Altern? Verschieben wir`s auf später!

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Altern? Verschieben wir’s auf später!
Kirsten Grashoff, Sulzbach/Taunus
Welcher Lebensstil führt zu einer guten Gesundheit bis ins hohe Alter? Dieser Frage gingen die Teilnehmer des 8. Journalistenworkshops des Instituts Danone Ernährung für Gesundheit e. V. nach. Am
6. und 7. Juli diskutierten sie in Nürnberg mit Experten über neue
wissenschaftliche Erkenntnisse zu Konzepten der gesunden Ernährung und das richtige Maß an Bewegung. Ebenfalls thematisiert wurden die Wirkung von Supplementen und Wachstumshormonen sowie die natürliche Hautalterung. Im Folgenden stellen wir Ihnen
wichtige Aspekte kurz vor.
Biologische Abläufe des
Alterns
„Es gibt weder ein Todesgen noch ein
genetisches Programm fürs Altern“,
stellte Prof. Dr. Cornel SIEBER vom Institut für Biomedizin des Alterns, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/
Nürnberg – dem Kooperationspartner
der diesjährigen Veranstaltung – klar.
Biologisch gesehen sei Altern unbedeutend, entscheidend für die Spezies
sei die Fortpflanzung; ein Leben danach sei eigentlich nicht von der Natur
eingeplant. Die u. a. durch den medizinischen Fortschritt (Abnahme der
Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 10
Säuglingssterblichkeit, bessere Hygiene) erreichte höhere Lebenserwartung
sei daher mit Einbußen in der Funktionalität sowohl im Gesamtorganismus
als auch auf organischer und zellulärer
Ebene verbunden.
SIEBER bemerkte, dass das Altern auf
Organebene deutlich messbar sei. So
sinkt das Herzminutenvolumen vom
30. bis zum 80. Lebensjahr um 30 %,
die Nierendurchblutung halbiert sich.
Zudem steigt der Blutdruck mit zunehmendem Alter, die aufrechte Körperhaltung macht Probleme, Muskelgewebe wird durch Fettgewebe ersetzt.
Dieser auch als Sarkopenie bezeichne-
te Prozess findet nicht nur bei normaloder untergewichtigen Personen statt,
sondern auch bei übergewichtigen. So
hat die Hälfte aller adipösen über 80Jährigen zu wenig Muskelmasse, so
SIEBER.
Sowohl genetische als auch Umweltfaktoren beeinflussen das Altern.
Nach aktuellem Kenntnisstand sind es
vermutlich aber auch subklinische
Entzündungsvorgänge im Körper, zum
Teil unterstützt durch oxidativen
Stress, die das Altern fördern. Mittels
Genchips konnte gezeigt werden, dass
im Alter besonders viele Gene aktiv
sind, die mit Entzündungsvorgängen
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assoziiert sind, während bei jüngeren
regenerative Gene vorherrschen. Daher ist das Vermindern des durch freie
Radikale bedingten oxidativen Stress
momentan auch das Hauptziel prophylaktischer und/oder therapeutischer Interventionen. Typische Alterserkrankungen, die mit freien Radikalen in Verbindung gebracht werden,
sind Alzheimer-Demenz, rheumatische Leiden, Grauer Star oder Arteriosklerose. Der Ernährung und Bewegung kommen beim Aufhalten bzw.
Verlangsamen der physiologischen Alterungsprozesse eine wesentliche Bedeutung zu, denn wer sich schon in
jungen Jahren ausgewogen ernährt
und viel bewegt, hat laut SIEBER gute
Chancen, auch im hohen Alter noch
selbstständig und bei guter Gesundheit zu Hause zu leben.
nal study in Europe) wurde der Einfluss einer mediterranen Ernährungsweise auf die Sterblichkeit beim älteren Menschen untersucht. Dazu wurden 1 507 zu Studienbeginn gesunde
Männer und 832 Frauen im Alter zwischen 70 und 90 Jahren über einen
Zeitraum von 12 Jahren untersucht. Es
kristallisierten sich 4 Faktoren heraus,
die die Gesamtsterblichkeit reduzierten: Mediterrane Ernährung, körperliche Aktivität, moderater Alkoholkonsum und Nichtrauchen. In diesem Jahr
in The Lancet publizierte Daten belegen, dass ein täglicher Verzehr von
3 bis 5 Portionen Obst und Gemüse
das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, signifikant verringert. Und auch
einer optimierten Vitamin-D- und Kalziumzufuhr kommt laut BALLMER eine
wichtige Bedeutung zu, wenn nach einem Ernährungskonzept für ein gesundes und verzögertes Altern gesucht
wird. Sein Fazit: Gelingt es uns in Zukunft, die Ernährung unserer Bevölkerung in die geschilderte Richtung zu
beeinflussen, ermöglicht dies mit großer Wahrscheinlichkeit ein „gutes Altern“.
Foto: DAK/Kohlbecher
Liste der am häufigsten eingenommenen Präparate führen in Deutschland
Vitamin E, Kalzium, Magnesium und
Multivitamin-Mischungen an. Allerdings sei ein Vitaminmangel bei noch
selbstständig zu Hause lebenden Senioren mit etwa 5 Prozent eher selten.
Defizite in der Versorgung mit Mikronährstoffen treten dagegen laut BAUER
vor allem bei gebrechlichen älteren,
noch alleine lebenden Menschen, geriatrischen Krankenhauspatienten sowie bei Bewohnern von Alten- und
Pflegeheimen auf. Für diese gefährdeten Personengruppen hält er daher
auch die Verordnung eines Multivitaminpräparates für sinnvoll. Die Dosis
der enthaltenen Substanzen sollte jedoch nicht über den von den Fachgesellschaften empfohlenen Tagesdosen
liegen. Denn hohe Dosen an supplementierten Antioxidanzien seien mit
heute noch nicht immer abzuschätEinflussfaktor Ernährung
zenden Risiken verbunden (Beispiel:
Beta-Carotin bei Rauchern). Neuere
Bluthochdruck, Übergewicht, RauStudien hätten weder für Vitamin
chen, hohe Cholesterinwerte, niedriA/Beta-Carotin noch für Vitamin E
ger Obst- und Gemüseverzehr, körperprotektive Wirkungen hinsichtlich karliche Inaktivität und Alkoholkonsum
diovaskulärer oder zerebrovaskulärer
sind wesentliche Risikofaktoren, die
Ereignisse sowie der Tumorentstehung
die Lebenserwartung negativ beeingezeigt. Dagegen lässt sich eventuell
flussen. Um diese zu verringern, gibt
Supplemente und
durch die kombinierte Anwendung
es einige wissenschaftlich gesicherte
Functional Food
von Vitamin C, E, Beta-Carotin und
Möglichkeiten. Hierzu zählt vor allem
Zink der Verlauf der senilen Makuladedie Kalorienreduktion, laut Prof. Dr.
„Darf’s noch ein bisschen mehr Gegeneration aufhalten, so BAUER. Und
Peter E. BALLMER, Kantonspital Wintersundheit sein?” fragte Dr. Jürgen BAUthur, die einzige Intervention, die im
ER, Klinikum Nürnberg. Er berichtete,
auch bezüglich eines Mangels an ViTierversuch zu Langtamin D sei eine Substilebigkeit führte. Er ertution positiv zu bewerklärte dieses Phänoten. So zeigten Studienmen
folgendermaergebnisse, dass Vitamin
ßen: Durch das verD in Verbindung mit Kalringerte Energieangezium die Knochenstrukbot sinkt der Sauertur älterer Personen verstoffverbrauch
und
bessert, das Sturzrisiko
damit werden weniverringert und die Muger Sauerstoffradikale
skelkraft stärkt.
gebildet. Dies wirke
Aus dem Bereich der
sich positiv auf den
funktionellen
LebensAlterungsprozess aus.
mittel liegen die meisten
Zudem hätte sich in
Daten für Prä- und Prozahlreichen Studien
biotika sowie für Omegadie mediterrane Er3-Fettsäuren vor. Erstere
nährungsweise (Gehaben sich BAUER zufolge
treideprodukte, viel
bei Obstipation, antibioObst und Gemüse,
tika-assoziierten DiarFisch, wenig Fleisch
rhoen oder Infektionen
und tierische Fette,
durch Rotaviren beFette auf Pflanzenba- Eine gemüsereiche Ernährung wirkt sich positiv auf den natürlichen Alte- währt. Für Omega-3sis, v. a. Olivenöl, rungsprozess aus.
Fettsäuren ließen sich
maßvoller Weinkonpositive Effekte hinsichtsum) als besonders effektiv bei der
lich der Mortalität bei akutem Myodass in den westlichen IndustrienatioVerhinderung der Entstehung bzw. des
kardinfarkt nachweisen. Auch für im
nen etwa ein Drittel aller über 65-JähFortschreitens von Herzkreislauferhöheren Lebensalter relevante klinirigen regelmäßig Supplemente zu sich
krankungen erwiesen. Im sog. HALEsche Situationen wie Pneumonierisinimmt; Frauen häufiger als Männer,
Projekt (Healthy Ageing: a Longitudiko, Demenzentstehung, senile Makujüngere Senioren öfter als ältere. Die
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Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 10
ladegeneration ließen sich günstige
Wirkungen nachweisen. Für eine generelle Empfehlung bei diesen Konstellationen fehlen allerdings noch
weitere aussagekräftige Studien. Generell können weder Supplemente
noch Functional Food in die natürlichen Alterungsvorgänge eingreifen,
sie können lediglich ein gesundes Altern fördern, fasste BAUER die aktuelle
Datenlage zusammen.
Mobilität erhalten
Körperliche Bewegung ist für ältere
Menschen entscheidend zum Erhalt
der Selbstständigkeit. Denn unterschreitet die Muskelbeanspruchung
dauerhaft die Reizschwelle von etwa
30 Prozent der Maximalkraft, wird
Muskelmasse abgebaut, erklärte Dr.
Heinke MÖLLENHOFF, Department
Sport und Gesundheit der Universität
Paderborn. Der Verlust an Muskelmasse wird außer durch Bewegungsmangel auch durch Fehl- oder Mangelernährung, Degeneration des Nervensystems und vermehrten oxidativen
Stress begünstigt. Im Alter geht er mit
zum Teil erheblichen funktionellen
und gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher, die die Lebensqualität
verringern, das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko erhöhen und oft zu vermehrter Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit führen. Prinzipiell sollte
daher schon in jungen Jahren dem
Muskelabbau durch Sport entgegengewirkt werden. Aber auch ältere Menschen können durch Training ihre körperliche Leistungsfähigkeit verbessern. Wichtig sei es, dass im Alter ausgeübte „Sportarten“ eher moderat
sind, aber regelmäßig ausgeübt werden. Geeignet sind kraft- und beweglichkeitsorientierte Übungen, für rüstige Senioren auch Ausdauertraining.
Sinnvoll sind außerdem gewandtheitsund geschicklichkeitsorientierte Übungen. Mit diesen können koordinative
Schwächen und Störungen verringert
werden, zudem aktivieren sie das Gehirn.
Forschung der letzten Jahrzehnte habe
jedoch gezeigt, dass der Alterungsprozess durch Kompensation von altersbedingten funktionellen Veränderungen und präventive Maßnahmen optimiert werden könne. Als wirksam erwiesen sich die folgenden Interventionen: Körperliches Training, geistiges
Training, gesunde Ernährung, Infektionsprophylaxe, Krebsvorsorge, Unfallprophylaxe und die Förderung der
psychosozialen Kompetenz. Das heißt
im Umkehrschluss: Altern bedeut keinesfalls automatisch auch den geistigen oder körperlichen Zerfall, Krankheit oder Behinderung. Altersforscher
haben daher auch vor kurzem den Begriff „Pro-Aging“ eingeführt.
Was aber ist von den als Anti-AgingMitteln angepriesenen ,Vitalstoffen‘
zu halten? Können antioxidativ wirkende Vitamine und Spurenelemente
den Alterungsprozess tatsächlich aufhalten? Laut GASSMANN entbehren derartige Berichte jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Theoretisch müsste
sich der Alterungsprozess zwar aufhalten lassen, wenn die Zellen möglichst
wenigen freien Radikalen ausgesetzt
sind – zum Beispiel, weil Antioxidanzien diese abfangen. In der Praxis gelingt dies jedoch nicht. Die Supplemente greifen zwar massiv in das
funktionierende antioxidative Netzwerk des Körpers ein. Möglicherweise
wird es dadurch aber nicht nur gestört,
sondern gerät sogar aus dem Gleichgewicht mit der Folge, dass es seine
normale Funktion herunterfährt. Daher gilt, so GASSMANN: „‚Vitalstoffe‘ sind
nur dann nötig, wenn ein Mangel vorliegt, den Alterungsprozess können sie
nicht aufhalten.“ Der Mediziner warnte zudem vor einer unkritischen Einnahme der in der Anti-Aging-Medizin
als Verjüngungshormone propagierten
Substanzen Testosteron, Wachstumshormon oder Dehydroepiandrosteron
(DHEA). Es gäbe bis heute keine Hinweise dafür, dass Alterserscheinungen
durch einen Hormonmangel bedingt
sind. Zudem sind die Langzeitwirkungen einer solchen Medikation unbekannt.
Anti-Aging: Der Traum von
der ewigen Jugend
Das Immunsystem im Alter
PD Dr. Karl GASSMANN, Waldkrankenhaus St. Marien, Erlangen, kritisierte,
dass bereits der Begriff „Anti-Aging“
einen falschen Eindruck erweckt. Dieser suggeriere, dass das Alter und auch
der Alterungsprozess ein defizitärer
negativer Zustand sei, den es zu verhindern gelte. Die gerontologische
Wie alle Organe altert auch das Immunsystem, machte Prof. Dr. Beatrix
GRUBECK-LOEBENSTEIN, Institut für Biomedizinische Alternsforschung der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Innsbruck, deutlich. Besonders stark betroffen sind die T-Zellen, die für die spezifische Abwehr ver-
Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 10
Foto: M. Baumann/adpic
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Dem Muskelabbau kann durch körperliches Training entgegen gewirkt werden.
antwortlich sind. Denn diese verlieren
zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr
ihr Reifungsorgan, den Thymus. Eine
Neuproduktion ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr möglich, es
kommt zu charakteristischen funktionellen Veränderungen. Die Konfrontation mit neuen Antigenen kann daher
ein Problem sein.
Um das Immunsystem im Alter zu
stärken, versuchen Wissenschaftler
unter anderem den Thymus zu regenerieren. Bei der Maus ist dies bereits
gelungen. Generell müsse das Wissen
über das alternde Immunsystem verbessert werden, forderte GRUBECK-LOEBENSTEIN. Bis es soweit sei, sollten Senioren dafür sensibilisiert werden,
sich regelmäßig impfen zu lassen. Um
die Impfwirkung zu sichern, sollten
außerdem die Antikörper regelmäßig
kontrolliert werden.
Ernährung und Hautalterung
Bei der Hautalterung laufen verschiedene Prozesse ab: In der Oberhaut
sinkt die Zellteilungsrate sowie die
Produktion des Lipidfilms. In der darunter liegenden Dermis werden weniger Zellen gebildet, die beide Hautschichten miteinander verzahnen;
gleichzeitig wird mehr Kollagen ab- als
aufgebaut. Dadurch kann die Haut
nicht mehr so viel Feuchtigkeit speichern. Ältere Menschen sollten da-
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her auch aus diesem Grund unbedingt
viel trinken, empfahl Dr. Alexandra
OGILVIE, Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen. So könnten sie die
Spannkraft der Haut zumindest optisch erhöhen.
Und auch über die Nahrung kann
man die Hautalterung zum Teil beeinflussen. Nachgewiesen werden konnte
zum Beispiel, dass Retinoide die Differenzierung der Keratinozyten fördern,
die Talgproduktion verringern, unmittelbar antioxidativ und immunmodulatorisch wirken. Vor UV-LichtSchädigungen können Vitamin E und
Carotinoide schützen. Die Referentin
wies jedoch darauf hin, dass kein Lebensmittelbestandteil die Anwendung
von Sonnenschutzmitteln ersetzten
kann.
Ernährungsstatus älterer
Menschen
Seelisch und körperlich gesunde Menschen in Deutschland sind so gut wie
nie mangelernährt. Eine Verschlechterung des Ernährungsstatus fällt fast
immer mit einer Krankheit zusammen, bemerkte PD Dr. Matthias PIRLICH, Charité Berlin. Als Risikofaktoren
für eine Mangelernährung sind folgende Faktoren bekannt: das Alter an sich,
der Bildungsgrad, das Alleine leben,
die Anzahl der eingenommenen Medikamente sowie maligne Erkrankungen. Aktuelle Daten zeigen, dass jeder
vierte ins Krankenhaus aufgenommene Patient mangelernährt ist, bei den
geriatrischen Patienten sogar jeder
zweite. Das Hauptkriterium für eine
krankheits-assoziierte Mangelernährung ist ein signifikanter und unbeabsichtigter Gewichtsverlust verbunden
mit einem Eiweiß- und Nährstoffmangel. Klinische Zeichen sind unter anderem ein deutlich reduziertes Unterhautfettgewebe, hervorstehende Rippen- und Schulterknochen, schlaffe
Haut an Rücken, Bauch und Armen sowie dünne Oberarme und Beine. Bereits in einem frühen Stadium kommt
es zu einer Atrophie der kleinen Handmuskeln.
PIRLICH berichtete über drei Scores
zur Diagnose einer Mangelernährung.
Mittels des Subjective Global Assessment (SGA) kann eine strukturierte
internistische Anamnese bezüglich
Gewichtsveränderungen, Nahrungszufuhr, gastrointestinalen Symptomen
und Leistungsfähigkeit durchgeführt
werden. Dazu kommen einfache körperliche Untersuchungen. Der zweite
Score, der Mini Nutritional Assess-
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ment (NMA), ist speziell für geriatrische Patienten entwickelt worden. Er
berücksichtigt zusätzlich Faktoren wie
Mobilität, akute Krankheit, psychischen Stress oder Lebensmittelauswahl. Als drittes kommt das Nutritional Risk Screening (NRS) zum Einsatz.
Hier werden zunächst vier Fragen gestellt. Nur wenn diese alle mit „ja“ beantwortet werden, folgt eine detailliertere Befragung. Die Laboruntersuchungen sollten sich laut PIRLICH auf
Albumin beschränken, dies sei ein
starker Marker, der immer mit katabolen Prozessen einhergeht.
Appetitlosigkeit im Alter
Mit dem Alter nimmt der Appetit ab
und häufig erschweren auch noch
Kau- und Schluckbeschwerden die
Nahrungsaufnahme. Dies sind die
Hauptursachen für Unterernährung
und Untergewicht im Alter, bemerkte
Prof. Dr. Helmut HESEKER, Fakultät für
Naturwissenschaften, Universität Paderborn. Er stellte einige Ergebnisse
einer Pilotstudie zum Bewegungs- und
Gesundheitszustand von Altenheimbewohnern vor. So hätte die Studie gezeigt, dass jeder Zweite unter mäßigem oder schlechten Appetit oder
Kauproblemen litt sowie Schwierigkeiten hatte, ein Stück Fleisch zu schneiden. Im Mittel verzehrten die Bewohner 1 600 kcal; Senioren, die das Essen
gereicht bekamen, nahmen sogar nur
durchschnittlich 1 100 kcal auf. Mit einer derartig stark reduzierten Nahrungszufuhr sei eine bedarfsdeckende
Aufnahme essentieller Nährstoffe mit
herkömmlichen Lebensmitteln fast
nicht möglich, machte HESEKER deutlich. Entsprechend hätte es bei den Senioren an allen Vitaminen und Mineralstoffen gemangelt.
Problematisch sei auch das fehlende Durstgefühl vieler Senioren. Gerade
ältere Frauen trinken of ab mittags
nichts mehr und hinzu kommen erhöhte Wasserverluste durch ein vermindertes Konzentrationsvermögen
der Nieren. Und auch das Auftreten
von Polymorbiditäten und die damit
zusammenhängende Medikamenteneinnahme haben massiven Einfluss
auf den Appetit. So hätten Untersuchungen gezeigt, dass bei über 65-Jährigen eine regelrechte Dosisabhängigkeit zwischen Medikamenteneinnahme und Appetit besteht. Denn bestimmte Medikamente beeinflussen
das Geschmacksempfinden und können zudem Mundtrockenheit oder
Übelkeit hervorrufen.
Prävention chronischer
Krankheiten im Alter
Die Statistik zeigt, dass Altern kein homogener Prozess ist. Daher sei es sinnvoll zwischen gesunden und kranken
Alten zu differenzieren, machte Prof.
Dr. Ludger PIENTKA, Universität Bochum, deutlich. So hätte eine gesunde
80-Jährige statistisch noch 9 Lebensjahre vor sich, eine kranke nur noch 6.
Ziel präventiver Maßnahmen sollte es
daher sein, das Auftreten chronischer
Krankheiten so lange wie möglich hinauszuzögern – also die Zahl der guten,
aktiven Jahre zu erhöhen. Dieser Ansatz wird auch „compression of morbidity“ genannt. „Wir dürfen nicht nur
den Tod und das Organ betrachten,
sondern müssen Funktion und Lebensqualität als gleichwertige Endpunkte sehen“, brachte es PIENTKA auf
den Punkt. Diesem Ansatz tragen unter anderem die neuen Leitlinien des
Dachverbandes Osteologie Rechnung.
Darin heißt es im Zusammenhang mit
der Osteoporoseprophylaxe: „Empfehlenswert ist [...] eine regelmäßige körperliche Aktivität mit der Zielsetzung,
Muskelkraft und Koordination zu fördern. Eine Immobilisation sollte vermieden werden.“ Manchmal helfen
zudem schon einfache Maßnahmen,
um die Sturzhäufigkeit zu senken, bemerkte PIENTKA. Hierzu zählen die bessere Versorgung alter Menschen mit
Sehhilfen, die Optimierung der häuslichen Umgebung, die Anpassung der
Medikation, Bewegungsübungen und
die Gabe von Vitamin D.
Fazit
Angesichts der demografischen Entwicklung ist das Altern in Gesundheit
ein Thema von besonderer Bedeutung, sowohl für den Einzelnen als
auch für das Gesundheitssystem. Eine
aktive Teilnahme am Leben, körperliche Aktivität und eine bewusste Ernährung können dazu beitragen, dass
man im Alter noch selbstständig und
bei guter Gesundheit den Alltag gestalten kann.
Quelle:
Journalistenworkshop „Altern? – Verschieben
wir’s auf später!“ – Der Alterungsprozess – Ursachen, Einflussfaktoren und Möglichkeiten der
Prävention chronischer Krankheiten. Institut Danone Ernährung für Gesundheit e. V. in Kooperation mit dem Institut für Biomedizin des Alterns,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg, 6./7. Juli 2006, Nürnberg
Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 10
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