14.5 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten

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874 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten 14 Gesicht, Kiefer, Mundhöhle
14.5 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Bei der Entfernung der Parotis muss der
fächerförmige Verlauf des N. facialis durch
den Drüsenkörper bedacht werden; nur durch
sorgfältige Präparation kann der Nerv erhalten werden (konservative Parotidektomie
bzw. laterale Parotidektomie). Da bei
Rezidivoperationen der Nerv narbenbedingt
nicht sicher geschont werden kann, sollte
auch bei benignen Neoplasien der lateralen
Parotidektomie der Vorzug vor der rezidivanfälligeren Enukleation gegeben werden.
MERKE
Parotischirurgie ist Fazialischirurgie!
Speichelsteine können bei peripherer Lage im Ausführungsgang (meistens der Gl. submandibularis)
durch Schlitzen des Ganges entfernt werden, alternativ ESWL (Extrakorporale Stoßwellen-Lithotrypsie)
oder sialoskopische Entfernung. Bei Sialadenitis Versuch der konservativen Therapie der Entzündung (Antibiotika, Sialogoga), bei Erfolglosigkeit sowie bei
zentraler Steinlage Exstirpation der Drüse.
Bei Speichelfisteln nach extraoral (z. B. nach resektiver Tumorchirurgie, penetrierenden Verletzungen,
Abszesseröffnungen etc.): Verlegung des Fistelganges
nach intraoral. Insbesondere nach Tumorchirurgie
tritt unter laufender Radiatio häufig ein spontaner
Verschluss von Speichelfisteln auf.
14
LKG-Spalte mit
Weichteilbrücke
am Naseneingang
(sekundär)
Abb. 14.22 Ausdehnung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
normale
Entwicklung
Lippen- und
Kieferkerbe
(Mikroform)
Key Point
Die Lippen-Kiefer-Gaumen (LKG)-Spalten gehören zu den häufigsten und wichtigsten angeborenen Fehlbildungen. Die Frequenz beträgt in unseren Breiten 1 pro 500–700 Kinder.
Es handelt sich um eine Entwicklungsanomalie im Bereich der Kopfanlage und der ersten beiden Viszeralbögen. Für die Entstehung wird ein multifaktorielles
genetisches System (MGS) angenommen, basierend
auf additiver Polygenie mit Schwellenwerteffekt infolge exogener Faktoren (Virusinfektion oder Alkohol-, Tabak-, Medikamentenabusus in den ersten beiden Schwangerschaftsmonaten, intrauterine Blutung,
Anämie, relativ hohes Alter der Eltern usw. ). Letztere
sind im Einzelfall aber nur schwer nachweisbar, rein
exogen verursachte Spalten dürften selten sein. Die
Prophylaxe der sog. individuellen, phänotypischen
Spaltbildung zielt darauf ab, das Sauerstoffangebot
zu verbessern und den Stoffwechsel zu optimieren:
Vermeidung von Tabak-, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Vitaminsubstitution (B-Komplex)
scheint protektiv zu wirken.
Einteilung
Spalten des vorderen embryonalen Gaumens:
Lippenspalte, Lippen-Kiefer-Spalte
Spalten des vorderen und hinteren embryonalen
Gaumens: Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (Abb.
14.22)
schmale LKGSpalte mit offenem
Naseneingang
(primär)
breite LKGSpalte
(primär)
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Praxistipp
normale
Entwicklung
Abb. 14.23
Uvula bifida
(Mikroform)
Velumspalte
schmale
Gaumenspalte
(sekundär)
breite
Gaumenspalte
(primär)
Ausdehnung von Gaumenspalten
Spalten des hinteren embryonalen Gaumens
(Abb. 14.23): Spalten des weichen Gaumens
(Velum- oder Segelspalten) mit (= Gaumen-Segelspalte) oder ohne Beteiligung des harten Gaumens
(= isolierte Velumspalte)
kombinierte, seltene Formen: quere oder schräge
Gesichtsspalten, mediane Ober- oder UnterlippenKieferspalten
Weitere Gliederung in „rechts und links” sowie Subtypisierung in „Mikroformen”, „partielle” und „totale”
Spalten.
Klinik Im Neugeborenenalter Behinderung bei der
Nahrungsaufnahme (Trinken), später deutliche Beeinträchtigung der Sprache infolge des nasalen Durchschlags bei Gaumenspalten (Palatolalie).
Diagnostik Klinisches Bild, Diaphanoskopie bei V. a.
submuköse Gaumenspalte, HNO-ärztliche bzw. pädaudiologische Untersuchungen zur Beurteilung der
Hörfunktion (gestörte Tubenventilation bei Spaltpatienten) mit wiederholten Kontrollen auf.
Nicht-operative Therapie:
Die Vorstellung in einer Fachklinik sollte möglichst innerhalb der ersten Lebenswoche erfolgen, Anfertigung einer Gaumenplatte („Trinkplatte”), Ess- und
Trinkberatung, pädaudiologische Erstuntersuchung.
Bis zum operativen Verschluss (siehe Abschnitt operative Therapie) muss die Gaumenspalte durch eine
Kunststoffplatte oder ein kieferorthopädisches Gerät
abgedeckt werden. Diese Trennplatte zwischen
Mund- und Nasenraum sichert vor allem ein physiologisches Bewegungsmuster der Zunge und ist wichtig für die spätere Sprechentwicklung.
Da die Tubenventilation bei Spaltpatienten kompromittiert ist, sind regelmäßige HNO-ärztliche Kontrollen angezeigt. Im Rahmen der Spaltoperationen werden routinemäßig Ohrinspektionen (ggf. mit Parazen-
tese und Einlage von Paukenröhrchen zur Drainage
von Mittelohrergüssen) durchgeführt.
Begleitend zur chirurgischen Therapie ist die kieferorthopädische Überwachung und Behandlung notwendig. Diese kann bereits im Neugeborenenalter
vor dem Lippenverschluss, gelegentlich nach Durchbruch der Milchzähne (ab ca. 3 Jahren) oder in der
Regel nach Durchbruch der bleibenden Zähne (ab ca.
7 Jahre) zur Einordnung spaltnaher Zähne erfolgen.
Die eigentliche kieferorthopädische Behandlung zur
Formung von Kieferkamm und Zahnbogen wird während bzw. nach Abschluss der zweiten Dentition vorgenommen. Im Erwachsenenalter ist häufig zusätzlich prothetischer oder implantatgetragener Zahnersatz notwendig.
Zur Förderung und Ausbildung der Sprache ist bei Kindern mit Kiefer-Gaumen-Spalte ab dem 3. Lebensjahr
eine logopädische Behandlung erforderlich.
Die Behandlung von Patienten mit LKG-Spalte erfordert die Zusammenarbeit von Kinderärzten, KieferGesichtschirurgen, Kieferorthopäden, Zahnärzten,
Pädaudiologen, HNO-Ärzten, Logopäden und Psychologen.
MERKE
LKG-Spalten: Immer multidisziplinär behandeln!
Operativer Spaltverschluss (Zeitplan s. Abb. 14.24):
Verschluss der Lippenspalte (mit Naseneingang) mit
3.–6. Monaten (Operationsmethoden s. Abb. 14.25). Im
gleichen Eingriff werden bei einseitigen Totalspalten
die Kieferspalten und der vordere Anteil des harten
Gaumens mit Weichteilen verschlossen, von HNOärztlicher Seite erfolgt eine Ohrinspektion mit Parazentese, ggf. Einlage von Paukenröhrchen. Der knöcherne Kieferspaltverschluss erfolgt erst später in
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14 Gesicht, Kiefer, Mundhöhle Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten 875
876 Kieferanomalien 14 Gesicht, Kiefer, Mundhöhle
Jahre
Spalte
Naseneingang
Lippen
2
1
Monate
3 6 9 12
3
4
5
6
Korrekturen
Kiefer
8
10 12 14 16 18 20
Abb. 14.24 Chirurgisches Behandlungsprogramm für Lippen-Kiefer-GaumenSpalten vom Säuglings- bis zum
Erwachsenenalter (modifiziert nach Horch)
sekundäre
Osteoplastik
Gaumen
Velopharyngoplastik
Primäroperation
14
Sekundäroperation
Abhängigkeit vom Zahndurchbruch mittels autologen
Beckenspans: primäre (3.–4. Lebensjahr) bzw. sekundäre (8.–9. Lebensjahr) Osteoplastik.
Verschluss des harten und weichen Gaumens bei
isolierten Hart- und Weichgaumenspalten, doppelseitigen Totalspalten mit Kieferspaltverschluss beidseits
bzw. der Restgaumenspalte bei einseitigen Totalspalten mit 9–12 Monaten.
Verschluss isolierter Velumspalten mit 8–10 Monaten.
Bei Gaumensegelinsuffizienz (zu kurzes Gaumensegel oder zu wenig Beweglichkeit) sprechverbessernde
Operation durch Verlängerung des Gaumens mittels
Pharynxlappen (Velopharnygoplastik, meist zwischen 4.–7. Lebensjahr) oder Levatorplastik.
Korrekturoperationen an Lippe, Naseneingang, Nasensteg und Oberkiefervestibulum sind mit 5–6 Jahren vor Schulbeginn möglich. Invasive Korrekturen
des knorpeligen Nasenskeletts sowie operative Stellungskorrekturen der Zahnbögen sollten jedoch erst
nach Wachstumsabschluss durchgeführt werden.
Veau
Abb. 14.25
Le Mesurier
Tennison
Operative Techniken zum Lippenspaltverschluss
OP-Technik:
Hartgaumen: meist doppelschichtig (orale Schicht
durch Brückenlappen oder arteriell gestielten Palatinalappen, nasale Schicht durch Schleimhautlappen vom Vomer-Bereich)
Weichgaumen: dreischichtig nach Präparation
und funktionsgerechter Vereinigung der velaren
Muskulatur durch intravelare Myoplastik.
Komplikationen Bei falschem Operationszeitpunkt
oder fehlerhafter Operationstechnik kann es zu
Sprech- und Sprachentwicklungsverzögerungen (Palatolalie bei velopharyngealer Insuffizienz) und
schweren Deformitäten und Wachstumsstörungen
(Mittelgesichtshypoplasien) mit ästhetischer und
funktioneller Beeinträchtigung kommen.
14.6 Kieferanomalien
Zu den Kieferanomalien zählt man:
Progenie: in Bezug auf die Schädelbasis zu weit
vorn liegender Unterkiefer
Millard
Pfeifer
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Velum
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