Vortrag Blum BOKU

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University of Natural Resources
and Applied Life Sciences, Vienna
Department of Forest- and Soil Sciences
Globalisierung- Was hat das
mit dem Boden zu tun?
von
Winfried E. H. Blum
Institut für Bodenforschung, Universität für Bodenkultur Wien
[email protected]
1
Globalisierung= weltweit
erkennbare Prozesse mit
meßbarer Wirkung
Böden sind lokal und
räumlich extrem
unterschiedlich
Böden sind auf drei verschiedene Arten global
vernetzt:
-
-
-
Durch Gasaustausch über die Atmosphäre:
Böden größter terrestrischer C- Speicherklimawirksame Spurengase (CO2, CH4, N2O) u.a.
Über den Wasserkreislauf: Entwässerung aller
terrestrischer Ökosysteme in Richtung Meere,
Meeressalze bestimmt durch die geochemische
Mobilität der Gesteinselemente bei Verwitterung,
Bodenbildung und Transport (Cl, Na, Mg, Ca, S, K)
Über die weltweite Nachfrage nach Gütern und
Dienstleistungen des Bodens, vor allem die
Produktion von Biomasse= Globalisierung im
Sinne des vorgegebenen Themas
GÜTER UND DIENSTLEISTUNGEN DES BODENS
Menschliche Gesundheit
Atmosphäre
Pflanzenproduktion
(z.B. Nahrungsmittel)
Kultur
Oberflächenwasser
Biodiversität
Boden
Grundwasser
W.E.H. Blum, 2004
Böden sind zwar lokal, aber über die Produktion und
Nachfrage von Biomasse (Nahrungsmittel,
Futtermittel, sonstige organische Rohstoffe und
Produkte, einschl. Bioenergie) global vernetzt.
Welche Böden sind vor
allem vernetzt?
NUTZUNGSEIGNUNG DER BÖDEN
WELTWEIT
~ 12 % der Landoberfläche geeignet für die
Erzeugung von Nahrungsmitteln und
Faserstoffen;
~ 24 % geeignet als Weideland
~ 31 % geeignet für Wälder
~ 33 % ungeeignet für jegliche nachhaltige Nutzung
(Buringh, 1998; FAO 1995)
Global map of land quality
10
Blum und Eswaran, 2004
GLOBALE BODENQUALITÄT NACH
OBERFLÄCHE UND
BEVÖLKERUNGSVERTEILUNG
Bodenqualität
Klasse
Oberfläche
gesamt
Weltbevölkerung
I
2,4 %
6,1 %
II, III
9,5 %
19,0 %
33,8 %
52,4 %
9,0 %
10,4 %
45,3 %
12,1 %
IV, V, VI
VII
VIII, IX
Blum und Eswaran, 2004
11
Percent of land area in major biomes as a function of land quality
LAND QUALITY CLASS (Percent of ice-free land surface)
BIOMES
I
II
III
IV
V
VI
VII
Tundra
Boreal
Temperate
2.14
2.55
Mediterranean
VIII
IX
Total
15.62
15.62
1.08
0.07 10.02
2.03
0.67
0.50
3.05
2.63
0.70
1.31
4.76
1.66
2.01
0.15 15.29
0.30
0.15
1.35
0.08
0.65
0.03
Desert
Tropical
0.25
2.43
1.51
1.83
9.90
8.53
Total
2.38
4.98
4.55
3.95 16.51 13.32
2.56
1.42
28.19 29.61
2.31
0.16 26.90
9.01 16.69 28.59 100.00
Blum und Eswaran, 2004
Vor diesem Hintergrund
sind 8 globale Trends
erkennbar.
1 Zunahme der Weltbevölkerung und
Veränderung ihrer räumlichen Verteilung
• jährlich ~ 80-85 Millionen mehr = benötigen
- mehr Raum;
- mehr Nahrungsmittel;
- mehr Energie.
• Jedes Jahr wandern 100-150 Millionen von
ländlichen Gebieten in Städte oder werden
dort geboren:
- Verlust der eigenen Erzeugung von
Nahrungsmitteln;
- daher zunehmender Druck auf die lokalen,
regionalen und weltweiten Lebensmittelmärkte.
WACHSTUM DER WELTBEVÖLKERUNG SEIT
8000 v. Chr. In Mill.
Jahr
8000 v.Chr..
1 A.D.
1500
1730
1820
1850
1900
1950
1990
2000
jährl.
WeltWachstumsrate
bevölkerung
in %
2 – 20
<0,1
200 – 300
<0,1
400 – 500
<0,1
700
<0,1
1000
0,2
1200
0,5
1600
0,6
2500
0,8
5300
1,8
6000
1,5
15
(J.R. McNeill, 2003)
Indicators of global production intensification, 1961-2007
Index (1961=100)
Fertilizer
consumption
Cereal
production
Cereal yield
Irrigated land
area
Harvested
Land area
(FAO, 2011)
Globale Nachfrage nach Primärenergie
(bis 2008 gemessen, ab 2010 geschätzt)
WBGU, 2011
2 Verlust fruchtbarer Böden
durch Versiegelung
(Siedlungen, Industrieanlagen
und Verkehrswege) sowie
Bodenentnahme, Erosion und
weitere Bodenbelastungen
(Foley et al. 2005)
20
Europe’s built environment
21
Versiegelung von Böden und Landschaften durch Siedlungen und Straßen
(Beispiel: Straßenbauamtskarte 1967, südwestliches Baden-Württemberg,
22
Deutschland)
Blum, 1975
Tägliche Bodenverluste durch
Versiegelung in der EU 28 (ohne
zusätzliche Bodenverluste durch
Entnahme, Erosion, Kontamination,
Verdichtung, Versalzung u.a.)
Deutschland: 90 - 110 ha
Österreich:
9 - 11 ha
Schweiz:
6 - 8 ha
_____________________
EU 28
800 - 1000 ha (geschätzt)
25
The impact of human activities on soil
Diffuse input of contaminants as
particulates
Persistent substances
Gradual
disappearance of
farms
Sealing
Blocking of soil functions
important to the ecology
of the landscape
Gradual
destruction of
soils
Destruction of soil
Reduction in soil
fertility
EU-JRC-IES-Ispra/Italy
Manures and
fertilisers
Acids
Sewage
sludge
Pesticides &
herbicides
Accumulation/
Contamination
Compaction
Salinisation
Destruction of
Acidification
humus
Gravel
extraction
Release of toxic
substances
Changes in the
structure of soils
Contamination of soils and ground water with
applied agrochemicals and atmospheric pollutants
Reduction in soil
fertility
Changes in soil composition
Adverse impacts on living organisms in the soil
Destruction of soil
3 Veränderungen durch Wandel des
Lebensstils und der Nachfrage nach
Lebensmitteln
- gesteigerte Nachfrage nach
individuellem Lebensraum;
- Verschwendung von Lebensmitteln
(Müll) und übermäßiger Konsum
Fettsucht;
- wegen Zunahme des Fleischkonsums
höhere Nachfrage nach Primärprodukten, z.B. Getreide
Getreideverbrauch für die
Fleischproduktion:
- für 1 kg Hühnerfleisch
~ 2-3 kg Getreide
- für 1 kg Schweinefleisch ~ 4-5 kg Getreide
- für 1 kg Rindfleisch
~ 7-10 kg Getreide
Um die zunehmende Nachfrage
auszugleichen, wäre es notwendig, die
Getreideproduktion von
2.64 Mg/ha im Jahr 2000, auf
3.60 Mg/ha im Jahr 2025, und auf
4.30 Mg/ha im Jahr 2050,
zu erhöhen (Lal, 2006).
4 Weltweite ökonomische Veränderungen,
insbesondere bezüglich Produktion und
Vermarktung von Lebensmitteln und
Bioenergie
• Starke Zunahme spekulativer Produktion und
Vermarktung (Warentermingeschäfte, z.B.
Derivate, Hedging u.a.);
• Zunahme der Fluktuation der Preise;
• Kauf oder Pacht von landwirtschaftlichen
Produktionsflächen in fremden Ländern
(„land grabbing“)
Entwicklung der Nahrungsmittelpreise (inflationsbereinigt)
1990-2011 (WBGU, 2011)
31
LAND GRABBING
= Kauf oder Pacht (auf 99 Jahre) von Bodenflächen in
fremden Ländern verschiedener Kontinente, ohne
Rücksicht auf die lokale Bevölkerung.
Bevölkerungsreiche Industrieländer, Unternehmen,
Versicherungsgesellschaften, Banken kaufen oder
pachten Land in Afrika, Asien oder Lateinamerika für die
Produktion von Nahrungsmitteln und/oder Bioenergie für
den eigenen oder den Weltmarkt.
bis 2009 mehr als 50 Millionen ha (=500.000 km² )
~ die Fläche Frankreichs;
bis 2011 ca. 70 Millionen ha (700.000 km²);
entsprechend der Agrarflächen von Deutschland,
Frankreich und Italien zusammen, davon ca. 70%
32
in Afrika.
5
-
-
-
Steigende Nachfrage nach
Bioenergie z.B. nach Biotreibstoffen
(Äthanol, Diesel)
Teile der für die Nahrungs- und Futtermittelbereitstellung erzeugten Produkte (Getreide,
Pflanzenöle u.a.) werden in Biotreibstoffe
umgewandelt;
Wegen der steigenden Nachfrage nach
Biotreibstoffen werden Naturwälder gerodet und
große Flächen in fremden Kontinenten gekauft
oder gepachtet (=„land grabbing“)
Biotreibstoffe stehen wegen des leichten
Transports in globaler Konkurrenz.
BIOTREIBSTOFFE WELTWEIT – 2011
(nach FAO/OECD)
13% allen Getreides
} für die Äthanol35 % allen Zuckerrohrs } produktion
16% aller Pflanzenöle für Biodiesel
Zitat: Pascal Lamy, GD der WTO, Feb. 2011 in Berlin
(Deutschland)
6 Starke Beeinflussung der
Bodennutzung durch
Klimawandel infolge globaler
Nutzung fossiler Energie
Klimawandel und Pflanzenproduktion
- Globale Erwärmung:
mögliche Überschreitung pflanzenphysiologischer
Grenzwerte;
erhöhter Wasserbedarf der Pflanzen;
erhöhte Gefährdung durch pflanzliche und tierische
Schädlinge;
- Veränderung der Niederschlagsverteilung
(Bodenfeuchte, Oberflächenabfluss u.a.);
- mehr extreme Wetterereignisse (nass, trocken, kalt,
heiß;
- Stärkere klimatische Schwankungen insgesamt.
36
Annual mean temperature change:
2071 to 2100 relative to 1990
Source: IPCC, 2001.
Annual mean precipitation change:
2071 to 2100 relative to 1990 (Hadley Center)
Impacts of Climate Change on Multiple Cropping Production Potential of Rain-fed Cereals
Source: IPCC, 2001.
7 Weltweit zunehmende
Verknappung von
Süßwasser - ca. 70% des
Süßwassers werden für die
landwirtschaftliche Produktion
genutzt.
Share of Irrigated Land in Arable Land (2003)
8 Globale Verbreitung nicht
autochthoner Tier- und Pflanzenarten (einschl. tierischen und
pflanzlichen Krankheitserregern)=
invasive Arten durch weltweit
steigende Transportkapazitäten und –
geschwindigkeiten, teilweise gefördert
durch den Klimawandel. Dadurch
mittel- bis langfristige Gefährdung der
agrarischen Biomasseproduktion.
Globalisierung- Schlussfolgerungen
und Ausblick
1. Böden sind zwar lokal, jedoch über die
Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen
des Bodens global vernetzt.
2. Diese Vernetzung erfolgt direkt über regionale
und globale Märkte, sowie indirekt über schwer
steuerbare Rückkoppelungseffekte, wie z.B. den
Klimawandel, vor allem durch die Verwendung
fossiler Energie und die Art und Intensität der
Bodennutzung.
Globalisierung- Schlussfolgerungen
und Ausblick
3. Die weltweit zunehmende Versiegelung der
produktivsten Böden und zusätzliche
Bodenbelastungen sowie die zunehmende
Verknappung von Süßwasser gefährden die
agrarische Produktion.
4. Durch die weltweite Verbreitung invasiver Tier- und
Pflanzenarten wird in Zusammenwirkung mit dem
Klimawandel das ökologische Gleichgewicht und
damit auch die agrarische Produktivität gefährdet.
5. Eine Kontrolle und Steuerung der Globalisierung,
auch von einzelnen Teilprozessen, ist extrem
schwierig und nur über internationale Abkommen
und Regelungen möglich.
DANKE FÜR IHRE
AUFMERKSAMKEIT!
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