Konzern Stadt

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„Konzern Stadt“, „Unternehmen Kommune“
Städte, ihre Beteiligungen und Einrichtungen als
Verwaltungs- und Managementeinheit.
Strukturmodell für kommunale Daseinsvorsorge
unter sich verschlechternden
Rahmenbedingungen.
Eine Studie, initiiert vom
„Verbundnetz für kommunale Energie“ (VfkE)
Erarbeitet von Januar bis Oktober 2013 (Redaktionsschluss: 18. Oktober 2013)
Erstmalige öffentliche Vorstellung bei der Jahresveranstaltung
des „Verbundnetz für kommunale Energie“ am 28. Oktober 2013 in Schwerin
Die Erarbeitung der Studie wurde ermöglicht durch die VNG – Verbundnetz Gas AG, Leipzig
1
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlegende Überlegungen zum Erfordernis der Implementierung komplexer und
integrativer Stadtmodelle. Gründe für die Erarbeitung der Studie und Ziele mit
Überlegungen zum Zusammenhang von „Konzern-Stadt“-Konzepten und
Rekommunalisierung.……………………………………………………………………………………….….4
1.1 Ziele der Studie im Zusammenhang mit den Ergebnissen und Schlussfolgerungen aus der
Studie „Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die komplexe strategische und
operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen
Gebietskörperschaft und grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft
Kommunalwirtschaft“ aus dem Jahr 2012…….………………………………………………………………………4
1.2 Gründe für ein ganzheitliches Konzern-Stadt-Verständnis…..……………………………………………….5
1.2.1 Daseinsvorsorge und kommunalwirtschaftliche Betätigung als dazu notwendige
Leistungserbringung – zentraler Aspekt der kommunalen Selbstverwaltung unter sich
verschlechternden Rahmenbedingungen. ................................................................................ 7
1.2.2 Qualifizierung der strategischen Steuerung als zentraler Aspekt der demokratischen
Legimitation ............................................................................................................................... 8
1.2.3 Doppik und Konzern-Stadt-Konzepte ...................................................................................... 10
1.2.4 Konzern-Stadt-Konzepte und Rekommunalisierung ............................................................... 11
2. Das Konzern-Stadt-Konzept……………………………………………………………………………….13
2.1 Kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Konzern Stadt“.
Überlegungen zum Begriff und Versuch einer Arbeitsdefinition………………………………………..13
2.2 Unternehmen Kommune – Organisationsmodelle im Überblick………………………………………..18
2.2.1 Horizontale und vertikale Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens Kommune…………19
2.2.2 Exkurs: Die besondere Rolle der Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) als Schnittstelle
und als Quasi-Holding für dauerhaft verlustbringende wirtschaftliche Betätigungen………….23
2.2.3 Die Errichtung gemeinsamer Service-Einrichtungen zur Bündelung von
Querschnittsaufgaben im Unternehmen Kommune……………………………………………………………26
2.2.4 Beteiligungsmanagement als Schnittstelle zwischen Kommunalpolitik, kommunaler
Verwaltung und kommunaler Unternehmen………………………………………………………………………28
3. Plädoyer für komplexe Kommunalstrukturen für alle Kommunen mit
wirtschaftlicher Betätigung und Beteiligungen unabhängig von deren Größe…….30
4. Beispielhafte Vorstellung von Konzern-Stadt-Konzepten und Holdingmodellen….33
4.1 Potsdam…………………………………………………………………………………………………………………………….34
4.2 Schwerin…………………………………………………………………………………………………………………………...40
4.3. Erfurt…………………………………………………………………………………………………………………………………48
5. Fazit……………………………………………………………………………………………………………………49
6. Bibliographie………………………………………………………………………………………………………50
2
Autoren:
Gliederungspunkte:
Schäfer, Prof. Dr., Michael
Professor für Kommunalwirtschaft,
Hochschule für nachhaltige Entwicklung (FH)
Eberswalde / Herausgeber UNTERNEHMERIN KOMMUNE,
Fachzeitschrift für kommunalwirtschaftliches Handeln
1. / 2.1 / 4. / 5.
Beier, Matthias / Hasse, Felix / Holz, Dagmar / Jahn, Michael
PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Düsseldorf
2.1 / 2.2 / 3. / 5.
3
1. Grundlegende Überlegungen zum Erfordernis der
Implementierung komplexer und integrativer Stadtmodelle.
Gründe für die Erarbeitung der Studie und Ziele mit
Überlegungen zum Zusammenhang von „Konzern Stadt“Konzepten und Rekommunalisierung
1.1 Ziele der Studie im Zusammenhang mit den Ergebnissen und
Schlussfolgerungen aus der Studie „Prämissen zur Erarbeitung von
Regelwerken für die komplexe strategische und operative Steuerung
der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen
Gebietskörperschaft und grundlegende Überlegungen für ein
Pflichtenheft Kommunalwirtschaft“ aus dem Jahr 2012.
Im inhaltlichen Kontext mit dem Jahresthema 2012 des „Verbundnetz für kommunale Energie“ 1 (VfkE) hatte das
VfkE die Studie „Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die komplexe strategische und operative
Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft und grundlegende
Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft“ initiiert. Diese Expertise wurde bei der VfkEJahresveranstaltung am 22. November 2012 in Potsdam erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus der
theoretischen und empirischen Analyse von Corporate Governance Kodizes hatten die Autoren folgende zentrale
Schlussfolgerung gezogen: Es sei zwar schon wegen der Gestaltungshoheit, die dem Grundsatz der kommunalen
Selbstverwaltung innewohnt, legitim, dass Kommunen eigenständige Regelwerke für ihre wirtschaftliche
Betätigung schaffen. Gleichwohl zeige die Wirklichkeit, dass sich diese Betätigungen selbst unter Berücksichtigung
von Unterschieden in den Normierungen der Kommunalverfassungen der Länder nur marginal unterscheiden.
Daraus ergäbe sich das Erfordernis nach Regelwerken, die dieser objektiven Realität Rechnung tragen. Dieser
Anforderung werde die kommunale Regelungspraxis noch nicht ausreichend gerecht. 2
Aus den konstatierten inhaltlichen und methodischen Mängeln leiteten die Autoren einen Vorschlag für eine
konsistente Normierung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung, die „Pflichtenhefte Kommunalwirtschaft“ ab.
Zentraler Gedanke war ein gesamtheitliches Verständnis der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen mit den
grundlegenden Kategorien demokratische Mandatierung und Bürgereigentum.
Folgerichtig war, dass das VfkE aus genau dieser ganzheitlichen Perspektive für 2013 das Jahresthema „Konzern
Stadt. Ganzheitliche Restrukturierungskonzepte für die Modernisierung des kommunalen Verwaltungs- und
Managementprozesses“ formuliert und die vorliegende Studie initiiert hat. Die grundlegenden Zielsetzungen
lauten:





Kritische Auseinandersetzung mit bestehenden „Konzern-Stadt“-Konzepten
Ausmerzung semantischer Unschärfen
Entwicklung einer neuen Begrifflichkeit aus einem ganzheitlichen Verständnis der kommunalwirtschaftlichen
Betätigung im direkten Kontext zu den Pflichtenheften Kommunalwirtschaft
Beweisführung, dass nur mit diesem ganzheitlichen Ansatz die kommunalwirtschaftliche Betätigung der
Zukunft in hoher Effizienz und mit einem weiterhin qualifizierten Angebot von Leistungen der
Daseinsvorsorge gewährleistet werden kann
Darstellung der Effekte, die sich ergeben, wenn das Unternehmen Kommune nach einem ganzheitlichen
Konzept organisiert und gesteuert wird
1 Das VfkE-Jahresthema 2012 lautete wie folgt: „Ziel- und Strategiebestimmung für kommunale Unternehmen.
Optimierungspotenziale aus inhaltlicher, struktureller und organisatorischer Sicht mit Bezug auf „Kommunalwirtschaft 2025“.
Überlegungen für kommunalspezifische Corporate Governance Codizes“
2 Dittmann, Hans-Martin/Pohl, Matthias/Schäfer, Falk/Schäfer, Michael: Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die
komplexe strategische und operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft und
grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft“, S. 43ff
4
1.2 Gründe für ein ganzheitliches „Konzern-Stadt“-Verständnis
Dass die Daseinsvorsorge die zentrale kommunale Aufgabe ist, wird niemand bestreiten. Diese Leistungen
werden in erster Linie durch die kommunalwirtschaftliche Betätigung erbracht 3. Diese Betätigung ist aber
kein singuläres Element, sondern integraler Bestandteil und Voraussetzung der kommunalen
Selbstverwaltung. Diese Einordnung ist der zentrale Grund dafür, sich den Konzern-Stadt als ganzheitliches
Organ zu denken, und eben nicht nur auf die Strukturen außerhalb der Kernverwaltung zu reduzieren.
Integraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung ist die Kommunalwirtschaft in Deutschland unter
folgenden Aspekten:
(1) Die Kommunalwirtschaft ist eine der entscheidenden Kategorien zur Realisierung des Prinzips der
Subsidiarität. Im Grundsatz geht es darum,
Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu
gewährleisten. Danach sollten Aufgaben, Handlungen und Problemlösungen möglichst dort erfüllt
werden, wo dafür die größten Kompetenzen in Sinne von Orts- und Problemkenntnis bestehen. Für den
Bereich der Daseinsvorsorge ist das unstrittig die kommunale Ebene.
(2) Innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung ist die Gewährleistung der elementaren Lebensgrundlagen
zweifellos die wichtigste Aufgabe. Das ist die objektive Begründung für die o.a. Einordnung der
Kommunalwirtschaft.
(3) Zum Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung gehört auch die Organisationshoheit. Insofern sind die
Strukturen der Kommunalwirtschaft und die kontinuierliche Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen
Teil der Selbstverwaltung, strukturell wie aus Sicht der Prozesse.
Kommunalwirtschaft ist aber auch Voraussetzung der kommunalen Selbstverwaltung. Dafür stehen folgende
Gründe:
(1) Kommunale Selbstverwaltung bedarf einer materiellen Grundlage. Ein wesentliches Element sind die
kommunalwirtschaftlichen Strukturen, die Unternehmen und kommunalwirtschaftlichen Verbände mit
ihren Ressourcen und Kapazitäten zur Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen.
(2) Diesem Verständnis entspringt das Konzept vom „Konzern-Stadt“, das die Autoren vorliegender Studie
im Folgenden entwickeln, und das im Kern von einer Vernetzung und Integration der kommunalen und
kommunalwirtschaftlichen Strukturen ausgeht. Dieser ganzheitliche Ansatz ist die Grundlage für eine
deutliche Qualifizierung der kommunalen Selbstverwaltung (höhere Qualität der Leistungen, niedrigere
Kosten, bessere Nutzung der vorhandenen personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen).
(3) Überschüsse aus kommunalwirtschaftlicher Betätigung werden ausschließlich im kommunalen Maßstab
und im Interesse des Gemeinwohls verwendet. Sie sind aus dieser Sicht eine wesentliche Voraussetzung
für die Erfüllung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben.
Das ist die grundlegende und objektive Begründung dafür, dass der „Konzern-Stadt“ nur ganzheitlich
gesehen werden kann. Diese Sicht ist nicht der aktuelle Status quo. Dieses Verständnis muss also entwickelt
werden, und zwar nicht im Sinne eines pragmatischen Postulats. Der ganzheitliche Ansatz hat seine Basis in
der Theorie und der Realität der kommunalen Selbstverwaltung. Wird dieser objektive Zusammenhang
negiert, hat das negative Konsequenzen für die Qualität und die Effizienz der kommunalwirtschaftlichen
Leistungserbringung.
Nicht alle Leistungen der Daseinsvorsorge – als Bestandteile gelten im Allgemeinen Abfallentsorgung, Energieversorgung,
Wasser/Abwasser, ÖPNV, Wohnungswirtschaft, Telekommunikation, öffentliche Sicherheit und Ordnung, Brandschutz,
Rettungswesen, Gesundheitswesen, Altenpflege- und Behindertenhilfe, Kinderbetreuung incl. Schullandschaft, technische und
kulturelle Infrastruktur – sind Gegenstand der kommunalwirtschaftlichen Betätigung. Fakt ist jedoch, dass die Kommunalwirtschaft
die existentiellen Kernaufgaben der Daseinsvorsorge realisiert, und in der Tendenz auch weitere Segmente unternehmerisch
übernimmt. Beleg dafür ist u.a. die Integration von Pflege- und Betreuungsaufgaben in kommunale Unternehmen der
Gesundheitswirtschaft.
3
5
Neben dieser zentralen Begründung für ein ganzheitliches „Konzern-Stadt“-Verständnis gibt es eine Vielzahl
weiterer Aspekte, die diese Sicht bestätigen. Es ist nicht Gegenstand dieser Studie, diesen Kanon in allen
Details darzulegen. Für die folgenden Betrachtungen wollen wir deshalb die aus unserer Sicht wichtigsten
weiteren Gründe nennen und kurz charakterisieren. Für das Erfordernis, das „Unternehmen Kommune“
ganzheitlich zu führen und zu organisieren sprechen erstens die sich verschlechternden
Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, zweitens die dringend gebotene
Qualifizierung der strategischen Steuerung, drittens die Doppik und schließlich viertens die Prozesse der
Kommunalisierung und Rekommunalisierung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung.
6
1.2.1 Daseinsvorsorge und kommunalwirtschaftliche Betätigung als dazu
notwendige Leistungserbringung – zentraler Aspekt der kommunalen
Selbstverwaltung unter sich verschlechternden Rahmenbedingungen
Welche Rolle die Kommunalwirtschaft im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung und
weiteren vergleichbar gravierenden Rahmenbedingungen spielt, wurde in der vom „Verbundnetz für
kommunale Energie“ initiierten und im Herbst 2010 veröffentlichten Studie „Kommunalwirtschaft 2025“
belastbar nachgewiesen.
Diese Expertise der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH) hat unter anderem die
folgenden übergreifenden Aspekte herausgearbeitet: 4
(1) Die Prognose über Herausforderungen und Szenarien, mit denen gerade die Kommunen in den
ostdeutschen Ländern in der Zukunft zu tun haben, darf sich keinesfalls auf die demographischen
Prozesse allein reduzieren. Das Jahr 2025 wurde hier als Fixpunkt einer dynamischen und über diese
Jahreszahl weit hinausreichenden Entwicklung definiert.
(2) Daneben wurden zwei weitere Faktoren bestimmt, die in der analogen Bedeutungsebene zur
Demographie angesiedelt sind: Die sich dramatisch verschlechternde Finanzausstattung der öffentlichen
Haushalte und die energiepolitischen und –wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese sind für die
ostdeutschen Länder und Kommunen wegen des Auslaufens des Solidarpakt II bis 2019 besonders
einschneidend.
(3) Der gravierende Mangel aller aktuellen Diskussionen zur kommunalen Zukunftsgestaltung besteht darin,
dass unter dem Stichwort Herausforderungen regelmäßig nur die demographische Entwicklung –
unvollständig und in ihren Auswirkungen eher zu positiv bewertet – eine Rolle spielt. Dass die zwei
weiteren o.a. Faktoren gerade die negativen Folgen des demographischen Wandels verstärken, und dass
zwischen allen drei Prozessen sehr komplexe Interaktionen stattfinden, hat die politische Diskussion
noch nicht in dem notwendigen Maße erreicht.
(4) Insofern muss aus den Überlegungen zum Zusammenhang von Kommunalwirtschaft und Demographie
einerseits und zu den Erfordernissen einer strukturübergreifenden Zusammenarbeit aus der
kommunalwirtschaftlichen Perspektive andererseits, folgen, den Prozess der Strategiebildung zu
qualifizieren.
(5) Die zentrale Prämisse dazu lautet:
Die kommunalwirtschaftliche Betätigung zur Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge wird vor
allem in strukturschwachen Regionen nicht mehr punktuell durch die einzelnen lokal angesiedelten
Leistungserbringer auf dem derzeitigen Niveau erfolgen können. Die Konsequenz daraus lautet:
Konzentration und strukturübergreifende Zusammenarbeit.
Die drei hier kurz skizzierten zentralen Entwicklungen – Demographie, Finanzausstattung, Energiepolitik –
verschlechtern, zumindest tendenziell, die Rahmenbedingungen für die kommunalwirtschaftliche
Betätigung. Schon die Tatsache, dass diese Entwicklungen im Zusammenhang stehen und interagieren, ist
eine wichtige Begründung für ein ganzheitliches „Konzern-Stadt“-Verständnis. Aber auch die Tatsache, dass
es sich um Prozesse handelt, die in den kommunalen Gebietskörperschaften komplex wirken, belegt, dass
notwendige Anpassungsstrategien nur dann erfolgreich konzipiert und umgesetzt werden können, wenn sie
diese Komplexität umfassend beachten. Das wird nur mit einem ganzheitlichen Ansatz funktionieren.
Stoffels, M./Mudrack, T./Bathke, M.: Kommunalwirtschaft 2025, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH),
Wissenszentrum Kommunalwirtschaft, Eberswalde, (2010).
4
7
1.2.2. Qualifizierung der strategischen Steuerung als zentraler Aspekt der
demokratischen Legimitation
Die kommunalwirtschaftliche Betätigung in ihrer Gesamtheit, also nicht nur das Segment der kommunalen
Unternehmen, muss den Interessen der Bürger der jeweiligen Gebietskörperschaft folgen. Diese Bürger sind
nach dem Verständnis des Autors letztendlich die Eigentümer des kommunalen Vermögens. 5
Die konsequente Beachtung der Eigentümerfunktion als zentrale Kategorie ist auch die inhaltlichmethodische Grundlage für die Etablierung der Strukturen zur strategischen Führung des Konzern-Stadt in
Gänze und der einzelnen Einheiten im Konkreten. Dazu sind vor allem die folgenden Aspekte von Bedeutung:
(1) Die objektiven Interessen aller Bürger einer kommunalen Gebietskörperschaft an der
Kommunalwirtschaft werden im Regelfall nicht individuell artikuliert und repräsentiert. Dies geschieht
vielmehr über die Mandatierung von Repräsentanten im Ergebnis demokratischer Wahlen zu Kreis-,
Stadt- und Gemeindevertretungen. Diese Gremien sind für die Führung der Kommunalwirtschaft die
wichtigste Instanz.
(2) Die Anerkennung der erstinstanzlichen Bedeutung und der Allzuständigkeit dieser demokratisch
legitimierten Gremien ist die Grundlage für die Etablierung von Folgestrukturen, die immer im direkten
Kontext zur Erstinstanz gesehen werden müssen. Solche Folgestrukturen sind Aufsichtsgremien, die im
Regelfall je Unternehmen gebildet werden. Die alleinige Verantwortung für die Etablierung dieser
Folgegremien und deren Besetzung muss in der dargelegten inhaltlich-methodischen Logik bei den von
allen Bürgern legitimierten erstinstanzlichen Gremien liegen. Nur auf diese Weise ist eine lückenlose
Legitimationskette von der Urwahl zu den Basisgremien bis hin zur strategischen Führung der einzelnen
Unternehmen gewährleistet.
(3) In diesen lückenlosen Mandatierungsprozess müssen auch die Gremien integriert werden, die in
privatrechtlich strukturierten kommunalen Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben sind. In erster Linie
sind das die Gesellschafterversammlungen in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und die
Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften. Auch hier geht es in erster Linie um die geschlossene
Legitimationskette.
(4) Für alle Demokratieebenen – vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen – gilt die zunehmende
Forderung, die Strukturen und Funktionalitäten der repräsentativen Demokratie durch Formen der
direkten Bürgermitwirkung zu ergänzen. In diesem Sinne müssen auch für den Bereich der strategischen
Führung kommunaler Unternehmen Konzepte entwickelt werden, wie der Bürger als Miteigentümer
stärker auch direkt und ergänzend zu den mandatierten Formen in diese Prozesse einbezogen werden
kann. Es liegt auf der Hand, dass die direkte Bürgermitwirkung maßgeblich auch das
Eigentümerbewusstsein stärkt. Und dies wiederum verhindert, dass Bürger subjektive Interessen an
kommunale Unternehmen adressieren, die zu ihren objektiven Eigentümerinteressen im eklatanten, oft
sogar antagonistischen Widerspruch stehen.
(5) Auch die Rolle des Beteiligungsmanagements, angesiedelt in den kommunalen Kernverwaltungen,
bedarf im Kontext mit der strategischen Führung und Kontrolle kommunaler Unternehmen einer
gesonderten Betrachtung. Die verwaltungsinternen Strukturen zur operativen Steuerung und Kontrolle
der kommunalen Unternehmen sind nicht Teil der oben skizzierten Legitimationskette. Vielmehr
erfüllen sie für den mandatierten Steuerungs- und Kontrollprozess eine Dienstleistungsfunktion mit
Schwerpunkten wie Informationssammlung, -aufbereitung, objektivierte Vorbereitung von
Gremienentscheidungen und Organisation des Zusammenwirkens der Unternehmen der
Kommunalwirtschaft. Damit diese Funktionen unter Berücksichtigung der limitierten
5 Im engen Sinne ist natürlich die Kommune als juristische Person Eigentümerin. Aus einer gesellschaftspolitischen Perspektive aber
sind es die Bürger des jeweiligen Gemeinwesens.
8
Verwaltungsressourcen qualifiziert ausgeübt werden können, bedarf es inhaltlich-struktureller Vorgaben
der mandatierten Gremien.
Die dargelegten Ziel- und Strukturüberlegungen sind grundlegender Natur und basieren auf dem Primat der
Eigentümerkategorie im Maßstab der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft. Für diese Ebene müssen
daraus konkrete Regelwerke abgeleitet werden.
Dass das derzeitige Niveau der strategischen Steuerung insgesamt als deutlich verbesserungsfähig
bezeichnet werden muss, hat im falschen, weil vor allem sektoralen und allein auf die externen Strukturen
focussierten „Konzern-Stadt“-Verständnis eine zentrale Ursache. Die strategische Steuerung hat im Gefolge
nicht die Kommune in Gänze, sondern nur Teilbereiche zum Gegenstand. Mit dieser eingegrenzten, z.B. nur
auf die Spezifika eines Stadtwerkes oder einer Wohnungsgesellschaft, gerichteten, Formulierung von Zielen
werden die objektiv bestehenden Wechselbeziehungen im Gesamtsystem Kommune negiert. Die für das
Einzelunternehmen plausible strategische Vorgabe ist ggfls. kontraproduktiv zur übergreifenden
Orientierung für das Unternehmen Kommune in Gänze. Der Autor plädiert auch deshalb für Gremien am
Beginn der demokratischen Legimitationskette, die verbindliche strategische Vorgaben für das Unternehmen
Kommune in seiner Gesamtheit formulieren. 6
Dittmann, Hans-Martin/Pohl, Matthias/Schäfer, Falk/Schäfer, Michael: Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die
komplexe strategische und operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft und
grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft“, S. 51ff
6
9
1.2.3 Doppik und Konzern-Stadt-Konzepte
Im kameralen Rechnungswesen mussten Kommunen ihre Entscheidungen auf einer unzureichenden
Planungs- und Informationsbasis treffen. Wichtige Informationen – zum Beispiel über das Ausmaß der
ansteigenden Pensionsverpflichtungen oder den Wertverlust von Vermögen - fehlen im kameralen System.
Hier schafft die Doppik die notwendige Haushaltstransparenz. Hinzu kommt ein zweiter Aspekt: Im Zuge der
schwieriger werdenden Finanzlage sind viele Kommunen dazu übergegangen, bestimmte Teile des Haushalts
aus dem Kernhaushalt auszulagern. Inzwischen werden schon mehr als 40 Prozent der öffentlichen
Investitionen und Schulden nicht mehr im Kernhaushalt erfasst. Entstanden sind also fragmentierte
Haushalte, die einen Gesamtüberblick nahezu unmöglich machen. Mit der Einführung der Doppik wird genau
das Gegenteil erreicht: konsolidierte „Konzernbilanzen“, die ausgelagerte Einheiten wieder einbeziehen. Mit
der durchgehenden Einführung des doppischen Systems entsteht so ein transparentes Bild für das
„Unternehmen Kommune“. Die Vorzüge der Doppik im Vergleich zur traditionellen Verwaltungskameralistik
liegen auf der Hand: Kommunen, die dieses Buchungssystem nutzen, erhalten einen genaueren Überblick
über das vorhandene Vermögen, die Schuldenlast und über den Wert der kommunalen Leistungen. Damit
können finanzielle Spielräume exakt bestimmt und strategische Schwerpunkte genauer gesetzt werden. Die
Kommunen erhalten damit die Chance, verantwortungsvolle Finanzentscheidungen zu treffen – sowohl
gegenüber der heutigen als auch gegenüber künftigen Generationen. Drei wesentliche Vorteile sprechen für
das doppische Haushalts- und Rechnungswesen: Transparenz, Generationengerechtigkeit und
Steuerungsoptimierung. 7
Der Zusammenhang zu dem hier dargelegten ganzheitlichen „Konzern-Stadt“-Konzept liegt auf der Hand: Die
Einführung der Doppik ist zum einen die Voraussetzung für die ganzheitliche ökonomische Analyse einer
kommunalen Gebietskörperschaft. Ohne Doppik bleibt das Konzept Makulatur. Zum anderen ist die Doppik,
und die mit ihr zu treffenden objektiven ökonomisch-fiskalischen Bestandsaufnahmen ein wesentlicher
Bestandteil der strategischen Steuerung des „Unternehmen Kommune“. Ohne Doppik ist es unmöglich,
ökonomische Ziele und Parameter zu formulieren, die nicht nur den einzelnen Gegenstand oder Teilbereiche
der wirtschaftlichen Betätigung erfassen, sondern das Gesamtgeschehen in seiner Komplexität und mit allen
Wechselwirkungen.
Vgl. „Zukunftsfähiges Wirtschaften in einem demokratischen Gemeinwesen auf der Basis vergleichbarer doppischer Haushalte“,
Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh, 2008, S. 3 und S. 8
7
10
1.2.4 „Konzern-Stadt“-Konzepte und Rekommunalisierung
Nachhaltigkeit, Daseinsvorsorge, Effizienz und demokratische Kontrolle – das sind die vier Säulen einer
neuen Kommunalwirtschaft. Vor diesem Selbstverständnis vollzieht sich der Prozess der Kommunalisierung
und Rekommunalisierung. Er ist weit mehr als der Pendelausschlag in die andere Richtung nach der
Privatisierungsphase der 90er Jahre. Er zeigt das Bewusstsein, dass ethisches Wirtschaftshandeln strategisch
ohne Alternative ist.
Zentrale Aspekte sind:
(1) Verbindung der kommunalen Aufgabenträgerschaft und Verantwortung für die Daseinsvorsorge mit
der Eigentümerfunktion und dem damit verbundenen komplexen Steuerungsauftrag 8
(2) Nachhaltige Stärkung des Wettbewerbs gerade auf den oligopolisierten Versorgungsmärkten
(3) Corporate Social Responsibility als Wesen von wirtschaftlicher Betätigung (nicht als Marketingidee zur
Kaschierung von Verantwortungsdefiziten)
(4) Korrektivfunktion gegenüber einer hemmungslos nach Profit strebenden globalen Wirtschaft,
insbesondere der Finanzwirtschaft
(5) Verbindung von Ökonomie und Demokratie auf der basisdemokratischen Ebene der Kommune als
Modell und Impulsgeber für mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen des Staates
Dass gerade unter diesen Aspekten alle Kommunalisierungs- und Rekommunalisierungsprozesse mit einer
enormen Verantwortung für die kommunalen Unternehmen und deren Eigentümer verbunden sind, wird
von Naumann thematisiert: „Auch rekommunalisierte Unternehmen sind gezwungen, auf aktuelle
Herausforderungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie etwa den Investitionsstau bei Modernisierung und
Sanierung, den demographischen Wandel, den Klimawandel oder auch die Ausdifferenzierung der Nachfrage
nach öffentlichen Dienstleistungen, Antworten zu finden. Anhand der Bewältigung dieser
Herausforderungen muss sich der Mehrwert öffentlicher Unternehmen beweisen.“ 9
Der Prozess von Kommunalisierung/Rekommunalisierung ist wie folgt zu definieren: 10
Übernahme der vollen kommunalen Verantwortung in ihrer Einheit aus Aufgabenträgerschaft und
Leistungserbringung für alle oder einzelne Bereiche der Daseinsvorsorge auf der Grundlage und zur vollen
Durchsetzung des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung. Dabei geht es zum einen um die Ersetzung der
privaten durch die kommunale Aufgabenerledigung im Kontext mit einem Eigentumsübergang
(Rekommunalisierung), zum anderen um die erstmalige Aufgabenerledigung in kommunaler Trägerschaft,
die bisher nicht Gegenstand der kommunalwirtschaftlichen Betätigung war (Kommunalisierung).
Ebenen der Kommunalisierung/Rekommunalisierung sind:
In: Sandberg, B./Lederer, K., ebenda, Naumann,M., S. 77: Naumann schreibt, es bestehe die Möglichkeit, mit kommunalen
Unternehmen Städte zu entwickeln und führt weiter aus: „Die Potenziale kommunaler Unternehmen für die Realisierung von
gesellschaftspolitischen Zielen sind jedoch auch damit verbunden, dass unterschiedliche Interessengruppen Ansprüche an
kommunale Unternehmen formulieren. Dazu zählen: Strukturpolitische Ziele, sozialpolitische Ziele, haushaltpolitische Ziele,
demokratiepolitische Ziele, beschäftigungspolitische Ziele, umweltpolitische Ziele, verbraucherpolitische Ziele, lokaler Zusammenhalt
und Identifikation.“
9 In: Sandberg, B./Lederer, K., S. 78.
10 Eigene Definition des Autors, sh. „Grundlagen der Kommunalwirtschaft“, Eberswalde, 2012, S. 290
8
11
(1) Die singuläre, aufgabenbezogene Rekommunalisierung (z.B. im Zusammenhang mit dem Auslaufen von
Konzessionsverträgen)
(2) Die komplexe Rekommunalisierung für mehrere Bereiche der Daseinsvorsorge (z.B. der Gesamtbereich
der Energieversorgung)
(3) Die gesellschaftspolitische Rekommunalisierung (Aufgabenträgerschaft und Leistungserbringung
werden ergänzt durch zusätzliche Elemente der Bürgerbeteiligung und –mitwirkung, wie direkte
Eigentumsbeteiligung)
Der Zusammenhang zwischen dem Prozess von Kommunalisierung und Rekommunalisierung ist vorstehend
von Sandberg/Lederer ebenso pointiert wie zutreffend beschrieben worden: Es geht um die Verbindung der
kommunalen Aufgabenträgerschaft und Verantwortung für die Daseinsvorsorge mit der Eigentümerfunktion
und dem damit verbundenen komplexen Steuerungsauftrag. Kommunalisierungen und
Rekommunalisierungen erweitern den Umfang der kommunalen Leistungserbringung im Bereich der
Daseinsvorsorge. Dieser Zuwachs in der kommunalwirtschaftlichen Betätigung geht einher mit
zunehmenden Anforderungen an die Qualität der Steuerung. Dabei geht es, auch hier sei auf
Sandberg/Lederer Bezug genommen, nicht nur um die reine Leistungserbringung, sondern um „die
Möglichkeit, mit kommunalen Unternehmen Städte zu entwickeln“.
12
2. Das „Konzern-Stadt“-Konzept
2.1 Kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Konzern-Stadt“.
Überlegungen zum Begriff und Versuch einer Arbeitsdefinition
Im Zuge der Modernisierung der kommunalen Verwaltung wurden in den letzten Jahren vor allem Bereiche
der wirtschaftlichen Betätigung in privatrechtliche Unternehmen ausgegliedert, da die Aufgabenerledigung
außerhalb der Verwaltung bis zu einem gewissen Grad für politische und administrative Akteure
wirtschaftlicher und attraktiver erscheint. Das dadurch entstandene Konstrukt wird sowohl in der Literatur
als auch im praktischen Sprachgebrauch häufig als „Konzern Stadt“ bezeichnet. Dieser Begriff verbirgt
allerdings mehr als dass er tatsächlich klärt oder verdeutlicht, was mit dieser Verwaltungsreform tatsächlich
intendiert ist.
Die Vorstellung der Autoren vorliegender Studie, dass Verwaltung und kommunale Unternehmen
zusammengehören und gemeinsam einen komplexen Organismus bilden – schon an dieser Stelle wird
deutlich, dass dafür die Bezeichnung Konzern problematisch ist - wird bisher nur von wenigen Akteuren
geteilt. Der Begriff Konzern-Stadt steht
vielmehr, wie eingangs angemerkt, zumeist für
betriebswirtschaftliches Management, Ausgliederung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Dienste
sowie für die Zersplitterung des kommunalen Sektors. Arbeitnehmer in diesen Strukturen verbinden damit
auch einen Verlust an Arbeitsplatzsicherheit, sowie die Herauslösung aus den Tarifstrukturen und
Arbeitsbedingungen des öffentlichen Sektors und der einheitlichen Vertretung. In der Politik oder innerhalb
der Verwaltung ist der Konzerngedanke weniger verbreitet. Dieses Leitbild wird in erster Linie von
Führungskräften der Unternehmen und den obersten Entscheidungsträgern der Verwaltung geteilt. 11
In den Städten gibt es weder einen einheitlichen Konzernbegriff, noch wird das gleiche Konzernmodell
angewandt. Manche Städte verstehen unter dem Konzern die Summe aus Kernverwaltung, öffentlichen
Betrieben und privatrechtlich geführten Gesellschaften. Andere wiederum kennzeichnen mit dem Begriff
Konzern vor allem ihre privatrechtlich geführten Unternehmen. Öffentlich-rechtliche Betriebe zählen
entweder zur Kernverwaltung, bilden eine eigene Sparte oder werden dem Bereich ausgelagerter Betriebe
und Unternehmen zugeschlagen. Damit verfährt jede Stadt anders. Auch in der Literatur gibt es
verschiedene Definitionen zum Begriff „Konzern-Stadt“. 12
Als Grundlage für diese Studie ist allerdings ein einheitliches Verständnis dieses Begriffes notwendig. Dazu ist
es zunächst erforderlich, im Folgenden verschiedene Definitionen darzulegen und zu vergleichen, um daraus
den Vorschlag für eine neue Arbeitsdefinition, ja sogar für eine neue Begrifflichkeit abzuleiten.
Laut einer Broschüre von ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) ist das Ziel dieses „Konzerns“ die
Sicherung und Herstellung kommunaler Steuerungsfähigkeit. Der „Konzern“ ist für Kommunen die mehrere
öffentliche Aufgaben ausgelagert und privatisiert haben, als Steuerungsmodell interessant, da es verspricht
in verschiedenen institutionellen Formen organisierte öffentliche Aufgaben steuern zu können. Ein
„Konzern“ ist als ein typisches Organisationsmodell für größere Unternehmen geeignet, mit welchem
Tochtergesellschaften und sonstige Beteiligungen gesteuert werden können. Der „Konzern-Stadt“ setzt sich
aus der Kernverwaltung, den öffentlich-rechtlichen Betrieben, den privatrechtlich geführten Unternehmen
und Unternehmensbeteiligungen zusammen. Zur Steuerung der Töchter und Unternehmensbeteiligungen
eignet sich ein Beteiligungsmanagement, welches von den größten Kommunen in Deutschland bereits
eingerichtet wurde. Weiterhin sagt ver.di, dass es ein noch nicht bewältigtes Problem sei, dass im besagten
„Konzern-Stadt“ die politischen und manageriellen Regelungsstrukturen der Kernverwaltung, der öffentlichrechtlichen Betriebe und privater Unternehmen präsent sind und diese miteinander nicht kompatibel sind.
11
12
Public Governance kommunaler Unternehmen, Wolfram Bremeier, Hans Brinckmann, Werner Killian
Steuerung und Mitbestimmung im Konzern Stadt, ver.di
13
Dieses Problem scheint eine große politische und managerielle Entwicklungsaufgabe zu sein, die nur
längerfristig lösbar zu sein scheint. 13
Rudolf X. Ruter und Sophia Eltrop haben sich in ihrer Studie mit dem Portfoliomanagement für den Konzern
Stadt auseinandergesetzt. Danach ist der "Konzern-Stadt“ eine Zusammenfassung von mehreren
Verantwortungszentren sowie rechtlich selbständigen Unternehmen und Eigenbetrieben zu einem Portfolio,
welches von einer einheitlichen Leitung geführt wird. Der Begriff „Portfolio“ bezieht sich dabei auf die
Vielfalt der Verantwortungszentren in der Ausführungsebene. Der Begriff „Konzern“ impliziert, dass es nur
eine zentrale Steuerungs- und Koordinationsebene gibt, welche ein geregeltes, distanziertes Verhältnis zur
Ausführungsebene hat. Typischer Weise ist das Portfolio in einem Konzern untergeordnet. Den Betroffenen
ist jedoch ein hohes Mass an Selbständigkeit erlaubt und sogar vorgeschrieben. Laut Ruter und Eltrop sind
diese internen Prozesse aus Sicht der Bürger zunächst nicht interessant. Sie können den Begriff „Konzern“
schwer greifen. Denkbar sei jedoch die Übertragung des populären Begriffs „Share Value“ zum „Citizen
Value“. Diese Sichtweise spricht das Selbstverständnis eines Bürgers nicht nur als Kunde sondern als
‘Anteilseigner’ am Unternehmen Stadt an. Somit hat der Bürger dann Anspruch auf maximalen Citizen Value
statt Share Value Maximierung. Weiterhin sagen Ruter und Eltrop, dass der Konzernbegriff aus Sicht der
Leistungskäufer und –finanzierer sehr hilfreich sei, da sein Ziel gemäß Aktienrecht die planmäßige
Koordination der Konzernbeteiligungen sei und, dass ein wesentlicher, das Gesamtbild des Konzerns
entscheidend prägender, Einfluss vorhanden ist. Das entspricht der Beschränkung der Politik und der
Verwaltungsspitze auf die Aufgabe als planmäßiger Leistungskäufer und -finanzierer im Hinblick auf ein
Gesamtbild der Stadt in den so genannten „Neuen Steuerungsmodellen“. Zwecks Erhaltung dieses
Gesamtbildes ist eine gezielte Komplexitätsreduzierung erforderlich, die über ein Modell erfolgen sollte, das
geeignet ist, sich an Veränderungen anzupassen und somit auch längerfristig als Instrument der
Entscheidungsvorbereitung genutzt werden kann. In diesem Modell wird die Stadt als Konzern dargestellt,
bestehend aus einer Leitungsebene, die ein Portfolio von Konzernbeteiligungen koordiniert. Daher sind
Konzern und Portfolio zusammenhängende Begriffe. 14
Nach Wilhelm Bornhalm und Arnold Wolf, betitelt der Begriff „Konzern-Stadt“ eine grundlegende
Neuverteilung der Rollen und Funktionen von Rat, Verwaltungsführung, Querschnittsämtern und
Fachämtern durch die folgenden Gestaltungselemente:
 Steuerung durch Zielvorgaben und somit Abkehr von der traditionellen Input-Steuerung
 Dezentrale Organisation der Kommunalverwaltungen und damit verbunden eine dezentrale Ressourcen, aber auch Ergebnisverantwortung
 Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente
Außerdem soll durch das Modell „Konzern-Stadt“ angestrebt werden, dass die Kommunen:







Bürgerorientierte Produkte offerieren
Interne Bürokratie vermindern und Verwaltungsabläufe optimieren
Sich mit Hilfe von marktwirtschaftlichen Mechanismen wirtschaftlich weitgehend selbst steuern
Klare Verantwortlichkeit benennen
Eine konsequente strategische Betriebsplanung implementieren
Finanzmittel effektiv nutzen und die Wirtschaftlichkeit steigern
Für umfassende Transparenz sorgen
Aus den Fachämtern der Kommunalverwaltung werden eigenständige, teilautonome Betriebseinheiten
gebildet, die mit Hilfe der bereits erwähnten Steuerungsmechanismen durch die Verwaltungsführung
13
14
Steuerung und Mitbestimmung im Konzern Stadt, ver.di
Portfoliomanagement für den Konzern Stadt, Rudolf X. Ruter und Sophia Eltrop
14
geleitet werden. Diese Verselbstständigung bietet den Betrieben die nötigen Handlungsspielräume, die eine
effiziente und effektive Aufgabenerfüllung ermöglichen sollen. 15
Wolfram Bremeier, Hans Brinckmann und Werner Killian widmen sich in ihrer Arbeit „Public Governance
kommunaler Unternehmen“ überwiegend der Steuerung eines solchen kommunalen Konzerns. Nach
Auffassung dieser Autoren bezeichnet die Sprachform „Konzern-Stadt“ ein verwaltungspolitisches Leitbild.
Das Ziel dessen ist die Neuorientierung öffentlichen Handels und die Stärkung des Gedankens vom
Zusammenhang von Verwaltung und aus der Verwaltung ausgegliederter kommunaler Unternehmen.
Weiterhin erfordert die Verwirklichung dieses Leitbildes eine Neujustierung der demokratischen Strukturen
und strategischen Entscheidungswege sowie der Steuerungs-, Kontroll- und Koordinationsstrukturen. In
diesem Zusammenhang werden Beteiligungsmanagement und –controlling als Verwaltungsaufgabe entdeckt
oder in der Bedeutung gestärkt. 16
Nun zum Vergleich der genannten Definitionen: Im Grunde kann man aus den oben genannten Definitionen
schließen, dass der Grundgedanke des „Konzern-Stadt“ von allen Autoren im Grundsatz ähnlich erfasst und
dargestellt wird. Der wesentliche Unterschied betrifft die Frage, welche Strukturen dem Konzern zugeordnet
werden. Zum einen gibt es die Auffassung, dass zum „Konzern-Stadt“ nur die ausgelagerten, in erster Linie
privatrechtlich organisierten kommunalen Aufgabenbereiche gehören. Aus dieser Sicht leiten die Autoren
folgenden Grundgedanken ab: Im Zuge der Modernisierung der kommunalen Verwaltung kommt es
zunehmend zu einer Ausgliederung ihrer Aufgaben in privatrechtliche Unternehmen. Da die
Organisationsform Konzern verspricht in verschiedenen institutionellen Formen organisierte öffentliche
Aufgaben steuern zu können, eignet es sich als Steuerungsmodell für Kommunen die mehrere öffentliche
Aufgaben ausgelagert und privatisiert haben.
Zum anderen gibt es die Sicht, dass sich der „Konzern-Stadt“ aus der Kernverwaltung, den öffentlichrechtlichen Betrieben, den privatrechtlich geführten Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen
zusammensetzt. Daraus wird gefolgert, dass die Bildung eines solchen Konzerns eine grundlegende
Neujustierung der demokratischen Strukturen und strategischen Entscheidungswege sowie der
Steuerungs-, Kontroll- und Koordinationsstrukturen erfordert. Dazu gehört auch die Etablierung eines
Beteiligungsmanagements.
Diese ganzheitliche Sicht auf den ökonomischen Organismus Kommune vertreten auch die Autoren der
Studie „Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die komplexe strategische und operative Steuerung
der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft“ 17 Sie setzen sich kritisch mit
vorliegenden Konzepten für Corporate Governance Kodizes auseinander und bemängeln, dass diese fast
immer nur für die ausgelagerten, privatrechtlichen Einheiten der kommunalwirtschaftlichen Betätigung
formuliert werden. Stattdessen fordern die Autoren Normierungen, die der ganzheitlichen und komplexen
Existenzform der kommunalwirtschaftlichen Betätigung unter ausdrücklichem Einschluss der dafür
gegebenen demokratischen Legimitationskette gerecht werden und formulieren dafür grundlegende
Prämissen. 18
Der Gemeindehaushalt, Grundzüge eines Controlling-Konzeptes für das Modell „Konzern-Stadt“, Wilhelm Bornhalm und Arnold
Wolf
16 Public Governance kommunaler Unternehmen, Wolfram Bremeier, Hans Brinckmann und Werner Killian
17 Dittmann, Hans-Martin/Pohl, Matthias/Schäfer, Michael/Schäfer, Falk: Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die
komplexe strategische und operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft.
Grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft. Berlin, Oktober 2012
Diese Studie wurde vom „Verbundnetz für kommunale Energie“ initiiert und auf der Jahresveranstaltung dieses Diskussionsforums
am 22. November 2012 in Potsdam erstmals vorgestellt.
18 Ebenda, S. 46ff
15
15
Gleichzeitig stellen sie fest, dass der Begriff „Corporate Governance Kodizes“ wegen seiner semantischen
Unschärfen und einem in Wissenschaft und Praxis unterschiedlichem Verständnis für ein komplexes
Regelwerk zur strategischen und operativen Steuerung der Kommunalwirtschaft nicht mehr verwendbar
ist. 19 Vorgeschlagen und definiert wird der neue Begriff „Pflichtenheft Kommunalwirtschaft“ 20, und damit im
Zusammenhang wird eine Mustergliederung für solche Pflichtenhefte vorgeschlagen. 21
Das Konzept „Pflichtenhefte Kommunalwirtschaft“ hat die ganzheitliche und komplexe wirtschaftliche
Betätigung einer kommunalen Gebietskörperschaft zum Gegenstand, in erster Linie deren Steuerung.
Folgerichtig müsste in Relation dazu die Gesamtheit dieser wirtschaftlichen Betätigung begrifflich gefasst
werden. Dass dafür der Begriff „Konzern-Stadt“ nicht geeignet ist, war vorangegangen gezeigt worden.
Deshalb wird stattdessen der neue Begriff „Unternehmen Kommune“ vorgeschlagen und die folgende
Arbeitsdefinition zur Diskussion gestellt:
Mit dem Begriff „Unternehmen Kommune“ (anstelle von „Konzern-Stadt“) wird im Folgenden die
Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde, einschließlich der Managementfunktionen in
der Kernverwaltung, erfasst. Der Begriff betrifft somit die ökonomische Existenzform dieser kommunalen
Gebietskörperschaft als Gesamtheit aller wirtschaftlichen relevanten Prozesse in der Verwaltung und
allen weiteren kommunalen Beteiligungen und Einrichtungen einschließlich der Mitgliedschaft in
wirtschaftlich tätigen Verbänden. Wesentlicher Aspekt ist die Ganzheitlichkeit der wirtschaftlichen
Prozesse unabhängig von ihrer Ansiedlung in konkreten Strukturen. Daraus unmittelbar abgeleitet sind die
Erfordernisse zu einer ebenfalls ganzheitlichen und komplexen Steuerung dieser Prozesse, zur Vernetzung
von Managementfunktionen, zu einer ganzheitlichen ökonomischen Bewertung unter Anwendung der
Doppik und zu einer konsistenten Prozessorganisation.
Zentrale Ziele einer konsistenten Prozessorganisation sind in erster Linie folgende:
Erstens wird damit die Voraussetzung geschaffen, den Gesamtprozess der wirtschaftlichen Betätigung
durch den Eigentümer einheitlich strategisch zu steuern.
Zweitens geht es um die Erschließung von Synergiepotenzialen vor allem durch die Etablierung horizontal
und vertikal vernetzter Cluster-Konzepte wie beispielsweise bei IT, dem Fuhrparkmanagement, dem
Personalmanagement, dem Immobilienmanagement, dem Cash-Management, dem Risikomanagement
oder dem Schuldenmanagement. Diese Effekte können durch die Etablierung von Holdingstrukturen
befördert werden. Diese Einheiten, Mutter- und Tochtergesellschaften sind im Sinne der vorgeschlagenen
Arbeitsdefinition nicht der „Konzern-Stadt“, sondern Teil des Unternehmen Kommune. Dieser Begriff wird
als ein Fazit der Studie vorgeschlagen, um die Mängel der bisherigen Konzern-Stadt-Definition zu
beseitigen und sich davon auch semantisch abzugrenzen.
Diese inhaltliche Begriffsbestimmung weicht ab vom derzeit gängigen Verständnis, in dem der „KonzernStadt“ im Rahmen des „Neuen Steuerungsmodells“ in erster Linie die Steuerung kommunaler
Beteiligungen und Einrichtungen betrifft. Deren Ziel besteht darin, die verselbständigten Teile der
Kommune, gemeint sind die im Regelfall privatrechtlich organisierten Beteiligungen, als Einheit
aufzufassen, die einem gemeinsamen Unternehmensziel verpflichtet sind und deren unterschiedliche
Potenziale im Sinne dieser Zielsetzung koordiniert werden müssen. Als Konzernzentrale im Sinne des
privatwirtschaftlich geprägten Begriffs fungiert regelmäßig eine Managementholding.
Diese vorstehend vorgeschlagene Arbeitsdefinition grenzt sich von dem derzeit in der Literatur verwendeten
semantisch unscharfen und auch unterschiedlich definierten Begriff „Konzern-Stadt“ aus folgenden Gründen
ab:
Dieses Argumentationsmuster ist identisch mit dem der Autoren vorliegender Studie. Diese kommen nach der kritischen
Auseinandersetzung mit dem Begriff „Konzern Stadt“ ebenfalls zu der Schlussfolgerung, dass dieser Begriff nicht mehr geeignet ist,
die ganzheitliche ökonomische Existenz einer kommunalen Gebietskörperschaft abzubilden. Deshalb wird im weiteren Verlauf dieser
Studie im Kontext mit dem Vorschlag einer Arbeitsdefinition im Punkt 2.1 der neue Begriff „Unternehmen Kommune“ vorgeschlagen.
20 Ebenda, S. 51ff
21 Ebenda, S. 55ff
19
16
Erstens, weil die gängigen „Konzern-Stadt“-Konzepte ein privatwirtschaftliches Modell unkritisch auf die
Ebene einer kommunalen Gebietskörperschaft übertragen. Diese unterscheidet sich aber von der
Privatwirtschaft dadurch, dass sie sich wirtschaftlich nicht in erster Linie mit dem Ziel betätigt, Gewinne zu
generieren, sondern die Aufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen.
Zweitens, weil die implizierte Steuerung durch eine Konzernholding negiert, dass die Steuerung, jedenfalls
die strategische Ausrichtung, demokratisch mandatiert durch den Stadtrat und die daraus formierten
Aufsichtsgremien erfolgen muss. Diese Steuerung betrifft aber nicht nur die Beteiligungen, sondern die
Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigung der kommunalen Gebietskörperschaft.
Drittens, weil die bisherige „Konzern-Stadt“-Definition negiert, dass die wirtschaftliche Betätigung sowohl
Teil als auch Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung, und deshalb nicht auf privatrechtliche Strukturen
reduziert werden kann.
Viertens, weil die tradierte „Konzern-Stadt“-Vorstellung das Erfordernis einer Herauslösung aller
wirtschaftlichen Aktivitäten aus der Kernverwaltung als Erfordernis postuliert, um wettbewerbliches Handeln
einer Kommune überhaupt erst zu ermöglichen. Diese Sicht negiert, dass wesentliche Bereiche der
Daseinsvorsorge und damit der wirtschaftlichen Betätigung per se gar nicht dem Wettbewerb unterliegen,
wie beispielsweise der Brand- und Katastrophenschutz, bzw. infolge von Marktversagen nicht
wettbewerblich ausgeübt werden können. Gerade unter diesem Aspekt dient das in der formulierten
Arbeitsdefinition dargelegte ganzheitliche Verständnis im Maßstab der Gemeinde auch dazu, die Prozesse
mit höchstmöglicher Effizienz zu organisieren, was nicht zwingend eine Wettbewerbssituation voraussetzt.
17
2.2 Unternehmen Kommune - Organisationsmodelle im Überblick
Kommunen unterliegen seit einiger Zeit umfassenden Transformationsprozessen, die das Gesicht der
kommunalen Verwaltung, ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen nachhaltig verändert haben. Zu
diesen Transformationsprozessen gehören Trends, wie z.B. die (Teil-)Privatisierung der Energie- und
Wasserversorgung sowie des öffentlichen Nahverkehrs in den neunziger Jahren, die derzeitig stärker zu
beobachtende Gegenbewegung in Form von Kommunalisierungen und Rekommunalisierungen, die
Übernahme zusätzlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge, aber auch die Ausgliederung von
ursprünglich in der Kernverwaltung angesiedelten Aufgaben, wie z.B. Stadtmarketing und
Wirtschaftsförderung. Einhergehend mit diesen Transformationsprozessen ist eine Professionalisierung der
Führungsinstrumente und der Prozesse zur Aufgabenwahrnehmung in Anlehnung auch an
privatwirtschaftliche Managementmethoden und Organisationsformen zu beobachten. Auch wenn die
Komplexität der über die letzten Jahre gewachsenen Strukturen zunimmt, so sind doch grundlegende
Strategien und Modelle eines Unternehmens Kommune zu erkennen, die in Folgendem diskutiert werden
sollen. Insbesondere wird auf die verschiedenen Ansätze hinsichtlich der Ansiedlung der Aufgaben zur
Daseinsvorsorge und der Behandlung von Querschnittsfunktionen (wie z.B. Personalmanagement, IT,
Finanzen und Rechnungswesen, etc.) eingegangen. Nicht zuletzt wird kurz auf die Frage der Führung solcher
komplexer Strukturen unter Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen kommunaler Verwaltung und
kommunalen Unternehmen eingegangen.
18
2.2.1 Horizontale und vertikale Zusammenarbeit innerhalb des
Unternehmens Kommune
Auf Grund des demographischen Wandels, der weiteren Zuspitzung der strukturellen kommunalen
Unterfinanzierung und der Energiewende stehen die Kommunen in Deutschland in den kommenden Jahren
vor großen Herausforderungen. Eine Strategie zur Bewältigung dieser Herausforderungen ist die
kommunalwirtschaftliche Zusammenarbeit auf horizontaler Ebene, also die stärkere Vernetzung
unterschiedlicher Bereiche der kommunalwirtschaftlichen Betätigung. Die Anwendung der Doppik bietet
eine einheitliche wirtschaftliche Gesamtsicht und fungiert bei der Etablierung von komplexen Strukturen im
Unternehmen Kommune als integrierender Faktor. Durch stärkere Vernetzung bietet sich insbesondere die
Chance, betriebswirtschaftliche Effekte zu generieren, wie zum Beispiel gemeinsame Strukturen für IT,
Personalmanagement, Finanz-und Rechnungswesen und anderen. Doch positive Effekte, die sich aus der
genannten Strategie ergeben, reichen weit über den betriebswirtschaftlichen Bereich hinaus. Die
Zusammenarbeit der verschiedenen kommunalen Unternehmen ist auch strategisch-konzeptionell
bedeutsam. Als Beispiel dafür stehen komplexe Prozesse wie Stadtgestaltung. In Vorhaben, in denen
kommunale Unternehmen von der ersten Konzeptphase bis zur finalen Umsetzung zusammenwirken, laufen
solche Prozesse wirtschaftlich wie gestalterisch am besten. 22
In der modernen Kommunalwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland hat sich eine Vielfalt von
kommunalen Organisationsformen etabliert, die sich hinsichtlich Ihrer strategischen Ausrichtung und
Komplexität, ihrer Führungsstrukturen und Aufgabenverteilung unterscheiden. Jedoch lassen sich drei
Grundmodelle identifizieren, die in abgewandelter Form immer wieder anzutreffen sind (siehe auch
Abbildung 1):
 Das Stammhaus-Modell,
 Das klassische Holding-Modell und
 Das AöR-Modell
Die drei Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Aufgabenverteilung,
Steuerungsmöglichkeiten, Flexibilität und der Erschließung von Synergiepotenzialen. Letzteres kann in
Abhängigkeit des jeweiligen Modells insbesondere durch die Bündelung operativer Tätigkeitsfelder als auch
durch die Bündelung von Querschnittsfunktionen erreicht werden, welche in Kapitel 2.2.2 näher erläutert
werden. Über die folgende Modellbetrachtung hinaus sind interkommunale Kooperationen in den
genannten Tätigkeitsfeldern ein in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzendes Instrument zur
Kostenoptimierung, auf welche in Kapitel 2.2.3 kurz eingegangen werden soll.
Im Folgenden werden insbesondere die Organisation von Verwaltung und Beteiligungen innerhalb der
Kommune und die Aufgabenverteilung für die o.g. Grundmodelle des Unternehmens Kommune erläutert.
Die in den Ländern geltenden Gemeindeordnungen unterscheiden kommunale Tätigkeiten regelmäßig nach
zwei Aufgabenbereichen. Zum einen in die nicht-wirtschaftlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge. Diese
umfassen u.a. die Bäderbetriebe, die Bereitstellung und Bewirtschaftung von Grünflächen, Friedhöfen,
Abwasser, Stadtreinigung, Straßenbeleuchtung oder Straßenunterhaltung. Zum anderen die wirtschaftlichen
Tätigkeitsbereiche, zu denen im Rahmen dieser Studie zur Vereinfachung auch die wirtschaftlichen Aufgaben
der Daseinsvorsorge gezählt werden. Zu diesen Tätigkeitsbereichen gehören u.a. die Energie- und
Wasserversorgung und der öffentliche Nahverkehr. Diese wirtschaftlichen Tätigkeiten sind zumeist privatrechtlich organisiert, die Wahrung des öffentlichen Zwecks ist jedoch zu beachten. 23
Horizontale kommunalwirtschaftliche Kooperationen, Prof. Dr. Michael Schäfer
Die Autoren sehen diese Unterscheidung kritisch, denn erstens sind in der Praxis die Grenzen fließend, zweitens stammt die
Zuordnungssystematik partiell noch aus Zeiten mit vorwiegend hoheitlich geprägten Aufgabenbestimmungen. Im Rahmen
vorliegender Studie kann auf diese Unschärfen nicht näher eingegangen und erst recht keine neue Systematik entwickelt werden.
22
23
19
Eine Sonderstellung nehmen im Rahmen dieser Studie die sogenannten Querschnittsfunktionen ein. Dazu
zählen u.a. die Funktionen Personalmanagement, Finanz- und Rechnungswesen, IT, Einkauf, Recht und
Steuern und die Öffentlichkeitsarbeit.
Stam m haus-M odell
AÖR-M odell
Klassisches H olding-M odell
Ker nver waltung
Aufga ben zu D a seinsvor sor ge
Ker nver waltung
Aufga ben zu D a seinsvor sor ge
Ker nver waltung
Gr ünflächen
Gr ünflächen
Fr iedhof
Fr iedhof
Abw asser
Abw asser
...
...
Über tr agung der Aufgaben zur Daseinsvor sor ge
AÖR-H olding
Gr ünflächen
( Einheits-) Stadtwer k
Dienstanbieter
Weitere
Dienstanbieter
Beteiligungen
Fr iedhof
Stadtwer ke-H olding
Stadtwer ke-H olding
Abw asser
Ener gie
Wasser
...
Energie
Wasser
ÖPNV
ÖPNV
Bäder
Dienstanbi
DienstDienstanbi
eter
leistungen
eter
Energie
Bäder
Wasser
ÖPNV
Bäder
Dienstleistungen
Abbildung 1: Grundmodelle Unternehmen Kommune
Stammhaus-Modell
Die klassische Kernverwaltung und die in kommunaler Hand befindlichen Stadtwerke bilden die zwei Säulen
kommunaler Tätigkeitsfelder. Das von der Kommune beherrschte, aber privatrechtlich organisierte
Stadtwerk ist dabei als Stammhaus organisiert, d.h., die wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche
(meist Energie- und Wasserversorgung sowie der öffentliche Nahverkehr) werden auch operativ von der
Stadtwerke-Gesellschaft selbst erbracht. Gegebenenfalls sind weitere Tätigkeitsbereiche aus der
Kernverwaltung heraus in Beteiligungen parallel zu den Stadtwerken ausgegründet. Typische Aufgaben der
Daseinsvorsorge sind innerhalb der Kernverwaltung angesiedelt oder sind, soweit es sich um wirtschaftliche
Betätigungen im Bereich der Daseinsvorsorge handelt, in eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen organisiert.
Querschnittsfunktionen sind dezentral organisiert. Sowohl Kernverwaltung als auch Stadtwerk und andere
städtische Beteiligungen verfügen meist über eigene administrative Organisationseinheiten, die autark
voneinander operieren. Durch die Ausprägung des Stadtwerkes als Stammhaus kommt es jedoch zu einer
automatischen Bündelung, da die dortigen Querschnittsfunktionen ihre Leistungen im Allgemeinen für alle
Tätigkeitsbereiche innerhalb des Stadtwerkes erbringen, so dass Effizienzen in der Aufgabendurchführung zu
erwarten sind.
Klassisches Holding-Modell
Eine maximale horizontale Bündelung kommunalwirtschaftlicher Ressourcen wird mit einem komplexen
Holdingmodell erreicht, welches alle Zweige der wirtschaftlichen Betätigung einer Kommune unter einer
Dachgesellschaft vereinigt. Abweichend vom Stammhaus-Modell ist der Kern der wirtschaftlichen Betätigung
des Unternehmens Kommune hier eine Holding-Gesellschaft im zumeist vollständigen Besitz der Kommune.
Die wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche wie Energie- und Wasserversorgung und öffentlicher
Nahverkehr sind unterhalb dieser Holding in einzelne Gesellschaften ausgegründet. Die Kernverwaltung
bleibt auch hier für die nicht-wirtschaftlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge verantwortlich. Viele
Kommunen bündeln heute ihre Versorgungsunternehmen unter einer Holdinggesellschaft. ÖPNVUnternehmen und kommunale Energie- und Wasserversorger werden dabei zu sogenannten steuerlichen
Querverbünden zusammengeschlossen, da die Gewinne der profitablen kommunalen Energieerzeuger so
zum Ausgleich der Defizite der ÖPNV-Unternehmen verwandt werden können. Auch Bäderbetriebe können
in den steuerlichen Querverbund mit den Energieversorgungsunternehmen einbezogen werden, sofern eine
technisch-wirtschaftliche Verflechtung (beispielswiese durch ein Blockheizkraftwerk) hergestellt werden
kann. Die Holding ist meist auch Gesellschafterin von weiteren kommunalen Unternehmen, wie z.B. einem
20
kommunalen
Bäderbetrieb,
einer
Wirtschaftsförderungsgesellschaft
oder
sonstiger
Dienstleistungsgesellschaften, die sowohl für den Unternehmensverbund als auch für die Kernverwaltung
Leistungen erbringen können. Das Holding-Modell bietet grundsätzlich eine hervorragende Basis zur
Bündelung von Querschnittsfunktionen. Ob diese Bündelung auf Ebene der Holding oder in einer
Tochtergesellschaft erfolgt, ist abhängig von der organisatorischen Ausgestaltung der Holding-Gesellschaft
als reine Finanzholding, Management-Holding oder operative Holding, die in Folgendem noch diskutiert
werden sollen. Häufig werde die Möglichkeiten zur Bündelung jedoch noch nicht vollständig genutzt, so dass
es zu Dopplungen von Funktionen zwischen Holding und Tochtergesellschaften bzw. zwischen den
Tochtergesellschaften selbst kommt und mögliche Synergiepotenziale nicht gehoben werden können. Laut
kommunalem Wirtschaftsrecht gibt es keine speziellen Regelungen zur Gründung einer solchen Holding. Das
Ob und Wie der unmittelbaren wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen ist hingegen in den
Gemeindeordnungen geregelt. 24
Grundsätzlich werden drei verschiedenen Formen der Ausgestaltung von Holding-Gesellschaften
unterschieden: die Finanzholding, die strategische oder auch Management-Holding und die operative
Holding:
In einer Finanzholding übernimmt die Holdinggesellschaft lediglich die Administration des Vermögens ihrer
Beteiligungen. Sie agiert nicht am Markt, ist nicht aktiv an der Leistungserstellung beteiligt und nimmt kaum
Einfluss auf strategische oder gar operative Entscheidungen der Tochtergesellschaften. Der Einfluss auf die
Tochterunternehmen erfolgt lediglich über die Vorgabe finanzieller Ziele. Solche Finanzholdings sind
besonders dann anzutreffen, wenn weitgehend unverbundene Unternehmen in einem Konzern
zusammengefasst werden sollen, ohne neue Strukturen entwickeln zu müssen. Im Bereich kommunaler
Unternehmen wird diese Form der Holding meist zur Herstellung eines steuerlichen Querverbundes genutzt.
Es besteht die Möglichkeit, dass sich eine Finanzholding langfristig auch zu einer Management-Holding oder
operativen Holding weiterentwickelt.
Eine strategische oder Management-Holding dagegen übernimmt innerhalb eines Konzerns weitere
Führungsaufgaben gegenüber den Tochtergesellschaften. Strategische Funktionen, wie z.B.
Unternehmensentwicklung, Konzernkommunikation, Strategische IT, Strategisches Personalmanagement,
Risikomanagement oder auch die Rechtsabteilung sind in einer Management-Holding meist zentralisiert und
üben in diesen Bereichen die fachliche Führung gegenüber den Tochtergesellschaften aus. Administrative
Prozesse (z.B. Lohn- und Gehaltsabrechnung, Buchhaltung, Cashmanagement, Immobilienmanagement,
Einkauf, Fuhrparkmanagement, IT-Service etc.) werden meist von den einzelnen Tochtergesellschaften selbst
erbracht. Zur Optimierung der Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Unternehmen werden die
administrativen Prozesse, gegebenenfalls aber auch rein operative Aufgaben, in sogenannten
Kompetenzzentren innerhalb einer der Tochtergesellschaften gebündelt. Die Autonomie der
Tochtergesellschaften wird in einer Management-Holding somit begrenzt und die zentrale Führung durch die
Holding gestärkt.
In einer operativen Holding wird die Führungsrolle gegenüber den Beteiligungen noch weiter gestärkt, meist
durch eine weitgehende Zentralisierung auch der administrativen Prozesse in Form von zentralen ServiceEinrichtungen oder auch einem Shared Services Center, die entsprechende Leistungen an die
Tochtergesellschaften erbringen. Die Holding-Gesellschaft kann mit diesem Leistungsportfolio auch selbst
außerhalb des Konzerns am Markt aktiv werden. Die Tochtergesellschaften fokussieren sich damit
weitestgehend auf ihr jeweiliges Kerngeschäft, sind allerdings in erheblichen Umfang von Entscheidungen
der Holding abhängig.
Insbesondere in Bezug auf den steigenden Finanzdruck der Kommunen spielt eine effiziente und effektive
Steuerung der Beteiligungen eine herausragende Rolle. Kommunale Holdings stellen dafür ein geeignetes
24
Die kommunale Holding – Entwicklung und Steuerung von Kommunalkonzernen. Eine vergleichende Studie. SNPC GmbH
21
Mittel dar. Insbesondere für Kommunen mit vielen Beteiligungen können Holdinggesellschaften aus
mehreren Gründen interessant sein, da sie neben Steuerungsvorteilen oder Kostensenkungspotenzialen
aufgrund schlankerer Organisations- und/oder Verwaltungsstrukturen auch die Versorgungssicherheit
gewährleisten, Arbeitsplätze erhalten und die regionale Wirtschaft stärken. Darüber hinaus können mit
Kommunalholdings auch Synergieeffekte erschlossen werden. Diese Potenziale sind je nach Holdingtyp
unterschiedlich. Bei einer reinen Finanzholding sind diese eher gering,bei einer Management-Holding oder
gar einer operativen Holding deutlich höher.
Daher ist auch bei der Wahl des Holdingmodels zu beachten wo Synergien zwischen den
Tochterunternehmen erzielt werden sollen. Bei einer nur geringen Zahl von kommunalen Beteiligungen oder
dem Wunsch nach einer direkteren Steuerung aus der Kernverwaltung heraus, ist eine Holdingstruktur nicht
zu empfehlen. Eine Holdingstruktur kann auch zu einer Diskrepanz zwischen wirtschaftlichen Formalzielen
und öffentlichen Sachzielen, sowie zu Holdingkosten führen.
Ein weiterer Nachteil von privatwirtschaftlich organisierten Holdings ist die damit einhergehende
Beschränkung auf wirtschaftliche Tätigkeitsfelder der Daseinsvorsorge. Die oben bereits genannten nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsfelder und Aufgaben lassen sich aus kommunalrechtlichen und steuerlichen
Gründen nicht ohne weiteres aus der Kernverwaltung herauslösen und in oder unterhalb der Holding
zusammenführen. Die Möglichkeiten, weitere Synergien im Bereich der nicht-wirtschaftlichen
Tätigkeitsfelder zu heben sind dadurch eingeschränkt.
AöR-Modell
Im Unterschied zum klassischen Holding-Modell wird die privatrechtlich organisierte Holding (meist eine AG
oder GmbH) durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts ersetzt und fungiert ihrerseits als Holding für die
darunter angesiedelten privatwirtschaftlich organisierten Beteiligungen. Gleichzeitig übernimmt die AöR die
Aufgabenträgerschaft nicht-wirtschaftlicher Tätigkeitsbereiche der Daseinsvorsorge, wie z.B. Entwässerung,
Grünflächen- und Friedhofsbewirtschaftung, von der Kernverwaltung (Siehe hierzu auch Kapitel 2.2.2 Exkurs:
Die besondere Rolle der Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) als Schnittstelle und als Quasi-Holding für
dauerhaft verlustbringende wirtschaftliche Betätigungen). Die AöR ihrerseits kann wiederum
Gesellschafterin einer klassischen Holding sein, so dass hier die Vorteile der dem öffentlichen Recht
unterliegenden AöR mit denen einer privatrechtlich organisierten Holding verknüpft werden können.
Letzterer würden in einem solchen Modell die wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche zugeordnet. Alternativ
kann die AöR auch als Schwester-Gesellschaft zur klassischen Holding gegründet werden (siehe Abbildung 2).
AöR-Schwester -M odell
Ker nver waltung
Über tr agung der Aufgaben
zur Daseinsvor sor ge
AÖR-Schwester
Stadtwer ke-H olding
Gr ünflächen
Fr iedhof
Energie
Wasser
ÖPNV
Bäder
Dienstleistungen
...
Abw asser
...
Abbildung 2: AöR-Schwester-Modell
22
2.2.2 Exkurs: Die besondere Rolle der Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) als
Schnittstelle und als Quasi-Holding für dauerhaft verlustbringende
wirtschaftliche Betätigungen
Einführung
In einer Mehrzahl von Bundesländern 25 wurde in den vergangenen Jahren durch eine entsprechende
Ausgestaltung des Gemeindewirtschaftsrechts die Möglichkeit geschaffen, öffentliche Aufgaben in der
Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) - auch als Kommunalunternehmen bezeichnet - zu
organisieren.
Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist - anders als z.B. der Eigenbetrieb - eine selbständige juristische
Person, die selbst Träger von Rechten und Pflichten sein kann.
Die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts erweitert die Möglichkeiten der Wahl einer öffentlichrechtlichen Unternehmensform für Kommunalbetriebe. Ziel der Landesgesetzgeber war es vor allem, eine
Organisationsform zu schaffen, die unternehmerische Selbstständigkeit verspricht, ohne wesentliche
Vorzüge öffentlich-rechtlicher Formen, wie die kommunale Steuerung, und ggf. Vorzüge in der steuerlichen
Behandlung, aufgeben zu müssen.
Das Profil der Anstalt des öffentlichen Rechts sollte daher regelmäßig einerseits durch einen tiefgreifenden
Einfluss der nach demokratischen Grundsätzen verantwortlichen Entscheidungsträger geprägt sein,
andererseits aber - ähnlich wie bei Eigengesellschaften – dadurch, dass dem Unternehmen mehr
Selbständigkeit und damit größere Flexibilität gegeben ist als das bei Regie- und Eigenbetrieben per se der
Fall ist.
Die Ausgestaltung der Anstalt des öffentlichen Rechts ist in den verschiedenen Bundesländern zumindest in
Teilbereichen inhaltlich unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich besteht aber nach allen Landesrechten ein je nach Regelungstiefe - mehr oder minder großer Spielraum für die Ausgestaltung des jeweiligen
Kommunalunternehmens.
Die rechtlich selbständige Anstalt wird aufgrund einer Satzung errichtet, die die erforderlichen Regelungen
zur inneren Verfassung und zur Verwaltung der Anstalt festlegt. Ebenso wie beim Eigenbetrieb ist für den
Erlass der Anstaltssatzung allein der Rat zuständig. Der Rat bleibt auch für mögliche Änderungen der
Anstaltssatzung zuständig. 26
Leitungsstrukturen
Die Leitungs- und Kompetenzstrukturen sind am aktienrechtlichen Leitbild orientiert. Organe der AöR sind
der Vorstand und der Verwaltungsrat.
Der Vorstand wird vom Verwaltungsrat auf höchstens fünf Jahre bestellt, wobei eine erneute Bestellung
zulässig ist. Er leitet die Anstalt in eigener Verantwortung, soweit keine abweichenden Bestimmungen durch
Gesetz oder die Anstaltssatzung getroffen sind. Denkbar ist u.a., dass die eigenverantwortlichen
Entscheidungskompetenzen
des
Vorstands
durch
in
der
Anstaltssatzung
festzulegende
Zustimmungsvorbehalte des Verwaltungsrates beschränkt werden.
Z.B. Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin
Im Unterschied zu Kapitalgesellschaften, bei denen die Kompetenz für die Unternehmensverfassung auf ein Unternehmensorgan
übergeht
25
26
23
Gegenüber dem Betriebsleiter eines Eigenbetriebes hat der Vorstand einer AöR im Grundsatz eine deutlich
stärkere Stellung, weil er für die Leitung der Anstalt insgesamt verantwortlich ist, während sich die
Kompetenzen eines Betriebsleiters regelmäßig auf den laufenden Betrieb beschränken. Letztlich ist jedoch
die Ausgestaltung der Anstaltssatzung für die Zuweisung der Kompetenzen von wesentlicher Bedeutung.
Dem Verwaltungsrat sind - neben seiner Überwachungsfunktion gegenüber dem Vorstand - bestimmte
Entscheidungen, wie z.B. der Erlass von Satzungen, die Beteiligung der Anstalt an anderen Unternehmen, die
Feststellung des Wirtschaftsplans und des Jahresabschlusses und die Entscheidung über die
Ergebnisverwendung, zwingend vorbehalten. Daneben kann die Anstaltssatzung weitere
Entscheidungsbefugnisse zugunsten des Verwaltungsrates regeln.
Im Verwaltungsrat sind regelmäßig der Bürgermeister bzw. der zuständige Beigeordnete sowie weitere
Mitglieder vertreten, die vom Rat gewählt werden.
Der kommunale Einfluss auf die Erfüllung der Aufgabe wird grundsätzlich über die Organe der AöR, d.h. den
Vorstand und den Verwaltungsrat, ausgeübt.
Allerdings sind einige wenige Weisungs- oder
Entscheidungsrechte des Rates gesetzlich normiert, so z.B. im Hinblick auf den Erlass von Satzungen oder die
Beteiligung der Anstalt an anderen Unternehmen. 27 Außerdem ist es möglich, in der Anstaltssatzung
vorzusehen, dass bei Entscheidungen der Organe der Anstalt von grundsätzlicher Bedeutung die Zustimmung
des Rates erforderlich ist. 28 Ein direktes Weisungsrecht des Rates gegenüber dem Vorstand in Einzelfragen
besteht demgegenüber nicht.
Aufgaben und hoheitliche Befugnisse der AöR
Von wesentlicher Bedeutung ist die Festlegung der Aufgaben der Anstalt. Nach den jeweiligen gesetzlichen
Regelungen kann die Gemeinde der Anstalt einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck
zusammenhängende Aufgaben ganz oder teilweise übertragen. Hierfür kommen sowohl die
kommunalwirtschaftsrechtlich als "nichtwirtschaftlich" eingeordneten Aufgaben (z.B. Abfallentsorgung,
Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung) als auch "wirtschaftliche" Betätigungen (z.B. Wasserversorgung,
Energieversorgung) in Frage.
Die Aufgabenzuweisung an die Anstalt kann entweder in der Form geschehen, dass sich die Kommune der
AöR nur als Erfüllungsgehilfin bedient, also ähnlich wie bei der Beauftragung eines privaten Dritten die
Anstalt im Namen und für Rechnung der Kommune tätig wird, oder die Kommune kann, vergleichbar mit den
Regelungen über die kommunale Zusammenarbeit, der Anstalt die Aufgabe ganz oder teilweise übertragen.
Im Falle der vollständigen Aufgabenübertragung tritt die Anstalt in die Rechtsstellung der Kommune ein.
Auch öffentlich-rechtliche Pflichten - wie etwa die Pflicht zur Abwasserbeseitigung oder Abfallentsorgung gehen auf die Anstalt über, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. 29
Die Aufgabenübertragung hat nicht zwingend auch den Übergang der kommunalen Satzungshoheit zur
Folge. Die Stadt kann der Anstalt jedoch durch die Anstaltssatzung das Recht einräumen, an ihrer Stelle
Satzungen für das übertragene Aufgabengebiet zu erlassen. Ebenso kann sie zugunsten der AöR unter den
jeweiligen gemeinderechtlichen Voraussetzungen durch Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang
vorschreiben. 30
Vgl. z.B. § 114 a Abs. 7 S. 4 und 5 GO NRW
Vgl. z.B. § 114 a Abs. 7 S. 7 GO NRW
29 Vgl. hierzu etwa § 53 b Landeswassergesetz NRW; danach wird die Anstalt im Umfang der ihr übertragenen Aufgaben
abwasserbeseitigungspflichtig. Allerdings verbleibt die Pflicht zur Vorlage des Abwasserbeseitigungskonzepts bei der Gemeinde
30 Vgl. z.B. § 114a Abs. 3 S. 2 GO NRW.
27
28
24
Finanzierung und Gewährträgerschaft
Grundsätzlich finanziert die AöR die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben selbst, jedenfalls soweit der
Betrieb öffentlicher Einrichtungen Gegenstand der Aufgabe ist und die Finanzierung durch die Nutzer zu
gewährleisten ist. Die Übertragung der Satzungshoheit versetzt die AöR in die Lage, selbst Abgaben, d.h.
Benutzungsgebühren und Beiträge, gegenüber den Nutzern ihrer Einrichtungen zu erheben. Alternativ kann
sie auch privatrechtliche Benutzungsentgelte erheben.
Soweit die AöR Aufgaben erfüllt, deren Finanzierung der Kommune obliegt, wird ein Leistungsverhältnis
zwischen der AöR und der Kommune begründet.
Trotz einer möglichen Aufgabenübertragung haftet die Stadt für Verbindlichkeiten der Anstalt unbeschränkt,
soweit nicht Befriedigung aus deren Vermögen zu erlangen ist. 31
Beteiligung an anderen Unternehmen
Während die Beteiligung eines privaten Dritten an einer AöR grundsätzlich nicht möglich ist, kann sich die
AöR ihrerseits nach Maßgabe ihrer Satzung an anderen Unternehmen beteiligen, wenn dies dem
Anstaltszweck dient. 32 Dies eröffnet Möglichkeiten für eine interessengerechte Ausgestaltung der
Aufgabenerfüllung (z.B. einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung privater Dritter an der Erfüllung von
Teilaufgaben) und soll der Anstalt eine der privaten Rechtsform vergleichbare Flexibilität einräumen.
31 Sog. Gewährträgerschaft (vgl. z.B. § 114a Abs. 5 GO NRW), die allerdings für die Anstalt des öffentlichen Rechts nicht prägend ist,
sondern gesetzlich normiert sein muss. Nach Niedersächsischem Recht (§ 144 Abs. 2 NKomVG) ist eine Haftung der Kommune für
Verbindlichkeiten der kommunalen Anstalt ausdrücklich ausgeschlossen.
32 Die weiteren Voraussetzungen sind nach jeweiligem Landesrecht unterschiedlich. So fordert etwa § 114 a Abs. 4 Satz 3 GO NRW,
dass für die Gründung von bzw. die Beteiligung an Unternehmen in Privatrechtsrechtsform ein besonders wichtiges Interesse
vorliegen muss.
25
2.2.3 Die Errichtung gemeinsamer Service-Einrichtungen zur Bündelung von
Querschnittsaufgaben im Unternehmen Kommune
In Kapitel 2.2.1 wurde bereits erläutert, dass die Zusammenarbeit verschiedener Bereiche innerhalb einer
Kommune (Intrakommunale Kooperation) ein wichtiger Faktor ist, um den zukünftigen Herausforderungen
zu begegnen. Ziele sind hierbei vor allem die Kostenreduktion durch die Realisierung von Skalenvorteilen,
Qualitätssteigerung und die Entlastung der operativen Verwaltung.
Positive Effekte können dabei insbesondere auch durch einen integrativen Ansatz im Bereich der schon
benannten Querschnittsfunktionen erzielt werden. Hierbei werden vergleichbare Prozesse aus
Kernverwaltung und Beteiligungen gebündelt, was zu einer Vermeidung von Doppelungen, verbessertem
Einsatz von Ressourcen und einer Vereinheitlichung von Strukturen, Abläufen und Systemen führt. Neben
den organisatorischen und prozessualen Synergien können auch Finanzierungsvorteile generiert werden.
Beispielswiese können gemeinsame Cashpools zu Zinseinsparungen führen. Vor allem im Holding-Modell
bewirken Größendegressionseffekte eine Verringerung der Verwaltungskosten. Ein gemeinsames auf
gemeinsamen Standards aufbauendes Finanz- und Rechnungswesen erleichtert auch die Steuerung und
Überwachung der Beteiligungen.
Die Bündelung dieser Querschnittsfunktionen in gemeinsamen Service-Einrichtungen (Shared Services) kann
im Unternehmen Kommune grundsätzlich horizontal und vertikal erfolgen. In der Praxis gibt es jedoch auch
Mischformen. Eine definitorische Systematik und Unterscheidung erscheint deshalb wenig sinnvoll.)
Horizontal - bezeichnet die Bündelung von Verwaltungsaufgaben zwischen den einzelnen
Beteiligungsgesellschaften, aber auch zwischen Bereichen innerhalb der Verwaltung. Vertikal - bezeichnet
die Bündelung dieser Aufgaben zwischen der Verwaltung und den Beteiligungsgesellschaften.
Weiterhin ist es notwendig, zwischen allgemeinen und besonderen Verwaltungsaufgaben zu differenzieren.
Die sogenannten allgemeinen Verwaltungsaufgaben werden nach festgelegten Regeln und Standards
erbracht (z.B. Gehaltsabrechnungen, Bewilligungen). Diese Aufgaben werden umso effizienter erbracht je
größer die Anzahl der jeweiligen Vorgänge ist, da mit einer Vergrößerung der Leistungsmenge die Kosten pro
Leistung sinken. Besonderen Aufgaben hingegen liegen individuelle Prozesse zu Grunde, mit denen
Leistungen, z.B. für bestimmte Personen, zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort erbracht
werden. Solche besonderen Aufgaben können nur bedingt innerhalb einer gemeinsamen Service-Einrichtung
gebündelt werden. 33
Horizontale Strukturen gemeinsamer Service-Einrichtungen sind bereits in vielen kommunalen
Unternehmensverbünden etabliert. Neben der Bündelung einzelner Funktionen in sogenannten
Kompetenzzentren innerhalb einer Tochtergesellschaft oder auch bei der Holding, ist auch eine noch
stärkere Integration hin zu Shared-Services-Centern (im privatwirtschaftlichen Bereich seit vielen Jahren
erfolgreich umgesetzt) zu beobachten. Shared Services Center bündeln mehrere unterschiedliche Funktionen
(z.B. IT, Personal, Einkauf, Finanzen, etc.) und hier insbesondere die transaktionale Prozesse der bereits
genannten allgemeinen Verwaltungsaufgaben (z.B. Lohn- und Gehaltsabrechnung, Buchhaltung,
Cashmanagement, etc.) unter einem, gegebenenfalls virtuellen, Dach. Shared Services Center können sowohl
als Organisationseinheit innerhalb der Holding oder einer Tochtergesellschaft, als auch in einer
eigenständigen Beteiligung errichtet werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit für das Shared Services
Center mit seinen Leistungen auch am Markt, also außerhalb des Unternehmens Kommune, aktiv zu werden.
In der Praxis scheint diese Möglichkeit bisher jedoch kaum umgesetzt worden zu sein, bzw. konnte kaum ein
erhebliches Drittgeschäft generiert werden.
Vertikale Integration, also die Bündelung von Querschnittsfunktionen aus Kernverwaltung und kommunalen
Beteiligungen, beschränken sich bisher meist auf IT-Services, Fuhrparkmanagement oder
Immobilienmanagement. Die Möglichkeiten sind hier noch nicht ausgereizt und bergen noch erhebliches
Synergiepotenzial, welches für das Unternehmen Kommune noch zu heben ist. Vorstellbar ist hier durchaus
33
Shared Service Center in der öffentlichen Verwaltung-ein europäischer Vergleich, Institut für den öffentlichen Sektor e.V.
26
eine stärkere Verknüpfung in den Bereichen Finanzbuchhaltung oder auch Personalmanagement. Fraglich ist
jedoch, ob eine vertikale Integration für alle typischen Querschnittsfunktionen umsetzbar ist. Beispielsweise
ist eine Zusammenführung des Rechtsamtes mit den Rechtsabteilungen der meist privatwirtschaftlich
organisierten Beteiligungen in eine gemeinsame Service-Einrichtung auf Grund der doch sehr
unterschiedlichen Ausrichtung und Aufgaben nur schwer umsetzbar. Umsetzungsprobleme vor allem
rechtlicher Art werden auch dann gesehen, wenn grundsätzlich unterschiedliche Rechtsrahmen einer
Integration von Aufgaben für Kernverwaltungen und externe Einrichtungen entgegenstehen, z.B. im
Personalmanagement unterschiedliche Tarifverträge oder gar ein unterschiedlicher Beschäftigtenstatus inkl.
der Existenz von Beamtenverhältnissen, in der Kernverwaltung existieren.
Die organisatorische Ansiedlung gemeinsamer Service-Einrichtungen ist in der Regel abhängig von den
bereits in Kapitel 2.2.1 beschriebenen grundsätzlichen Organisationsmodellen des Unternehmens Kommune,
wie auch von der im Falle von Holding-Modellen gewählten Form der Ausgestaltung der Holding-Gesellschaft
selbst (siehe Abbildung 3).
Finanzholding
M anagem ent-H olding
Oper ative H olding
Ker nver waltung
Ker nver waltung
Ker nver waltung
Dienstleistung
H olding
H olding
Unt.Entw.
Strat.
Pers.
Strat.
IT
Recht
…
H olding FiRe
IT
Einkauf
Personal
...
Dienstleistung
Oper ative Gesellschaften
Dienstanbi
DienstDienstanbi
eter
leistungen
eter
Oper ative Gesellschaften
Dienstanbi
DienstDienstanbi
eter
leistungen
eter
Oper ative Gesellschaften
Abbildung 3: Bündelung von Querschnittsfunktionen
Finanzholdings haben auf Grund ihrer Funktion als Vermögensverwalter ohne operative Aufgaben meist sehr
schlanke Strukturen, auch im administrativen Bereich der Querschnittsfunktionen. Gemeinsame ServiceEinrichtungen oder auch vollumfängliche Shared Services Center sind entweder als eigenständige
Abteilungen oder Kompetenzcenter innerhalb einer oder mehrerer Tochtergesellschaften anzutreffen, oder
sind selbst als eigenständige Tochterunternehmen ausgegründet. Bei Management-Holdings werden
insbesondere Querschnittsfunktionen mit strategisch orientierten Führungsaufgaben stärker innerhalb der
Holding selbst zentralisiert. Transaktionale Aufgaben und Prozesse verbleiben jedoch auf Ebene der
Tochtergesellschaften. Operative Holdings erbringen umfänglich sowohl allgemeine als auch spezielle
administrative Leistungen für ihre Beteiligungen. Die Übergänge zwischen den Modellen sind in der Praxis
allerdings sehr fließend, so dass eine eindeutige Zuordnung unterschiedlicher Organisationsstrukturen von
Kommunen meist nicht einfach ist. Es scheinen jedoch Ausprägungen als Finanz-Holding und ManagementHolding gegenüber operativen Holdings zu überwiegen.
27
2.2.4 Beteiligungsmanagement als Schnittstelle zwischen Kommunalpolitik,
kommunaler Verwaltung und kommunaler Unternehmen
Auf Grund der großen Bedeutung ausgelagerter Aktivitäten für die Aufgabenerfüllung und die
Haushaltswirtschaft der Kommunen ist ein effektives und effizientes Beteiligungsmanagement aus Sicht des
Unternehmens Kommune unabdingbar.
Kommunales Beteiligungsmanagement beschränkt sich dabei nicht nur auf die Überwachung der
kommunalen Beteiligungen aus finanzieller Sicht, sondern nimmt auch die wichtige Rolle eines Koordinators
an der Schnittstelle zwischen Kernverwaltung und unternehmerischen Aktivitäten einer Kommune wahr.
In Folgendem wird zunächst der Begriff „Beteiligungsmanagement“ beschrieben, um ein einheitliches
Verständnis für diese Studie zu schaffen. Weiter werden die Aufgaben des kommunalen
Beteiligungsmanagements innerhalb des Unternehmens Kommune diskutiert.
Grundsätzlich wird das Beteiligungsmanagement von einer Beteiligungsverwaltung durchgeführt. In
organisatorischer Hinsicht bezeichnet der Begriff „Beteiligungsmanagement“ die Abteilung oder Einheit, die
die Verwaltungsleitung und die Entscheidungsträger/innen in ihrer Steuerungsverantwortung unterstützt
und eine Überwachung und Unterstützung der Beteiligungen unter einheitlichen fachlichen, wirtschaftlichen
und organisatorischen Gesichtspunkten sichert. Die inhaltlichen Aufgaben der Beteiligungsverwaltung
umfassen das strategische und operative Beteiligungscontrolling. 34 Die Beteiligungsverwaltung ist für die
Organisation des Beteiligungsmanagements innerhalb des Unternehmens Kommune unter Einhaltung der
durch die Gemeindeordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen zuständig. Dabei gibt es keine genaue
Regelung an welcher Stelle wie viele Mitarbeiterressourcen mit welcher Qualifikation für die Aufgaben des
Beteiligungsmanagements eingesetzt werden müssen. Das Beteiligungsmanagement kann entweder direkt
der Kommunalverwaltung zugeordnet, von einer eigenständigen Organisationseinheit wahrgenommen, an
eine Holding-Gesellschaft übertragen oder dezentral von einzelnen Fachbereichen durchgeführt werden.
Letztendlich hängt die organisatorische Zuordnung des Beteiligungsmanagements auch wesentlich vom
jeweiligen organisatorischen Grundmodell der Kommune, welche in Kapitel 2.2.1 beschrieben wurden
(Stammhaus, klassische Holding, AöR-Modell), ab. Häufig ist zwischen Kernverwaltung und dem eigentlichen
kommunalen Unternehmensverbund eine zu hundert Prozent in städtischem Besitz befindliche
Beteiligungsgesellschaft anzutreffen, die die Anteile der kommunalen Unternehmen als quasi-Holding hält
und dann auch für das Beteiligungsmanagement zuständig ist.
Ein solches in einer Holdinggesellschaft angesiedeltes Beteiligungsmanagement hat gegenüber der
verwaltungsinternen Steuerung meist den Vorteil von größerer Akzeptanz bei den Beteiligungsunternehmen.
Andererseits vergrößert sich so die Distanz zwischen Beteiligungsmanagement und Kommunalverwaltung
und es besteht die Gefahr, dass die eigentliche Beteiligungsverwaltung nicht mehr ausreichend und
uneingeschränkt im Sinne der Kommune als Gesellschafterin sowohl aus Sicht der Verwaltung als auch aus
Sicht der politischen Ebene wahrgenommen wird. Hingegen liegen die Vorteile eines verwaltungsinternen
Beteiligungsmanagements in der direkten Anbindung an die politischen Entscheidungsvorgänge und der
damit verbundenen unmittelbaren Vertretung der Interessen der Anteilseigner. Nicht zuletzt kann ein
verwaltungsinternes Beteiligungsmanagement auch leichter weitere Aufgaben, wie z.B. die Verwaltung
gewährter Fördermittel bzw. staatlicher Zuschüsse, ausüben. 35
Zur Bestimmung des Leistungsumfangs der Beteiligungsverwaltung bzw. des Beteiligungsmanagements ist
ein entsprechender Aufgabenkatalog zu formulieren. Hier muss vor allem darauf geachtet werden, dass die
Beteiligungsverwaltung nicht nur die Verwaltungsführung, sondern auch den Rat und die kommunalen
Vertreter in den Aufsichtsgremien der Unternehmen unterstützen soll. Wichtig ist, dass für die Beteiligungen
Ziele formuliert werden, die mit sonstigen Zielen der jeweiligen Kommune in Einklang zu bringen sind.
34
35
Beteiligungsmanagement und -controlling in der Kommunalverwaltung, Gunnar Schwarting
Kommunales Beteiligungsmanagement als strategische Herausforderung, Schneider & Moritz Managementberatung GmbH
28
Darüber hinaus sind die Wirtschaftspläne vor Beschlussfassung in den Gremien des Unternehmens mit den
Ausweisungen im kommunalen Haushalt abzugleichen. Weiterhin gehören zu den Tätigkeiten des
Beteiligungsmanagements auch die Bestellung und Abberufung kommunaler Vertreter, die Vorbereitung von
Beschlüssen in den Gremien der Gesellschaft, die Gewährleistung der notwendigen Vorberatung und
Beschlussfassung im Rat, die Umsetzung von Weisungen durch den Rat, die Koordination zu
Mitgesellschaftern sowie die Wahrung kommunaler Prüf- und Einsichtsrechte.
Ein wichtiger Aspekt in Bezug auf ein erfolgreiches Beteiligungsmanagement ist auch das Verhältnis von Rat
und Unternehmensgremien, da es in der Praxis immer wieder zu Konflikten der Sichtweisen aus
kommunalpolitischer und aus unternehmenspolitischer Perspektive kommt. Zu den Rechten des Rats
können laut Gemeindeordnung (je nach Bundesland) z.B. das Recht der Entscheidung über die Sätze und
Tarife für privatrechtliche Entgelte, die Entscheidung über die Veräußerung oder Verpachtung von
Eigenbetrieben oder die Errichtung, die Erweiterung, die Übernahme und die Aufhebung wirtschaftlicher
Unternehmen sowie die Beteiligung an diesen gehören. Darüber hinaus kann in der Gemeindeordnung auch
ein Katalog der Entscheidungen im Unternehmen, die der Gesellschafterversammlung vorbehalten sein
müssen, definiert sein. Dazu kann unter anderem der Abschluss von Unternehmensverträgen oder die
Bestellung bzw. Abberufung von Geschäftsführern zählen. Darüber hinaus werden in den
Gemeindeordnungen interessante Hinweise zur Verknüpfung beider Entscheidungsgremien genannt. Es
besteht die Möglichkeit, dass der Rat den Vertretern der Gemeinde im Unternehmen Weisungen erteilen
kann. Das gilt unmittelbar für die kommunalen Vertreter in der Gesellschafterversammlung. Bestimmungen,
durch die diese Regelung auch auf die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat und ggf. weitere
Unternehmensorgane übertragen werden, sind allerdings problematisch. Eine generelle Anwendung von
Weisungsrechten ist wenig praktikabel, da Informationen über die in den Gremien des Unternehmens zu
behandelnden Sachverhalte in der Regel nicht rechtzeitig vorliegen. Einige Gemeindeordnungen stellen
daher Sachverhalte heraus, die vor der Beschlussfassung in dem jeweils zuständigen Unternehmensorgan
von der Gemeinde beraten werden müssen. Dabei kann es sich z.B. um Änderungen des
Gesellschaftsvertrages, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung oder –herabsetzung, Entscheidungen über den
Abschluss oder die Änderung von Unternehmensverträgen, Entscheidungen über den Erwerb und die
Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen handeln. Des Weiteren enthalten Gemeindeordnungen
salvatorische Klauseln, für den Fall, dass Bestimmungen des Gesellschaftsrechts Entscheidungen und
Beschlüssen kommunaler Gremien entgegenstehen. 36
36
Beteiligungsmanagement und -controlling in der Kommunalverwaltung, Gunnar Schwarting
29
3. Plädoyer für komplexe Kommunalstrukturen für alle
Kommunen mit wirtschaftlicher Betätigung und Beteiligungen
unabhängig von deren Größe
Städte und Gemeinden befinden sich im regionalen Standortwettbewerb - unabhängig ihrer Größe.
Insbesondere kleine und mittlere Kommunen stehen jedoch aufgrund des demografischen Wandels und des
anhaltenden Trends der Verstädterung vor großen Herausforderungen und befinden sich nicht nur im
Wettbewerb mit großen Metropolen sondern auch in direktem Wettbewerb zueinander. Als Folge ist das
Erlangen von regionalem Gewicht und Wettbewerbsvorteilen ein entscheidender kommunaler Erfolgsfaktor,
um, unabhängig von Größe und Einwohnerzahl, Herausforderungen zu meistern und sich zukunftsfähig
auszurichten. Übergeordnete Ziele im Wettbewerb der Kommunen sind hierbei die Steigerung der
Lebensqualität für die Bürger, die Erhöhung der Standortattraktivität für Unternehmen und die
Professionalisierung des Verwaltungsmanagements. Der folgende Abschnitt soll Impuls - auch für kleine und
mittlere Kommunen - sein, sich mit komplexen Kommunalstrukturen auseinanderzusetzen.
Komplexe Kommunalstrukturen sind nicht ausschließlich nur für Städte jenseits einer Einwohnergrenze von
50.000 oder 100.000 von Bedeutung. Auch Gebietskörperschaften mittlerer und kleinerer Größe können und
sollten ihre Strukturen entlang ihrer spezifischen Gegebenheiten und zukünftigen Bedürfnisse gestalten,
ohne die dabei zuweilen notwendigen und sinnvollen organisatorischen und gesellschaftsrechtlichen
Anpassungen als Hindernis zu sehen. Um im Wettbewerb der Regionen, insbesondere als kleinere Stadt oder
Kommune zu bestehen, muss den Ansprüchen der Bürger einerseits und den Anforderungen der Wirtschaft
andererseits Rechnung getragen werden. Dabei sind insbesondere die Erhöhung der Versorgungssicherheit
und ihrer Qualität sowie die Vitalität einer effizient agierenden Kommune zu nennen. Kommunalstrukturen
wie in Kapitel 2 beschrieben, können, kurz gesagt, eine verbesserte Dienstleistung zum Wohle von Bürgern
und ansässigen Unternehmen ermöglichen. Der Aufbau solcher Kommunalstrukturen dient dabei nicht dem
Selbstzweck. Vielmehr ist das Unternehmen Kommune ein zentrales Vehikel, die oben genannten Ziele zu
erreichen. Die Diskussion ist insbesondere von Bedeutung, als dass die meisten Städte und Kommunen in
Deutschland die Grenze von 50.000 Einwohnern nicht überschreiten. Auch für diese sind die
unterschiedlichen Gestaltungsoptionen intrakommunaler Zusammenarbeit und Integration durch Bündelung
von Kompetenzen und Aufgaben innerhalb des Unternehmens Kommune anwendbar. Darüber hinaus sind
gerade auch für kleine Kommunen Ansätze von interkommunalen Kooperationen und deren Chancen im
Rahmen der Bewältigung kommunaler Aufgaben von Bedeutung, auf die an anderer Stelle dieses Kapitels
noch kurz eingegangen werden soll.
Die Chance kommunale Strukturen neu zu ordnen und nachhaltig zukunftsfähig auszurichten bietet sich,
auch für Städte und Gemeinden in der Größenordnung unter 50.000 Einwohnern, mit dem anhaltenden
Trend zur Rekommunalisierung im Versorgungsbereich, welcher weiterhin insbesondere im Energiebereich
zu beobachten ist. So können insbesondere die derzeit vielerorts von Bürgern und Politik diskutierten und
auch umgesetzten Rekommunalisierungsvorhaben im Bereich der Energienetze (Strom- und Gasverteilnetze)
als Ausgangspunkt für die Etablierung neuer komplexerer Organisations- und Beteiligungsformen auch von
kleinen und mittleren Städten und Kommunen genutzt werden. Die im Zuge der Rekommunalisierung meist
neu zu gründenden Netzgesellschaften, die (in vielen Fällen unter Einbezug eines strategischen Partners) die
Energienetze und deren Bewirtschaftung übernehmen, sind dabei der erste Baustein eines zukünftigen
Unternehmensverbundes unterschiedlicher Aufgabenbereiche. In der Regel gründen Kommunen im Zuge
solch einer Rekommunalisierung der Energienetze zuerst eine Holding-Gesellschaft (Stadtwerke-Holding),
welche dann als erstes Beteiligungsobjekt die kommunalen Anteile an der neuen Netzgesellschaft hält. Diese
Holding dient dann als Nukleus für zukünftige Erweiterungen des Beteiligungsportfolios im Sinne eines
„Grüne Wiese“-Ansatzes, sei es im Energiebereich durch den Aufbau weiterer Sparten, wie z.B. Erzeugung
und Vertrieb oder auch weiterer Geschäftsfelder in denen sich eine Kommune zu engagieren beabsichtigt,
wie z.B. im Bereich Telekommunikation (Glasfaserausbau). An die Holding lassen sich wiederum auch
Dauerverlustbetriebe, wie z.B. städtische Bäderbetriebe „andocken“, so dass die im Energiebereich
30
üblicherweise anfallenden Gewinne mit Verlusten aus defizitären Betrieben im Rahmen des steuerlichen
Querverbundes verrechnet werden können. Das Modell bietet auch weitgehende Flexibilität bei der
Aufnahme weiterer strategischer Partner, sowohl aus dem öffentlichen Bereich, z.B. im Rahmen einer
interkommunalen Kooperation, als auch aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, z.B. im Bereich
Energieerzeugung- und vertrieb. Erfolgskritisch ist hierbei jedoch, dass bereits während der konzeptionellen
Planung des jeweiligen Rekommunalisierungsvorhabens die Entwicklungsperspektiven solcher neuer
Unternehmensverbünde ausgelotet und gemäß der strategischen Ziele der Kommune ausgerichtet werden.
Neben den bereits ausführlich diskutierten Möglichkeiten der Errichtung und Nutzung komplexer
intrakommunalen Strukturen sind interkommunale Kooperationen insbesondere auch für kleine und mittlere
Städte und Kommunen von steigender Bedeutung für eine effektive und effiziente Aufgabenerledigung in
der öffentlichen Daseinsvorsorge und zur Schonung finanzieller und personeller Ressourcen. Wie auch in der
intrakommunalen Zusammenarbeit verschiedener Bereiche und Unternehmen steht auch hier vor allem die
Generierung von Skalenvorteilen im Vordergrund. Die Vorteile liegen insbesondere in der höheren
Flexibilität und Effizienz beim Einsatz personeller Ressourcen, der verbesserten Auslastung von Maschinen
und Geräten sowie in der gemeinsamen Nutzung vorhandener Infrastrukturen. Darüber hinaus können
Spezialisierungsvorteile erzielt werden. Gerade kleinere Städte und Kommunen können, auf Grund fehlender
kritischer Masse, aus sich selbst heraus meist nur geringe Synergien durch horizontale und vertikale
Clusterbildung heben, so dass eine Zusammenarbeit auf interkommunaler Ebene forciert werden sollte.
Die Aufgabenbereiche, in denen interkommunal kooperiert werden kann, können auf Grund
unterschiedlicher Zielsetzungen in drei Kategorien aufgeteilt werden: verwaltungstechnische
Zusammenarbeit im Bereich der nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsfelder der Daseinsvorsorge, strategische
Zusammenarbeit im Bereich Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung und operative Zusammenarbeit in
den Bereichen Administration und Dienstleistungen. Die meisten solcher Kooperationen sind
verwaltungstechnisch geprägt und finden im nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der Daseinsvorsorge
statt. Kooperationen auf dem Gebiet freiwilliger Leistungen mit hohem Gestaltungsspielraum und
Zukunftspotenzial sind bisher hingegen wenig verbreitet, werden aber für viele Kommunen zunehmend
attraktiver. Die interkommunale Zusammenarbeit im Dienstleistungsbereich bezieht sich auf die vorrangig
internen, kaufmännischen Geschäftsprozesse einer Verwaltung. In der Regel handelt es sich dabei um so
genannte Sekundärfunktionen der Kommune, auch „Back Office“ genannt. Besonders die
Dienstleistungspartnerschaften im "Back-Office"-Bereich sind aus kommunalpolitischer Sicht geeignet, weil
sie hohe Effizienzgewinne erbringen können, jedoch die lokalen Identitäten der Gemeinden wenig
tangieren. 37 In der Praxis sind interkommunale Kooperationen vor allem auf den Feldern Regionalmarketing
und Wirtschaftsförderung, Grünflächen und Straßenbewirtschaftung, z.B. Bauhöfe, Wasser und Abwasser
oder auch der Informationstechnologie zu finden.
Interkommunale Kooperationen können in unterschiedlicher Ausprägung erfolgen. Mit zunehmendem Grad
der interkommunalen Integration steigen die Synergiepotenziale. Die Eigenständigkeit jeder Körperschaft
nimmt hingegen ab. Grundsätzlich lassen sich vier Stufen der Zusammenarbeit erkennen: Begrenzung auf
einen reinen Erfahrungsaustausch, Bezug gegenseitiger Leistungen und damit einhergehender
Spezialisierung, die Errichtung von gemeinsamer Gesellschaften (Joint Venture) sowie die Zusammenlegung
oder Fusion von Verwaltungseinheiten oder Unternehmen (siehe Abbildung 4).
37
Haushaltskonsolidierung durch interkommunale Zusammenarbeit, Dr. Andreas Osner
31
Schuldr echtlich
Er fahr ungsaustausch
Gegenseitiger
Leistungsbezug
Gesellschaftsr echtlich
Gem einsam e
Gesellschaften
( Joint Ventur e)
Fusion der
Ver waltungseinheiten/
U nter nehm en
Eigenständigkeit
Synergiepotenzial
Abb. 4: Synergiepotenzial Interkommunaler Zusammenarbeit
Bei der Auslotung von Optionen für interkommunale Kooperationen sind jedoch die potenziellen Effizienzund Effektivitätssteigerungen gegen die notwendigen Integrations- bzw. Transaktionskosten (quantitativer
wie qualitativer Natur) gegeneinander abzuwägen
Die Vorteile komplexer Kommunalstrukturen sowohl intra- als auch interkommunaler Natur sind nicht nur
vor dem Hintergrund messbarer Kennzahlen wie der Kostenreduktion zu betrachten. Auch der Austausch
von "best practices" und der Transfer von kommunalem Know-how zwischen Beteiligungen innerhalb einer
Kommune oder auch zwischen Beteiligungen verschiedener Kommunen ist gerade für kleine Kommunen
förderlich. Sowohl der punktuelle (bilateral und auf spezielle Fachgebiete begrenzt) als auch der breitere
Wissenstransfer (institutionalisiert und von mehreren Bereiche im Unternehmen Kommune praktiziert)
zwischen Gebietskörperschaften kann die Verwaltung professionalisieren und zu einer "win-win Situation"
für die beteiligten Parteien führen. Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und folglich mehr regionales Gewicht
auch der kleineren Städte und Gemeinden - jenseits von messbaren Kennzahlen - sind die Folge.
Der Aufbau komplexer Kommunalstrukturen und der Ausbau zum Unternehmen Kommune lohnt und ist
auch für kleine und mittlere Kommunen, die bei weitem das Gros der Kommunallandschaft in Deutschland
repräsentieren, ein probates Mittel, sich im Wettbewerb der Regionen zukunftsfähig zu positionieren.
32
4. Beispielhafte Vorstellung von „Konzern-Stadt“-Konzepten und
Holdingmodellen
Nach Kenntnis der Autoren gibt es in Deutschland keine Kommunen, die sich bereits jetzt so organisiert und
strukturiert haben, wie es in der neuen Definition vom „Unternehmen Kommune“ unter Punkt 2.1
herausgearbeitet wurde. 38 Es gibt jedoch andererseits eine ganze Reihe von Städten, die sich nach dem
tradierten „Konzern-Stadt“-Verständnis ausrichten, und es gibt darunter auch Kommunen, die auf dieser
Grundlage dabei sind, Konzepte für ein weitergehendes, komplexes Aufgaben- und Organisationsverständnis
zu entwickeln, das sich an den Überlegungen zum Unternehmen Kommune orientiert.
Für die vorliegende Studie haben wir beispielhaft den Status quo und darauf aufbauende konzeptionelle
Überlegungen für drei vergleichbare Kommunen - die Landeshauptstädte von Brandenburg, MecklenburgVorpommern und Thüringen, Potsdam, Schwerin und Erfurt - zur Kenntnis genommen.
Wir haben versucht, die Erfassung der konkreten Sachverhalte anhand der folgenden Mustergliederung
vorzunehmen. Dabei konnten naturgemäß die konzipierten Inhalte nicht immer vollständig bearbeitet
werden, vor allem deshalb, weil es dafür noch keine faktologischen Grundlagen gab.
Für die Mitwirkung und Unterstützung im Rahmen von Gesprächen und durch Zuarbeiten danken wir an
dieser Stelle sehr herzlich:
 für die Landeshauptstadt Potsdam Simone Hartmann, kommissarische Leiterin des
Beteiligungsmanagement der Stadt Potsdam, Holger Böhme, Geschäftsführer Stadtwerke Potsdam
GmbH, und Holger Neumann, Geschäftsführer Energie und Wasser Potsdam GmbH sowie Stefan Klotz,
Pressesprecher der Stadtwerke Potsdam
 für die Landeshauptstadt Schwerin Matthias Dankert, Geschäftsführer der
Gesellschaft für
Beteiligungsverwaltung Schwerin mbH und Matthias Effenberger, Geschäftsführer der Schweriner ITund Service GmbH
 für die Landeshauptstadt Erfurt Kathrin Hoyer, Beigeordnete.
Mustergliederung
1. „Konzern-Stadt“-Konzepte in der Beispielkommune. Chronologie der Konzeptentwicklung. Zentrale
Dokumente und Beschlüsse.
2. Darlegung der konzeptionellen Herangehensweise (komplexe Strukturierung, horizontale und/oder
vertikale Strukturierung, Clusterbildung, Schnittstellen Kernverwaltung – externe kommunale Bereiche,
Einbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen usw.)
3. Erfahrungen bei der Umsetzung von „Konzern-Stadt“-Konzepten (Treiber, Mitwirkende, Organisation des
Diskussions- und Entscheidungsprozesses, Stolpersteine und deren Überwindung)
4. Konzepte zur Weiterentwicklung der bestehenden „Konzern-Stadt“-Strukturen (z.B. übergreifende
Prozessorganisation für Kernverwaltung und kommunale Unternehmen und weitere externe Bereiche
(z.B. IT, TK, Fuhrparkmanagement, Personalmanagement, Immobilienmanagement, Cash-Management,
Risikomanagement, Schuldenmanagement usw.)
5. Doppik als Voraussetzung und Impulsgeber
Die Autoren konnten diese Aussage nicht auf der Grundlage einer wirklich repräsentativen und belastbaren Analyse treffen. Sie
verfügen jedoch auf Grund ihrer Tätigkeit über so umfangreiche Praxiskenntnisse, dass sie ihre Annahme seriös formulieren konnten.
38
33
4.1 Potsdam
Für Potsdam wird die Thematik im Folgenden ausschließlich für den Stadtwerkekonzern aufgearbeitet. Es sei
an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass in der Landeshauptstadt im Rahmen der komplexen
Ausrichtung konsequent der Weg einer fachbezogenen kommunalwirtschaftlichen Clusterbildung gegangen
wird. Neben dem Stadtwerkekonzern steht dafür beispielhaft die Pro Potsdam GmbH, in der alle Aspekte der
kommunalen Wohnraum-, Gebäudewirtschaft und Stadtentwicklung zusammengefasst wurden.
Dieser Weg zur Etablierung konzernartiger Strukturen unter aufgabenbezogenen Aspekten wurde in
Potsdam nicht nur aus steuerlichen Erwägungen (Querverbund), sondern in erster Linie zur Erhöhung der
Effektivität beschritten. Begonnen wurde im Lahr 2000 mit der Gründung des Stadtwerkeverbundes. Zur Verund Entsorgung gehören die Bereiche Energie, Wasser, die städtische Abfallwirtschaft und die
Verkehrsbetriebe.
Ein zweiter Pfeiler des „Konzern-Stadt“ beschäftigt sich mit Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung. Hier ist
das Wohnungsbauunternehmen als Sanierungs- und Entwicklungsträger im bereits erwähnten
Unternehmensverbund Pro Potsdam integriert.
Unter Gesundheit und Soziales ließe sich die dritte Sparte des Stadtkonzerns sublimieren. Dazu gehört das
Klinikum „Ernst von Bergmann“, ein städtisches Gesundheitszentrum, eine Alteneinrichtung und
verschiedene Serviceunternehmen.
Vier Technologie-Zentren bilden den vierten Pfeiler der kommunalen Wirtschaftstätigkeit. Deren Aufgabe ist
es, möglichst wirtschafts- und wissenschaftsnah Gewerbeansiedlungen zu akquirieren. Das Portfolio soll aber
auch Existenzgründer-Beratung, Finanzierung und weiteres mehr enthalten. Abgerundet wird die
Gesamtstruktur von der Kultur. Hier werden das Hans-Otto-Theater und der Nicolai-Konzertsaal als
städtische GmbHs geführt. Mit allen Tochterunternehmen führt die Landeshauptstadt Potsdam über 40
kommunale Unternehmen.
Aus Sicht der Stadt wäre es nicht sinnvoll, die teilweise doch sehr unterschiedlichen Unternehmensinhalte
unter einem Dach zu vereinen. „Ein Experte in energiewirtschaftlichen Fragen ist nicht unbedingt auch ein
profunder Stadtentwickler. Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen steht immer unter der Prämisse der
politischen Kontrolle. Wir haben diese Strukturen auch deshalb geschaffen, damit sie vom politischen
Korrektiv der Stadtverordnetenversammlung noch nachvollzogen werden können. Unser Ziel war es,
Transparenz und Effizienz möglichst optimal miteinander zu versöhnen. In unserer Verantwortung liegt es,
die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht nur vorzuhalten, sondern auch möglichst wirtschaftlich zu
organisieren.
Auch in Potsdam gab es Planspiele die städtische Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen und damit den
Haushalt zu sanieren. Die Entscheidung für die kommunale Lösung beinhaltete aber auch den Auftrag, die
städtischen Unternehmen so umzustellen, dass sie einen Beitrag zu den kommunalen Finanzen leisten
können.“ 39
Da sich die folgenden Darlegungen ausschließlich auf die erste Säule der Potsdamer Kommunalwirtschaft
- Ver- und Entsorgung mit den Bereichen Energie, Wasser, städtische Abfallwirtschaft und Verkehrsbetriebe
– konzentrieren, wurde folgerichtig der Punkt 5 der Mustergliederung, Doppik als Voraussetzung und
Impulsgeber, für Potsdam nicht bearbeitet.
Jann Jakobs: Transparenz und Effizienz als wesentliche Zielstellungen im Konzern Landeshauptstadt Potsdam, UNTERNEHEMRIN
KOMMUNE, Mai/2010, S. 64
39
34
Zu 1: „Konzern-Stadt“-Konzepte in der Beispielkommune. Chronologie der Konzeptentwicklung,
zentrale Dokumente und Beschlüsse
In Potsdam stand bereits unmittelbar nach der Wende die Gründung von Stadtwerken auf der
Tagesordnung. 40 An eine Konzernstruktur, wie sie heute in der Landeshauptstadt existiert, war allerdings zu
dieser Zeit noch nicht zu denken. Einerseits fehlten zwangsläufig noch die notwendigen Erfahrungen zur
Steuerung von kommunalen Unternehmen unter den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen,
andererseits – und das war der viel entscheidendere Grund - mussten zunächst die technischen und vor
allem eigentumsrechtlichen Voraussetzungen für die Gründung bzw. Übernahme der für die Daseinsfürsorge
zuständigen Unternehmen geschaffen werden.
In der Nachwendezeit stand somit zunächst die materielle Sicherstellung und Modernisierung der
Daseinsvorsorge im Vordergrund. Dies umfasste in Potsdam die Herauslösung der Wärmeversorgung aus der
größten Wohnungsgesellschaft in eine eigenständige Kapitalgesellschaft - Energieversorgung Potsdam GmbH
(EVP) als Keimzelle künftiger Stadtwerke. Die EVP hatte infolge vor allem die Aufgabe, die örtlichen
Energieversorgungsanlagen (Strom, Gas und zum Teil auch Wärme) von den aus dem ehemaligen
Energiekombinat Potsdam hervorgegangenen Regionalversorgern zu übernehmen. Die Übernahme der
Stromversorgung erfolgte im Rahmen des bundesweiten sogenannten Stromvergleichs, in dessen Ergebnis
sich der damalige regionale Stromversorger MEVAG (inzwischen E.ON edis AG) zu 35% an der EVP beteiligt
hat. Danach erfolgte unter großen Anstrengungen auch die Übernahme der Gasversorgung von der
damaligen Treuhandanstalt durch Abspaltung aus dem bereits bestehenden Regionalgasversorger.
Parallel dazu wurden durch die EVP bereits die ersten Energiekonzepte erstellt und durch die
Stadtverordneten die grundlegenden energiepolitischen Weichenstellungen getroffen, insbesondere
hinsichtlich der künftigen Eigenerzeugung von Strom im zukunftsweisenden Prozess der Kraft-WärmeKopplung. Der Einweihung des gas- und dampfbetriebenen Heizkraftwerkes in Potsdam-Süd 1996 ging ein
sehr kontroverser längerer politischer Diskussions- und Abstimmungsprozess voraus. Die Bereiche
Trinkwasserversorgung und Abwasserversorgung sowie öffentlicher Nahverkehr und der Bereich
Abfallentsorgung und Stadtreinigung wurden größtenteils jeweils in eigenständige Kapitalgesellschaften
überführt. Im Ergebnis entstanden die späteren Konzernbetriebe: Wasserbetrieb Potsdam GmbH (WBP),
Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH (ViP) und Stadtentsorgung Potsdam GmbH (STEP), letztere mit privater
Beteiligung (zunächst RWE, inzwischen REMONDIS).
Um die Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der Landeshauptstadt Potsdam auf die städtischen
Unternehmen sicherzustellen, wurde 1996, basierend auf den kommunalrechtlichen Vorgaben, der Bereich
Beteiligungsverwaltung, später –management, eingerichtet. Der Bereich ist geschäftsübergreifend bei
gesellschaftsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Themen als Schnittstelle zwischen den kommunalen
Unternehmen und der Verwaltungsführung und somit für die städtischen Unternehmen der
Daseinsvorsorge, ebenso wie für die der Wohnungswirtschaft, den Klinikbereich, den Kulturbereich und
weitere städtische Unternehmen tätig.
40 UNTERNEHMERIN KOMMUNE, Fachzeitschrift für kommunalwirtschaftliches Handeln, hat für 2013 das Jahresthema „KonzernStadt“ gesetzt. Die beispielhafte Vorstellung von „Konzern-Stadt“-Konzepten und Holdingmodellen in der vorliegenden Studie wird in
den Ausgaben von UNTERNEHMERIN KOMMUNE auch publizistisch verwertet. Die Darlegungen zur Landeshauptstadt Potsdam
stützen sich wesentlich auf den Beitrag „Wachstum und konsequente Integration“ von Stefan Klotz in der Ausgabe Juni 2013, S. 22ff.
Dieser Text folgt einer Mustergliederung, die der federführende Autor dieser Studie für die exemplarischen Bestandsaufnahmen für
diese Studie in den Städten Erfurt, Potsdam und Schwedt entwickelt hat. Wir danken Stefan Klotz für die strukturierte Bearbeitung,
und Simone Hartmann, kommissarische Leiterin des Beteiligungsmanagement der Stadt Potsdam, Holger Böhme, Geschäftsführer
Stadtwerke Potsdam GmbH, und Holger Neumann, Geschäftsführer Energie und Wasser Potsdam GmbH für die engagierte
inhaltliche Mitwirkung.
35
Zu 2: Darlegung der konzeptionellen Herangehensweise (komplexe Strukturierung, horizontale
und/oder vertikal Strukturierung, Clusterbildung, Schnittstellen Kernverwaltung – externe
kommunale Bereiche, Einbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen usw.)
Die von der Dynamik der Wendezeit getriebenen, aber noch nicht optimal koordinierten
Unternehmensentwicklungsprozesse hatten Anfang bis Mitte der 90iger Jahre zur Folge, dass es in Potsdam
eine heterogene Beteiligungslandschaft der Daseinsvorsorge gab. Die ViP und auch die Wasserbetrieb
Potsdam GmbH waren 100%ige städtische Unternehmen, während die EVP und die STEP
gemischtwirtschaftlich organisiert waren bzw. sind, d.h. private Minderheitsgesellschafter haben, mit denen
in der Zusammenarbeit gute Erfahrungen gesammelt werden konnten. Im Bereich Wasser gab es zudem eine
Potsdamer Sondersituation wegen der 1998 erfolgten Teilprivatisierung des Wasserbetriebes, welche jedoch
bereits im Jahr 2000 durch Rekommunalisierung rückgängig gemacht wurde.
In den Fokus gerückt war bereits einige Jahre zuvor, ab 1997/1998, die Schaffung von Synergien durch die
mögliche Zusammenfassung von Unternehmen unter einer Stadtwerke-Holding. Veränderte
Rahmenbedingungen, insbesondere die Liberalisierung der Energiewirtschaft, aber auch die angespannte
städtische Haushaltslage und der generelle Kostendruck in allen Bereichen waren die Hauptgründe dafür.
Am 06. Oktober 2000 wurden die Stadtwerke Potsdam GmbH (SWP) gebildet. Damit wurde ein Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam zur Bildung dieser Holding umgesetzt. Kern
des Konzeptes war es damals, die Steuerlast der noch getrennten Unternehmen durch die Verrechnung von
Gewinnen und Verlusten innerhalb einer Holding zu senken. Diese Steuerersparnisse konnten wiederum
schwerpunktmäßig für eine wichtige kommunale Aufgabe genutzt werden, für den ÖPNV. Eine zentrale
Kontrolle und Steuerung der Betriebe durch die Stadt kam zudem der Einsparung von Kosten auf Grund
entstehender Synergieeffekte zugute.
Zunächst wurden die EVP, die WBP, die ViP und die STEP unter dem Dach der Stadtwerke zusammengefasst.
Zu 3: Erfahrungen bei der Umsetzung von Konzern-Stadt-Konzepten (Treiber, Mitwirkende,
Organisation des Diskussions- und Entscheidungsprozesses, Stolpersteine und deren
Überwindung)
Neben der Herstellung des steuerlichen Querverbundes, war die Erschließung von Synergiepotentialen eine
zentrale Zielstellung der Stadtwerkebildung. Insbesondere in den leitungsgebundenen Bereichen wurden die
größten Synergiepotentiale gesehen. Daher wurden bereits 2002 unter dem Dach der Stadtwerke der
Wasserbetrieb und die Energieversorgung zur EWP verschmolzen.
Stand vor der Stadtwerkegründung noch die materielle und technische Sicherung der Daseinsvorsorge für
die einzelnen Unternehmen im Mittelpunkt, war es nunmehr vor allem notwendig, unter Einbringung der
Ressourcen des ganzen Verbundes, die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen und vertraglichen
Randbedingungen für die einzelnen Unternehmen zu stabilisieren. Neben der Anpassung der
Gesellschaftsverträge und dem Abschluss von Ergebnisabführungsverträgen zwischen der Holding und den
Tochtergesellschaften umfasste dies insbesondere auch die langfristige Regelung der Leistungsbeziehungen
sowie der entsprechenden Finanzierung mit der Landeshauptstadt Potsdam. Stellvertretend dafür steht der
Verkehrsleistungs- und finanzierungsvertrag. Dieser hat wesentlich sowohl zur Stabilisierung der
Konzernfinanzierung als auch zur Stabilisierung des städtischen Haushalts beigetragen.
Aufgrund der positiven Erfahrungen konnten alsbald andere Bereiche der Daseinsvorsorge, wie Bäder (2005)
und Stadtbeleuchtung (2010), diese waren vormals in einem städtischen Amt angesiedelt bzw. als
Eigenbetrieb organisiert, auf die Stadtwerke übertragen werden. Seit 2013 gehört auch das städtische
Fuhrparkmanagement zum Aufgabenbereich der Stadtwerke.
36
Zu 4: Konzepte zur Weiterentwicklung der bestehenden „Konzern-Stadt“-Strukturen (z.B.
Übergreifende Prozessorganisation für Kernverwaltung und kommunale Unternehmen und
weitere externe Bereiche (z.B. IT, TK, Fuhrparkmanagement, Personalmanagement,
Immobilienmanagement, Cash-Management, Risikomanagement, Schuldenmanagement usw.)
Die Finanzierung, insbesondere die Zwischenfinanzierung von Leistungen und Investitionen durch die
Stadtwerke-Holding
ist
neben
den
steuerlichen
Aspekten
ein
Kerngedanke
des
Unternehmensverbundes.„Die Finanzierung betrifft insbesondere die ViP und die Bäderlandschaft Potsdam
GmbH (BLP), die zum einen die geringsten Ressourcen aus den eigenen Erträgen aufweisen, zum anderen
einen hohen Investitionsbedarf haben. Durch die zunehmende Investitionstätigkeit der
Tochtergesellschaften ist im gesamten Stadtwerke-Verbund ein hoher Finanzierungsbedarf erforderlich.
Auch vor dem Hintergrund knapper werdender Fördermittel von Land und Bund ist die Stabilität und
Finanzstärke der Stadtwerke-Holding von entscheidender Bedeutung.
Innerhalb des Stadtwerkeverbundes kommen die städtischen Anteile an den Gewinnen – generiert
insbesondere von der EWP - den beiden sich nicht aus eigener Kraft finanzierbaren Unternehmen ViP und
BLP zugute.
Die Stadtwerke sind durch umfangreiche Vertragswerke gesellschafts- und steuerrechtlich definiert.
Zwischen den gemischtwirtschaftlichen Tochterunternehmen (35 Prozent der EWP-Anteile liegen bei der
EON EDIS AG und 49 Prozent der STEP-Anteile bei der REMONDIS AG & Co. KG) und der Stadtwerke-Holding
gibt es Ergebnisabführungsverträge. Die ViP, die BLP, die kommunale Fuhrparkservice Potsdam GmbH und
die Stadtbeleuchtung Potsdam GmbH sind über Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in die
Stadtwerke eingegliedert.
Mit der Landeshauptstadt gibt es ebenfalls eine Reihe Verträge grundsätzlicher Natur: Bei der EWP sind dies
der Ver- und Entsorgungsvertrag im Wasserbereich sowie die Konzessionsverträge für Strom und Gas und
der Fernwärmegestattungsvertrag, bei der ViP der bereits erwähnte Verkehrsleistungs- und finanzierungsvertrag, bei der STEP der Vertrag zum Sammeln und Transportieren von Abfällen, Wertstoffen
und Fäkalien und die Durchführung der Straßenreinigung sowie der Deponievertrag.
Die beiden kleineren Gesellschaften BLP und SBP sind über den Bäderübernahmevertrag und den
Bäderfinanzierungsvertrag bzw. über den Vermögensübertragungsvertrag und Überleitungsvertrag des
Eigenbetriebes Stadtbeleuchtung Potsdam mit der Holding verbunden.
Der Bereich Beteiligungsmanagement ist wie oben erwähnt geschäftsübergreifend bei
gesellschaftsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Themen tätig. Das Beteiligungsmanagement umfasst
Aufgaben der Steuerung, der Verwaltung und des Controllings der Unternehmensbeteiligungen der
Landeshauptstadt Potsdam sowie Aufgaben der Mandatsbetreuung. Zu den Aufgaben des
Beteiligungsmanagements gehört auch die Erstellung des Beteiligungsberichtes.
2012 befasste sich der Bereich neben der regulären Tätigkeit schwerpunktmäßig mit der Umsetzung der
Empfehlungen der Transparenzkommission der Landeshauptstadt Potsdam.
Der Bereich ist seit 2011 beim Oberbürgermeister angesiedelt und hat eine federführende Rolle bei der
Implementierung und der Umsetzungskontrolle des Corporate Governance Kodex der Stadt. Über die
Funktion als Gesellschafterin der Stadtwerke ist die Landeshauptstadt Potsdam in alle wichtigen
Entscheidungen maßgeblich involviert. Der Oberbürgermeister konzentriert sich auf die
Gesellschafterfunktion in den städtischen Eigengesellschaften, also auch der SWP.
Aufsichtsratsvorsitzender der SWP ist der Bürgermeister, zugleich Beigeordneter für Zentrale Steuerung und
Service. Das Beteiligungsmanagement bereitet eigenständig oder auf der Grundlage der Beschlussunterlagen
der Gesellschaften sowohl Gesellschafterversammlungen als auch Aufsichtsratssitzungen für die jeweiligen
städtischen Vertreter vor.
Bei der SWP sind neben dem Bürgermeister und vier Arbeitnehmervertretern sieben Vertreter über die
Stadtverordnetenversammlung im Aufsichtsrat.
Die EWP, die VIP und die STEP haben jeweils eigene Aufsichtsräte, mit städtischen Vertretern. Bei den
kleineren Stadtwerke-Gesellschaften, wie BLP, KFP und SBP, die über keinen eigenen Aufsichtsrat verfügen,
befasst sich der Stadtwerke-Aufsichtsrat mit den wesentlichen Unternehmensentscheidungen.
37
Der Stadtverordnetenversammlung obliegen - nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen - u.a.
Entscheidungen über den wesentlichen Inhalt von Satzungen von Gesellschaften, an denen Potsdam
unmittelbar oder mittelbar mehr als ein Viertel der Anteile hält sowie über die Entsendung von
Stadtverordneten in Aufsichtsräte oder Beiräte.
Insofern erfolgt ein abgestimmtes und gutes Zusammenspiel der zur effektiven Steuerung der StadtwerkeHolding beteiligten Gremien.
Die Clusterbildung war ein wichtiges Kriterium der Führungsarbeit innerhalb der Stadtwerke in den Jahren
nach ihrer Gründung. Der Schwerpunkt lag insbesondere in den Bereichen Energie und Wasser, also der
leitungsgebundenen Daseinsvorsorge. Die Zusammenfassung potentieller und bestehender Kunden, die
hinsichtlich bestimmter Kriterien ein hohes Maß an Ähnlichkeit aufweisen, führte hier im Jahr 2002 zur
Fusion der EWP unter dem Dach der Stadtwerke. Die besondere Herausforderung dabei sind die
unterschiedlichen Preismodelle: bei der Energie die Marktpreise, beim Wasser und Abwasser die Gebühren
entsprechend der städtischen Satzungen. Intern sind jedoch unter Finanzierungsaspekten beides letztlich
Geldströme, die wiederum jeweils in die Investitionen und in die Betriebsführung fließen.
Die Beteiligungsunternehmen sind in der Regel auf Grund ihres Unternehmenszwecks von herausgehobener
Bedeutung für das Gemeinwohl. Während private Unternehmen ausschließlich marktorientiert auftreten,
agieren öffentliche Unternehmen viel stärker im Spannungsfeld zwischen Markt, Politik und Öffentlichkeit.
Auch die Eigentümer öffentlicher Unternehmen sind selbstverständlich an effektiven Strukturen und an
einer Rendite im Umgang mit knappen Ressourcen interessiert. Sie sind jedoch nicht nur Gesellschafter,
sondern auch Auftraggeber. Dadurch ist die Steuerung häufig schwieriger als in der Privatwirtschaft.
Entsprechend bedarf es hier besonders klarer, transparenter und effizienter Steuerungs- und
Kontrollmechanismen, aber auch wechselseitiger Informations- und Konsultationsbeziehungen von der
Planung über die Durchführung bis hin zur Ergebnisdarstellung.
Eine zeitweilig in Potsdam eingesetzte Transparenzkommission 41 hat am 16. 01. 2012 ihren Schlussbericht
vorgelegt. Der Bericht enthält u.a. Empfehlungen zu den Themenkomplexen Sponsoring und Compliance
sowie Empfehlungen zur Stärkung der Aufsichtsräte, zum Erlass einer Geschäftsführerrichtlinie und zur
Verbesserung der Steuerung und Kontrolle städtischer Unternehmen.
Die Empfehlungen der Transparenzkommission wurden vom Beteiligungsmanagement aufgegriffen und mit
Maßnahmen zu deren Umsetzung untersetzt. Ziel war und ist es, Transparenz bei Entscheidungen in
städtischen Unternehmen zu gewährleisten und dem gestiegenen Informationsbedürfnis der
Stadtverordneten und der interessierten Öffentlichkeit nachzukommen.
So wurde z.B. eine Richtlinie „Geschäftsführer“, welche einem transparenten Verfahren zur Auswahl und
Neubesetzung von Geschäftsführern in städtischen Unternehmen bzw. Beteiligungen dient - und nach der
jetzt verfahren wird - und ein Handlungskatalog für Mitglieder in Aufsichtsräten in städtischen
Unternehmen von der SVV beschlossen und der Mustergesellschaftsvertrag überarbeitet.
Besonders zu erwähnen sind auch die Sponsoring-Richtlinien und die Compliance-Richtlinie. Diese sind
erarbeitet worden unter Einbeziehung der städtischen Unternehmen sowie einer Vielzahl weiterer
Beteiligter und werden nun in den Unternehmen umgesetzt.
Um dem wachsenden Informationsbedürfnis der Stadtverordneten nachzukommen, wird neben der
Erstellung des Beteiligungsberichtes, der auch auf der Internetseite der Landeshauptstadt veröffentlicht
wird, regelmäßig im nichtöffentlichen Teil des Hauptausschusses über die wesentlichen Inhalte der Sitzungen
bzw. Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen ausgewählter städtischer Unternehmen unterrichtet.
In einer Anlage zum Kodex der Landeshauptstadt Potsdam ist der gewünschte Zielbildungsprozess
dargestellt. So soll die Steuerung der Unternehmen der Landeshauptstadt Potsdam über
unternehmensspezifische Zielsysteme erfolgen.
Die Aufgaben des Unternehmens werden im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Satzung als Gegenstand
bestimmt. Es gibt eine enge Abstimmung zwischen dem zuständigen Fachbereich und dem Bereich
Beteiligungsmanagement unter Einbeziehung des betreffenden Unternehmens.
Die Kommission wurde im Zusammenhang mit der sogenannten Stadtwerkeaffäre im Jahr 2011 auf Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung eingesetzt.
41
38
Die Oberziele enthalten die grundsätzlichen Leitaussagen für das jeweilige Unternehmen, Teilziele beziehen
sich auf die einzelnen Segmente des Tätigkeitsfeldes. Die Umsetzung der durch die Landeshauptstadt
Potsdam bestimmten Unternehmensziele liegt in der Verantwortung der jeweiligen Geschäftsführungen.
Bestandteil der Steuerung der Beteiligungen mittels Eigentümerzielen ist das Zielcontrolling. Es prüft die
fachlichen und finanziellen Zielvorgaben aus den Eigentümerzielen sowie die Konkretisierung im
strategischen Unternehmenskonzept und der Wirtschaftsplanung. Dies erfolgt z.B. im Rahmen der
Jahresabschluss-Analyse und der Wirtschaftsplan-Analyse. Außerdem werden unterjährige Berichte erstellt,
die den Stand der Zielerreichung in Bezug auf die in der Wirtschaftsplanung gesetzten Jahresziele
dokumentieren.
Die Gründung der Bäderlandschaft Potsdam GmbH (BLP) aus Teilen des städtischen Sportstätten- und
Bäderamtes war 2005 die erste Erweiterung der Stadtwerke um ein neues Geschäftsfeld. Die
Stadtbeleuchtung Potsdam GmbH (SBP) und die Kommunale Fuhrparkservice Potsdam GmbH (KFP) folgten.
Generell wuchs das mengenmäßige Aufgabenvolumen der Stadtwerke-Unternehmen kontinuierlich. Ein
Hauptgrund war die brandenburgische Gemeindegebietsreform im Jahr 2003. Dadurch wuchs Potsdam
schlagartig um 11.000 Einwohner. Bis 2011 wurden die Bereiche Energie, Wasser, Entsorgung und Verkehr
auf die so genannten Neuen Ortsteile ausgedehnt.
Die brandenburgische Landeshauptstadt ist eine der wenigen ostdeutschen Großstädte, die wieder wachsen.
Aktuell hat Potsdam 158.590 Einwohner (Stichtag 30. September 2012). In nicht allzu ferner Zeit werden es
voraussichtlich fast 190.000 sein. Vor allem im Hinblick auf diese Entwicklung und die Vorgaben des
Klimaschutzkonzeptes der Landeshauptstadt haben die Unternehmen des Stadtwerkeverbundes jeweils
eigene Unternehmensstrategien für die nächsten Jahre entwickelt, die in die übergreifende SWPNachhaltigkeitsstrategie 2050 eingebettet sind.
Im Ergebnis der Bevölkerungsentwicklung wurde im Jahr 2012 die Grenze von 100.000 Netzkunden im
Strombereich erreicht. Dies machte bei der EWP die Ausgründung der Netzgesellschaft Potsdam GmbH
(NGP) zum 01.01.2013 notwendig. Die NGP ist nun für die Strom- und Gasnetze zuständig.
Um auf die Erfordernisse der Energiewende angemessen zu reagieren, wurde außerdem, neben vielen
Eigenaktivitäten in der EWP, 2012 eine Beteiligung an einer Windgesellschaft (BMV Energie GmbH & Co KG)
eingegangen. Hierbei handelt es sich um eine interkommunale Kooperation mehrerer Stadtwerke und
Regionalversorger. Gegenstand ist die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes der Landeshauptstadt Potsdam
einschließlich Realisierung der dort definierten Investitionen in Windstromerzeugungsanlagen.
39
4.2 Schwerin
Zu 1: „Konzern-Stadt“-Konzepte in der Beispielkommune. Chronologie der Konzeptentwicklung.
Zentrale Dokumente und Beschlüsse.
Die Entwicklung der kommunalwirtschaftlichen Strukturen vollzog sich in Schwerin, ähnlich wie in den
meisten Kommunen der neuen Länder, in der direkten Folge rechtlicher Rahmensetzungen: in erster Linie
sind dies das Kommunalvermögensgesetz aus dem Jahr 1990 und der sogenannte Stromvergleich vor dem
Bundesverfassungsgericht im Jahr 1992. Im Mittelpunkt stehen die konzernähnlich organisierten Stadtwerke
mit den Segmenten – jeweils bei Tochterunternehmen angesiedelt – Energieerzeugung, Energieverteilung,
Energienetze, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, letztere als Betriebsführer des Eigenbetriebes
Schweriner Abwasserentsorgung.
Auch die weiteren Bereiche der Kommunalwirtschaft im Kontext mit den Aufgabenträgerschaften einer
kreisfreien Stadt sind in Schwerin in erster Linie in privatrechtlichen Gesellschaften organisiert. Allein- oder
Mehrheitseigentümer ist in den meisten Fällen die Landeshauptstadt Schwerin. Wichtigste Ausnahme ist die
Helios Kliniken GmbH, an der die Stadt lediglich 5,1 Prozent der Anteile hält.
Diese eher pragmatisch etablierten Strukturen sind mit Ausnahme der Stadtwerkegruppe von „KonzernStadt“-Konzepten oder gar der „Unternehmen-Kommune“-Idee auch ausgangs der 90er Jahre noch weit
entfernt. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends wird in Schwerin damit begonnen, einen neuen
konzeptionellen Ansatz umzusetzen.
Dabei geht es zentral um die Entwicklung zentraler Steuerungsinstrumente, Dienste und Serviceleistungen:
Erstens aus der Verwaltung gegenüber den Beteiligungen, zweitens durch die Bündelung von
Managementleistungen in erster Linie für die Verwaltung vorwiegend in Eigenbetrieben, drittens durch eine
übergreifende Prozessorganisation, die Kernverwaltung und Beteiligungen als einheitlichen Prozess und
Organismus begreift, und damit dem Verständnis des „Unternehmen Kommune“ entspricht, wie es in dieser
Studie dargelegt wird.
Die gerade genannte erste Kategorie wird repräsentiert durch die Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung
Schwerin mbH (Gründungsjahr: 2003).
Die zweite Kategorie umfasst den Eigenbetrieb Zentrales Gebäudemanagement Schwerin (Gründungsjahr:
2005), den Eigenbetrieb SDS Stadtwirtschaftliche Dienstleistungen Schwerin (Gründungsjahr: 2001) und die
SVD Schweriner Verkehrs- und Dienstleistungs-GmbH (Gründungsjahr: 2002).
Die dritte Kategorie wird repräsentiert durch die SIS - Schweriner IT- und Servicegesellschaft mbH
(Gründungsjahr: 2005).
Zu 2: Darlegung der konzeptionellen Herangehensweise (komplexe Strukturierung, horizontale
und/oder vertikal Strukturierung, Clusterbildung, Schnittstellen Kernverwaltung – externe
kommunale Bereiche, Einbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen usw.)
Wie eingangs dargelegt, wird in Schwerin bei der Implementierung von komplexen
kommunalwirtschaftlichen Strukturen ein eher induktiver Weg beschritten. Die kurz skizzierte Gründung
übergreifender Servicegesellschaften hatte zweifellos einen konzeptionellen Ansatz, aber nicht im Sinne
eines umfassenden Aufgaben- und Organisationsmodells, sondern mit der eher pragmatischen Intention,
konkrete Aufgabenbereiche zu bündeln. Immerhin wurden aber Anfang des ersten Jahrzehnts Strukturen
geschaffen, die bereits mit ihrer Etablierung das Potential besaßen, die kommunalwirtschaftliche Betätigung
in einem umfassenden Sinne zu vernetzen. Konkret handelt es sich um zwei Gesellschaften, die Gesellschaft
für Beteiligungsverwaltung Schwerin mbH und die
SIS - Schweriner IT- und Servicegesellschaft mbH. Warum für beide Gesellschaften die objektiv vorhandenen
Potentiale im Sinne einer komplexen Aufgaben- und Organisationsbündelung nicht sofort voll erschlossen
wurden, sondern dies erst ab dem Jahr 2010 mit einer klar erkennbaren konzeptionellen Zielsetzung sehr
konsequent erfolgte, kann im Rahmen dieser Studie nicht untersucht werden. Im Folgenden soll aber kurz
skizziert werden, wie dieser Prozess ab 2010/2011 organisiert wurde.
40
 Die SIS - Schweriner IT- und Servicegesellschaft mbH wurde im Jahr 2005 gegründet und nahm am 1.
Januar 2006 ihre Tätigkeit auf. Grundlage war ein Beschluss der Schweriner Stadtvertretung aus dem
Jahr 2005, in dem die übergreifende Zuständigkeit der SIS für alle relevanten IT-Prozesse in den
Beteiligungen der Stadt und gleichermaßen in der Verwaltung geregelt wurde. Mit diesem Beschluss
wurde – auch im deutschlandweiten Maßstab – in Schwerin Neuland beschritten. Ein kommunaler ITDienstleister für das Unternehmen Kommune in Gänze, also für alle Beteiligungen, unabhängig von ihrer
rechtlichen Konstitution, und für die Verwaltung, ist nach Kenntnis des Autors auch aktuell in
Deutschland ohne Beispiel.
 Die SIS nahm zunächst als Tochtergesellschaft der Stadtwerke Schwerin GmbH ihre Tätigkeit auf. Damit
wurden auch - bis auf eine Ausnahme - alle Mitarbeiter des bisherigen IT-Bereiches in der Verwaltung
auf der Grundlage von Personalüberleitungsverträgen in die neue kommunale privatrechtliche
Gesellschaft überführt. Dieser schwierige Prozess konnte nach anfänglichen Widerständen am Ende
weitestgehend reibungslos und konfliktfrei realisiert werden. Für Personalübergänge, die bei weiteren
Restrukturierungen zukünftig anstehen, wurde die Schlussfolgerung gezogen, vor allem die
Kommunikation im Vorfeld zu optimieren.
 Im Jahr 2010 erfolgte – wiederum auf der Grundlage entsprechender Stadtvertretungsbeschlüsse – die
Übertragung von 100 % der Geschäftsanteile der SIS an die Landeshauptstadt Schwerin als
Alleingesellschafterin. Seit der Existenz der SIS als städtische Gesellschaft erfolgt die Interaktion
zwischen diesem Unternehmen und der Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung Schwerin mbH in einer
neuen Qualität. Grundlage ist die direkte Anbindung beider Gesellschaften an die Eigentümerin, die
Landeshauptstadt, manifestiert durch deren alleinige Gesellschafterstellung. Natürlich ist diese objektive
Grundlage die Hauptursache dafür, dass sich beide Unternehmen zunehmend als das Herzstück der
komplexen Organisation des Unternehmens Kommune Schwerin profilieren. Für die Analyse und die
Bewertung dieses Vorgangs ist aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dass beide Geschäftsführer mit ihrem
konsistenten und konstruktiven Zusammenwirken dafür einen wichtigen Beitrag leisten.
 Im Ergebnis erfolgte dann zu Jahresbeginn 2012 die Übertragung der Aufgabe Personalabrechnung für
die Stadtverwaltung an die SIS, die diese Aufgabe bereits seit Gründung für die kommunalen
Gesellschaften wahrgenommen hatte.
 Die SIS versteht sich nicht in erster Linie als technischer IT-Dienstleister mit spezifischen Hard- und vor
allem Softwarekompetenzen. Priorität hat vielmehr die fachbezogene Herangehensweise. Die SISMitarbeiter sind neben ihrer IT-Kompetenz auch Spezialisten für die vielfältigen Fachprozesse, die in den
Unternehmen und in der Verwaltung stattfinden, im kaufmännischen, vertrieblichen, Abrechnungs- oder
Personalmanagement, um nur einige Beispiele zu nennen.
 Die SIS fungiert gegenüber der Verwaltung und den kommunalen Gesellschaften als Shared Service
Center (SSC). Bewährt hat sich hier in der Zusammenarbeit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
SIS mit Mitarbeitern der Verwaltung und den städtischen Gesellschaften in regelmäßig tagenden
Facharbeitsgruppen zu verschiedensten Themenfeldern eng zusammenarbeiten. In diesen gemeinsamen
Runden werden auf der Arbeitsebene alle Aufgaben und Problemstellungen aus den Fachbereichen
bearbeitet. Auch die regelmäßige Teilnahme an Führungskräfterunden der städtischen Gesellschaften
und auch der Verwaltung ist Basis für einen direkten Informationsaustausch, um Problemstellungen
schneller erkennen und einer Lösung zuzuführen zu können. Ergänzt wird dieser Informationsaustausch
durch regelmäßige Gespräche auf der Geschäftsleitungsebene zu u.a. strategischen Themen.
 Mit dieser Ausrichtung kann die Vielzahl an Informationen, die bei der SIS verarbeitet werden, auch für
die spezifischen Erfordernisse eines effizienten Beteiligungsmanagements aufbereitet werden. Das ist
eine zentrale Schnittstelle zwischen SIS und der Beteiligungsgesellschaft.
41
Exkurs I:
Die SIS - Schweriner IT- und Servicegesellschaft mbH
Die deutschlandweite Alleinstellung, die die SIS wegen ihrer übergreifenden Zuständigkeit für das
Gesamtkonstrukt Unternehmen Kommune Schwerin besitzt, rechtfertigt es, die Gesellschaft im Folgenden
kurz vorzustellen. 42
Die SIS ist der kommunale IT-Dienstleister der Landeshauptstadt Schwerin. Zu ihren Kunden gehören neben
der Verwaltung der Landeshauptstadt und deren Eigenbetrieben, alle Unternehmen der Stadtwerke-Gruppe,
die Wohnungsgesellschaft Schwerin, die Schweriner Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgesellschaft,
der Zoologische Garten sowie das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin mit insgesamt mehr als 1600 ITArbeitsplätzen. Durch die Mitarbeiter der SIS werden über 150 unterschiedliche Fachapplikationen betreut.
Zum 1. Januar 2006 übernahm die SIS sämtliche IT-Aufgaben ihrer Kunden. Neben der Gewährleistung eines
stabilen IT-Betriebes wird derzeit durch systematische Zentralisierung und Standardisierung eine einheitliche
moderne IT-Landschaft aufgebaut. Erste Effekte hinsichtlich der von den Kunden der SIS erwarteten
Optimierung der IT-Kosten verbunden mit einer Steigerung der Qualität konnten bereits im ersten
Geschäftsjahr erzielt werden.
Die SIS begleitet ihre Kunden auch aktiv in der Bearbeitung von Zukunftsthemen und der Neugestaltung von
Prozessabläufen, beispielsweise bei der Schaffung von eGovernment-Lösungen, die für die
Verwaltungsmodernisierung eine Schlüsselrolle einnehmen. Als Basis wurde bereits eine einheitliche
eGovernment-Plattform zum gesicherten Datenaustausch aufgebaut. Hierbei wurde als Kernkomponente der
Daten- und Diensteprozessor ProGOV eingesetzt, um medienbruchfreie und rechtssichere Kommunikationsund Transaktionsprozesse im Internet zu gewährleisten.
Zu den Nutzern dieser einheitlichen eGovernment-Plattform zählen die Schweriner Stadtwerke, die
Stadtverwaltung Schwerin sowie weitere kommunale Betriebe der Landeshauptstadt, die gegenwärtig
sowohl kommunale Prozesse als auch Prozesse eines Energieversorgungsunternehmens elektronisch
umsetzen:

den elektronischen Rechnungsversand (Verbrauchsabrechnung Strom, Gas, Wärme)

den elektronischen Bescheidversand für Abfall- und Straßenreinigung

den elektronischen Grundsteuerbescheid zwischen Verwaltung und Wohnungsgesellschaft Schwerin
mbH (WGS) und

den Datenaustausch von Gewerbedaten (in Vorbereitung)
Für das Energiedatenmanagement der Schweriner Stadtwerke wurde in Zusammenarbeit zwischen der SIS,
der SIV.AG - dieses Rostocker Software- und Systemhaus ist Hersteller des in der Stadtwerke SchwerinGruppe im Einsatz befindlichen Abrechnungssystems kVASy - und der procilon IT-Logostics GmbH ein
entsprechender Verfahrensadapter für ProGOV energy entwickelt und in die Praxis überführt. Dieser
Verfahrensadapter gewährleistet den verschlüsselten Datenaustausch in den von der Bundesnetzagentur
geforderten EDIFACT-Formaten sowie den rechtssicheren Austausch von Rechnungsdaten (INVOIC) mit
qualifizierter elektronischer Signatur. Gleichzeitig werden die Daten an das vorhandene Archivsystem
übergeben.
Wie Prozesse zwischen Versorgungsunternehmen und Unternehmen der Wohnungswirtschaft mit der
Nutzung der einheitlichen eGovernment-Plattform effizienter gestaltet werden können, zeigt das von der SIS
für die Stadtwerke Schwerin entwickelte modulare Servicepaket:
Bei der Abrechnung und automatischen Umsatzzuordnung der Rechnungsbeträge erfolgen Zahlungen über
so genannte virtuelle Kontonummern. Die Rechnungsbeträge und Abschlagszahlungen je Zähler und
Verbrauchsstelle werden mittels Lastschrifteinzug von den Stadtwerken erhoben. Die Bank beziehungsweise
Sparkasse übernimmt die Verrechnung über Verfahren wie BK01 oder S-ClearAccount und stellt die
Wir stützen uns dabei auf eine Projektskizze des Geschäftsführers, Matthias Effenberger, die dieser für eine Konsultation mit dem
Autor am 13. September 2013 erarbeitet hat.
42
42
elektronischen Kontoinformationen von Haupt- und Unterkonten zum Abruf über ein CashManagementProgramm zur Verfügung. Das ERP-System der WGS liest die Kontoinformationen ein und ordnet die Beträge
automatisch je Zähler und Verbrauchsstelle zu. Ein so optimiertes Betriebskostenmanagement ermöglicht
eine wesentlich schnellere Erstellung der Betriebskostenabrechnung und zeigt klare Kostenvorteile durch die
nahezu hundertprozentige automatische Zuordnungsquote auf.
In einem weiteren Modul werden die Verbrauchs- und Abrechnungsdaten elektronisch bereitgestellt. Vom
Abrechnungssystem kVASy werden die Daten an die zentrale eGovernment-Plattform übertragen. ProGOV
sorgt hier für die Verschlüsselung und Anbringung der qualifizierten Signatur und ermöglicht damit die
rechtssichere und medienbruchfreie Transformation zum Unternehmen der Wohnungswirtschaft, wo die
Verbrauchsinformationen per E-Mail und per Onlineservice eingehen.
Bei der Verwaltungsmodernisierung der Stadtverwaltung Schwerin werden gegenwärtig zwei weitere
Prozesse integriert:
 der elektronische Grundsteuerbescheid zwischen Verwaltung und WGS sowie
 der Datenaustausch von Gewerbedaten.
Seit Februar 2008 werden die fälligen Grundsteuerbeträge in einem automatisierten Verrechnungsverfahren
zwischen dem Finanzverfahren H&H HKR der Landeshauptstadt und dem bei der Wohnungsgesellschaft
Schwerin eingesetzten wohnungswirtschaftlichen ERP-System WohnData ausgetauscht und automatisiert
verbucht. Dabei entfällt bei der WGS der manuelle Aufwand für Bescheidbearbeitung und
Zahlungsanweisung sowie auf Seiten der Verwaltung die Zahlungseingangsverbuchung im HKR-System.
Geplant ist in den kommenden Monaten die Umsetzung des elektronischen Grundsteuerbescheides unter
Nutzung der serverseitigen qualifizierten Signatur bei gleichzeitiger rechtskonformer Archivierung der
Dokumente und Signaturen nach ArchiSIG.
Eine der heute für die Gewerbeämter aufwendigste und kostenintensivste Arbeit besteht im Ausdruck und
Versand von bis zu 13 Exemplaren je eingegangener Gewerbeanzeige an die verschiedensten Stellen.
Wünschenswert ist es, hier durch die (sichere) elektronische Übermittlung von Daten eine weitere
Vereinfachung zu erzielen.
In einem ersten Projektabschnitt soll in Zusammenarbeit mit dem Anbieter des Gewerbefachverfahrens, und
dem IT-Dienstleister der IHK Schwerin der vollautomatische Datenaustausch zwischen dem Gewerbeamt der
Stadtverwaltung Schwerin und der IHK im Format datml-raw erfolgen. Basis für den Transport der
Gewerbedaten bildet das OSCI-Protokoll.
Auch die Kommunikation zwischen Bürger/Unternehmen und Kommune wird in einem nächsten
Projektschritt berücksichtigt, indem die An-, Um- und Abmeldung eines Gewerbebetriebes sowie die Anfrage
eines Auskunftsersuchens vollständig elektronisch erfolgen.
Gleichzeitig soll die bestehende eGovernment-Infrastruktur des Landes Mecklenburg-Vorpommern
(Governikus / Landesformularserver Lucom) und der Daten- und Diensteprozessor ProGOV als zentrale
eGovernment-Komponente im Projekt der SIS zum Einsatz kommen.
43
Fazit:
Die Diskussion der fachlichen Tätigkeit der SIS 43 führte natürlich auch zu der Fragestellung, welche Effekte die
Etablierung eines zentralen IT-Dienstleisters für das Gesamtunternehmen Kommune Schwerin vor allem
hinsichtlich der Einsparung von Kosten und Personal mit sich bringt. Diese sehr einseitige Begrenzung auf die
üblichen, quantifizierbaren Faktoren 44 – dass diese in Kommunen gleichwohl einen hohen Stellenwert haben,
ist Ausdruck der dramatischen und vor allem strukturellen Unterfinanzierung, die von wenigen Ausnahmen
abgesehen, alle Gebietskörperschaften in Deutschland betrifft - negiert, dass wir kommunales Handeln in
erster Linie daran zu messen haben, in welcher Qualität die Aufgaben, pflichtige wie freiwillige, erfüllt
werden, und wie diese Aufgabenerfüllung dazu beiträgt, das Leben in unseren Kommunen im besten Sinne
lebenswert zu machen. Unter dieser Überschrift ist eine wirklich komplexe Darstellung der Effekte, die sich
aus der Tätigkeit der SIS ergeben, zum einen gar nicht möglich, zum anderen auch nicht sinnvoll. Denn der
Bürger bindet sein Wohlgefühl ja nicht in einer eindimensionalen Korrelation an die Tätigkeit eines einzelnen
kommunalen Akteurs, sondern er nimmt die Kommune in ihrer Gesamtheit und ihrer Komplexität wahr. Und
nur in dieser Konstitution schafft sie Behagen oder Unbehagen. Dass dies nicht einer Exceltabelle darstellbar
ist, damit hat Richard David Precht Recht.
Insofern beschränken wir uns unter der Überschrift Effekte im Folgenden nur auf einige wenige
Anmerkungen:
 Kommunen in Deutschland sind zu ihrer Aufgabenerledigung in der übergroßen Mehrheit personell und
finanziell unzureichend ausgestattet. Insofern ist es bereits ein zentraler Effekt, wenn mit diesen
vorhandenen, und bekanntlich nicht ausweitbaren, Ressourcen die Qualität der Aufgabenerledigung
deutlich verbessert wird. Dieser Effekt kann aus der Darstellung der fachlichen Tätigkeit der SIS
unmittelbar und plausibel abgeleitet werden.
 Diese Qualifizierung wirkt auf den Bürger, sie wirkt aber auch auf die kommunalen Unternehmen und die
Verwaltung. Allein die fachliche, weit über den technischen IT-Aspekt hinausgehende Betreuung durch
die SIS, hat in Schwerin zu nachweisbaren und positiven Ergebnissen geführt. Stichworte sind
beispielsweise höheres Kostenbewusstsein für IT-Prozesse, Vereinigung von Systemen, stärkere
Anwenderorientierung.
 Für den Bürger bedeutet dies mehr Transparenz und eine starke Vereinfachung seiner Beziehungen zu
Verwaltung und Unternehmen. Für die Mehrzahl der Bürger ist der Unterschied zwischen einer Rechnung
und einem Gebührenbescheid nicht wesentlich, im Regelfall kennt er ihn gar nicht. Für ihn ist nur eines
relevant: er hat eine Zahlung zu leisten, und wenn dies in einer einheitlichen Prozedur für alle nur
denkbaren Vorgänge möglich ist, dann bedeutet dies einen qualitativen Fortschritt.
Hier wird Bezug genommen auf die Diskussion, die der Autor mit den Geschäftsführern der SIS und der Beteiligungsgesellschaft am
13. September 2013 in Schwerin geführt hat.
44 Dass wir uns in Deutschland gesellschaftlich und auch wissenschaftlich insgesamt sehr einseitig auf die quantitative Beschreibung
von Prozessen und Sachverhalten konzentrieren, wo doch die qualitative Diskussion, darüber kann es keinerlei Zweifel geben, viel
wichtiger, natürlich auch viel anspruchsvoller ist, hat der Philosoph Richard David Precht in einem Essay im SPIEGEL, Ausgabe
37/2013, S. 138f, sehr überzeugend dargelegt. Der Autor hat diese Meinungsäußerung unmittelbar nach der erwähnten Konsultation
in Schwerin am 13. September 2013 auf der Rückfahrt nach Berlin, natürlich in einem öffentlichen Verkehrsmittel, zur Kenntnis
genommen. Und weil die Formulierungen von Precht geradezu optimal zum vorangegangen Disput passen, soll der Autor
auszugsweise zitiert werden: „Dass wir heute Daten in unvorstellbarer Menge erfassen und verarbeiten können, hat nicht nur die
Träume von Geheimdiensten in gesellschaftliche Alpträume verwandelt und digitale Unternehmen zu Spitzeldienstlern gemacht.
Weit darüber hinaus hat die Quantifizierung von allem und jedem das Ethos der gesamten Gesellschaft unterspült. Nicht die Qualität
zählt, sondern Quantität. Und da Quantität leicht zu bewerten ist, bleibt das mühselige Geschäft der Urteilsbildung, die jedem
Qualitätsurteil unterliegt, zumeist aus. Besonders betroffen sind davon die Gesellschaftswissenschaften. Welcher entscheidende
Impuls dringt heute noch wie in den sechziger oder siebziger Jahren von Politologen, Soziologen, Pädagogen, Kulturwissenschaftlern,
Kommunikations- und Medienwissenschaftlern in die Politik vor? Ganze Universitätsdisziplinen erscheinen heute nahezu lahmgelegt
unter der zentnerschweren Last empirischer Forschung. Wer als Geisteswissenschaftler Projekte finanziert haben will, muss messen
und quantifizieren…..Doch die kollektive Verwandlung von Intentionen, Interpretationen und Interventionen in Messdaten
hinterlässt ihre Spuren. Selbst wenn es um die Beurteilung von Schulen oder anderen Institutionen geht, wird heute fast nur noch
empirisch evaluiert, so als könnte deren Qualität je eindeutig quantitativ erfasst werden. „Die messbare Seite der Welt“, möchte
man diesem seelenlosen Treiben mit Martin Seel zurufen, „ist nicht die Welt. Es ist die messbare Seite der Welt!“
43
44
 Die anspruchsvolle fachliche Ausrichtung der SIS impliziert auch und vor allem den Anspruch,
Informationen nicht einfach nur zu sammeln und zu verarbeiten. Vielmehr geht es um Selektion, und um
eine am Kunden und der Aufgaben orientierten Auswertung. Unter dem Stichwort
Informationsüberflutung und –chaos wird eine Instanz, die zu einer solchen qualifizierten Sortierung in
der Lage ist, auf kommunaler Ebene immer wichtiger.
Exkurs II:
Von der Stadtwerketochter zur städtischen Gesellschaft – Versuch einer Evaluierung der EigentümerRestrukturierung der SIS - Schweriner IT- und Servicegesellschaft mbH
Neben der bereits beschriebenen inhaltlichen Ausrichtung der SIS als kommunaler IT-Dienstleister für das
Unternehmen Kommune in seiner Gesamtheit und der Bewertung als vermutlich deutschlandweites Unikat,
verdient auch die skizzierte Veränderung der Eigentumsverhältnisse der SIS die nachfolgenden Anmerkungen
im Rahmen eines eigenen Exkurses.
 Die zunächst vorgenommene Eingliederung der SIS in den Schweriner Stadtwerkekonzern folgt einer
mehrheitlich in Deutschland gängigen Strukturüberlegung. Danach gelten die Stadtwerke – vorwiegend
sind das vor allem in größeren Kommunen Verbundunternehmen, die über eine Holding, mindestens zur
Realisierung des steuerlichen Querverbundes, zunehmend aber auch zur Realisierung übergreifender
Managementfunktionen, verfügen – als die zentrale Säule der kommunalwirtschaftlichen Betätigung.
Diese Einordnung resultiert nicht zuletzt aus der im Vergleich mit anderen Segmenten der
Kommunalwirtschaft herausragenden Ertragskraft. Es ist konzeptionell durchaus plausibel, eine solche
Struktur gleichsam als die Zentrale eines „Konzern-Stadt“ nach „altem Verständnis“ 45 auszubauen und zu
profilieren.
 Dieser Ansatz mag aus reiner Prozesssicht sinnvoll sein. Zudem gibt es gute Gründe,
Managementfunktionen, nicht nur die Beteiligungen, sondern für das gesamte Unternehmen Kommune,
dort anzusiedeln, wo die besten personellen, finanziellen und infrastrukturellen Voraussetzungen
bestehen.
 Aus Sicht des Autors wäre dies aber ein rein technokratisches Vorgehen, welches grundlegende Fragen
des Zusammenwirkens von Eigentümerin, also der Kommune, und deren Beteiligungen außer Acht lässt.
Die Tatsache, dass die Kommune gesellschaftsrechtlich als Eigentümerin fungiert – dies natürlich auf der
Grundlage einer durchgängigen Legimitationskette beginnend mit der gewählten Stadtvertretung – ist
unstrittig. Aus dieser Eigentümerfunktion folgt zwingend, dass der Standort für die Gesamtsteuerung des
Unternehmens Kommune nur die kommunale Gebietskörperschaft und deren Organe sein können.
 Allein aus diesem grundlegenden Kontext heraus ist die Ansiedlung zentraler Steuerungs- und
Informationsfunktionen in Beteiligungsunternehmen grundsätzlich abzulehnen. Denn dies könnte dazu
führen, dass die Leiter dieser Unternehmen vom Objekt der Steuerung zu dessen Subjekt werden.
 In dieser Logik könnte darüber hinaus gefordert werden, dass auch alle weitergehenden Managementund Dienstleistungsfunktionen, die ganzheitlich für das Unternehmen Kommune etabliert werden, in
eigenständigen Strukturen konzentriert werden, auf die vor allem auch eigentumsrechtlich der volle
Zugriff der Kommune gewährleistet ist. Ob das für die jeweilige Aufgaben spezialisierte städtische
Einzelunternehmen sind, oder ob eine Bündelung unter einem Dach erfolgen soll, kann im Rahmen
dieser Ausführungen nicht diskutiert werden. Der Autor würde aber in jedem Fall erstens dafür
plädieren, die Aufgabenerledigung in privatrechtlich organisierten städtischen Unternehmen anzusiedeln,
und zweitens dafür votieren, lediglich eine der Verwaltung nachgeordnete Unternehmensebene zu
etablieren, und damit von der Gründung von Tochterunternehmen unterhalb einer städtischen
Managementholding abzusehen. Die letztgenannte Forderung muss in erster Linie damit begründet
werden, dass die demokratische Mitwirkung und Kontrolle, also die Gewährleistung einer durchgängigen
Legimitationskette, gerade bei der Realisierung strategischer Aufgaben, regelmäßig eingeschränkt ist,
wenn Tochter- oder gar Enkelstrukturen geschaffen werden.
45
Siehe dazu unsere Ausführungen in Punkt 2.1 vorliegender Studie
45
 Auch deshalb ist das in Schwerin realisierte Konzept, die zentralen Prozesse von Steuerung, Information
und Organisation in den beiden vollständig in städtischem Besitz befindlichen Unternehmen anzusiedeln,
der einzig mögliche Weg, mit dem die Eigentümerfunktion uneingeschränkt ausgeübt werden kann. Es
könnte an dieser Stelle den Einwand geben, dass dies letztendlich nur mit einer Ansiedlung in der
Kernverwaltung zu gewährleisten ist. In der Tat könnte diese Forderung rein formal auch formuliert
werden. In der Praxis aber lautet die zentrale Frage doch wie folgt: In welcher Qualität nehmen die
letztendlich verantwortlichen Steuerungsinstanzen, also der Rat und der Hauptverwaltungsbeamte, ihre
persönliche Verantwortung wahr. Und dies hängt nicht davon ab, ob der Leiter des
Beteiligungsmanagements in der Kernverwaltung agiert, oder weisungsabhängiger Geschäftsführer einer
komplett städtischen Gesellschaft ist.
Zu 3: Erfahrungen bei der Umsetzung von „Konzern-Stadt“-Konzepten (Treiber, Mitwirkende,
Organisation des Diskussions- und Entscheidungsprozesses, Stolpersteine und deren
Überwindung)
Aus der nur skizzenhaften Befundung des bisher in Schwerin erreichten Standes bei der Implementierung
von Unternehmen-Kommune-Strukturen können lediglich einzelne Schlussfolgerungen abgeleitet werden.
Für eine profunde Bewertung reicht die empirische Basis nicht aus. In diesem Sinne wären folgende
Anmerkungen des Autors zur Kenntnis zu nehmen:
 Das Erfordernis, in Schwerin eine leistungsfähige Struktur zur Beteiligungssteuerung zu etablieren, hängt
direkt zusammen mit dem Status quo der kommunalwirtschaftlichen Betätigung zu Beginn des ersten
Jahrzehnts nach dem Jahr 2000. Erste notwendige Schlussfolgerungen wurden zu diesem Zeitpunkt unter
Federführung des seinerzeitigen Oberbürgermeisters gezogen.
 Dass die notwendige Restrukturierung zunächst eher an Strukturen und Fachprozessen orientiert war,
zeigen die eingangs dargestellten Gründungen von Dienstleistungs- und Steuerungseinheiten in den
Jahren 2001 bis 2005. Erst ab 2010 begann die konsequente Profilierung der Beteiligungsgesellschaft und
der SIS zu den zentralen Informations- und Steuerungsinstrumenten im Rahmen einer UnternehmenKommune-Organisation.
 Diese im Grundsatz völlig richtigen Entwicklungen verliefen anfangs, vor allem wegen der bereits
genannten Kommunikationsdefizite und einem nicht klaren Aufgaben- und Rollenverständnis, nicht
optimal. Dies ist auch die Sicht maßgeblich verantwortlicher Akteure.46
 Eine zentrale Bedeutung für die insgesamt erfolgreiche Implementierung von Unternehmen-KommuneStrukturen in Schwerin hat der bereits erwähnte Beschluss der Stadtvertretung zur Gründung der SIS im
Jahr 2005. Die verbindliche Festlegung grundlegender Funktionalitäten und Kompetenzen gegenüber
Beteiligungen und Verwaltung hat sich dabei als wesentliches Element erwiesen.
 Vor allem mit Hinweis darauf, dass nach fester Überzeugung des Autors die strategischen Beschlüsse für
die Implementierung dieser Strukturen nur in der Stadtvertretung gefasst werden können, plädiert er
auch dafür, für die weiteren Etappen Konzepte zu entwickeln, die die Grundlage für Folgebeschlüsse in
der Stadtvertretung sind. Dass diese Konzepte nicht rein akademisch im Elfenbeinturm formuliert
werden können, liegt auf der Hand. Gerade das hier dargestellte Beispiel Schwerin zeigt, dass ohne die
bewusst pragmatische Beachtung konkreter Umstände einschließlich der handelnden Personen kein
Erfolg möglich ist.
46
Der Autor verweist hier auf sein im Text erwähntes Gespräch mit den Geschäftsführern der Beteiligungsgesellschaft und der SIS.
46
Zu 4: Konzepte zur Weiterentwicklung der bestehenden „Konzern-Stadt“-Strukturen (z.B.
Übergreifende Prozessorganisation für Kernverwaltung und kommunale Unternehmen und
weitere externe Bereiche (z.B. IT, TK, Fuhrparkmanagement, Personalmanagement,
Immobilienmanagement, Cash-Management, Risikomanagement, Schuldenmanagement usw.)
Mit dem Plädoyer des Autors für die Erarbeitung eines strategisch-pragmatischen Konzepts zur weiteren
Entwicklung von Unternehmen-Kommune-Strukturen in Schwerin steht dieser auch in der Pflicht, dafür erste
Prämissen zu formulieren. Diese lauten:
 Die Existenz der Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung Schwerin mbH und die der SIS - Schweriner ITund Servicegesellschaft mbH, sowie die schon jetzt erreichte Qualität des Zusammenwirkens beider
Strukturen ist die entscheidende Grundlage für die weitere Ausgestaltung des Prozesses.
 Die SIS ist geeignet als Vorbild für die Schaffung weiterer übergreifender Dienstleistungsportale des
Unternehmens Kommune Schwerin zu fungieren, und im Übrigen auch als Beispiel für andere
Gebietskörperschaften. Dies gilt erstens für die Akzeptanz einer städtischen Gesellschaft bei
Beteiligungen und Verwaltung gleichermaßen, zweitens für die übergreifende Wahrnehmung zentraler
Dienstleistungsfunktionen, und drittens für die Integration von Personal aus Unternehmen und
Verwaltung. Deshalb läge es nahe, sich in einem nächsten Schritt mit dem Aufbau eines übergreifenden
Personalmanagements zu befassen.
 Das Beispiel SIS zeigt auch, dass ganzheitliche und vor allem auch effizient funktionierende
Unternehmen-Kommune-Strukturen eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung regionaler
Kooperationen über den Maßstab einer Gebietskörperschaft hinaus sind. Beispielhaft dafür steht die am
26. August 2013 erfolgte Gründung der KSM Kommunalservice Mecklenburg AöR. Diese Anstalt
Öffentlichen Rechts in Trägerschaft der Landeshauptstadt Schwerin und des Landkreises LudwigslustParchim wird Hard- und Software sowie einen umfassenden technischen und konzeptionellen Service für
die beteiligten Gebietskörperschaften bereitstellen. Bisherige Aufgaben, die im Kreis durch externe
Dienstleister beziehungsweise eigene Mitarbeiter erbracht worden sind, sowie Aufgaben der
Landeshauptstadt, für welche die SIS zuständig gewesen ist, werden künftig durch das gemeinsame
Unternehmen erbracht. In diesem Zusammenhang wechseln zum 1. Januar 2014 voraussichtlich 14
Beschäftigte von der Kreisverwaltung und der SIS in die kommunale Anstalt. Deren Service soll künftig
auch weiteren Kommunen zur Verfügung stehen.
 Umfassende methodische Handreichungen zu einer ganzheitlichen und komplexen Organisation der
wirtschaftlichen Betätigung bietet das 2012 erstmals vorgestellte Konzept eines „Pflichtenheftes
Kommunalwirtschaft“.47 Der Autor empfiehlt dieses Konzept als inhaltlich-methodische Grundlage für
eine in Schwerin zu erarbeitende Strategie.
Zu 5: Doppik als Voraussetzung und Impulsgeber
Auch für das Beispiel Schwerin gilt im Kontext mit dem in Mecklenburg-Vorpommern geltenden
Rechtsrahmen zur Doppikimplementierung, dass diese Form der Haushaltsrechnung die zentrale
Voraussetzung für ein wirklich ganzheitliches und komplexes ökonomisches Verständnis des Unternehmens
Kommune ist. Der derzeit in Schwerin erreichte Arbeitsstand – zum Zeitpunkt der Erarbeitung dieses Teils
der Studie lag eine Eröffnungsbilanz für Schwerin noch nicht vor – bietet keine Grundlage, um zu bewerten,
wie das der Doppik innewohnende Potential, die Entwicklung von Unternehmen-Kommune-Strukturen
maßgeblich zu befördern, auch tatsächlich ausgeschöpft wird.
Vgl. Dittmann, Hans-Martin/Pohl, Matthias/Schäfer, Michael/Schäfer, Falk: Prämissen zur Erarbeitung von Regelwerken für die
komplexe strategische und operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maßstab einer kommunalen Gebietskörperschaft.
Grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft.
Berlin, Oktober 2012
47
47
4.3 Erfurt
Hinweis:
Der Beitrag der Landeshauptstadt Erfurt als weiteres Praxisbeispiel in vorliegender Studie wird in
Abstimmung mit der zuständigen Beigeordneten in der Stadtverwaltung von Erfurt – u.a. verantwortlich für
das Beteiligungsmanagement - bis Ende des Jahres 2013 ergänzt. Dies erfolgt in der Fassung vorliegender
Studie, die ab 29. Oktober 2013 unter www.vfke.org verfügbar ist.
48
5. Fazit
Die deutschen Städte und Gemeinden sehen sich komplexen Veränderungsprozessen gegenüber. Diese
betreffen vor allem die demographische Entwicklung, die sich strukturell weiter verschlechternde
Finanzausstattung und die im Kontext mit der Energiewende neuen energiepolitischen Rahmensetzungen.
Die Erbringung der kommunalen Pflichtaufgaben – hier steht im Zentrum die Befriedigung der existentiellen
Lebensbedürfnisse der Bürger, also die Daseinsvorsorge – wird immer komplizierter. Zudem stehen die
Kommunen im Standortwettbewerb, nicht nur zueinander, sondern zunehmend auch im europäischen und
sogar globalen Wettbewerb der Regionen.
Unter diesen Bedingungen, und weil die externe Unterstützung durch Bund und Länder in der Tendenz eher
kleiner wird, wächst der Druck auf die Kommunen zur Entwicklung eigener Anpassungsstrategien. Diese
Konzepte müssen folgerichtig in erster Linie die bessere Erschließung eigener Ressourcen und Potenziale
betreffen. In diesem Prozess spielt die gesamtwirtschaftliche Betätigung einer Kommune eine Schlüsselrolle.
Denn das Aufgabenspektrum einer Kommune wächst kontinuierlich. Eine Konsequenz – und dies ist per se
schon ein Weg zur Erhöhung der Effizienz – besteht darin, dass Aufgabenbereiche, die traditionell durch
Verwaltungseinheiten wahrgenommen wurden, ausgegliedert und in privatrechtliche Organisationsformen
überführt werden. Die Einführung der Doppik in kommunalen Haushalten führt darüber hinaus selbst zu
einer Annäherung kommunaler Verwaltungsprozesse an unternehmerische bzw. wirtschaftlich orientierte
Entscheidungs- und Organisationsstrukturen. Die tradierte künstliche Trennung zwischen Kernverwaltung
einer Kommune und ihrer kommunalen Beteiligungen (meist als Stadtkonzern bezeichnet) erscheint daher
obsolet. Moderner, und den heutigen komplexen kommunalen Strukturen angemessen, ist eine
zusammenhängende und ganzheitliche Betrachtung von Kernverwaltung und kommunalen Beteiligungen,
die die Autoren dieser Studie mit dem Begriff Unternehmen Kommune bezeichnen. Diese komplexen
kommunalen Strukturen sind dabei nicht als Selbstzweck kommunalen Organisationsbedürfnisses, sondern
als Reaktion auf die oben genannten Veränderungsprozesse zu verstehen und somit wichtiges Element
effektiver und effizienter Aufgabenerledigung nicht nur in Zeiten kommunaler Unterfinanzierung. Städte und
Kommunen sollten demnach ermutigt sein, auch unabhängig von ihrer Größe und Einwohnerzahl, ihre
kommunalen Strukturen ihren Bedürfnissen nach im Sinne eines Unternehmens Kommune zu gestalten und
die einhergehende Komplexität nicht als Hindernis, sondern als Chance zu sehen, sich zukunfts- und
wettbewerbsfähig aufzustellen.
Für die Autoren hat diese Strategie höchste Priorität. Das war ein entscheidender Grund für die vorliegende
Studie. Deren Ziel ist es, Impulse zu setzen, für die grundlegende Debatte, aber auch für die
Implementierung konkreter Strukturen.
49
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