Definitive Eingliederung Bei einer Restbezahnung von natürlichen Zähnen richten sich Farb- und Formauswahl ausschließlich nach den natürlichen Zähnen. Bei der Farbbestimmung ist darauf zu achten, dass die Farbe der natürlichen Zähne nicht durch Beläge oder Verfärbungen verändert wurde, beziehungsweise durch exzessives Trocknen opak wirkt. Lichtverhältnisse, Blickwinkel des Betrachters und Dauer des Farbvergleichs beeinflussen das Farbempfinden. Daher sollte die Farbbestimmung an hellen Tagen ohne direkte Sonneneinstrahlung oder Kunstlicht von dem vor dem Patienten stehenden Behandler ausgewählt werden. Die Dauer des Farbvergleichs ist dabei kurz zu halten (maximal 5 Sekunden), da es sonst zur Adaptation des Auges kommt. Jegliche visuelle Beeinflussung durch grelle Kleidung oder Lippenstift sollte vermieden werden. Fehlen alle natürlichen Zähne, sollte die ausgewählte Farbe dem Patiententyp (Haarfarbe, Hautfarbe) entsprechen. Die ausgewählte Farbe wirkt bei dunkelhäutigen Patienten aufgrund des Farbkontrastes und der Adaptation im Auge immer heller und „weißer“ als bei hellhäutigen Patienten. Die Farbauswahl erfolgt in der Regel mit handelsüblichen Farbringen durch einen direkten Farbvergleich. Insbesondere bei Restaurationen, deren Kauflächen aus Keramik bestehen, und bei Frontzahnrestaurationen ist eine Rohbrandeinprobe sinnvoll. Sie ist die letzte Korrekturmöglichkeit von Okklusion, Zwischengliedgestaltung, Phonetik und Ästhetik. Alle vorangegangenen Schritte der Gerüstanprobe werden bei der Rohbrandeinprobe wiederholt. Zusätzlich werden Statik und Dynamik definitiv eingeschliffen. Die statischen Okklusionskontakte werden gegebenenfalls so weit reduziert, bis die Okklusionskontakte mit und ohne Kronen übereinstimmen (Überprüfen mit Shimstockfolie 8 µm). Anschließend werden die dynamischen Kontakte mit einer zweiten Farbe markiert und gegebenenfalls entsprechend des angestrebten dynamischen Okklusionsmusters angepasst. Die Zwischengliedauflage und die interdentalen Bereiche werden auf ihre Reinigungsmöglichkeit hin mit Bürsten und Superfloss überprüft und eventuelle Korrekturen vorgenommen. Insbesondere im Frontzahnbereich ist aus phonetischen Gründen wichtig, dass das tangentiale Zwischenglied entsprechend der individuellen Resilienz der Schleimhaut einen dichten Abschluss zum Kieferkamm aufweist. Definitive Eingliederung Vor dem definitiven Eingliedern der Restauration werden Glasur und Politur der fertig gestellten Restauration beurteilt. Vor dem Zementieren soll der Patient die Restauration in Ruhe betrachten können und sein Einverständnis zur definitiven Eingliederung geben. Bei Frontzahnkronen empfiehlt es sich, den Zahnersatz zunächst mit einem provisorischen Zement einzugliedern. MERKE Um Zementierfehler und spätere Vitalitätsverluste der Pfeiler zu vermeiden, sollten der geeignete Zement und die Vitalität der Pfeiler vor dem Zementieren feststehen. Vorgehen • Reinigung der Pfeilerzähne. Durch eine sorgfältige Trockenlegung wird eine weitere Kontamination durch Speichel verhindert. • Die Restauration wird mit Alkohol gereinigt und entfettet. • Phosphatzement oder Glasionomerzement wird in sahniger Konsistenz angerührt und die Wände der Restauration damit bestrichen. • Die Restauration wird in situ gebracht, durch eine kurze Kontrolle der Statik die Höhe überprüft und anschließend unter Druck in der Position gehalten. • Nach vollständiger Aushärtung des Zementes werden alle Zementreste entfernt und dem Patienten die Reinigung der Restauration mittels Superfloss und Interdentalbürstchen demonstriert. Zementieren Die klinische Erfolgswahrscheinlichkeit von Kronen und Brücken wird auch durch die Auswahl und Anwendung des geeigneten Zementes beeinflusst. Die Hauptaufgabe der Zemente ist es, den Spalt zwischen der prothetischen Restauration und dem Zahnstumpf zu füllen und damit einen dauerhaften Halt zu gewährleisten. Die Retention zwischen Restauration und Stumpf beruht auf einer Verriegelung durch die Zementkörner, also einer mechanischen Verankerung der Zementkörner in den Mikrorauigkeiten der Kroneninnenfläche einerseits sowie der Stumpfoberfläche andererseits. (Eine Sonderrolle nehmen die Adhäsivzemente ein, S. 58.) Jede Art von Zement benötigt abhängig von der Korngröße einen gewissen Platz zwischen Krone und Stumpf: • Ein zu geringer Zementspalt kann zu einem erhöhten Stempeldruck innerhalb der Restauration führen und damit zu einer erhöhten zervikalen Diskrepanz, die sich in okklusalen Suprakontakten bemerkbar macht. • Ein zu großer Zementspalt ermöglicht ein Auswaschen des Zementes durch Speichel und Belastung, was zum Abzementieren der Restauration führen kann oder im ungünstigeren Fall unbemerkt zu einer verstärkten Plaqueakkumulation und damit zu einem erhöhten Risiko für Sekundärkaries. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Farbauswahl und Rohbrandeinprobe 57 3 Kronen- und Brückenprothetik Phosphatzement Der gängigste zahnärztliche Befestigungszement ist der Zinkphosphatzement, der bereits im 19. Jahrhundert zum ersten Mal beschrieben wurde. Der Zement entsteht aus einer Reaktion von einer 50- bis 70%igen Phosphorsäure (Flüssigkeit) mit Zinkoxid (Pulver). Beim Mischen der Substanzen entsteht zunächst eine plastische Masse, die in tertiäres Zinkphospat auskristallisiert. Die ablaufende Abbindereaktion ist exotherm und wird ebenso wie Festigkeit, Löslichkeit und Toxizität des Zements durch das Mischungsverhältnis beeinflusst. Durch einen hohen Pulveranteil kann die Härte des Zementes erhöht und die Löslichkeit verringert werden. Gleichzeitig verkürzt sich aber auch die Verarbeitungszeit, das Material wird zähfließender und erschwert so das exakte Positionieren der Restauration. Die Druckfestigkeit von Phosphatzementen liegt bei 60–100 MPA (Korngröße von Harvard-Zement 20–40 µm). • Nachteil: die gegenüber anderen Zementen erhöhte Löslichkeit und bedingt durch den sauren Abbindeprozess mögliche Hypersensibilität vitaler Zähne. • Indikationen: Phosphatzemente eignen sich zum Zementieren aller metallenen zahnärztlichen Restaurationen und hochfesten vollkeramischen Systemen (z. B. Zirkonoxidkeramiken). Carboxylatzement Bei den Carboxylatzementen wurde die Phosphorsäure durch Polyacrylsäure ersetzt, um die zementierbedingten Hypersensibilitäten zu reduzieren. Druckfestigkeit und Biegefestigkeit sind verglichen mit den Phospatzementen geringer (Druckfestigkeit 67–91 MPA; durchschnittliche Korngröße 25 µm). Glasionomerzement Glasionomerzemente entstehen beim Mischen von Polyacrylsäure und einem Pulver aus säurelöslichem Aluminiumsilikatglas. • Vorteile: Durch einen chemischen Verbund zwischen der Carboxylgruppe der Polyacrylsäure und den Kalziumionen des Hydroxylapatits besteht eine hohe Festigkeit. Außerdem werden Fluoridionen freigesetzt. Die Druckfestigkeit der Glasionomerzemente liegt mit 120–160 MPA höher als bei den Phosphatzementen (durchschnittliche Korngröße 20 µm) • Nachteile: saure Abbindereaktion und Feuchtigkeitsempfindlichkeit der Zemente während der Abbindereaktion. • Indikationen: vergleichbar mit denen der Phosphatzemente. Adhäsivzement Die Retentionswirkung der Adhäsivzemente beruht auf der mikromechanischen Verankerung zwischen Schmelz und Dentin und der durch Sandstrahlen erzeugten Rauigkeit der Kroneninnenfläche. Grundlage für die Haftung am Schmelz ist das Anätzen des Hydroxylapatits, wobei durch die Demineralisation eine mikroretentive Oberfläche entsteht. Vorraussetzung für die Haftung an Dentin ist der Einsatz so genannter Dentinhaftvermittler (Primer mit entsprechendem Bondingsystem), mit deren Hilfe eine Infiltration des Dentins und der Kollagenfasern mit Monomer stattfindet. • Vorteile: geringere Löslichkeit und hohe Retentionswerte. • Nachteile: Diese Zemente können durch Wasseraufnahme quellen, sodass Randundichtigkeiten entstehen können; außerdem besteht durch einen eventuellen Restmonomergehalt oder Temperaturerhöhungen bei der Polymerisation die Gefahr von Pulpairritationen. Weiterhin muss ein erhöhter Zeitaufwand durch die notwendige Trockenlegung beim Zementieren beachtet werden. • Indikationen: Aufgrund der enormen Festigkeitswerte und der hohen Transluzenz sind sie zum Zementieren von fragilen vollkeramischen und minimalinvasiven Restaurationen geeignet. Ästhetische Aspekte für die Gestaltung von Frontzahnkronen MERKE Ausgangspunkt aller prothetischen Rekonstruktionen ist immer das parodontal gesunde oder erfolgreich sanierte Gebiss. War die Ausgangsituation vor der Anfertigung neuer Frontzahnkronen ästhetisch unbefriedigend, kann die alte Kronenform nicht als Anhaltspunkt für die Gestaltung der neuen Kronen herangezogen werden. In diesen Fällen sind der Zahnarzt und der Zahntechniker auf Referenzlinien und Gestaltungsregeln angewiesen, die sich aus den Gesichtskonturen, dem Lippenverlauf und dem Gingivaverlauf ableiten lassen. Sichtbarkeit der Zähne Der Anteil der Zähne oder der Gingiva, der bei entspannter mimischer Muskulatur oder beim Lachen entblößt wird, ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Dabei können drei Hauptgruppen unterschieden werden: • Inzisaler Typ: bei entspannter Oberlippe sind die Zähne der Oberkieferfront nicht zu sehen und beim Lachen werden nur die Schneidekanten entblößt ( = tiefe Lachlinie; Abb. 3.19a). • Zervikaler Typ: Beim Lachen werden die Zähne inklusive der Papillenspitze entblößt, ohne dass Anteile der Gingiva zu erkennen sind (Abb. 3.19b). • Gingivaler Typ: Beim Lachen werden Zahn und Gingivaanteile entblößt (= hohe Lachlinie oder gummy smile; Abb. 3.19c). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 58 Definitive Eingliederung b Abb. 3.19 Sichtbarkeit der Zähne. a Inzisaler Typ. b Zervikaler Typ. c Gingivaler Typ. c Der gingivale Typ gilt dabei als der am schwierigsten zu rehabilitierende Typ, da die Krone mitsamt dem kritischen Kronenrandbereich und die vorherrschende gingivale Situation sichtbar sind. Eine supragingivale Lage der Restaurationsgrenze ist bei diesen Patienten nur in Kombination mit so genannten Keramikschultern oder mit metallfreien Restaurationen möglich. Auch an die mukogingivale Vorbehandlung werden die höchsten Anforderungen gestellt. Für alle Patiententypen gilt, dass die Relation der Oberlippenlänge zu den Schneidekanten bei entspannter Oberlippe harmonisch sein soll. Das bedeutet für den jugendlichen Patienten, dass die Schneidekanten die Oberlippe um 1–2 mm überragen sollen. Ältere Patienten zeigen aufgrund der länger werdenden Oberlippe (durch die Erschlaffung des Muskeltonus) in Kombination mit dem natürlichen Abrieb der Zähne weniger als die genannten 1–2 mm. MERKE Zu einem harmonischen Gesamtbild gehören nicht nur Stellung, Form und Farbe der Zähne („weiße Ästhetik“), sondern auch die parodontale oder gingivale Situation („rote Ästhetik“). Klinische Langzeitprognose Seit der Einführung der Gusskrone in den 50iger-Jahren und der Metallkeramik in den 60iger-Jahren ist die Erfolgswahrscheinlichkeit von Kronen als hoch einzuschätzen. Die durchschnittliche klinische Funktionsperiode wird heute auf 15–25 Jahre geschätzt. Teilweise konnten Überlebensraten von Vollgusskronen 94,1 % bei einer Tragedauer von über 40 Jahren festgestellt werden. Im Vergleich zu den Standardkronen muss die Erfolgswahrscheinlichkeit von Galvanokronen mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit von 96,5 % nach sieben Jahren oder von In-Ceram-Kronen mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 92 % nach fünf Jahren als etwas schlechter angesehen werden. Noch darunter liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit von Vollkunststoffkronen mit 87 % nach fünf Jahren. Eine häufige Komplikation nach Überkronungen ist der Vitalitätsverlust von Pfeilerzähnen, der bis zu 15 % nach zehn Jahren festgestellt wurde. Pfeilerverluste sind jedoch wesentlich seltener (ca. 2 %). Der größte Teil von „nicht erfolgreichen Versorgungen“ wird neben der Entstehung von Kronenrandkaries und ästhetischen Problemen durch Retentionsverluste verursacht. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. a 59