„Betriebsoptimierung ist nicht der Versuch, Planungsfehler zu

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Schnittstellen zu Automationssystemen sind bei Neubauten oft die
Grundlage für die Betriebsoptimierung.
© IGS
Experten-Interview
29.03.2010
„Betriebsoptimierung ist nicht der Versuch, Planungsfehler zu vertuschen“
Hoch effiziente Neubauten gibt es inzwischen viele – zumindest auf dem Papier. Ob ein Gebäude sein
Energiesparpotenzial ausschöpft oder vergeudet, entscheidet jedoch erst der Nutzungsalltag. Manchmal kann
schon eine veränderte Betriebsführung den Strom- oder Wärmeverbrauch um bis zu 20% reduzieren. Dieses
immense Potenzial will das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit dem neuen Forschungsbereich
„Energetische Betriebsoptimierung“ (EnBop) sowohl im Bestand als auch bei Neubauten angehen. Stefan Plesser
leitet die Begleitforschung.
Herr Plesser, früher war der Gebäudebetrieb Sache der Hausmeister, heute avanciert er zum
Forschungsthema. Wie kommt es zu diesem Wandel?
In den letzten 30 Jahren haben wir große Fortschritte bei der Reduzierung des Energieverbrauchs unserer
Gebäude gemacht. Der Verbesserung durch Wärmedämmung folgten Isolierverglasung, effizientere
Anlagentechnik, dann das optimierte Zusammenspiel aller Komponenten in integralen Energiekonzepten mit Hilfe
der Gebäudeautomation. Gleichzeitig entwickelte sich die Nutzung und Integration erneuerbarer
Energietechniken rasant. Und dank innovativer Planungswerkzeuge konnten wir die Gebäude mit optimal
ausgelegten Systemen für einen minimalen Energiebedarf konzipieren. Genau an diesem Punkt stellen wir heute
fest: Es läuft nicht alles wie geplant, das Betriebsrisiko steigt. Die Qualität in Planung, Errichtung und Betrieb hat
mit den Anforderungen der komplexer und auch sensibler werdenden Konzepte nicht mitgehalten. Hier setzt der
neue Forschungsbereich an. In EnBop werden Methoden und Werkzeuge entwickelt, die die notwendige Qualität
für eine gute Performance im Betrieb gewährleisten. Dabei nehmen die Forschungsprojekte auch besonderes
kritische Gebäude und Systeme mit spezifischen Qualitätsrisiken im Gebäudebetrieb unter die Lupe.
Im Rahmen Ihrer Monitoring-Projekte haben Sie bereits so manches Gebäude auf die Effizienz seines
Betriebs hin unter die Lupe genommen. Schildern Sie doch mal, was da – unbemerkt - im Argen liegen
kann!
Das Feld reicht von ganz einfachen Bedienungsfehlern bis hin zu komplexen hydraulischen Problemen.
Überhöhte Betriebszeiten und gleichzeitiges Heizen und Kühlen in einer Anlage oder einem Raum sind die
einfachsten Beispiele. Sie bleiben oft lange Zeit unbemerkt, da sie nicht notwendigerweise mit spürbaren
Komforteinbußen verbunden sind. Bei innovativen Konzepten, wie der saisonalen Wärmespeicherung im Erdreich
in Verbindung mit Wärmepumpen, haben wir jedoch auch erhebliche Beeinträchtigungen des Komforts und der
einfachsten Beispiele. Sie bleiben oft lange Zeit unbemerkt, da sie nicht notwendigerweise mit spürbaren
Komforteinbußen verbunden sind. Bei innovativen Konzepten, wie der saisonalen Wärmespeicherung im Erdreich
in Verbindung mit Wärmepumpen, haben wir jedoch auch erhebliche Beeinträchtigungen des Komforts und der
Energieeffizienz bis hin zum Systemausfall festgestellt. Ursachen waren eine fehlerhafte Hydraulik, falsche
Regelungskonzepte und insgesamt eine völlig unzureichende integrale Betrachtung des Gebäudes.
Benötigt man nicht aufwendige Technik und Personal, um den Gebäudebetrieb ausreichend zu
überwachen und zu optimieren?
Grundsätzlich kann man jedem Bauherrn nur empfehlen, bereits in der Planung an den Betrieb zu denken. Viel
Technik bringt nicht immer auch eine hohe Energieeffizienz, aber recht verlässlich erhöhte Betriebskosten.
Ausganspunkt von EnBop ist die Erkenntnis, dass energieoptimierte Gebäude kein Plug&Play erlauben. Sie
brauchen auf Grund der geringeren Leistungsreserven und der komplexeren Regelung eine präzise
Einregulierung und Betriebsoptimierung, um die Anforderungen der Nutzer zu erfüllen und dabei die gesteckten
Effizienzziele zu erreichen. Viele Bauherren missverstehen dies als den Versuch der Planer, ihre Fehler zu
vertuschen. Das ist Unsinn. Die Notwendigkeit der Betriebsoptimierung liegt in den innovativen Technologien und
den hohen Anforderungen an die Energieeffizienz begründet. Gebäudeeigentümer sind deshalb gut beraten, den
Sachverstand der Energieplaner auch im Betrieb zu nutzen. Und die Kosten hierfür liegen im Rahmen des
Baubudgets in der Regel im Promillebereich.
Was muss sich im Planungsalltag und im Gebäudebetrieb ändern, damit Energieeffizienz im Betrieb den
gleichen Stellenwert einnimmt wie in der Planung?
Wir sind an vielen Stellen schon sehr weit. Der integrale Planungsansatz gehört oft zum Standardverständnis für
neue Gebäude und Sanierungen. Im Betrieb können wir durch Monitoring, insbesondere mit Hilfe der
Gebäudeautomation, alle Abläufe genau überwachen. Aber einfach viel Messtechnik einzubauen und regelmäßig
Berichte zu erstellen, ist aus meiner Sicht weder in der Breite umsetzbar noch nachhaltig zielführend. Als
wichtigste Herausforderung erscheint mir die effektive Verknüpfung von Planung und Betrieb.
Welche Rolle kann Ihre Forschung dabei spielen?
In EnBop werden hierzu in verschiedenen Forschungsprojekten ganz unterschiedliche Ansätze verfolgt.
Angefangen von Handbüchern und Planungsleitfäden für innovative Technologien, wie die bereits
angesprochene saisonale Wärmespeicherung, über Optimierungskonzepte für Hochschulen und
Anlagenteststände zur Schulung von Studierenden und Praktikern bis zur Verknüpfung von
Simulationswerkzeugen mit Gebäudeautomationssystemen. Am IGS setzt unser Team besonderes auf den
Energie-Navigator, eine Internet-Arbeitsplattform, mit der wir Gebäudefunktionen in Planung und Betrieb erstmals
automatisch miteinander verknüpfen können. Wir testen dies zurzeit mit einigen Unternehmen in ihren Gebäuden
und können ganz neue Qualitäten in der technischen Betriebsführung erreichen. Diese vielfältigen Innovationen
werden nicht nur helfen, Gebäude noch weiter energetisch zu optimieren, sondern sie werden auch neue
Arbeitsplätze in Ingenieurbüros und im Gebäudemanagement schaffen und die Kenntnisse über
energieoptimierte Gebäude im Betrieb verbessern.
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EnBop ist ein Forschungsbereich der Forschungsinitiative EnOB – Energieoptimiertes Bauen des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) . Das Leitbild der Initiative lautet »Gebäude der
Zukunft«. In den Forschungsprojekten geht es um Gebäude mit minimalem Primärenergiebedarf und hohem
Nutzerkomfort bei moderaten Investitions- und deutlich reduzierten Betriebskosten.
Beispiele aus den Forschungsarbeiten von EnBop enthält das BINE-Themeninfo (I/2010) „Gebäude
energieeffizient betreiben“. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen zeigt es, wie die energetische
Betriebsoptimierung in den verschiedenen Phasen von der Planung über den Bau und die Inbetriebnahme bis
zum laufenden Betrieb verankert werden kann, um den Anspruch der Planung auch in der Realität einzulösen.
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