DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT NUMMER 31 Aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Greifswald. (Direktor: Geh. Rat Pels Leusden.) Die Röntgenuntersuchung isolierter Wirbelkörperfrakturen. Von Priv.-Doz. Otto I(ingreen. Bei dem geringsten Verdacht auf &ne Knochen- oder Gelenkverletzung soll jeder behandelnde Arzt darauf dringen, daß möglichst frühzeitig nach dem Unfall bei dem betreffenden Patienten eine Röntgenuntersuchung vorgenommen wird. Wie wichtig der bald nach einer Verletzung erhobene Röntgenbefund für die Behandlung und spätere Begutachtung sein kann, ist allgemein bekannt. Unterläßt man bei einer anscheinend harmlosen Verletzung die Röntgenuntersuchung, so entsteht oft noch nach Jahren ein nicht endenwollender gutachtlicher Schriftwechsel, durch den oft nichts bewiesen wird und durch den nur das Ansehen der Aerzte bei den Berufsgenossenschaften leidet. Is ist wenig angenehm, mit dem Begriff ,,gewisse Wahrscheinlichkeit" zu arbeiten, der oft als Notbehelf gewählt wird, um nicht letzten ndes doch dem Kranken Unrecht zu tun. Es genügt wohl, als Beispiel die Arthritis deformans heraus- zugreifen, um alle Gutachter an die immer wieder auftauchenden Fragen über den Zusammenhang dieses Leidens mit dem Unfall oder über dessen Verschlimmerung durch den Unfall zu erinnern, deren Beantwortung ohne laufende Röntgenuntersuchung unmöglich ist. Damit ist nun nicht gesagt, daß das Röntgenverfahren die genaue klinische Untersuchung verdrängen soll. Sowohl bei den der Betastung und der Inspektion zugänglichen Knochen- und Gelenkteilen, Wie auch bei denen, deren direkte Untersuchung nicht möglich ist, müssen wir aus verschiedenen anderen klinischen Symptomen eine Diagnose zu stellen versuchen. Es genügt aber nicht allein die Diagnose, sondern man muß sich auch schon darüber klar sein, wie sich ungefähr auf den späteren Röntgenaufnahmen eine Knochenoder Gelenkverletzung wahrscheinlich darstellen wird: Die Röntgenuntersuchung soll la nur zur Erhärtung der klinisch gestellten Diagnose dienen, damit sie nicht zu einer zwar bequemen, aber gefährlichen Eselsbrücke wird. Gerade bei Verletzungen der Wirbelsäule ist es oft schwer, nach dem klinischen Befund zu sagen, ob eine Verletzung vorliegt oder nicht. Um so dringender ist zu fordern, daß man eine Röntgenuntersuchung vornimmt, selbst wenn man mit Bestimmtheit annehmen kann, daß der Knochen nicht verletzt ist. In den letzten beiden Jahren wurden in die Chirurgische Klinik in Greifswald 11 Patienten mit der Diagnose Wirbelsäulenquetschung oder Muskelriß am Rücken oder Lumbago traumatica eingeliefert, bei denen das Trauma mehrere Monate oder 1-1 Jahre vorher stattgefunden hatte. Bei allen Patienten wurde durch die genaue Röntgenuntersuchung ein einwandfreier Wirbelkörperbruch festgestellt. Von diesen Il Patienten waren 6 niemals mit Röntgenstrahlen untersucht worden, trotzdem sie seit dem Unfalle dauernd über ganz erhebliche Beschwerden geklagt hatten. Die übrigen 5 Patienten waren vom Arzt und auch später in Krankenhäusern mit Röntgenstrahlen untersucht. Wegen des als negativ angesehenen Röntgenbefundes wurden die anfangs erwähnten Diagnosen gestellt. Wie man aus den Krankengeschichten und Akten entnehmen konnte, handelte es sich in allen Fällen um verhältnismäßig schwere Unfälle. Die Patienten, in einem Alter zwischen 35 und 60 Jahren, waren entweder von einem hochbeladenen Wagen oder von einem Baum oder aus einem Scheunenfach gefallen. Sämtliche Patienten hatten sich nach dem Unfall, allerdings mit starken Kreuzschmerzen, aufrichten können, sodaß sie mitUnterstntzung einiger Arbeitskollegen den Weg nach Hause zu Fuß oder mit einem Wagen zurücklegen konnten. erscheinungen, die auf eine Verletzung des Rückenmarks schließen lassen konnten, hatten in keinem Fall vorgelegen. Durchschnittlich hüteten die Kranken 6-8 Wochen nach dem Unfall das Bett. Während dieser Zeit wurden sie nach Verordnung des behandelnden Arztes mit Einreibungen und Wärme behandelt. Sobald sie wieder aufstanden, traten stärkere Beschwerden auf, bei denen besonders starke Kreuzschmerzen und Schwächegefühl im Rücken im Vordergrund standen. In einigen Fällen hatte der erst- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. SEITE 1302 DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT behandelnde Arzt die Möglichkeit des Vorliegens einer Fraktur erwogen, dann aber die Diagnose fallen lassen, weil kein Gibbus vorhanden war. Da auch der Röntgenbefund negativ war, wurde auch in den von den Berufsgenossenschaften eingeforderten Gutachten an der Diagnose Quetschung der Wirbelsäule oder Lumbago traumatica festgehalten und oft noch der Verdacht auf Rentenneurose ausgesprochen. Um die Patienten zur Arbeit zu ermuntern, wurde ihnen eine Uebergangsrente für 3 Monate gewährt. Die Kranken ver- suchten dann auch - teilweise aus Furcht, die Arbeitsstelle zu verlieren - die schwere Landarbeit wieder aufzunehmen. Die Beschwerden nahmen aber dauernd zu, sodaß sich besonders die Landarbeiter binnen kurzem außerstande sahen, ihre frühere Arbeit zu verrichten. Bei der Aufnahme der Patienten in die Klinik waren aus dem Befunde nur folgende wichtige Punkte hervorzuheben: Von der Ver- letzung war nur die untere Brust- oder die Lendenwirbelsäule betroffen. linen ausgesprochenen Qibbus fanden wir nur in 3 Fällen. Bei den übrigen Patienten war er meistens eben angedeutet oder gar nicht vorhanden. Stets beobachteten wir eine auffallende Versteifung der Wirbelsäule, nicht nur in dem Abschnitt, der von der Verletzung betroffen worden war, sondern auch in den weiter oben oder unten gelegenen Abschnitten. Daneben fiel eine deutliche Schwäche der langen Rückenstreckermuskeln auf. Nyperästhetische Zonen im Bereich der Nerven, die von der mutmaßlichen Bruchstelle abgingen, ließen sich gelegentlich nachweisen. Das in ventrodorsaler Strahlenrichtung mit der Bucky-Potter-Blende aufgenommene R U n t g e n b i I d ergab in 8 Fällen bei aufmerksamer Betrachtung eine mehr oder weniger deutlich zu erkennende Verbreiterung des betreffenden Wirbelkörpers. Der darüber gelegene Zwischenwirbelkörperraum war gegenüber den höhergelegenen stets deutlich verschmälert. In 3 Fällen war auf dem sagittalen Bilde keine krankhafte Veränderung zu ent- decken. Auf den seitlich aufgenommenen Bildern war in allen 1ällen die Kompression des Wirbelkörpers mit Aussprengung eines Yragmentstiickes an der oberen oder unteren ecke sehr gut zu erkennen. An der Diagnose - Wirbelkörperbruch - war nicht zu zweifeln. Neben diesem Befunde trat auf allen Bildern, ganz gleichgültig, ob die Verletzung kürzere oder längere Zeit her war, eine auffallende Kalkarmut in der Knochenstruktur der einzelnen Wirbel in Erscheinung. Davon war der unterhalb der verletzten Stelle gelegene Wirbelabschnitt stärker befallen als der obere. Der gebrochene Wirbelkörper erschien daher infolge der Ineinanderschiebung der Knochensubstanzen verhältnismäßig kalkreich im Vergleich zu den benachbarten Wirbelkörpern. Bei den ventrodorsal aufgenommenen Bildern gab dieser Kalkreichtum oft den einzigsten Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Bruches. Erst l--1 4 Jahre nach dem Unfall nahm der gebrochene Wirbelkörper genau denselben Kalkgehalt nach dem Röntgenbild an und beteiligte sich auch an den atrophischen Vorgängen genau so wie die anderen Wirbel. Da diese Atrophie gerade von großer Bedeutung sowohl für die Behandlung wie für die Begutachtung ist, so möchte ich doch darauf hinweisen, daß man mit der Beurteilung - Atrophie - auf dem Röntgenbilde äußerst vorsichtig sein muß. Ein unterbelichtetes Bild, auf dem die Wirbelsäule eben zu erkennen ist, darf nicht für die Diagnose - Atrophie - herangezogen werden. Nur solche Bilder können verwertet werden, die mit einer Strahlung aufgenommen sind, die sich als ausreichend für strukturreiche Aufnahmen erwiesen hat. Neben dieser Atrophie ließ sich in den meisten Fällen auch eine verhältnismäßig geringe Breite des Gelenkspalts an den kleinen Wirbelsäulengelenken nachweisen. Ja in einigen Fällen war es trotz verschiedener Einstellung des Zentralstrahls nicht möglich, überhaupt kleine Gelenkspalte zu erkennen. Es war für uns, besonders bei den Verletzungen, die länger zurücklagen und nicht von Anfang an von uns behandelt worden waren, schwierig zu entscheiden, ob diese Versteifung in den Gelenken schon vor dem Unfall bestanden hatte, oder ob dieser Knorpelschwund durch die längere Schonung eingetreten war. Die auf den Röntgenbildern bemerkten Veränderungen, einmal die Kalkarmut der Knochen, zum anderen die Verschmälerung an den kleinen Gelenken, lassen uns gewisse Rückschlüsse sowohl auf die Behandlung als auch auf die spätere Begutachtung ziehen. Von Vis ch e r wurde schon im Jahre 1919 (Bruns' Beiträge liT S. 1) dringend davor gewarnt, bei isolierten Wirbelkörperverletzungen einen Stütz- apparat für die Wirbelsäule zu verordnen, da immer die Gefahr einer In- aktivitätsatrophie der Rückenmuskulatur aufträte, deren Beseitigung sich später oft als unmöglich erwiesen hätte. Nach der Ansicht V i s c h e r s ist man berechtigt, nach einer Bettruhe von 8 Wochen die Patienten ohne stützendes Korsett aufstehen zu lassen, vorausgesetzt, daß weitere Beobachtung, besonders auch Kontrolle durch das Röntgenbild, möglich ist. Neuerdings hat M a g n u s (Mönch. med. Wschr. 1929 Nr. 13) die fast überall ge- pflegte Behandlung der Wirbelkörperbrüche ohne Verletzung der Medulla spinalis mit Bettruhe und längerer Korsettbehandlung als recht unzweckmäßig hingestellt. Nach der Ansicht von M a g n u s ist die später auftretende, bei dieser Behandlungsmethode unvermeidliche Atrophie der Rückenmuskulatur und der Wirbelsäule selbst nur gefahrvoll für den Patienten, und zwar aus dem Grunde, weil die Beseitigung einer derartigen Atrophie auf die größten Schwierigkeiten stößt, und weil die Heilung des Broches durch die Atrophie nur verzögert werden kann. Von diesem Gesichtspunkte aus wird heute in dem Bochumer Krankenhaus Bergmannsheil eine mehr aktive Frakturbehandlung der Wirbelkörperbrüche im Bereich der unteren Brust- und der Lendenwirbelsäule, die ohne Markverletzung einhergeben, gepflegt. Derartige Patienten werden 3-4 Tage nach dem Unfall mit SEITE 1303 strengster Bettruhe behandelt. Danach wird in Seitenlage mit leichter Massage der Rückenmuskulatur begonnen. Die ersten leichten Bewegungsübungen werden nach ungefähr 4 Wochen vorgenommen. Sechs Wochen nach dem Unfall stehen die Kranken auf, und gehen ohne Korsett zur Behandlung ills mediko-niechanische Institut. Auf diese Weise konnte M a g n u s von 33 Hauern 10 nach 1 Jahr soweit wiederherstellen, daß sie die Arbeit unter Tage wie früher verrichteten. Das ist ein 1rgebnis, welches wohl alle die Aerzte in erstaunen gesetzt hat, die sich einmal nach den Patienten umgesehen haben, die mit Korsett kürzere oder längere Zeit behandelt wurden. Von unseren 32 Patienten mit isolierten Wirbelkörperbrüchen, von denen 21 von Anfang an in der Klinik behandelt wurden, während die anfangs schon aufgeführten 11 Patienten erst viel später nach dem Unfall zur Behandlung kamen, sind nur 3 Landarbeiter wieder völlig erwerbsfähig geworden, darunter nur einer, der 2 Jahre lang ein Korsett trug; alle andern können nur leichtere Arbeit - es handelt sich zum größten Teil um Landarbeiter - verrichten, wenngleich die Verletzungen schon 2-10 Jahre zurückliegen. Die Atrophie der Wirbelsäulenknochen fanden wir sowohl bei den von Anfang an mit Korsett behandelten Patienten, wie auch bei denjenigen, bei denen die Fraktur zunächst nicht erkannt war. Bei letzteren muß die Atrophie allein auf die Schonung der Wirbelsäule zurückgeführt werden. Mediko-mechanische Behandlung und ein vorsichtiges Der-Arbeit-zuführen unter ständiger ärztlicher Kontrolle hätte hier vielleicht die Atrophie vermeiden lassen. Eine starke Kompression des ge- brochenen Wirbelkörpers wurde auch bei den Patienten, die ver- suchsweise die schwere Landarbeit wieder aufgenommen hatten und Sie wegen großer Ermüdung im Rücken wieder unterbrechen mußten, nicht beobachtet. Dies ging ja schon aus dem klinischen Befund der 11 Patienten, die später in unsere Behandlung kamen,. hervor. Bei ihnen wurde ja nur ein verhältnismäßig geringer Gibbus oder gar keiner gefunden, selbst wenn die Verletzung schon bald 1 Jahr zurücklag. Daraus läßt sich der wohlberechtigte Schluß ziehen, daß man bei der Behandlung der isolierten Wirbelkörperbrüche weitaus den größten Wert auf das Vermeiden der Atrophie und der Versteifung d e r W i r b e 1 s ä u I e 1 e g e n ni u ß , damit vor allen Dingen die Ermüdungsbeschwerden den Patienten später nicht von der Arbeit abhalten. Ob wir unsere Kranken, unter denen sich in überwiegender Zahl Landarbeiter befinden, schon nach 1 Jahr ihre volle Arbeit wieder aufnehmen lassen können, bleibt fraglich. Gerade die Wirbelsäule der Landarbeiter wird ja durch das Tragen von 2 Zentner schweren Säcken und schweren Wassereimern doch noch viel stärker belastet als diejenige des Hauers. Die genaue Kontrolle der Patienten, besonders durch das Röntgenbild, wird uns über die Dosierung der Arbeit die notwendigen Aufschlüsse geben. ist erst eine ausreichende Spangenbildung zwischen dem gebrochenen und dem ihm benachbarten Wirbelkörper eingetreten, so wird auch durch das Tragen von Lasten, an das der Patient langsam gewöhnt werden muß, kaum eine erhebliche Verschlimmerung zu erwarten sein. Der fortlaufend erhobene Befund auf den Röntgenbildern muß in den einzelnen Fällen den Ausschlag geben, welche Behandlungsart die für den Patienten günstigste ist. Diese ausschlaggebende Rolle kann aber die Röntgenuntersuchung nur dann spielen, wenn sie frühzeitig bei den Wirbelkörperverletzungen eingeleitet wird. Auch bei den Verletzungen, bei denen man nach dem klinischen Befunde eine Fraktur der Knochen ausschließen zu können glaubt, soll man die Anfertigung eines Röntgenbildes nicht unterlassen. Dieses wird sicher erkennen lassen, ob der knöcherne Bestandteil der Wirbelsäule und die Zwischenwirbelbandscheide verletzt sind oder nicht. Allerdings Ist für diese Zwecke nicht irgendein Röntgenbild geeignet, sondern es kommt nur eine wirklich gründliche Untersuchung der Wirbelsäule in Frage. Ergibt eine einzige Aufnahme einen negativen Befund, so ist diese stets nach einiger Zeit zu wiederholen, wobei natürlich gründliche Vorbereitung des Kranken, speziell bei unteren Lendenund Brustwirbelaufnahmen nicht vergessen werden darf. Die bnutzten Röntgenapparate müssen so leistungsfähig sein, daß die durch sie erzielte Strahlenquantität und -qualität für derartige Aufnahmen ausreicht. Empfehlenswert ist ferner die Anwendung der Bucky-Potter-Blende. Es genügen nicht nur anteriore-posteriore Aufnahmen, sondern die seitliche, gelegentlich auch die schräge Aufnahme muß stets zu einer sicheren Diagnosestellung herangezogen werden. Trotzdem in der Literatur von verschiedenen Seiten (ilammes, Kloiber, Ludloff und Holz- k n e e h t) immer wieder die Wichtigkeit der säitliehen Aufnahme der Wirbelsäule hervorgehoben Ist, wird sie doch bisher noch immer zu wenig ausgeführt. Bei der Röntgenaufnahme der Wirbelsäule muß der s p e z j e II e n dieses Skelettabschnittes besondere Auf- A u f n a h m e t e c h n j k gerade Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 2. August 1929 DEUTSCHE MEDIZTNISCIE WOCHENSCHRIFT merksamkeit geschenkt werden. Schon die Einstellung des Zentralstrahles muß sorgfältig bei ieder Wirbelsäulenaufnahme gehandhabt werden. Wie leicht wird sonst der Fehler bei der Deutung eines Röntgenbildes begangen, daß in dem Wirbelsäulenabschnitt, der nicht mehr senkrecht vom Zentraistrahl getroffen wird, die Ueberschneidung der Knochenschatten als krankhafte Veränderung angesprochen wird. Es ist unbedingt notwendig, daß die erkrankten daher bei allen Fällen, bei denen nur der geringste Verdacht auf seitlichen Aufnahmen tut man gut, eventuell 2 Aufnahmen anfertigen zu lassen, indem man einmal den Zentralstrahl von der einen Seite und das nächste Mal von der anderen einfallen läßt. Kleinere Verletzungen der Wirbelkörper wird man auf diese Weise nicht übersehen. Trotz sorgfältigster Technik der Aufnahme ergeben sich gelegentlich doch noch große Schwierigkeiten, sowohl bei der Herstellung bestimmter Aufnahmen, wie bei der Deutung der Bilder. Auf einige wichtige Punkte soll im Folgenden noch aufmerksam gemacht werden: geben. Die Frage, ob mit oder ohne Stützapparat die baldige Ar- Teile der Wirbelsäule stets auf die Mitte der Platte projiziert werden. Bei Die s e i t 1 i c h e A u f n a h m e der ganzen halswirbelsäule gelingt mit der gewöhnlich geübten Technik bekanntlich nicht, da die Schulter das Anlegen der Kassette weiter abwärts verhindert. Man erkennt auf der gewöhnlichen Platte meistens nur noch den oberen Rand des 6. Iialswirbeis. Um nun den 6. und 7. halswirbel und auch vielleicht noch den oberen Abschnitt der Brustwirbelsäule von der Seite aus zur Darstellung zu bringen, ist von B a s o n y und K o p p e n s t e j n (Fortschr. Röntgenstr. 36 S. 338) eine Methode angegeben worden, die von uns in sehr vielen Eällen ausgeführt wurde und mit der stets ein absolut klares Bild von diesem Abschnitt der Wirbelsäule erzielt wurde. Für die Aufnahme braucht man eine BuckyBlende, die man bei den sonstigen Iialswirbelsäulen-Aufnahmen nicht notwendig hat. Wir verwandten zu dieser Aufnahme ein Durchleuchtungsstativ (Polyskop) und die rotierende Bucky-Blende, letztere nur aus dem Orunde, weil wir sonSt die bewegliche Bucky-Potter-Blende vertikal hätten aufmontieren müssen. Man setzt nun den Patienten auf die Bank vor die BuckyBlende, sodaß ein Fuß auf einer Fußbank ruht, während das andere Bein herunterhängt. Zwischen den gefalteten Händen des Patienten ruht der Unterschenkel des freihängenden Beines; die Schultern müssen locker ge- . NUMMER 31 lassen werden, sodaß das f3ewicht des Beines die Schulter nach vorne riehen kann. Somit gelingt es, die Knochen der Schulter aus der Wirbelsäule herauszuprojizieren. Der Zentralstrahl wird 2-4 ccm hinter dem Akromion eingestellt. Daß gelegentlich die seitlich oder von vorn nach hinten aufgenommenen Bilder, auch wenn technisch kein lehler gemacht wird, zu T au s e h u n g e n Anlaß geben können, geht schon aus folgenden Ueberlegungen hervor. Bekanntlich wird la die Diagnose - Iraktur des Wirbelkörpers - gestellt, wenn ein Wirbelkörper viel schmaler erscheint als die weiter oberhalb gelegenen, da ja die Höhe eines Körpers, je weiter man nach unten geht, zunimmt. Hat nun ein Kranker eine leichte Arbeitskyphose in der Mitte der Brustwirbelsäule, so wird bei einer anterioren, posterioren Aufnahme der Wirbelkörper im Bereich der Kyphose, mit denen der Kranke auf der Platte aufliegt, kleiner erscheinen (plattennah) als die darüber gelegenen, die von der Platte einen größeren Abstand haben. Eine Fehldiagnose wird die unausbleibliche Folge sein (K I o ¡ b e r, Fortschr. Röntgenstrahlen 35 S. 451). Man wird in solchen Fällen seine Zuflucht zu Schrägaufnahmen nehmen müssen oder sich zu Fernaulnabmen entschließen, wie sie zuerst von A b e I e s (Fortschr. Röntgenstr. 37 S. 216) empfohlen worden sind. Es wird dabei ein Plattenröhrenabstand von 1,50 unter gleichzeitiger Verwendung der Bucky-Potter-Blende gewählt. Mit einem leistungsfähigen Apparat und einer l0-KW.-Röhre wird man eine derartige Aufnahme ohne Bedenken machen können. Bei 50 Milliampère und 70 Kilovolt effektiv erzielt man mît ventrodorsaler Strahlenrichtung in 4 Sekunden, mit frontaler in 8 Sekunden, ein brauchbares Bild. Auf diese Weise wird man die Fehler des Verzeichnens umgehen können, da die Wirbelkörper in ihrer wirklichen íiröße erscheinen. Fehlerhafte Deutungen werdensehr leicht auch bei 1öntgenaufnahmen von der Gegend des 5. Lendenwirbels gemacht; meistens geben Uebersichtsaufnahmen der ganzen Lendenwirbelsäule Anlaß zu Irrtümern. Bei diesen gelingt es nicht, den Zentraistrahl senkrecht zur Längsachse des 5. Lendenwirbelkörpers einfallen zu lassen; aus diesem Grunde ist es oft schwierig, auf solchen Auf- nahmen die Umrisse des 5. Wirbelkörpers zu erkennen. Bei der verwaschenen Zeichnung neigt man leicht zu der Annahme einer pathologischen Veränderung. Um sich nun ein richtiges Bild von der Beschaffenheit des 5. Lendenwirbelkörpers zu machen, wird man am vorteilhaftesten einen Kompressioñstubus zur Aufnahme verwenden. Auf den Schnittpunkt der Verbindungslinie beider Spinae il. ant, sup. triit der Mittellinie des Körpers stellt man den Tubus schräg von kaudal nach kranialwärts ein. Damit wird man stets den Lendenwirbelkörper gut zur Darstellung bringen. Zur Sicherheit kann man auch ein seitliches Bild anfertigen, auf dem der 5. Lendenwirbelkörper durch die Beckenschauf el durchprojiziert wird. Zusammenfassung. Die Röntgenuntersuchung Wirbelsäulenverletzter soll möglichst bald nach dem Unfall vorgenommen werden. Die Möglichkeit, bei der Beurteilung von Wirbelsäulen-Röntgenbildern FehIdiagnosen zu stellen, ist nicht zu unterschätzen. Es muß eine Wirbelsäulenverletzung vorliegt, eine sehr sorgfältige Röntgenuntersuchung eingeleitet werden. Das Uebersehen von isolierten Wirbelkörperbrüchen wird dann nicht mehr vorkommen. Gleichzeitig werden auch die laufenden Kontrollröntgenaufnahmen einen wichtigen Ausschlag für die in den einzelnen Fällen angezeigte Behandlung beitsfähigkeit des Patienten erzielt werden kann, wird auf diese Weise am oblektivsten entschieden werden können. Für die Begutachtung und besonders für die Entscheidung des Zeitpunktes der vollen Arbeitsfähigkeit Ist die Röntgenuntersuchung bei isolierten Wirbelkörperbrüchen unerläßlich. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. SEITE 1304