SATELL Newsletter Kapitalmarktrecht Nr. 9 Nächster Schritt auf dem Weg zu einer verpflichtenden EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung Am 15.05.2014 hat das Europäische Parlament den Vorschlag der Europäischen Kommission einer Richtlinie zur Offenlegung nicht finanzbezogener Informationen zu Diversität, sozialen und ökologischen Belangen im Lagebericht vom 16. April 2013 (dazu SATELL Newsletter Kapitalmarktrecht Nr. 5 vom 03.07.2013) angenommen. Im nächsten Schritt muss der Vorschlag der Kommission vom Rat der Europäischen Union, dem die nationalen Minister aller EU-Mitgliedstaaten angehören, beschlossen werden. Danach steht die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten an. Der nun vom EU-Parlament angenommene Kommissionsvorschlag betrifft EU-weit rund 6.000 Unternehmen und Konzerne und räumt den Adressaten einen erheblichen Ermessensspielraum in der Art und Weise ihrer Berichterstattung ein. Es bleibt ihnen überlassen, ob sie die geforderten Informationen in den Lagebericht aufnehmen oder einen gesonderten Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Gleiches gilt für die Verwendung internationaler, europäischer oder nationaler Leitlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (beispielsweise der UN Global Compact, ISO 26000 oder den Deutschen Nachhaltigkeitskodex), die nicht zwingend vorgeschrieben werden. Wenn das Unternehmen bereits einen Nachhaltigkeitsbericht nach einer der Leitlinien veröffentlicht, soll die Berichtspflicht entfallen. Ein Schwerpunkt des Vorschlags liegt auf der Förderung der Vielfalt in Vorständen und Aufsichtsräten: Die neuen Regelungen sollen die betroffenen Unternehmen verpflichten, Informationen über ihre Strategie auf dem Gebiet der Vielfalt (Alter, Geschlecht, Ausbildung und beruflicher Hintergrund) offen zu legen. Die Unternehmen sollen ihre Ziele, die Umsetzungsschritte und die Ergebnisse darlegen. Entscheidet sich ein Unternehmen dagegen, eine Strategie zur Erreichung von mehr Vielfalt einzurichten, muss es dies zumindest erklären. Bislang lag es nach den Vorschriften der Vierten Gesellschaftsrechtrichtlinie über den Jahresabschluss im Ermessen der Gesellschaften, ob sie bestimmte Informationen über ökologische, soziale und sonstige insbesondere nachhaltigkeitsbezogene Aspekte ihrer Tätigkeit veröffentlichen. Nach Einschätzung der EU haben sich die bestehenden Rechtsvorschriften allerdings als unklar und ineffektiv erwiesen. Weitere Schwierigkeiten bestünden darin, dass sie in den Mitgliedstaaten unterschiedlich angewandt würden und außerdem nur ein Bruchteil der größeren Gesellschaften in der EU regelmäßig entsprechende Informationen offenlegten. Einige Mitgliedstaaten hätten bereits seit 2006 Angabepflichten eingeführt, die über die Anforderungen der Vierten Gesellschaftsrechtrichtlinie hinausgingen. Mit den nun vom EU-Parlament angenommenen Rechtsvorschriften soll erreicht werden, dass Unternehmen, Anleger und eine breite Öffentlichkeit zweckdienliche Informationen erhalten. Außerdem liegt ihnen die Annahme zugrunde, dass Gesellschaften, die Angaben zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Geschäftsergebnissen veröffentlichen, bei ihrer Entscheidungsfindung eine längerfristige Sichtweise einnehmen. Das soll sich positiv auf die Finanzierungskosten der betroffenen Unternehmen auswirken und ihre Attraktivität bei Arbeitnehmern erhöhen. Letztlich beabsichtigen die EU-Kommission und das EU-Parlament mit dem Entwurf, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern und einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu leisten. Fazit: Vor dem Hintergrund der bisher nicht flächendeckenden und uneinheitlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung könnte der Plan der EU aufgehen, ein Minimum an Berichterstattung über soziale und ökologische Belange für Unternehmen ab einer bestimmten Größe (Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern im Durchschnitt oder einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro oder einem Umsatz von über 40 Millionen Euro zum Bilanzstichtag) verpflichtend vorzuschreiben. Weiter bleibt allerdings zu beobachten, ob sich die von Kritikern angeführten Risiken verwirklichen. Sie befürchten, dass der große Ermessensspielraum, der den Unternehmen bei der Berichterstattung eingeräumt wird, zu qualitativen Einschränkungen der Berichte führen wird. Dies wird insbesondere als Gefahr bei Unternehmen an der Untergrenze der Größenbeschränkung gesehen, da eine Nachhaltigkeitsberichterstattung für sie nur machbar sei, wenn sich der damit verbundene finanzielle und organisatorische Aufwand in Grenzen halte.