REPUBLIK ÖSTERREICH Bundesministerium für Arbeit. Gesundheit und Soziales 10l0Wien, den 21.4.1998 Stubenring 1 DVR:0649856 Telefon: (+431) 71172 4602 PSK Kto.Nr. 05070.004 Fax: (+431) 71172 4217 Empfehlungen für Gesundheitseinrichtungen zu Latexallergien (erarbeitet von der ARGE Latexallergie beim BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der ARGE LATEX AKH WIEN) Einleitung Der international zu beobachtende deutliche Anstieg der Typ I-Allergie gegen Naturlatex, insbesondere beim medizinischen Personal, erfordert konkrete Präventivmaßnahmen im Gesundheitsbereich. Durch den verstärkten Einsatz von Produkten aus Naturlatex besteht nicht nur im täglichen Umgang mit derartigen Produkten, sondern vor allem bei medizinischen Tätigkeiten bzw. Eingriffen ein erhöhtes Risiko, allergische Reaktionen zu entwickeln. Das Spektrum dieser Reaktionen umfaßt lokalisierte oder generalisierte Kontakturtikaria, Angioödem, Rhinitis, Konjunktivitis, Asthma bronchiale bis hin zum anaphylaktischen Schock. In zahlreichen internationalen Studien zeigte sich für die Latexallergie eine durchschnittliche Prävalenz von 6-11% für medizinische Berufe, wobei in OP-Einheiten Sensibilisierungen von bis zu 18% festgestellt wurden (Allgemeinbevölkerung ca. 2%). Laut Literatur findet sich die höchste Sensibilisierungsrate mit 40-60% unter Spina bifida- Kindern. Ursache dieser dramatischen Entwicklung ist die zunehmende Verwendung allergenreicher medizinischer Produkte aus Naturlatex, insbesondere von Naturlatex-Handschuhen, sowie von Latexprodukten des täglichen Gebrauchs. Ein besonderes Problem stellen dabei gepuderte Naturlatex-Handschuhe dar: LatexAllergene werden an Puder gebunden und können damit - großräumig über die Luft verteilt - zu einer massiveren Exposition von medizinischem Personal und Patienten führen- Gepuderte Latexhandschuhe weisen in der Regel auch höhere Allergengehalte auf als ungepuderte ! Weiters lieferten Fallbeobachtungen erste Hinweise auf Kreuzreaktionen gegen Latexproteine und Proteine in Nahrungsmitteln wie Banane, Avocado, Kiwi, Kastanie, Ananas oder Kartoffel. Das sog. „Latex-Frucht-Syndrom" konnte bereits durch serologische und immunologische Methoden bestätigt werdenPräventive Aktivitäten müssen auf zweierlei Ziele ausgerichtet werden: • Einerseits die Vorbeugung von Neusensibilisierungen beruflich Exponierter (Primärprävention), • andererseits die Verhinderung ausgeprägter und lebensbedrohlicher Reaktionen im Rahmen einer medizinischen Betreuung bei bereits Sensibilisierten (Sekundärprävention). Da Naturlatex-Produkte in der Medizin, insbesondere Handschuhe, derzeit nur bedingt durch naturlatexfreie Alternativen ersetzbar sind, ist eine Annäherung an die genannten Schutzziele für medizinisches Personal und Patienten vor allem durch folgende, konsequent durchgeführte Maßnahmen möglich: 1) Maßnahmen und Empfehlungen zur Primärprävention (d.h. zur Verhinderung der Entstehung einer Latexallergie) beim medizinischen Personal und bei Patienten Die Sensibilisierung kann entstehen durch direkten intensiven Kontakt von allergenen Latexproteinen a) mit der Haut durch das Tragen von proteinreichen, gepuderten Handschuhen vor allem bei vorbestehendem irritativem, atopischem oder Kontaktekzem an den Händen oder b) mit der Schleimhaut z.B. bei häufiger rektaler Ausräumung bei Spina bifida Kindern oder häufiger Katheterisierung bei urologischen Anomalien oder c) durch aerogene Exposition (über Nasen-, Rachen- und Bronchialschleimhaut): Einatmen der mit Latexallergenen beladenen. aufgewirbelten Puderpartikel in der Raumluft. Bei Verwendung von Handschuhen aus Naturlatex: So rasch wie möglich auf ungepuderte Varianten umstellen! Grundsätzlich nur allergen- bzw. proteinarme Typen beschaffen! (Zertifikate bzgl. Proteingehalt anfordern!) Die Meßmethoden zur Bestimmung des Allergengehaltes von Naturlatexhandschuhen und die Festlegung von Grenzwerten werden derzeit im Wege der europäischen Normung harmonisiert. 2) Maßnahmen zur Sekundärprävention für bereits sensibilisiertes medizinisches Personal Expositionsprophylaxe: Arbeitsplatzerhaltung und Schutz vor Beschwerden für Latexallergiker kann dadurch gewährleistet werden, daß a) der Betroffene selbst mit naturlatexfreien Alternativprodukten arbeitet, vor allem latexfreie Handschuhe verwendet (z.B. PVC-, Elastyran-, Tactylon-, oder Neolonhandschuhe), b) zur Schaffung eines allergenfreien Umfeldes alle im selben Bereich Tätigen auf puderfreie Latexhandschuhe ausweichen müssen. Verstärkt naturlatexfreie Alternativprodukte bereitstellen! 3) Präventionsmaßnahmen bei Latexallergikern 3.1) Kenntnis der Hochrisikogruppen (Anamneseerhebung!) Hochrisikopersonen sind Kinder mit Spina bifida, urogenitalen Anomalien häufig operierte Patienten, Arbeiter in der Latexindustrie, Ärzte, Krankenschwestern/-pfleger, insbesondere OPSchwestern/-pfleger, Zahnärzte, medizinisch-technische Assistenten; weitere Personen mit häufigem Gebrauch von Handschuhen: Raumpflegerinnen, Friseure, Hausfrauen; weiters Personen mit vorbestehenden Handekzemen jeglicher Genese, insbesondere Personen mit atopischer Disposition (zwei Drittel aller Sensibilisierten sind Atopiker!): Heuschnupfen-, Asthma-, Neurodermitis-Patienten. Die anamnestische Erhebung einer möglichen Latexallergie sollte genauso wie die einer Penicillin- bzw. Medikamentenallergie vor jedem medizinischen Eingriff zur Routine gehören! 3.2) Wichtige anamnestische Fragen bei der Fahndung nach einer Typ-I-Latex-Allergie (betrifft vor allem Interne Freigabe, Anästhesisten, Zahnärzte, Gynäkologen, Radiologen) - Juckreiz oder Schwellung, Nesselausschlag an Kontaktstellen mit Gummiprodukten (vor allem am Handrücken nach Handschuhanwendung) - Juckreiz oder Schwellung der Lippen und Mundschleimhaut beim Zahnarztbesuch - Juckreiz oder Schwellung der Vaginal- oder Rektalschleimhaut nach ärztlicher Untersuchung - Juckreiz oder Schwellung nach Gebrauch von Kondomen und Diaphragmen - Juckreiz oder Schwellung der Lippen beim Luftballon-Aufblasen 3.3) Veranlassung einer allergologischen Abklärung bei geringstem Verdacht bzw. bei allen Risikopatienten 3.4) Die medizinische bzw. operative Versorgung bei Latexallergikern oder bei Spina bifida Kindern muß prinzipiell in einer latexfreien Umgebung durchgeführt werden, d.h.: a) latexfreie Handschuhe für das gesamte am Eingriff beteiligte Personal (Chirurg, Anästhesist, OP-Schwester/-Pfleger, Radiologe, etc.) b) latexfreies Instrumentarium (Tubus. Katheter, Toumiquet. Klebebänder, Pflaster, Anästhesiezubehör Narkosegerät, Ampullen statt Infusionsflaschen mit Gummistöpsel) c) kein gemeinsames Flüssigsterilisieren von Instrumentarium mit latexhaltigen Materialien. d) latexfreie Raumluft: idealerweise sollte ein latexfreier Operationssaal für jedes Spital geschaffen werden. Bei Fehlen eines solchen müssen Latexallergiker an erster Stelle auf der Tagesordnung im Eingriffsplan bzw. OP-Plan gesetzt werden. Alle am Patienten Tätigen müssen latexfreie Handschuhe, alle weiteren unmittelbar in der Umgebung tätigen Personen puderfreie Handschuhe (Vermeidung der Aufwirbelung der mit Allergenen beladenen Puderpartikeln in der Raumluft) tragen. e) Da eine komplette-Latexfreiheit niemals absolut gesichert ist, muß in Notfallbereitschaft operiert werden, 3.5) Empfehlungen für Latexallergiker a) im Alltag - Eßgewohnheiten: Vorsicht beim Genuß von Bananen, Avocados, Kiwis und Maroni (bei ersten Anzeichen von Juckreiz, Kribbeln oder Bläschenbildung im Mundschleimhaut-Bereich diese fruchte meiden und allergologische Abklärung anstreben) - Meiden von Gummihandschuhen und Kondomen, Ausweichen auf latexfreies Material, - Vorsicht bei latexhaltiger Bekleidung, Gummibändern und elastischen Bandagen sowie Latexmatratzen, - für latexsensibilisierte Kinder: auf latexfreie Schnuller und Spielzeug ausweichen, Kontakt mit bzw. das Aufblasen von Luftballons meiden. b) beim Arztbesuch - Allergiepaß mitfuhren und unaufgefordert vorzeigen, latexfreie Handschuhe mitführen (Zahnarzt, Gynäkologe, Urologe). c) bei hochgradiger Allergie ist das Tragen eines Notfallarmbandes sowie das Mitführen des . Allergiepasses und von latexfreien Handschuhen und Notfallmedikation sinnvoll. Ansprechpartner für Latexallergien: ARGE LATEX AKH Wien: Telefonische Anlaufstelle: (01) 40400-7700 OA Dr. T. Kinaciyan, o. Univ. Prof. Dr. G. Stingl, Klin, Abt für Immundermatologie und Infektiöse Hautkrankheiten, Univ. Klinik f Dermatologie, AKH-Wien Dr. Zs. Szepfalusi, o. Univ. Prof. Dr. R. Urbanek, Univ. Klinik für Kinder- u. Jugendheilkunde, AKH Wien Dr. J. Godnic-Cvar, o. Univ. Prof. Dr. H.W. Rüdiger, Abt. Arbeitsmedizin, Univ. Klinik f. Innere Medizin IV, AKH-Wien ao. Univ. Prof. Dr. H. Breiteneder, Univ. Prof. Dr. 0. Scheiner, Inst. f. Allg u. Exp. Pathologie, Universität Wien, AKH Wien UNIV. KLINIK GRAZ: Tel: (0316) 385 2892 Univ. Prof. Dr. W. Aberer, Univ. Klinik f. Dermatologie und Venerologie UNIV. KLINIK INNSBRUCK: Tel: (0512) 504 2978 OA Dr. N. Reider, Univ. Klinik für Dermatologie und Venerologie