Ankommen und Kennenlernen Arbeitsblatt 1 Der etwas andere Lebenslauf Mein Symbol Mein Name: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Mein etwas anderer Lebenslauf: Drei Aussagen über mich, von denen eine falsch ist: 1. 2. 3. 1 Ankommen und Kennenlernen Arbeitsblatt 2 Was mir heute auf dem Weg zur Schule durch den Kopf ging… 2 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Ankommen und Kennenlernen Arbeitsblatt 3 Was kann ich von euch erwarten? 3 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Was erwartet ihr von mir? Einführung in die Pädagogik und Psychologie 1. Die Pädagogik und Psychologie als Wissenschaften Folie 1 Arbeitsauftrag: ü Lesen Sie den Text auf dem Plakat und diskutieren Sie darüber. ü Veranschaulichen Sie die Aussage mit einem Beispiel. 4 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 1. Die Pädagogik und Psychologie als Wissenschaften Folie 2a Beurteilen Sie, ob diese Aussagen überprüfbar sind. ü FOS/BOS-Schüler haben grundsätzlich blaue Hosen an. ü Der liebe Gott sieht alles. ü Mein Hund hat kein Zeitgefühl. ü FOS/BOS-Schüler sind intelligenter als gleichaltrige Gymnasiasten. 5 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 1. Die Pädagogik und Psychologie als Wissenschaften Folie 2b 6 Merkmale der wissenschaftlichen Theorie Merkmale der Alltagstheorie Wissenschaftliche Aussagen sind allgemein gültig und treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die in der Aussage angegebenen Personen zu. Einmalige und zufällige Ereignisse werden unzulässig verallgemeinert („von einmal auf immer“, „von einem auf alle“). Wissenschaftliche Aussagen sind in der Realität überprüfbar, die Art und Weise, wie wissenschaftliche Aussagen gewonnen werden, ist wiederholbar. Aussagen der Alltagstheorie sind nicht überprüfbar und auch nicht wiederholbar. Wissenschaftliche Aussagen sind objektiv: Verschiedene Forscher erzielen bei gleichem Sachverhalt die gleichen Ergebnisse. Die Alltagstheorie ist subjektiv: Verschiedene Personen kommen bei ein und demselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Erkenntnissen. Wissenschaftliche Aussagen werden systematisch durch wissenschaftliche Methoden gewonnen, das methodische Vorgehen ist geplant und organisiert. Kenntnisse der Alltagstheorie ergeben sich durch zufällige Einzelbeobachtungen und Erfahrungen. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Folie 1 Beurteilen und begründen Sie, ob es sich bei den folgenden Beispielen um Erleben oder Verhalten handelt. Hunger Laufen Nachdenken Quatschen Gefühlsregung Wahrnehmen der Farbe Rot Gesichtsausdruck Selbstgespräch 7 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Folie 2 Lea weint heftig und herzergreifend. Zwei Psychologen beginnen nun das Verhalten von Lea zu analysieren: Psychologe Urser sagt: „Lea weint, weil Vater sie heute Abend nicht zu Ludwig gehen lassen will, jetzt ist sie enttäuscht.“ Psychologe Zieler sagt: „Ich gehe davon aus, dass Lea weint, weil sie ihren Vater erweichen und damit erreichen will, dass sie heute Abend doch noch zu Ludwig gehen darf.“ 8 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Folie 3 Vervollständigen Sie die Beispiele einmal als eine Verhaltensweise und zum anderen als Handeln. ü Eine ansonsten recht unsportliche Frau rennt plötzlich mit großer Geschwindigkeit über die Straße. ü Otto hat sehr große Angst. ü Georg hat einen Lachkrampf. ü Irna ist sehr depressiv. 9 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Folie 4 Mitte Dezember 2008 loggte sich ein mit seinem Leben unzufriedener Engländer bei einer Auktionsplattform ein, um seine Seele zum Verkauf anzubieten. Verkaufsangebot: „Seele zu verkaufen, Zustand: gebraucht.“ 10 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Folie 5 Beispiel 1: Professor Dr. Sigmund stellt Theorien von der Erziehung, ihren Voraussetzungen und ihren Bedingungen auf und erforscht offene Fragen und Probleme in der Erziehung. Beispiel 2: Sehr viele Lehrer und Erzieher sind in der praktischen Erziehungs- und Unterrichtsarbeit tätig: Herr Herschenkeimer hält einen guten Unterricht, Frau Herschenkeimer erzieht ihr Kind zur Selbstständigkeit, Frau Sigmund ist Erzieherin im Kindergarten und lehrt die Kinder ein Lied. 11 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 2. Der Gegenstand der Psychologie und der Pädagogik Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Liebe Eltern! So stelle ich mir meine Erziehung vor: 12 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 3. Ziele der wissenschaftlichen Psychologie und Pädagogik Folie 1 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Abschnitt und diskutieren Sie den Inhalt. 2. Bestimmen Sie, was die Pädagogik und Psychologie mit Ihrem ausgewählten Ziel meinen. 3. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie dieses Ziel der Pädagogik und Psychologie Ihren Mitschülern/innen verständlich erläutern können. 13 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 3. Ziele der wissenschaftlichen Psychologie und Pädagogik Folie 2 Erklären und Verstehen: Wirklichkeit Aufgabe Ziel Menschliches Erleben und Verhalten sind ursächlich bedingt Menschliches Erleben und Verhalten sind durch Ziele bedingt Herstellen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen Erfassen der Absicht menschlichen Erlebens, Verhaltens, Handelns und dessen Sinnzusammenhang Auffinden von Gesetzmäßigkeiten und Erforschen des Warum ihrer Existenz Erkennen von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen Erklären Verstehen (Hobmair, 20084, S. 31) 14 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 3. Ziele der wissenschaftlichen Psychologie und Pädagogik Folie 3 Ziele der Psychologie, aufgezeigt am Beispiel der Angst Beschreibung Was ist Angst? Wie äußert sie sich? In welchen Situationen tritt sie (vermehrt) auf? Durch welche Bedingungen bzw. Situationen wird sie ausgelöst? Welche Bedingungen sorgen für Ihre Aufrechterhaltung? Welche Funktion(en) hat sie? Welche Menschen zeigen besonders häufig Angst, welche weniger? Welche Persönlichkeitsmerkmale begünstigen bzw. schränken die Entstehung von Angst ein? Welche Unterschiede bezüglich der Angst gibt es zwischen Menschen? Erklärung Wodurch wird Angst verursacht? Welche Ursache-Wirkung-Beziehungen lassen sich herstellen? Welche Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Angst gibt es? Wie kann die Gesetzmäßigkeit erklärt werden? Verstehen Welchem Zweck dient die Angst? Welchen Sinn erfüllt sie? Was beabsichtigt der Einzelne mit dem Zeigen von Angst? Was will er mit ihr erreichen? Vorhersage Was lässt sich bezüglich der Angst vorhersagen? Was lässt sich bezüglich des Abbaues von Ängsten vorhersagen? Veränderung (Anwendung) Wie kann die Entwicklung von Ängsten vermieden werden? Wie können mögliche Ängste abgebaut werden? (Hobmair, 20084, S. 32) 15 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Einführung in die Pädagogik und Psychologie 3. Ziele der wissenschaftlichen Psychologie und Pädagogik Folie 4 Haben Pädagogen und Psychologen überhaupt Aufgaben in der Praxis zu erfüllen? Ich meine, wem können die eigentlich helfen? 16 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 1 Ein Schüler der 12. Klasse Fachoberschule hat in einer Schulaufgabe in Mathematik eine schlechte Note erhalten und bangt jetzt um seine Versetzung in die nächsthöhere Klasse. Er überlegt, wie er die Situation bewältigen könnte. Er weiß, dass an der Schule eine Lerngruppe gebildet wurde. Er schließt sich dieser an und nimmt zusätzlich Nachhilfestunden bei einem Klassenkameraden. Er übt jeden Tag mindestens eine Stunde Mathematikaufgaben. Dadurch gewinnt er neue Zuversicht, die Auswirkung auf sein gesamtes Verhalten hat. Er erlebt die gesamte Situation nicht mehr so stark als Bedrohung. 17 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 2a Der Hund blickt nach Osten. Wie kann man mit Verlegen von nur zwei Streichhölzern erreichen, dass er nach Westen schaut (ohne den Schwanz zu verändern)? (Diekmann, Empirische Sozialforschung, 200920, S. 181) 18 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 2b (Lösung) (Diekmann, Empirische Sozialforschung, 200920, S. 183) 19 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 3 Auseinandersetzung des Menschen mit sich und seiner Umwelt 20 Psychische Phänomene Menschen nehmen Informationen aus der Wirklichkeit auf. Wahrnehmung Menschen erfassen und verarbeiten Informationen aus der Wirklichkeit. psychische Fähigkeiten und Funktionen wie Intelligenz, Denken, Lernen, Sprache, Menschen speichern Informationen aus der Wirklichkeit. Gedächtnis Menschen reagieren auf die Wirklichkeit und wirken auf sie ein. psychische Kräfte wie Gefühle, Triebe, Bedürfnisse, Interessen © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 4 Sind die Querlinien parallel oder nicht? 21 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 5a „Die Katze kann einem leidtun, wie sie von der Maus gehetzt wird.“ 22 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 5b © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Interpretieren Sie dies Bild und schreiben Sie Ihre Interpretationen auf einen Notizzettel. 23 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 6 Experimente haben ergeben, dass beispielsweise Asiaten und Amerikaner unterschiedliche Dinge sehen, wenn sie eine bestimmte Szene betrachten. Amerikaner fokussieren den Elefanten, während sich Asiaten mehr auf die Dschungelszene konzentrieren. Alles klar? (vgl. Römer, 07/2008, S. 8) 24 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 7 Das Experiment: In seinen experimentellen Untersuchungen benutzte Mustafar Sherif das sog. autokinetische1 Phänomen – die Augen eines Menschen bewegen sich ständig. In einem völlig verdunkelten Raum wurde ein sehr kleiner und intensitätsschwacher Lichtpunkt für kurze Zeit dargeboten. Da auch bei fester Fixation unsere Augenachsen niemals ganz ruhig bleiben, scheint sich der Lichtpunkt, der objektiv feststeht, zu bewegen. Die Versuchspersonen besaßen in diesem Fall auch nicht die Möglichkeit, den subjektiven Charakter dieser Bewegungserscheinung zu erkennen, da es dazu eines festen Bezugssystems bedürfte. Da außerdem die Entfernung des Lichtpunktes unbekannt war – der Projektor befand sich hinter einem Schirm, der erst nach der Verdunkelung weggezogen wurde –, fiel die Schätzung der scheinbaren Bewegungsweite des Punktes überaus schwer. Zunächst zeigte sich, dass sich die Urteile zwischen den Versuchspersonen stark unterschieden. Nach Gedankenaustausch der Versuchspersonen untereinander über die Urteile passten sich diese jedoch immer mehr an (vgl. Hofstätter, Gruppendynamik, 1985, S. 58). 20 16 12 8 4 1 25 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 autos (griech.): selbst; kinesis (griech.): die Bewegung Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 8a „Komisch, dass hier lauter Quadrate hängen.“ (Band 1, S. 53) 26 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 8b „Man glaubt nicht, was man sieht, sondern man sieht, was andere einen glauben machen.“ (Nuber; in: 10/2005, S. 10) 27 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Folie 9 Erklären Sie diese beiden Sachverhalte mithilfe von wahrnehmungstheoretischen Erkenntnissen. 1. Menschen setzen oft Gerüchte über Personen – bis hin zu Rufmord – in die Welt, obwohl keine diesbezüglichen Informationen vorliegen. Ja, sie entwerfen Fantasien wie zum Beispiel: Der Chef hat ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, die Schülerin hat nur durch „Schleimerei“ und nicht durch Können gute Noten erzielt usw. Wenn nun solche Fantasien von anderen akzeptiert werden, steigt sogar noch die Sicherheit bezüglich der Richtigkeit solcher Gerüchte. 2. Politiker sagen uns sehr häufig, je nachdem ob sie in der Regierung sind oder nicht, dass es beispielsweise „wirtschaftlich bergab geht“, „Das Tal ist überwunden“ oder „Uns geht es doch gut“, was dann von der Bevölkerung als „richtig“ wahrgenommen wird. Auf diese Weise wird ein sehr großer Einfluss auf Konjunkturverläufe und damit auf Prozesse der Inflation und Rezession ausgeübt. 28 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 1. Der Begriff Kognition und der Prozess der Wahrnehmung Arbeitsblatt 1 Über die Begegnung zweier Kulturen Ein Indianer verließ die Reservation und besuchte einen weißen Freund in der Stadt. Es war das erste Mal, dass er eine Großstadt sah. Die Bilder, Farben und Geräusche waren neu für ihn, ebenso befremdet war er von der Luft, die er einatmete und von den Menschen, die an ihm vorüberhasteten. Der rote und der weiße Mann gingen die Straße entlang, als plötzlich der Indianer seinen Freund auf die Schulter tippte und sagte: „Bleib einmal stehen. Hörst du auch, was ich höre?“ Der weiße Mann antwortete: „Alles, was ich höre, ist das Hupen der Autos und das Rattern der Omnibusse. Und dann freilich auch die Stimmen und das Geräusch der Schritte vieler Menschen. Was hörst denn du?“ „Ich höre eine Grille zirpen.“ Als die beiden Männer weitergegangen waren, sagte der weiße nach einer Weile: „Freilich hast du die Grille hören können. Dein Gehör ist eben besser geschult als meines. Indianer hören zudem einfach besser als Weiße.“ Der Indianer lächelte, schüttelte den Kopf und sagte: „Du täuschst dich, mein Freund. Das Gehör eines Indianers ist nicht besser und nicht schlechter als das eines weißen Menschen. Pass auf …“. Er griff in die Hosentasche, holte ein 50-Cent-Stück heraus und warf es auf das Pflaster. Die Münze klimperte auf dem Asphalt. Leute wurden auf das Geräusch aufmerksam und sahen sich um. Einer bückte sich, hob das Geldstück auf, steckte es ein und ging weiter. „Siehst du“, sagte der Indianer, „das Geräusch der 50 Cents war nicht viel lauter als das der Grille, und doch hörten es viele der weißen Frauen und Männer und sie drehten sich um, während das Geräusch der Grille niemand hörte außer mir. Es stimmt nicht, dass das Gehör der Indianer besser ist als das der Weißen.“ (Quelle unbekannt) Aufgabe: Analysieren Sie diese Begebenheit aus der Sicht des Wahrnehmungsprozesses. 29 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Der weiße Mann horchte. Dann schüttelte er den Kopf: „Du musst dich täuschen, Freund. Hier gibt es keine Grillen. Und selbst, wenn es hier irgendwo eine Grille gäbe, würde man doch ihr Zirpen bei dem Lärm nicht hören können.“ Der Indianer ging ein paar Schritte weiter. Vor einer Hauswand blieb er stehen. Wilder Wein rankte an der Mauer. Er schob die Blätter auseinander, und da – sehr zum Erstaunen seines Freundes – saß eine Grille, die laut zirpte. Jetzt, da der weiße Städter die Grille sehen konnte, nahm er auch das Geräusch wahr, das sie von sich gab. Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 2. Das Mehrspeichermodell und Gedächtnishemmungen Folie 1a 30 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 2. Das Mehrspeichermodell und Gedächtnishemmungen Folie 1b Vorgehensweise zu Folie 1: Die Schüler sehen diese neun Bilder eine Minute lang an, dann wird die Folie weggenommen. Der Lehrer stellt zu den Bildern folgende Fragen, die die Schüler auf einem Notizzettel beantworten. Zur Beantwortung jeder Frage haben die Schüler 30 Sekunden Zeit. 1. Welcher Scheinwerfer ist bei dem Auto abgebildet: der rechte oder der linke? 2. Ist an dem Schlüsselbund auch ein Autoschlüssel befestigt? 3. Der Wecker zeigt kurz nach 7 Uhr. Aber wann wird er wecken? 4. Sind auf einem Bild vier Gabeln zu sehen? 5. Welche Farben haben die Blumen in der Zeichnung? 6. In welche Richtung geht es zum Notausgang: rechts oder links? 7. Was steht auf dem Straßenschild unter „Hafen Freudenau“? 8. Welche Zahl liegt bei dem Würfel oben? 9. Befindet sich ein Blatt Papier im Kopierer? 31 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 2. Das Mehrspeichermodell und Gedächtnishemmungen Folie 2 Die Speichersysteme des Langzeitgedächtnisses deklaratives Gedächtnis episodisches oder autobiografisches Gedächtnis semantisches Gedächtnis oder Wissenssystem nicht-deklaratives (reflexives) Gedächtnis prozedurales Gedächtnis (Hobmair, 20084, S. 142) 32 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Priming Konditionierungsformen Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 2. Das Mehrspeichermodell und Gedächtnishemmungen Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sehr geehrte Schulleitung! 33 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 1 Ein Mann wird von zwei Wachen in einem Raum gefangen gehalten, der zwei Ausgänge hat. Beide Türen sind geschlossen, aber nur eine ist zugesperrt. Der Gefangene weiß ferner, dass einer der Wächter stets die Wahrheit sagt, der andere dagegen immer lügt. Welcher der beiden aber der Lügner ist, weiß er nicht. Seine Aufgabe, von deren Lösung seine Freilassung abhängt, besteht darin, durch eine einzige Frage an einen der beiden Wächter herauszufinden, welche der beiden Türen nicht versperrt ist. (vgl. Watzlawick u.a., 200010, S. 53) (Hobmair, 20084, S. 117) 34 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 2a (FOS) 10. Klasse Realschule – und Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Fachoberschule besuchen oder in das Berufsleben eintreten wollen. Folie 2b (BOS) Lehre beendet – und Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Berufsoberschule besuchen oder im Berufsleben bleiben wollen. 35 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 3 Arbeitsauftrag: ü Beobachten Sie, wie die Schülerin (der Schüler) zu ihrer (seiner) Entscheidung kommt. ü Notieren Sie alle Beobachtungen hinsichtlich der Entscheidungsfindung. 36 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 4 Alle vier Jahre dürfen wir einen neuen Bundestag wählen und müssen uns für eine Partei entscheiden. Ist die Entscheidungsfindung für eine politische Partei ein Ergebnis der eigenen kritischen Auseinandersetzung mit den Parteien, ein Ergebnis der Beeinflussung von anderen Personen oder der Gewohnheit, schon immer diese Partei gewählt zu haben? 37 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 5 Ein Fährmann soll zwei Tiere, einen Wolf und eine Ziege, sowie einen Krautkopf über den Fluss bringen. Er kann auf sein Floß jedoch immer nur einen Teil laden – entweder den Wolf oder die Ziege oder den Krautkopf. Das Problem ist nun: Lässt der Fährmann den Wolf mit der Ziege allein, frisst der Wolf die Ziege; lässt er die Ziege mit dem Krautkopf allein, frisst die Ziege den Krautkopf. Wie kann der Fährmann Wolf, Ziege und Krautkopf unbeschadet an das andere Ufer bringen? (Quelle unbekannt) 38 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 5 Lösung: 39 Der Fährmann fährt zuerst die Ziege über den Fluss, dann fährt er zurück und holt den Wolf, den er hinüberfährt. Bei der Rückfahrt nimmt er die Ziege wieder mit. Er lädt sie aus und nimmt den Krautkopf mit hinüber. Schließlich fährt er wieder zurück und holt abermals die Ziege. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 6 40 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 7 Das Experiment: Köhler befestigte in einem Versuchskäfig eine Banane so hoch, dass die jeweiligen Versuchstiere sie nicht erreichen konnten. Die Tiere standen damit vor einem Problem. Dann gab er den Tieren einige Geräte, die eine Lösung des Problems möglich machten, wie beispielsweise Kisten und Stäbe, die man ineinanderstecken konnte. Zunächst probierten die Tiere mit den Kisten und Stäben herum. Plötzlich fanden sie eine Lösung. Sie stellten die Kisten aufeinander und angelten mit den ineinandergesteckten Stäben nach der Banane. 41 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 1: Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken 3. Denken als Entscheidungs- und Problemlösungsprozess Folie 8 Versuchen Sie, in der Sprechblase einen Witz oder Ähnliches zu gestalten. 42 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 1 43 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 2 Arbeitsanweisung: 1. Lesen Sie das Material und diskutieren Sie darüber. 2. Veranschaulichen Sie den Aspekt des Emotionsbegriffes mithilfe eines Beispiels. 44 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 3 Wahrhaben-Wollen der Angst Bewusstmachung, wovor man Angst hat Sprechen über die Angst Bewältigung der Angst Durchführung von Entspannungsübungen Selbstinstruktion (vgl. Hobmair, 20084, S. 187 f.) 45 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Psychotherapeutische Behandlung Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 4 ü Einigen Sie sich auf ein bestimmtes Gefühl (z. B. Ärger, Freude). ü Eine (oder zwei Personen), die für das Standbild geeignet zu sein scheint, wird ausgewählt. ü Die Haltung sowie Mimik und Gestik wird solange„geformt“, bis sie dem gewählten Gefühl entspricht. ü Das Standbild wird dann zunächst von den anderen Gruppen und dann von der eigenen Gruppe beschrieben und interpretiert – das Standbild kann auf Wunsch der Gruppe jetzt nochmals verändert werden. 46 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 5a „Wo haben mich Gefühle bereichert und mich in meinem Leben weitergebracht?“ 47 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 5b ü Erzählen Sie sich Ihre Situationen untereinander. ü Einigen Sie sich in Ihrer Gruppe auf eine Situation. ü Zeichnen Sie diese Situation. 48 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 6a Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um, vor allem mit belastenden Gefühlen? 49 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 1. Merkmale von Emotion anhand von Beispielen Folie 6b ü Sprechen Sie in Ihrer Gruppe über Situationen, die Sie belastet haben, und wie Sie mit dieser umgegangen sind. ü Einigen Sie sich in Ihrer Gruppe auf eine Situation bzw. Umgangsmöglichkeit. ü Stellen Sie diese Situation bzw. Möglichkeit mithilfe von Bauklötzchen dar. 50 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 2. Merkmale von Motivation anhand von Beispielen Folie 1 Eine Krankenschwester spritzte in einem Zeitraum von zwei Jahren 17 Patienten, die zwischen 53 und 70 Jahre alt waren, ein bestimmtes Präparat, um sie sicher und schnell zu töten. Der Staatsanwalt bezeichnete sie als eiskalte Mörderin, die sich als „Herrin über Leben und Tod“ aufspielte. 51 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 2. Merkmale von Motivation anhand von Beispielen Folie 2 Arbeitsauftrag: ü Lesen Sie den Text auf dem Plakat und diskutieren Sie darüber. ü Veranschaulichen Sie die Aussage mit einem Beispiel. 52 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 2. Merkmale von Motivation anhand von Beispielen Folie 3a „Wie gehe ich mit meinen Aggressionen um?“ Überlegen Sie sich eine Möglichkeit, wie Sie mit Aggression umgehen. 53 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 2. Merkmale von Motivation anhand von Beispielen Folie 3b ü Teilen Sie sich Ihre Möglichkeit, wie Sie mit Aggression umgehen, untereinander mit. ü Einigen Sie sich in Ihrer Gruppe auf eine Möglichkeit und stellen Sie diese mithilfe von Bauklötzchen dar. 54 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Folie 1 55 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Folie 2 Arbeitsauftrag: 1. Sprechen Sie in der Gruppe über den im Text genannten Zusammenhang. 2. Veranschaulichen Sie diesen anhand eines Beispiels. 3. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie der Klasse diesen Zusammenhang präsentieren können (z. B. Rollenspiel). 56 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Folie 3 Vorgang des Erlebens von Stress: Zusammenwirken von Kognition, Emotion und Motivation: Wahrnehmung einer bestimmten Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 Wahrnehmung, Gedächtnis Primäre Einschätzung Vorgang der Bewertung der Situation Denken 쒆 쒆 쒆 Bedrohung, Schaden, Verlust, Herausforderung 쒆 Erleben von Stress bedeutungslos, angenehm Emotion 쒆 kein Stress 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 Motivation 쒆 Sekundäre Einschätzung Vorgang der Bewertung der Bewältigung der Situation 쒆 쒆 쒆 negativ 쒆 Erleben von Stress positiv 쒆 kein Stress Emotion 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 Bewältigungsversuche Wahrnehmung, Gedächtnis 쒆 Motivation 쒆 Handeln 쒆 쒆 veränderte Person veränderte Umwelt 쒆 쒆 Wahrnehmung der veränderten Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 motiviert zu 쒆 Wahrnehmung, Gedächtnis 쒆 Motivation 쒆 Neueinschätzung Denken 쒆 쒆 쒆 negativ 쒆 Erleben von Stress positiv 쒆 kein Stress Emotion 쒆 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 Neue Bewältigungsversuche 57 Denken Wahrnehmung, Gedächtnis 쒆 Motivation 쒆 Handeln © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 Wahrnehmung, Gedächtnis 쒆 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Arbeitsblatt 1 Richard S. Lazarus geht von einer Person und der sie umgebenden Umwelt aus: Aus der Umwelt wirken auf den Menschen bestimmte Reize ein, die er wahrnimmt und an das Gedächtnis weiterleitet. In einem ersten Einschätzungsprozess (= primäre Einschätzung) werden diese Reize bewertet. Werden nun diese Reize als angenehm bewertet, dann kommt es zu keiner stresshaften Situation (= kein Stress); empfindet der Mensch die Reize jedoch als bedrohlich, schädlich oder zumindest als herausfordernd – also als unangenehm –, so erlebt er eine stressreiche Situation. Wird nun die Situation als stressreich wahrgenommen und so in das Gedächtnis weitergeleitet, ist der Mensch motiviert, in einem zweiten Einschätzungsprozess (= sekundäre Einschätzung) die Möglichkeiten der Bewältigung zu überprüfen. Auch hier findet wiederum ein individueller Bewertungsprozess statt. Kommt nun das Individuum zu der Überzeugung, dass es ihm keine Probleme bereiten wird, die Krise zu meistern, dann entsteht in der Regel kein Stress. Glaubt es jedoch, die Situation nicht meistern zu können, so wird sie als stressreich erlebt. Beide Einschätzungsprozesse – primäre und sekundäre Einschätzung – lassen sich nicht voneinander trennen. Erlebt der Mensch aufgrund der Einschätzungsprozesse Stress, dann ist er zur Planung und Durchführung von Bewältigungsversuchen motiviert. Nahezu alle Bewältigungsversuche – auch das Nichtstun – haben in der Regel bestimmte Wirkungen und verändern sowohl die Person als auch die sie umgebende Umwelt. Die Veränderungen von Person und der sie umgebenden Umwelt werden wiederum vom Individuum wahrgenommen und an das Gedächtnis übermittelt. Diese wahrgenommenen Veränderungen motivieren den Menschen zu einem erneuten Einschätzungsprozess (= Neueinschätzung), sie werden gedanklich überprüft. Wird die Situation nicht mehr als stressreich erlebt, kann zu neuen Handlungen übergegangen werden (= kein Stress), bleibt das Stresserleben erhalten, ist das Individuum motiviert, erneut Bewältigungsversuche zu unternehmen (= neue Bewältigungsversuche). (vgl. Lazarus; in: Filipp, Kritische Lebensereignisse, 19953, S. 212–2181) Aufgabe: Füllen Sie die weißen Kästchen des nachfolgenden Schemas aus. 1 58 Text in Band 1, S. 112 ff. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Das Stressmodell nach Richard S. Lazarus Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Arbeitsblatt 1 Vorgang des Erlebens von Stress: Zusammenwirken von Kognition, Emotion und Motivation: Wahrnehmung einer bestimmten Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 쒆 쒆 Bedrohung, Schaden, Verlust, Herausforderung 쒆 bedeutungslos, angenehm 쒆 쒆 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 쒆 쒆 쒆 negativ 쒆 positiv 쒆 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 쒆 쒆 쒆 Handeln 쒆 쒆 veränderte Person veränderte Umwelt 쒆 Wahrnehmung der veränderten Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 motiviert zu 쒆 쒆 쒆 쒆 쒆 쒆 쒆 negativ 쒆 positiv 쒆 쒆 쒆 쒆 Wahrnehmung der stresslosen bzw. -reichen Situation, Weiterleitung in das Gedächtnis 쒆 stressreiche Situation motiviert zu 쒆 쒆 쒆 Handeln 59 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 쒆 Grundlagen des Erlebens, Verhaltens und Handelns, Teil 2: Emotion und Motivation 3. Zusammenwirken von Kognitionen, Emotion und Motivation anhand eines Beispiels Arbeitsblatt 2 Die Ganzheitlichkeit des Erlebens und Verhaltens am Beispiel des Stresses © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Meine Damen und Herren! 60 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Folie 1a 61 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Folie 2 Klären Sie, ob es sich bei den folgenden Beispielen um Lernen handelt oder nicht. Begründen Sie Ihre Wahl! ü Klein Otto nimmt zufällig die Gabel in die linke und das Messer in die rechte Hand. Seine Eltern freuen sich sehr. ü Mittel Otto nimmt an einem Skikurs teil. Er macht gute Fortschritte. Nach 14 Tagen beherrscht er die grundsätzlichen Techniken des Skifahrens. ü Groß Otto ist normalerweise ein sehr lustiger und umgänglicher Mensch. Nur wenn er zu viel getrunken hat, ändert sich sein Verhalten schlagartig und er wird für seine Mitmenschen unausstehlich. ü Klein Mima ist stolz darauf, dass sie jeden Menschen, der ihr begegnet, grüßen kann. ü Groß Mima erschrickt fürchterlich, als Mittel Otto hinter ihr einen Knallfrosch loslässt. 62 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Folie 3 „Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.“ (Eugene Ionesco, 1909) Suchen Sie Beispiele aus Ihrem persönlichen Leben, auf die diese Aussage zutrifft bzw. zugetroffen hat. 63 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Folie 4 ü Teilen Sie sich Ihre Beispiele mit. ü Einigen Sie sich in Ihrer Gruppe auf ein Beispiel und überlegen Sie sich, wie Sie dieses in einem Rollenspiel in der Klasse darstellen können. 64 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Folie 5 65 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Arbeitsblatt 1 Erziehung als soziales Handeln Erziehung ist immer soziales Handeln, das im zwischenmenschlichen Kontakt von Erzieher und zu Erziehendem stattfindet. Erzieherische Handlungen werden „sozial“ genannt, weil sie sich auf einen oder mehrere andere Menschen – auf den oder die zu Erziehenden – beziehen. Pädagogisches soziales Handeln ist eine besondere Art des Handelns, das immer bewusst und willentlich auf andere Menschen bezogen ist und auf die Gestaltung bzw. Veränderung von anderen Menschen abzielt (vgl. Giesecke, Pädagogik als Beruf, 20007, S. 21). Erziehung ist aus dieser Sichtweise immer ein bewusstes und überlegtes Handeln, sie meint also nicht alle Arten des kindlichen und jugendlichen Lernens, sondern nur die, die bewusst und planmäßig zu diesem Zweck organisiert werden (vgl. Giesecke, Einführung in die Pädagogik, 20047, S. 71). Diese Tatsache wird häufig mit dem Begriff „reflektiertes Handeln“ umschrieben. 2. Handeln meint Soziales Handeln 3. Erziehung als soziales Handeln meint Beispiel: 66 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: 1. Lesen Sie den Text durch und sprechen Sie mit Ihrem Nachbar darüber. 2. Bestimmen Sie die Begriffe „Handeln“ und „soziales Handeln“. 3. Beschreiben Sie Erziehung als soziales Handeln und zeigen Sie dieses an einem eigenen Beispiel auf. Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 1. Wesentliche Merkmale von Erziehung Arbeitsblatt 2 Max rülpst. Fünf Jahre alt und rülpst ständig. Er kann es noch nicht richtig, das Geräusch hat keine Tiefe und ist ein wenig blass, das liegt wohl am fehlenden Resonanzboden bei Fünfjährigen. Aber er übt ständig – bei Tisch, bei den Großeltern, gern auch, wenn Besuch kommt. Die Eltern: „Max, kannst du das mal bitte lassen. Man rülpst nicht, wenn andere Leute da sind, es stört sie.“ Max rülpst. Die Eltern: „Du, Max, das finden wir jetzt echt nicht so gut. Lässt du das mal bitte?“ Max rülpst. Die Eltern (Versuch einer paradoxen Intervention des dreifachen Axels der Kindererziehung): „Max, wir hören es gerne, wenn du rülpst, das Geräusch gefällt uns so, bitte rülpse noch mehr.“ Kurzes Nachdenken. Max rülpst. Die Eltern unter sich: „Wir müssen das Rülpsen ignorieren. Es geht ihm nur darum, auf sich aufmerksam zu machen. Er ist der Zweitgeborene, vergessen wir es nicht.“ Sie ignorieren das Rülpsen. Max rülpst. Die Eltern denken darüber nach, ob es sinnvoll wäre, das Kind einem Arzt vorzustellen. Es könnte einfach Verdauungsprobleme haben. Sie verwerfen den Gedanken; der Stuhlgang des Knaben ist normal. Max rülpst. Die Eltern fragen sich. Ist Rülpsen schlimm? Sind wir nicht Spießer, dass wir uns am Rülpsen eines Fünfjährigen stören? Der Vater ruft: „Es stört mich aber doch, verdammt!“ Max rülpst. Die Eltern laut: „Max, es langt jetzt endlich, verdammt noch mal, wenn du nicht aufhörst, müssen wir dich ins Zimmer schicken, denn du störst alle anderen am Tisch.“ Max rülpst. Die Eltern bringen Max in sein Zimmer. Das Kind schreit, klagt, weint, öffnet die Zimmertüre und schlägt sie wieder zu, bejammert sein Schicksal, schreit seine Wut hinaus, bricht heulend auf dem Ziegenhaarteppichboden seiner Behausung zusammen. Die Eltern werden mitleidig, gehen nach oben: „Du darfst jetzt wieder herunterkommen, wenn du nicht mehr rülpst.“ Max kommt wieder an den Esstisch, setzt sich mit versteinertem Gesicht auf seinen Platz. Die Eltern (denkend): „Es war hart, aber nun haben wir es geschafft.“ Die Familie isst schweigend. Es kehrt Ruhe ein im Haus. Stille senkt sich über den Tisch, Frieden in die Herzen der Erziehenden. Max hängt seinen Gedanken nach. Da rülpst Max. (Axel Hacke: Der kleine Erziehungsberater, Verlag Antje Kunstmann, 199920, S. 20 ff.) Aufgabe: Diskutieren Sie, ob bei Max von Erziehung gesprochen werden kann. Begründen Sie Ihre Entscheidung. 67 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Am Familientisch Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 2. Der emotionale Bezug in der Erziehung Folie 1 Mein Kollege, der Individualpsychologe Alfred Adler, hat einmal gesagt, dass der Schlüsselpunkt jeder erzieherischen Wirkung das Verhalten des Erziehers selbst ist: Der konkrete Erfolg einer Erziehung hänge in einem nicht unbedeutenden Maße vom Verhalten des Erziehers ab. Die Art und Weise, wie sich ein Erzieher verhalte, beeinflusse sehr stark die Art und Weise des Erlebens und Verhaltens des zu Erziehenden. Alles klar? 68 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 2. Der emotionale Bezug in der Erziehung Folie 2 Mein Kollege, Herr Rudolf Dreikurs1, hat einmal gesagt, man könne niemanden beeinflussen, wenn nicht zuvor eine positive emotionale Beziehung hergestellt worden sei. Dies gelte für ‚normale’ Kinder und Jugendliche ebenso wie für ‚Erziehungsschwierige’ und ‚Schwererziehbare’, und dies gelte in der Erziehung ebenso wie im gesamten Leben. Die meisten Schwierigkeiten mit Kindern seien die logischen Folgen einer gestörten Beziehung zwischen Kind und Erwachsenen. 1 69 vgl. Dreikurs, Psychologie im Klassenzimmer, 2003, S. 85 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 2. Der emotionale Bezug in der Erziehung Folie 3 ü Hohe Wertschätzung fördert die seelische Gesundheit und den gefühlsmäßigen Erlebnisreichtum des zu Erziehenden. Es entsteht ein seelisches und körperliches Wohlbefinden sowie gefühlsmäßige Sicherheit und Akzeptierung des eigenen Lebens. ü Minderwertigkeitsgefühle, Unsicherheiten und Ängste werden vermindert. Es entsteht ein gesundes Selbstwertgefühl, Selbstachtung und Selbstvertrauen werden ausgebildet. ü Es bildet sich eine optimistische Lebensgrundhaltung aus, die veranlasst, sich lernend und entdeckend mit sich selbst und der Umwelt auseinanderzusetzen. ü Es entstehen positive Gefühle gegenüber sich selbst und den Mitmenschen. Die positive Einstellung zu anderen Personen, das Akzeptieren anderer sowie die Bereitschaft zur Kooperation mit anderen werden ausgeprägt. ü Geistige Entwicklung, selbstständiges Denken und Urteilen sowie die Leistungsmotivation werden begünstigt. (vgl. Tausch/Tausch, Erziehungspsychologie, 199811) 70 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 2. Der emotionale Bezug in der Erziehung Folie 4 Merkmale von Erziehung Erziehung ist zielgerichtet (beabsichtigte Lernhilfe). 71 Erziehung ist soziale Interaktion und Kommunikation. Erziehung ist durch eine besondere zwischenmenschliche und persönliche Beziehung gekennzeichnet. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Erziehung ist soziales und reflektiertes Handeln. Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 2. Der emotionale Bezug in der Erziehung Arbeitsblatt 1 Das Ehepaar Anne-Marie und Reinhard Tausch gelangte in ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass eine positive emotionale Beziehung Voraussetzung jeder erzieherischen Einflussnahme ist. Solche Beziehungen zeigen sich ihrer Meinung nach in hoher Wertschätzung, Verständnis und Echtheit. Wertschätzung ist eine positive gefühlsmäßige Grundhaltung und Einstellung des Erziehers gegenüber dem zu Erziehenden. Sie zeigt sich darin, dass der Erzieher dem zu Erziehenden Achtung, Wärme und Rücksichtnahme entgegenbringt. Wertschätzung äußert sich nach Tausch/Tausch in Anerkennung des anderen, in warmer Zuneigung, im Zeigen positiver Gefühle, in einem Sorgen für den anderen, in Herzlichkeit, in Anteilnahme, in Geduld, in Mitleiden, in Ermutigungen, in Achtung vor den Fähigkeiten und Möglichkeiten des anderen, in Vertrauen zu der anderen Person, in Akzeptierung (nicht Billigung) der Gefühle und der Person des anderen (vgl. Tausch/Tausch, Erziehungspsychologie, 199811, S. 123). Verstehen hängt eng mit der Wertschätzung zusammen und bedeutet ein Einfühlen in die innere Welt eines anderen, die Wahrnehmung und vorstellungsmäßige Vergegenwärtigung der subjektiven Welt eines anderen Individuums (vgl. S. 178 f.). Dabei ist wichtig, dass man dem zu Erziehenden mitteilt, dass man seine Weltsicht verstanden hat und diese auch nicht wertet. Und schließlich sehen Tausch/Tausch auch das Verhaltensmerkmal der Echtheit als förderlich für die zwischenmenschlichen Beziehungen an. Man versteht darunter eine erzieherische Grundhaltung, bei der der Erzieher dem zu Erziehenden gegenüber aufrichtig ist und sein Verhalten mit seinen Einstellungen und Überzeugungen übereinstimmt (vgl. S. 214). Der Erzieher, der sich echt verhält, gibt sich so, wie er wirklich ist, ohne künstliches Gehabe und Vortäuschung von anderen Tatsachen. Er zeigt keine Fassade und ist sich selbst und dem zu Erziehenden gegenüber ehrlich und wahrhaftig. Aufgabe: Füllen Sie das Schema aus. Positive emotionale Beziehungen lassen sich herstellen mithilfe von 72 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Herstellen einer positiven emotionalen Beziehung Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 3. Pädagogische Mündigkeit Folie 1 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Text und diskutieren Sie gemeinsam den Inhalt. 2. Finden Sie zwei Beispiele für „Ihren“ Kompetenzbereich. 3. Fertigen Sie ein kurzes Impulsreferat an, um diesen Kompetenzbereich Ihren Mitschülern/innen verständlich zu erläutern. 73 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 3. Pädagogische Mündigkeit Folie 2 „Der Mündige lebt den Augenblick – aber er lebt nicht für den Augenblick.“ (Quelle unbekannt) 74 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 3. Pädagogische Mündigkeit Folie 3 Ich versteh’ das gar nicht: Eltern erziehen uns irgendwohin und wissen gar nicht, warum sie uns dorthin erziehen!“ 75 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 3. Pädagogische Mündigkeit Folie 4 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie bitte den Text auf dem Blatt und sprechen Sie in der Gruppe darüber. 2. Begründen Sie mit der in Ihrem Text angesprochenen Sichtweise das Erziehungsziel der „Pädagogischen Mündigkeit“. 76 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Voraussetzungen und Merkmale von Erziehung 3. Pädagogische Mündigkeit Arbeitsblatt 1 Die 6-3-5-Methode Schlüsselqualifikationen der pädagogischen Mündigkeit Sozialkompetenz Sachkompetenz © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Selbstkompetenz 77 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 1 78 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 2 79 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 3 Glockenton führt zu NS keiner spezifischen Reaktion keine spezifische Reaktion Futter führt zu UCS Speichelabsonderung UCR Glockenton + Futter NS + UCS führt zu Speichelabsonderung UCR nach mehreren Wiederholungen der Koppelung von NS und UCS Glockenton CS führt zu Speichelabsonderung CR Als klassisches Konditionieren bezeichnet man den Prozess der wiederholten Koppelung eines neutralen Reizes mit einem unbedingten Reiz. Dabei wird der ursprünglich neutrale Reiz zu einem bedingten Reiz, der eine bedingte Reaktion auslöst. 80 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 + Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 4 Der ADAC beobachtete, dass an größeren mehrspurigen Kreuzungen die Linksabbieger häufig zusammen mit den Autofahrern losfahren, die geradeaus fahren, weil bei ihnen die Ampel „grün“ zeigt, obwohl die Linksabbiege-Ampel noch auf „Rot“ steht. Der ADAC nannte diese Begebenheit „MitziehEffekt“, der schon mehrere Unfälle verursacht hat. Wie können Sie diesen „Mitzieh-Effekt“ mithilfe des klassischen Konditionierens erklären? 81 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 5 Konditionierung 1. Ordnung Konditionierung 2. Ordnung NS keine spezifische Reaktion NS keine spezifische Reaktion UCS UCR CS1 CR1 NS + UCS UCR NS + CS1 CR1 nach mehreren Wiederholungen: CS 82 nach mehreren Wiederholungen: CR CS2 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 CR2 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 6 83 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 7 NS Ratte UCS Geräusch NS Ratte + UCS + Geräusch keiner spezifischen Reaktion führt zu führt zu führt zu UCR Angst, Schrecken UCR Angst, Schrecken nach mehreren Wiederholungen der Koppelung von NS und UCS: NS übernimmt Signalfunktion CS Ratte 84 führt zu © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 CR Angst, Schrecken Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 8 In Gewaltvideos werden vielfach sexuell erregende Bilder zusammen mit Gewalt gegen Frauen gezeigt. Was könnte auf der Grundlage der Aussagen der klassischen Konditionierung der Effekt dieser Videos sein? (vgl. Myers, Psychologie, 2005, S. 346) 85 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 9 86 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Folie 10 Gruppe 1 und 2: Wie können mithilfe des klassischen Konditionierens erwünschte Verhaltensweisen aufgebaut werden? Veranschaulichen Sie Ihre Ergebnisse mithilfe einer Erziehungssituation. Gruppe 3 und 4: Wie können mithilfe des klassischen Konditionierens unerwünschte Verhaltensweisen abgebaut werden? Veranschaulichen Sie Ihre Ergebnisse mithilfe einer Erziehungssituation. Gruppe 5 und 6: Welche Konsequenzen für die Erziehung können aus dem Gesetz der Kontiguität abgeleitet werden? Veranschaulichen Sie Ihre Ergebnisse mithilfe einer Erziehungssituation. 87 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Arbeitsblatt 1 1. Entwerfen Sie ein Beispiel, wie Schulangst erlernt werden könnte. 2. Stellen Sie die Entstehung der Schulangst in Ihrem Beispiel mithilfe der Fachtermini dar. 3. Begründen Sie, ob es sich um eine Konditionierung 1. oder 2. Ordnung handelt. 2. Darstellung der Entstehung NS: UCS – CS11: UCR – CR1: Lernvorgang: CS – CS2: CR – CR2: 3. Es handelt sich um eine Konditionierung 1. Ordnung – 2. Ordnung1, weil 1 Nichtzutreffendes bitte streichen 88 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 1. Beispiel: Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 1. Das klassische Konditionieren Arbeitsblatt 2 Welche Aussagen umschreiben den entsprechenden Begriff? Kreuzen Sie das entsprechende Kästchen an! 1. Welche der folgenden Erscheinungen wird als Generalisation bezeichnet? Zwischen UCS und CS kann nach der Koppelung nicht mehr unterschieden werden. Ein dem CS ähnlicher Reiz ist ebenfalls in der Lage, die CR auszulösen. Ein CS kann erfolgreich mit mehreren UCS gekoppelt werden. 2. Das Gesetz der Kontiguität ist Voraussetzung für das Klassische Konditionieren, die Verbindung zwischen UCS und NS, die Ausbildung von CS, der eine ähnliche Reaktion auslöst wie der UCS, nämlich CR. 3. Als Extinktion bezeichnet man die Auslöschung einer bedingten Reaktion infolge einer längeren Pause zwischen den Versuchsdurchgängen, infolge einer verzögerten Konditionierung. 89 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 infolge wiederholten alleinigen Auftreten des CS, Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 1 Ein Kind kehrt im Spiel zufällig den Hof. Die Eltern sind darüber sehr erfreut und bringen gegenüber dem Kind auch ihre Freude zum Ausdruck und loben es. Das Kind kehrt ab diesen Zeitpunkt ab und zu den Hof und die Eltern loben es. Bald übernimmt das Kind diese Aufgabe regelmäßig. 90 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 2a Eine Katze wurde in einen Käfig gesperrt, in dem sich viele Hebel befanden. Jedoch nur das Drücken eines ganz bestimmten Hebels öffnete die Käfigtür. Thorndike konnte beobachten, wie die Katze zunächst wahllos durch verschiedene Aktivitäten versuchte, ihrem Gefängnis zu entrinnen. Betätigte sie zufällig den richtigen Hebel, so gelangte sie in die Freiheit. Nach einer Reihe von Durchgängen fand die Katze allmählich den entscheidenden Hebel heraus und drückte ihn sofort. Die erfolglosen Verhaltensweisen wurden nicht mehr gezeigt. 91 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 2b Gruppe 1 und 2: Klären Sie, warum das Tier überhaupt aktiv wurde und wie sich die Katze zunächst gebärdete. Gruppe 3 und 4: Klären Sie, warum die Katze letztendlich das Hebeldrücken lernte. Gruppe 5 und 6: Klären Sie, was Thorndike mit zunehmender Anzahl der Wiederholungen seiner Versuche beobachtete. 92 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 3 Eine Mutter stellt fest, dass ihre 6-jährige Tochter plötzlich stottert, obgleich sie früher fließend gesprochen hat. Dieses Verhalten tritt ausschließlich in solchen Situationen auf, in denen das Kind aufgeregt ist und von den Eltern dann Zuwendung bekommt. 93 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 4 Skinner sperrte eine Ratte in einen Käfig (Skinnerbox), in dem sich ein Hebel befand. Das neugierige Tier untersuchte den Käfig und drückte dabei zufällig irgendwann den Hebel. Dieses Drücken hatte eine bestimmte Konsequenz zur Folge. Wenn dieser Versuch öfter wiederholt wurde, lernte die Ratte allmählich den Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und der Konsequenz. Skinner arbeitete mit verschiedenen Ratten, die je nach Versuchsanordnung verschiedene Konsequenzen für ihr Hebeldrücken er fuhren: ü Ratte 1 konnte durch das Drücken des Hebels Futter bekommen. Wie Thorndikes Katze lernte sie allmählich das Hebeldrücken. ü Ratte 2 konnte durch das Drücken des Hebels den Strom des Käfigbodens, auf dem sie stand, abschalten. Wie Thorndikes Katze lernte sie allmählich das Hebeldrücken. 94 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 5 Wurde das Verhalten durch positive oder durch negative Verstärkung erlernt? Bestimmen Sie jeweils den Verstärker und die Verhaltensweise, die gelernt wird. 1. Ein sonst stiller Schüler meldet sich im Pädagogik-Unterricht zu Wort. Die Anerkennung seitens des Lehrers und seiner Mitschüler bewegen ihn dazu, sich in Zukunft häufiger am Unterricht zu beteiligen. 2. Nina, 3 Monate alt, schreit sehr häufig. Die Mutter will nicht, dass Nina so häufig schreit und nimmt sie aus dem Bett heraus. Nina ist ruhig. Seitdem nimmt die Mutter Nina jedes Mal, wenn sie schreit, aus dem Bett. 3. Jede Woche geht Ferdinand mit seiner Mutter zu seiner Oma mit. Obwohl der Besuch langweilig ist, geht Ferdinand immer mit: Bei der Verabschiedung bekommt er immer Himbeerbonbons, die er so gerne mag. 4. Gerd, FOS-Schüler hat gespickt, und es droht die Note 6. Er spricht ganz freundlich und ergeben mit dem Lehrer wegen des Spickens. Der Lehrer kommt ihm entgegen. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 5. Strafe bewirkt, so haben Wissenschaftler festgestellt, Fluchtverhalten wie Lügen, Mogeln, „Schleimen“ etc. 6. 7. „Ich habe meinen Erzieher gut abgerichtet: Immer, wenn ich die Straße kehre, gibt er mir zwei Euro.“ 8. Es gibt Schüler/innen, die machen regelmäßig blau; sie fehlen vor allem dann, wenn Prüfungsarbeiten ins Haus stehen. 95 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 6 Arbeitsauftrag: ü Lesen Sie den Text auf dem Plakat und diskutieren Sie darüber. ü Veranschaulichen Sie die Beziehung zwischen Verhalten und der nachfolgenden Konsequenz mit einem Beispiel. 96 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 7 Das Kontingenzschema Reiz ist angenehm Reiz ist unangenehm 97 Darbietung eines Reizes Wegnahme eines Reizes Positive Verstärkung Bestrafung zweiter Art bzw. bzw. Belohnung erster Art Negative Verstärkung Bestrafung erster Art Belohnung zweiter Art © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 8 07.00: Aufgewacht! Laut geheult – Mama kommt gleich und nimmt mich mit in ihr Bett. Viel schöner dort! 09.00: Mit Mama einkaufen gegangen. Habe Dosen aus dem Regal geräumt. Mama sagt, wenn ich damit nicht aufhöre, darf ich heute Nachmittag nicht mit zu Peter. Lieber aufgehört! 11.00: Habe Liederkassetten durch die Gegend geworfen. Mama sagt, jetzt darf ich wirklich nicht mit zu Peter gehen. Katastrophe! 13.00: Mittagessen hat gar nicht geschmeckt. Habe damit herumgemanscht bis Mama es mir wegnahm. Glück gehabt. 14.00: Habe geheult, weil ich nicht mit darf zu Peter. Mama hat sich erweichen lassen. Gott sei Dank! 15.00: Waren bei Peter und seiner Mutter. Peter kann ein neues Wort: „Blödmann!“ Seine Mutter hat gelacht. Blödmann sagen ist lustig! 17.00: Papa kommt nach Hause. Ich sage zu ihm „Blödmann!“, doch er fand das gar nicht lustig. Ich musste in mein Zimmer gehen. Fand ich nicht schön, ich lass’ es lieber bleiben! 18.00: Habe meine Spielkiste eingeräumt. Mama hat gesagt, sonst darf ich nicht Sesamstraße schauen. 20.00: Musste ins Bett gehen, obwohl ich noch nicht wollte. Habe eindringlich dagegen protestiert, doch Mama und Papa haben gar nicht darauf reagiert. Komisch. 98 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 9a Der Clown in der Klasse – wie könnte diese Rolle auf der Grundlage des operanten Konditionierens entstanden sein? 99 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 9b In unserer Kultur sind für das männliche und weibliche Geschlecht typische Erlebens- und Verhaltensweisen beobachtbar. a) Beschreiben Sie für das männliche und weibliche Geschlecht typische Erlebens- und Verhaltensweisen. b) Erklären Sie mit Hilfe des operanten Konditionierens die Entstehung dieser geschlechtstypischen Erlebens- und Verhaltensweisen. 100 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 10 Gruppe 1 und 2: Wie können mit der Methode des operanten Konditionierens erwünschte Verhaltensweisen aufgebaut werden? Veranschaulichen Sie Ihre Ergebnisse an einer Erziehungssituation. Gruppe 3 und 4: Wie können mit der Methode des operanten Konditionierens unerwünschte Verhaltensweisen abgebaut werden? Veranschaulichen Sie Ihre Ergebnisse an einer Erziehungssituation. 101 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 11 „Ohne Strafe kommt man in der Erziehung nicht aus, das ist alles nur theoretisches Gequatsche!“ „Das denke ich auch, Strafe hat so viele unerwünschte Nebenwirkungen, dass sich ihr Einsatz nicht lohnt.“ „Ich glaube, Sie erweisen da ihren Kindern keinen Gefallen, denn Strafe ist meiner Meinung nach ein sehr problematisches Erziehungsmittel!“ 102 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 12 Lehrer und andere Erzieher neigen dazu, gutes Benehmen für selbstverständlich zu halten und wenden sich einem Kind erst dann zu, wenn es ‚aus der Rolle fällt’. In meinem Experiment wurden die Lehrer gebeten, ihr Verhalten zu ändern und das Kind beim ‚Bravsein’ zu erwischen. Meine Anweisung lautete: Zeigen Sie dem Kind Ihre Anerkennung, ihr Lächeln und loben Sie es, wenn es tut, was man von ihm erwartet. Verhält es sich aggressiv oder stört es, schenken Sie ihm einfach keine Beachtung, sondern wenden Sie sich den Kindern zu, die sich erwünscht benehmen. Dieses Verhalten wurde in 5 verschiedene Klassen bei 6- bis 10-jährigen sehr aggressiven Problemkindern 10 Wochen lang praktiziert. Und was, glaubt Ihr, war das Ergebnis? (vgl. Hederer u. a., 19847, S. 59) 103 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Folie 13 Ich weiß noch eine weitere Vorgehensweise: die kontinuierliche und die intermittierende Verstärkung. Von kontinuierlicher Verstärkung spricht man, wenn ein Verhalten jedes Mal, wenn es auftritt, verstärkt wird. Dabei werden zwar rasche Lernerfolge erzielt, aber das Verhalten ist wenig stabil. Intermittierende Verstärkung meint eine gelegentliche Verstärkung von Verhalten, bei der ein Verhalten nur ab und zu verstärkt wird. Hier erfolgt der Lernzuwachs zwar langsamer, aber das Verhalten ist dafür stabiler. Alles klar? Dann fülle jetzt bitte unten stehendes Schema aus und beantworte anschließend folgende Frage: Wie kann man beide Arten von Verstärkung erzieherisch nützen? Art der Verstärkung 104 Erwerb neuen Verhaltens Stabilität des erworbenen Verhaltens kontinuierliche Verstärkung erfolgt schneller geringer intermittierende Verstärkung erfolgt langsamer höher © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Arbeitsblatt 1 Es wird gelernt, durch positive Verstärkung durch negative Verstärkung 1. Schüler: 2. Schüler: 4. Schüler: 5. Schüler: 6. Schüler: 105 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 3. Schüler: Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Arbeitsblatt 2 Entwerfen Sie eine Erziehungssituation, in der alle Konsequenzen, die auf ein Verhalten folgen können, vorkommen. Konsequenzen, die auf ein Verhalten folgen, in dieser Situation: 106 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Erziehungssituation: Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 2. Das operante Konditionieren Arbeitsblatt 3 Georg, 3 Jahre, ist seit zehn Wochen im Kindergarten. Zunächst war er ein sehr angepasstes und ruhiges Kind, das von der Erzieherin wenig beachtet wurde. Andere Kinder waren auch neu und weinten viel, so dass die Erzieherin alle Hände voll mit diesen Kindern zu tun hatte. Seit zwei Wochen jedoch fällt Georg durch aggressives Verhalten auf (er schlägt andere Kinder und macht Bauwerke kaputt), was die Erzieherin so nicht durchgehen lassen konnte. Sie nahm Georg beiseite und sprach mit ihm, als dies nichts nützte, schimpfte sie ihn. Jedoch wurde Georg immer aggressiver. Sie konnte ihm gut zureden oder auch schimpfen, doch Georg legte sein aggressives Verhalten nicht mehr ab. Rückblickend erzählt die Erzieherin: Die ersten Wochen, wenn die neuen Kinder kommen, seien immer die schwierigsten. Viele Kinder hätten Trennungsprobleme und weinten oder seien sehr still. Da sei man schon froh, wenn ein Kind mal keine Probleme beim Eintritt in den Kindergarten zeige – wie, Georg, der sich ja zunächst ruhig verhalten habe. Nach einer Eingewöhnungsphase wollte er ihr auch immer wieder Geschichten oder Erlebnisse vom Wochenende erzählen, doch sie hätte ihn häufig auf später vertröstet und dies sei dann im Trubel ganz vergessen worden. Kurze Zeit, so ungefähr in der vierten Woche, hätte er auch mal geweint, sie hätte dieses Verhalten jedoch ignoriert, da er vorher ja auch keine Probleme gemacht hätte. Er hörte auch damit recht schnell wieder auf. Eigentlich könne sie sich das aggressive Verhalten von Georg nicht erklären. Aufgabe: Erklären Sie mithilfe des operanten Konditionierens, wie Georg das aggressive Verhalten erlernt hat. 1 Diese Fallbeschreibung stammt von Heike Selz von der FOS/BOS Weißenburg. 107 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Georg“1 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 3. Kritische Würdigung der Konditionierungstheorien Folie 1 Mein Kollege, Herr Pervin1 meint, dass die angewandten Lernprinzipien des klassischen und operanten Konditionierens von der Forschung an Ratten und anderen dem Menschen untergeordneten Tieren hergeleitet würden und es tauche die Frage auf, ob dieselben Prinzipien für das menschliche Lernen gelten können. Mit anderen Worten: Können die Gesetze für Ratten auf menschliches Verhalten übertragen und angewendet werden? 1 vgl. Pervin u. a., Persönlichkeitstheorien, 20055, S. 468 108 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 3. Kritische Würdigung der Konditionierungstheorien Folie 2 Am behavioristischen Zentrum für Theorien (BZT) findet eine Diskussion statt, die im Fernsehen übertragen wird. Professoren/innen der verschiedensten Schulen der Psychologie diskutieren über den Wert der Konditionierungstheorien. 109 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 1: Konditionierungstheorien 3. Kritische Würdigung der Konditionierungstheorien Folie 3 ü Was nehme ich persönlich von den Konditionierungstheorien mit? ü Womit kann ich nichts anfangen? 110 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 1. Grundannahmen kognitiver Modelle Arbeitsblatt 1 Es gibt keine völlig einheitliche Richtung bei den kognitiven Theorien. Dies liegt daran, dass die einzelnen Ansätze unabhängig voneinander entstanden sind. Dennoch sind ihnen einige Grundannahmen gemeinsam: Die kognitiven Prozesse und Strukturen üben einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und Erleben eines Menschen aus und legen unter anderem fest, wie er erlebt und sich verhält. Menschliches Verhalten wird nicht, wie beim „strengen“ Behaviorismus, als direkte Reaktion auf einen Umweltreiz angesehen, es gilt als aktiver Prozess der Kognition – wie ein Mensch Umweltereignisse wahrnimmt, sie gedanklich verarbeitet, beurteilt und bewertet. Jeder Mensch besitzt aufgrund der persönlichen Erfahrungen, die er in seiner Lebensgeschichte gemacht hat, ein ganz bestimmtes individuelles Kognitionsmuster, das bestimmt, wie er eine gewisse Situation wahrnimmt, verarbeitet und bewertet. Solch ein Muster bezeichnen wir als kognitive Struktur. Kognitive Strukturen stellen die Grundlagen dar, auf deren Hintergrund eine bestimmte Umweltsituation gesehen und beurteilt wird. Sie beeinflussen sowohl das Verhalten als auch das Erleben wie beispielsweise den Gefühlszustand. So sind zum Beispiel Meinungen über sich selbst wie „Das schaffe ich nie“, „Ich tauge zu nichts“ oder „Mich mag niemand“ geeignet, einen negativen Gefühlszustand entstehen zu lassen. Die Fähigkeit des Menschen, seine Umwelt zu interpretieren und zu konstruieren, befähigt ihn dazu, sich selbst zu formen und auch wieder neu zu formen. Der Mensch besitzt in den kognitiven Modellen im Gegensatz zum strengen Behaviorismus die Fähigkeit der Selbststeuerung. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Einfluss auf das eigene Erleben und Verhalten auszuüben und nicht nur mechanisch auf Umweltreize zu reagieren. Der Mensch ist also kein Gefangener seiner gemachten Erfahrungen und seiner Lebensumstände. Veränderungen der grundlegenden kognitiven Strukturen eines Menschen beeinflussen auch sein Verhalten und sein Erleben. Die Änderung der Meinungen über sich selbst wie „Das schaffe ich nie“, „Ich tauge zu nichts“ oder „Mich mag niemand“ zum Beispiel bewirken neben der Verstärkung auch eine Änderung des Gefühlszustandes. (Hobmair, Pädagogik, 20084, S. 159 ff., gekürzt) Auftrag: 1. Fassen Sie die Grundannahmen in jeweils einem Satz zusammen. 2. Veranschaulichen Sie die Grundannahmen kognitiver Theorien anhand eines Beispiels. 1. Die Grundannahmen: a) b) c) d) 2. Beispiel: 111 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundannahmen kognitiver Modelle Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 1a Aus dem Tagebuch meiner Mutter: Weihnachten durfte Sigmund im Fernsehen „Peterchens Mondfahrt“ anschauen. Er saß wie angewurzelt vor dem Bildschirm. Am nächsten Morgen erschraken wir sehr: Sigmund stand am geöffneten Fenster auf der Fensterbank und hatte die Hände ausgebreitet, um Peterchens Mondfahrt nachzuspielen. Wir hatten nicht bedacht, dass ...“ 112 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 1b 113 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 2 Aufmerksamkeitsprozesse: Wahrnehmung des Modellverhaltens Aneignung von Verhalten Gedächtnisprozesse: Speicherung des Modellverhaltens Reproduktionsprozesse: Einübung des beobachteten Verhaltens Ausführung von Verhalten Motivationsprozesse: Auswahl des Verhaltens entsprechend den Erwartungen 114 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 3 Ehepartner werden sich im Laufe der Zeit immer ähnlicher. 115 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 4a Ein Experiment: Kinder konnten in einem Film die Modellperson „Rocky“ anschauen, die sich gegenüber einer Puppe sehr aggressiv verhielt. Rocky schlug mit einem Holzhammer auf die lebensgroße Plastikpuppe ein. Es wurden drei Gruppen von Kindern gebildet, wobei der Ausgang des Filmes in jeder Gruppe anders war: Gruppe 1: Rocky wurde für sein aggressives Verhalten belohnt. Gruppe 2: Rocky wurde bestraft, wenn er die Puppe prügelte. Gruppe 3: Auf Rockys Verhalten folgten keine Konsequenzen. Anschließend konnten die Kinder in einem Spielzimmer mit Gegenständen wie Plastikpuppe, Holzhammer spielen. Und was, glaubt Ihr, war das Ergebnis? 116 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 4b Und das Experiment ging weiter: Nachdem die drei Gruppen den Film mit Rocky ansehen konnten, wurde den Kindern mitgeteilt, dass sie für jede nachgeahmte aggressive Verhaltensweise belohnt würden. Wie fiel jetzt Eurer Meinung nach das Ergebnis aus? 117 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 5 Mein Kollege, Albert Bandura1, meint, dass die Bekräftigung für das Beobachtungslernen ein förderlicher Faktor, aber keine notwendige Bedingung sei. In erster Linie sei es die Antizipation, die Erwartung, die bestimmt, ob ein Verhalten gezeigt werde oder nicht. Alles klar? 1 vgl. Bandura, Sozial-kognitive Lerntheorie, 1979, S. 46 118 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 6 „Ich habe dir schon hunderttausend Mal gesagt, du sollst nicht so übertreiben!“ 119 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Folie 7 Die Eltern von Georg und alle seine älteren Freunde rauchen, aber sie empfehlen ihm, es nicht zu tun. Die Eltern von Patrick und seine Freunde rauchen nicht, aber sie sagen auch nichts, um ihn davon abzuhalten. Wer beginnt eher mit dem Rauchen, Georg oder Patrick? Begründen Sie Ihre Antwort! (vgl. Myers, Psychologie, 2005, S. 366) 120 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Arbeitsblatt 1 Menschen können aus der Beobachtung nicht viel lernen, wenn sie nicht auf das Modellverhalten achten und dieses exakt wahrnehmen. Diese Aufmerksamkeitsprozesse entscheiden darüber, was aus der Fülle der auf den Beobachter einwirkenden Einflüsse nachgeahmt wird. Ob ein Modell viel oder wenig Aufmerksamkeit geschenkt bekommt, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, unter anderem von den Persönlichkeitsmerkmalen des Vorbilds und des Beobachters, sowie der Art ihrer Beziehung zueinander, ferner von Situationsfaktoren. Bevor dieses beobachtete Verhalten gezeigt wird, muss es erst im Gedächtnis gespeichert werden. Zu diesem Zweck wird es entweder in Form bildhafter Vorstellungen, sprachlicher Symbole oder begrifflicher Kennzeichnungen verschlüsselt (= codiert). So kann zum Beispiel der Zuschauer eines Turnwettbewerbes den gestreckten Salto eines Athleten auf unterschiedliche Art und Weise speichern: als bildhafte Vorstellung des gestreckten Körpers, als sprachliche Beschreibung, wie „der ganze Körper muss gestreckt sein“ sowie als begriffliche Kennzeichnung, wie „kerzengerade Haltung“. Wir sprechen hier von Gedächtnisprozessen: Mit Hilfe von Bildund Sprachsymbolen baut der Beobachter in seinem Gedächtnis einen gedanklichen Vorstellungszusammenhang auf, den er bei der Nachahmung aktiviert. Dabei ist die Wiederholung eine wichtige Gedächtnishilfe: Stellt man sich in der Phantasie vor, wie man das beobachtete Verhalten ausführt, dann wird es auch länger behalten. Bei diesen beiden Prozessen handelt es sich um Aneignung von Verhalten. In den nun folgenden Prozessen geht es um die Ausführung von Verhalten. Der erste Schritt der Ausführungsphase besteht darin, dass das gespeicherte Verhalten in angemessene Handlungen umgesetzt werden muss. Dabei werden die Verhaltensweisen, die gezeigt werden, zunächst auf der kognitiven Ebene ausgewählt und organisiert. Nur selten lassen sich kognitive Vorstellungen gleich beim ersten Mal richtig in Handlungen umsetzen, diese werden erst durch Übung und Korrektur erworben. Es handelt sich bei diesem Prozess um motorische Reproduktionsprozesse. Menschen setzen nicht alles in die Tat um, was sie beobachten. Der Beobachter wird Verhaltensweisen dann in die Tat umsetzen, wenn er dazu motiviert ist. Die Motivation ist abhängig von den Erwartungen, die der Beobachter hat. Die Erwartung angenehmer Konsequenzen motiviert dazu, das Verhalten zu zeigen; wir sprechen deshalb von Motivationsprozessen. 121 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Phasen und Prozesse des Modelllernens Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Arbeitsblatt 1 Aufgabe: Füllen Sie unten stehendes Schema aus. bedeutet bedeutet bedeutet 122 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 bedeutet Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Arbeitsblatt 2 Bekräftigungen und Erwartungshaltungen in der sozial-kognitiven Theorie Judith hat es geschafft: Mit dreizehn Jahren ist sie die beste Schachspielerin in Deutschland und wird wohl demnächst nach der Weltmeisterinnenkrone greifen. Wie kommt es, dass eine Zeitung neulich die Schlagzeile hatte: „Judith – jung und erfolgreich“? Judiths Vater ist ein menschenscheuer Mathematikprofessor. Die nahezu einzigen sozialen Kontakte unterhielt der Mann zu seiner Frau und seiner innig geliebten Tochter Judith. Mit dem Mädchen verbrachte der Mann jede freie Minute: Er löste mit ihr schon in sehr frühen Jahren knifflige Logikaufgaben und ließ sie daran teilhaben, wenn er seine Schachpartien mit dem Schachcomputer durchführte. Judith bewunderte ihren Vater sehr, wenn er mit scheinbar grenzenloser Geduld seine Spielzüge bis ins Detail plante. Sie konnte ihm stundenlang bei seinen einsamen Schachpartien zusehen. Sie war fasziniert von der riesengroßen Freude ihres Vaters, wenn er wieder einmal gegen den Computer gewann und dies ihn anspornte, weiter zu spielen. Auch bei seinen Freunden, die nie gegen ihn gewinnen konnten, genoss er großes Ansehen und bekam viel Anerkennung für sein Können. So ließ Judith ihrem Vater keine Ruhe, bevor er ihr nicht die Regeln des Schachspiels erklärt hatte und täglich mit ihr spielte. Bald war der stolze Vater seiner kleinen Tochter im „königlichen Spiel“ nicht mehr gewachsen. Und immer, wenn sie gewann, versprach ihr der Vater, er werde sich weiter intensiv um sie kümmern und sie betreuen. Und er fragte sie, ob sie sich größere Schachturniere zutrauen würde. Judith war davon überzeugt, dass sie das Schachspielen gut beherrsche, und so reifte in ihm der Plan, aus Judith mit Hilfe eines ausgefeilten Trainingsplans eine Weltmeisterin im Schachspiel zu machen. Der Vater und der zeitweise fünfköpfige Trainerstab wachten über die erzielten Trainingsfortschritte und trieben das Mädchen zu immer längeren Trainingseinheiten. Sehr schnell stellten sich große Erfolge ein (u. a. mit sechs Jahren Clubmeisterin, mit sieben Jahren Stadtmeisterin, mit neun Jahren bayerische Meisterin), was Judith anspornte, weiter zu üben und zu spielen. Bald lebte sie nur noch für das Schachspiel. Auch bei Schachkollegen und in der Schule erfuhr sie Bewunderung für ihr großes Können. Und sie wusste, dass sie hochgeschätzt werden würde, wenn sie hervorragend Schach spielt. Angespornt vom immer größeren Erfolg (Siegerehrungen, Artikel in Schachzeitschriften und Zeitungen, Sach- und Geldpreise), beschloss Judith sogar, sich vor Turnieren wochenlang mit ihrem Schachcomputer zu isolieren und auch die letzten verbleibenden Kontakte, sogar die zu ihrem Trainerstab, abzubrechen. In einem Zeitungsinterview sagte sie einmal: „Ich finde Schachspielen einen wunderbaren Sport, einen schöneren gibt es nicht, und kein anderes Spiel trainiert so intensiv die Intelligenz und die Denkleistungen als gerade Schach. Ich bin so froh, dass ich Schachspielen kann und dass mich das mein Vater gelehrt hat.” (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 1998) 123 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Judith“ Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Arbeitsblatt 2 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Erläutern Sie an dieser Fallbeschreibung die Bedingungen der Motivation (Bekräftigungen, Erwartungshaltungen). 124 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 2. Die sozial-kognitive Theorie Arbeitsblatt 3 Beispiel Effekt 1. Schüler: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Schüler: 3. Schüler: 125 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 3. Kritische Würdigung der sozial-kognitiven Theorie Folie 1 Wie erkläre ich jetzt mit der sozial-kognitiven Theorie das Hebeldrücken von Skinners Ratte, wenn sie Futter will? 126 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Lernen im Erziehungsprozess Teil 2: Die sozial-kognitive Theorie 3. Kritische Würdigung der sozial-kognitiven Theorie Folie 2 ü Was nehme ich persönlich von der sozial-kognitiven Theorie mit? ü Womit kann ich nichts anfangen? 127 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 1 128 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 2 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Text und diskutieren Sie den Inhalt. 2. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie „Ihre“ Persönlichkeitsinstanz ihren Mitschülern/innen verständlich erläutern können. 129 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 3 Das arme ICH hat es schwer, es dient drei gestrengen Herren. Die drei Zwingherren sind die Außenwelt, das ÜBER-ICH und das ES. Vom ES getrieben, vom ÜBER-ICH eingeengt, von der Realität zurückgestoßen, ringt das ICH um die Bewältigung seiner ökonomischen Aufgabe, die Harmonie unter den Kräften und Einflüssen herzustellen. Diese Ansprüche scheinen oft unvereinbar zu sein. (vgl. Freud, Gesammelte Werke, Band 1, 2000, S. 514 f.) 130 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 4 Arbeitsauftrag: 1. Setzen Sie sich mit „Ihrer“ Möglichkeit der Ich-Schwäche auseinander und veranschaulichen Sie diese mit einem Beispiel. 2. Überlegen Sie, welche Folgen „Ihre“ Möglichkeit der Ich-Schwäche für den Betroffenen und für seine Umwelt haben könnte. 3. Bei welchen Erzieherverhaltensweisen könnte es zu dieser Ich-Schwäche kommen? 131 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 5 Aus einem Zeitungsartikel: Eine 43jährige Britin setzte sich betrunken in ihren Wagen und fuhr nach kurzer Wegstrecke schnurstracks zur nächsten Polizeistation. „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich in betrunkenem Zustand Auto gefahren bin“, erklärte die Hilfsschwester den verdutzten Beamten. Mit dem Doppelten des erlaubten Alkohollimits wurde sie zunächst für 10 Stunden in eine Ausnüchterungszelle gesteckt. 132 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 6 Mein Kollege, der englische Psychoanalytiker Ronald Britton1, meint zur Entstehung von Terror, Selbstmordanschlägen und Glaubenskriegen, dass die Aussicht, die eigene triebhafte Destruktivität befriedigen und gleichzeitig die Zustimmung des inneren Gottes finden zu können, ungemein verführerisch sei. Zerstörungsakte, die mit einer ideologischen Überzeugung gerechtfertigt würden, seien zweifellos befriedigend und würden keine Schuldgefühle wecken. 1 vgl. Britton; in: Psychologie Heute, Heft 4, 2007, S. 32 133 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 7a Gerd, 18 Jahre alt, war bis vor Kurzem über beide Ohren in Angela verliebt. Doch vor ein paar Tagen rief sie ihn an, und teilte ihm mit, dass sie jetzt einen anderen Freund habe und von ihm nichts mehr wissen will. Die Liebe zu Angela schlägt nun in großen Hass um: Er möchte Angela am liebsten umbringen. Doch er tut es nicht. 134 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 7b Gerd spricht mit seinem Freund Georg darüber, dass er Angela am liebsten umbringen würde. Dabei sagt er u. a. zu Georg: „Eigentlich ist es mir egal, ich könnte sie umbringen, auch wenn ich ins Gefängnis komme. Aber dann erschrecke ich über mich selbst: Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so werden könnte, dass ich so tief sinken würde – jetzt bin ich schon imstande, Menschen umzubringen; ich könnte ein Mörder sein! Wenn ich mir das vor Augen führe, dann wird mir ganz mulmig. Oh Gerd, wo bist du hingekommen?” 135 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 8 Herr Treuberg, Stadtrat und Inhaber einer Firma in einer Kleinstadt, ist seit neun Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Er lernt auf einer Party eine junge Dame kennen, die ihm sehr gefällt und in die er sich verliebt. 136 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 9 In der Nacht von Sonntag auf Montag erlitt Melanie Jacobs1 einen Schlaganfall, ihr linker Arm und ihr linkes Bein waren gelähmt. Mrs. Jacobs glaubte nicht, dass sie gelähmt war, dennoch wurde sie ins Groote Schuur Hospital in Kapstadt eingeliefert. Der Arzt, Dr. Mark Solms, nahm sich ihrer an. Mrs. Jacobs: „Was soll das Gerede vom Schlaganfall, ich bin gerade mal 40! Ich arbeite hart und muss nach Hause!“ Dr. Solms: „Mrs. Jacobs, ich verstehe, dass Sie sich wünschen, alles sei in Ordnung. Aber ich bin überzeugt, dass Ihre linke Seite gelähmt ist. Bewegen Sie bitte Ihren linken Arm“. Der Arm rührt sich nicht. Dr. Solms: „Und, können Sie ihn bewegen?“ Mrs. Jacobs: „Ja.“ Dr. Solms: „Ich habe nichts gesehen.“ Mrs. Jacobs: „Weil Sie nicht in meinem Kopf drin sind. Mit meinen inneren Augen habe ich gesehen, dass er sich bewegt.“ (vgl. Lakotta, in: Der Spiegel, Heft 16, 2005, S. 176 f.) 1 Name der Patientin ist geändert. 137 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Folie 10 1. Ein Mädchen, das auf der Straße geht, hat das Gefühl, dass die Männer sie mit aufdringlichen Blicken ansehen, obwohl die Passanten ihr höchstens flüchtige Blicke zuwerfen. 2. Oft ist zu beobachten, dass am Anfang einer Partnerschaft der Partner geradezu ideal erscheint – so, als gäbe es keinen besseren. 3. Bei einer psychologischen Untersuchung stellte sich heraus, dass Männer, die gegenüber Damen äußerst zuvorkommend und ritterlich sind, in Wirklichkeit oft Frauen hassen. 4. Generell sei es so – so der Schweizer Psychologieprofessor Udo Rauchfleisch – dass Heterosexismus wesentlich stärker bei Männern als bei Frauen vertreten sei. Ein Argument sei, dass Männer befürchten, dass sie selbst latent homosexuell seien und daher das Eigene an anderen Männern bekämpfen würden. Das würde z. T. auch auf Menschen zutreffen, die Schwulen mit massiver Gewalt begegnen (vgl. Rauchfleisch, in: Psychologie Heute, 6/2006, S. 48). 5. Oft werden Fehler in der Erziehung mit der Anlage des Kindes begründet, die zudem vom Ehepartner herrührt. 6. Sehr viele Mitbürger bewundern die Mächtigen und Reichen, obwohl sie selbst wenig Geld, Besitz und Macht haben. 7. Herr Münch bewarb sich um die Leiterstelle in seinem Betrieb. Doch diese bekam sein Kollege. Seinen Freunden erzählte er, dass dieser Job sowieso nicht erstrebenswert wäre, man habe keine Freizeit mehr und müsse auch so viele Überstunden machen. 8. Fritz ist nicht besonders gut in Mathematik, er hat oft große Angst vor Prüfungsarbeiten. Doch seit er sich sagt, dass Einstein schließlich auch nicht so gut in Mathematik war, fällt ihm dieses Fach gar nicht mehr so schwer. 9. „Prüderie ist das sprödeste Nachthemd der Wollust.“ (Peter Horton) 138 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Arbeitsblatt 1 Grundannahmen (Basisannahmen) der Psychoanalyse Aufgabe: Formulieren Sie die in diesem Text angesprochenen Grundannahmen der Psychoanalyse. 1. 2. 3. 139 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Eine wesentliche Annahme Sigmund Freuds besteht darin, dass jedes Verhalten durch Triebe erzeugt und auch gesteuert wird. Warum also ein Mensch aktiv wird und etwas tut, geht immer auf einen bestimmten Trieb zurück, der das Verhalten eines Menschen in eine ganz bestimmte Richtung lenkt, um den Triebwunsch möglichst umfassend zu befriedigen. Die meisten menschlichen Verhaltensweisen sind darauf gerichtet, Triebwünsche zu befriedigen und innere Spannungen zu vermindern. Weiter geht Sigmund Freud davon aus, dass sämtliche Verhaltensweisen des Menschen, egal ob sie als normal, abweichend oder als krankhaft erscheinen, durch seelische Prozesse bedingt und festgelegt sind. Diese sind nicht immer offen erkennbar, sondern lassen sich meist nur aus der individuellen Lebensgeschichte eines Menschen erschließen. Bestimmte Symptome wie zum Beispiel Rücken- oder Magenschmerzen, Krankheiten und dgl. treten nicht „zufällig“ auf, sondern hängen auf bedeutungsvolle Weise mit ganz persönlichen Lebensereignissen zusammen. Sehr eng damit steht die Annahme in Beziehung, dass sich der Mensch der seelischen Kräfte und Motive, die sein Verhalten steuern, meist nicht bewusst ist; lediglich in krankhaften und „verrückten“ Verhaltensweisen oder aber auch in ganz einfachen und alltäglichen Begebenheiten wie Träumen, Gedächtnislücken und Versprechern, die zunächst nicht erklärbar erscheinen, kommen unbewusste Absichten und Motive zum Vorschein. Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Arbeitsblatt 2 Erzieherische Möglichkeiten eines starken Ichs Vorschlag 1. Schüler 3. Schüler 4. Schüler 5. Schüler 6. Schüler 140 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Schüler Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 1. Das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell Arbeitsblatt 3 Abwehrmechanismen 7 Kärtchen, auf jeder Karte ist ein Abwehrmechanismus – Projektion, Reaktionsbildung, Verschiebung, Rationalisierung, Identifikation, Widerstand, Sublimierung – kurz definiert. Anschließend folgt der Arbeitsauftrag: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsauftrag: 1. Veranschaulichen Sie den Abwehrmechanismus mithilfe eines Beispiels. 2. Stellen Sie der Klasse diesen Abwehrmechanismus vor und „spielen“ Sie das Beispiel. 141 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 1 Amor und Psyche, Antonio Canora, 1793 142 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 2 Der ehemalige Bamberger Psychologe Herbert Selg stellt angesichts der Propagierung eines Todestriebes durch Sigmund Freud die Frage: „Ist der Mensch zur Aggression verdammt?“ Diskutieren Sie diese Frage, indem Sie sich mit Freuds Triebtheorie kritisch auseinandersetzen. 143 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 3a (Band 1, S. 239) 144 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 3b (Band 1, S. 240) 145 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 3c (Band 1, S. 241) 146 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 4 Bezeichnung der Phase orale Phase anale Phase phallische Phase Triebquelle Mundzone: Berühren, Saugen, Schlucken, Beißen, Lutschen, Nahrungsaufnahme, Kauen usw. Afterzone: Ausscheidungsorgan, -vorgang, -produkt Genitalzone Triebwünsche Wünsche des Einverleibens, die nicht nur über die Mundzone, sondern auch über die Sinnesorgane, vor allem die Haut erfolgen Wünsche des Spielens mit dem Ausscheidungsorgan und -produkt; Wünsche des Gebens und Behaltens (Festhaltens) Wünsche des Spielens an und mit den Geschlechtsteilen (Herzeigen, Betrachten, Spielen) Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils (Ödipus-Konflikt) Grundlegung von Persönlichkeitsmerkmalen optimistische bzw. pessimistische Lebensgrundeinstellung; Mut, Vertrauen bzw. Minderwertigkeitsgefühle, Misstrauen; Ichbezogenheit, Begehrlichkeit, Eifersucht, Gier, Anspruchshaltung, Süchte Offenheit bzw. Geiz, Besitzstreben, Pedanterie, Sparsamkeit, Pflichtbewusstsein, Einstellung zur Leistung (Freude an Leistung, Leistungsverweigerung); Ticks, Stottern; Schuldgefühle, Schamund Ekelgefühle, Reinlichkeitsfanatismus, Zwangsverhalten in seinen vielfältigen Formen; Selbstständigkeit, Eigenwillen, Durchsetzungsvermögen, Herrschsucht, Machtstreben, Auflehnung, Dominanzstreben bzw. Unselbstständigkeit, Gefügigkeitshaltung, Unterordnung Überlegen- bzw. Unterlegenheitsgefühle vor allem gegenüber dem anderen Geschlecht; Bejahung bzw. Verneinung der eigenen Geschlechterrolle, Exhibitionismus, Voyeurismus; Sexualneurosen wie zum Beispiel Impotenz, Frigidität, „Liebesunfähigkeit“; männlich: Erfolgsorientierung, Konkurrenzdenken, Betonung der Männlichkeit, Potenz, Macho-Verhalten; weiblich: Neigung zum Verführerischen, Koketterie Beziehungsaufbau Aufbau der Beziehung zur Umwelt Aufbau der Beziehung zum Ich, zur eigenen Person Aufbau der Beziehung zum Partner (Band 1, S. 254) 147 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Folie 5 Der kleine Mensch ist oft mit dem 4. oder 5. Jahr schon fertig und bringt nur allmählich zum Vorschein, was bereits in ihm steckt. Das meint Sigmund Freud. 148 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Arbeitsblatt 1 Die Psychoanalyse geht davon aus, dass zwei Haupttriebe das gesamte menschliche Verhalten erzeugen und steuern: Der Lebenstrieb (Eros) hat die Selbst- und Arterhaltung, Überleben, Weiterleben und Fortpflanzung zum Ziel. Seine psychische Energie bzw. Antriebskraft wird als Libido bezeichnet. Sie ist auf Lustgewinn gerichtet und kann sowohl auf die eigene Person, wie zum Beispiel das Verliebtsein in seinen eigenen Körper, als auch auf ein äußeres Objekt (Personen, -gruppen oder Gegenstände) bezogen sein. Die Ausrichtung der Libido auf andere Personen und Gegenstände bezeichnet die Psychoanalyse als Objektbesetzung, im Gegensatz zur libidinösen Besetzung des eigenen Körpers oder des eigenen Ich. Die enge Bindung des Kindes an die Mutter ist ein Beispiel für eine frühe Objektbesetzung. Der Todestrieb (Thanatos) steht dem Lebenstrieb entgegen und hat die Auflösung bzw. Zurückführung des Lebens in den anorganischen Zustand und somit dessen Vernichtung zum Ziel. Destruktivität, Aggression oder Lust am Zerstören und Vernichten sind folglich Äußerungsformen des Todestriebes. Seine psychische Energie bzw. Antriebskraft wird als Destrudo bezeichnet und ist entweder in Form von Selbsthass und Selbstvernichtung nach innen – also gegen die eigene Person – oder als Aggression, Hass, Zerstörungs- oder Vernichtungswille nach außen – also gegen andere Personen, -gruppen und/oder deren Gegenstände - gerichtet. Lebens- und Todestrieb arbeiten gegeneinander, doch besteht in der Regel eine Verschränkung zwischen diesen beiden Haupttrieben, ohne dass einer über den anderen vorherrscht. Nur bei krankhaften Zuständen zerfällt diese Verschränkung, wie man beispielsweise beim Sadismus oder bei den Selbstbestrafungstendenzen depressiv Gestörter beobachten kann. 149 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Die psychoanalytische Trieblehre Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Arbeitsblatt 1 Aufgabe: Füllen Sie unten stehendes Schema aus. Voraussetzung Triebquelle gerichtet Triebziel auf Triebobjekt Trieb für Funktion: Energie: Energie: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Funktion: 150 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 2. Die psychoanalytische Trieblehre und die Entwicklung der Libido Arbeitsblatt 2 Die Entwicklung der Libido Bezeichnung der Phase orale Phase anale Phase Triebquelle Triebwünsche Grundlegung von Persönlichkeitsmerkmalen1 Beziehungsaufbau 151 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 phallische Phase Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Folie 1 Sigmund, 4 Jahre alt, zeigt sich seinen Freunden nackt. Die Eltern beobachten das und sind darüber sehr erzürnt. Er bekommt eine harte Strafe, damit er so etwas nicht noch einmal macht. Sie sind insgesamt sehr streng mit dem kleinen Sigmund, wenn es um Sexualität (z. B. Spielen mit seinem Penis) geht. 152 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Folie 2a Fehlformen in der Erziehung wie Ablehnung, Vernachlässigung, Überbehütung und Verwöhnung, mangelnde emotionale Zuwendung oder zu starke emotionale Bindung in der Beziehung Eltern(teil-)Kind u. a. begünstigen ein Ungleichgewicht der einzelnen Persönlichkeitsinstanzen zusammen mit der Realität, eine ICH-Schwäche bewirkt ein Auftreten von unangemessenen Ängsten und einen übertriebenen Einsatz von Abwehrmechanismen führt zu Leugnung, Verzerrung und Verfälschung der Realität, realitätsunangepasstem Verhalten Folge seelische Fehlentwicklung (Band 1, S. 244) 153 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Folie 2b Autoritäre, vernachlässigende Laissez-faire-Erziehung Verwöhnende, überbehütete, verzärtelnde Erziehung führt zu führt zu unzureichender Befriedigung der Triebwünsche exzessiver Befriedigung der Triebwünsche führt zu Triebfrustration führt zu führt zu Fixierung Verhaftetbleiben an Erlebens- und Verhaltensweisen, die der jeweiligen Phase entsprechen und/oder an Objekten, die in dieser Phase eine wichtige Rolle spielen oder Regression Zurückfallen auf in einer bestimmten Phase vorherrschenden Erlebens- und Verhaltensweisen 154 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 1 Fehlformen in der Erziehung, wie beispielsweise Ablehnung oder Vernachlässigung des Kindes, Überbehütung und Verwöhnung, begünstigen zum einen ein Ungleichgewicht zwischen Ich, Es, Über-Ich und Realität und zum anderen Konflikte und Probleme, die im Zusammenhang mit der frühkindlichen Entwicklung der Libido stehen. Bei einem „günstigen“ Erzieherverhalten wirken die drei Persönlichkeitsinstanzen, das Ich, das Es und das Über-Ich, zusammen. Dabei ist das Ich imstande, die Anforderungen des Es und des Über-Ich in Einklang zu bringen und diese im Rahmen der realistischen Möglichkeiten zu erfüllen. Ein Gleichgewicht zwischen den einzelnen Persönlichkeitsinstanzen und der Realität ist vorhanden. Fehlformen in der Erziehung bewirken jedoch ein Ungleichgewicht der einzelnen Persönlichkeitsinstanzen zueinander. Dabei treten Ängste auf, die veranlassen, dass das Individuum Abwehrmechanismen einsetzt, welche die bedrohlichen und Angst auslösenden Erlebnisinhalte abwehren, unbewusst machen sollen. Ein längeres starres und übertriebenes Einsetzen von Abwehrmechanismen kann nach psychoanalytischer Lehrmeinung zu psychischen Störungen führen. Ein fortwährendes Einsetzen von Abwehrmechanismen führt zur Leugnung und Verfälschung der Realität, so dass es zu einem dieser Realität nicht angepassten Verhalten kommt. Das ist der Ausgangspunkt für seelische Fehlentwicklungen. Kennzeichen eines „geschwächten“ ICH ist also, dass der Mensch die Realität verleugnet oder sehr verzerrt bzw. verfälscht – nicht „realitätsgetreu“ – wahrnimmt. Auf diese Weise ist das Individuum kaum fähig, Probleme realitätsgetreu und damit wirksam zu lösen. Es kommt oft zu unangemessenen Entscheidungen und Konfliktlösungen, die es wiederum belasten. 155 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Das Ungleichgewicht der Persönlichkeit (Vorderseite) Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 1 Das Ungleichgewicht der Persönlichkeit (Rückseite) Aufgaben: 1. Überlegen Sie, welches Erzieherverhalten zu einem Ungleichgewicht der Persönlichkeit führen und damit eine seelische Fehlentwicklung begünstigen kann. 2. Vervollständigen Sie unten stehendes Schema. bewirkt führt zu begünstigt 156 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 begünstigen Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 2 Fehlformen in der Erziehung führen in der Regel zu Konflikten in der Libidoentwicklung. Wurden die für die einzelnen Phasen der Libidoentwicklung charakteristischen Triebwünsche entweder nicht bzw. nur unzureichend oder aber auch über die Maßen hinaus befriedigt, so können seelische Fehlentwicklungen auftreten. Unzureichende Befriedigung der in der jeweiligen Phase vorherrschenden Bedürfnisse bewirkt eine Triebfrustration, womit das Erleben einer Enttäuschung als Folge einer fortwährenden Verhinderung der Befriedigung wichtiger Bedürfnisse gemeint ist. Diese bringt es mit sich, dass das Kind an Erlebens- und Verhaltensweisen, die in der jeweiligen Phase vorherrschen, und/oder Objekten, die in dieser Phase eine wichtige Rolle spielen, verhaftet bleibt. Die Psychoanalyse spricht in diesem Zusammenhang von Fixierung. Eine Fixierung kann sich auf das Triebziel, das Triebobjekt oder auch auf die Triebquelle beziehen und kann zu einer abweichenden Persönlichkeitsentwicklung führen. Aber auch, wenn die Triebwünsche und Bedürfnisse über die Maßen hinaus befriedigt werden – man spricht hier von einer exzessiven Befriedigung – kann eine Fixierung auftreten. Eine andere Folge von zu großen Versagungen oder Verwöhnung in der frühkindlichen Entwicklung der Libido kann sein, dass das Kind eine bestimmte Phase zwar überwindet, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf deren vorherrschende Erlebens- und Verhaltensweise zurückfällt. Diesen Vorgang nennt die Psychoanalyse Regression. Auch eine Regression kann sich auf das Triebziel, das Triebobjekt oder auch auf die Triebquelle beziehen. Auslöser für eine Regression können Enttäuschungen, Befürchtungen oder Schwierigkeiten sein, doch setzt eine Regression voraus, dass wichtige Triebwünsche in einer früheren Entwicklungsphase gar nicht, nicht ausreichend oder über die Maßen befriedigt wurden. 157 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Konflikte in der Libidoentwicklung (Vorderseite) Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 2 Konflikte in der Libidoentwicklung (Rückseite) Aufgaben: 1. Bestimmen Sie die Begriffe „Triebfrustration“, „Fixierung“ und „Regression“. 2. Finden Sie Beispiele für Fixierungen und Regressionen in den einzelnen Phasen. 3. Überlegen Sie, welches Erzieherverhalten zu Konflikten in der Entwicklung der Libido führen und damit eine seelische Fehlentwicklung begünstigen kann. 4. Vervollständigen Sie unten stehendes Schema. führt zu © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 führt zu führt zu führt zu führt zu oder 158 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 3 Der 19-jährige Marco S. ist beim Jugendgericht wegen mehrfachen Diebstahls angeklagt. Der Richter bittet die Sozialpädagogin von der Jugendgerichtshilfe ihren Bericht abzugeben. Hier eine Zusammenfassung ihrer Stellungnahme: Marco ist das jüngste von sechs Kindern. Die Mutter war schon vor der Geburt von Marco durch die fünf Kinder und die Probleme, die sich aus der Alkoholkrankheit ihres Mannes ergaben, überfordert. Die zusätzlichen Anforderungen, die der unerwünschte Familienzuwachs mit sich brachte, führten zu einer weiteren Verschlechterung der Familiensituation. So entstanden immer häufiger aggressive Konflikte zwischen den Eltern und auch der Haushalt verwahrloste zusehends. Das Jugendamt wurde durch Nachbarn auf die Situation aufmerksam gemacht. Bei einem Hausbesuch stellte eine Mitarbeiterin fest, dass Marco unversorgt in seinem Bettchen lag. Die Windeln waren schon längere Zeit nicht gewechselt worden, der Säugling war offensichtlich hungrig und schrie. Auf Nachfrage erklärte die Mutter, dass das Baby dauernd schreie und sie es daher in ein anderes Zimmer gelegt habe. Stillen würde sie zu viel Zeit kosten, schließlich müsse sie sich ja auch noch um die anderen Geschwister kümmern. Die Flaschenkost vertrage Marco nicht gut, weshalb das Füttern immer ein „Theater“ sei. Der „Balg“ habe ihr gerade noch gefehlt – jetzt, wo die anderen doch endlich aus dem Gröbsten ‘raus seien. Bei mehreren Hausbesuchen zeigten sich eine überaus problematische Situation der Familie und ein grober Umgang mit dem Säugling. Im Einvernehmen mit den Eltern wurde Marco schließlich im Alter von drei Monaten in eine Pflegefamilie gegeben. Marco war ein „Schreikind“, was dazu führte, dass sich die Pflegefamilie der Aufgabe bald nicht mehr gewachsen fühlte und sich bereits nach einem halben Jahr entschloss, ihn wieder abzugeben. Der erst neun Monate alte Junge wurde kurzfristig in einem Heim untergebracht. In dieser Zeit gaben die Eltern Marco auch zur Adoption frei. Das Ehepaar Kern hatte schon immer den sehnlichen Wunsch nach einem Kind. Da sie keine leiblichen Kinder bekommen konnten, entschieden sie sich schon sehr früh für eine Adoption. Sie informierten sich bei den zuständigen Stellen über alles, was für ein Adoptionsverfahren wichtig ist und ließen sich von verschiedenen Seiten fachlich beraten, zudem besuchten sie regelmäßig eine Interessengruppe für adoptionswillige Eltern. Nach drei Jahren Wartezeit war eine Adoption zum Greifen nahe. Sie wollten ein kleines Mädchen, das sie bereits seit mehreren Monaten als Pflegeeltern betreuten, adoptieren, doch die leiblichen Eltern zogen ihr Einverständnis zur Adoption in letzter Minute zurück und holten das Kind wieder zu sich. Für das Ehepaar Kern war das eine sehr schwere Zeit, aber sie ließen sich nicht entmutigen und bemühten sich weiter um ein Adoptivkind. Mit der Adoption des einjährigen Marco ging für das Ehepaar schließlich ein Traum in Erfüllung. Frau Kern gab ihren Beruf auf, um sich ganz dem Kind widmen zu können. Das Ehepaar Kern war stets bereit, seine eigenen Interessen zurückzustellen, um die Ansprüche des Jungen zu erfüllen. Der Junge bekam zum Beispiel jedes Spielzeug, das er sich wünschte. Die Ansprüche des Kindes wurden aber mit zunehmendem Alter immer fordernder. Marco fiel öfter dadurch auf, dass er den anderen Kindern die Dinge einfach wegnahm, die er haben wollte; oft kam es daher auch zu Prügeleien. Seit seinem 14. Lebensjahr gehört Marco nun zu einer Clique, deren Mitglieder oft negativ auffallen, weil sie Leute anpöbeln, Autos beschädigen oder auch Sachen „mitgehen“ lassen. Nach dem letzten Diebstahl befragt, antwortete Marco dem Richter, dass der Bestohlene in der Disco mit seinen großen Geldscheinen im Geldbeutel geprahlt habe. Da habe er sich vorgestellt, was er sich von dem Geld alles kaufen könne. Er habe zunächst nicht vorgehabt, den „Typen“ zu bestehlen, aber als dieser den „gefüllten Geldbeutel“ auch noch unbeaufsichtigt auf dem Tisch liegen ließ, habe er zugegriffen. Er konnte gar nicht anders. Ein schlechtes Gewissen habe er wegen des Diebstahls nicht, schließlich treffe es ja keinen Armen. (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 2005) 159 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Marco“ Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 3. Auswirkungen von Erziehungsfehlern Arbeitsblatt 3 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: 1. In der Erziehung von Marco wurden einige Fehler gemacht. Beschreiben Sie auf der Basis der Theorie der psychosexuellen Entwicklung nach Sigmund Freud die Erziehungsfehler, die im ersten Lebensjahr bei Marco begangen wurden und erklären Sie auf der Grundlage dieser Theorie die Auswirkungen dieser Erziehungsfehler auf Marco. 2. Das Instanzenmodell von Sigmund Freud ist geeignet die Struktur der menschlichen Persönlichkeit zu beschreiben. Stellen Sie auf der Grundlage des Instanzenmodells das dynamische Zusammenspiel der Persönlichkeitsinstanzen dar und verdeutlichen Sie diese theoretischen Annahmen am Beispiel des Diebstahls, von dem Marco dem Richter erzählt. 160 Entwicklung und Erziehung aus der Sicht der Psychoanalyse 4. Kritische Würdigung der psychoanalytischen Theorie Folie 1 ü Was nehme ich persönlich von der Psychoanalyse mit? ü Womit kann ich nichts anfangen? 161 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 1. Merkmale der Entwicklung Folie 1 Was ist das? Am Morgen läuft es auf vier Beinen, am Mittag auf zwei, am Abend auf drei. 162 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 1. Merkmale der Entwicklung Folie 2 Von der Rückenlage bis zum Sich-auf-den-Bauch-Drehen, Sich Wälzen und Rollen Entwicklungsverlauf des Kriechens auf dem Bauch bis zum Krabbeln auf Händen und Knien Entwicklungsverlauf des Sich-Aufsetzens Entwicklungsverlauf des aufstehens Vom freien Aufstehen bis zum freien Gehen (vgl. Pikler, 1988, S. 35) 163 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 1. Merkmale der Entwicklung Folie 3 Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert!“ „Oh!”, sagte Herr K. und erbleichte. (Bertolt Brecht) 164 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 1. Merkmale der Entwicklung Folie 4 „Meine persönliche Entwicklung“ ü Entwerfen Sie auf einem Blatt eine Darstellung, die wesentliche Veränderungen in Ihrer Entwicklung veranschaulicht bezüglich Ihres Äußeren, Ihrer Interessen, Ihrer Wahrnehmung von Familie, Schule und Freundschaften … ü Suchen Sie sich in der Klasse einen Partner und diskutieren Sie Ihre Darstellung. 165 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Folie 1 Eine Erzieherin im Kindergarten erzählt in ihrer Fortbildung: „Ich habe seit kurzem bei mir im Kindergarten zwei Brüder, Peter und Klaus. Beide können sich wirklich gut alleine beschäftigen, doch was mich sehr verblüfft hat: Peter versteht sich mit den anderen Kindern sehr gut, wogegen Klaus kaum Kontakt zu den anderen aufnimmt und recht wenig spricht. Ich wundere mich über diese Unterschiedlichkeit bei Brüdern!“ 166 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Folie 2 Warum bin ich so geworden wie ich bin? 167 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Folie 3 Welche Bedingung – Anlage, Umwelt oder Selbststeuerung – wird in den folgenden Beispielen angesprochen? ü Anfang der 60er-Jahre nahmen einige Frauen während der Schwangerschaft das Schlafmittel‚ Contergan‘ ein. Ihre Kinder kamen mit körperlichen Missbildungen zur Welt. ü Ich bin 1,76 m groß, mein Vater 1,65. ü Wegen Sauerstoffmangel bei der Geburt ist ein Kind geistig behindert. ü Kinder, die ein bestimmtes Chromosom (21) 3- statt 2-mal haben, leiden an einer Krankheit, die als Down-Syndrom bezeichnet wird. ü Albert mag einfach kein Mathe lernen. ü „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ ü „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ ü „Wie die Alten sungen, so zwitschern es die Jungen.“ 168 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Folie 4 Die Frage nach den Wirkanteilen der Entwicklungsbedingungen ist out. Heutige Wissenschaftler gehen davon aus, dass Anlage, Umwelt und Selbststeuerung voneinander abhängig sind und gleichwertig miteinander im Zusammenspiel die Entwicklung voranschreiten lassen. Alles klar? 169 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Folie 5 Arbeitsauftrag: 1. Setzen Sie sich mit der Aussage auseinander. 2. Veranschaulichen Sie diese Aussage mithilfe eines Beispiels. 170 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Arbeitsblatt 1a Dieter B. wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Passau auf. Dort spielte er Fußball, weil es kaum andere Freizeitmöglichkeiten gab. Rasch zeigte sich seine weit überdurchschnittliche fußballerische Begabung, gepaart mit dem Ehrgeiz jedes Spiel unbedingt gewinnen zu wollen. Als herausragender Spieler hätte er längst in höheren Spielklassen spielen können. Die gute Kameradschaft innerhalb der Mannschaft und sein ausgezeichnetes Verhältnis zum Trainer sorgten jedoch dafür, dass er sich in seinem Team sehr wohl fühlte. Ein Wechsel zu anderen Vereinen wäre ohnehin wegen der sehr schlechten Verkehrsverbindungen zu diesen Clubs nur unter großen Schwierigkeiten realisierbar gewesen. Die Jahre vergingen und Dieter hielt als Jugendspieler seinem Verein die Treue. Die Nachricht, die Fußballabteilung würde am Ende der laufenden Spielsaison aufgelöst, traf ihn deshalb völlig unerwartet. Dieter stand vor der Entscheidung sich einen neuen Verein zu suchen oder den Sport aufzugeben. Auf Empfehlung seines Trainers wechselte er zu einem Verein in der Bayernliga. Mit Führerschein und eigenem Auto stellte die zu bewältigende Wegstrecke von 40 Kilometern kein nennenswertes Hindernis mehr dar. Im neuen Team herrschte von Anfang an ein großer Konkurrenzkampf. Trotz Ehrgeiz und guter Leistungen im Training sowie als Einwechselspieler gelang es ihm zunächst nicht Stammspieler zu werden, was zu starken Selbstzweifeln und zunehmender Resignation beim äußerst sensiblen Dieter führte. Nur weil sein Extrainer und Freunde ihn immer wieder emotional stützten, gab er in dieser für ihn schweren Zeit nicht auf. Erst die Verletzung eines Mitspielers ermöglichte ihm regelmäßige Spieleinsätze, in denen er zu überzeugen wusste. Dadurch bestärkt in seinem Selbstvertrauen entwickelte er sich im Laufe der Zeit zum „Führungsspieler“ und wurde mit 27 Treffern Torschützenkönig. Eine solche Entwicklung blieb natürlich nicht unentdeckt. Bald lagen Dieter verschiedene Angebote von Vereinen aus der ersten Bundesliga vor. Er unterschrieb einen Fünfjahresvertrag, der ihm neben einer Ausbildung zum Fußfallprofi auch eine solide berufliche Ausbildung garantierte. Ausgestattet mit viel Talent und einem eisernen Willen gelang es Dieter unter den optimalen Trainingsbedingungen seine Fußballbegabung voll zu entfalten. Obwohl ihn Verletzungen immer wieder in seiner Entwicklung zurückwarfen, schaffte er den Sprung ins Nationalteam und war bis zum Ende seiner Karriere ein bewunderter Fußballstar. Aufgaben: 1. Beschreiben Sie anhand dieser Fallbeschreibung die Bedingungen der Entwicklung. 2. Stellen Sie das Zusammenspiel dieser Entwicklungsbedingungen dar. 171 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Dieter B.“ Entwicklung 2. Bedingungen der Entwicklung Arbeitsblatt 1b Der 7-jährige Klaus hat in der ersten Klasse der Grundschule massive Schulschwierigkeiten, weshalb seine Mutter zu einem Beratungsgespräch mit der Klassenlehrerin gebeten wird. Die Klassenlehrerin sagt der Mutter: Klaus habe kaum Kontakt mit anderen Kindern. Wenn er zum Beispiel in der Pause angesprochen werde, schweige er oder laufe weg. Er beteilige sich nicht von sich aus am Unterricht, schaue oft zum Fenster hinaus und träume. Leistungen könne er nur mit individueller Zuwendung der Lehrerin erbringen. Insgesamt arbeite er viel zu langsam und breche, wenn er nicht mitkomme, die geforderte Tätigkeit einfach ab. Wenn er aufgerufen werde, sei er aufgeregt und manchmal so verängstigt, dass er zu weinen anfange. Neue Anforderungen wehre er sogleich mit der Äußerung ab: „Ich kann es nicht“. Die Klassenkameraden würden Klaus dulden, aber es komme oft vor, dass sie ihn wegen seines unsicheren Verhaltens auslachen oder zum Schnellermachen drängen. Aufgrund des Gespräches mit der Mutter ergibt sich folgende Sachlage: Klaus ist ein Einzelkind. Er war eine Früh- und Risikogeburt und musste in den ersten Lebensjahren aufgrund von Stoffwechselstörungen mehrmals für einige Wochen im Krankenhaus behandelt werden. Dadurch war die Mutter in dieser Zeit sehr belastet und entwickelte eine übertriebene Ängstlichkeit im Umgang mit dem Kind, die sie auch später beibehielt. So durfte er zum Beispiel nicht alleine zum Spielen nach draußen gehen, weil die Mutter befürchtete, die anderen Kinder würden zu rauh mit ihm umgehen. Sie erzog Klaus mit besonderer Liebe und Fürsorge, da er weiterhin ein krankheitsanfälliges und sensibles Kind war, das wenig Aktivität zeigte. Die Mutter ist eine sehr häusliche Frau, sie hatte viel Zeit für Klaus, spielte ausgiebig mit ihm und vermittelte ihm Sicherheit und Geborgenheit. In dieser Zeit orientierte sich der Junge stark an der Mutter, da der Vater sich wenig an der Erziehung beteiligte. Klaus hat morgens schon Angst vor der Schule. Er behauptet, es sei ihm schlecht, so dass er nicht den Unterricht besuchen könne. Die Mutter versteht Klaus gut und nimmt ihn gegen den Vater in Schutz, der sich oft über die Weinerlichkeit und Ängstlichkeit seines Sohnes lustig macht. Mit den Leistungen von Klaus ist der Vater sehr unzufrieden. Er überwacht die Hausaufgaben von Klaus sehr streng und arbeitet jeden Abend mit ihm, was oft mit Tränen bei Klaus endet. Klaus erlebt, dass sich die Mutter bei Auseinandersetzungen mit dem Vater weinend zurückzieht und Klaus reagiert ähnlich, indem er aufgrund der Vorwürfe des Vaters selber meint, er sei zu dumm und müsse auf eine Sonderschule. (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 1994) Aufgaben: 1. Beschreiben Sie die Bedingungen, welche die problematische Entwicklung von Klaus (Schulschwierigkeiten, emotionale und soziale Störungen) bestimmen. 2. Erläutern Sie anhand der Fallbeschreibung, wie es durch das Zusammenspiel dieser Entwicklungsbedingungen zu dem problematischen Verhalten von Klaus gekommen sein könnte. 172 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Klaus“ Entwicklung 3. Eine psychoanalytische Entwicklungstheorie Arbeitsblatt 1 Fallbeschreibung „Irene“ Irene wurde unehelich geboren und von der Mutter in ein Säuglingsheim getan. Das Jugendamt versuchte Pflegeeltern ausfindig zu machen, und im Alter von 1½ Monaten wurde sie in eine Pflegefamilie eingegliedert, die sich mit Irene große Mühe gab und ihr sehr viel Zuwendung schenkte. Die Pflegemutter kümmerte sich besonders intensiv um sie, ja, sie verwöhnte sie sogar manchmal, weil sie der Meinung war, dass Irene sowieso sehr arm dran sei. Bis zum Alter von 7 Jahren zeigte Irene keine auffälligen Verhaltensweisen und das Kind hing sehr an seinen Pflegeeltern. In ihrem 8. Lebensjahr stellte die leibliche Mutter beim Jugendamt den Antrag, dass sie ihr Kind wieder zurück haben möchte. Irene reagierte darauf mit Verhaltensstörungen, nässte wieder in ihr Bett ein, mochte kein Essen zu sich nehmen und verhielt sich äußerst passiv. Sie wollte nichts mehr tun, und verweigerte jede Leistung. Schließlich versagte sie dann auch in der Schule, was ihre leibliche Mutter, bei der sie ja wohnte, dazu veranlasste, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Doch das Verhalten von Irene änderte sich nicht. a) b) 173 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: a) Beschreiben Sie das problematische Verhalten von Irene. b) Erklären Sie Irenes Verhalten mit Hilfe der psychoanalytischen Entwicklungstheorie. Stellen Sie dabei die relevanten Aussagen dieser Theorie dar. Entwicklung 3. Eine psychoanalytische Entwicklungstheorie Arbeitsblatt 2 Fallbeschreibung „Tobias“ Aufgaben: a) Beschreiben Sie das problematische Verhalten von Tobias. b) Erklären Sie die Entstehung dieses problematischen Verhaltens mit Hilfe der psychoanalytischen Entwicklungstheorie. Stellen Sie dabei die grundlegenden Annahmen und Begriffe dieser Theorie dar. a) b) 174 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Tobias, ein recht gut aussehender junger Mann, leidet sehr unter seiner Einsamkeit. Früher hatte er oft Freundinnen, aber er empfand sich nie als attraktiv genug und fragte sich oft, ob die anderen ihn überhaupt mögen. Er traut sich noch heute nicht, ein Mädchen anzusprechen und immer öfter sagt er Verabredungen ab oder blockt jeden Annäherungsversuch ab. Die Eltern berichten: Ihr Sohn habe sich eigentlich ganz normal entwickelt, er sei ein sehr lieber Junge gewesen. An eine Begebenheit würden sie sich erinnern, wo Tobias ein seltsames Verhalten zeigte, was natürlich sofort unterbunden wurde. Damals hätten sie bemerkt, dass Tobias sich des Öfteren selbst befummle, und er wollte dies auch beim Nachbarsmädchen im Planschbecken tun. Dies hätten sie ja nun wirklich verbieten müssen. Seit diesem Zeitpunkt hätten die Eltern immer sehr sorgfältig aufgepasst, dass Tobias nun auch wirklich keine solchen Schweinereien mehr mache. Nachts legten sie großen Wert darauf, dass er seine beiden Hände immer auf der Bettdecke liegen hatte. Entwicklung 3. Eine psychoanalytische Entwicklungstheorie Arbeitsblatt 3 Frau K., die Mutter des dreijährigen Simon, sucht bei einer Erziehungsberatungsstelle Rat. Sie klagt der Sozialpädagogin, dass sie sich wegen ihres Sohnes große Sorgen mache. Simon zeige eine große Ängstlichkeit und sei sehr unselbstständig. Er weiche keinen Moment von der Seite seiner Mutter. Selbst auf die Toilette komme er ihr nach. Sie berichtet weiter, dass Simon nachts oft schlecht schlafe und teilweise schweißgebadet aufwache. Er erzähle ihr dann, dass er schlimme Träume habe, in denen seiner Mama etwas Schreckliches zustoße. Er lasse sich schließlich nur dadurch beruhigen, dass sie ihn zu sich ins Bett nehme. Im Herbst solle Simon nun in den Kindergarten. Sie habe ihn zu einem Infonachmittag dorthin mitgenommen. Als die Erzieherin ihn aufgefordert habe, doch in den Gruppenraum zu kommen und mitzuspielen, habe Simon geweint und geschrieen und sich hinter seiner Mama versteckt. Mit gleichaltrigen Kindern nehme er auch sonst kaum Kontakt auf und weiche stets zurück, wenn Kinder auf ihn zukämen. Auf die familiäre Situation angesprochen, berichtet Frau K., dass der Vater Simons sie verlassen habe, nachdem der Junge gerade eine Woche alt gewesen sei. Simon kenne seinen Vater nicht. Für sie als allein Erziehende sei diese erste Zeit besonders schlimm gewesen. Der Alltag mit dem Säugling habe teilweise ihre Kräfte überschritten, schließlich habe sie sich ja um alles alleine kümmern müssen. Das Stillen habe sie als besonders lästig erlebt, daher habe sie es nach vier Wochen schon aufgehört. Nach Schmusen und Körperkontakt sei ihr in dieser Zeit sowieso nicht gewesen, die Trennung von Simons Vater habe ihr dafür noch zu sehr zu schaffen gemacht. Wenn Simon damals nachts wach geworden sei, habe sie ihn entsprechend dem Rat ihrer Eltern durchaus mehrere Stunden schreien lassen. Besonders ihre Mutter habe sie immer wieder aufgefordert, den Kleinen keinesfalls zu verwöhnen: „Wie man sie sich zieht, so hat man sie später.“ Der Stress mit dem Kind habe jedoch erst so richtig begonnen, nachdem Simon zu laufen angefangen habe, da sei vor dem Jungen nichts mehr sicher gewesen. Gerade in dieser Phase habe sie wieder halbtags zu arbeiten beginnen müssen, das Geld habe nämlich hinten und vorne nicht gereicht. Simon sei in dieser Zeit von ihrer Mutter betreut worden. Der Junge habe jedes Mal ein „Theater“ veranstaltet, wenn er alleine bei der Oma habe bleiben müssen. „Da gab es öfter mal auch eins hintendrauf, wenn er mit dem Weinen nicht aufhörte.“ Da ihre Mutter damals schon körperlich nicht mehr so belastbar gewesen sei, habe diese den Jungen tagsüber oft in den Laufstall gesetzt, bis sie ihn mittags wieder abgeholt habe. Frau K. berichtet weiter, dass sie in dieser Zeit mit ihrem Kleinen Mitleid gehabt habe, vor allem, weil Simon so gerne körperlich aktiv gewesen sei. Früher sei sie mit ihm ins Mutter-Kind-Turnen gegangen, da sei der Bub nicht mehr zu bremsen gewesen; aber seit sie wieder arbeite, finde sie keine Zeit mehr dafür. Ihre Mutter habe es durch sehr konsequentes Üben auch geschafft, dass Simon kurz nach seinem zweiten Geburtstag schon sauber gewesen sei. Die Oma habe Simon sogar nach der Uhr auf das Töpfchen gesetzt, ob er nun gemusst habe oder nicht. Insgesamt sei der Kleine ein sehr lieber Junge. Wenn sie daheim sei, weiche er nicht von ihrem Rockzipfel. Seine Anhänglichkeit entwickle sich jedoch zum Problem. Simon solle in seinem Alter mehr Kontakt zu Gleichaltrigen haben und selbstständiger sein. Sie finde es daher sehr wichtig, dass Simon sich im Herbst im Kindergarten eingewöhne, weil sie dadurch auch wieder etwas mehr Zeit für sich habe. (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 2004) 175 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Simon“ Entwicklung 3. Eine psychoanalytische Entwicklungstheorie Arbeitsblatt 3 Aufgaben: a) Beschreiben Sie Simons problematische Verhaltensweisen. b) Erklären Sie die Entstehung dieser problematischen Verhaltensweisen mit Hilfe der psychoanalytischen Entwicklungstheorie. Stellen Sie dabei die grundlegenden Annahmen und Begriffe dieser Theorie dar. b) 176 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 a) Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 1. Begriffsklärung „soziale Kommunikation“ und „soziale Interaktion“ Folie 1 Absicht Dekodierung Sender Empfänger Empfänger Sender Dekodierung 177 Übermittlung: Medium, Kanal, Mittel Kodierung Übermittlung: Medium, Kanal, Mittel © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Kodierung Absicht Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 1. Begriffsklärung „soziale Kommunikation“ und „soziale Interaktion“ Folie 2 Herr Watzwick erwischt Paul bei der Pädagogik/Psychologie-Schulaufgabe beim Spicken. Herr Watzwick nimmt ihm seine schon fast abgeschlossene Arbeit weg. Nach der Prüfung will Paul mit dem Lehrer sprechen. 178 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 1. Begriffsklärung „soziale Kommunikation“ und „soziale Interaktion“ Arbeitsblatt 1 „Meine Schwester und ich“ von Wolfgang Rompa Drucken Sie von folgender Website den Sketch „Im Krankenhaus“ aus: http://www.festgestaltung.de/allgemein/sketche/krank1.shtml#im_krankenhaus © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Anweisung: Eine Schülerin und ein Schüler erhalten das ausgedruckte Blatt. Sie lesen die Geschichte in verteilten Rollen vor, die Klasse hört zu. 179 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 1. Begriffsklärung „soziale Kommunikation“ und „soziale Interaktion“ Arbeitsblatt 2 „Meine Schwester und ich“ von Wolfgang Rompa © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Zeigen Sie an diesem Dialog die beiden Begriffe soziale Interaktion und soziale Kommunikation auf. 180 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 2. Die Kommunikationstheorie nach Watzlawick u. a. (Axiome der Kommunikation) Folie 1 ü Was beinhaltet das Axiom? ü Wann kommt es nach diesem Axiom zu Störungen? 181 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 2. Die Kommunikationstheorie nach Watzlawick u. a. (Axiome der Kommunikation) Arbeitsblatt 1 Der 17-jährige Stefan besucht die 11. Klasse einer Fachoberschule. Während des Sprechtages im November haben die Eltern vom Klassenleiter ihres Sohnes erfahren, dass das Bestehen der Probezeit in Gefahr ist. Die Mutter des Jungen bittet daher um einen Termin bei der Beratungslehrerin der Schule. Dieser erzählt sie von Stefans massiver Schulangst. Die Probleme seien erstmals in der 8. Klasse des Gymnasiums aufgetreten. Damals habe Stefan einen sehr strengen Klassenlehrer bekommen, der die Schüler immer wieder angebrüllt habe, wenn sie Fehler gemacht hätten. Seitdem gehe der Junge ungern in die Schule; er habe große Angst davor entwickelt, im Unterricht zu versagen und vom Lehrer bestraft zu werden. Das gelte mittlerweile für alle Fächer. Seine Leistungen seien stetig schlechter geworden, was seine Angst vor der Schule und erneutem Versagen immer weiter gesteigert habe. Auch in der Fachoberschule seien die Angstzustände des Jungen wieder aufgetreten. Frau B. berichtet der Beratungslehrerin, dass sie mit ihrem Mann über die schlechten Leistungen des Sohnes nicht sprechen könne, weil sie befürchte, dass dieser kein Verständnis habe und den Jungen – wie so oft – übertrieben hart bestrafen würde. Sie dagegen sorge sich immer sehr, wenn Stefan morgens vor Angst ganz blass und kaum ansprechbar sei oder sogar weine. Sie rufe dann in der Schule an, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen könne. Frau B. gesteht ein, dass sie sich in gewisser Weise schuldig fühle, da sie Stefan so oft von der Schule daheim lasse. An diesen zusätzlich freien Vormittagen widme sich Stefan ganz seinem Hobby, dem Modellbau, und genieße diese Zeit sehr. Durch die vielen Unterrichtsversäumnisse seien jedoch seine Leistungen immer weiter abgesunken. Frau B. erzählt weiter, ihr Mann sei der Überzeugung, dass Stefan das Abitur machen und studieren müsse. Er habe von seinem Sohn schon immer sehr viel erwartet; so sollte der Junge sich immer mit „lehrreichen“ Spielsachen (z. B. technischem Spielzeug) beschäftigen, die eigentlich für ein bis zwei Jahre ältere Kinder empfohlen worden seien. Der Vater habe auch immer wieder mit seinem Sohn gespielt und dabei regelrecht überprüft, ob Stefan die Spiele auch „beherrsche“. Sei das nicht so gewesen, habe der Vater den Jungen angebrüllt und manchmal sogar geohrfeigt. Stefan zucke heute noch oft zusammen, wenn er den Vater abends nach Hause kommen höre. Frau B. meint, dass Stefan noch immer Angst vor seinem Vater habe. Ihr Mann liebe seinen Sohn über alles, aber er bringe kein Verständnis für dessen Probleme auf. Eines Abends schimpft Herr B. lautstark mit Stefan: „Ich schau mir deine Faulenzerei nicht länger an. Wenn du dich hinsetzen und lernen würdest, hättest du auch bessere Noten.“ Stefan verdreht die Augen und meint: „Du musst das ja wissen.“ Nach einer kurzen Pause: „Ich lerne doch viel, aber in Prüfungssituationen ist alles weg.“ Der Vater akzeptiert das nicht: „Bei mehr als zwanzig Fehltagen in einem Vierteljahr kann man natürlich auch nichts zustande bringen.“ Darauf meint Stefan: „Ich weiß ja auch, was ich falsch mache, aber ich kann und will mir keine negativen Bemerkungen der Lehrer über meine schlechten Leistungen mehr anhören.“ Da verliert Herr B. die Beherrschung: „Ich werde dir schon zeigen, wie man lernt. Ab morgen kontrolliere ich deine Hausaufgaben und deine Lernfortschritte wieder persönlich. Du legst mir deine Ausarbeitungen um 18 Uhr vor! Haben wir uns verstanden?!“ Stefan kontert erregt: „Der Druck, den du auf mich ausübst, steigert nur meine Angst!“, worauf der Vater zurückbrüllt: „Wenn ich keinen Druck ausüben würde, würdest du doch gar nichts tun!“ Stefan bebt richtig: „Du nimmst mich einfach nicht ernst! Ich bin für dich nur etwas wert, wenn ich funktioniere!“ Der Vater springt hoch und schreit etwas spöttisch: „So wie du dich im Moment verhältst, kann ich dich gar nicht ernst nehmen!“ Stefan eilt aus dem Zimmer und wirft die Tür laut hinter sich zu. Der Vater schaut mit sorgenvoller Miene hinterher. (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 2005) 182 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Stefan“ Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 2. Die Kommunikationstheorie nach Watzlawick u. a. (Axiome der Kommunikation) Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: 1. Weisen Sie nach, dass es sich in der Fallbeschreibung „Stefan“ um eine gestörte Kommunikation handelt. 2. Erläutern Sie auf der Basis der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick u. a., inwiefern die Kommunikation zwischen Stefan und seinem Vater gestört verläuft. Stellen Sie dabei die grundlegenden Aussagen dieser Theorie dar. 183 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 3. Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation Folie 1 „Wer redet, wird oft missverstanden, wer nichts sagt – auch.“ (Allhoff/Allhoff, Rhetorik & Kommunikation, 200614, S. 259) 184 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 3. Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation Folie 2 Arbeitsauftrag: Ordnen Sie Ihre Möglichkeiten einem Axiom zu und begründen Sie Ihre Wahl. 185 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 3. Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation Folie 3 ü Was haben mir die Möglichkeiten erfolgreicher Kommunikation gebracht? ü Mit welchen Möglichkeiten habe ich noch Schwierigkeiten? ü Was ist mir für eine erfolgreiche Kommunikation noch wichtig? 186 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 3. Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation Arbeitsblatt 1 Markus Schwarz, 17 Jahre alt, wurde im Alter von 12 Jahren vom Jugendamt in ein Kinder- und Jugendheim überwiesen, nachdem ein Jahr zuvor sein Vater tödlich verunglückte. Seine Mutter war mit der Situation völlig überfordert und erkrankte psychisch so schwer, dass sie sich nicht mehr ausreichend um Markus kümmern konnte. Markus hat sich im Heim gut integriert. Er ist offen auf die anderen Kinder zugegangen und hat bald einige Freundschaften geknüpft. Er ist dafür bekannt, dass er für jeden ein „offenes Ohr“ hat. Besonders beim gemeinsamen Werken und Basteln zeigte Markus von Anfang an großes Talent. Er kann mit verschiedensten Werkstoffen sehr gut umgehen. Er ist hier von seinen Leistungen allerdings so überzeugt, dass er jede Idee, die ein anderer hat, als Kritik an seiner Arbeit auffasst und beleidigt ist. Seinen Pflichten, z. B. beim Kochen und Abwaschen mitzuhelfen, kommt er engagiert nach. Auch in der Schule ist Markus strebsam. Nachdem er die siebte Klasse der Realschule wiederholen musste, hat er konstant an seinen Leistungen gearbeitet. Er liest regelmäßig eine Tageszeitung, um seine Ausdrucksfähigkeit zu verbessern und macht gewissenhaft alle Hausaufgaben. So hat der Junge nicht nur Aussicht auf einen guten mittleren Schulabschluss, sondern auch auf eine Lehrstelle in einer Schreinerei. Dort hat er schon in den Ferien freiwillig mehrfach ein Praktikum abgeleistet. Markus erzählt der Erzieherin im Kinder- und Jugendheim immer wieder davon, wie sehr er sich freut, „auf eigenen Füßen stehen zu können“. Die Heimleiterin, Frau Fuchs, charakterisiert Markus als einen verantwortungsbewussten und reifen jungen Mann. Da Markus bald 18 Jahre alt wird, gilt es nun zu überlegen, wie es mit ihm weitergeht. Frau Fuchs hat alle Beteiligten, auch die Mutter von Markus, zu einem Gespräch eingeladen, um die neue Situation zu besprechen. Bereits zu Beginn des Gesprächs kommt es jedoch zu einem Konflikt zwischen Markus und seiner Mutter. Markus begrüßt die Anwesenden, indem er allen außer seiner Mutter die Hand reicht. Zu seiner Mutter sagt er mit abfälligem Ton: „Na, das ist aber schön, einen so seltenen Gast zu sehen.“ Mutter (mit leicht zitternder Stimme): „Markus, ich freu’ mich auch. Es ist ja schon so lange her, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben. Wenn ich dich sehe, geht es mir gleich wieder gut.“ Markus (schroff und abweisend): „Mir geht es aber nicht gut, wenn ich dich sehe. Was willst du eigentlich?! Du hast dich doch bisher nicht um mich gekümmert und immer nur die Kranke gespielt.“ Mutter (trotzig und hilflos): „Markus benimm dich! Ich bin immerhin noch deine Mutter. So redet man nicht mit seiner Mutter – besonders nicht vor anderen Leuten. Seiner Mutter ist man Respekt schuldig, egal, was passiert ist!“ Markus (wütend): „Mutter? Was bist du denn für eine Mutter?!“ Mutter (besänftigend): „ Markus, du weißt auch, warum. Hör’ auf, so mit mir zu reden! Jetzt, wo es mir wieder besser geht, könnten wir doch wieder eine richtige Familie sein. Wir können es so schön haben wie früher.“ Markus (erbost): „Hör’ bloß mit deinen Versprechungen auf. Du glaubst doch selbst nicht, was du da redest. Bei der nächsten Gelegenheit gehst du wieder in die Psychiatrie. Das kenne ich schon!“ Mutter (hält ihren Ärger und ihre Enttäuschung zurück): „ Markus! Es geht mir wieder gut! Lass’ uns die Vergangenheit vergessen. Du bist doch mein großer Junge. Komm her zu mir!“ Markus (mit abwehrender Geste) „Wach endlich auf! Ich werde bald volljährig und dann siehst du mich auf jeden Fall nicht mehr. Lass mich einfach nur in Ruhe!” Mutter (enttäuscht): Vielleicht hat es wirklich keinen Sinn. Wir sollten das Gespräch verschieben.“ Markus: „Da siehst du es. Du machst es schon wieder. Du gehst, sobald es schwierig wird!“ Mutter (erregt): „Du bist doch derjenige, der nicht mit mir reden möchte. Sei bitte nicht unfair!“ Markus: „Jetzt gibst du mir also die Schuld dafür, dass unser Verhältnis so schlecht ist. Das ist das Allerletzte!“ Frau Fuchs bittet Markus und seine Mutter um ihre Aufmerksamkeit und eröffnet offiziell die gemeinsame Besprechung. 187 (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 2007) © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Markus“ Soziale Kommunikation und soziale Interaktion 3. Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: 1. Zwischen Markus und seiner Mutter liegt offensichtlich eine Kommunikations- und Interaktionsstörung vor. Erläutern Sie mit Hilfe einer Kommunikationstheorie (P. Watzlawick u. a. oder F. Schulz von Thun), inwiefern die Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen Markus und seiner Mutter gestört verlaufen. Stellen Sie dabei auch die grundlegenden Aussagen der gewählten Theorie dar. 2. Zeigen Sie an zwei Situationen im Gespräch zwischen Markus und seiner Mutter, wie die Kommunikation hätte erfolgreicher verlaufen können. Begründen Sie Ihre Vorschläge auf der Basis der in Aufgabe 1 gewählten Kommunikationstheorie. 188 Soziale Einstellungen 1. Merkmale von sozialen Einstellungen Folie 1 Einstellungsobjekt Einstellung (nicht beobachtbar) als Denkmodell = hypothetisches Konstrukt zur Erklärung, warum sich Menschen gegenüber bestimmten Objekten in unterschiedlicher Weise verhalten Verhalten lässt Rückschlüsse zu auf 189 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Einstellungen 1. Merkmale von sozialen Einstellungen Folie 2 In das Haus, in dem Herr Feindlich im Erdgeschoss wohnt, will in den ersten Stock eine Wohngemeinschaft einziehen. Herr Feindlich ist jedoch dagegen, weil er der Meinung ist, die jungen Leute würden die gesamte Moral untergraben, die Nacht zum Tag machen und auch sehr laut sein. Zugleich ärgert sich Herr Feindlich, ja er ist sogar wütend darüber, dass über ihm eine Wohngemeinschaft einziehen soll. Er legt beim Hausbesitzer Protest ein, indem er ihm zunächst einen Brief schreibt und ihn daraufhin zu einem Gespräch aufsucht. 190 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Einstellungen 1. Merkmale von sozialen Einstellungen Folie 3 Einstellungsobjekt Einstellung kognitiv: Wahrnehmung, Wissen, Meinung, Ansicht, Vorstellung, Urteil, Überzeugung, das Einstellungsobjekt betreffend 191 affektiv: Gefühl, das mit dem Einstellungsobjekt verbunden ist: Zuneigung – Abneigung; angenehm – unangenehm; beliebt – unbeliebt © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 konativ: Verhaltensbereitschaft bzw. -tendenz gegenüber dem Einstellungsobjekt: Unterstützung – Ignorierung, Verletzung, Zerstörung; Annäherung – Ablehnung, Vermeidung Soziale Einstellungen 1. Merkmale von sozialen Einstellungen Folie 4 Nehmen Sie eine für Sie wichtige positive oder negative Einstellung und zeigen Sie an dieser die Merkmale des Begriffes Einstellung auf. 192 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Einstellungen 1. Merkmale von sozialen Einstellungen Arbeitsblatt 1 Das Experiment von Marc J. Rosenberg: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Arbeiten Sie anhand des Experimentes von M. J. Rosenberg (in Band 2, S. 120 f., Materialien des Kapitels 12) die Bedeutung der Einstellungskomponenten heraus 193 Soziale Einstellungen 2. Die funktionale Theorie Folie 1 Carl Gustav: Warum gibst du deine negative Einstellung gegenüber der Psychologie nicht auf? Sigmund: Du ich brauche sie, sonst geht mir was ab! Carl Gustav: Ach was! Sigmund: Doch, sie ist für mich sehr wichtig! 194 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Einstellungen 2. Die funktionale Theorie Folie 2 Arbeitsauftrag: 1. Sprechen Sie in der Gruppe über diese Funktion. 2. Veranschaulichen Sie diese anhand eines Beispiels. 3. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie der Klasse diese Funktion präsentieren können (z. B. Rollenspiel). 195 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Soziale Einstellungen 2. Die funktionale Theorie Folie 3 Welche Bedürfnisse werden mit den Einstellungsfunktionen befriedigt? 196 Funktion der sozialen Einstellung: Bedürfnisse Anpassungsfunktion Gefühl der Zugehörigkeit, angenehme Zustände wie Anerkennung, Erfolg, Ansehen, Gewinn Selbstverwirklichungsfunktion Aufbau bzw. Erhalt des Selbstwertgefühls, der Individualität und Selbstverwirklichung Wissensfunktion Gefühl des Orientiertseins, der Ordnung, Sicherheit und Überschaubarkeit Abwehrfunktion Rechtfertigung, Vermeidung und/oder Beendigung (Abwehr) von unerwünschten und unangenehmen Erlebnissen und Erfahrungen © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 1. Der Begriff Persönlichkeit Folie 1 197 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 1. Der Begriff Persönlichkeit Folie 2 Arbeitsanweisung: 1. Lesen Sie den Abschnitt und diskutieren Sie den Inhalt. 2. Veranschaulichen Sie das Begriffsmerkmal von Persönlichkeit mithilfe eines Beispiels. 198 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 1. Der Begriff Persönlichkeit Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Eine Persöhnlichkeit ist für mich … . 199 Persönlichkeit 1. Der Begriff Persönlichkeit Arbeitsblatt 2 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Was wäre ich, wenn ich ein Tier wäre? 200 Persönlichkeit 1. Der Begriff Persönlichkeit Arbeitsblatt 3 Tanzspiel „Figuren“ Musik: Santana – Corazon Espinado 1. ü ü ü ü Figur: Der Kontaktscheue – Abwehr 4 Schritte nach innen Hände in Abwehrhaltung – 4 Schritte nach außen 8 schnelle Schritte nach links in Abwehrhaltung 8 schnelle Schritte nach rechts in Abwehrhaltung 2. ü ü ü ü Figur: Der Kontaktfreudige 4 Schritte nach innen gegenseitig an die Hände nehmen – 4 Schritte nach außen 8 schnelle Schritte untergehakt – Drehung nach links 8 schnelle Schritte untergehakt – Drehung nach rechts 3. ü ü ü ü Figur: Der Sorgenvolle 4 Schritte nach innen gebeugte Haltung – 4 Schritte nach außen 8 schnelle Schritte nach links – verschränkte Arme vor dem Gesicht 8 schnelle Schritte nach rechts – verschränkte Arme vor dem Gesicht 4. ü ü ü ü Figur: Der Lustige 4 Schritte nach innen spiralenförmig 4 Schritte nach außen drehen – dabei Arme nach oben 8 schnelle Schritte nach links hüpfen – dabei in die Hände klatschen 8 schnelle Schritte nach rechts hüpfen – dabei in die Hände klatschen (© Hobmair/Selz, 2005) 201 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Immer mit dem linken Fuß beginnen! Persönlichkeit 2. Die personenzentrierte Theorie: Aktualisierungstendenz Folie 1 „Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, dass er ihm ähnlich wird.“ „Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“ (Brecht, Geschichten von Herrn Keuner, 2003, S. 33) 202 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 2. Die personenzentrierte Theorie: Aktualisierungstendenz Folie 2 „Eine der revolutionärsten Einsichten, die sich aus unserer klinischen Erfahrung entwickelt hat, ist die wachsende Erkenntnis: Der innerste Kern der menschlichen Natur […] ist von Natur aus positiv – von Grund auf sozial, vorwärtsgerichtet, rational und realistisch. […] Die Grundnatur des frei sich vollziehenden menschlichen Seins ist konstruktiv und vertrauenswürdig. … Es ist meine Erfahrung gewesen, dass Menschen eine im Grunde positive Entwicklungsrichtung haben.“ (Rogers, Entwicklung der Persönlichkeit, Stuttgart, 200615, S. 99 f., 193, 42) ü Diskutieren Sie in der Klasse das Menschenbild von Carl R. Rogers. ü Vergleichen Sie das Menschenbild von Rogers mit dem von Sigmund Freud. 203 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 2. Die personenzentrierte Theorie: Aktualisierungstendenz Folie 3 Bin ich 3 Jahre alt? Jacke!!!!! Mutter: „Und zieh dir ‘ne Jacke über! Ja?“ Sigmund: „Bin ich noch ein Kind, dass ich das nicht selber weiß?“ Mutter: „Es hat nicht mal 10 °C draußen, und windig ist es auch!“ Sigmund: „Wenn du genau geguckt hättest, dann wüsstest du, dass es 11 °C hat!“ Mutter: „Du hörst ja, was ich dir sage: Zieh’ dir die Jacke über!“ Sigmund verlässt zornig die Wohnung – natürlich ohne Jacke. (vgl. Schulz von Thun, Miteinander reden 1, 2003, S. 48) 204 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 2. Die personenzentrierte Theorie: Aktualisierungstendenz Folie 4 Notieren Sie bitte für sich: Was will ich eigentlich wirklich? Was entspricht meinem Grundbedürfnis nach Selbstverwirklichung? 205 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 2. Die personenzentrierte Theorie: Aktualisierungstendenz Arbeitsblatt 1 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Liebe Eltern! 206 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 1a 207 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 1b 208 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 2 „Der, der ich bin, grüßt trauernd den, der ich sein möchte.“ (Karl Rahner) 209 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 3 Ich würde gerne das machen, was meine Freundin ist, nämlich Schauspielerin werden. Doch meine Mutter und meine Schwester meinen, dass dies kein anständiger Beruf sei. Dies glaube ich in der Zwischenzeit auch, das haben sie mir oft genug gesagt. 210 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 4 Die 15-jährige Claudia fühlt sich sehr unsicher, nicht besonders begabt und tollpatschig. Sie erzählt in der Schule von ihrer Kindheit: „Ich habe ständig irgendwelche Sachen kaputt gemacht oder dummes Zeug geredet. Seit ich denken kann, hat meine Mutter zu mir gesagt: ‚Du bist so furchtbar ungeschickt! Dich kann man zu nichts gebrauchen!’ Im Kindergarten ging es mir nicht viel anders: Die Erzieherin hat auch nicht viel von mir gehalten. Beim Malen oder Turnen habe ich immer zu hören bekommen: ‚Lass’ das sein!‘, ‚Das kannst Du nicht!‘“ 211 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 5 So wie die Bezugspersonen das Kind sehen und achten, so wird es sich auch selbst sehen und achten. Wird das Kind von seinen Eltern und Erziehern geachtet, wird es hohe Selbstachtung entwickeln. Bringen die Bezugspersonen dagegen dem Kind wenig bzw. gar keine Achtung entgegen, dann wird es auch sich selbst wenig achten. Selbstachtung wiederum hängt sehr eng mit dem Selbstkonzept zusammen: Hohe Selbstachtung geht mit einem „günstigen“ im Sinne von flexiblem Selbstkonzept, geringe Selbstachtung dagegen mehr mit einem „ungünstigen“ – mehr starren – Selbstkonzept einher. Alles klar? 212 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Folie 6 a) Claudia nimmt das Anlachen des Mannes gar nicht wahr. b) Claudia meint: „Na ja, der hat halt Mitleid mit mir, weil er sieht, dass ich so alleine herumstehe.“ 213 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Arbeitsblatt 1 „Wer bin ich“ © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wie sehe ich mich selbst, wer bin ich? 214 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Arbeitsblatt 2 Entstehung des Selbstkonzeptes Vorschlag 1. Schüler 3. Schüler 4. Schüler 5. Schüler 6. Schüler 215 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Schüler Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Arbeitsblatt 3a Jürgen ist wütend auf seine Mutter, weil er nicht zum Schwimmen gehen darf. Doch er hat in seinem Selbstkonzept verinnerlicht: „Ich bin ein guter Junge, ich muss lieb und nett sein“. Er ist aber nun mal wütend, also ändert er sein Selbstkonzept und denkt sich: „Ich bin auch noch ein guter, lieber und netter Junge, auch wenn ich mal eine Wut im Bauch habe.“ Er sagt es seiner Mutter, und damit ist die Angelegenheit für ihn erledigt. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wie geht Jürgen mit seinem Selbstkonzept um? 216 Persönlichkeit 3. Die personenzentrierte Theorie: Selbstkonzept Arbeitsblatt 3b Dieter ist wütend auf seine Mutter, weil er nicht zum Schwimmen gehen darf. Doch er hat in seinem Selbstkonzept verinnerlicht: „Ich bin ein guter Junge, ich muss lieb und nett sein“. Er zeigt die Wut, die er auf seine Mutter hat, nicht, er wehrt sie ab, indem er sich ablenkt und so tut, als hätte er keine. Damit ist die Angelegenheit für ihn erledigt. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wie geht Dieter mit seinem Selbstkonzept um? 217 Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Folie 1 Nein, ich bin nicht wütend!!! 218 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Folie 2 ü Erzählen Sie sich gegenseitig die inkongruente Situation. ü Einigen Sie sich auf eine Situation und stellen Sie diese mit Bauklötzchen dar. 219 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Folie 3 Frau Liebig ist wütend auf ihren Mann. Sie hat aber in ihrem Selbstkonzept verinnerlicht: „Eine liebevolle Frau darf gegenüber ihrem Mann keine negativen Gefühle haben!“ 220 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Arbeitsblatt 1a Die Kongruenz (Vorderseite) Der Mensch besitzt nach Carl Rogers zwei „Ebenen“ des Wertens, die des Organismus und die des Selbstkonzeptes. Das organismische Bewerten ist der Prozess des Organismus, Erfahrungen aufzunehmen und dahin gehend zu bewerten, inwieweit sie das Streben nach Aktualisierung fördern bzw. einschränken. Erfahrungen, die Aktualisierung ermöglichen, werden positiv bewertet, Erfahrungen, die diese be- bzw. verhindern oder gar bedrohen, werden negativ bewertet. Für Rogers ist dieses organismische Bewerten das eigentlich zielsichere, den Menschen zu sich selbst führende. Rogers spricht in diesem Zusammenhang von organismischem Erleben und meint damit das körperliche Bewusstwerden der Aktualisierung, die „Verkörperung“ der Lebenskraft, die sich beispielsweise in Gefühlen oder Wünschen äußert. Je nach Erfahrungen mit und über die eigene Person können nun die Wertungen des organismischen Erlebens – die „Verkörperung“ der Aktualisierungstendenz – und die des Selbstkonzeptes übereinstimmen. Die personenzentrierte Theorie bezeichnet die Übereinstimmung des Selbstkonzeptes mit dem organismischen Erleben als Kongruenz. Durch das Kongruentsein kann der Mensch seinem „wahren Selbst“ entsprechen, seine Entwicklungsmöglichkeiten entfalten und verwirklichen sowie Unabhängigkeit und Selbstbestimmung erlangen, was nach Carl Rogers eine gesunde Entwicklung bewirkt. 221 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Auf der anderen Seite identifiziert sich das Kind mit den Forderungen, Geboten und Verboten seiner Eltern und anderer (Erziehungs-) Personen sowie mit den Beziehungsbotschaften und Zuschreibungen und lässt das Selbstkonzept als eine wertende und Stellung nehmende Instanz entstehen. Im Gegensatz zum organismischen Bewerten vollzieht sich die Bewertung seitens des Selbstkonzeptes nach den verinnerlichten Sichtweisen und Vorstellungen, die von außen an das Kind herangetragen werden bzw. wurden. Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Arbeitsblatt 1a Die Kongruenz (Rückseite) Arbeitsauftrag: Bestimmen Sie den Begriff „Kongruenz“ und veranschaulichen Sie diesen mit einem Beispiel. Kongruenz bezeichnet Beispiel: 222 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 und bewirkt Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Arbeitsblatt 1b Die Inkongruenz (Vorderseite) Der Mensch besitzt nach Carl Rogers zwei „Ebenen“ des Wertens, die des Organismus und die des Selbstkonzeptes. Das organismische Bewerten ist der Prozess des Organismus, Erfahrungen aufzunehmen und dahin gehend zu bewerten, inwieweit sie das Streben nach Aktualisierung fördern bzw. einschränken. Erfahrungen, die Aktualisierung ermöglichen, werden positiv bewertet, Erfahrungen, die diese be- bzw. verhindern oder gar bedrohen, werden negativ bewertet. Für Rogers ist dieses organismische Bewerten das eigentlich zielsichere, den Menschen zu sich selbst führende. Rogers spricht in diesem Zusammenhang von organismischem Erleben und meint damit das körperliche Bewusstwerden der Aktualisierung, die „Verkörperung“ der Lebenskraft, die sich beispielsweise in Gefühlen oder Wünschen äußert. Je nach Erfahrungen mit und über die eigene Person können nun die Wertungen des organismischen Erlebens – die „Verkörperung“ der Aktualisierungstendenz – und die des Selbstkonzeptes in Widerspruch zueinander stehen: Die verinnerlichten Sichtweisen und Vorstellungen des Selbstkonzeptes stimmen nicht mit der Aktualisierung, der Selbstverwirklichung eines Menschen überein und „stören“ somit die Entfaltung der Entwicklungsmöglichkeiten und die Erlangung der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Diese Diskrepanz des Selbstkonzeptes mit dem organismischen Erleben wird in der personenzentrierten Theorie als Inkongruenz bezeichnet: Das eigene Bild von sich selbst stimmt nicht mit dem überein, was im Inneren des Menschen vor sich geht. Durch die Unvereinbarkeit von Organismus und Selbstkonzept kann der Mensch nicht seinem „wahren Selbst“ entsprechen, es wird in den Hintergrund gedrängt. Sie setzt einen Prozess der Selbstentfremdung in Gang. Wird nun die Inkongruenz dadurch aufrechterhalten, dass sich das Selbstkonzept dagegen wehrt, organismische Erfahrungen zu integrieren, so entsteht im Menschen ein Konflikt, der Ausgangspunkt für seelische Fehlentwicklungen ist. 223 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Auf der anderen Seite identifiziert sich das Kind mit den Forderungen, Geboten und Verboten seiner Eltern und anderer (Erziehungs-) Personen sowie mit den Beziehungsbotschaften und Zuschreibungen und lässt das Selbstkonzept als eine wertende und Stellung nehmende Instanz entstehen. Im Gegensatz zum organismischen Bewerten vollzieht sich die Bewertung seitens des Selbstkonzeptes nach den verinnerlichten Sichtweisen und Vorstellungen, die von außen an das Kind herangetragen werden bzw. wurden. Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Arbeitsblatt 1b Die Inkongruenz (Rückseite) Arbeitsauftrag: Bestimmen Sie den Begriff „Inkongruenz“ und veranschaulichen Sie diesen mit einem Beispiel. Inkongruenz bezeichnet Beispiel: 224 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 und bewirkt Persönlichkeit 4. Die personenzentrierte Theorie: Kongruenz und Inkongruenz Arbeitsblatt 2 Karla, 21 Jahre alt, spricht bei einem Psychotherapeuten vor, da sie in letzter Zeit immer wieder depressive Zustände hat, durch die sie in der Arbeit und auch im privaten Leben erheblich eingeschränkt ist. Sie steht in der Früh schwer auf und in der Arbeit geht ihr so gut wie nichts von der Hand, da sie keine Antriebskraft hat. Auch mit ihren Freundinnen hat sie aus Lustlosigkeit kaum mehr Kontakt, sie sitzt abends meist zu Hause bei ihren Eltern vor dem Fernseher. Im Laufe des Gespräches sagt sie dem Therapeuten, dass es ihr so schlecht gehe, seit sie ein tolles Wohnungsangebot erhalten habe. Die Wohnung wäre ideal und bezahlbar. Aber jetzt wolle sie ja gar nicht mehr ausziehen. Früher, ja früher, da wollte sie schon mehrmals von zu Hause weg, um ein eigenständiges Leben führen zu können. Sie habe sich eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung vorgestellt in der etwa 40 km entfernten Kleinstadt, in der sie arbeite. Und sie erzählt: „Meine Versuche, mich selbstständig zu machen, sind aber immer fehlgeschlagen: Meine Eltern waren, wenn es mal wieder so weit war, fürchterlich traurig und Mutter weinte sehr häufig. Anfangs war ich dann immer wütend wegen der Reaktion meiner Eltern und schimpfte, aber bald gab ich dann mein Vorhaben wieder auf und blieb in der kleinen Einliegerwohnung des elterlichen Hauses, wo ich heute noch hause. Ich wollte und will einfach meine Eltern nicht enttäuschen. Na ja, heute möchte ich gar nicht mehr weg von meinen Eltern. Ich bin mir ja auch nicht sicher, ob mir mein Leben in dieser Kleinstadt überhaupt gefallen würde, dort ist ja auch gar nichts los“. Dem Therapeuten erzählt sie im Laufe des Gespräches auch, dass sie am liebsten Schauspielerin werden würde, da sie große darstellerische Fähigkeiten habe. Sie würde erst zum Theater und dann zum Fernsehen gehen, um irgendwann einmal berühmt zu werden. Doch für eine solche Schule habe sie und ihre Eltern kein Geld. „Na ja“, meint sie, „andererseits bin ich auch wie meine Eltern der Meinung, dass die Schauspielerei kein ‚anständiger’ Beruf ist.“ Ihre Eltern wollten zwar damals, dass sie auf die Realschule gehe, doch sie meinte seinerzeit, dass das Lernen und Büffeln nicht ihre Sache sei. Sie besitze keine Ausdauer, um sich in den vielen Stoff, den man in der Schule lerne, hinein zu vertiefen. Dieser Meinung sei sie auch heute noch. (vgl. Hobmair, Psychologie, 20084, S. 447 f.) Aufgaben: 1. Verdeutlichen Sie anhand der Fallbeschreibung „Karla“ die Aussagen der personenzentrierten Theorie. 2. Erklären Sie aus der Sicht der personenzentrierten Theorie die Entstehung von psychischen Störungen am Beispiel der depressiven Zustände von Karla. 225 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Karla“ Persönlichkeit 5. Die Bedeutung der personenzentrierten Theorie für die Erziehung Folie 1 Wie stell ich‘s an, wie änd’re ich die ganze Sicht von mir und mich? Mein Selbstkonzept behindert mich! Das zieh‘ ich mir nicht länger rein, ein and‘res Selbstkonzept muss sein! 226 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 5. Die Bedeutung der personenzentrierten Theorie für die Erziehung Folie 2 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Abschnitt und diskutieren Sie den Inhalt. 2. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie die genannte erzieherische Möglichkeit Ihren Mitschülern/innen verständlich erläutern können. 227 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 5. Die Bedeutung der personenzentrierten Theorie für die Erziehung Arbeitsblatt 1 Jule ist 18 Jahre alt und besucht die 13. Klasse eines Gymnasiums. Einen besonderen Namen hat sie sich bei den Musikabenden der Schule als hervorragende Pianistin gemacht. In letzter Zeit zeigt sich das beliebte Mädchen allerdings sehr traurig und zurückgezogen. Bei einem Gespräch mit Herrn Carl, dem Beratungslehrer, erzählt Jule Folgendes: „Irgendwie hat für mich alles keinen Sinn. Aber von vorne: Meine Eltern wollten schon immer, dass ich von Beruf Pianistin werde. Ich spiele ja auch wirklich gerne – und auch gar nicht so schlecht, aber beruflich möchte ich das auf keinen Fall machen. Wissen Sie, ich liebe die Natur und vor allem die Pflanzen und Bäume. Der Gartenbau ist meine geheime Leidenschaft, nicht das Klavierspielen. Oh mein Gott, wenn Sie wüssten, wie ich mich mit dem Klavier schon geplagt habe. Schon mit fünf Jahren bekam ich auf den Wunsch meiner Eltern hin Klavierunterricht. Ich musste täglich üben und meine Mutter hat meine Fortschritte streng überwacht. Wenn ich fehlerfrei spielte, freute sich meine Mutter sehr, dann sagte sie immer: ‚Mein Mädle, aus dir wird was ganz Großes‘, aber wenn ich anstatt zu üben lieber im Garten Blumen gesammelt und in der Erde gegraben habe, war meine Mutter sehr traurig und hat mir das auch deutlich gezeigt. Sie hatte große Bedenken, dass ich damit meine Klavierhände ruiniere. Manchmal hat sie mich deshalb sogar den ganzen Tag ignoriert. Das war schlimmer für mich als Schläge. Ich hatte dann ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil ich meine Mama so traurig machte. Nach einiger Zeit akzeptierte ich mein Los und freundete mich mit meinem Klavier an. Ich wollte meine Mutter ja nicht mehr enttäuschen. Ich war schon immer ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. So machte ich sogar schnell Fortschritte. Wenn Besuch im Haus war, stellte mich meine Mutter voller Stolz als ihre kleine „Haus-Pianistin“ vor. Vor solchen Auftritten musste ich oft wochenlang üben. Wenn ich als Berufspianistin arbeiten würde, ginge das so weiter – ein Leben auf der Klavierbank. Nein! Ich möchte lieber etwas Naturverbundenes tun. Bei meiner Tante, die vor vielen Jahren bereits die Gärtnerei meiner Großeltern übernommen hat, hat es mir immer schon besonders gut gefallen. Ich habe ihr schon oft geholfen und sie hat mir bestätigt, dass ich eine „gute Hand“ für die Pflanzen habe. Ich stelle es mir schön vor, als unabhängige Geschäftsfrau im eigenen Betrieb zu arbeiten. So lange ich denken kann, war ich von anderen abhängig – vor allem von meinen Eltern. Das möchte ich später einmal anders haben. Ich bin mir mit Tante Gertrud daher schon lange darin einig, dass ich ein Gartenbau-Studium an der Fachhochschule absolviere und später ihren Betrieb übernehme. Das betriebswirtschaftliche Denken, das für die Leitung eines Betriebes erforderlich ist, muss ich noch lernen. So eine „Powerfrau“ wie meine Tante, die wirklich ihren ganz eigenen Weg geht, möchte ich auch werden. Meinen Eltern habe ich diesen Plan bis vor drei Wochen verschwiegen. Aber nachdem nun die Anmeldungen an den Hochschulen beginnen, musste ich mit ihnen sprechen. Oh Gott, Herr Carl, das war das Schlimmste, was ich bisher erlebt habe. Meine Mutter ist total ausgerastet. Sie hat schon Anmeldeunterlagen für die Musikhochschule besorgt. Ihr ist völlig egal, was ich eigentlich will. Ein Gartenbau-Studium werden meine Eltern auf keinen Fall unterstützen. Und nachdem der Betrieb meiner Tante ja von meinen Großeltern mütterlicherseits stammt, gehört meiner Mutter die Hälfte des Geschäftes. Das wusste ich gar nicht. Sie sagt, dass sie den Betrieb eher an Fremde verkaufe, als dass ich ihn bekäme. Es reiche schon, wenn sie in der Firma als junge Frau immer in dem „Schmutz“ habe wühlen müssen. Wenn ich mich für das Gartenbau-Studium entscheide, könne ich gleich ausziehen. Mein Vater hat wie immer nichts dazu gesagt. Es ist so schrecklich, Herr Carl. Das Einzige, das ich in meinem Leben wirklich will, darf ich nicht machen. Seit dem Gespräch reden sie kaum noch mit mir. Ich schäme mich sehr dafür, dass ich meine Eltern so enttäusche und habe ein ganz schlechtes Gewissen, obwohl ich doch gar nichts Unrechtes getan habe. So kann es nicht weitergehen. Ich weiß aber nicht, was ich tun soll.“ Herr Carl schlägt Jule vor, doch noch mal in aller Ruhe mit den Eltern zu sprechen. Darauf Jule: „Daran habe ich auch schon gedacht, aber ich habe Angst, dass wir uns noch mehr zerstreiten. Ich habe mir 228 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Jule“ Persönlichkeit 5. Die Bedeutung der personenzentrierten Theorie für die Erziehung Arbeitsblatt 1 schon überlegt mich einfach zum Gartenbau-Studium anzumelden; dann stelle ich sie vor vollendete Tatsachen. Vielleicht finden sie sich damit ab? Der Bruch zwischen uns könnte dann aber auch endgültig sein. Oder vielleicht kann Tante Gertrud mal mit ihnen reden? Wie mache ich es bloß richtig?“ (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 2006) © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben: 1. Erläutern Sie Jules Persönlichkeit auf der Grundlage der personenzentrierten Theorie von Carl Rogers. Legen Sie dabei die zentralen Annahmen und Begriffe dieser Theorie dar. 2. Zeigen Sie auf der Grundlage der personenzentrierten Theorie die Bedeutung von Jules Erziehung für ihre Persönlichkeitsentwicklung auf. 229 Persönlichkeit 6. Kritische Würdigung der personenzentrierten Theorie Folie 1 Mein Kollege August Flammer1 meint, dass die humanistische Psychologie vielleicht nur als Haltung und als humanistisches Anliegen überleben wird. 1 vgl. Flammer, Entwicklungstheorien, 20094, S. 128 230 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 6. Kritische Würdigung der personenzentrierten Theorie Folie 2 Arbeitsauftrag: 1. Fassen Sie die in diesem Text angesprochene Würdigung mit eigenen Worten zusammen. 2. Vergleichen Sie die personenzentrierten Theorie mit dem Behaviorismus (Konditionierungstheorien), indem Sie die Unterschiede herausarbeiten. 231 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Persönlichkeit 6. Kritische Würdigung der personenzentrierten Theorie Folie 3 ü Was nehme ich persönlich von der personenzentrierten Theorie mit? ü Womit kann ich nichts anfangen? 232 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 1. Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik Folie 1 Integrat ion von M igranten fehlgesc hlagen? s dy w o R che i l d en Jug dlos n! grun schlage zuge Jugendamt sucht Adoptiveltern Ein e einf Frau e rz ach nich ählt: „ Ich t me ko hr z ure mme cht !“ d ur Axt un r greift z 14-jährige e. sin seine Cou 233 erschlägt es s i b n Absaufe hr geht! e nicht m Stadtviertel k ämpft für Spielplatz un d Jugendtreff n die e m a s n i e r e V Deutschen? Krank durch Verei ns Deuts amen die chen? Arbeitslosigk eit? sammen! au brutal zu Fr e in e s t g lä h c s Mann © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 1. Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik Folie 2 Mein Kollege Hermann Giesecke1 meint, dass die Sozialpädagogik eine Begleiterscheinung der modernen industriellen Gesellschaft, genauer: eine Begleiterscheinung der durch die Schäden dieser modernen Gesellschaft hervorgerufenen Sozialpolitik ist. 1 vgl. Giesecke, Einführung in die Pädagogik, 19735, S. 162 234 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 1. Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik Folie 3 ü Herr Plötz gerät wegen Arbeitslosigkeit in finanzielle Not und braucht Hilfe. ü Frau Berger, 89 Jahre alt, wird pflegebedürftig und braucht Hilfe. ü Kurt, 17 Jahre alt, wird von der Jugendstrafvollzugsanstalt entlassen und braucht zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft Hilfe. 235 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 1. Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik Folie 4 Mein Kollege, Herr Mollenhauer1 meint, dass die Sozialpädagogik im Wesentlichen das sei, was das Jugendwohlfahrtsgesetz2 „Jugendhilfe“ nenne. Es ließe sich daher auch formulieren: Sozialpädagogik ist die Theorie der Jugendhilfe. 1 vgl. Mollenhauer, Einführung in die Sozialpädagogik, 2001, S. 15 2 Das Jugendwohlfahrtsgesetz war der „Vorgänger“ des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. 236 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 1. Soziale Arbeit, Sozialarbeit und Sozialpädagogik Folie 5 Mein Kollege, Herr Mollenhauer1, bemerkt, dass die Gesellschaft im Sozialpädagogen einen ihrer heftigsten Kritiker produziert. 1 vgl. Mollenhauer, Einführung in die Sozialpädagogik, 2001, S. 21 237 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Folie 1 Katechismus der Kindergärtnerei 1. Was ist der Kindergarten? Der Kindergarten ist eine Erziehungsanstalt, welche Kinder vom 3. bis zum 7. Jahre nicht nur in Aufsicht nimmt, sondern auch ihnen eine ihrem Wesen entsprechende Thätigkeit giebt, ihren Körper kräftigt, ihre Sinne übt und den erwachenden Geist beschäftigt, sie sinnig mit Natur und Menschenwelt bekannt macht, besonders auch Herz und Gemüth richtig leitet und zum Urgrund alles Lebens, zur Einigkeit mit sich führt. 4. Gegen welche falsche Deutungen muß sich der Kindergarten verwahren? Einmal, daß er die elterliche Erziehung überflüssig machen, und zweitens, daß er in die Rechte und Pflichten der Schule eingreifen wolle. (Webers illustrierte Katechismen, 1858) 238 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Folie 2 1. Wer besucht den Kindergarten? 2. Worin liegt der Unterschied zwischen Kindergarten und Schule? 3. Wem obliegt im Kindergarten Pflege und Erziehung? 4. Wer sind die Träger der Kindergärten? 5. Welche Institution hat die Aufsicht über die Kindergärten inne? 239 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Folie 3 ü Spiel und Beschäftigung ü altersgemischte Gruppen ü Personal: Leiterin, Erzieherin, Kinderpflegerin ü Raumteilverfahren ü Rahmenplan, Monats- und Tagesplan ü Stuhlkreis und Freispiel ü Orientierung an der Folge der Jahreszeiten und an kirchlichen Festen 240 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Arbeitsblatt 1 Aufgaben des Kindergartens Es werden 11 Arbeitsblätter mit je einer Aufgabe des Kindergartens angefertigt (Kapitel 14.2.2). © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsauftrag: 1. Veranschaulichen Sie die beschriebene Aufgabe anhand eines Beispiels. 2. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie diese Aufgabe der Klasse vorstellen können. 241 Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Arbeitsblatt 2 Eine Erzieherin von einem Kindergarten erzählt: „Selten, ganz selten, verläuft die pädagogische Arbeit im Kindergarten ohne Probleme. Probleme können entstehen, wenn sich beispielsweise die Erwartungen zwischen Träger des Kindergartens und den Erziehungsberechtigten widersprechen. Problematisch wirkt es sich aus, wenn aus den unterschiedlichen bzw. den sich widersprechenden Erwartungen Resignation, Enttäuschung oder Frustration bei den im Kindergarten an der Erziehung beteiligten Personen entstehen. Voraussetzung für eine sinnvolle Arbeit im Kindergarten ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Träger des Kindergartens, uns, dem Personal, und den Erziehungsberechtigten. Probleme können entstehen, wenn die Weltanschauung des Personals bzw. des Träger und die der Erziehungsberechtigten stark voneinander abweichen, so dass eine sinnvolle Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes kaum mehr möglich ist. Zudem ist das Elternengagement in Kindergärten nicht immer befriedigend. Wir sind oft enttäuscht, wie wenige Erziehungsberechtigte zu Elternabenden oder anderen Veranstaltungen in den Kindergarten kommen. Befragungen ergaben, dass fast alle Erziehungsberechtigten sich über die Kindergartenarbeit informieren wollen oder sogar aktiv mitarbeiten möchten. In der Praxis beklagen sich die Erzieher/innen über mangelndes Interesse der Eltern oder über nur mäßig besuchte Elternabende. Die Praxis in vielen Kindergärten belegt, dass Elternabende oder ähnliche Veranstaltungen von den Eltern besucht werden, die sich in der Regel viele Gedanken über die Erziehung ihrer Kinder machen. Gerade Eltern, bei deren Kindern Probleme wie zum Beispiel Sprachstörungen, Kontaktschwierigkeiten auftreten, erscheinen nur selten. Viele Eltern verlangen von ihren Kindern im Vorschulalter schulische Leistungen und üben so auf Erzieher/innen und Kinder einen unnötigen Leistungsdruck aus. Jedoch sollte im Kindergarten nicht die Leistung im Vordergrund stehen, sondern das freie kindliche Spiel. Nicht die Leistung, die viele Erziehungsberechtigte fordern, ist das Wichtigste, sondern dass das Kind etwas gerne aus sich heraus macht. Ja, Probleme können sich auch ergeben, wenn im Kindergarten ein anderer Erziehungsstil angewandt wird als im Elternhaus. Es wird beispielsweise im Kindergarten ein demokratischer Erziehungsstil gegenüber einem autoritären in der Familie bevorzugt. Tritt nun der Erzieher gegenüber dem Kind nicht autoritär auf, dann kann das Kind das Verhalten des Erziehers als Schwäche interpretieren. Oder die Eltern verwöhnen das Kind zu sehr, so dass es sich schwer tut, mit den Regeln und Gewohnheiten in einer Kindergartengruppe zu Recht zu kommen. Folgen eines solchen unterschiedlichen Erzieherverhaltens können sein, dass sich diese Kinder möglicherweise im Kindergarten zurückziehen oder sich aggressiv verhalten, um auf irgendeine Art und Weise Aufmerksamkeit zu erzielen. Was ich nicht vergessen darf: Bevor ein Kind in den Kindergarten kommt, durchläuft es seine familiäre Vorgeschichte. Kinder kommen aus den unterschiedlichen sozialen Schichten mit unterschiedlichen geistigen, emotionalen und sozialen Voraussetzungen. Dies zeigt sich zum Beispiel oft im Sprachverhalten. Viele Kinder sprechen nur einfache, unvollständige Sätze, während andere schon einen komplizierten Satzbau mit einem differenzierten Wortschatz haben. Mögliche Defizite, die sich aus solchen unterschiedlichen Voraussetzungen ergeben können, werden Erzieher/innen in den seltensten Fällen ausgleichen, kompensieren können. Folglich kann bei Schuleintritt nicht von Chancengleichheit, die durch Kindergartenerziehung kaum erreicht werden kann, gesprochen werden. Der Kindergartenbesuch von ausländischen Kindern ist im Vergleich zu den deutschen Kindern erheblich geringer, jedoch lässt sich eine steigende Tendenz feststellen. Viele ausländische Kinder haben jedoch keine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache; es treten Sprachprobleme auf. Oft sollen wir bestimmte Verhaltensauffälligkeiten wettmachen. Aber auch das ausgebildete Personal kann dabei an seine Grenzen gelangen. ‚Problemkinder’ fordern in der Regel eine intensive Zuwen242 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Probleme der erzieherischen Arbeit im Kindergarten Sozialpädagogisches Handeln 2. Eine sozialpädagogische Einrichtung: Der Kindergarten Arbeitsblatt 2 dung, die zeitaufwendig ist. ‚Schwierige’ Kinder überfordern uns häufig. Wir sind jedoch verpflichtet, uns um alle Kinder der Gruppe zu kümmern. Die Grenze der pädagogischen Arbeit im Kindergarten ist dort, wo sonderpädagogische Maßnahmen notwendig wären. Eine solche Arbeit kann der Kindergarten nicht leisten. Zudem ist das Personal in schwierigen Fällen auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen. Falls diese ihre Mitarbeit verweigern, wird es fast unmöglich sein, mit geeigneten Methoden den Kindern zu begegnen.“ © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Fassen Sie die Probleme, die die Erzieherin anspricht, jeweils in einem Satz zusammen. 243 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Folie 1a Frau R.: „Mein Leben macht mir zurzeit wenig Spaß: Jede Benutzung von Verkehrsmitteln ist für mich ein Alptraum. Ich kann kaum außer Haus, kann keinen Einkauf erledigen, und die gesamte Familie kann meinetwegen schon seit mehreren Jahren weder einen Ausflug machen noch in Urlaub wegfahren.“ 244 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Folie 1b Wie kann ich nur erreichen, dass mich Herr Röhl im Unterricht nett behandelt, auch wenn ich ihm in Mathe keine große Freude bereite? 245 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Folie 2 ü Genaue Beschreibung des problematischen Verhaltens: Welches sind die problematischen Verhaltensweisen, wie äußern sie sich auf der kognitiven, körperlichen und Verhaltensebene? ü Klärung der Bedingungen, die für die Entstehung des problematischen Verhaltens maßgeblich sind: In welchen Situationen tritt das problematische Verhalten auf (in welchen kaum oder gar nicht), durch welche Bedingungen bzw. Situationen wird es ausgelöst? ü Klärung der Bedingungen, die für die Aufrechterhaltung des problematischen Verhaltens verantwortlich sind: Welche Bedingungen sorgen für seine Aufrechterhaltung, durch welche Verhaltenskonsequenzen wird es verstärkt? ü Herausfinden einer möglichen Ersatz-, Alibi- oder Entlastungsfunktion des problematischen Verhaltens: Welche Ersatz- bzw. Alibifunktion und/oder welche Entlastungsfunktion hat das problematische Verhalten? ü Ermittlung von möglichen Lern- und Verhaltensdefiziten, die die Person hinsichtlich ihres problematischen Verhaltens zeigt: Welche Lern- oder Verhaltensdefizite tragen zu dem unangemessenen Verhalten bei oder bewirken es? ü Festlegung der notwendigen und gewünschten Verhaltensänderung: Welche Veränderungen sollen erreicht werden? 246 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Folie 3 Bedienen Sie sich der entsprechenden Aufzeichnungen in Ihrem Heft oder der entsprechenden Abschnitte im Schulbuch und beantworten Sie folgende Fragen. 1. Welche Konsequenzen für sozialpädagogische Hilfe können aus dem Gesetz der Bereitschaft abgeleitet werden? 2. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Verhaltensanalyse für die Änderung von unerwünschtem Verhalten? 3. Welche Möglichkeit gibt es als Alternative zur Strafe bzw. Bestrafung? 247 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Folie 4 Konrad, 3 Jahre alt, kann noch nicht die Schuhbänder binden. „Ich nehme mir“, so erzählt die Erzieherin, „Konrad vor und zeige ihm, dass er mit jeder Hand ein Schuhband halten kann. Ich muss nämlich immer mit einem Verhalten beginnen, das dem Endverhalten ähnelt. Wenn er das nach einiger Zeit beherrscht, darf er im Garten Ball spielen, das macht er nämlich sehr gerne. Denn ich muss dieses Verhalten immer sofort und auch regelmäßig verstärken. Sodann erarbeite ich mit ihm, dass er die Schuhbänder zu einer Schleife übereinander legen kann. Denn jetzt ist Verhalten gefragt, das innerhalb der gewünschten Verhaltenssequenz einen Schritt bedeutet. Das muss ich natürlich auch immer verstärken. Ich lasse ihn wieder in den Garten hinaus, denn dabei erfährt er auch zugleich, dass das Schuhbinden ein Vorgang ist, den er braucht. Wenn er nun das Übereinanderlegen der Schuhbänder kann, gehe ich einen Schritt weiter, jetzt kommt nämlich das Binden selbst. Das heißt, ich lehre ihn jetzt das Verhalten, welches der letztlich erwünschten nahezu entspricht, bis dann schließlich das Endverhalten – das Binden der Schuhe – gezeigt wird. Und nur diese Verhaltensweisen werden dann auch noch verstärkt. Aber das Vorgehen ist noch nicht zu Ende: Eine Zeitlang verstärke ich das Binden der Schuhbänder immer und regelmäßig, später wird dieses Endverhalten – wie ich es bezeichne – dann nicht mehr dauernd, sondern nur noch gelegentlich und unregelmäßig verstärkt, bis Konrad das Schuhbinden schließlich von selbst zeigt, ohne belohnt zu werden. Natürlich muss der Aufbau dieses Verhaltens durch Übung und Wiederholung gefestigt werden, das geht mit dem, was ich vorher sagte, einher.“ Aufgabe: Notieren Sie die Schritte, mit denen die Erzieherin beim Aufbau des Verhaltens „Binden der Schuhbänder“ vorgeht. 248 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 1 Die wichtigsten Aussagen des operanten Konditionierens Das Gesetz der Bereitschaft besagt: Das Effektgesetz besagt: Prinzip der Verstärkung: 249 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Das Prinzip des Versuchs und Irrtums: Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 1 Positive Verstärker sind alle Verhaltenskonsequenzen, die Das Frequenzgesetz besagt: 250 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Negative Verstärker sind alle Verhaltenskonsequenzen, die Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 2 Die Verhaltensanalyse Es werden sechs Arbeitsblätter mit je einer Aufgabe der Verhaltensanalyse angefertigt (Kapitel 15.1.1). © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsauftrag: Veranschaulichen Sie diese Aufgabe der Verhaltensanalyse mit Hilfe eines selbst gewählten Beispiels und tragen Sie ihn der Klasse mit diesem Beispiel vor. 251 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 3a Frau R. spricht in einer Beratungsstelle vor und berichtet dort Folgendes: „Mein Leben macht mir zurzeit wenig Spaß: Jede Benutzung von Verkehrsmitteln ist für mich ein Alptraum. Ich kann kaum außer Haus, kann keinen Einkauf erledigen, und die gesamte Familie kann meinetwegen schon seit mehreren Jahren weder einen Ausflug machen noch in Urlaub wegfahren. Ich denke, ich bin einfach zu dumm dafür, mit öffentlichen Verkehrmitteln zu fahren, ich werde das auch nie können!“ Auf gezielte Fragen der Sozialpädagogin antwortet Frau R.: „Immer, wenn ich ein Verkehrsmittel benutzen will – sei es ein Auto, ein Bus oder die Bahn – steigt in mir eine wahnsinnige Angst hoch. Mir bricht der Schweiß aus, ich habe das Gefühl, dass ich keine Luft mehr kriege, meine Hände zittern und ich bekomme weiche Knie und Schwindelanfälle. Dies geschieht bei fast jeder Benutzung von Verkehrsmitteln. Aber das ist ja auch kein Wunder: Wie soll ich mich bei dem Wirrwarr von Verkehrsmitteln – S-Bahn, U-Bahn, Bus usw. – zurecht finden? Ich weiß ja oft gar nicht, wo welches Verkehrsmittel hinfährt, in welches ich einsteigen soll.“ Auf die Frage nach der Reaktion der Familienmitglieder erzählt Frau R. weiter: „Ich bin ja sehr froh, dass meine Familie ein so großes Verständnis für mich hat. Wenn die Angst in mir hochkommt, dann ist sofort irgendjemand von der Familie bei mir. Auch meine Mutter ist sofort bereit zu kommen. Ist mein Mann da oder schildere ich ihm meine Situation, so ist er sehr nett zu mir, nimmt mich in den Arm und tröstet mich ganz liebevoll. Auch die Kinder sind dann ganz lieb und entlasten mich, wo es nur geht. Sie nehmen mir beispielsweise Hausarbeiten ab, damit ich mich wieder erholen kann. Diese mache ich eh nicht so gerne. Den Zustand, dass dann meine ganze Familie bei mir ist und ich große Zuwendung erhalte, finde ich dann wieder ganz angenehm, das ist ja so selten der Fall …“ (© Hobmair/Selz) 252 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung: „Frau R.“ (1. Blatt) Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 3b Verhaltensanalyse (2. Blatt) Aufgabe: Erstellen Sie für die Fallbeschreibung „Frau R.“ eine Verhaltensanalyse. Genaue Beschreibung des problematischen Verhaltens: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klärung der Bedingungen, die für die Entstehung des problematischen Verhaltens maßgeblich sind: Klärung der Bedingungen, die für die Aufrechterhaltung des problematischen Verhaltens verantwortlich sind: Herausfinden einer möglichen Ersatz- bzw. Alibifunktion und/oder Entlastungsfunktion des problematischen Verhaltens: 253 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 3b Ermittlung von möglichen Lern- und Verhaltensdefiziten, die die Person hinsichtlich ihres problematischen Verhaltens zeigt: © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Festlegung der notwendigen und gewünschten Verhaltensänderung: 254 Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 3c Die Verhaltensmodifikation (3. Blatt) Aufgabe: Beschreiben Sie die Verhaltensmodifikation anhand der Fallbeschreibung „Frau R.“ Wegnahme von Bedingungen, die für die Aufrechterhaltung des unerwünschten (= problematischen) Verhaltens sorgen: Differentielle Verstärkung: 255 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Schaffung von Motivation: Sozialpädagogisches Handeln 3. Das verhaltensorientierte Konzept der sozialen Arbeit Arbeitsblatt 3c Shaping: • • • • 256 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 • Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 1 Herr Carsten, ein sehr geselliger und kontaktfreudiger Mensch, ist arbeitslos geworden, denn seine Abteilung wurde wegen „Zurückgang des Geschäftes“ aufgelöst. Seitdem sitzt er unzufrieden und häufig auch depressiv zu Hause. Er geht kaum mehr fort und auch mit seinen Freunden ist er kaum noch zusammen. Seine Frau muss mit ihm sehr viel „aushalten“, und auch die beiden Kinder, Johannes, 7½ Jahre alt, und Kilian, 6, sagen schon, dass Vati gar nicht mehr so lieb ist. Sie sind aus diesem Grund öfters außer Haus bei ihren Schulkameraden als früher. Seine Frau jedoch ist sehr um ihren Mann bemüht, und sie versucht auch, eine Putzstelle zu bekommen, damit sie wenigstens einigermaßen um die Runde kommen. Herr Carsten hat auch keine Aussicht, in nächster Zeit eine neue Arbeitsstelle zu bekommen. Deshalb muss sich Familie Carsten wohl nach einer kleineren Wohnung umsehen, da sie die jetzige nicht mehr bezahlen können. Auch die Kinder können nicht mehr so viel Geschenke und Spielzeug erhalten, wie sie das von früher her gewohnt waren. Johannes ‚spürt’ diese Änderung, die sich bei ihm dahingehend äußert, dass er trotziger und störrischer und auch in der Schule schlechter geworden ist. Das wiederum macht Frau und Herrn Carsten große Sorge, und sie überlegen sich, was sie tun sollten … 257 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 2 Eine Großstadt: Menschen haben entsprechend den klimatischen Bedingungen und der Bevölkerungsentwicklung Häuser entwickelt, indem sie eine massive Bauweise bevorzugt, Hochhäuser gebaut und gute Verkehrsverbindungen geschaffen haben. Dies hatte schlechte Wohnbedingungen wie „Wohnraumverdichtung“, Verkehrslärm, Abgase, schlechte Luft usw. zur Folge. Die immer schlechter werdenden Lebensverhältnisse führten dazu, dass mehr und mehr Städter in ihrer Freizeit aufs Land fuhren, um dort Natur und Ruhe zu erleben, oder langfristig sogar anstrebten, in einen Vorort der Großstadt umzusiedeln. Die Folge davon waren überfüllte Autobahnen, Menschenmassen in Naherholungsgebieten, Zerstörung der Natur und das allmähliche Zusammenwachsen von Vororten mit der Großstadt. 258 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 3 Begründen Sie, welches Person-Umwelt-Verhältnis in den beiden Beispielen vorliegt. ü Thomas, 17 Jahre alt, wohnt in einer am Rande einer Großstadt gelegenen Siedlung, die im Wesentlichen aus Hochhäusern und Wohnblocks besteht. Die Lebensqualität der Bewohner wird zudem durch Umweltbelastungen einiger nahe gelegenen Industriebetriebe beeinträchtigt, und die Stadtväter haben beschlossen, hier auch noch ein Müllheizkraftwerk anzusiedeln. ü Auf einem Gemeindegrundstück ist nahe einer Wohnsiedlung vor kurzem ein Erholungsgebiet mit einem See entstanden. Diese Maßnahme wurde geplant, da in der näheren Umgebung keine Bademöglichkeiten vorhanden sind. Das Naherholungsgebiet bietet nun den dort Wohnenden eine neue Freizeitgestaltung und wird zugleich von vielen Bürgern der Siedlung als Treffpunkt genutzt. 259 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 4 Eine Klasse hat enorme Schwierigkeiten mit einem ihrer Lehrer: Er benotet ihrer Meinung nach sehr ungerecht und er freut sich, wenn er einem Schüler eine schlechte Note geben kann. Ein Teil der Klasse meint, man müsse etwas unternehmen und mit ihm bzw. dem Verbindungslehrer sprechen, sich gegebenenfalls beschweren. Ein anderer Teil der Klasse meint, dies habe alles keinen Sinn. 260 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 5 Positiver oder negativer Lebensstress hängt davon ab, was Ihr Euch zutraut. Denn eure persönliche Einschätzung, in welchem Ausmaß Ihr Kontrolle über das eigene Leben habt und Eure Zuversicht, für die eigenen Entscheidungen und Handlungen auch die Verantwortung übernehmen zu können, ist dafür entscheidend, ob ihr euch den Herausforderungen des Lebens stellt oder nicht. Ich glaube, die beiden Ökologenpäpste sprechen da von Selbststeuerung … So, jetzt definiert mal „Selbststeuerung“ und stellt diesen Begriff in seinen Zusammenhang. Alles klar? 261 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 6 ü Wo habe ich bei einem Konflikt die „falschen“ Methoden gehabt, sodass es zu keiner guten Lösung kam? ü Wo fühlte ich mich machtlos, auf die Lösung des Konfliktes Einfluss zu nehmen, sodass es zu keiner guten Lösung kam? 262 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 7 Schon toll, was sich Wissenschaftler so alles einfallen lassen. Aber ist jetzt dieses ökologische Modell das „Nonplusultra“, mit dem man alles erklären kann? 263 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 8 1. Wie lässt sich aus der Sicht des ökologischen Ansatzes menschliches Erleben und Verhalten erklären? 2. Wie entstehen aus der Sicht des ökologischen Ansatzes psychische Störungen? 264 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 9 Als Wissenschaftler muss ich da natürlich noch etwas ergänzen, nämlich die große Schwäche der unpräzisen und zum Teil unkorrekt verwendeten Begrifflichkeiten. Eine saubere wissenschaftliche Verwendung von Fachbegriffen wird in der ganzen Theorie vermisst. Überlege mal zum Beispiel: Was heißt eigentlich Transaktion, oder was bedeutet im Alltag Nische? Was bedeutet Stress oder Selbststeuerung in der allgemeinen Psychologie? Oft wird dem Life Model vorgeworfen, bereits bekanntes Wissen lediglich mit „neuen“ – sehr unpräzisen – Fachtermini versehen zu haben. Alles klar? 265 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Folie 10 ü Zeichnen Sie sich selbst in Ihrem sozialen Kontext und in Ihrem politischen und wirtschaftlichen Beziehungsgefüge. ü Gehen Sie in Vierergruppen und sprechen Sie in der Gruppe auf der Grundlage Ihrer Zeichnung über positive und negative Beziehungen zu Ihrer Umwelt. 266 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Arbeitsblatt 1a Die Nische Durch die Beziehung zwischen der Person und ihrer Umwelt entsteht eine Nische. Sie kommt zustande durch das Einräumen von Handlungsmöglichkeiten. Nische ist damit das gesellschaftlich zugestandene Handlungsfeld einer Person, ihre Einflussmöglichkeit auf eine Gegebenheit und kein Rückzugswinkel. Das von der Umwelt, zum Beispiel der Gesellschaft, zugestandene Handlungsfeld einer Person kann groß bzw. gering sein und entsprechend dieser Tatsache unterscheidet man zwischen einer guten oder schlechten Nische: Bei einer schlechten Nische hat das Individuum kaum Einflussmöglichkeiten auf seine Umwelt, es ist sozusagen „ohnmächtig“, bei einer guten Nische hat es große Einflussmöglichkeiten auf die Umwelt. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: 1. Entwerfen Sie eine Begriffsklärung von „Nische“. 2. Veranschaulichen Sie die Ausführungen mit einem Beispiel aus Ihrem Lebensbereich. 3. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie diese Ausführungen Ihrem anderen Nachbarn verständlich machen können. 267 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Arbeitsblatt 1b Das Habitat Menschen „wohnen“ immer in einem bestimmten Lebensraum, der sie nicht unerheblich beeinflusst. Dieser Lebensraum umfasst beispielsweise bauliche, soziale und kulturelle Gegebenheiten, die die sozialen Beziehungen und die Gesundheit von Individuen sowohl unterstützen als auch beeinträchtigen können. Bauliche Gegebenheiten sind beispielsweise Wohnhäuser, Architektur, Fabriken, „Wohnraumverdichtung“, soziale Einrichtungen, Verkehrsverbindungen, Freizeit-, Arbeitsmöglichkeiten usw.; soziale Gegebenheiten zum Beispiel Personen in der Familie, der Arbeit, im gesellschaftlichen Leben, der Freundeskreis etc. und kulturelle Einrichtungen Bürgerhaus, Theater, Museen usw. Dieser verhaltensbeeinflussende Lebensraum eines Menschen mit seinen baulichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten wird als Habitat bezeichnet, er beeinflusst das Erleben und Verhalten der einzelnen Person. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: 1. Entwerfen Sie eine Begriffsklärung von „Habitat“. 2. Veranschaulichen Sie die Ausführungen mit einem Beispiel aus Ihrem Lebensbereich. 3. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie diese Ausführungen Ihrem anderen Nachbarn verständlich machen können. 268 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Aus der Perspektive der ökologischen Sichtweise geht es in erster Linie um ein optimales Person-Umwelt-Verhältnis, das bei einer größtmöglichen Übereinstimmung des Individuums mit seiner Umwelt gegeben ist. Der Prozess der Herstellung einer Übereinstimmung zwischen dem Individuum und seiner Umwelt wird als Anpassung bezeichnet. Anpassung meint hier also nicht Einordnung in bestehende Verhältnisse, sondern den Prozess der Übereinstimmung zwischen dem Individuum mit seinen Bedürfnissen, Rechten und Zielen und seiner Umwelt. Diese kann einmal durch eine Veränderung der Person gemäß den Umweltanforderungen geschehen und zum anderen durch Veränderungen (in) der Umwelt, damit diese den Bedürfnissen der Menschen besser entspricht. Transaktionen können „günstig“, anpassungsfördernd sein. Anpassungsfördernde Transaktionen sind solche Prozesse, die zu einer Übereinstimmung zwischen Person und Umwelt führen. Das Ergebnis dieses Wechselwirkungsprozesses ist ein positives Person-Umwelt-Verhältnis und begünstigt eine gesunde Entwicklung des Menschen, sein physisches und emotionales Wohlbefinden. Transaktionen können aber auch anpassungsfeindlich sein. Anpassungsfeindliche Transaktionen sind solche Prozesse, die ein Missverhältnis zwischen Person und Umwelt zur Folge haben. Das Ergebnis dieses Wechselwirkungsprozesses ist ein negatives Person-Umwelt-Verhältnis und wirkt beeinträchtigend auf die biologische, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung des Menschen. Umwelten können durch sie zerstört werden. Dabei gesteht das Life Model dem Menschen die Fähigkeit zur Selbststeuerung zu, die bedeutet, in gewissem Ausmaß Kontrolle über das eigene Leben zu haben und imstande zu sein, für die eigenen Entscheidungen und Handlungen Verantwortung zu tragen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Rechte und Bedürfnisse anderer. Gefühle von Macht und Ohnmacht wirken sich nachhaltig auf die Umsetzung von Selbststeuerung aus. Aufgaben: 1. Bestimmen Sie die Begriffe „Anpassung“ und „Selbststeuerung“ im Sinne des Life Models. 2. Zeigen Sie, worum es aus der Perspektive der ökologischen Sichtweise geht. 3. Beschreiben Sie die beiden Möglichkeiten von Transaktionen mit ihren möglichen Folgen 4. Veranschaulichen Sie diese beiden Möglichkeiten an je einem Beispiel. 269 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 2 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Arbeitsblatt 3 Thomas, 17 Jahre alt, wohnt in einer am Rande einer Großstadt gelegenen Siedlung, die im Wesentlichen aus Hochhäusern und Wohnblocks besteht. Zudem wird die Lebensqualität der Bewohner durch Umweltbelastungen einiger nahe gelegener Industriebetriebe beeinträchtigt. Die Bürger der Stadt reden nur geringschätzig von der „Siedlung“ und ihren Bewohnern, von denen man sagt, sie ließen ihr Stadtviertel verkommen. Nachdem die Stadtväter vor einigen Jahren beschlossen hatten, hier auch noch ein Müllheizkraftwerk anzusiedeln, verließen immer mehr Bewohner, die sich das leisten konnten, die Siedlung. In die leer stehenden Wohnungen zogen sozial schwache Deutsche und Ausländer. Letztere wollen unter sich bleiben und haben kaum Kontakt zu deutschen Familien. Thomas ist seit seiner Lehre, die er vor einem Jahr abgebrochen hat, arbeitslos. Auch aus seiner Familie hat keiner die Ausbildung beendet. Er hat sich zwar bis vor kurzem um einen Arbeitsplatz bemüht, konnte aber keinen Erfolg erzielen. Das alles ist in diesem Wohnviertel nichts Besonderes. Sein Vater arbeitete bis vor kurzem als Hilfsarbeiter am Bau. Jetzt bezieht er vorzeitig Rente, da die Arbeitsmarktlage keine Anstellungschancen mehr bietet. Die meisten Familien hier leben von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe und haben sich mit ihrer Situation abgefunden. Thomas verbringt seine Zeit tagsüber auf dem Spielplatz, obwohl dort Jugendliche nicht geduldet werden. Immer wieder kommt es mit Eltern von kleinen Kindern zu Streitereien. Doch eine andere Möglichkeit, sich zu treffen, gibt es nicht. Abends geht Thomas manchmal, wenn er das Geld dazu hat, in die einzige Kneipe im Viertel. Eine Busverbindung in die Stadt besteht nur zu den Hauptverkehrszeiten, der letzte Bus fährt um 19.30 Uhr, weshalb Thomas die Siedlung kaum verlassen kann. Auf dem Spielplatz schließt sich Thomas einer Gruppe von Jugendlichen an, die sich in derselben Lage befinden. Wie Kai, der Anführer der Gruppe, ist er innerhalb kürzester Zeit davon überzeugt, dass nur die Ausländer an der miesen Situation schuld seien. Er als Deutscher könne keine Arbeit finden, während sie diesem Gesindel direkt nachgeworfen werde. Aus Wut und Hass darüber randaliert er oft am Spielplatz. Nicht selten kommt es auch zu Schlägereien mit einer Gruppe ausländischer Jugendlicher. Seit Thomas dabei eine Geldbörse erbeutet hat, ist er als vollwertiges Mitglied in der Gruppe akzeptiert. Die anderen Bewohner nehmen von solchen Vorfällen kaum noch Notiz, da es in ihrem Viertel öfter zu Raufereien kommt. (Abschlussprüfung an Fach- und Berufsoberschulen zum Erwerb der Fachhochschulreife 1999 (gekürzt)) 1. Bearbeiten Sie bitte folgende Fragen zu der Fallbeschreibung „Thomas“: ü Wie ist das Habitat von der (den) Personen beschaffen? Wie beeinflusst dieser Lebensraum die Person(en)? ü Wie sieht die Nische der Person(en) aus? Um welche Art von Nische handelt es sich? ü Wie lässt sich das Person-Umwelt-Verhältnis umschreiben? Welche Transaktionen können beschrieben werden? Welche Art von Transaktionen liegt vor? Welche Folgen haben diese für die Entwicklung der Menschen? ü Welche Art von Lebensstress liegt vor? ü Welche Art von Coping liegt vor? 270 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Fallbeschreibung „Thomas“ Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 3 271 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Arbeitsblatt 3 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Verdeutlichen Sie das Life Model im Zusammenhang mit dieser Fallbeschreibung. 272 Sozialpädagogisches Handeln 4. Ein ökologisches Modell der sozialen Arbeit: Das Life Model Eine Sozialarbeiterin erzählt: „Der Adressat unserer Unterstützungsleistungen ist natürlich nicht der einzelne Klient, wir müssen seine Umwelt wie beispielsweise seine Angehörigen, Mitschüler, Arbeitskollegen, Nachbarn, Wohngebiet usw. miteinbeziehen. Und hier hat natürlich unsere Arbeit ihre Grenzen: Es gibt auf jeden Fall Klienten, deren Probleme nicht im Bezugsrahmen sozialer, wirtschaftlicher oder kultureller Einflussfaktoren zu suchen sind, sondern bei denen die Entstehung des Problems im „Inneren“ der Person angesiedelt ist. Eine solche Person ist natürlich besser dran, wenn sie beispielsweise ein Verhaltenstraining macht. Man muss auch zugeben, dass ja nicht nur die gegenwärtige Umwelt den Menschen beeinflusst, sondern auch die vergangene. Und Person-Umwelt-Beziehungen, die früher, zum Beispiel in der Kindheit, zu einem bestimmten Verhalten geführt haben, die lassen sich nicht mehr ändern. Ökologisch orientierte Arbeit heißt auch, dass der Klient bereit ist, sich zu engagieren. Doch wir stellen fest, dass viele Leute apathisch sind und sich gar nicht engagieren wollen, an ihrer Umweltsituation etwas zu ändern. Wir hören oft den Satz: „Das hat ja sowieso keinen Sinn.“ Da sind wir dann oft machtlos. Natürlich dürfen wir keiner Utopie verfallen: Oft ist es tatsächlich nicht möglich, Umweltbedingungen, die auf den Menschen wirken, zu ändern – etwa weil die Politiker nicht wollen oder weil andere Interessen, beispielsweise wirtschaftliche oder industrielle, wichtiger sind. Doch, wir müssen genau unterscheiden und prüfen, wo der einzelne etwas machen kann und wo er einer bestimmten Situation „ausgeliefert“ ist. Allerdings, und das ist mit ein Positivum: Der Mensch besitzt die Fähigkeit der Selbststeuerung! Der Mensch ist also kein Gefangener seiner Lebensumstände. Trotz aller Berücksichtigung der Umwelt gehen wir davon aus, dass er für seine Entscheidungen und Handlungen selbst die Verantwortung trägt.“ Aufgabe: Notieren Sie die Kritikpunkte ökologisch orientierter sozialer Arbeit, die in diesem Bericht angesprochen werden. 273 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 4 Psychische Störungen 1. Begriff „Psychische Störung“ Folie 1 Vera weint sich jeden Abend in den Schlaf. Sie hat seit längerem Angst davor, die Augen zu schließen, weil Alpträume sie quälen und sie befürchtet, nicht mehr aufzuwachen. Das Aufstehen fällt ihr zusehends schwerer, weil sie voller Angst ist und sich wie gelähmt fühlt. Vor ca. einer Woche hat sie beschlossen, nicht mehr zur Arbeit zu gehen und stattdessen zu Hause im Bett liegen zu bleiben. Sie hat Angst vor der Welt und vor dem Leben. 274 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Psychische Störungen 1. Begriff „Psychische Störung“ Folie 2 Ein schlauer Psychologe sagte einmal, dass die Definition dessen, was als psychische Störung verstanden wird, sehr stark von der jeweiligen Kultur abhängig ist. Stimmt ihr dieser Aussage zu? Könnte es möglich sein, dass ein Verhalten, das heute als ‚gestört’ angesehen wird, morgen als ‚normal’, ‚nicht gestört’ gelten kann? 275 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Psychische Störungen 1. Begriff „Psychische Störung“ Folie 3 organisch bedingte psychische Störungen Störungen durch Einnahme von Substanzen Schizophrenie und verwandte Störungen affektive Störungen neurotische und sich körperlich äußernde Störungen Psychische Störungen Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen 276 posttraumatische Belastungsstörung Persönlichkeitsstörungen © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Intelligenzminderung Störungen in der Kindheit und Jugend Psychische Störungen 1. Begriff „Psychische Störung“ Folie 4 Arbeiten Sie hinsichtlich der Entstehung und der Äußerungsformen des angesprochenen Fehlverhaltens Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Beispiel 1: Karl-Otto, 10 Jahre alt, wird von der Polizei nach Hause gebracht, weil er – wieder einmal – im ortsansässigen Kaufhaus geklaut hat. Das ist jetzt schon das neunte Mal. Beispiel 2: Frau B. spürt bei einem Stadtbummel plötzlich einen starken Druck auf der Brust. Sie hat Angst, spürt ihr Herz rasen, bekommt kaum mehr Luft und kann sich vor Schwindel nicht mehr auf den Beinen halten. Sie hat intensive Angst zu sterben. Bei der Notaufnahme im Krankenhaus wird festgestellt, dass es keine organische Ursache für diese starken Herzbeschwerden gibt. 277 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Psychische Störungen 1. Begriff „Psychische Störung“ Arbeitsblatt 1 Vera weint sich jeden Abend in den Schlaf. Sie hat seit längerem Angst davor die Augen zu schließen, weil Alpträume sie quälen und sie befürchtet, nicht mehr aufzuwachen. Das Aufstehen fällt ihr zusehends schwerer, weil sie voller Angst ist und sich wie gelähmt fühlt. Vor ca. einer Woche hat sie beschlossen, nicht mehr zur Arbeit zu gehen und stattdessen zu Hause im Bett liegen zu bleiben. Sie hat Angst vor der Welt und vor dem Leben. Am nächsten Tag wird Vera von ihrer Freundin besucht. Auf die Frage ihrer Freundin, ob das schon länger so gehe, antwortet Vera: „Ja, schon längere Zeit. Das belastet mich unwahrscheinlich. Ich bin völlig verzweifelt und wünsche mir manchmal tot zu sein. Es gibt keine Hoffnung, Freude und Perspektive für mich, alles ist grau und zäh. Und ich fühle mich so eingeschränkt! Auch meine Mutter belastet die ganze Sache sehr, weil ich das Familienleben total durcheinander bringe.“ Die Freundin sagt zu Vera, dass das doch nicht normal sei, so starke Ängste zu haben. Vor allem, weil diese so beträchtlich seien, solle sie doch einen Psychotherapeuten aufsuchen. 1. Inwieweit kann das Verhalten von Vera als „normal“ gelten? Wann wäre Veras Verhalten als „noch normal“ bzw. „nicht mehr normal“ einzustufen: Wenn sie einmal im Jahr Angstzustände hätte, einmal im Monat, einmal in der Woche, täglich? 2. Wie wirken die Angstzustände auf Vera selbst? 3. Welche Folgen haben die Angstzustände hinsichtlich bestimmter Funktionen von Vera wie Denken oder Arbeiten? 4. Wie wirkt sich Veras Zustand auf die Familie aus? 278 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Diskutieren Sie diesen Fall hinsichtlich folgender Fragestellungen und notieren Sie Ihr Ergebnis: Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 1 Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemüh’n. […] Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält. (Zitat aus Goethes Faust) 279 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 2 Arbeitsanweisung: 1. Lesen Sie den Abschnitt und diskutieren Sie den Inhalt. 2. Machen Sie sich in Ihr Heft Notizen über dieses Merkmal von Wissenschaft. 280 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 3 a) Der Forscher X untersucht, in welchen Situationen bei Schülern/-innen Angst auftaucht und wodurch sie verursacht wird. b) Der Forscher Y untersucht, was Schüler/-innen mit ihrer Angst erreichen wollen. 281 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 4 Mein Kollege, Herr Bittner1, meint: Was sich heute wissenschaftliche Pädagogik nennt, ist eher ein buntscheckiges Gemisch von verschiedenen Auffassungen. 1 vgl. Bittner, Pädagogik und Psychoanalyse, 1989, S. 215 f. 282 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 5 Erklärende Position der Wissenschaft: Verstehende Position der Wissenschaft: Wissenschaft ist eine empirische Wissenschaft, die von konkreten Beobachtungen bestimmter Sachverhalte ausgeht und diese festhält. Wissenschaft hat die Aufgabe, Sinn- und Bedeutungszusammenhänge der Wirklichkeit zu erkennen und aufzudecken. Wissenschaft hat die Aufgabe, Gesetzmäßigkeiten aufzufinden und Theorien aufzustellen, um Gesetzmäßigkeiten also solche hinterfragen zu können. Es geht um das Erfassen des Zieles und Zweckes einer bestimmten Wirklichkeit und ihrem Sinnzusammenhang. Gesetzmäßigkeiten und Theorien lassen Voraussagen zu und geben Handlungsanweisungen, wie man Erleben und Verhalten bewusst, gezielt und geplant kontrollieren, beeinflussen und manipulieren kann. Dieses Verstehen lässt Anweisungen für das praktische Handeln gewinnen, um Erleben und Verhalten beeinflussen zu können. (vgl. König; in: Hierdeis (Hrsg.): Taschenbuch der Pädagogik, Teil 1, 19975, S. 183 f.) 283 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Folie 6 Ich sage: Wenn Psychologie eine Wissenschaft sein will, dann muss sie sich auf Dinge beschränken, die beobachtbar und erklärbar sind. Alles andere ist unwissenschaftlich. Mein Kollege Kurt Guss1 meint dagegen, dass kausale Denkmodelle ihren Platz in der Naturwissenschaft haben und dort solle man sie belassen, aber nicht in der Psychologie. Wenn es darum gehe, unser Leben zu verbessern, dann seien Modelle, in denen kein Platz für Willensfreiheit und Verantwortlichkeit sei, vollkommen unbrauchbar. 1 vgl. Guss, 15/2006, S. 7 284 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Wissenschaften haben sich zum Ziel gesetzt, die Wirklichkeit zu beobachten und zu beschreiben, Zusammenhänge zu erkennen sowie Gesetze und Gesetzmäßigkeiten aufzustellen. Sie gehen davon aus, dass die reale Welt bestimmten Gesetzlichkeiten unterliegt und mit Hilfe von Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten erklärt werden kann. Dabei geht es darum, Beziehungen und Zusammenhänge zwischen einzelnen beschriebenen Merkmalen herauszufinden. Das Herstellen von Beziehungen zwischen beschriebenen Merkmalen wird als Erklären bezeichnet. Dabei handelt es sich um Ursache-WirkungsZusammenhänge. Wurde eine Beziehung zwischen beschriebenen Merkmalen durch entsprechende Untersuchungen aufgefunden und bestätigt, so handelt es sich im Sinne der Naturgesetze um ein Gesetz. Gesetz in diesem Zusammenhang bezeichnet also eine durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellte Beziehung zwischen beschriebenen Merkmalen. Es hat sich durch entsprechende Untersuchungen immer wieder bestätigt. Wissenschaften jedoch, die es mit dem Menschen zu tun haben, ist es nicht möglich, Gesetze im Sinne von Naturgesetzen zu formulieren, Gesetze, die immer – ohne jegliche Ausnahme – in der Wirklichkeit zutreffen. Es kann sich nur um Wahrscheinlichkeitsaussagen handeln: Die durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellte Beziehung zwischen zwei Merkmalen besitzt zwar einen relativ hohen Allgemeinheitsgrad, im Einzelfall ist jedoch eine Abweichung möglich. Man spricht deshalb nicht von einem Gesetz, sondern von einer Gesetzmäßigkeit. In der Pädagogik und Psychologie kann es sich grundsätzlich nur um Gesetzmäßigkeiten handeln. Es ist nun Aufgabe von Wissenschaftlern, Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit herauszufinden. Auch in der Pädagogik und Psychologie geht es um das Auffinden von solchen. Aufgaben: 1. Lesen Sie bitte den Text und sprechen Sie mit Ihrem Nachbarn darüber. 2. Bestimmen Sie, was in diesem Text unter „Erklären“ verstanden wird. 3. Veranschaulichen Sie diese Auffassung von Wissenschaft an einem Beispiel aus der Psychologie. 4. Machen Sie sich zum Experten, um Ihren Mitschülern/innen diese Auffassung von Wissenschaft verständlich klarlegen zu können. 285 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 1a Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Wissenschaften haben sich zum Ziel gesetzt, die Wirklichkeit zu beobachten und zu beschreiben, Zusammenhänge zu erkennen sowie Gesetze und Gesetzmäßigkeiten aufzustellen. Sie gehen davon aus, dass die reale Welt bestimmten Gesetzlichkeiten unterliegt und mit Hilfe von Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten erklärt werden kann. Dabei geht es darum, Beziehungen und Zusammenhänge zwischen einzelnen beschriebenen Merkmalen herauszufinden. Das Herstellen von Beziehungen zwischen beschriebenen Merkmalen wird als Erklären bezeichnet. Wissenschaftler geben sich jedoch mit dem Herausfinden von Beziehungen zwischen beschriebenen Merkmalen, also dem Entdecken von Gesetzmäßigkeiten, nicht zufrieden, sie wollen klarlegen, warum bestimmte Merkmale (= Ursachen) sehr wahrscheinlich zu bestimmten Folgen (= Wirkungen) führen. Damit wird die Gesetzmäßigkeit selbst wieder zum erklärungsbedürftigen Gegenstand. Der Wissenschaftler sucht eine Antwort auf das Warum einer wissenschaftlich festgestellten Gesetzmäßigkeit (vgl. Laucken u. a., Einführung in das Studium der Psychologie, 19967, S. 21). Diese Art von Warum-Fragen kann bei Wissenschaften, die es mit dem Menschen zu tun haben, nicht anhand von Beobachtungen in der Realität untersucht werden. Aufgrund des Wissens über Zusammenhänge zwischen Merkmalen stellen Wissenschaftler Annahmen über nicht beobachtbare Prozesse im Menschen auf. Ein Gefüge solcher sinnvoll aufeinander bezogenen Annahmen wird als Theorie bezeichnet (Laucken, S. 23). Theorie aus der Sicht dieser Position ist also die Bezeichnung für sinnvoll aufeinander bezogene Annahmen über nicht beobachtbare Prozesse im Menschen, um eine Gesetzmäßigkeit erklären zu können. Mit Hilfe einer Erklärung können Voraussagen über die Beziehung zwischen beschriebenen Merkmalen gemacht und Handlungsanweisungen gegeben werden, wie man Erleben und Verhalten bewusst und gezielt ändern kann. Diese Position des Erklärens finden wir vornehmlich in den Naturwissenschaften vor, die Vorgänge und Gesetze der Natur erforschen. Voraussetzung für Erklärungen ist immer eine Beschreibung, die an eine Beobachtung geknüpft ist. Beobachtbar bedeutet grundsätzlich „der Erfahrung zugänglich“. Deshalb werden Methoden, die der Beobachtung eines bestimmten Sachverhaltes dienen, erfahrungswissenschaftliche Methoden oder auch empirische Methoden1 genannt. Die wichtigsten empirischen Methoden sind die Beobachtung, die Befragung bzw. das Interview, der Test und das Experiment. Die mittels empirischer Methoden gesammelten Daten werden mit Hilfe statistischer Verfahren ausgewertet. Aufgaben: 1. Lesen Sie bitte den Text und sprechen Sie mit Ihrem Nachbarn darüber. 2. Bestimmen Sie, was in diesem Text unter „Theorie“, „Naturwissenschaft“ und „erfahrungswissenschaftliche bzw. empirische Methoden“ verstanden wird. 3. Veranschaulichen Sie diese Auffassung von Wissenschaft an einem Beispiel aus der Psychologie. 4. Machen Sie sich zum Experten, um Ihren Mitschülern/innen diese Auffassung von Wissenschaft verständlich klarlegen zu können. 1 empirisch (griechisch): auf Erfahrung beruhend 286 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 1b Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 1. Merkmale und Auffassungen von Wissenschaft Eine für Pädagogik und Psychologie wesentliche Richtung von Wissenschaften hat sich zum Ziel gesetzt, sich mit Sachverhalten zu beschäftigen, mit denen ein Sinn, ein Zweck verbunden ist. Dabei geht es darum, Sinn- und Bedeutungszusammenhänge von Gegebenheiten, wie zum Beispiel menschlichem Tun, zu erkennen und aufzudecken. Menschliches Erleben und Verhalten kann zwar einerseits bedingt sein durch bestimmte Ursachen, es wird aber andererseits von den Zielvorstellungen, von den Absichten des handelnden Menschen bestimmt. Die Psychologie unterscheidet deshalb zwischen ursächlich bedingtem Verhalten und zielgerichtetem Handeln, um vor allem der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Mensch bewusst und überlegt wirken, mit seinem Tun bestimmte Absichten verfolgen kann und keineswegs nur als reines „Reaktionswesen“ anzusehen ist. Das Herausfinden des Sinn- bzw. Bedeutungszusammenhanges einer bestimmten Wirklichkeit und das Erfassen von Sinnstrukturen werden in der Wissenschaftstheorie als Verstehen bezeichnet. Erleben und Verhalten sowie pädagogisches Handeln kann durch das Herausfinden des Zieles, durch die Ermittlung von Sinnzusammenhängen nicht erklärt, sondern verstanden werden. Über das Erfassen von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen haben Wissenschaftler Annahmen – also Theorien – über nicht beobachtbare Prozesse im Menschen aufgestellt. Theorie aus der Sicht dieser Position ist also die Bezeichnung für sinnvoll aufeinander bezogene Annahmen über nicht beobachtbare Prozesse im Menschen, um den Sinn- und Bedeutungszusammenhang einer Gegebenheit verstehen zu können. Mit Hilfe des Verstehens können Anweisungen für das praktische Handeln gegeben werden. Verstehen bezieht sich jedoch nicht nur auf das menschliche Handeln in einer gegebenen Situation, sondern auf ganze Epochen in Vergangenheit und Gegenwart mitsamt den dort gültigen Ziel-, Wert- und Normvorstellungen. Methoden, die dem Verstehen dienen, werden als geisteswissenschaftliche Methoden bezeichnet. Die wichtigsten geisteswissenschaftlichen Methoden sind die Hermeneutik, die Phänomenologie und die Dialektik. Aufgaben: 1. Lesen Sie bitte den Text und sprechen Sie mit Ihrem Nachbarn darüber. 2. Bestimmen Sie, was in diesem Text unter „Verstehen“, „Theorie“, „Geisteswissenschaft“ und „geisteswissenschaftliche Methoden“ verstanden wird. 3. Veranschaulichen Sie diese Auffassung von Wissenschaft an einem Beispiel aus der Pädagogik. 4. Machen Sie sich zum Experten, um Ihren Mitschülern/innen diese Auffassung von Wissenschaft verständlich klarlegen zu können. 287 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsblatt 1c Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Folie 1 Die Methode ist der „Schlüssel“ zur Antwort auf das Problem, das der Forscher lösen will. 288 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Folie 2 Handelt es sich hierbei um eine Beobachtung? Wenn ja, teilen Sie das Beispiel der jeweiligen Beobachtungsart zu. ü Ich habe Hunger. ü Auch eine Schnecke kann sich freuen. ü Mein Banknachbar lässt mich immer spicken. ü Blumen können Zuwendung empfinden. ü Ich bin heute nicht gut drauf. ü Meine Freundin ist heute nicht gut drauf. ü Tiger sind gutmütiger als Löwen. 289 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Folie 3 Um zu Aussagen zu kommen, die tatsächlich der Wirklichkeit entsprechen, beobachtet ein Wissenschaftler geplant, gezielt, exakt und kontrolliert. Laien beobachten dagegen meist nicht geplant bzw. gezielt, ihre Beobachtung ist mehr zufälliger Art. Das bedeutet, dass der Wissenschaftler, bevor er mit seiner Untersuchung beginnen will, genau festlegt, welchen Sachverhalt er untersuchen will, also, was genau beobachtet werden soll. Im Gegensatz zum Laien, der meist global beobachtet und seine Beobachtung meistens auf das gesamte Geschehen richtet, beschränkt sich der Wissenschaftler auf einen ganz bestimmten Teilbereich, den er aufgrund dessen, was er wissen will, auswählt. Diesen Bereich will er dann möglichst genau erfassen und festhalten. Zudem legt er genau fest, wie beobachtet wird. Er bestimmt auch genau, womit beobachtet wird, welche Beobachtungshilfen er benutzt. Solche Hilfen können zum Beispiel Beobachtungsbögen sein, deren Fixierung genau ausgeklügelt ist, ein Tonband, ein Film oder andere Erfassungsmöglichkeiten. Laien machen sich da nicht soviel Gedanken, sie handeln mehr intuitiv; sie legen kaum exakt fest, was, wie und womit sie beobachten wollen. Dennoch sind die Grenzen zwischen einer wissenschaftlichen – sprich systematischen – Beobachtung und der eines Laien fließend, beide Formen können nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Alles klar? Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Folie 4 Arbeitsauftrag: 1. Beschaffen Sie sich Informationen über das Ihnen zugewiesene Kriterium wissenschaftlichen Arbeitens mithilfe von eigenen Aufzeichnungen, des Schulbuchs, von Lexika oder des Internets. 2. Setzen Sie sich mit diesem Kriterium auseinander. 3. Zeigen Sie dieses Kriterium am Beispiel „FOS/BOS-Schüler/innen sind intelligenter als gleichaltrige Gymnasiasten“ auf. 4. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie „Ihr“ Kriterium wissenschaftlichen Vorgehens Ihren Mitschülern/innen verständlich erläutern können. 291 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Arbeitsblatt 1 Beobachtungsbogen Aufgabe: Beobachten Sie und machen Sie Striche: Beobachten Sie und machen Sie Striche … Schüler(in) 1 Schüler(in) 2 Wie oft mit Fingern in das Gesicht gefasst? Wie oft „hm“ oder „äh“ gesagt? Wie oft die Stirn hochgezogen bzw. gerunzelt? Wie oft mit der Hand über das Haar gestrichen? Wie oft die Hände auf dem Schoß? Wie oft auf dem Stuhl gerutscht? © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Wie oft den anderen nicht ausreden lassen? 292 Wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik und Psychologie 2. Erkenntnisgewinnung am Beispiel der Beobachtung Arbeitsblatt 2 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Arbeitsauftrag: 1. Sprechen Sie in der Gruppe über den Schritt des methodischen Vorgehens. 2. Veranschaulichen Sie diesen Schritt an der Behauptung „Kinder in Kindergärten von Großstädten sollen aggressiver sein als Kinder in Kindergärten von Kleinstädten“. 3. Notieren Sie Ihre Ergebnisse. 293 Heil- bzw. Sonderpädagogik 1. Der Begriff „Heil- bzw. Sonderpädagogik“ Folie 1 „Beim Einkaufen muss ich regelmäßig jemanden bitten, wenn ich etwas aus den oberen Regalen oder schon aus den mittleren, die ziemlich weit zurückliegen, haben möchte. Das ist dann einfach oft so, dass man aus dem Laden herausgeht und hat das, was man möchte, nicht gekauft.“ (Schott; in: Klee, Behinderten-Report II, 1992, S. 13) 294 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 1. Der Begriff „Heil- bzw. Sonderpädagogik“ Folie 2 Sind folgende Beispiele der Heil- bzw. Sonderpädagogik zuzuordnen? ü Gehörlosigkeit ü Schulversagen ü Depression ü alte Leute ü Drogenabhängigkeit ü Kinderlähmung 295 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 1. Der Begriff „Heil- bzw. Sonderpädagogik“ Folie 3 Behinderung oder Verhaltensstörung? – Ordnen Sie die Beispiele zu. ü David hört seit seiner Geburt nichts. ü Frau Kelber traut sich kaum aus dem Haus, weil sie so ängstlich ist. ü Christian hat Kinderlähmung und ist an den Rollstuhl gefesselt. ü Otto schafft es nicht, sich in der Schule 45 Minuten auf einen Gegenstand zu konzentrieren. ü Ilse wird eingeschult – sie schreibt aber lauter schlechte Noten. 296 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 1. Der Begriff „Heil- bzw. Sonderpädagogik“ Arbeitsblatt 1 Heilpädagogik ist der ältere Begriff und versteht sich als ein auf „Heilung“ abzielendes Lehrsystem. Dieser seit ca. 1860 gebräuchliche Begriff blieb nicht unumstritten. Den Grund hierfür bildet die Vorsilbe „heil“, die den falschen Eindruck erweckt, als würde – etwa in Anlehnung an die Medizin – „geheilt“ werden. Zudem gibt es beeinträchtigte Menschen wie zum Beispiel Behinderte, die nicht zu heilen sind, und die Aufgabe der Pädagogik liegt ja auch gerade darin, nach den Möglichkeiten der Erziehung zu suchen, wo etwas Unheilbares vorliegt. Zum anderen ist der Begriff „Heil“ leicht missverständlich im Sinne der religiösen Bedeutung vom Seelenheil: Heilpädagogisches Erziehenwollen ist Heilswille am Menschen, letztlich „Seelsorge“ und führt zum „Heil der Seele“ (vgl. Speck, System Heilpädagogik, 20086, S. 50) Deshalb versuchte man in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts den Begriff Heilpädagogik durch „Sonderpädagogik“ zu ersetzen. Doch dieser Begriff ist von seiner Geschichte her zu sehr von der Sonderschule bestimmt und wird nahezu ausschließlich im Bereich der Sonderschullehrer und im Sinne der Sonderschulpädagogik verwendet. Er ist deshalb ein einengender Begriff, der seinen Gegenstand nur zum Teil abdeckt (Speck, S. 50). Gegen den Begriff Sonderpädagogik wird zudem eingewandt, dass er auf „Abnormität“ hinweise und das Aussondern nahe lege. Heute kehrt man wieder zu dem Begriff „Heilpädagogik“ zurück. In dem Wort „heil“ steckt die alte semantische Bedeutung von „ganz“ und meint damit ganzheitliche Orientierung in der Erziehung, der es im Besonderen um die Herstellung oder Wiederherstellung der Bedingungen für eigene Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit, für den Erwerb von Kompetenz und Lebenssinn geht, soweit es dazu spezieller Hilfe bedarf (Speck, S. 56). Das Wort „heil“ bezieht sich also nicht auf eine Heilung im medizinischen Sinne, es geht dabei um eine ganzheitliche Förderung des Beeinträchtigten mit seinen persönlichen Eigenarten und Begabungen und in seinem gesamten sozialen Umfeld. Aufgaben: 1. Fassen Sie jeweils die Kritik an den Begriffen „Heilpädagogik“ und „Sonderpädagogik“ zusammen. 2. Erläutern Sie, warum sich in der heutigen Zeit wieder mehr der Begriff „Heilpädagogik“ gegenüber dem der „Sonderpädagogik“ durchsetzt. 297 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Die Problematik der Begriffe Heilpädagogik und Sonderpädagogik Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 1 Georg ist aufgrund einer Schädigung seines Stütz- und Bewegungsapparates gehunfähig und in seinen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt. Er ist auf den Rollstuhl und auf fremde Hilfe angewiesen und kann nicht mehr seinen Beruf ausfüllen. Auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist sehr begrenzt. Arbeiten Sie hinsichtlich der Ursache und den Folgen für Georg Merkmale von Behinderung heraus. 298 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 2 Handelt es sich bei den Beispielen um eine Behinderung? Begründen Sie Ihre Entscheidung. ü Otto hat einen Gipsfuß, weil er sich beim Skifahren den Fuß gebrochen hat. ü Frau Demling hat von Geburt an eine spastische Lähmung. ü Ines besucht die Sonderschule, weil sie in ihrer Lernfähigkeit sehr eingeschränkt ist. ü Seit Karl in der Pubertät ist, haben seine Leistungen in der Schule erheblich nachgelassen. ü Herr Ginzhaus hatte einen schweren Autounfall und kann seitdem nicht mehr seinen Beruf ausüben. 299 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 3 300 Art der Behinderung Schädigung Funktionsausfall geistige Behinderung, Lernbehinderung Hirnschädigung, Schädigung des ZNS Denken, Intelligenz Sprachbehinderung Schädigung der Sprachorgane Sprache Sinnesbehinderung Sinnesbeschädigung Wahrnehmung Körperliche Behinderung Schädigung des körperlichen Stütz- und Bewegungssystems, Missbildung der Bewegungsorgane Bewegungsverhalten © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 4 Ordnen Sie der jeweiligen Art der Behinderung zu. ü Fehlstellung der Wirbelsäule ü Schwerhörigkeit ü spastische Lähmung ü Leistungsbeeinträchtigung ü Stottern ü Kinderlähmung ü leichte Intelligenzminderung 301 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 5 302 Schädigung Grundbehinderung Folgebehinderung Schädigung des Innenohrs Schwerhörigkeit Sprachbehinderung Lernbehinderung © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 6 Nach den Ursachen von Behinderung gefragt, haben Umfragen folgende Antworten ergeben: „Das kommt vom Trinken und Rauchen!“ „Falsche Erziehung hat behinderte Kinder zur Folge!“ „Die Mütter schluckten zu viele Tabletten und jetzt haben sie das Ergebnis!“ 303 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 7 Arbeitsauftrag: 1. Setzen Sie sich mit den angesprochenen Ursachen auseinander. 2. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie diese Ursachen der Klasse präsentieren. 304 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Folie 8 Der Lehrer von Karl, der vor einem halben Jahr eingeschult wurde, erzählt den Eltern, die er zur Sprechstunde geladen hat, dass Karls Lernen sehr verlangsamt ablaufe und er den Umfang des Lernstoffes kaum bewältigen könne. Er sei sich nicht sicher, ob Karl die Regelschule schaffe. Der Intelligenztest, den die Eltern daraufhin bei Karl durchführen lassen, ergibt einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten. 305 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Arbeitsblatt 1 Arten der Behinderung Ein wesentliches Merkmal, das eine Behinderung von einer anderen Beeinträchtigung unterscheidet, sind nachweisbare organische Schäden wie zum Beispiel Sinnesschädigung, Schädigung des körperlichen Stütz- und Bewegungssystems, Missbildung der Bewegungsorgane, Hirnschädigung, Schädigung des Zentralnervensystems oder der Sprachorgane. Entsprechend der unterschiedlichen Schädigungen kann man verschiedene Arten der Behinderung unterscheiden: ü geistige Behinderungen, die im Bereich der Intelligenz und des Denkens beeinträchtigen ü Lernbehinderungen, die das Lernen und damit die Schulleistungen derart einschränken, dass Betroffene in einer „Normalschule“ nicht hinreichend gefördert werden können ü Sprachbehinderungen, die die Mitteilungs- und Ausdrucksfähigkeit sowie das Sprachverständnis beeinträchtigen ü Sinnesbehinderungen, die die Wahrnehmung (z. B. Sehen, Hören) einschränken. Darunter fallen sehbehinderte, blinde, schwerhörige und taube Menschen. Aufgabe: Ordnen Sie der jeweiligen Art der Behinderung die entsprechende Schädigung und den Funktionsausfall zu: Art der Behinderung 306 organische Schädigung Funktionsausfall © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 ü Körperbehinderungen, die die Bewegungsfreiheit und/oder Feinmotorik erheblich und dauerhaft eingeschränken. Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Arbeitsblatt 2a Im Vergleich zum Menschen ohne Behinderung verlaufen die Lernprozesse beim Lernbehinderten verlangsamt ab. Der Umfang an Lernstoff, der bewältigt werden kann, ist deutlich reduziert und die Lernprozesse laufen auf einer einfacheren Ebene ab. Die Konzentration ist vor allem bei umfassenden, für den Lernbehinderten schwierigen, Anforderungen vermindert. Die Konzentrationsleistung unterliegt deutlichen Schwankungen. Die Gedächtnisleistungen sind gegenüber dem Nichtbehinderten geringfügig schlechter. Der Ablauf der Denkprozesse ist verlangsamt und die Denkvollzüge sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Abstraktionen, Transferleistungen und die Begriffsbildung gelingen weniger gut. Die Wahrnehmungsleistungen sind im Hinblick auf Differenziertheit und Genauigkeit vermindert. Die Sprachleistungen des Lernbehinderten liegen deutlich unter dem Leistungsstand des Nichtbehinderten. Neben einer allgemeinen Sprachentwicklungsverzögerung sind Mängel in der differenzierten Lautbildung, im Wortschatz und in der Grammatik zu beobachten. Oft kommt es zu Sprachfehlern. Im Bereich der Motorik zeigen sich Entwicklungsverzögerungen, die in Problemen bei der Koordination von Handlungsabläufen, in der Reaktionsgeschwindigkeit, in der Genauigkeit und Präzision von Handlungen und im Krafteinsatz deutlich werden. Soziale Situationen werden im geringen Umfang analysiert und Konflikte können nur begrenzt bewältigt werden. Die Übernahme von sozialen Rollen fällt dem Lernbehinderten schwer. Es bestehen Probleme, die angemessene soziale Distanz zum Sozialpartner einzuhalten. Die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit sind weniger gut entwickelt. Der Lernbehinderte wird stärker und unmittelbarer von seinen Bedürfnissen beeinflusst. Er lässt sich eher passiv treiben und gestaltet sein Leben nicht zielstrebig genug. (vgl. Kanter, 199515, S. 106) Aufgaben: 1. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie die in dem Text genannten Erscheinungsformen einer Lernbehinderung Ihrem Nachbarn darbieten können. 2. Entwerfen Sie gemeinsam auf einer Folie bzw. einem Plakat eine Übersicht über die Erscheinungsformen einer Lernbehinderung. 307 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Erscheinungsformen einer Lernbehinderung Heil- bzw. Sonderpädagogik 2. Die Behinderung als Gegenstand der Heilpädagogik Arbeitsblatt 2b Gerade die Lernbehinderung zeigt deutlich, dass es nicht nur funktionelle Schädigungen sind, die eine Behinderung entstehen lassen, sondern auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Zum einen werden als Ursachen bei der Entstehung einer Lernbehinderung genetische Faktoren genannt: Inwieweit Anlagefaktoren an der Entstehung einer Lernbehinderung beteiligt sind, lässt sich jedoch nur schwer nachweisen. Es wird davon ausgegangen, dass weniger genetische, sondern mehr organische Faktoren mitwirken als bisher angenommen. Bei allen organischen Schädigungen, die vor, während und nach der Geburt auftreten können, kann man eine Einschränkung der Lernprozesse prognostizieren. Es wird davon ausgegangen, dass bei einer „schweren“ Lernbehinderung die organischen Ursachen die entscheidende Rolle spielen, während bei leichteren Formen Umwelteinflüsse im Vordergrund stehen. Nicht zu unterschätzen sind Fehlformen in der Erziehung wie Ablehnung, Vernachlässigung, Laisser-faire, unzureichende emotionale Zuwendung, Geborgenheit und emotionale Wärme im frühen Kindesalter sowie mangelnde Anregung und Förderung wie fehlende Spiel-, Experimentier- und Betätigungsmöglichkeiten, sprachliche Anregung u. Ä. Sie können die Entwicklung der Hirnsubstanz stören und so zu Lernbehinderung führen. Auch sozioökonomische Faktoren wie wirtschaftliche Verhältnisse, Wohnsituation oder Einkommensverhältnisse u. Ä. können bei der Entstehung einer Lernbehinderung eine Rolle spielen. In der letzten Zeit rücken mehr Erkenntnisse und Sichtweisen in den Vordergrund, die vor allem eine Lernbehinderung als gesellschaftlich bedingt ansehen. Negative Bewertungen und Erwartungshaltungen seitens der Gesellschaft oder einer ihrer Gruppen sowie Vorurteile führen zu einer negativen Bewertung der eigenen Fähigkeiten, was zur Folge haben kann, dass das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit verloren geht. Dabei sind die genannten Faktoren eng miteinander verbunden. Nach neueren Erkenntnissen ist es kaum möglich, dass – ausgenommen bei schwerer funktioneller Schädigung – lediglich eine dieser genannten Ursachen eine Lernbehinderung hervorruft. Erst durch das Zusammenspiel mehrerer Ursachen kann es zu dieser Behinderung kommen. Aufgaben: 1. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie die in dem Text genannten möglichen Ursachen einer Lernbehinderung Ihrem Nachbarn darbieten können. 2. Entwerfen Sie gemeinsam auf einer Folie bzw. einem Plakat eine Übersicht über die möglichen Ursachen einer Lernbehinderung und ihr Zusammenspiel. 308 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Mögliche Ursachen einer Lernbehinderung Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 1 „Vor Zeiten gab’s ein kleines Land, worin man keinen Menschen fand, der nicht gestottert, wenn er redte, nicht, wenn er ging, gehinket hätte, denn beides hielt man für galant. Ein Fremder sah den Übelstand. Hier, dachte er, wird man dich im Gehn bewundern müssen und ging einher mit steifen Füßen. und alle lachten, die ihn sahn, und jeder blieb vor Lachen stehen und schrie: Lehrt doch den Fremden gehen! Der Fremde hielt’s für seine Pflicht, den Vorwurf von sich abzulehnen. Ihr, rief er, hinkt, ich aber nicht! Den Gang müsst ihr euch abgewöhnen! Das Lärmen wird noch mehr vermehrt, da man den Fremden sprechen hört. Er stammelt nicht; genug der Schande! Man spottet sein im ganzen Lande“ (C. F. Gellerts sämmtliche Schriften, 1. Teil, 1769, S. 22) 309 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Er ging, ein jeder sah ihn an, Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 2a Findest Du Homosexualität normal? Die Ethnologie hat entdeckt, dass die Frauen und Männer der Marind-Anim von Neu-Guinea ausschließlich homosexuell waren. Die jährlich einmalige Paarung zwischen Männern und Frauen galt nur der Erzeugung von Nachkommenschaft und stellte eine Form von so ekelerregender Abartigkeit dar, dass dabei Impotenz nahezu als Norm auftrat. Die Marind-Anim waren der Überzeugung, kein Mann könne je das Verlangen nach Geschlechtsverkehr mit einer Frau empfinden, wenn er nicht vorher den Göttern ein Opfer brächte. (vgl. Bornemann, Lexikon der Liebe, 1968, S. 463) 310 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 2b Findest du es normal, wenn ein Mann mit einem kleinen Mädchen schläft? Die Ethnologie hat entdeckt, dass bei den Leptschas in Indien sexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern und 6-jährigen Mädchen weder verboten noch unüblich, also „ganz natürlich“ waren. (vgl. Schorsch; in Sigusch, Therapie sexueller Störungen, 1975, S. 120) 311 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 3 „Behindert ist man nicht – behindert wird man.“ (Heiden; in: Strickstrock, Die Gesellschaft der Behinderer, 1997, S. 13) 312 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 4a Ein missgebildetes Mädchen erzählt: „Als ich anfing, allein in den Straßen unserer Stadt spazieren zu gehen, da fand ich heraus, dass immer, wenn ich zufällig an Kindern vorbeigehen musste, sie mir etwas nachzurufen pflegten. Manchmal rannten sie sogar schreiend und spottend hinter mir her.“ (Goffman, Stigma, 2008, S. 27 f.) 313 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 4b „Als ich schließlich aufstand […] und gelernt hatte, wieder zu gehen, nahm ich eines Tages einen Handspiegel und ging zu einem großen Spiegel, um mich von allen Seiten anzusehen. […] Diese Person da im Spiegel konnte ich nicht sein. Innerlich fühlte ich mich wie eine gesunde, gewöhnliche, glückliche Person – oh, nicht wie die da in dem Spiegel! Doch wenn ich mein Gesicht zum Spiegel wandte, waren da meine eigenen Augen, die brennend vor Scham zurückblickten. […] Es konnte nicht in das Innerste meines Wesens eindringen und ein integrierter Teil von mir werden. Ich fühlte mich, als hätte es mit mir nichts zu tun; es war nur eine Verkleidung […], wie die Verkleidungen im Märchen, und ich selbst war dadurch verwirrt hinsichtlich meiner eigenen Identität. Ich sah in den Spiegel und war von Grauen gepackt, denn ich erkannte mich selbst nicht. […] Es war nur eine Verkleidung, aber sie war an mir, lebenslänglich …“ (Goffman, Stigma, 2008, S. 17) 314 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Folie 5 „Künftige soziale Belastungen der Allgemeinheit sind gering zu halten. Daher ist sowohl der Erzeugung oder Geburt behinderter Kinder entgegenzuwirken, als auch eine übermäßige Belastung durch die Bildungspolitik zu vermeiden. Maßstab für dieselbe ist, dass jede Ausbildung dem Bedarf entsprechen muss und andererseits der vorhandenen Begabung gerecht werden muss.“ (Ramm*, Jugendrecht, 1996, S. 558) * Thilo Ramm ist Rechtswissenschaftler 315 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Arbeitsblatt 1a Viele Probleme von Menschen mit Beeinträchtigungen wie Behinderungen entstehen aus dem Verhältnis von Mehrheit und Minderheit zu Ungunsten der letzteren. Die Mehrheit diktiert ihre Normen als verbindlich auch für andere – abweichende – Personen bzw. Personengruppen. Diese werden zu „Außenseitern“ oder „Randfiguren“ und zwar in den Augen einer Majorität mit höherem sozialen Ansehen und mehr sozialer Macht. So kommt es, dass Menschen mit Behinderung als „minderwertig“ abgeurteilt werden, was Distanzierungen und Diskriminierungen, unter Umständen auch Aggressionsund Gewalthandlungen zur Folge haben kann. Diese Abwertung von Beeinträchtigten wird verstärkt durch Normen, die in einer Gesellschaft von hohem Rang sind. Solche Normen in unserer Gesellschaft sind beispielsweise Leistungsfähigkeit und kognitive Fähigkeiten wie Intelligenz, gesellschaftliche Anpassung oder Vitalität und Schönheit (vgl. Speck, System Heilpädagogik, 20086, S. 218 f.). © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Setzen Sie sich mit diesem Text auseinander und veranschaulichen Sie die Aussage mit einem Beispiel aus Ihrem Lebensbereich. 316 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Arbeitsblatt 1b Nach der strukturell-funktionalen Theorie von Talcott Parsons werden Abweichungen von für gültig gehaltenen Normen als „Störung“ des gesellschaftlichen Gleichgewichts verstanden. Eine Gesellschaft ist immer daran interessiert, dass sich ihre Mitglieder „konform“ – entsprechend der Normen – verhalten, um die für sie gültig gehaltenen Normen zu erhalten. Weicht ein Mensch von einer für gültig gehaltenen Norm ab, wird dieses Verhalten in der Regel nicht akzeptiert, er erfährt negative Sanktionen wie beispielsweise Ablehnung, Spott, Bekämpfung, Feindseligkeit, Ausstoßung, Verachtung und dgl. Diese gegen den „Abweichler“ gerichteten negativen Sanktionen haben dementsprechend eine „normerhaltende Funktion“. Insofern erzeugt jede Gesellschaft einen Teil ihrer „auffälligen“ Menschen selbst. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Setzen Sie sich mit diesem Text auseinander und veranschaulichen Sie die Aussage mit einem Beispiel aus Ihrem Lebensbereich. 317 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Arbeitsblatt 1c Ein abweichendes Verhalten wird von dem Beeinträchtigten selbst ebenfalls als solches empfunden mit all seinen Folgen für sein Selbstbild und Selbstwertgefühl. Das Problem, das Mitglieder einer Gesellschaft mit abweichendem Verhalten wie zum Beispiel einer Behinderung haben, wird zum Problem desjenigen, der dieses abweichende Verhalten zeigt. Es geht dabei um ein normverletzendes Verhalten einer Person, das auch von dieser als solches empfunden wird. „Der Nichtgenormte wird als Verrückter genormt“ (Ludwig Marcuse). © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgabe: Setzen Sie sich mit diesem Text auseinander und veranschaulichen Sie die Aussage mit einem Beispiel aus Ihrem Lebensbereich. 318 Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Arbeitsblatt 2 Asylanten sollen in ehemalige „Post“ Vier Wochen, bevor voraussichtlich die ersten Asylbewerber kommen, hat sich eine zweite Bürgerinitiative gegen Asylanten formiert. Anwohner in der Innenstadt wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Flüchtlinge in der ehemaligen Pension „Post“ einquartiert werden. Der Leiter eines benachbarten Gymnasiums hegt „schlimme Befürchtungen“, wenn das Asylantenheim direkt neben der Schule unterkäme. Zehn Eltern hätten ihm bereits gedroht, ihre Kinder von der Schule zu nehmen – aus Angst, dass die Kinder „über die Ausländer mit Rauschgift in Berührung kommen und Mädchen vergewaltigt werden“. Einige Väter und Mütter hätten die Sorge geäußert, die Flüchtlinge könnten „Räume des Gymnasiums besetzen, weil sie in der ‚Post’ zu wenig Platz haben“. Der Schulleiter meint weiter, dass die Schule „eine Abwanderungswelle sehr hart treffen würde“. Der Erziehungsauftrag des Gymnasiums sei „möglicherweise auf Dauer gefährdet, wenn wir in den Bereich der Ausstrahlung einer solchen Menschengruppe kommen“. Im Interesse der Schule müsse er sich deshalb gegen die Einquartierung der Flüchtlinge wehren. Für das Gymnasium brächte das Asylantenheim „verheerende Auswirkungen mit sich, wenn man sich vorstellt, dass da 70 bis 80 junge Männer direkt daneben nichtstuend herumlungern“, so ein benachbarter Zahnarzt. „Mit Bestürzung“, so schreiben auch andere Einrichtungen in der Nähe, hätten sie „zur Kenntnis genommen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein Asylantenwohnheim eingerichtet werden soll“. Zwar sei es ihnen als kirchlichen Einrichtungen „ein Hauptanliegen, in Not geratene Menschen zu unterstützen“. Doch seien von der „massenhaften Unterbringung von Asylanten vielfach negative Einflüsse auf die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu befürchten“. Es sei abzusehen, heißt es in dem Schreiben weiter, dass sich die Flüchtlinge „in Gruppen irgendwelchen für die Anwohner störenden Beschäftigungen zuwenden“. Ferner prophezeien die Unterzeichner „übermäßigen Alkohol- oder Rauschmittelgenuss“ der Asylbewerber sowie „kleinere kriminelle Delikte“. Ein Unterzeichner dieses Schreibens: „Wenn die kommen, steigt die Kriminalitätsrate mit Sicherheit an!“ Ein in der Nähe wohnender Zahnarzt befürchtet, dass seine Praxis unter dem Flüchtlingsheim leiden wird: „Die Asylanten setzen sich da ins Wartezimmer und blockieren es!“ (vgl. DonauKurier Nr. 192 vom 23./24.08.1986, verändert wegen der Namen) Aufgaben: 1. Wie reagiert die Umwelt auf das Vorhaben, Asylanten in einer ehemaligen Pension „Post“ in der Innenstadt unterzubringen? 2. Veranschaulichen Sie an diesem Fall die Stigmatisierungstheorie. 319 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Anwohner und benachbarte Schulen melden sich mit massiven Protesten zu Wort / Anstieg der Kriminalitätsrate befürchtet Heil- bzw. Sonderpädagogik 3. Behinderung aus sozialtheoretischer Sicht Arbeitsblatt 3 Siehe Kapitel 20.1.4 oder Speck, System Heilpädagogik, 20086, S. 156–172. Aufgaben (für alle vier Texte): 1. Fassen Sie den Text zusammen, indem Sie thesenartig die Aussage dieses Textes festhalten. 2. Arbeiten Sie ein Impulsreferat über die Textaussage aus. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 3. Visualisieren Sie Ihr Referat auf einer Folie oder einem Plakat. 320 Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Folie 1 Zita, 7 Jahre alt, wurde vor einem halben Jahr eingeschult. Die Lehrerin von Zita lädt ihre Eltern in die Sprechstunde und rät ihnen, Zita einem Schultest unterziehen zu lassen, weil sie enorme Schwierigkeiten in der Schule zeige. Dem kamen die Eltern nach. Der Test ergab folgendes Ergebnis: Zitas Lernen läuft sehr verlangsamt ab und sie kann den Umfang des Lernstoffes kaum bewältigen. Dieser – der Umfang – ist gegenüber den Mitschülern deutlich reduziert und die Lernprozesse laufen auf einer einfacheren Ebene ab. Auch die Konzentration ist vor allem bei komplexeren und schwierigeren Anforderungen vermindert, sie unterliegt deutlichen Schwankungen. Abstraktionen, Transferleistungen und Begriffsbildungen gelingen kaum, der Ablauf der Denkprozesse ist verlangsamt und die Denkvollzüge sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Ebenso liegen die Sprachleistungen deutlich unter dem Leistungsstand ihrer Mitschülerinnen, es sind vor allem Mängel in der differenzierten Lautbildung, im Wortschatz und in der Grammatik zu beobachten. Sprachfehler sind keine Seltenheit. 321 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Folie 2 Bernd ist 9 Monate alt. Er hat das Down-Syndrom. Seitdem gibt es in der Familie von Bernd Spannungen: Der Vater wollte, dass seine Frau abtreibt, als er erfuhr, das das Kind am Down-Syndrom erkrankt sei. Doch sie wollte das nicht. Der Vater konnte sich aber mit der Geburt eines behinderten Kindes nicht abfinden, er ist seitdem kaum zu Hause und hat auch keine Beziehung zu seinem Sohn Bernd. Alle pflegerischen und erzieherischen Maßnahmen überlässt er seiner Frau. Die Mutter fühlt sich alleine gelassen und ist mit der Betreuung von Bernd und der gesamten Hausarbeit überfordert. Sie zeigt seit der Geburt ihres Sohnes starke depressive Symptome. Sie weiß auch nicht, was sie tun soll und wer ihr helfen kann. So legt sie meist den Jungen in seinen Korbwagen und zieht die Vorhänge dicht zu. Die Mutter meint, dass Bernd sehr lieb sei und viel Ruhe benötige. Außer einer kleinen Rassel hat Bernd nichts in seinem Bettchen. (vgl. Diakonisches Werk, geistig behindert, 1978, S. 60) 322 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Folie 3 Im Unterstützungsmanagement steht die Erschließung aller möglichen Hilfsquellen, die einer Hilfe suchenden Person – zum Beispiel einem Behinderten – in einem Gemeinwesen zur Verfügung stehen, im Vordergrund. Den Klienten sind die Unterstützungsmöglichkeiten jedoch nicht zwangsläufig bekannt und unter den verschiedenen Anbietern (Trägern sozialer Dienste) mangelt es häufig an Kooperation und bedarfsgerechten Angeboten. Deshalb geht es auch um die Koordination dieser Hilfsquellen, um eine möglichst effektive Hilfe zu gewährleisten. Diese Erschließung und Koordination bedarf einer sorgfältigen Planung und Ablauforganisation, Dabei bewerkstelligt nicht der Case Manager für den Klienten die Unterstützung, der Klient wird aktiv an seiner Problemlösung beteiligt. Alles klar? 323 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Folie 4 Im Jahr 2001 war im Rahmen der Initiative „Aktion Grundgesetz“ der Aktion Mensch an vielen Bushaltestellen ein Plakat mir folgender Aufschrift zu lesen. Liebe Rollstuhlfahrer, der nächste behindertengerechte Bus kommt um 19.00 Uhr. Im Jahre 2010. Nur zu Ihrer Information. Seit November 1994 darf niemand mehr wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz. (© Aktion Grundgesetz, eine Initiative der Aktion Mensch und der Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe) 324 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Arbeitsblatt 1 Das verhaltensorientierte Konzept 1. Aufgabe: Füllen Sie das Arbeitsblatt aus. Wissenschaftliche Grundlage: Grundannahme: Zielsetzung: Die Verhaltensanalyse: 2. 3. 4. 5. 6. Die Verhaltensmodifikation: 1. 2. 325 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 1. Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Arbeitsblatt 1 3. 4. • • • • 2. Aufgabe: Beschreiben Sie die Verhaltensmodifikation am Beispiel „Zita“: 326 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 • 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Heil- bzw. Sonderpädagogik Arbeitsblatt 2 Der ökologische Ansatz nach C. B. Germain/A. Gitterman Einwirkung/Veränderung Mensch wechselseitige Beeinflussung Umwelt Einwirkung/Veränderung Nische schlechte Nische © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 gute Nische Habitat Transaktionen 327 anpassungsfördernde Transaktionen anpassungsfeindliche Transaktionen Folge: Folge: 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Heil- bzw. Sonderpädagogik Arbeitsblatt 2 Lebensstress positiver Lebensstress negativer Lebensstress © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 abhängig von Coping positives Coping 328 negatives Coping Heil- bzw. Sonderpädagogik 4. Konzepte zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen Arbeitsblatt 3 Vorgehensweise beim Unterstützungsmanagement Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Text durch. 2. Sprechen Sie über diesen Schritt der Vorgehensweise und beschreiben Sie ihn untenstehend im entsprechenden Kästchen. 3. Veranschaulichen Sie diesen Schritt der Vorgehensweise an einem Beispiel. Schritte Beschreibung des Schrittes, Veranschaulichung durch ein Beispiel 2. Schritt 3. Schritt 4. Schritt 5. Schritt 329 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 1. Schritt Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Folie 1 Kriterium Verhaltensorientierte Konzepte Ökologische Konzepte Theorieabzug Grundlage bilden die Konditionierungstheorien, wie zum Beispiel das klassische und operante Konditionieren. Grundlage bilden ökologische Theorien, wie zum Beispiel das Life Model. Menschenbild Der Mensch ist ein Wesen, das nahezu auschließlich von Umweltreizen beherrscht wird; einseitige Betonung der Bedeutung von Umweltfaktoren. Der Mensch kann als aktives Wesen auf seine Umwelt einwirken und sie verändern und gestalten. Grundannahmen Alles Erleben und Verhalten, auch das unangepasste, ist erlernt und kann wieder verlernt werden. Das Erleben und Verhalten ist Resultat wechselseitiger Austauschprozesse zwischen dem Individuum und der Situation bzw. seiner Umwelt. Gegenstand Das problematische Verhalten selbst, das „Symptom“ ist die Störung; die Entstehung nicht angepassten Erlebens und Verhaltens wird im „Innern“ einer Person angesiedelt. Die Mensch-Umwelt-Beziehung; Abbau unerwünschten und Aufbau erwünschten Erlebens und Verhaltens durch gezielte Lerntechniken; die Hilfe ist im Sinne der Einzelhilfe am Individuum selbst ausgerichtet Koordinierte, geplante und kontrollierte Erschließung aller möglichen Quellen zur Hilfe und Unterstützung von Menschen; Adressat ist nicht nur der einzelne Klient an sich, sondern auch seine Umwelt Ziel 330 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 die Entstehung nicht angepassten Erlebens und Verhaltens liegt in der Mensch-Umwelt Beziehung begründet Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Arbeitsblatt 1a Verhaltensorientierte Konzepte (Vorderseite) Theoriebezug: Die theoretische Grundlage verhaltensorientierter Konzepte bilden die Konditionierungstheorien, bei denen Reize, die einem bestimmten Verhalten vorausgehen oder die auf ein bestimmtes Verhalten folgen, die zentrale Rolle spielen. Verhaltensorientierte Konzepte wollen in diesem Zusammenhang Heilung im Sinne einer ganzheitlichen Förderung des Beeinträchtigten mit seinen persönlichen Eigenarten und Begabungen und in seinem gesamten sozialen Umfeld erreichen. Sie werden wegen ihrer Erfolge vielfach in der Behindertenarbeit eingesetzt. Menschenbild: Der Mensch erscheint nach behavioristischer Auffassung als ein Wesen, das nahezu ausschließlich von Umweltreizen beherrscht wird. Dementsprechend findet eine einseitige Betonung der Bedeutung von Umweltfaktoren für die Entwicklung statt. Damit berücksichtigt der Behaviorismus nicht die Möglichkeit, dass der Mensch eine aktive Selbststeuerung besitzt und sich selbst aus der passiven Haltung der Umwelt gegenüber herausführt in den Bereich der aktiven Auseinandersetzung mit ihr. Gegenstand therapeutischer Veränderungsversuche ist in verhaltensorientierten Konzepten das problematische Verhalten selbst. Das „Symptom“ selbst ist das Problem, es gibt keine „zugrunde liegende Störung.“ Dabei handelt es sich um einen am Individuum orientierten Ansatz, die Entstehung des nicht angepassten Erlebens und Verhaltens wird im „Innern“ einer Person angesiedelt. Entsprechend befasst sich die Unterstützung von beeinträchtigten Menschen mit ihrem Erleben und Verhalten selbst. Ziel: Dabei geht es in verhaltensorientierten Konzepten um den Abbau unerwünschten und den Aufbau erwünschten Erlebens und Verhaltens durch gezielte Lerntechniken. Das bedeutet, die professionelle Hilfe ist psychotherapeutisch im Sinne der Einzelhilfe am Individuum ausgerichtet. Aufgabe: Machen Sie sich Gedanken, wie sie Theorienbezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel verhaltensorientierter Konzepte Mitschülern verständlich machen können. 331 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundannahmen: Verhaltensorientierte Konzepte gehen davon aus, dass alles Erleben und Verhalten, auch das unangepasste, erlernt ist und wieder verlernt werden kann. Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Arbeitsblatt 1b Ökologische Konzepte (Vorderseite) Theoriebezug: Basis ökologischer Konzepte wie des Case Managements sind ökologische Theorien wie zum Beispiel das Life Model von C. B. Germain/A. Gitterman, die Probleme im sozialen Kontext sehen und aus dem politischen und wirtschaftlichen Beziehungsgefüge heraus verstehen. Ökologische Konzepte wollen in diesem Zusammenhang Heilung im Sinne einer ganzheitlichen Förderung des Beeinträchtigten mit seinen persönlichen Eigenarten und Begabungen und in seinem gesamten sozialen Umfeld erreichen. Sie werden wegen ihrer Erfolge vielfach in der Behindertenarbeit eingesetzt. Menschenbild: Aus der Sicht der ökologischen Theorien ist der Mensch ein aktives Wesen, das zwar ebenfalls von seiner Umwelt beeinflusst wird, die es in seinem Verhalten steuert, das aber selbst wiederum aktiv auf seine Umwelt einwirken und sie verändern und gestalten kann. Gegenstand bei ökologischen Konzepten ist die Mensch-Umwelt-Beziehung. „Fehlerhaftes“ Erleben und Verhalten wird im sozialen Kontext gesehen und entsteht als Folge von fehlgelaufenen Beziehungen zwischen Person und Umwelt. Ungleichgewichte und Störungen in der Wechselbeziehung zwischen diesen beiden rufen Stress, Hilflosigkeit, Überforderung hervor und beeinträchtigen die Lebensqualität des Menschen. Entsprechend befasst sich die Unterstützung von Beeinträchtigten mit ihren individuellen und sozialen Ressourcen, die durch Vernetzungsarbeit aktiviert werden. Ziel: Adressat der ökologischen Konzepte ist nicht nur der einzelne Klient an sich, sondern seine Umwelt wie beispielsweise seine Angehörigen, Bekannten oder auch verschiedene soziale Einrichtungen aller Art. Dabei geht es um die koordinierte, geplante und kontrollierte Erschließung aller möglichen Hilfsquellen zur Hilfe und Unterstützung von Menschen mit einer Behinderung. Damit geht der Akzent weg von der rein therapeutischen Arbeit hin zu gesellschaftlichen Bezügen und ihre Aufgabenstellung zielt auf eine Gemeinschaftsleistung ab, wobei das Wesentliche die Gestaltung der Begegnung von Menschen in ihrer sozialen oder gesundheitsbezogenen Zusammenarbeit ist. Aufgabe: Machen Sie sich Gedanken, wie sie Theoriebezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel ökologischer Konzepte Mitschülern verständlich machen können. 332 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Grundannahmen: Ökologisch orientierte Konzepte sehen das Erleben und Verhalten als Resultat wechselseitiger Austauschprozesse zwischen dem Individuum und der Situation bzw. seiner Umwelt. Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Arbeitsblatt 1c Vergleich verhaltensorientierter und ökologischer Konzepte (Rückseite von Arbeitsblatt 1a und 1b) Kriterium Verhaltensorientierte Konzepte Ökologische Konzepte Theoriebezug Grundannahmen Gegenstand Ziel 333 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Menschenbild Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Arbeitsblatt 2a Bewertung verhaltensorientierter Konzepte (Vorderseite) 1. 3. 4. 5. 6. 7. 334 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Heil- bzw. Sonderpädagogik 5. Vergleich und Bewertung der verhaltensorientierten und ökologischen Konzepte Arbeitsblatt 2b Bewertung ökologischer Konzepte: Das Unterstützungsmanagement (Rückseite) 1. 3. 4. 5. 6. 335 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 1 Schiz o p hreni Depress e ion e d tän s u stz g n A e i m i l u B 336 r e m i Alzhe Alkoholsucht © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 2 organisch bedingte psychische Störungen Störungen durch Einnahme von Substanzen Schizophrenie und verwandte Störungen affektive Störungen neurotische und sich körperlich äußernde Störungen Psychische Störungen Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen 337 posttraumatische Belastungsstörung Persönlichkeitsstörungen © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Intelligenzminderung Störungen in der Kindheit und Jugend Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 3 „Ich habe vor einer Woche erfahren, dass ich Krebs habe. Und das mit 38 Jahren! Das zieht mich ganz schön runter und macht mich psychisch ganz krank.“ „Gestern ist meine Frau gestorben. Ich kann das gar nicht fassen! Sie war doch mein Ein und Alles! Das zieht mich ganz schön runter und macht mich psychisch ganz krank.“ 338 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 4 Ordnen Sie die Beispiele dem jeweiligen Gegenstandsbereich der Klinischen Psychologie zu. ü Herr Schnellbär ist mit seinem Auto verunglückt, seitdem kann er seinen Beruf nicht mehr ausüben. ü Seit die Tochter im Baggersee ertrunken ist, geht es der Familie Teilbring nicht mehr gut. ü Max liegt seit drei Tagen im Bett, weil er sich erkältet hat. ü Herr Stiftl hat eine schwere Herzerkrankung und muss operiert werden. ü Klein Kurti wird der Blinddarm herausgenommen. ü Corinna bringt sich um ihre Begabung, da sie so starke Prüfungsangst hat, dass sie keinen Buchstaben auf das Papier bringt. 339 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 5 Veranschaulichen Sie an diesem Beispiel Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie. Seit einem halben Jahr hört Markus Stimmen. Sie befehlen ihm, sich auf eine bevorstehende Invasion vorzubereiten. Er darf das Haus nicht mehr verlassen und darf nur wenige Nahrungsmittel zu sich nehmen, da sein Essen vergiftet ist. Wenn er sich einer Anordnung widersetzt, beleidigen und bedrohen ihn die Stimmen, die von Lebewesen aus dem Universum stammen. Freunde und Verwandte versuchen an ihn heranzukommen, doch er zieht sich immer stärker in seine Welt der Stimmen und vermeintlichen Bedrohungen zurück. (Hobmair, Psychologie, 20033, S. 447) 340 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 6 Gesundheit: ein körperlicher und psychischer Zustand des Individuums, der von einer relativen Freiheit von Beschwerden und Einschränkungen gekennzeichnet ist Krankheit: 341 Sammelbezeichnung für objektiv feststellbare und/oder subjektiv empfundene Einschränkungen bzw. Störungen der körperlichen und/oder der psychischen Befindlichkeit. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 7 Meine beiden Kollegen Prinz und Müsseler1 stellen zu Recht fest, dass es die Psychologie schwer hat. Seit jeher wird ihr Name für alles Mögliche vereinnahmt. In Zeiten eines nicht enden wollenden Psychobooms wird das Prädikat „psychologisch“ – und mit ihm der Nimbus der Wissenschaft dieses Namens – für allerlei Lehren und Praktiken missbraucht, die mit ernsthafter Wissenschaft nichts zu tun haben. So werden esoterische Kulte, religiöse Heilslehren oder absonderliche therapeutische Praktiken als irgendwie psychologisch ausgegeben. 1 vgl. Prinz/Müsseler; in: Müsseler (Hrsg.), Allgemeine Psychologie, 20072, S. 1 342 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Folie 8 Nun: Will ein solches Vorgehen wissenschaftlich fundiert sein, dann muss – so meint mein Kollege Meinrad Perrez1 – auf jeden Fall seine Wirksamkeit nachgewiesen sein. Ansonsten ist es nicht brauchbar. Die Krankenkassen bezahlen auch nur solche therapeutischen Verfahren, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Dieser Nachweis muss natürlich auf der Grundlage wissenschaftlicher Prinzipien und Regeln erbracht worden sein. Diese Prinzipien und Regeln kennt ihr ja schon. Wenn nicht mehr, dann informiert euch bitte und schlagt nach. Und noch eine Voraussetzung gibt es – die Maßnahmen und Möglichkeiten psychotherapeutischen Vorgehens müssen sich aus bewährten psychologischen Gesetzmäßigkeiten, in der Regel aus einer wissenschaftlichen Theorie ableiten lassen. Alles klar? Dann notiert mal bitte die Kriterien dafür, wann ein psychotherapeutisches Vorgehen als wissenschaftlich fundiert gelten kann. 1 vgl. Perrez; in: Perrez/Baumann: Klinische Psychologie, Band 2, 1991, S. 57 343 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Arbeitsblatt 1 Lasst mich erzählen: Eine wichtige Aufgabe der Klinischen Psychologie ist die Erfassung und Registrierung von Informationen über das vorliegende Problem sowie das Erstellen eines genauen Bildes von dem Klienten und seinen Persönlichkeitsmerkmalen, um angemessene Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Die Klinische Psychologie will also – wie das meine Kollegen Jäger und Petermann1 sagen – das wissenschaftlich fundierte Sammeln und Aufbereiten von Informationen über den Hilfesuchenden mit dem Ziel, Entscheidungen und daraus ergebende Handlungsweisen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren. Wir sprechen hier von psychologischer Diagnostik bzw. von Psychodiagnostik. Mit Hilfe von Anamnese, Exploration, Verhaltensbeobachtung und von verschiedenen Formen von Tests versuchen wir diesen Aufgabenbereichen gerecht zu werden. Ich hoffe, ihr wisst, was eine Anamnese, eine Exploration, eine Verhaltensbeobachtung oder ein Test ist. Wenn nicht, dann informiert euch und schlagt bitte nach. Ja, und weiter: In der Klinischen Psychologie werden auch Maßnahmen getroffen und Programme entworfen, um die Entstehung von psychischen Störungen, psychischen Aspekten körperlicher Erkrankungen und psychischen Krisen zu verhindern und die Gesundheit und Persönlichkeitsentfaltung zu fördern. Prävention nennen wir das. Doch wenn das Kind – ich muss sagen der Mensch – schon „in den Brunnen gefallen ist“, dann ist eine Behandlung notwendig. Damit meinen wir eine professionelle Hilfe zum Abbau bzw. zur Milderung der oben genannten Krankheiten. Je nachdem, um welche Art der Behandlung es sich handelt, sprechen wir von Beratung, Therapie oder von Rehabilitation. Die psychologische Beratung ist ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen mit dem Ziel, persönliche und/oder soziale Probleme zu beseitigen bzw. den effektiven Umgang damit zu fördern. Unter Psychotherapie versteht man alle psychologischen, wissenschaftlich fundierten Techniken und Verfahrensweisen, mit denen versucht wird, psychische Störungen, psychische Aspekte körperlicher Erkrankungen und psychische Krisen abzubauen bzw. zu mildern. Das habe ich jetzt schön gesagt, nicht wahr? Die Rehabilitation fasst alle Bemühungen zusammen, die der Wiedereingliederung von beeinträchtigten Personen in Arbeit und Beruf und der Sicherung an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dieser Personen dienen. Alles klar? Dann füllt bitte unten stehendes Schema aus, aber richtig! 1 vgl. Jäger/Petermann, Psychologische Diagnostik, 19994, S. 11 344 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Aufgaben der Klinischen Psychologie 1. Gegenstand und Aufgaben der Klinischen Psychologie Klinische Psychologie Arbeitsblatt 1 1. 2. 3. 345 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie hat folgende Aufgaben: Klinische Psychologie 2. Eine Störung und ihre Entstehung: Die Phobie Folie 1 Frau R.: „Mein Leben macht mir zurzeit wenig Spaß: Jede Benutzung von Verkehrsmitteln ist für mich ein Alptraum. Ich kann kaum außer Haus, kann keinen Einkauf erledigen, und die gesamte Familie kann meinetwegen schon seit mehreren Jahren weder einen Ausflug machen noch in Urlaub wegfahren.“ 346 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 2. Eine Störung und ihre Entstehung: Die Phobie Arbeitsblatt 1 Frau R. „Mein Leben macht mir zurzeit wenig Spaß: Jede Benutzung von Verkehrsmitteln ist für mich ein Alptraum. Ich kann kaum außer Haus, kann keinen Einkauf erledigen, und die gesamte Familie kann meinetwegen schon seit mehreren Jahren weder einen Ausflug machen noch in Urlaub wegfahren. Immer wenn ich ein Verkehrsmittel benutzen will – sei es ein Auto, ein Bus oder die Bahn – bekomme ich ein Gefühl der Beklemmung und Bedrückung – das ist für mich furchtbar unangenehm. In mir steigt eine wahnsinnige Unruhe hoch, wie wenn mich etwas bedrohen würde! Mir bricht der Schweiß aus, ich habe das Gefühl, dass ich keine Luft mehr kriege, mein Herz rast, mein Magen drückt, meine Hände zittern und ich bekomme weiche Knie und Schwindelanfälle. Dies geschieht fast bei jeder Benutzung von Verkehrsmitteln. Komme ich nicht aus dem Fahrzeug raus, glaube ich, ich werde wahnsinnig und sterbe. Kein Wunder, dass ich natürlich alle Verkehrsmittel – sei es ein Auto, ein Bus, die U-Bahn – o je! – oder ein Zug meide wie der Teufel das Weihwasser. …“ Aufgabe: Notieren Sie, wie sich die Angst von Frau R. äußert. ü ü ü ü ü 347 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 ü Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 1 Auftrag: 1. Formulieren Sie die Grundannahme der psychoanalytischen Theorie. 2. Leiten Sie von dieser Grundannahme das Ziel therapeutischen Vorgehens aus psychoanalytischer Sicht ab. 348 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 2 Nun: Zur Bildung eines ersten Eindrucks und Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Zusammenarbeit stehen dem Psychotherapeuten zwei Vorgehensweisen zur Auswahl. Einmal das psychoanalytische Erstinterview, in dem der Klient weitgehend den Gesprächsverlauf selbst bestimmt. Die vom Klienten angesprochenen Themen, die Art und Weise, wie er darüber spricht, bieten dem Psychotherapeuten eine Reihe von Anhaltspunkten. Das Hauptinteresse des Psychotherapeuten liegt dabei auf der subjektiven und szenischen Bedeutung von Informationen. Zum anderen die tiefenpsychologische Anamnese. Hier wird der Klient über seine bisherige Lebensgeschichte befragt und es werden Daten über die Entwicklungsgeschichte seines Problems erhoben. Mit Hilfe halbwegs strukturierter Fragen erstellt der Psychotherapeut ein möglichst lückenloses Bild bedeutsamer lebensgeschichtlicher Faktoren des Klienten. Die dafür nötigen Informationen werden möglichst gründlich erhoben und durch gezieltes Nachfragen vervollständigt. Alles klar? Dann notiert bitte die zwei Vorgehensweisen der Analyse bei der psychoanalytischen Therapie. 349 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1a Das freie Assoziieren Aufgaben: 1. Bestimmen Sie, was die Psychoanalyse unter freiem Assoziieren versteht. 2. Finden Sie ein Beispiel für diese Verfahrensweise. 3. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie das freie Assoziieren Ihren Mitschülern/ innen verständlich machen können. 350 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Zur Aufdeckung unbewusster psychischer Inhalte und Vorgänge verwendet die Psychoanalyse vornehmlich drei Verfahrensweisen: die freie Assoziation, die Traumanalyse und die Deutung. Um Zugang zu verdrängten Inhalten zu gewinnen, wird die Technik des freien Assoziierens angewendet. Der Klient wird aufgefordert, seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen und alles zu äußern, was ihm in den Sinn kommt, so banal oder peinlich es ihm auch erscheinen mag. Freies Assoziieren ist also eine Verfahrensweise, die darin besteht, dass der Klient aufgefordert wird, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und alle Gefühle und Gedanken zu äußern, ohne Rücksicht darauf, wie unwichtig, persönlich oder beschämend sie ihm erscheinen. Um den Vorgang des freien Assoziierens zu erleichtern, liegt der Klient beim traditionellen Vorgehen auf einer Couch, und der Analytiker sitzt hinter ihm außerhalb seines Blickfeldes. Der Klient liefert so das notwendige Material, das zur Entdeckung von Störungen analysiert werden kann. Der Psychotherapeut achtet dabei in gleichem Maße auf den Fluss der Gedanken als auch auf Stockungen und Unterbrechungen. Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1b Die Traumanalyse Aufgaben: 1. Bestimmen Sie, was die Psychoanalyse unter Traumanalyse sowie unter manifestem und latentem Trauminhalt versteht. 2. Finden Sie ein Beispiel für diese Verfahrensweise. 3. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie die Traumanalyse Ihren Mitschülern/innen verständlich machen können. 351 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Zur Aufdeckung unbewusster psychischer Inhalte und Vorgänge verwendet die Psychoanalyse vornehmlich drei Verfahrensweisen: die freie Assoziation, die Traumanalyse und die Deutung. Neben der freien Assoziation sind es vor allem die Träume, die den Zugang zum Unbewussten öffnen. Es wird angenommen, dass im Traum unbewusste Bedürfnisse und Konflikte auftauchen, die im Wachzustand nicht zugelassen werden, weil sie Angst erzeugen. Im Traum tauchen sie in so verschlüsselter und symbolhafter Form auf, dass der Träumende sie nicht versteht. Der Klient wird aufgefordert, von seinen Träumen zu berichten. Er erzählt den sog. manifesten Inhalt seiner Träume, das heißt die Bilder und Vorgänge, an die er sich noch erinnert. Den Therapeuten interessiert jedoch der latente Trauminhalt, das sind die unbewussten Bedürfnisse, Ängste und Konflikte hinter diesen Traumbildern – also der verborgene, unbewusste Inhalt des Traumes. Dazu wird er den Klienten wieder auffordern, frei zu assoziieren: Der Klient soll sagen, was ihm zu bestimmten Ereignissen oder Personen aus dem Traum einfällt. Der manifeste Trauminhalt ist also das Traumgeschehen, an das sich der Klient erinnert und wovon er berichten kann. Der latente Trauminhalt dagegen stellt die unbewussten Bedürfnisse, Ängste und Konflikte dar, die hinter dem manifesten Trauminhalt verborgen sind. Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1c Zur Aufdeckung unbewusster psychischer Inhalte und Vorgänge verwendet die Psychoanalyse vornehmlich drei Verfahrensweisen: die freie Assoziation, die Traumanalyse und die Deutung. Das aus den Träumen und der freien Assoziation gewonnene Material versucht der Therapeut zu deuten: Er „übersetzt“ dem Klienten bestimmte Symbole und zeigt ihm bestimmte Zusammenhänge auf. Eine Deutung ist also die dem Klienten mitgeteilte Interpretation über unbewusste Sinnzusammenhänge. Der Analytiker teilt dem Klienten die Deutung mit. Allerdings erst dann, wenn er annimmt, dass dieser in der Lage ist, die Deutung anzunehmen und zu verarbeiten. Erfolgt die Deutung zu früh, wehrt der Klient die Deutung ab. Er reagiert mit Widerstand, den der Therapeut nun wieder deuten und interpretieren kann. Unter Umständen ist der Abbau eines solchen Widerstandes ein schwieriger und langwieriger Prozess. Widerstand meint also in diesem Zusammenhang die Abneigung gegen die Bewusstmachung unbewusster psychischer Inhalte. Auslöser des Widerstandes ist oft die Angst vor der Veränderung, deshalb liefert eine Analyse über die Art und das Ziel des Widerstandes sowie die Frage, warum der Klient Widerstand leistet, wichtige Hinweise für das weitere Vorgehen. Ist der Klient in der Lage, die Deutung anzunehmen, findet ein Prozess der zunehmenden Einsicht statt. Der Klient erkennt die eigenen zugrunde liegenden, vorher unbewussten Motive. Die Einsicht führt zu einer psychischen Besserung. Dadurch, dass dem Klienten bewusst wird, was vorher unbewusst war, kann er besser mit seinen Problemen umgehen. Das Ich wird gestärkt und die Symptome bessern sich allmählich. Es findet eine Art emotionale Nachreifung statt. Aufgaben: 1. Bestimmen Sie, was die Psychoanalyse unter Deutung sowie unter Widerstand versteht. 2. Finden Sie ein Beispiel für diese Verfahrensweise. 3. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie die Deutung Ihren Mitschülern/innen verständlich machen können. 352 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Die Deutung Klinische Psychologie 3. Die psychoanalytische Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1d Im Laufe der psychoanalytischen Behandlung kommt es in der Regel zu einer starken emotionalen Reaktion von Seiten des Klienten auf den Therapeuten. Der Klient identifiziert den Therapeuten mit einer Person, die früher im Mittelpunkt seines heute unbewussten Konflikts stand – meist sind dies die Eltern – und überträgt die entsprechenden Gefühle auf den Therapeuten. Man nennt dieses Phänomen Übertragung. Es ermöglicht dem Psychotherapeuten, die unbewussten Wünsche und Konflikte des Klienten unmittelbar zu beobachten. Eine junge Klientin zum Beispiel, die ihr Therapeut zwei oder drei Minuten warten ließ, wurde wütend und brach in Tränen aus. Sie redete sich ein, dass der Therapeut seiner Lieblingsklientin zusätzliche Zeit widme. Bei der Reflexion wurde deutlich, dass die in dieser Situation geäußerten Gefühle und Phantasien die Klientin an ihre Reaktionen als fünfjähriges Kind erinnerten, wenn sie auf den Vater wartete, der ihr vor dem Einschlafen noch einen Gutenachtkuss geben sollte. Da jedoch immer zuerst die jüngere Schwester einen Gutenachtkuss bekam, musste sie ein paar Minuten warten. Auch damals reagierte sie wütend, eifersüchtig und mit Tränen. Übertragung bezeichnet also den Vorgang, dass man Einstellungen, Gefühle und Erwartungen, die man gegenüber früheren Bezugspersonen hatte, auf den Therapeuten projiziert. Häufig ist die Haltung des Patienten sehr unterschiedlich, er hat sowohl positive als auch negative Gefühle dem Therapeuten gegenüber. Überwiegt jedoch die negative Übertragung, zeigt der Patient einen deutlichen Widerstand gegenüber der Therapiearbeit. Im Extremfall kann dieser die Therapiearbeit völlig unmöglich machen. Die Aufarbeitung und Bewusstmachung von Widerstand und Übertragung trägt schließlich zum besseren Verständnis der eigenen Kindheitserfahrungen und Probleme bei. Der Übertragungsprozess ist das Kernstück der klassischen psychoanalytischen Therapie. Seine Bearbeitung ermöglicht die eigentliche emotionale Aufarbeitung. Daneben kann aber auch der Analytiker Gefühle auf den Patienten übertragen. Auch wenn er versucht, emotional unvoreingenommen zu bleiben, geht er doch auf seine ganz persönliche Art auf die Probleme des Patienten ein. Es kann zu einer Gegenübertragung kommen: Der Therapeut seinerseits reagiert mit positiven oder negativen Gefühlen auf den Patienten. Unter Gegenübertragung versteht man also, dass der Therapeut seinerseits mit bestimmten Gefühlen und Wünschen auf den Patienten reagiert. Früher wurde diese Gegenübertragung als unangemessene Einstellung des Therapeuten und somit als Störfaktor innerhalb der Therapie angesehen. Heute gilt die Gegenübertragung als eine übliche Erscheinung in der Therapie, die nicht unterdrückt, sondern bewusst verarbeitet werden sollte. Auf diese Weise trägt die Gegenübertragung ebenso wie die Übertragung zu Einsichten in frühkindliche Konstellationen und Konflikte bei. Der Therapeut erkennt zum Beispiel, dass das Verhalten des Patienten ähnliche Gefühle in ihm auslöst wie früher bei den Bezugspersonen des Patienten. Aufgaben: 1. Bestimmen Sie, was die Psychoanalyse unter Übertragung und Gegenübertragung versteht. 2. Finden Sie ein Beispiel für diese emotionale Reaktion des Klienten. 3. Machen Sie sich in Ihrer Gruppe zum Experten, damit Sie die Übertragung und die Gegenübertragung Ihren Mitschülern/innen verständlich machen können. 353 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Übertragung und Gegenübertragung Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 1 „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir über die Dinge haben.“ (Epiktet, Handbüchlein der Moral und Unterredungen, 198411, S. 24) 354 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 2 Auftrag: 1. Formulieren Sie die Grundannahme der kognitiven Theorien. 2. Leiten Sie von dieser Grundannahme das Ziel therapeutischen Vorgehens aus kognitiver Sicht ab. 355 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 3 „Ich bin ein Versager!“ „Niemand mag mich, alle sind gegen mich“ „Es ist alles so hoffnungslos!“ 356 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 4 Kognitive Triade Sichtweise der eigenen Person 357 Sichtweise der Umwelt © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Sichtweise der Zukunft Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Folie 5 kognitive Grundannahmen grundlegende Überzeugungen, Werthaltungen und Einstellungen, nach denen der Mensch sich selbst, die Welt und seine Zukunft ordnet, beurteilt und strukturiert führen zu automatischen Gedanken Situation schnell ablaufende, reflexhaft auftretende und in der Situation subjektiv plausibel erscheinende Kognitionen, die zwischen einem Ereignis und einem bestimmten Erleben und Verhalten als Konsequenz ablaufen (vgl. Beck, Praxis der kognitiven Therapie, 1999, S. 18) 358 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Erleben Verhalten Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1 Nach Aaron T. Beck sind für das Erleben und Verhalten sog. automatische Gedanken von zentraler Bedeutung. Diese sind nicht das Ergebnis von Überlegungen oder logischem Denken, sondern es handelt sich um bewertende Gedanken, die durch den Kopf „schießen“ – manchmal ganz kurz und schnell. Solche automatischen Gedanken sind zum Beispiel „Das ist zu schwer, das verstehe ich nie“, wenn man eine Prüfungsarbeit schreiben soll. Automatische Gedanken führen zu entsprechenden Reaktionen im Erleben und Verhalten. Bei psychischen Störungen sind sie fehlerhaft, verzerrt und unangepasst. Automatische Gedanken sind also schnell ablaufende, reflexhaft auftretende und in der Situation subjektiv plausibel erscheinende Kognitionen, die zwischen einem Ereignis und einem bestimmten Erleben und Verhalten als Konsequenz ablaufen. Solchen automatischen Gedanken liegen grundlegende Überzeugungen, Werthaltungen und Einstellungen zugrunde, die Aaron T. Beck als kognitive Grundannahmen („core beliefs“) bezeichnet. Diese stellen gleichsam die „Lebensphilosophie“ eines Menschen dar, nach der er sich selbst, die Welt und seine Zukunft ordnet, beurteilt und strukturiert, zum Beispiel: „Ich bin unfähig“. In der Regel sind dem Menschen seine Grundannahmen nicht bewusst, sie äußern sich aber in seinen automatischen Gedanken. So lassen sich über die automatischen Gedanken die zugrunde liegenden Grundannahmen erschließen. Wenn eine bestimmte Grundannahme aktiviert ist, betrachtet das Individuum alle Situationen durch die Brille dieser Annahme, sie sucht sich immer wieder selbst zu bestätigen. Informationen und Situationen, die nicht der Grundannahme entsprechen, werden ignoriert oder abgewertet. Es kommt zu einer Verengung des Denkens und zu einer deutlich verzerrten Sicht der Realität im Sinne der Annahmen. Die Grundannahmen bilden nach Aaron T. Beck die unterste, am wenigsten zugängliche Ebene der Kognitionen. Sie sind situationsunabhängig, starr und übergeneralisiert und bestimmen die automatischen Gedanken, die einer Person durch den Kopf gehen. Diese sind situationsspezifisch und können als die oberste Ebene der Kognitionen angesehen werden. Aufgabe: Füllen Sie nachfolgendes Schema aus. 359 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Das kognitive Modell Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 1 kognitive Grundannahmen führen zu löst führt aus zu Situation Beispiel: kognitive Grundannahme: Situation: automatische Gedanken: Erleben/Verhalten: 360 Erleben Verhalten © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 automatischen Gedanken Klinische Psychologie 4. Die kognitive Therapie zur Behandlung einer Störung Arbeitsblatt 2 Die kognitive Umstrukturierung Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Text durch. 2. Sprechen Sie über diesen Schritt der Vorgehensweise und beschreiben Sie ihn untenstehend im entsprechenden Kästchen. Schritte Beschreibung des Schrittes, Veranschaulichung durch ein Beispiel 1. Schritt 3. Schritt 4. Schritt 5. Schritt 6. Schritt 361 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 2. Schritt Klinische Psychologie 5. Vergleich des psychoanalytischen und kognitiven Therapiekonzeptes Folie 1 Kriterium psychoanalytische Therapie kognitive Therapie Theoriebezug Grundlage bilden die psychoanalytischen Theorien, bei der klassischen Analyse die Theorie nach Sigmund Freud. Grundlage bilden die kognitiven Theorien (zum Beispiel die Theorie von Albert Bandura). Menschenbild Der Mensch ist ein dynamisches System, das von verschiedenen Energien gesteuert wird: mechanistisches Menschenbild. Der Mensch ist ein triebgesteuertes Wesen, welches von sexuellen und aggressiven Impulsen gesteuert wird: pessimistisches Menschenbild. Der Mensch ist grundsätzlich auf seine Zukunft hin orientiert. Grundannahmen Bestimmte seelische Vorgänge und innere Kräfte sind unbewusst, wirken sich jedoch auf das individuelle Verhalten und die Entwicklung der Persönlichkeit nach ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten aus. Es sind unverarbeitete Vorgänge und Konflikte, die krank machen. Kognitive Prozesse und Strukturen eines Menschen üben einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und Erleben aus und entscheiden, wie ein Individuum erlebt und sich verhält. Es sind dysfunktionale Kognitionen, die krank machen. Gegenstand Unverarbeitete Vorgänge und Konflikte, die sich in bestimmten Symptomen äußern. Dysfunktionale kognitive Grundannahmen, die sich in automatischen Gedanken äußern und das unangepasste Erleben und Verhalten hervorrufen. Ein am Individuum orientierter Ansatz. Die Entstehung des nicht angepassten Erlebens und Verhaltens wird im „Innern“ einer Person angesiedelt. Ein am Individuum orientierter Ansatz. Die Entstehung des nicht angepassten Erlebens und Verhaltens wird im „Innern“ einer Person angesiedelt. Klärung unbewusster Zusammenhänge und die emotionale Aufund Verarbeitung der bewusst gemachten Konflikte Erkennen der gedanklichen Strukturen eines Menschen, Abbau von dysfunktionalen Strukturen und Aufbau von funktionalen kognitiven Strukturen Ziel 362 Der Mensch kann über seine Kognitionen sein Erleben und Verhalten in einem sehr entscheidenden Maße selbst steuern. © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 5. Vergleich des psychoanalytischen und kognitiven Therapiekonzeptes Folie 2 Welche psychologische Hilfe halte ich für geeignet? ü Stellen Sie eine Lebenssituation eines Menschen mit psychisch bedingten Problemen dar. ü Schließen Sie sich in Vierergruppen zusammen und erzählen Sie sich diese Lebenssituation. ü Einigen Sie sich in der Gruppe auf eine Situation und diskutieren Sie, welche Art der Hilfe Ihrer Meinung nach für diese am ehesten geeignet ist. Begründen Sie Ihre Wahl. 363 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Klinische Psychologie 5. Vergleich des psychoanalytischen und kognitiven Therapiekonzeptes Arbeitsblatt 1a Das psychoanalytische Therapiekonzept (Vorderseite) Aufgaben: 1. Stellen Sie Theoriebezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel der psychoanalytischen Therapie dar. 2. Machen Sie sich Gedanken, wie sie Theoriebezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel der psychoanalytischen Therapie Mitschülern verständlich machen können. Theoriebezug: Grundannahmen: Gegenstand: Ziel: 364 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Menschenbild: Klinische Psychologie 5. Vergleich des psychoanalytischen und kognitiven Therapiekonzeptes Arbeitsblatt 1b Das kognitive Therapiekonzept (Vorderseite) Aufgaben: 1. Stellen Sie Theoriebezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel der kognitiven Therapie dar. 2. Machen Sie sich Gedanken, wie sie Theoriebezug, Menschenbild, Grundannahmen, Gegenstand und Ziel der kognitiven Therapie Mitschülern verständlich machen können. Theoriebezug: Grundannahmen: Gegenstand: Ziel: 365 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Menschenbild: Klinische Psychologie 5. Vergleich des psychoanalytischen und kognitiven Therapiekonzeptes Arbeitsblatt 1c Vergleich des psychoanalytischen Therapiekonzeptes mit dem kognitiven Konzept (Rückseite von Arbeitsblatt 1a und 1b) Kriterium psychoanalytisches Therapiekonzept kognitives Therapiekonzept Theoriebezug Grundannahmen Gegenstand Ziel 366 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Menschenbild Organisationspsychologie 1. Merkmale von Organisationen Folie 1a Mein Kollege, der „Organisationspapst“ Lutz von Rosen1 stiel , bestimmt Organisation folgendermaßen: Eine Organisation setzt sich aus verschiedenen Personen zusammen und verfolgt bestimmte Ziele. Organisationen sind zeitlich überdauernd und weisen eine Struktur auf. Damit ist die Gesamtheit von Regelungen und Verfahrensweisen und damit verbunden die Art der Arbeitsteilung, der Entscheidung und Kommunikation sowie der Hierarchie von Verantwortung gemeint. Meist wird von einem sozialen System gesprochen. Damit soll der Aspekt hervorgehoben werden, dass eine solche Einrichtung immer ein Ganzes ist, dessen Teile untereinander in einer wechselseitigen Beziehung stehen, sich also gegenseitig beeinflussen. Das Interesse der Organisationspsychologie gilt dem Erleben und Verhalten von Menschen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in Organisationen wie der Schule, Verbänden, Wirtschaftsunternehmen oder Behörden. Alles klar? Dann fasst mal bitte die Begriffsmerkmale von Organisation zusammen. 1 vgl. Rosenstiel u. a., Organisationspsychologie, 20059, S. 25 367 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Organisationspsychologie 1. Merkmale von Organisationen Folie 1b Eine Organisation ü ist ein zeitlich überdauerndes System, ü setzt sich aus Individuen und Gruppen zusammen, ü verfolgt bestimmte Ziele und ü weist eine Struktur auf. Organisationspsychologie ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten von Menschen in Organisationen1. 1 vgl. Rosenstiel u. a., Organisationspsychologie, 20059, S. 25 368 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Organisationspsychologie 1. Merkmale von Organisationen Folie 2 Begründen Sie, ob es sich bei den Beispielen um eine Organisation handelt. ü ein Markt, der jeden Samstag auf dem Viktualienplatz stattfindet ü Audi in Ingolstadt, BMW in München ü das Klinikum Würzburg ü die Theatergemeinde, die sich im Stadttheater ein Stück ansieht ü unsere Schule 369 © Bildungsverlag EINS GmbH, 2010 Organisationspsychologie 1. Merkmale von Organisationen Folie 3 Der Lehrer sagt zu seinen Schülern: „Ihr se