Auge Pathophysiologie Bei einer traumatischen Orbitawandfraktur können Augenmotilitätsstörungen und entsprechend Doppelbilder resultieren. Diplopien durch Hirnnervenparesen sind im höheren Alter meist bedingt durch mikrovaskuläre Infarkte (vor allem Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie). Stets soll bei Doppelbildern an die Möglichkeit von Aneurysmata, Tumoren oder einer Hirndrucksteigerung (Okulomotorius, Abduzens) gedacht werden. Selten ist die Motilitätsstörung bei Arteriitis temporalis Horton (Abduzens). Trochlearisparese. Der N. trochlearis regelt vertikale Augenbewegungen. Die Symptome sind manchmal gering, z. B. nur Leseschwierigkeiten. Das betroffene Auge liegt höher. Abduzensparese. In Geradeausstellung besteht höchstens ein leichtes Einwärtsschielen. Beim Blick zur gelähmten Seite folgt das Auge aber praktisch nicht, und die Distanz zwischen den Doppelbildern nimmt zu. Therapie • Typische Krankheitszeichen Monokulare Diplopie • Die Sehschärfe ist bei Refraktionsfehler für Ferne und Nähe meist unterschiedlich vermindert. • Im Rahmen einer Katarakt klagen die Patienten gleichzeitig über ein getrübtes Bild und vermehrte Blendung. Binokulare Diplopie • Die Doppelbilder liegen in verschiedenen Blickrichtungen unterschiedlich weit auseinander (Lähmungsschielen). • Die Myasthenia gravis, die endokrine Orbitopathie und der orbitale Pseudotumor weisen komplexe Motilitätsmuster auf. 23 • • • Akut aufgetretene binokulare Doppelbilder bedürfen vor allem bei jüngeren Patienten einer raschen (innerhalb Stunden) neurologischen oder neuroophthalmologischen Abklärung. Wenn aufgrund des Alters und der Anamnese ein mikrovaskuläres Geschehen wahrscheinlich ist, kann mit einer Bildgebung zugewartet werden. Das Abdecken des schlechteren Auges vermeidet die Doppelbilder. Wenn monokulare Doppelbilder vorliegen, ist eine ophthalmologische Untersuchung nötig. 23.5 Plötzlicher Visusverlust Allgemeines Notfalluntersuchung Definition und Einteilung • • Ein plötzlicher Visusverlust ist immer bedrohlich und muss genau abgeklärt werden. Er kann unmittelbar vor der Konsultation eingetreten sein, oder aber der Patient hat den Visusverlust erst jetzt zufällig bemerkt. Diese beiden Situationen können manchmal anamnestisch unterschieden werden (Abb. 23.7). Prüfung der Sehschärfe. Inspektion der Orbitae (Exophthalmus, Enophthalmus?). • Prüfung der Augenmotilität: Dem Patienten wird ein Fixationsobjekt präsentiert und die Augenmotilität in allen 9 Blickrichtungen überprüft. Bei einer Orbitabodenfraktur ist die Motilität nach oben und teilweise nach unten eingeschränkt, und es besteht häufig eine Hyposensibilität im Bereich des N. infraorbitalis. • Prüfung der direkten und indirekten Pupillenreaktion: bei einer mikrovaskulären Okulomotoriusparese ist die Pupillenreaktion in der Regelim Unterschied zu Aneurysmata – nicht mitbetroffen. Okulomotoriusparese (s. a. S. 406). Die Motilität ist nach verschiedenen Richtungen eingeschränkt. Das Auge ist meist nach unten und außen gerichtet. Die Okulomotoriusparese kann mit einer Ptose vergesellschaftet sein. Pathophysiologie Ein akuter Visusverlust beim älteren Patienten deutet in erster Linie auf eine akute Durchblutungsstörung hin, beim jüngeren Patienten auf eine Optikusneuritis oder eine Migräne. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 608 Plçtzlicher Visusverlust plötzlicher Visusverlust 609 Anamnese und Symptome transienter Visusverlust Amaurosis fugax Migraine ophtalmique Zentralvenenverschluss Zentralarterienverschluss Erkrankungen des N. opticus Optikusneuritis Papillenapolexie, Morbus Horton Netzhautablösung Abb. 23.7 Plötzlicher Visusabfall. Notfallanamnese Zwei Fragen zielen auf ein Refraktionsproblem ab: • Wird die Sicht beim Blick durch eine stenopäische Lücke besser? • Ist die Sehstörung für Ferne und Nähe qualitativ und quantitativ gleich? Wenn diese Frage bejaht wird, liegt vermutlich kein Refraktionsfehler (Myopie, Hyperopie, Presbyopie) vor. Notfalluntersuchung Sehschärfeprüfung. Die Prüfung erfolgt für jedes Auge einzeln. Dazu muss das andere Auge gut abgedeckt werden. Die Abstufung der Sehschärfe erfolgt im Notfall in groben Schritten: Handbewegung – Fingerzählen – Zeitungstext – feine Einzelheiten. Kann Zeitungsdruck gelesen werden, beträgt die Sehschärfe mindestens ca. 0,3. Prüfung der Pupillenreaktion. Vor allem beim bewusstseinsgestörten Patienten ist der Ausschluss eines relativen afferenten Pupillenreaktionsdefizites (RAPD) essenziell. Dies erfolgt mit dem SwingingFlashlight-Test. Ein RAPD liegt vor, wenn ein Auge bei direkter Beleuchtung dilatiert, nachdem es vorher eine konsensuelle Pupillenkonstriktion aufgewiesen hatte. Ein RAPD ist das Resultat einer verminderten Transmission im betroffenen Sehnerv. Die Prüfung auf ein RAPD erfolgt durch eine helle, fokussierte Taschenlampe: sie wird abwechselnd auf das eine und dann das andere Auge gerichtet. Der Wechsel soll schnell erfolgen, und das Licht soll dann jeweils ca. 5 s auf einem Auge liegen. Wenn beide Sehnerven gleichmäßig funktionieren, zeigen die Pupillen höchstens kleine Einstellschwankungen. Prüfung des Konfrontationsgesichtsfeldes. Es wird überprüft, ob der Patient in allen 4 Quadranten größere Gegenstände wahrnimmt. Dafür eignet sich z. B. die Präsentation der Hände des Untersuchers. Gesichtsfeldausfälle können auf einen peripheren oder einen zentralen Schaden hinweisen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. vasookklusive Erkrankungen 610 Auge Transiente ischämische Attacke (Amaurosis fugax) Definition bei Patienten auf, die unter einer klassischen Migräne leiden. Nicht selten aber ist bei Patienten mit Augenmigräne keine klassische Migräne bekannt. In der Regel ist die ophthalmische Migräne harmlos. Ganz selten kommen schwere retinale Gefäßverschlüsse vor (Arterienastverschluss). Einseitiger Visusverlust, der üblicherweise Sekunden bis Minuten dauert. Pathophysiologie Ursache ist eine retinale Ischämie, welche meist durch einen Embolus, seltener durch einen Vasospasmus verursacht wird. Bei der Amaurosis fugax normalisiert sich die Sehschärfe nach kurzer Zeit. Wenn die gleichen pathophysiologischen Mechanismen im Bereiche der Sehrinde auftreten, resultiert ein beidseitiger identischer Visusverlust. • • • Der Patient klagt über eine im Verlauf häufig zuund abnehmende Visustrübung von 5 – 15 min Dauer, meist nur an einem Auge. Klassisch sind flickernde Skotome oder wellenförmige Linien über das zentrale Gesichtsfeld. Die Ränder des relativen Skotoms erscheinen gezackt (Fortifikationslinien). Der Charakter der Visusstörung und ihre Dauer sind typisch für eine Migräne. Begleitende Kopfschmerzen sind möglich, häufig aber fehlend. Notfalluntersuchung Notfalluntersuchung Klinik • • Meist normaler Augenfundus, gelegentlich ophthalmoskopisch retinale Emboli erkennbar. Neurologische Zeichen einer Durchblutungsstörung (s. S. 382). Diagnostik • Bei typischer Anamnese und bei funktioneller Restitutio ad integrum sind Zusatzuntersuchungen nicht nötig. Bei gehäuften und atypischen Manifestationen sollen zum Ausschluss einer Grunderkrankung innerhalb Wochen eine Fundusuntersuchung und eine Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie) erfolgen. Suche nach kardiovaskulären Risikofaktoren und Emboliequellen (Karotissonografie, Echokardiografie). Therapie Therapie Die Therapie der Migraine ophtalmique entspricht der Behandlung der klassischen Migräne (s. S. 426). Behandlung der Risikokonstellation. Evtl. Plättchenaggregationshemmer. Migraine ophtalmique Pathophysiologie 23 • Zentralarterienverschluss, Arterienastverschluss Definition Verschluss der retinalen Zentralarterie oder eines Arterienastes. Die Symptomatik kommt durch vaskuläre Spasmen und Minderdurchblutung in der Choroidea und Retina zustande. Wenn die Gefäßspasmen im Gebiet der Sehrinde ablaufen, werden die Manifestationen beidseitig wahrgenommen. Die Migraine ophtalmique ist eine häufige Erkrankung. Vermehrt tritt sie Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Notfallanamnese Plçtzlicher Visusverlust Pathophysiologie Pathophysiologisch kommen bei der nichtarteriitischen Form als Ursache ein Gefäßspasmus, eine Embolie (Herzklappen, Karotisatheromatose) und eine Ischämie (bei Störungen der Blutgerinnung und bei lokaler arterieller Hypotension) infrage. Der arteriitischen Form liegt meist eine Arteriitis temporalis Horton mit Papillenapoplexie zu Grunde, seltener andere Vaskulitiden und Kollagenosen (z. B. SLE). • 611 Embolischer Verschluss: Innerhalb von 4 – 6 Stunden kann versucht werden, eine intravasale Lyse mit Urokinase vorzunehmen (EG-D). Die notfallmäßige Zuweisung zum interventionellen Radiologen und Ophthalmologen ist in diesem Zeitintervall möglich. Die Resultate sind trotz schnellster Behandlung häufig schlecht. Später erfolgt eine Risikoabklärung wie bei der transienten ischämischen Attacke. Papillenapoplexie (Morbus Horton) Pathophysiologie Der Patient berichtet klassisch über einen plötzlichen und schmerzlosen Visusverlust. Häufig tritt er am frühen Morgen auf. Notfalluntersuchung Klinik • • • Sehschärfeprüfung: Visus in der Regel unter 0,1. Prüfung der Pupillenreaktion: relatives afferentes Pupillenreaktionsdefizit (RAPD) (s. S. 609). Fundusuntersuchung: Die typische blasse Netzhaut mit dem kirschroten Fleck zeigt sich erst einige Stunden nach dem akuten Ereignis. Arterien und Venen haben verengte Kaliber. Betrifft meistens Patienten > 50 Jahre. Bei der Arteriitis temporalis Horton kommt es in der Regel zur Papillenapoplexie in Folge von entzündlichen Verschlüssen der kurzen ziliaren Arterien, welche die Papille versorgen. Typische Krankheitszeichen Die Patienten klagen häufig über Schläfenschmerzen, schmerzhafte Kopfhaut, Kau-Claudicatio, Gewichtsabnahme, Fieber, Nachtschweiß und generalisierte, schulterbetonte Muskelschmerzen. Notfalluntersuchung Diagnostik Labor. BSG und CRP (stark erhöht bei Arteriitis temporalis). Bildgebung. Bei hinsichtlich einer Polymyalgie blander Anamnese und bei normaler BSG ist eine Arteriitis temporalis Horton als Ursache wenig wahrscheinlich. Sonografische Untersuchungen von Karotis und Herz zeigen nur selten eine Quelle für Embolien. Nächtliche Blutdruckabfälle sind als Ursache in Erwägung zu ziehen. Klinik Die Befunde können unterschiedlich stark ausgeprägt sein: • Der Visus ist in der Regel massiv reduziert, z. B. auf Fingerzählen. • Entsprechend ist das afferente Pupillenreaktionsdefizit (s. S. 609) deutlich vorhanden. • Am Fundus ist die Papille blass und stark ödematös, die Netzhaut praktisch normal. • Die Schläfenarterien sind oft verhärtet und manchmal pulslos. Therapie • Arteriitis temporalis: sofortiger Beginn einer hoch dosierten Glukokortikoidtherapie (EG-C). Häufig wird eine Dosierung von 1 mg/kg KG Prednison gewählt. Diese Glukokortikoidtherapie hat vor allem auch zum Ziel, einen arteriitischen Verschluss am zweiten Auge zu verhindern. Diagnostik Labor. BSG und CRP (meist stark erhöht, normale Resultate schließen allerdings eine Riesenzellarteriitis nicht ganz aus). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Notfallanamnese Auge Therapie Weiteres Management • Notfallmanagement Es kommen immer wieder beidseitige Erblindungen bei verzögertem Therapiebeginn vor! Darum bei Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis (Anamnese und/oder Labor) sofortiger Beginn mit Prednison 100 mg/d p. o. (EG-C). Die Soforttherapie soll primär das zweite Auge vor einem Mitbefall schützen. Die Kortikosteroide beeinflussen innerhalb von 10 Tagen das Resultat einer Biopsie der A. temporalis nicht. Zentralvenenverschluss Pathophysiologie Die Pathogenese des retinalen Zentralvenenverschlusses ist unklar. Hauptrisikofaktoren sind Alter, arterielle Hypertonie, arterielle (vor allem nächtliche) Blutdruckabfälle, Diabetes mellitus. Notfallanamnese Plötzlicher oder häufiger subakuter, schmerzloser Visusverlust. • Screening auf Hypertonie und Blutdruckschwankungen. Da die Gefahr eines späteren Sekundärglaukoms besteht, muss der Patient dem Ophthalmologen zugewiesen werden. Optikusneuritis Pathophysiologie Entzündlich bedingte Visusveränderung meist im Rahmen einer parainfektiösen Entzündung oder demyelinisierenden Erkrankung (Multiple Sklerose). Bei parainfektiösen Entzündungen kommt es in der Regel und bei der Multiplen Sklerose meist zur Erholung der Funktion. Die Prognose ist abhängig von der Aktivität der Grunderkrankung. Notfallanamnese Schmerzloser Visusverlust über Stunden bis Tage. Meist ist nur ein Auge betroffen. Der Patient beobachtet eine verminderte Sehschärfe, Störungen des Farben- und des Kontrastsehens. Das Ausmaß der Visusstörung kann sehr unterschiedlich sein. Häufig ist die Augenmotilität schmerzhaft. Notfalluntersuchung Notfalluntersuchung • • Sehschärfeprüfung: Die Sehschärfenminderung und das relative afferente Pupillenreaktionsdefizit (s. S. 609) sind unterschiedlich ausgeprägt, je nach Stärke und Ausdehnung der Perfusionsstörung. Fundoskopie: Man erkennt große Areale mit dunklen, streifenförmigen Blutungen. Therapie Notfallmanagement • 23 • Wenn die Diagnose der Durchblutungsstörung nicht eindeutig ist, soll der Patient notfallmäßig dem Ophthalmologen gezeigt werden (Differenzierung gegenüber einem arteriellen Verschluss). Es kann versucht werden, mit isovolämischen Hämodilutionen die Rheologie und die Prognose zu verbessern (EG-C). Klinik • • • • Immer ist ein relatives afferentes Pupillenreaktionsdefizit (s. S. 609) vorhanden. Die Sehschärfe ist unterschiedlich stark vermindert, häufig besteht eine Farbsinnstörung (rot/ grün). Gesichtsfeldprüfung: Zentrale Gesichtsfeldausfälle werden vom Patienten bemerkt, periphere hingegen nicht. Die Papille kann normal aussehen oder blässlich, selten mit Papillenödem. Diagnostik MRT. Die MRT-Untersuchung erfolgt zur Darstellung des entzündeten und geschwollenen N. opticus, hauptsächlich aber zur Suche nach für eine demyelinisierende Erkrankung typischen periventrikulären Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 612 Plçtzlicher Visusverlust Therapie Hoch dosiertes Methylprednisolon i. v. (500 – 1000 mg) kann die Entzündungsdauer reduzieren (EG-C), den weiteren Verlauf und die Rezidivhäufigkeit einer demyelinisierenden Optikusneuritis aber nicht beeinflussen. Notfalluntersuchung • • Therapie • • Netzhautablösung (Amotio retinae) • Pathophysiologie Bei der Netzhautablösung kommt es zur Trennung der sensorischen Netzhaut vom retinalen Pigmentepithel. Ursache ist meist eine Lochbildung in der Netzhaut. Eine Traktion und ein verflüssigter Glaskörper sind weitere Vorbedingungen zur Ausbildung einer rhegmatogenen (d. h. mit Netzhautforamen) Netzhautablösung. Kurzsichtige Patienten haben ein erhöhtes Risiko einer Netzhautablösung, ebenso Patienten mit einem stärkeren Augenkontusionstrauma in der Anamnese. Notfallanamnese • • Blitzen ist ein Symptom für eine Traktion an der Netzhaut. Blitzerscheinungen sind aber kein Zeichen der eigentlichen Netzhautablösung, sondern verschwinden dann häufig. Hauptsymptom einer Netzhautablösung ist ein Schatten, der sich von der Peripherie her ausbreitet. In etwa 90% der Fälle beginnt der Schatten von unten her. In den frühen Stadien ist die Sehschärfe noch nicht reduziert. Es ist sehr schwierig, mit direkter Ophthalmoskopie eine periphere Netzhautablösung zu diagnostizieren. Im durchfallenden Licht kann allenfalls eine Änderung des retinalen Lichtreflexes gesehen werden (Schatten). Ausschlaggebend ist die subjektive Symptomatik des Patienten. Notfallmäßige Zuweisung zum Augenarzt zur exakten Diagnose und Therapie. Lochbildungen in der Netzhaut ohne Netzhautablösungen können durch Laserkoagulationen abgeriegelt werden. Sobald die Netzhaut wirklich abgehoben ist, ist ein ophthalmochirurgischer Eingriff nötig. Die operative Versorgung der Netzhautablösung ist anzustreben, solange die Makula noch nicht abgehoben und somit die makuläre Sehschärfe noch uneingeschränkt ist. Akuter Glaukomanfall Pathophysiologie Ein akuter Glaukomanfall tritt meist im Rahmen einer Engwinkelsituation auf. Bei mittelweiter Pupillenstellung können der Kammerwinkel und das Trabekelwerk verlegt werden, was zur massiven Augendrucksteigerung führt. Prädisponiert sind Patienten mit einer starken Hyperopie und kurz gebautem Auge. Augendrucksteigerungen sind auch im Rahmen eines Sekundärglaukoms möglich. Typische Krankeitszeichen • • Der Patient hat meistens starke, dumpfe und schlecht lokalisierbare Schmerzen. Nausea, Erbrechen und eine vegetative Symptomatik sind möglich. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Herden. Ist aufgrund der radiologischen Untersuchung eine demyelinisierende Krankheit wahrscheinlich, wird die Zusammenarbeit mit dem Neurologen gesucht. Die Diagnose einer multiplen Sklerose kann mit einer Lumbalpunktion erhärtet werden (oligoklonale Banden in der isoelektrischen Fokussierung). 613 Auge Notfalluntersuchung • • • Das Auge weist eine diffuse ziliare Injektion auf. Die Hornhaut kann ödematös sein und die Sichtbarkeit der Iris einschränken. Sehschärfeprüfung. Bimanuelle Prüfung des Augeninnendrucks (aber nur, wenn eine perforierende Augenverletzung ausgeschlossen ist). Mit den beiden Zeigefingern wird der Augenbulbus im Sklerabereich durch das Oberlid hindurch abwechselnd leicht eingedellt und dabei der Widerstand geschätzt. Der Augendruck wird mit der Gegenseite verglichen. Der palpatorisch gemessene Augendruck ist erhöht. kann auch aus einer Ampulle eines üblichen Lokalanästhetikums getropft werden, z. B. Lidocain 1%. Nichtsteroidale Entzündungshemmer. Nichtsteroidale Entzündungshemmer wie Diclofenac, Ketorolac oder Indometacin bewirken eine starke Schmerzstillung, wenn sie bei Epitheldefekten 5 – 7 ×/d eingetropft werden. Diese Therapie soll sich auf wenige Tage beschränken. Bei starken Augenschmerzen sind systemische Analgetika indiziert. Fluoreszein Topisches Fluoreszein ist meist als gefärbte Papierstreifen im Handel. Mit den etwas angefeuchteten Streifen wird der Tränenfilm angefärbt. Im Blaulicht können Defekte am Hornhautepithel besonders gut erkannt werden. Therapie Mydriatika Notfallmanagement • • Notfallmäßige Zuweisung des Patienten zum Augenarzt. Nur wenn dies nicht innerhalb nützlicher Frist möglich ist: Gabe von 250 – 500 mg Acetazolamid p. o. oder 250 ml Glycerol p. o. oder 100 ml Mannitol i. v. Besondere Merkpunkte Anticholinergika und Mydriatika sind nur in Engwinkelsituationen kontraindiziert. Beim häufigen Glaucoma chronicum simplex mit normal tiefer Vorderkammer besteht keine erhöhte Gefahr eines akuten Glaukomanfalls (EG-B). 23.6 Ophthalmologika Therapie Analgetika 23 Lokalanästhetika. Ins Auge getropfte Lokalanästhetika befreien den Patienten kurzfristig von seinen Schmerzen und verbessern so die Untersuchungsbedingungen. Die Wirkdauer beträgt 20 – 30 min. Die anästhesierenden Augentropfen sind aber epitheltoxisch und dürfen nie dem Patienten nach Hause mitgegeben werden. Handelsübliche Präparate enthalten Oxybuprocain und Proxymetacain. Im Notfall Kurz wirksame Mydriatika (Wirkdauer wenige Stunden) werden diagnostisch zur Pupillenerweiterung und Fundusuntersuchung verwendet (z. B. Tropicamid 0,5 – 1%). Eine relative Kontraindikation besteht nur bei sehr enger Vorderkammer und damit Disposition zum akuten Winkelblockglaukom (selten!). Durch die weiten Pupillen wird die Verkehrstauglichkeit eingeschränkt. Lokale Antibiotika Lokale Antibiotika werden eingesetzt bei einer akuten bakteriellen Konjunktivitis und prophylaktisch gegen bakterielle Infektionen nach einem oberflächlichen Augentrauma. Die galenischen Formen Augentropfen und Augensalbe haben kaum therapeutische Unterschiede. In der Ophthalmologie werden lokal Breitbandkombinationen und ältere Aminoglykoside eingesetzt: z. B. Polymyxin-B + Neomycin + Gramicidin, Neomycin + Bacitracin, Polymyxin B + Neomycin, Tobramycin etc. Beachte! Gyrasehemmer (z. B. Ofloxacin) sind ophthalmologische Reservepräparate und nur indiziert bei schweren Keratitiden. Virostatika Die häufigste virale Augeninfektion ist die Herpessimplex-Keratitis. Die Behandlung gehört in die Hand des Augenarztes, aber die Grundversorgung muss eine Herpeskeratitis immer als Differenzialdiagnose mit einbeziehen. Die Herpeskeratitis wird Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Schoenenberger, R. A., W. E. Haefeli, J. Schifferli: Internistische Notfälle (ISBN 9783135106083) © 2008 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 614