LiLi - die Zeitung der Linken Liste

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LiLi - die Zeitung der Linken Liste
# 15, Januar 2010
Linke Hochschulpolitik – das bedeutet Studierendenvertretung mit
sozialem Bewusstsein. Der Linken
Liste ist es ein wichtiges Anliegen,
den unsozialen Gang der gesellschaftlichen Entwicklung, der sich
auch an den Universitäten deutlich
bemerkbar macht, zum Besseren zu
wenden.
Unserem Engagement liegt eine grundsätzliche Herrschaftskritik zugrunde;
wir mischen uns überall dort ein, wo
soziale Unterdrückung und Ungleichheit vorliegen. Weil das Studium mehr
bedeutet als bloßes Auswendiglernen
und Wissenschaft mehr ist als das, was
das Vorlesungsverzeichnis hergibt, organisierten ReferentInnen der Linken
Liste auch in diesem Jahr wieder über
den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) kritische Vortragsreihen
zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen. Durch das Engagement
unserer ReferentInnen im AStA-Referat
für kritische Wissenschaften hattet ihr
das ganze Jahr über die Möglichkeit,
im Rahmen der Reihen „CRITIX“ und
„COUNTER CURRICULUM“ Vorträge zu hören, die sich in kritischer Absicht mit gesellschaftlichen Sphären wie
Ökonomie, Politik Religion und Kultur
4. Benedict
1. Veronika
Die Linke Liste stellt sich vor
beschäftigten. Außerdem unterstützten
unsere ReferentInnen, die für die Linke
Liste im Referat für Grund- und Freiheitsrechte aktiv sind, die Vortragsreihe
„Geschlecht und Gesellschaft“. Gegen alle bösen
-ismen!
Die Linke Liste tritt ohne Wenn und
Aber für das allgemeinpolitische Mandat der Studierendenvertretung ein. Da
Universitäten nicht im luftleeren Raum
existieren, sondern in die Gesellschaft
eingebunden sind, ist es wichtig, dass
der AStA auch politische Bildungsarbeit
leistet sowie kulturelle und politische
Initiativen und Projekte unterstützt. Ob
Aufmärsche von Neonazis in Bochum,
die Einrichtung „national befreiter“
Zonen in Dortmund oder extrem rechte Propaganda an der Uni – wir stehen
dafür ein, dass solche Entwicklungen
auch vom AStA nicht unkommentiert
hingenommen werden. Seit Jahren sind
wir in überregionalen antifaschistischen Plena organisiert und unterstützen Aktionen gegen Nazis in Bochum
und anderen Städten. Zudem haben wir
uns in den beiden letzten Jahren maßgeblich an den NRW-weiten AntifaCamps in Oberhausen beteiligt.
Rot-Grün-SchwarzGelbe Reformen
Die unsinnigen Reformen, die seit
dem Bologna-Prozess und dem
Hochschul“freiheits“gesetz das Leben
der Studierendenschaft (und auch das
unserer DozentInnen) schwer machen,
stehen ebenfalls im Fokus unseres kritischen Engagements. Die M.A.s sind,
entgegen vorherigen Versprechen von
Landesregierung und Uni-Leitung, zumeist zulassungsbeschränkt. Die Ver-
schulung des Studiums verunmöglicht
individuelle Schwerpunktwahl. Mangelnde Flexibilität und zunehmender
Einheitsbrei in der Lehre sind an der
Universität längst Usus und eine Wissenschaft in kritischer Absicht wird
mehr und mehr an den Rand gedrängt.
Das schwarz-gelbe „Hochschulfreiheitsgesetz“ läutet Änderungen ein,
die die Universitäten in kleine Kapitalgesellschaften transformieren, die auf
dem Markt gegeneinander konkurrieren. Zudem wird eine Wissenschaft,
die ihre finanziellen Mittel zunehmend von kapitalträchtigen Unternehmen
beziehen soll, stark in ihrer Forschungsautonomie eingeschränkt.
Studentisches
Engagement
Eine Hochschule, wie wir sie uns wünschen, beinhaltet gut strukturierte, freie
Studienangebote, in denen auch gesellschaftskritische Standpunkte nicht
zu kurz kommen. Außerdem darf das
Studiumsreglement nicht weiter durch
Studiengebühren, NCs etc. einem
Großteil der Studierenden den Weg in
Richtung „wissenschaftlich anerkannter Abschluss“ versperren. Wir wollen
eine Uni ohne Naziparolen und eine
Wissenschaft, die in der Lage ist, auch
gesellschaftliche Missstände zu kritisieren. Obwohl diese Forderungen auf den
ersten Blick Selbstverständlichkeiten
sind, gibt es keine Hochschulgruppe,
die diese Ziele so konsequent einfordert
wie die Linke Liste. Deshalb: Gebt eure
Stimmen bei den Wahlen zum Studierendenparlament (zwischen dem 18.
und 22. Januar 2010) einem/er der 120
KandidatInnen der LiLi! Schon Pablo
Picasso hat gesagt: „Ich suche nicht, ich
finde“. Auch wir suchen nicht - und finden euch!

Immer eine gute Wahl
Unsere 120 KandidatInnen
Die Top 20
1. Veronika Pütz (Psychologie/Reli/Philo)
2. Jos Schaefer-Rolffs (Philosophie/
Gender Studies)
3. Birte Schleiting (Sozialwissenschaft)
4. Benedict Neugebauer (Philosophie)
5. Hülya Turgut (Physik)
6. Gilles Agbamaté (ITS)
7. Wanying Li (SEPM)
8. Cihan Akyildiz (SEPM)
9. Anike Krämer(KIG/Komparatistik)
10. Fan Song (Wirtschaft Ostasiens)
11. Doan Thuy Nhu Nguyen(Anglistik)
12. Murat Sivri (Sozialwissenschaft)
13. Gaelle Malabo (UTRM)
14. ArneSablinski(Sozialwissenschaft)
15. Nicola Raabe (Sopsy/EW)
16. Damian Pütz (Philo/Kath. Theologie)
17. Shengyuan Dong (OAW)
18. Fabian Wisotzky (Geschichte/
Philosophie)
19. Sina Maßmann (Psychologie)
20. Pham Dang Khoa Le (AI)
Religionswissenschaft
und Theologie
21. Fabian Brinkmann (Evangelische
Theologie/Geschichte)
22. Alexander Teubert (Geschichte/
Religionswissenschaft)
23. Simona Weiland (Philosophie/
Religionswissenschaft)
24. Jochen Kreusch (Kath. Theologie/
Religionswissenschaft)
Philosophie und
Pädagogik
25. Christoph Bieletzki (Philosophie/
Kunstgeschichte)
26. Jan Eufinger (Philosophie/
Reliwissenschaft)
27. Christian Grabau
(Erziehungswissenschaft)
28. Richard Heinen (Philosophie/Kath.
Theologie)
29.
30.
31.
32.
FelixHüttemann (Philo/Germanistik)
Paul Mentz (Philosophie/Soziologie)
Markus Reiß (Philosophie)
Sebastian Salzmann (Philosphie/
Geschichte)
Geschichte
33. Henning Borggräfe (Geschichte)
34. Sebastian Dittmann (Geschichte/
Philosophie)
35. David Freis (Geschichte)
36. Andreas Giesbert (Kunstgeschichte)
37. Markus Günnewig (Geschichte)
38. Sebastian Heinrichs (Geschichte/
Amerikanistik)
39. Christian Horn (Archäologie)
40. Ruben Luckardt (Geschichte/
Komparatistik)
41. Hannah Neumann (Geschichte)
42. Marc Neumann (Geschichte)
43. Yvonne Uschok (Kunstgeschichte)
44. Annika Wienert (Kunstgeschichte)
Medienwissenschaft,
Theaterwissenschaft,
Philologie, FFW
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
Guy Adjadji (Romanistik)
Hongrui Chen(Germanistik)
Junxiang Chen(Romanistik)
DeviDumbadze
(Medienwissenschaften)
Tim Glogowiec (Germanistik/
Philosophie)
Michael Grewing (Germanistik/
Philosophie)
Manfred Heim(Germanistik/Philo)
Matthias Holtmann (Anglistik)
Imme Klages (Medienwissenschaft)
Philipp Kressmann (Germanistik/
Philosophie)
Lars Laute (Germanistik/Politik/
Philosophie)
Jie Rong (Anglistik)
Fabian Ulrich (Philo/Komparatistik)
Rolf van Raden (Germanistik)
59. Benjamin Werner (Anglistik/
Geschichte)
60. Bo Zhang (Anglistik)
Jura
Psychologie
90. Shadan Tavakoli (Psychologie)
Ingenieurswissenschaften
91. Fehmi Güven (Bauing.)
92. Carranza Ignscio Jorge (Bauing.)
93. Markus Kesler (Bauing.)
Wirtschaftswissenschaft 94. Sevilay Öztürk (Bauing.)
95. Shpend Baleci (SEPM)
63. Ekrem Atalan (Wiwi)
96. Marco Dorigo (Maschinenbau)
64. Guo Cheng (Wirtschaft Ostasiens)
97. Chola Mulenga Rex (SEPM)
65. Shiwei Liu (Wiwi)
98. Yang Qiu (Machinenbau)
66. XingLu (Development Management)
99. Lukas Becker (ITS)
67. Phuong Thuy Nguyen (Wiwi)
100.Lei Feng (ET)
68. Atilla Okay (Wiwi)
101.T. S. Ghislain Mambou (ET/IT)
69. Theona Palavandichivili (Wiwi)
102.Pei Qi (Angewante Informatik)
70. Peter Paul Podstawa (Wiwi)
103.Daonan Xu (ET/IT)
71. Bin Tang (Wiwi)
104.Fan Yang (ET)
72. PengWang (Wiwi)
105.Jinliang Zhang(ET)
61. Menduh Mert (Jura)
62. Thomas Wings(Jura)
Sozialwissenschaft
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
Ramin Amngostar (Sowi)
Marziyeh Bakhshizadeh (Sowi)
SvenEllmers (Sowi)
Valentin Franck (KIG/Philosophie)
Florian Hessel (Sowi)
Stefan Mecking (Sowi)
JonasMolitor (Sowi)
Tatjana Natic (Sowi)
Milena Prekodravac (Gender
Studies/Sopsy)
Hinrich Rosenbrock (Gender
Studies)
Lotte Schleiting (Sowi)
Martin Seeliger (Sowi)
Levan Svanidze (KIG/
Medienwissenschaften)
Michael Trube(Politik/Geschichte)
Ostasienwissenschaft
Mathe/Physik
106.Ömer Avic (Mathe)
107.Elif Eser (Mathe)
108.Ture Kaßler (Mathe)
109.Mark Schulte (Mathe/Philosophie)
110.Jannis Lülf (Physik)
Geowissenschaften
111.Tobias Breuckmann (Geographie/
Philosophie)
112.Jonathan Spiegel (Geographie)
113.Thomas Voelkner (Geographie)
Chemie/Biologie
114.Eike Zimmer (Chemie)
115.Anselm Lorenz (Biologie)
116.Ruven Mensing (Biologie)
Medizin
117.Rewaz Rashow(Medizin)
87. Hong Yu Yang (Wirtschaft Ostasiens)
118.Cengiz Uguz (Medizin)
88. Yue Zeng (Wirtschaft Ostasiens)
Sport
89. Matthias Tepaß (Sport/Geschichte)
last but not least
119.Tuncel Biyikli (SEPM)
120.Pervin Yildirim (Wiwi)
15. Nicola
48. Devi
Wählen – So geht‘s!
Vom 18. bis 22. Januar 2010 werden
in den Gebäuden der Uni die Wahlurnen zu finden sein. Ihr seid im WählerInnenverzeichnis mit eurem Erstfach
registriert (bei BA-Studierenden das
erste Fach auf der Studienbescheinigung). D.h., ihr könnt nur in der Cafeteria eures Erstfachs wählen. Im Zweifel schaut einfach unter www.rub.
de/sp-wahlen, wo ihr eure Stimme
abgeben könnt. An eurem Wahlort
angelangt, legt ihr einfach euren Studentenausweis bei den freundlichen
WahlhelferInnen vor und bekommt
einen riesigen Wahlzettel ausgehändigt. Darauf sind alle Listen und deren Kandidatinnen und Kandidaten
aufgeführt. Ihr habt bei der Wahl eine
Stimme und macht für die Person
eures Wunsches ein Kreuz. Wollt ihr
eine bestimmte Liste wählen, kennt
aber keinen der zugehörigen Listenmitglieder, dann macht euer Kreuz
willkürlich bei einem eben dieser. Danach werft ihr den Zettel gefaltet in
die Wahlurne. Den Studiausweis nicht
vergessen! Die Listen bekommen Sitze
im Studierendenparlament (SP) nach
absoluter Anzahl ihrer Stimmen zugeteilt. Welche KandidatInnen einer
Liste ins SP kommen, hängt von der
Anzahl der jeweiligen Individualstimmen ab. Insgesamt sind 35 SP-Sitze
zu vergeben. Koalitionen bilden sich
je nach Wahlausgang. Diese stellen
dann den AStA, der im SP gewählt
wird.

2 | LiLi # 15, Januar 2010
Bildungsstreik ...
Die Köpfe rauchen, die Uni brennt!?
Sowohl in Bochum als auch an vielen anderen Universitätsstandorten in
Deutschland und ganz Europa wurden seit Anfang November 2009 im
Zuge des Bildungsstreiks Gebäude besetzt. Zudem gab es Demonstrationen
und viele andere öffentlichkeitswirksame Aktionen, um Politik und Medien auf die hochschulpolitischen Forderungen der Studierenden aufmerksam zu machen. Die Anliegen hinter den Protesten sind vielfältig: Neben
mehr Geld für Bildung und der Reform des BA/MA-Systems, wurde auch
der Wunsch nach einer anderen Lehr- und Lernkultur und einer Demokratisierung des Bildungssystems artikuliert.
Fragen über
Fragen ...
Neben Inhalt und Art der Forderungen sind auch ihre Adressaten
und die Ziele der Proteste vielfältig:
Geht es darum, den Staat als Schutz
vor den Interessen der Wirtschaft ins
Feld zu führen, oder soll die Sache
selbst in die Hand genommen werden? Geht es nur darum, die eigene
Ausbildung angenehmer zu machen
oder soll die Organisation der Lehre
grundsätzlich in Frage gestellt werden? Reicht es, eine Erhöhung des
BAföG zu fordern oder wären auch
die Hartz IV-Regelsätze auf ein menschenwürdiges Niveau zu bringen?
Ist Bildung nicht schon längst eine
Ware, wenn sich ihre Produktion
„bestreiken“ lässt, oder steht „education is not for sale“ weiterhin im
Mittelpunkt? Sind pragmatische
Ansätze auf der Tagesordnung oder
wagt man sich gedanklich schon ans
große Ganze? Sind die eigenen For-
derungen im Rahmen einer kapitalistischen Gesellschaft überhaupt
erfüllbar oder sollte man sich auf die
Suche nach einer besseren Alternative machen?
Kapitalimuskritik vs.
Anwesenheitspflicht?
Die Unzufriedenheit nahm unterschiedliche Formen an: In den Fällen,
in denen sich die zentrale Forderung
auf eine „Mehr Geld für die Uni“ reduzieren ließ, fiel die Resonanz in den
Uni-Verwaltungen durchweg positiv
aus. Auf manchen Vollversammlungen wie z. B. in Tübingen wurde
ausdrücklich gefordert, Themen, die
nicht direkt die Bildung betreffen, außen vor zu lassen. Die „Projektgruppe
Bildungsstreik 2009“, die die Proteste
initiierte, formulierte in ihren übergeordneten Forderungen, dass „Möglichkeiten einer fortschrittlichen und
emanzipatorischen Bildungs- und
Gesellschaftspolitik“ analysiert werden müssen.
Rückschläge und
Lichtblicke
72. Peng
50. Michael
bilanz kann dennoch positiv festgehalten werden, dass der Anspruch,
alle Organisationsstrukturen nach
Maßgabe
basisdemokratischer
Grundsätze auszurichten, bislang
größtenteils
umgesetzt
wurde.
Gleichwohl springen die Schwierigkeiten, die jede Basisdemokratie
bewältigen muss, auch im Falle des
Bildungsstreiks dann und wann ins
Auge: Da Basisdemokratie autoritäre Entscheidungsprozesse „von
oben nach unten“ strikt ausschließt,
fehlt die Möglichkeit, wenig sinnvolle Aktivitäten, die einzelne in
Die Heterogenität der einzelnen Individuen und Basisgruppen, die in
der Bildungsstreikbewegung aktiv
sind, macht ein allgemeines Urteil
über sie unmöglich. Als Zwischen-
einer politischen Gruppe ausüben,
durch ein resolutes Machtwort „von
oben“ zu verhindern. Im Zuge des
Bildungsstreikprotests kam es beispielsweise immer wieder zu – teils
geringen, teils erheblichen – Sachbeschädigungen (als Beispiel wäre
hier die Verwüstung der Mensa der
Frankfurter Goethe-Universität zu
nennen). Das Recht der StudentInnen, universitäre Räumlichkeiten ei-
genständig zu verwalten – insbesondere gegen die unternehmerischen
Profitinteressen der jeweiligen UniRektorate – soll damit jedoch nicht
angezweifelt werden. Im Falle der
BesetzerInnen in Bochum kann zudem positiv vermerkt werden, dass
Sensibilität für einen antirassistischen und antisexistischen Umgang
miteinander entwickelt wurde.
Bildung im
kapitalistischen
Normalvollzug
Die Linke Liste steht hinter dem Anliegen der Studierenden nach einer
Verbesserung der Bildung. Auch wir
sind der Ansicht, dass der Forderungskatalog der Vollversammlungen
an der RUB eine sinnvolle Kritik an
den aktuellen Zuständen beinhaltet.
Die Abschaffung der Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen
des Studiums, die Einführung eines
existenzsichernden Tarifvertrages für
studentisch Beschäftigte und die ausschließlich öffentliche Finanzierung
des gesamten Bildungssystems sind
berechtigte ökonomische Änderungen, die das Leben des Einzelnen entscheidend verbessern können. Zudem
sind sie – den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt – auch
unter kapitalistischen Zuständen realisierbar.
Wird die Forderung nach einem
selbstbestimmten Lernen und Leben
auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Seins übertragen, wird deutlich,
dass sie dem kapitalistischen NormalProzess grundsätzlich widerspricht.
Daher ist es wichtig, die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft nicht nur
auf den Bildungssektor zu beschrän-
ken. „Es gibt kein richtiges Leben im
falschen.“ (Theodor W. Adorno)
Ein vorläufiges
Fazit?
Abschließend lässt sich also sagen, dass
der Bildungsstreik inhaltlich mindestens zwei verschiedene Gesichter hat:
Sowohl die „Detail-Verbesserungen“,
die den studentischen Alltag angenehmer und weniger teuer machen als
auch der Blick aufs große Ganze, der
sich bewusst macht, dass eine wirklich
selbstbestimmte Bildung im Kapitalismus nicht machbar ist, sind in den
Katalogen vertreten. Berechtigt, wie
beide Seiten sind, sollten sie dennoch,
zumindest in der Praxis, voneinander
unterschieden werden: Weder ist es
sinnvoll anzunehmen, dass eine Aufhebung der Studiengebühren den Weg
in eine bessere Gesellschaft darstellt,
noch wäre eine rein öffentlich finanzierte Bildung sicher vor den Interessen der Wirtschaft. Es bleibt die strategische Debatte, welche Forderungen
in der aktuellen Lage sinnvoll sind
und welches Ziel der Bildungsstreik
anvisieren will. Die Linke Liste hofft,
einen kleinen Teil zu dieser Diskussion beitragen zu können. Wir werden
uns auch im kommenden Jahr an allen Aktionen beteiligen, welche die Situation der Studierenden, im Kleinen
wie im Großen, verbessern können. 
8. Cihan
24. Jochen
Gegen Politically Incorrect
Ein Weblog kämpft gegen „Musel-Abschaum“
„Politically Incorrect“ (PI) nennt sich ein Internetportal, das seit 2004 vor
der „Islamisierung Europas“ warnt. Auf einem Weblog versammelt sich die
deutsche Avantgarde der sogenannten „IslamkritikerInnen“. Sie richten
sich gegen all jene Aspekte des Islam, die potentiell gefährlich sein können:
Von Moscheebau und Kopftuchgebot bis hin zur reinen Präsenz in der
Öffentlichkeit.
Tacheles reden?
Längst nimmt die hiesige „Islamkritik“ kein Blatt mehr vor den Mund.
Im Fokus der Aufmerksamkeit steht
die angeblich höhere Kriminalitätsbereitschaft von MigrantInnen, die
kulturelle Minderwertigkeit der islamischen Religion und die Urban
Legend von der „Deutschenfeindlichkeit“. Auch wenn sich PI auf Fakten
bezieht, werden diese hysterisch und
verkürzt interpretiert. Bundesdeutsche InternetuserInnen danken für
solch offene Worte – mit 30.000 bis
50.000 Zugriffen täglich.
Stereotypie
Das Programm von PI ist einfach
gestrickt: Es werden Meldungen aus
Online-Magazinen, Weblogs und
anderen Medien gesammelt und
nach Beiträgen zum Islam abgegrast.
Besonders beliebt sind Artikel, die
„nachweisen“, dass islamischer Glaube in Deutschland zu juristischen
oder moralischen Sonderrechten
führt. Entsprechende Ereignisse werden mit sarkastischen Beiträgen und
suggestiven Bildern hervorgehoben.
Mit Genuss wird zugleich auf rechtliche und soziale Sanktionen gegen
MuslimInnen verwiesen.
Wir sind die Opfer
In den Beitrags- und Kommentarspalten gehört es zum guten Ton,
diese Sanktionen in der Defensive zu
deuten. Wer in Deutschland bloß ein
falsches Wort über den Islam verliere,
gerate ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit. Unterstellt wird ein verbreitetes
„Bestreben, Islamkritik zu kriminalisieren und zu verbieten“. Insbesondere die KommentatorInnen reden sich
hierzu regelmäßig in Rage.
Echte Verbündete
Dieser eigentümlichen „Islamkritik“
geht es nicht um Unterstützung der
demokratischen Bewegungen in den
betreffenden Ländern wie etwa im
Iran; vielmehr soll „Fortress Europe“ vor einer Masseneinwanderung
behütet werden, die die christlichabendländische Kultur bedrohe. Die
Tatsache, dass Abertausende alltäglich
Bekanntschaft mit islamistischen Rackets machen, ist für diese „KritikerInnen“ nur ein Anlass für rassistische
Hetze: „Die sind halt so – aber bitte
nicht in Europa!“ Damit erweist sich
die reaktionäre Islamkritik als bester
Bundesgenosse des politischen Islam.
Hear no evil,
see no evil
Auch die Moderation sieht sich keinesfalls zum Eingriff genötigt, wenn
die Leserschaft z. B. die „muslimische Dreckskultur“ verdammt oder
wütende Abstrafungsaktionen gegen
den „Musel-Abschaum“ einfordert.
In ihrem Weltbild ist es kein Widerspruch, sich selbst als letzte Bastion
gegen einen aufkeimenden „islamischen Faschismus“ zu begreifen und
im selben Atemzug rechtsradikale
Beiträge zu hofieren. Die Antworten
auf die „demographische Bedrohung“
bedienen die Propagandabedürfnisse
des bundesdeutschen Rassismus. Die
Rufe nach Abschiebung, Arbeitslager
und Prügelstrafe sind mittlerweile
Common Sense in den Kommentarspalten.
„Jung und frei“
Nicht von ungefähr besteht auch eine
direkte Zusammenarbeit mit der politischen Rechten. PI-Gründer Stefan Herre ließ sich mehrfach von der
„Jungen Freiheit“ interviewen. Auch
während der Versuche der rechtsnationalen „Pro-NRW“, in Köln eine
antiislamische
Kongressveranstaltung durchzuführen, leistete PI ideologische Rückendeckung. Die enge
Verknüpfung zwischen PIund „bürgernahen“ PopulistInnen ist offensichtlich. Die Schreiberlinge geben
sich bedeckt. Herre betonte mehrfach, als Gründer des Portals sei er
keineswegs identisch mit dessen BetreiberInnen.
Simply incorrect
PI ist zu einem der führenden
Medien für rechte und rassistische
„KritikerInnen“
des
Islam
geworden. Sie hat weder mit
„demokratischer Meinungsbildung“
noch
mit
herrschaftskritischer
Religionsanalyse etwas gemeinsam:
Kommentare mit blasphemischen
Inhalten
sind
sogar
offiziell
untersagt. Die AutorInnen fügen
lediglich Versatzstücke aus dem
Tagesgeschehen zusammen, um
Stimmung zu machen. Relevante
Aspekte, die den politischen Islam
betreffen, werden ignoriert. Es
konstituiert sich eine breite politische
Lobby, die rassistische Vorurteile
verbreitet.
Jenseits des
Rassismus
Statt eine emanzipatorische Kritik
am Islam zu formuliert, wird auf PI
nur wahnhaft gegen den „Musel-Abschaum“ gehetzt. Seine Erscheinungen
wie die Hassreden von Ajatollah Chomeini und die drohenden Auftritte von
Machmud Achmadinedschad, die Programme der Hamas, der Hisbollah und
der Muslimbruderschaft, die Videobotscha ften der SelbstmordattentäterInnen, die Steinigung von Frauen und das
Aufhängen von Homosexuellen sind
kein Gegenstand einer gesellscha ftskritischen Analyse.Würde eine solche
auch nur angestoßen, müsste PI sich
selbst in Luft auflösen.

www.lili-bochum.de
LiLi # 15, Januar 2010 | 3
Intersektionalität
Ein Forschungsprogramm wird vorgestellt
2. Jos
91. Fehmi
Das AAR
Das Autonome AusländerInnenreferat, kurz AAR, kümmert sich um die
Angelegenheiten von allen ausländischen Studierenden an der RUB. So
bieten wir beispielsweise schon seit
über zehn Jahren deutsche Sprachkurse zu niedrigen Preise an, um den
Einstieg in das Studium zu erleichtern. Darüber hinaus hat unser Hilfsfonds vielen ausländischen Studierenden geholfen, finanzielle Notlagen
abzumildern oder zu überwinden.
Wir wissen aus eigener Erfahrung,
dass ein Studium im Ausland ein großer Schritt ist und viele Veränderungen und Unbekanntes mit sich bringt.
Nicht nur die Universität ist neu, auch
die fremde Sprache, Kultur und Mentalität sind große Herausforderungen.
Deswegen stehen unsere ReferentInnen als erster Anlaufpunkt zur Verfügung, um Tipps zu geben, wie ihr euch
in Uni, Stadt und Umgebung orientieren könnt. Denn nicht nur die Wohnungssuche und die Aufnahme des
Studiums können schwierig sein, sondern auch Alltägliches wie ein Arztbesuch oder etwa der Umgang mit den
deutschen Behörden ist manchmal
nicht gerade einfach. Damit ihr mit
euren Problemen nicht alleine bleibt,
sind wir für euch da und geben Hinweise und Ratschläge. Wir wollen
euch bei eurem Studium und Leben
in Bochum stets unterstützen und mit
Rat und Tat zur Seite stehen, damit ihr
euch wohlfühlen und ein erfolgreiches
Studium absolvieren könnt. Das AAR
verwaltet und koordiniert außerdem
verschiedene kulturelle Aktivitäten,
die im KulturCafé, dem AusländerInnen Zentrum oder anderen Orten auf
dem Campus stattfinden. Dazu zählen Parties, Filmabende, der Saz-Kurs,
die ostasiatische, die kurdische und
die afrikanische Neujahrsfeier, der
syrische Teeabend und vieles mehr.
Zudem steht die internationale Bibliothek allen Studierenden zur Verfügung; hier können Bücher in verschiedensten Sprachen nicht nur gelesen,
sondern auch ausgeliehen werden.
Das Büro des AAR befindet sich
im Studierendenhaus direkt zwischen
dem Redaktionsbüro der Bochumer
Stadt- und Studierendenzeitung (bsz)
und dem AusländerInnenzentrum. 
Im vergangenen Dezember fand - unterstützt durch die Linke Liste - zum
ersten Mal die Vortragsreihe Geschlecht und Gesellschaft statt: Unter anderem wurde der intersektionale Ansatz vorgestellt, der in der Geschlechter-Forschung und darüber hinaus vielfach diskutiert wird.
Anfang der 90er Jahre sorgte Judith
Butler mit ihrer These des performativen Geschlechts in ihrem Buch
„Gendertrouble“ für reichlich Diskussionsstoff innerhalb der Frauenund Geschlechterforschung.
Die Frau – also die Grundlage feministischer Forschung – wurde als
theoretisches und politisches Subjekt
radikal in Frage gestellt. Statt über das
gesellschaftliche Herrschaftsverhältnis
des Patriarchats hinauszuweisen, würde durch den Bezug auf das weibliche
Geschlecht die Zweigeschlechtlichkeit
und, damit einhergehend, die heterosexuelle Norm reproduziert und weiter
als Herrschaftsverhältnis manifestiert.
Während ein Teil der FeministInnen Butlers Ansatz als Befreiung des
Denkens ansahen, war es für andere,
als würde der feministischen Forschung der Boden unter den Füßen
weggezogen. Für wen und mit wem
sollte man Politik und Theoriearbeit
betreiben, wenn es gar keine Frauen
(mehr) gibt? Die Diskussionen waren
so heftig, so dass einige WissenschaftlerInnen zu dem Schluss kamen, dass
sich im wissenschaftlichen Diskurs
über Frauen einige Positionen so antithetisch verhalten, dass sie unter
keinen Umständen miteinander vermittelbar sind.
Mittlerweile haben sich die Wogen etwas geglättet, nicht zuletzt we-
18. Fabian
hervorruft. Trotz ihrer Unbeweglichkeit können Kategorien dabei helfen,
die Wirklichkeit zu erfassen und (vereinfacht) zu beschreiben.
Um zu dieser Diskussion weiter
beizutragen, sind auch für das Sommersemester Veranstaltungen geplant
und im Dezember wird es zu einer
weiteren Vortragsreihe kommen. 
31. Markus
75. Sven
Für eine iranische Revolution
gegen die iranische Revolution
Im Mai vergangenen Jahres kam es auf den Straßen iranischer Großstädte
zu turbulenten Szenen: Gegner des iranischen Mullahregimes opponierten
und rebellierten gegen die schariatische Gottesordnung. Seit einigen Wochen
flammt der, zunächst niedergeschlagene, Protest wieder auf: Hunderttausende demonstrieren entschlossen gegen ihre Unterdrückung und die Zumutungen des islamistischen Tugendterrors.
Das Mullahregime reagiert auf den
massenhaften Protest seiner Gegner
extrem brutal, Sicherheitskräfte gehen mit Schlagstöcken und Schusswaffen gegen die DemonstrantInnen
vor. Aber nicht nur gegen große Teile
der eigenen Bevölkerung führt das
Mullahregime Krieg, auch bellizistische Drohungen gegen westliche
Staaten, insbesondere gegen Israel, sind an der Tagesordnung. Was
aber ist das für ein Regime, das sich
nach innen wie außen so viele Feinde
macht?
Die iranische
Revolution gegen das
eigene Volk
13. Gaelle
gen des sogenannten intersektionalen
Ansatzes, der seit einigen Jahren auch
in Deutschland vermehrt Anklang
findet. Doch was ist dran an einer
Theorie der Intersektionalität? Was
wird darunter verstanden und was ist
das Neue?
Der intersektionale Ansatz geht
davon aus, dass es notwendig ist, sich
bei der Untersuchung von Ungleichheit nicht nur auf eine Kategorie (zum
Beispiel Geschlecht) zu beziehen, sondern mehrere Kategorien gemeinsam
zu betrachten, da die Ursachen von
Ungleichheit und Unterdrückung
nicht auf einen Faktor zu reduzieren
sind und ihre Wechselwirkung betrachtet werden müssen. Zudem ist es
offensichtlich, dass die Ursachen nicht
problemlos aufgerechnet werden können, sondern dass sie ineinander verwoben sind und sich eben nicht nur
gegenseitig verstärken, sondern auch
abschwächen und verändern können.
Frauen werden beispielsweise nicht
stets aus den gleichen Gründen und
auf die gleiche Weise ungleich behandelt, es gibt immer mehrere Gründe
für eine unterschiedliche Behandlung, deren Zusammenhang betrachtet werden muss.
So ist beispielsweise naheliegend,
dass Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland oft mit anderen Benachteiligungen zu kämp-
fen haben als Frauen,
die „einfach nur“ Frauen
sind. Andersherum sind
Männer nicht zwangsläufig gesellschaftliche Gewinner, einfach weil sie
„Männer“ sind. Sie können ebenso von erheblichen Benachteiligungen
betroffen sein – etwa
wenn sie von Hartz IV leben müssen!
Der intersektionale Ansatz bietet die Möglichkeit,
das Zusammenwirken unterschiedlicher Kategorien zu beobachten und zu
analysieren, um so dabei
zu helfen, eine (politische)
Praxis und die Zusammenarbeit einzelner bei
einer Kategorie ansetzender Gruppen
zu ermöglichen.
Es drängt sich dabei jedoch die
Frage auf, warum trotz emanzipatorischer Forderungen nach Auflösung von Kategorien (wie bei Butler)
weiter eben diese Kategorien genutzt
werden. Als Antwort kann auf die
Prägekraft sozialer Strukturen verwiesen werden. Zwar ist es wichtig,
sich gegen Kategorien als „natürliches
Ordnungsmittel“ abzugrenzen, allerdings ist ihre soziale Wirkungsmacht
nicht zu unterschätzen. Es ist leider
nicht zu leugnen, dass die Annahme
prinzipieller Unterschiede auf Grund
von Herkunft, Geschlecht o. ä. weiterhin weit verbreitet ist und strukturell
nachteilige Ungleichbehandlungen
Im Jahr 1979 stürzte die iranische Revolution die Herrschaft des
Schahs Mohammad Reza Pahlavi.
Dieser hatte im Iran mit autoritären
Mitteln eine stark am „Westen“ orientierte Kultur durchgesetzt, die den
Menschen zwar keine demokratischbürgerlichen Rechte im vollen Sinne
zugestand, aber zugleich die Fesseln
religiöser Traditionen sukzessive
sprengte. Der gestürzten Schahdiktatur folgte nun die Diktatur der
Mullahs.
Schnell gerieten diese in Konf likt mit den iranischen KommunistInnen. In einer Art „Zweck-
bündnis“ hatten letztere vor der
Revolution noch gemeinsam mit
den IslamistInnen den Schah bekämpft, nach der Revolution waren
sie dann der brutalen Verfolgung
durch die ehemaligen Bündnispartner ausgesetzt. Linke Oppositionelle wurden so vehement bekämpft, dass nahezu alle von ihnen
innerhalb kürzester Zeit ins politische Exil f liehen mussten. Die
aktuelle Widerstandsbewegung in
Iran wird deshalb kaum von linken
Kräften initiiert und vorangetrieben. Überhaupt spielen für einen
großen Teil der protestierenden DemonstrantInnen dezidiert politische Überzeugungen nur eine eher
untergeordnete Rolle. Hinter der
Forderung nach echter Demokratie
und freien Wahlen steht insbesondere auch die Forderung nach dem,
was in laizistischen Gesellschaften
scheinbar selbstverständlich möglich ist: nämlich frei von religiössittlichen Bevormundungen halbwegs individuelle Lebenskonzepte
zu entwerfen und zu verwirklichen,
was eben auch profane Dinge beinhaltet, wie z. B. abends mit FreundInnen mal ein kühles Bier zu trinken oder in einer Diskothek bis in
die Morgenstunden zu tanzen und
zu feiern. Weniger die Politik als
vielmehr das Bedürfnis nach sinnlichem Genuss lässt die Demons-
trantInnen zu „Feinden Gottes“
avancieren. Einem weiteren großen
Teil der Protestbewegung geht es
ohnehin nur um graduelle Aspekte: Die Grundfeste des iranischen
Schariasystems werden von diesen
DemonstrantInnen nicht in Frage
gestellt, Ziel ist lediglich eine etwas „entschärfte“ Form der totalen
Gottesherrschaft. Insgesamt gilt es
aber festzuhalten, dass es trotz dieser Punkte sicherlich falsch wäre,
der Widerstandsbewegung die Solidarität zu verweigern. Der militärische
Amoklauf der
Mullahs
Dem Krieg, den die Mullahs gegen
die eigene Bevölkerung führen,
korrespondieren die aggressiven
Drohgebärden gegenüber westlichen Gesellschaften im Allgemeinen und Israel im Besonderen. Für
das Regime sind nicht nur die vielen DemonstrantInnen im eigenen
Land Feinde Gottes, sondern auch
jene Gesellschaften, die die Religion bereits in ihre Schranken bzw.
- wie es in liberalen Gesellschaften
der Fall ist - in die Privatsphäre verwiesen haben. Eine Gesellschaft,
in der es formell jedem Menschen
frei steht, welcher Religion er seinen Glauben schenken will oder
ob er überhaupt gläubig sein mag,
erscheint den iranischen Mullahs
und ihren GesinnungsgenossInnen
als ein einziges dekadentes Freudenhaus, in dem jedes Individuum
frei und ungezügelt seinen sinnli-
chen Bedürfnis folgen würde. Dass
dies mit der Beschaffenheit bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften nichts zu tun hat, spielt dabei
keine Rolle, in der Wahrnehmung
der IslamistInnen spiegelt sich wider, was sie selbst in die „westliche Welt“ hineinprojizieren. Zwar
ist unbestritten, dass bürgerlichdemokratische Gesellschaften, die
sozial gespalten und zerrissen sind,
selbstverständlich auch einer konsequenten Kritik unterzogen werden müssen, aber die IslamistInnen
zeigen allenfalls auf, wie schnell
das Ziel einer emanzipatorischen
Kritik verfehlt werden und in Barbarei umschlagen kann.
Was tun?
Fakt ist, dass das Mullahregime mit
unbedingter Notwendigkeit zum
Sturz gebracht werden muss - im
besten Falle von den oppositionellen
IranerInnen selbst. Die Linke Liste
hat sich daher im AStA für eine konsequente Unterstützung progressiver
exiliranischer Kräfte an der Ruhr Uni
eingesetzt. In einem weiteren AStAJahr wollen wir diese Zusammenarbeit weiter ausbauen. 
6. Gilles
1951. Theodor
www.lili-bochum.de
4 | LiLi # 15, Januar 2010
„Der lachende Hitler neben und in uns“
Seeßlen, Georg: Quentin Tarantino gegen die Nazis
Im vergangenen Jahr kam der neue Tarantino-Film „Inglorious Basterds“
in die Kinos. Nur Monate später folgte ein Büchlein des Filmwissenschaftlers Georg Seeßlen, das „alles über“ ihn verspricht. Der Verfasser vertritt
auch eine These, die anscheinend selbstverständlicher nicht sein könnte:
„Quentin Tarantino gegen die Nazis“.
Wer Hintergrunddetails – besonders
zu Zitaten aus der Filmgeschichte –
erfahren möchte, ist mit dem notorischen Quellensammler Seeßlen gut
beraten. Mit kaum verdeckter Begeisterung über „Mr. Tarantino“ schildert
er die stilprägenden Entlehnungen aus
dem Genrekino: den dirty war movies
Hollywoods, dem Italo-Trash der 70er
und 80er über „La Grande Guerra“
und Enzo Castellaris „Inglorious Bastards“ (I 1978). Gerade diese Rückgriffe hätten ihm seinen in der Darstellung
der Nazis umwälzenden Film ermöglicht, „an dem das, was Geschichte, Erinnerung, Erzählung und Kino ist, sich
neu definieren muss“ (37). Nicht mehr
und nicht weniger.
In der postfaschistischen Gesellschaft lebe der NS in der Kulturindustrie fort. Tarantino habe nun als erster das vorherrschende Bild der Nazis
zwischen moralisierendem Kitsch und
dämonisierender Todessehnsucht (beides z. B. in „Der Untergang“, D 2004)
durchbrochen. „Es ist eine Rachephantasie, die sich um die historische Realität nicht kümmert, weil für Tarantino
sowieso schon immer das Kino die bessere Wirklichkeit war“ (140). Das Kino
an sich sei also die bessere Wirklichkeit, mit der magischen Kraft ausgestattet, die sozialen Verhältnisse zu verändern. Diese Erhebung des Films zur
Wirklichkeit wird zum teueren Preis
der Entwirklichung der Geschichte
erkauft. Ist doch etwa der jubilierende
Filmschluss, in dem die Führungsriege
der Nazis auf einen Schlag niedergemetzelt wird, nichts anderes als eine
gelungen in Szene gesetzte Phantasievorstellung, die nur den wahnhaften,
personifizierenden Projektionen des
(deutschen) Publikums nach „endlichem“ Aufräumen mit der belastenden Geschichte entspricht. Dass aber
Phantasien bedient werden, zeugt gerade von der schlechten Realität, die sie
hervorbringt. Geändert ist diese damit
noch längst nicht.
Tarantino wolle „den Rassismus
auf beiden Seiten“ darstellen. „Jede
der handelnden Figuren ist ziemlich
ähnlich auf der anderen Seite vorstellbar“ (147). Die jeden Unterschied zwischen den Tätern und Opfern verwischende Beliebigkeit findet Ausdruck
in der gleichsam theologischen Sprache Seeßlens, die sich unbekümmert
auf die Begriffe des „absolut Bösen“
respektive „Guten“ einlässt. Ihr kann
es nur noch um einen Einheitsbrei gehen, das Nebeneinander von Gut und
Böse, das der Verfasser „uns“ allen eilig einpflanzt, um die Absolution für
die kollektiv erfahrene Ohnmacht vor
der schlechten Gesellschaft sich selbst
wie uns „allen“ zu erteilen.
„Dass sich die Rollen umgekehrt
haben, ist natürlich irgendwie ‚gerecht’.
Aber wie sollten wir bei unserer Freude darüber nicht daran denken, dass
wir uns gerade genauso verhalten wie
Minuten zuvor die Nazis? Und lacht
da ein Hitler neben uns, in uns, mit,
wenn Nazis abgeknallt werden, so wie
vorher GIs abgeknallt wurden?“ (142).
Nein, es lacht kein Hitler neben und in
„uns“. Zwischen der Erfreuung an einer infantilen Wunschvorstellung von
niedergebrannter Naziführung und
einer wirklichen Vernichtung der Millionen von Juden und anderen liegen
Welten – auf die Aufrechterhaltung
des Unterschieds sollte es ankommen.
Wäre dem nicht so, müssten auch die
Juden tatsächlich Rache geübt haben,
die es aber nie gegeben hat: Niemand
ist in einen Vernichtungskrieg gegen
Deutschland gezogen, niemand hat
Millionen von Deutschen vergast.
Den Unterschied zwischen dem erzwungenen Befreiungskrieg der Alliierten und dem eliminatorischen
Krieg der Nazis kann nur nivellieren,
wer längst den Begriff individueller
Verantwortung verabschiedet hat.
Für ihn sind alle menschliche Wesen
gleich: irgendwie gut und böse zugleich, „Bastarde“ eben.
„Die historische Wahrheit zum
Nationalsozialismus scheint zu sein,
dass die Menschen allein nicht mit
ihm fertig wurden“ (146). Dass die
Alliierten den Widerstand gegen die
Nazis gewollt haben müssten, gehört
heruntergespielt, soll die Interpretation sitzen. Auch die „sauberen“
und „unsauberen“ Kriegsfilme Hollywoods mögen oft nichts als Ästhetisierung der Politik und des Krieges
sein und diesen als einen verselbständigten Zusammenhang („Maschine“) darstellen, in dem das Individuum nur aufgehen, nicht aber sich
retten kann. Mehr als ein Auge muss
jedoch zugedrückt sein, um zugleich
Filme wie „Apocalypse Now“ (USA
1979) u. a., in denen sich die Verzweiflung angesichts der Auslöschung des
menschlichen Ichs vor dem Monstrum Krieg zeigt, wiederum ganz aus
der Rechnung zu streichen. In NaziDeutschland wären sie unvorstellbar;
im postfaschistischen unwirklich.
Seeßlen gelangt ungewollt zu einer
Geschichtsphilosophie mit Endzeitstimmung, für die der postfaschistisch zersetzte Lauf der Dinge nichts
mehr aufhalten kann. Daher kann
es in ihren Filmen auch keine „Guten“ mehr geben. „Nur Gedanke an
Rache hält sie (die Opfer) am Leben“
(ebd.). Kaum glaubhaft zugleich, die
Motivation der Protagonisten Tarantinos sei als nichts anderes als Rachsucht zu deuten; nicht aus Zufall wird
selbst in seinem phantastischen Film
nicht Gleiches mit Gleichem vergolten, kein Holocaust mit Holocaust,
weil diese monströse Rechnung nie
aufgehen könnte. Ob die Subjektwendung, wonach Filmvorführerin Shosanna und ihr Liebhaber ihren Tod
im verbrennenden Kino eigenhändig
mitvorbereiten, nicht einfach einer
der zahlreichen Hommages geschuldet ist, diesmal an den französischen
Widerstandsfilm, sei dahingestellt.
Ebenfalls, ob es schlichte Rache ist,
dem Nazi Landa, statt ihn umzubringen, ein Hakenkreuz auf die Stirn zu
ritzen, damit der Gebrandmarkte in
seinem künftigen Leben in den USA
zum lebendigen Zeichen der Legitimität ihrer Gesellschaftsordnung
werden kann. Zum Schluss wird nicht
eben einfach brutal gerächt, sondern
zugleich auch die moralische Überlegenheit dieser Ordnung, die auf der
Ebene der Zuschauer repräseniert
ist, demonstriert – darin ist Tarantino ganz dem Lauf der Weltgeschichte
treu, keine Spur von „Umschreiben“.
Er reitet auf den Wellen des welthistorischen Erfolgs der Alliierten.
Kein amerikanischer Traum ist verloren – wie Seeßlen das schreibt. Viel-
mehr kann er sich, als Akteur der
Kinoindustrie des heute hegemonial
stärksten Staats, nun auch den Witz
leisten, den vernichteten nationalsozialistischen Feind in einem projektiven
Rausch (auch) auf der Leinwand, frei
von allen Verbeugungen vor wirklicher Geschichte, auslöschen zu lassen.
„Who cares?“, könnte man fragen,
wenn es nicht so wäre, dass Tarantino
hier mit der Trivialisierung der Nazis
zugleich auch die schlechte Gesellschaft von heute trivialisiert. Diese hat
sich gegenüber dem NS (zum Glück)
als siegreich durchgesetzt und ist
unbestritten auch die bessere Gesellschaft, aber damit noch keine gute. 
Seeßlen, Georg: Quentin Tarantino gegen die
Nazis: Alles über Inglourious Basterds, Bertz +
Fischer 2009. 9,90 Euro
Impressum
Herausgeberin: Linke Liste an
der Ruhr-Universität Bochum,
Universitätsstr. 150, 44801 Bochum
V.i.S.d.P.: Sven Ellmers, c/o LiLi
Auflage: viele Tausend
Redaktion: Devi Dumbadze, Jochen Kreusch, Veronika Pütz,
Markus Reiß, Jos Schaefer-Rolffs,
Michael Grewing, Birte Schleiting,
Marco Dorigo, Damian Pütz, Peng
Wang, Fabian Ulrich
Gestaltung: Linke Liste
Druck: druckwerk, Dortmund
16. Damian
10. Fan
Nichts als heiße Luft?!
Die Klimaproblematik
Kaum ein Thema war in der jüngeren Vergangenheit so präsent wie der
Klimawandel. Längst ist die Thematik aus den Hinterzimmern der lokalen
Greenpeace-Büros und klimaorientierten akademischen Zirkel auf die
Weltbühne der großen Politik gehoben worden, wie der Klimagipfel in
Kopenhagen belegt.
“This is not
fiction, this is
science.”*
Der Effekt der globalen Erwärmung
wird etwa seit den 1980er Jahren beobachtet. Die Ursache ist laut des letzten Berichts des Weltklimarats sehr
wahrscheinlich durch den Menschen
herbeigeführt: Seit Beginn der Industrialisierung werden große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt.
Die veränderte Konzentration dieser
Gase in der Atmosphäre führt zu einer Veränderung des Verhältnisses
einfallender und ausgesendeter Wärmeenergie. Die Folge ist ein Anstieg
der mittleren Temperatur der Erdatmosphäre. Während die menschlich
bedingten Ursachen der globalen
Erwärmung wissenschaftlich kaum
mehr angezweifelt werden, stehen die
Gegenmaßnahmen in der Kritik von
VertreterInnen aus Wirtschaft und
Politik. Die vom Weltklimarat vorgeschlagene Maßnahme der Emissionsminderung von Treibhausgasen wird
als schädlich für das nationale Wirtschaftswachstum abgelehnt.
„The danger of
climate change“*
Der kritische Wert der globalen Erwärmung heißt +2 °C! Vertraut man den
Klimamodellen, wird sich das Klima
bei einer höheren Erwärmung nachhaltig verändern; mit weitreichenden
Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt
und natürlich den Menschen. Nicht
nur ein erhebliches Artensterben
wird erwartet, sondern auch das für
den Menschen unbewohnbar werden
ganzer Erdteile, beispielsweise durch
fortschreitende Wüstenbildung oder
Überschwemmungen.
“Empty words on a
page.”*
Eine riesige Chance, die globale Erwärmung um mehr als 2 °C zu verhindern, wurde soeben vertan: Der
Kopenhagener Klimagipfel endete
desaströs. Es wurden keine Einigung
über verbindliche CO2-Einsparungen
getroffen. Die Verhandlungen zwischen Industriestaaten und Schwellenländern kamen zu kaum einem
Ergebnis. Entsprechend vage liest sich
dann auch die mühsam errungene
Kopenhagener Vereinbarung: die globale Erwärmung soll auf 2 °C begrenzt
werden, die Industriestaaten wollen
die Entwicklungsländer finanziell un-
terstützen und die Wälder sollen geschützt werden. Es ist weder geklärt,
woher die Gelder kommen sollen,
noch wie die Erwärmung zu begrenzen ist.
“We must choose
action over
inaction”*
Ein weitreichender Geld- und Technologietransfer der Industriestaaten
an die Entwicklungsländer wäre nötig, denn ohne Unterstützung ist es
den Entwicklungsländern nicht möglich, ihren Beitrag zu leisten. Weitreichende CO2-Einsparrungen müssen
vertraglich festgelegt und überprüft
werden. Dafür sind zwei Maßnahmen unerlässlich: Ein wesentliches
Mittel in den Industrieländern heißt
Energieeffizienz. Dabei geht es nicht
um Verzicht, sondern um ein Umdenken. Je weniger Energie pro Kopf
verbraucht wird, desto leichter gestaltet sich der Wechsel zu erneuerbaren
Energien, der zweiten Säule. Durch
die computergestützte Vernetzung
von Wind-, Wasser-, Solar- und Biomassekraftwerken zu so genannten
Kombikraftwerken, werden Unstetigkeiten bei der regenerativen Energieerzeugung behoben. Technische
Lösungen sind meist schon vorhanden, jedoch scheitert ihre Umsetzung
meist an den Sachzwängen der kapitalistischen Konkurenzwirtschaft,
denen fossile Brennstoffindustrie und
PolitikerInnen folgen müssen.

* Aus der Rede Barack Obamas auf dem
Kopenhagener Klimakongress.
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