AKSA, G2B_Epochenüberblick: Klassik_KneMa 2013

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AKSA, G2B_Epochenüberblick: Klassik_KneMa 2013
Epochenüberblick – Weimarer Klassik (ca. 1786–ca. 1805)
Allgemeingeschichtlicher Hintergrund: Das herausragende, den gesamten Zeitabschnitt prägende
Ereignis ist die Französische Revolution von 1789 mit ihren weit reichenden Folgen wie den Kriegen
der europäischen Monarchien gegen das republikanische Frankreich, dem Aufstieg und der
Kaiserkrönung Napoleons und dem Zusammenbruch der alten politischen und territorialen Ordnung
in Deutschland durch Napoleons imperiale Politik. Zunächst begrüßten fortschrittlich gesinnte Kreise
des deutschen Bürgertums die Revolution – es kam 1792/93 sogar zum Experiment einer Mainzer
Republik. Nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. und der Schreckensherrschaft unter Führung Robespierres verloren jedoch viele den Glauben an die Verwirklichung der revolutionären Ziele „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit“.
Weltbild und Lebensauffassung: Der Begriff „Klassik“ hat in Deutschland eine andere Bedeutung als
im Kontext der Literaturgeschichte anderer Länder. Dort wird unter Klassik die Epoche verstanden, in
der in dichter Fülle Werke von hohem Rang erschienen, die entscheidende Bedeutung für das
kulturelle Selbstverständnis des Landes haben. Diese Epochen fallen in den einzelnen Ländern in ganz
unterschiedliche historische Perioden. Die deutsche Klassik weicht von diesem Muster auf zweifache
Weise ab: Sie umfasst nur eine sehr kurze Zeitspanne und wird im Ausland häufig gar nicht als eigene
Epoche wahrgenommen, sondern der Romantik zugeordnet, und sie bleibt auf die Werke zweier
Autoren, Goethe und Schiller, beschränkt. Zeitgleich entstandene Werke anderer Autoren (Wieland,
Hölderlin, Jean Paul, Kleist) werden in der Regel der Aufklärung oder der Romantik zugerechnet. Im
politisch zersplitterten Deutschland gab es kein hauptstädtisches Zentrum; am „Musenhof“ in
Weimar wurden jedoch die Künste gefördert. So entwickelte sich die kleine Residenzstadt mit den
Dichtern Johann Wolfgang Goethe, Johann Gottfried Herder (1744–1803) und Christoph Martin
Wieland (1733–1813), zu denen in den 1790er Jahren noch Friedrich Schiller kam, zu einer
Kulturmetropole, die die Intellektuellen aus ganz Europa anzog. 1794 schlossen Goethe und Schiller
nähere Bekanntschaft, aus der eine enge literarische Zusammenarbeit und Freundschaft erwuchsen.
Schiller begeisterte sich anfangs für die Französische Revolution, später stand er ihr, wie auch
Goethe, mit Skepsis und Ablehnung gegenüber. Nicht dass die beiden Dichter als apolitisch zu
bezeichnen wären: Sie hielten ihre Zeit und die Zustände in Deutschland für nicht reif für eine
grundlegende gesellschaftliche Umwälzung gemäß den Ideen der Aufklärung. Vielmehr sahen sie die
Notwendigkeit, zunächst einmal den einzelnen Menschen zu erziehen und zu bilden, um ihn zu einer
auf Freiheit und Gleichberechtigung basierenden Ordnung zu befähigen. Bereits 1786 war Goethe zu
einer eineinhalbjährigen Italienreise aufgebrochen. Der Kontakt mit der Kunst und den Bauwerken
der Antike, das Gefühl von Erhabenheit und Allgültigkeit, das sie ihm vermittelten, hatten sein
künstlerisches und wissenschaftliches Bewusstsein (s.u.) verändert. Seine Antikenbegeisterung, die
v.a. durch die Schriften Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) geweckt und vermittelt wurde,
teilte er mit zahlreichen Intellektuellen seiner Zeit. Werte der antiken Philosophie lagen auch Schillers
und Goethes Menschenbild zu Grunde:
Durch die Ausbildung von Vernunft und Selbstkontrolle sowie durch sittliche Läuterung sollte eine
allseits gebildete, alle humanen Kräfte und Fähigkeiten harmonisch in Einklang bringende
Persönlichkeit geformt werden. Die Werke Goethes und Schillers, die diese „Erziehungsarbeit“
vollbringen sollten, machen die deutsche Klassik aus, die damit eine Weimarer Klassik war.
Literatur: Das neue, an der Antike geschulte Kunst- und Menschenbild führt zu einer Abkehr vom
Gefühlskult des Sturm und Drang, der Naturschwärmerei und der Verehrung der großen Genies und
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Rebellen. Die nur dem individuellen Ausdruck verpflichtete Prosa des Dramas und die liedhaft
einfachen Strophen und freien Rhythmen der Lyrik des Sturm und Drang wichen einer metrisch
regelmäßig gebundenen, kunstvoll durchformten Verssprache, die sich formal an antiken Vorbildern
orientierte. Einige ältere Texte wurden entsprechend überarbeitet, „Iphigenie“ und „Egmont“ von
Goethe, „Don Karlos“ von Schiller. Durch Maß, Gesetz und Formstrenge wollten beide Klassiker das
vollendet Schöne formen. Die Anschauung des Schönen sollte den Menschen zum Wahren und
Guten, zur Veredelung seines Denkens und seines Charakters führen. Schönheit wird dabei als
Harmonie zwischen dem Sinnlichen, das dem Bereich der Triebe zugehört, und dem Gesetz der
Vernunft, das Freiheit bedeutet, verstanden. Es geht also in den Werken der Klassik nicht um eine
möglichst naturgetreue Abbildung der Wirklichkeit oder die Wiedergabe eines gefühlsstarken
Erlebnisses, auch nicht um die kunstreiche Einkleidung eines Lehrsatzes oder einer Moral, sondern
um die Wahrheit. Wahrheit erreicht der Künstler nach klassischer Theorie im Weg über die
Schönheit. Wenn er Einzelerscheinungen der Wirklichkeit, die er mit seinen Sinnen wahrnimmt, in
seiner ästhetischen Gestaltung so bearbeitet, dass ein Betrachter „hinter“ ihnen das Allgemeine, also
eine Idee, erkennen kann, und wenn er andererseits dem Allgemeinen, der Idee, die er in sich selbst
trägt, durch die individuelle Gestaltung seines Werks die Lebendigkeit des sinnlich Erfahrbaren
verleiht, so wird sein Kunstwerk „klassisch“, weil es wirklicher und schöner ist als die Wirklichkeit
selbst. Schiller nennt diesen Vorgang der ästhetischen Durchformung von Wirklichkeit „Idealisieren“.
Durch das „Herausheben des Gegenstands aus einer Wirklichkeit“ (Goethe) wird ihm „in einer
idealen Welt Maß, Grenze, Realität und Würde gegeben“ (Winckelmann). Vorbilder für eine
solchermaßen vollendete künstlerische Gestaltung sahen die deutschen Klassiker in den Werken der
Antike.
Quelle: Erlach, Dieter. Texte, Themen und Strukturen. Cornelsen.
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