verhindern”, 1999 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales „Was stimmt da nicht? Sexueller Missbrauch: Wahrnehmen und Handeln“, NRW, 12/91. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Empfehlung des Arbeitskreises ”Beratungsgrundsätze bei Gewalt, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch bei Kindern”, NRW, 3/94 Motzkau, Eberhard Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren e.V. Köln., Hrsg. ”Aufdecken”, Diagnostik und Therapie - Das Kind zwischen Vermutung und Wahrheitsfindung. In: Kinder als Zeugen Helfer in der Not? Senn, Charlene „Gegen jedes Recht“ - Gegen jedes Recht, sexueller Missbrauch und geistige Behinderung, Berlin, 1993 101 Struck, Norbert, Forum Erziehungshilfen, 3. Jg. 1997, Heft 3 Thiesmeier, Monika; Berker, Peter ”Kollegiale Beratung”, ISA Kongress Familien in Krisen, Kinder in Not, Münster, 1997 Voss, A.; Hallstein, M. „Menschen mit Behinderungen,“ Ruhnmark, 1993 Weber, Monika; Rohleder, Christiane „Sexueller Missbrauch-Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt“, Münster, 1995 Weinwurm-Krause, E.-M. „Sexuelle Gewalt und Behinderung“, Hamburg, 1994 Woltereck, Britta ”Ungelebtes Lebbar machen”, Ruhnmark, 1994 102