Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr

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Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr
Gesetzliche Grundlagen
Allgemeine gesetzliche Grundlage für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist das
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Gemäß § 1 Absatz 1 OWiG ist eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines
Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt. Gemäß § 17 Absatz 1
OWiG kann die Höhe der Geldbuße von 10,00 DM bis 2.000,00 DM betragen. Im Vergleich zu Straftatbeständen sehen Ordnungswidrigkeitentatbestände weitaus geringfügigere Rechtsfolgen vor. Obwohl auch wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot angeordnet werden kann, handelt es sich bei den Rechtsfolgen einer Ordnungswidrigkeit
niemals um eine Strafe im Sinne der Strafgesetze. Geldbußen haben lediglich eine sogenannte "Denkzettel- oder Besinnungsfunktion". Vorschriften über verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten sind u.a. im Straßenverkehrsgesetz (StVG) enthalten. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) und die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) enthalten darüberhinaus eine Vielzahl speziell verkehrsrechtlicher Ordnungswidrigkeitentatbestände,
für die im Verwarnungs- und Bußgeldkatalog einheitliche Regel-Bußgelder und teilweise
Fahrverbote als Rechtsfolge vorgesehen sind.
In der verkehrsrechtlichen Praxis spielen zahlenmäßig insbesondere die in dem Verwarnungsgeldkatalog und in dem Bußgeldkatalog im einzelnen aufgeführten Ordnungswidrigkeiten eine bedeutende Rolle.
Verwarnungsgeldkatalog
Gemäß § 56 Absatz 1 OWiG kann die Verwaltungsbehörde, die für die Verfolgung von
Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten den Betroffenen verwarnen. Es kann ein Verwarnungsgeld von 10,00 DM bis 75,00 DM erhoben
werden. Für zahlreiche verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten ist die Höhe des Verwarnungsgelds im Verwarnungsgeldkatalog geregelt. Durch die Verwarnung soll der Betroffene einen "Denkzettel" erhalten, ohne dass mit der Verwarnung ein Strafvorwurf
verbunden ist. Verwarnungen können schriftlich oder mündlich, mit oder ohne Verwarnungsgeld ergehen. Typische Beispiele für die Erteilung einer Verwarnung: Falschparken,
Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot ohne Gefährdung, falsches Überholen ohne Gefährdung, Verstoß gegen Gurt- oder Helmpflicht, Gefährdung bei Ein- und Aussteigen, erforderlichen Abstand nicht eingehalten usw..
Verwarnungsgeldverfahren
Eine Verwarnung wird gemäß § 56 Absatz 2 OWiG nur wirksam, wenn der Betroffene mit
ihr einverstanden ist und das Verwarnungsgeld entweder sofort oder innerhalb einer
Frist, die eine Woche betragen soll, bezahlt. Neben dem Verwarnungsgeld werden keine
sonstigen Kosten oder Auslagen gegenüber dem Betroffenen geltend gemacht. Sofern
der Betroffene das Verwarnungsgeld bezahlt, zeigt er hierdurch sein Einverständnis mit
der Verwarnung. Die Verwarnung ist wirksam, das Verfahren ist beendet. Eine Eintragung
der Verwarnung oder von Punkten in das Verkehrszentralregister erfolgt nicht. Eine Verwarnung stellt kein Schuldeingeständnis für die zivilrechtliche Frage nach dem Verschulden bei einem Verkehrsunfall dar. Sofern der Betroffene das Verwarnungsgeld nicht bezahlt, ohne hierfür eine Rechtfertigung vorzutragen, leitet die Behörde das Verwarnungsgeldverfahren in ein Bußgeldverfahren über. Wenn eine Rechtfertigung für die Ordnungswidrigkeit vorgetragen wird, prüft die Behörde, ob das Verfahren einzustellen ist.
Für den Fall, daß eine Einstellung nicht erfolgt, wird das Verwarnungsgeldverfahren in ein
Bußgeldverfahren übergeleitet.
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"Kennzeichenanzeigen"
Bei Halt- und Parkverstößen wird von den Politessen oder aufnehmenden Bediensteten in
aller Regel nur das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs ermittelt, nicht jedoch die Fahrerin oder der Fahrer des Fahrzeugs im Tatzeitpunkt. Der Halter des Fahrzeugs wird dann
anhand des amtlichen Kennzeichens ermittelt, und er bekommt von der Bußgeldstelle ein
Verwarnungsgeldangebot. Sofern das Verwarnungsgeld bezahlt wird, ist das Verfahren
beendet.
In der Praxis kann allerdings oftmals durch bloßes Nichtstun Geld gespart werden, wenn
auf Grund einer "Kennzeichenanzeige", etwa wegen Parken in zweiter Reihe, ein Verwarnungsgeld von mindestens 40 DM angeboten wird. Die Bußgeldstellen verfolgen die
Angelegenheit in der Regel nicht weiter, wenn auf das Verwarnungsgeldangebot keinerlei
Rücklauf erfolgt. Wenn also das Verwarnungsgeld nicht bezahlt wird und das Verwarnungsgeldangebot auch nicht in irgendeiner Weise beantwortet wird, wenn also keinerlei
Rücklauf an die Behörde erfolgt, wird das Verfahren in der Regel eingestellt. Die Kosten
des Verfahrens werden gemäß § 25a Straßenverkehrsgesetz (StVG) dem Fahrzeughalter
auferlegt. Die Kosten des Verfahrens belaufen sich aber gegenwärtig lediglich auf 36 DM
wovon 25 DM Verfahrenskosten im engeren Sinne sind, während 11 DM auf Zustellkosten
entfallen. Das Verfahren ist in diesen Fällen also mit einer Kostenbelastung von unter 40
DM eingestellt, während das Verwarnungsgeld mit 40 DM oder mehr zu Buche geschlagen hätte.
Bußgeldkatalog
Wenn eine schwerwiegendere Ordnungswidrigkeit vorliegt, bei der eine Verwarnung
mangels Geringfügigkeit nicht erteilt werden kann, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Entsprechende Ordnungswidrigkeiten sind im Bußgeldkatalog im einzelnen aufgeführt.
Typische Beispiele sind nicht geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen, Verstoß
gegen 0,5 Promille-Grenze oder 0,8 Promille-Grenze, Verkehrsverstöße auf Autobahnen
usw.. Der Bußgeldkatalog bestimmt Regelsätze für die Höhe des Bußgelds und sieht für
bestimmte Verstöße auch die Anordnung eines Fahrverbots vor. Die Regelsätze für Geschwindigkeitsüberschreitungen um 50 km/h oder mehr und die entsprechenden Regelfahrverbote wurden zuletzt mit Wirkung ab dem 01. Mai 2000 drastisch erhöht. Ein Regelfall liegt bei fahrlässiger Tatbegehung und normalen Tatumständen vor. Die Regelsätze können erhöht oder vermindert werden, wenn in einem konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, die vom Regelfall erheblich abweichen. Bei einer vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung wäre also der Regelsatz des Bußgelds in Abweichung vom Regelsatz zu erhöhen. Eine Erhöhung des Regelsatzes kann auch erfolgen,
wenn bei dem Betroffenen bereits Eintragungen im Verkehrszentralregister vorliegen.
Bußgeldverfahren
Das Bußgeldverfahren ist aufwendiger als das Verwarnungsgeldverfahren. Im Bußgeldverfahren finden gemäß § 46 Absatz 1 OWiG grundsätzlich die Vorschriften über das
Strafverfahren entsprechende Anwendung. Bußgelder haben eine Höhe von mindestens
80,00 DM. Ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid ist immer auch mit der Eintragung von
mindestens einem Punkt in das Verkehrszentralregister (VZR) verbunden.
Rechtliches Gehör
Sofern die zuständige Behörde ein Bußgeldverfahren einleitet, ist dem Betroffenen zunächst rechtliches Gehör zu gewähren, d.h. der Betroffene erhält Gelegenheit, zu dem
gegen ihn erhobenen Vorwurf Stellung zu nehmen. Dies geschieht in der Regel durch
Übersendung eines Anhörungsbogens. Die Anhörung kann auch im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder am Unfallort erfolgen.
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Es gehört zu den grundsätzlichen Prinzipien des Rechtsstaats, dass derjenige, dem ein
Regelverstoß vorgeworfen wird, und gegen den deshalb ermittelt wird, die Gelegenheit
erhält, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Der Betroffene wird daher zu den Vorwurf angehört, dadurch wird sein im Grundgesetz verankertes Recht auf "rechtliches Gehör" verwirklicht. In der Praxis der Verkehrsdelikte erfolgt die Anhörung oft durch Übersendung
eines Anhörungsbogens, in dem der Tatvorwurf konkret bezeichnet sein muß. In den unterschiedlich ausgestalteten Anhörungsbögen der einzelnen Bundesländer wird regelmäßig der Betroffene darauf hingewiesen, dass es ihm freisteht, sich zu dem Vorwurf zu
äußern oder zu schweigen. Wenn ein Anhörungsbogen übersandt wird, sollte zunächst
der Text des Schreibens genau daraufhin untersucht werden, ob der Empfänger der Täter
sein soll ("Ihnen wird vorgeworfen...") oder ob möglicherweise eine Anhörung als Zeuge
eines Vorfalls erfolgt. Die Rechtsstellung eines Betroffenen/ Angeklagten im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren unterscheidet sich grundlegend von der Stellung des
Zeugen. Der Betroffene kann schweigen, lügen oder von jedem etwas. Der Zeuge ist hingegen zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet, sofern nicht ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.
Sofern nicht ein Anhörungsbogen übersandt wird, wird der Betroffene oftmals schriftlich
aufgefordert, zu einem angegebenen Termin bei der Polizei zu erscheinen, damit er dort
befragt werden kann. Sofern bestimmte Sachen oder Unterlagen, z.B. das Tatfahrzeug
oder der Führerschein des Betroffenen, für die Untersuchung von Bedeutung sind, wird
der Betroffene aufgefordert, die Sachen zur Polizei mitzubringen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass ein Betroffener nicht dazu verpflichtet ist, einer polizeilichen
Ladung zu folgen, und in dem angegebenen Termin zu erscheinen.
Da die Anhörung des Betroffenen auf dessen Anspruch auf rechtliches Gehör zurückzuführen ist, besteht keine Verpflichtung des Betroffenen, sich zur Sache zu äußern. Dies
gilt bei Anhörung mittels Anhörungsbogen ebenso wie für den Fall, dass der Betroffene
persönlich angehört werden soll. Grundsätzlich sollte eine Stellungnahme zu dem Vorwurf
einer Zuwiderhandlung immer wohlüberlegt erfolgen. Dies bedeutet, dass es grundsätzlich nicht zu empfehlen ist, sich noch am Ort des Geschehens, etwa am Unfallort oder am
Ort einer Verkehrskontrolle, zu einem Vorwurf zu äußern. Bei Spontanäußerungen ist die
Gefahr gegeben, dass sich der Betroffene durch die aus seiner Sicht möglicherweise "rettende" Sachverhaltsdarstellung noch zusätzliche Probleme für den weiteren Verlauf des
Verfahrens selbst schafft. Es kann hingegen grundsätzlich nicht schaden, zunächst nichts
zur Sache zu sagen. Eine Stellungnahme kann sinnvollerweise oftmals erst erfolgen,
wenn der Ermittlungsstand und der Horizont der Verfolgungsbehörde bekannt sind, etwa
nach erfolgter Akteneinsicht durch einen beauftragten Rechtsanwalt.
Akteneinsicht
Unter Akteneinsicht versteht man die Einsicht der Ermittlungsakte der Verfolgungsbehörde durch den Rechtsanwalt des Betroffenen. Die Akteneinsicht ist sehr wichtig, um das
sinnvolle weitere Vorgehen in einem konkreten Verfahren zu planen. Grundsätzlich wird
auch ein Rechtsanwalt erst eine Stellungnahme für seinen Mandanten abgeben, nachdem
er die Ermittlungsakte eingesehen hat. Es kommt praktisch einem "Blindflug" gleich,
wenn ohne Kenntnis der Ermittlungsakte eine Stellungnahme zur Sache abgegeben wird.
Für die rechtliche Beurteilung eines Falles ist der Akteninhalt von ganz entscheidender
Bedeutung. Oftmals besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der subjektiven Wahrnehmung des Betroffenen und dessen Sachverhaltsschilderung einerseits und der "Aktenlage" andererseits. Mit einer vorschnellen Stellungnahme, die allein auf die subjektive
Wahrnehmung des Betroffenen gestützt ist, wird dem Betroffenen daher regelmäßig nicht
gedient. Denn der Betroffene steht nicht gut da, wenn sich ein erheblicher Widerspruch
zwischen der eigenen Darstellung und der Darstellung des Geschehens in der Ermittlungsakte ergibt.
Bei Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen sowie auch bei sonstiger Verkehrsüberwachung benutzt die Polizei verstärkt auch Videoaufzeichnungen, die dann als Beweismit-
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tel in späteren Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren herangezogen werden. Der
Rechtsanwalt als Verteidiger hat auch einen Anspruch darauf, solche Videoaufnahmen
einzusehen. In der Praxis wird der Rechtsanwalt sein Akteneinsichtsgesuch ausdrücklich
auch auf etwaige Videoaufnahmen beziehen und eine Leerkassette beifügen. Die Behörde
übersendet dann eine Kopie der Videoaufnahme des Tatgeschehens.
Bußgeldbescheid
Nachdem der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und der Sachverhalt aufgeklärt ist, erläßt die Behörde einen Bußgeldbescheid, sofern ein entsprechender Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht wurde und eine Verfolgung geboten ist. Liegen
Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tat eine Straftat ist, so gibt die Verwaltungsbehörde
die Sache an die Staatsanwaltschaft ab, § 41 OwiG.
Zusammentreffen Ordnungswidrigkeit/ Straftat
Ist eine Tat gleichzeitig Ordnungswidrigkeit und Straftat, so wird die Tat gemäß § 21 OwiG nur als Straftat verfolgt. Die Tat kann jedoch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn eine Strafe nicht verhängt wird. Beispiele für das Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat findet man z.B. im Bereich der Alkohol-Verstöße.
Einspruch gegen Bußgeldbescheid
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Bußgeldbescheid erlassen wird, ohne
dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. In einem solchen Fall kann erfolgreich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt werden. Der Einspruch muß
innerhalb von zwei Wochen seit der Zustellung des Bußgeldbescheids schriftlich oder zur
Niederschrift bei der zuständigen Behörde eingelegt werden. Wenn eine Zustellung durch
Niederlegung auf dem Postamt (mit Benachrichtigung im Briefkasten) erfolgt, ist für die
zweiwöchige Frist bereits der Zeitpunkt der Niederlegung maßgeblich. Seit dem
01.03.1998 kann der Einspruch auf die Höhe des Bußgelds oder auf die Anordnung eines
Fahrverbots beschränkt werden. Der Einspruch muß nicht begründet werden, um wirksam zu sein. Allerdings wird die Behörde, die den Einspruch prüft, einem Einspruch ohne
Begründung selten abhelfen.
Zwischenverfahren
Wenn fristgemäß Einspruch eingelegt wird prüft die Behörde, ob der Bußgeldbescheid
aufrechterhalten oder zurückgenommen wird. Dem Betroffenen kann erneut Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben werden. Für eine etwaige Stellungnahme gilt das oben
("Rechtliches Gehör") bezüglich der Stellungnahme im Vorverfahren Gesagte.
Abgabe an die Staatsanwaltschaft
Sofern die Behörde den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt, werden die Akten gemäß §
69 Absatz 3 OWiG an die Staatsanwaltschaft übersandt. Die Staatsanwaltschaft kann das
Verfahren einstellen, dies kommt in der Praxis allerdings sehr selten vor.
Hauptverhandlung
Sofern die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht einstellt und keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind, legt sie die Akten dem Richter beim Amtsgericht vor. Es kommt
dann in der Regel zu einer Hauptverhandlung, in der über den Einspruch entschieden
wird. Die Hauptverhandlung ist eine öffentliche Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf
oftmals auch eine Beweisaufnahme erfolgt, z.B. durch Vernehmung von Zeugen. Das
Gericht ist im Bußgeldverfahren nicht an die Beurteilung der Tat als Ordnungswidrigkeit
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gebunden. Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass eine Straftat vorliegt, so kann es
über die Tat auch auf Grund der Strafgesetze entscheiden. Es kommt also auch eine Verurteilung wegen einer Straftat in Betracht. Der Betroffene ist auf diese Veränderung des
rechtlichen Gesichtspunkts hinzuweisen, damit er Gelegenheit zur Verteidigung hat.
Persönliches Erscheinen
Seit dem 01.03.1998 ist der Betroffene grundsätzlich verpflichtet, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, selbst wenn er durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Der Rechtsanwalt kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen erreichen, dass der Betroffene
von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen befreit wird.
Entscheidung des Gerichts
Auf Grund der Hauptverhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme entscheidet das
Gericht über den Einspruch. Es sind verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten gegeben.
Überleitung ins Strafverfahren
Gemäß § 81 OwiG ist das Gericht im Bußgeldverfahren nicht an die Beurteilung der Tat
als Ordnungswidrigkeit gebunden. Daher kann nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Verurteilung wegen einer Straftat
erfolgen, wenn sich herausstellt, dass die Tat eine Straftat darstellt. Es ist Aufgabe des
mit der Verteidigung beauftragten Rechtsanwalts, diese Möglichkeit bzw. Gefahr zu sehen
und schon bei den Vorüberlegungen zur Verteidigungsstrategie zu berücksichtigen.
Einstellung
Sofern das Gericht den erhobenen Vorwurf als nicht schwerwiegend ansieht, kann es das
Verfahren seit dem 01.03.1998 ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen,
wenn die Staatsanwaltschaft erklärt hat, dass sie an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt und wenn die angeordnete Geldbuße nicht mehr als 200,00 DM beträgt. Dies gilt
auch, wenn die Behörde zuvor eine Einstellung des Verfahrens abgelehnt hat. Im Falle
einer Einstellung durch das Gericht hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Betroffene hat allerdings seine notwendigen Auslagen (Anwaltskosten usw.) in
der Regel selbst zu tragen. Bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung trägt diese gegebenenfalls die angefallenen Kosten, soweit in dem Versicherungsvertrag keine Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers vereinbart wurde.
Freispruch
Falls das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass bereits die rechtlichen Voraussetzungen
für den Erlaß eines Bußgeldbescheids nicht gegeben sind, erfolgt ein Freispruch des Betroffenen. In diesem Fall gehen die gesamten Verfahrenskosten, einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Lasten der Staatskasse.
Verurteilung
Schließlich kann das Gericht die Anordnung des Bußgeldbescheids auch aufrechterhalten.
Wenn sich in der Hauptverhandlung neue Erkenntnisse ergeben haben, hat das Gericht
diese bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Sofern der Betroffene zuvor einen
entsprechenden Hinweis erhalten hat, kann auch eine Verurteilung auf Grund eines
Strafgesetzes erfolgen, § 81 Absatz 1 OwiG (siehe oben "Überleitung ins Strafverfahren").
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Kein Verschlechterungsverbot
Durch Urteil kann eine Anordnung getroffen werden, die zu Gunsten oder zu Lasten des
Betroffenen von der Anordnung des Bußgeldbescheids abweicht. Es ist also auch möglich,
dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eine Verschlechterung für den Betroffenen zur Folge hat, auch wenn die Tat weiterhin als Ordnungswidrigkeit beurteilt wird. Es
kann z.B. ein Bußgeld angeordnet werden, das höher ist, als das im Bußgeldbescheid
vorgesehene Bußgeld.
Rechtsmittel
Unter bestimmten Voraussetzungen kann gegen das Urteil des Gerichts ein Rechtsmittel
eingelegt werden.
Schlagwort: "Kennzeichenanzeigen"
Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen gibt es, wie auch bei vielen anderen Verfahren
wegen sonstiger Verkehrsordnungswidrigkeiten, sogenannte Kennzeichenanzeigen. Im
Fall einer Kennzeichenanzeige ermittelt die Verfolgungsbehörde zunächst lediglich das
amtliche Kennzeichen eines Kraftfahrzeugs, mit dem ein Verstoß begangen wurde. Der
Fahrer, also derjenige, gegen den sich das Ordnungswidrigkeitenverfahren zu richten hat,
ist bei Kennzeichenanzeigen zunächst nicht bekannt, sondern muß ermittelt werden.
Kennzeichenanzeigen sind die Regel bei Verstößen im ruhenden Verkehr, insbesondere
bei Parkverstößen. Auch bei Rotlichtverstößen kommt es zu Kennzeichenanzeigen, z.B.
wenn lediglich ein Heckfoto des Fahrzeugs vorliegt, auf dem zwar das amtliche Kennzeichen zu erkennen ist, nicht aber der Fahrer des Fahrzeugs im Tatzeitpunkt. Bei Kennzeichenanzeigen ist also zunächst nur der Halter des Fahrzeugs bekannt, mit dem ein Verstoß begangen wurde. Der Halter ist daher zunächst der einzige "Ansprechpartner" für
die Verfolgungsbehörde. Dies führt in der Praxis dazu, dass der Halter des Fahrzeugs ein
Verwarnungsgeldangebot, etwa bei Parkverstößen, oder einen Anhörungsbogen, etwa bei
Rotlichtverstößen, erhält.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein aus der Eigenschaft als Halter nicht auf
die Fahrer- bzw. Tätereigenschaft geschlossen werden darf. Auch wenn der Halter auf
den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit hin schweigt, können Polizei bzw. Gericht nicht
ohne weiteres den Schluß ziehen, dass der Halter der Fahrer im Tatzeitpunkt war. Allerdings ist in der Praxis die Gefahr gegeben, dass derjenige Halter, der im Ermittlungsverfahren keine Angaben macht, später von der Verwaltungsbehörde mit einer Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a StVZO bedacht wird, wenn der Fahrer im Tatzeitpunkt nicht ermittelt werden konnte. Insoweit gibt es eine sehr differenzierte Rechtsprechung, die selbst
für Juristen teilweise schwer nachzuvollziehen ist. Auf jeden Fall sollte man bei geringfügigen Verstößen gut überlegen, ob man als Halter wirklich sagen will: "Mein Name ist
Hase, ich weiß von nichts..." In manchen Fällen kann die Fahrtenbuchauflage noch eine
größere Beeinträchtigung darstellen, als die für den ursprünglich zu Grunde liegenden
Verstoß drohende Sanktion.
Sofern ein Foto des Fahrers im Tatzeitpunkt vorliegt, etwa bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, versucht die Verfolgungsbehörde gegebenenfalls, anhand des Fotos den
Täter ausfindig zu machen. Es kommt durchaus und ständig vor, dass ein Polizeibeamter
den Halter des Fahrzeugs zu Hause aufsucht, um den Halter persönlich anzutreffen und
einen Vergleich mit dem Täterfoto vorzunehmen. Die Polizei scheut hier auch kaum eine
Mühe. Sofern der Halter nicht auf Anhieb angetroffen wird, kehrt der ermittelnde Polizeibeamte gerne nochmal wieder. In schwierigen Fällen werden auch Besuche am sehr frühen Morgen abgestattet. Es werden auch Familienmitglieder, Nachbarn oder Berufskollegen gerne mit dem Täterfoto konfrontiert: "Kennen Sie den!?". Wenn auf diese Art und
Weise eine Identifizierung nicht möglich ist, werden auch die Bilder der Paßämter beigezogen, um Täterfoto und Paßfoto zu vergleichen.
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Auswertung Beweisfoto
In der Praxis wird immer wieder die Frage interessant, ob das Foto vom Täter einer Ordnungswidrigkeit scharf genug ist, um den Täter zu identifizieren. Insoweit gibt es wiederum eine sehr differenzierte Rechtsprechung, die sich mit vielen Aspekten der Beweiskraft
von Geschwindigkeitsmessfotos auseinandersetzt. Man kann die Materie vielleicht schon
als "Wissenschaft für sich" bezeichnen. Allerdings kommen in der Anwaltspraxis des Verfassers kaum einmal Fälle unter, in denen das Beweisfoto so schlecht ist, dass hierauf
eine erfolgversprechende Verteidigunsstrategie aufgebaut werden kann. Auch bei vergleichsweise unscharfen Bildern neigen die Amtsrichter oftmals zu einer pragmatischen
Betrachtung, frei nach dem Motto: "Was wollen Sie denn, ich kann den Betroffenen doch
ganz klar erkennen!?" In Zweifelsfällen kommt es zur Einholung von Sachverständigengutachten. Dann wird ein Sachverständiger beauftragt, Messungen am Körper des Betroffenen, insbesondere am Kopf, vorzunehmen und der Frage nachzugehen, ob es sich bei
der Person auf dem Beweisfoto und bei dem Betroffenen, der vor dem Gericht erschienen
ist, um ein und dieselbe Person handelt. Zu beachten ist, dass ein entsprechendes Sachverständigengutachten sehr schnell Kosten in vierstelliger Höhe verursacht, die bei ungünstigem Verfahrensausgang von dem Betroffenen zu tragen sind.
Schlagwort: Verkehrszentralregister (VZR)
Seit dem 01.01.1999 sind neue Regelungen über das Verkehrszentralregister in Kraft.
Die entsprechenden Vorschriften sind jetzt nicht mehr in der StVZO, sondern im StVG
(§§ 28-30c) enthalten und haben nunmehr Gesetzesrang. Dies entspricht rechtsstaatlichen Erfordernissen. Rechtskräftige Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten sowie bestandskräftige Bußgeldbescheide, durch die eine Geldbuße von mindestens 80,00 DM
und/oder ein Fahrverbot verhängt wurde, werden in das VZR in Flensburg eingetragen.
Auch die Entscheidungen des Amtsrichters über Bußgeldsachen - nach Einspruch - sowie
bestimmte Maßnahmen der Verwaltungsbehörde, wie z.B. die Entziehung der Fahrerlaubnis, werden in das VZR eingetragen. Die Verstöße werden je nach Schwere mit 1 bis 7
Punkten bewertet.
Schlagwort: Punktsystem, § 4 StVG
Nach dem Punktsystem werden für begangene Verkehrsverstöße Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen. Die Fahrerlaubnisbehörde ergreift gegenüber dem Inhaber
einer Fahrerlaubnis bestimmte Maßnahmen, wenn gewisse Punktzahlen erreicht sind. Bei
einem Punktestand von 18 Punkten wird die Fahrerlaubnis grundsätzlich entzogen. Sofern nach erfolgter Entziehung der Fahrerlaubnis eine neue Fahrerlaubnis erteilt wird,
beträgt der Punktestand im Verkehrszentralregister zunächst wieder Null. Der Fahrerlaubnisinhaber fängt also nach erfolgter Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis wieder ohne
Punkte an.
Schlagwort: Kostentragungspflicht des Halters, § 25a StVG
Kann in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Führer des
Kfz, der den Verstoß gegangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt
werden oder würde seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern, so wird
das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und dem Halter des Kfz oder seinem Beauftragten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Sofern eine solche Kostenentscheidung gemäß § 25a StVG erfolgt, ist auch eine etwaige Rechtsschutzversicherung
nicht eintrittspflichtig, d.h. der Betroffene bleibt auf seinen Kosten sitzen, sofern nicht die
Kostenentscheidung mit Erfolg angegriffen wird.
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Schlagwort: Fahrtenbuchauflage, § 31a StVZO
Die Behörde kann gemäß § 31a StVZO gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder
mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassenden Fahrzeuge die Führung eines
Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Der Fahrzeughalter oder sein
Beauftragter hat in dem Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug und für jede einzelne
Fahrt vor deren Beginn Name und Anschrift des Fahrzeugführers, amtliches Kennzeichen
des Fahrzeugs, Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und nach deren Beendigung
Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen. Durch das Fahrtenbuch soll sichergestellt sein, dass zukünftig der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit rechtzeitig ermittelt werden kann. Ein Fahrtenbuch darf erst angeordnet werden, wenn der Fahrzeugführer im Rahmen der Ermittlungen nicht mit angemessenem Aufwand ausfindig gemacht
werden konnte. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs setzt kein Verschulden des Halters
voraus. Sie ist jedoch unzulässig, wenn sie unverhältnismäßig wäre. Ob eine Fahrtenbuchauflage erteilt werden darf oder nicht, richtet sich auch danach, wie der Betroffene
sich im Ermittlungsverfahren verhalten hat, insbesondere wie er an den Ermittlungen
mitgewirkt hat oder nicht. Zu zahlreichen Fragen im Zusammenhang mit der Anordnung
einer Fahrtenbuchauflage hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung herausgebildet.
Einzelheiten sind nur dem Verkehrsrechtsspezialisten geläufig.
Unwesentliche Verkehrsordnungswidrigkeiten können eine Fahrtenbuchauflage nicht auslösen. Bei mehreren geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann allerdings die Führung
eines Fahrtenbuches in Betracht kommen. Dies gilt vor allem, wenn für den Wiederholungsfall schon einmal eine Fahrtenbuchauflage angedroht worden ist. Bei erstmaligen
Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, die erheblich sind, kann sofort eine Fahrtenbuchauflage in Betracht kommen, wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte. Die
Polizei muß allerdings alles mit verhältnismäßigem Aufwand Mögliche tun, um den Fahrer
zu ermitteln, bevor eine Fahrtenbuchauflage angeordnet wird. Allerdings ist die Polizei
nicht verpflichtet, von vornherein aussichtslose Ermittlungen anzustellen. Ob eine Fahrtenbuchauflage im Einzelfall rechtmäßig ist, hängt auch davon ab, welche Angaben der
Halter in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren gemacht hat oder nicht gemacht hat.
Wenn der Halter einfach nur geschwiegen hat, ohne nach seinen Möglichkeiten an den
Ermittlungen mitzuwirken, kommt eine (rechtmäßige) Fahrtenbuchauflage grundsätzlich
in Betracht. Es hilft auch nicht, sich als Halter auf ein etwaiges Aussageverweigerungsrecht zu berufen, weil auch das Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts, etwa zu
Gunsten von Familienangehörigen, einer Fahrtenbuchauflage nicht entgegensteht.
In manchen Fällen kann eine Fahrtenbuchauflage rechtswidrig sein, wenn der Halter erst
geraume Zeit nach dem Verstoß angehört wurde, und es ihm daher nicht mehr abverlangt werden konnte, sich noch an den Zeitpunkt des Tatgeschehens zu erinnern. Die
Rechtsprechung verlangt, dass der Halter regelmäßig innerhalb von zwei bis drei Wochen
nach dem Verstoß angehört wird. Man kann sich allerdings nicht mit Erfolg darauf berufen, als Halter zu spät angehört worden zu sein, wenn sich die verspätete Anhörung nicht
ausgewirkt hat. Dies wäre z.B. der Fall, wenn dem Halter nach fünf Wochen ein Foto des
Fahrers zu Anhörungszwecken vorgelegt wird. Es kommt dann nämlich nicht auf das Erinnerungsvermögen des Halters an, sondern auf dessen Erkenntnisvermögen.
Schlagwort: Verjährung (siehe ausführlicher unten)
Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei der Mehrheit der verkehrsrechtlichen
Ordnungswidrigkeiten drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate. Bei einem
Verstoß gegen die 0,5 Promille-Grenze oder 0,8 Promille-Grenze tritt Verjährung erst
nach sechs Monaten bzw. einem Jahr ein. Es gibt aber zahlreiche Tatbestände, die ein
Ruhen oder eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung bewirken. Die Verjährung
wird z.B. bereits durch die Versendung eines Anhörungsbogens unterbrochen. Die Frage,
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wann in einem konkreten Fall Verjährung eintritt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände, die sich teilweise erst aus der Akte ergeben, zu beantworten.
Schlagwort: Fahrverbot, § 25 StVG
Wird gegen den Betroffenen wegen einer verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit, die er
unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihm die Verwaltungsbehörde oder das
Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten
verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Für Verstöße, die als besonders
schwerwiegend betrachtet werden, sieht der Bußgeldkatalog als Regelfolge ein Fahrverbot vor. Seit dem 01.03.1998 besteht die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung selbst zu bestimmen.
Diese Möglichkeit besteht nur, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt wurde und wenn auch bis zur Bußgeldentscheidung
kein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt wird. Der Betroffene erhält also in bestimmten Grenzen die Möglichkeit das Fahrverbot in einen günstigen Zeitraum (z.B. Urlaub) zu legen.
Verjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
Speziell "Verfolgungsverjährung" - Begriff und Wirkung
In § 78 Strafgesetzbuch (StGB) heißt es wörtlich:
"Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen aus."
Ähnlich lautet die Regelung für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in § 31 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG):
"Durch die Verjährung werden die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
und die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen."
Auch im Bereich der Strafverfolgung und bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
spielt also der Verjährungsgedanke eine Rolle. Auch hier gibt es die Verjährung, weil
auch hier irgendwann "Rechtsfriede", also rechtliche Klarheit, eintreten soll. Irgendwann,
nämlich nach Eintritt der Verfolgungsverjährung, soll der Täter nicht mehr damit rechnen
müssen, wegen einer Tat belangt zu werden. Durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung werden die Verfolgung und die Ahndung der Tat ausgeschlossen. Nicht zuletzt soll
hierdurch die Strafverfolgungs- oder Bußgeldbehörde zu einer zügigen (Ermittlungs-)
Arbeit angehalten werden. In der Praxis erfolgt bei Eintritt der Verfolgungsverjährung in
der Regel eine Einstellung des Verfahrens. Dabei werden die Kosten des Verfahrens in
der Regel der Staatskasse auferlegt, der Betroffene muß allerdings seine notwendigen
Auslagen meist selbst tragen. Zu den notwendigen Auslagen gehören auch etwaige Anwaltsgebühren.
Die angefallenen Rechtsanwaltsgebühren muß der Betroffene im Falle einer
Verfahrenseinstellung in der Regel selbst bezahlen, falls nicht insoweit eine
Rechtsschutzversicherung einsteht.
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Welche genaue rechtliche Konstruktion hinter der Verfolgungsverjährung steht, ist in der
wissenschaftlichen Literatur umstritten. Es ist jedenfalls für den Alltagsgebrauch wohl
richtig, sich die Verfolgungsverjährung als "Verfahrenshindernis" vorzustellen. Das bedeutet, dass der Eintritt der Verfolgungsverjährung der Durchführung eines Straf- oder
Ordnungswidrigkeitenverfahrens entgegensteht. Ein solches Verfahren darf also nach
Eintritt der Verjährung nicht mehr eingeleitet oder fortgeführt werden.
Die Verfolgungsverjährung ist in jeder Lage des Verfahrens "von Amts wegen"
zu berücksichtigen. Daher müssen Verfolgungsbehörde und Gericht von sich
aus prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten
ist.
Das heißt, der Betroffene muß sich nicht auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen. Insoweit besteht ein Unterschied zur Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen, wie
z.B. Kaufpreisforderungen, weil bei solchen Ansprüchen die Verjährungseinrede von demjenigen ausdrücklich geltend gemacht werden muß, der sich auf Verjährung berufen will.
Verfolgungsverjährungsfrist
Die Frist für die Verfolgungsverjährung
Für den Eintritt der Verfolgungsverjährung bei vielen verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten bestimmt § 26 Absatz 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG):
"Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 drei
Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate."
Grundsätzlich beträgt also die Frist für den Eintritt der Verfolgungsverjährung bei verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten drei Monate.
Die Dreimonatsfrist gilt allerdings nicht für Verstöße gegen die 0,5 PromilleGrenze gemäß § 24a StVG. Für diese Fälle gilt nach § 31 Absatz 2 Nr. 3 OwiG
eine Verjährungsfrist von einem Jahr bei vorsätzlichem Verstoß. Bei fahrlässigem Verstoß gegen die 0,5 Promille-Grenze beträgt die Frist sechs Monate.
Die Frist beginnt in allen Fällen zu laufen, sobald die Handlung beendet ist. Wenn also am
30. März mit einem Kfz eine Geschwindigkeitsüberschreitung, also eine Ordnungswidrigkeit, begangen wird, so endet diese Handlung jedenfalls noch am 30. März, sofern nicht
eine theoretisch denkbare Ausnahmekonstellation vorliegt. Die Verjährungsfrist beginnt
dann also unter normalen Umständen am Tag der Tatbegehung, also am 30. März, zu
laufen.
Die Frist für den Eintritt der Verfolgungsverjährung läuft nach der die Frist
ausmachenden Anzahl von Monaten mit Ende desjenigen Tages ab, der im
Kalender dem Anfangstag vorausgeht.
Dies hört sich komplizierter an, als es ist: Gerechnet ab 30. März wären drei Monate zunächst am 30. Juni abgelaufen. Die Frist für die Verfolgungsverjährung läuft aber bereits
am 29. Juni ab, weil maßgeblich auf den Tag abgestellt wird, der im Kalender dem Anfangstag der Frist (30.) vorausgeht, also auf den 29. Tag des Monats. Dabei wird unterstellt, dass eine Unterbrechung der Verjährung nicht eintrat. Ob das Ende der Verjährungsfrist auf einen normalen Wochentag fällt oder auf einen Samstag, Sonntag oder
Feiertag, spielt für den Eintritt der Verfolgungsverjährung keine Rolle. Es ist einzig und
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allein der kalendermäßig festgelegte Tag maßgeblich. Insoweit besteht ein Unterschied
zur strafrechtlichen Verjährung, bei der die Frist gemäß § 43 Absatz 2 Strafprozeßordnung (StPO) erst mit Ablauf des nächsten Werktages endet, sofern das ursprüngliche
Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt.
Auslegung des § 26 Absatz 3 StVG durch den Bundesgerichtshof (VRS 98/00,
210f.)
In § 26 Absatz 3 StVG ist geregelt, dass für zahlreiche verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten die Frist der Verfolgungsverjährung drei Monate beträgt, solange wegen der
Handlung noch kein Bußgeldbescheid ergangen ist, danach sechs Monate. Wenn also vor
Ablauf der ursprünglich dreimonatigen Verjährungsfrist ein Bußgeldbescheid ergeht, dann
verlängert sich die maßgebliche Verjährungsfrist von drei auf sechs Monate. Hierdurch
soll ausreichende Zeit für etwaige weitere Ermittlungen geschaffen werden. Dem Erlaß
des Bußgeldbescheids kommt also auf Grund § 26 Absatz 3 eine weitreichende Bedeutung für die Verjährungsfrist zu.
Seit 1998 ist in § 33 Absatz 1 Nr. 9 Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) geregelt, dass die Verjährung durch den Erlaß des Bußgeldbescheids unterbrochen
wird, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten durch die Zustellung des Bußgeldbescheids.
Für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung bei Erlaß eines Bußgeldbescheids wird also
danach unterschieden, ob der Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen seit seinem
Erlaß zugestellt wird oder nicht. Erfolgt eine Zustellung innerhalb von zwei Wochen, so
tritt die Verjährungsunterbrechung bereits mit Erlaß des Bußgeldbescheids ein. Wenn
allerdings zwischen dem Erlaß des Bußgeldbescheids und dessen Zustellung eine Zeitspanne von mehr als zwei Wochen verstreicht, so tritt nach § 33 Absatz 1 Nr. 9 OwiG die
Verjährungsunterbrechung erst mit der Zustellung ein. Der Bundesgerichtshof hält es für
erforderlich, die Regelung der Verjährungsunterbrechung in § 33 Absatz 1 Nr. 9 OwiG
auch für die Auslegung des § 26 Absatz 3 StVG zu berücksichtigen, wonach sich die Verjährungsfrist von drei Monaten auf sechs Monate verlängert, wenn wegen der Tat ein
Bußgeldbescheid ergeht.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Bußgeldbescheid nur im Sinne des
§ 26 Absatz 3 StVG "ergangen" ist, wenn er innerhalb von zwei Wochen seit
seinem Erlaß zugestellt wird. Erfolgt die Zustellung also länger als zwei Wochen nach Erlaß des Bußgeldbescheids, so beginnt die sechsmonatige Verjährungsfrist erst mit der Zustellung.
Diese Besonderheit im Zusammenhang mit dem Wort "ergangen" steht nicht ausdrücklich
im Gesetz, sondern ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Verteidiger im Bußgeldverfahren wird dies im Hinterkopf haben.
Wann tritt in meinem Fall Verjährung ein?
Der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren fragt sich oftmals, ob in seinem
konkreten Fall nicht bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Dies gilt umsomehr,
wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Dreimonatsfrist für die Verfolgungsverjährung, die sich aus § 26 Absatz 3 StVG ergibt, bereits abgelaufen sein könnte. Dabei wird
aber meist zu schematisch von einer "bombenfesten" und durch nichts zu erschütternden
Dreimonatsfrist ausgegangen. So kommt die Hoffnung auf eine inzwischen eingetretene
Verfolgungsverjährung bereits dann auf, wenn zwischen der Tathandlung und dem Zugang des Anhörungsbogens bei dem Betroffenen eine Zeitspanne von mehr als drei Monaten liegt.
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Selbst wenn zwischen einer Tat (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung) und
dem Zugang des Anhörungsbogens bei dem Betroffenen mehr als drei Monate
vergangen sind, kann man nicht einfach davon ausgehen, dass die Tat bereits
verjährt ist.
Es sind nämlich im Gesetz (§ 33 OwiG) zahlreiche Umstände geregelt, die zu einer Unterbrechung der Verjährung führen. So hat zum Beispiel bereits der Ausdruck eines EDVAnhörungsbogens grundsätzlich eine Unterbrechung der Verjährung zur Folge, selbst
wenn der Anhörungsbogen erst später bei dem Betroffenen eingeht. Daneben gibt es
weitere, teilweise rein behördeninterne Vorgänge, die zu einer Unterbrechung der Verjährung führen können. Hieraus folgt, dass man nicht mit Sicherheit davon ausgehen kann,
dass Verjährung eingetreten ist, nur weil man drei Monate lang nichts gehört hat.
Eine abschließende Beurteilung, wann in einem konkreten Fall Verjährung eintritt, kann also grundsätzlich nur vorgenommen werden, wenn die Ermittlungsakte vorliegt.
Nur dann können alle für die Verjährung bedeutsamen Umstände erkannt werden. Dies
gilt um so mehr, wenn sich das Ermittlungsverfahren in die Länge zieht und somit zahlreiche Umstände Einfluß auf die Verjährung haben können.
Verjährung und Verteidigungsstrategie
Die Verjährung spielt für die Tätigkeit des Verteidigers im Bußgeldverfahren eine wichtige
Rolle. Der Verteidiger wird stets prüfen, ob nicht eine Ahndung der Tat schon wegen einer bereits eingetretenen Verjährung ausgeschlossen ist. In der Praxis gibt es immer
wieder Fälle, in denen auch bei erheblichen Verkehrsverstößen Verfolgungsverjährung
eintritt. Obwohl das Gericht eine etwaige Verjährung in jeder Lage des Verfahrens von
sich aus berücksichtigen muß, wird der Verteidiger das Gericht gegebenenfalls ausdrücklich auf den erfolgten Eintritt der Verjährung hinweisen.
Anders als der Betroffene selbst verfügt der Verteidiger über die erforderlichen
Informationen, die für die Prüfung der Verjährung erforderlich sind. Denn der
Verteidiger hat nicht nur einen Anspruch auf Akteneinsicht, sondern darüber
hinaus die erforderlichen Fachkenntnisse, ohne die eine Prüfung der Verjährungsfrage wohl nicht mit Erfolg durchgeführt werden kann.
Zahlreiche Einzelfragen im Zusammenhang mit der Verfolgungsverjährung sind in der
Rechtsprechung umstritten. Nur der versierte Verteidiger ist in der Lage, die insoweit für
den erfolgreichen Verfahrensausgang erheblichen Umstände zu ermitteln und im Rahmen
der Verteidigung zu berücksichtigen. In der Praxis kann die Tätigkeit des Verteidigers,
möglicherweise indirekt, auch dazu führen, dass schließlich Verjährung eintritt und eine
Einstellung des Bußgeldverfahrens erfolgt.
Es gibt in Hinsicht auf eine Verjährung der Tat keine allgemeingültige Vorgehensweise im Bußgeldverfahren, die zur Anwendung in allen Fällen geeignet
ist. Je komplizierter und langwieriger das Bußgeldverfahren aber wird, desto
größer ist die Möglichkeit, dass während des Verfahrens die Verfolgungsverjährung eintritt.
Teilweise entsteht in der Verteidigerpraxis sogar der Eindruck, als lasse die Bußgeldbehörde in problematischen Fällen absichtlich Verjährung eintreten, um die Angelegenheit
kostengünstig zu erledigen. Der Betroffene erhält seine notwendigen Auslagen in solchen
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Fällen nämlich regelmäßig nicht erstattet, so dass insoweit für die Staatskasse keine Belastung eintritt. Der Verteidiger in Bußgeldsachen wird also die unterschiedlichtsten Aspekte im Zusammenhang mit der Verjährung berücksichtigen.
Unterbrechung der Verjährung
Die dreimonatige Frist für den Eintritt der Verfolgungsverjährung kann durch bestimmte
Umstände unterbrochen werden. Dann tritt erst später als nach Ablauf von drei Monaten
Verjährung ein.
In der Praxis ist es oftmals schwer, den genauen Zeitpunkt der Verfolgungsverjährung zu ermitteln. Das liegt daran, dass es durch zahlreiche Umstände
zu einer Unterbrechung der Verjährung kommen kann. Diese Umstände sind
in § 33 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) im einzelnen
aufgelistet.
Es handelt sich dabei um eine abschließende Aufstellung. Das heißt, dass nur dann eine
Unterbrechung der Verjährung eintreten kann, wenn einer der ausdrücklich in § 33 OwiG
aufgeführten, verjährungsunterbrechenden Tatbestände verwirklicht ist. Eine Unterbrechung der Verjährung tritt nach § 33 Absatz 1 Nr. 1 OwiG z.B. ein, durch die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet ist oder durch die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe. Dabei
bestehen die Unterbrechungsmöglichkeiten des § 33 Absatz 1 Nr. 1 OwiG nur alternativ,
d.h. dass die Verjährung nach dieser Vorschrift nur einmal unterbrochen werden kann.
Die Verjährung wird auch unterbrochen durch den Erlaß des Bußgeldbescheids, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten durch die
Zustellung (§ 33 Absatz 1 Nr. 9 OwiG).
Auch durch jede richterliche Vernehmung eines Betroffenen oder eines Zeugen (§ 33 Absatz 1 Nr. 2 OwiG) sowie durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht (§ 33 Absatz 1
Nr. 10 OwiG), wenn also nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid die Akten gemäß
§ 69 Absatz 3 OwiG an das Gericht weitergeleitet werden, tritt eine Verjährungsunterbrechung ein. Wegen der Einzelheiten und der sonstigen Unterbrechungshandlungen wird
auf den Wortlaut des § 33 OwiG verwiesen. Die Unterbrechung der Verjährung tritt immer nur dann ein, wenn die Unterbrechungshandlung wirksam ist. Unzulässige oder unwirksame Verfahrensakte unterbrechen die Verjährung also nicht.
Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Das bedeutet,
dass dann erneut die dreimonatige Frist für die Verfolgungsverjährung nach §
26 Absatz 3 StVG zu laufen beginnt.
Die Verfolgungsverjährung tritt aber bei verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten spätestens ein, wenn seit dem Beginn der ursprünglichen Frist mindestens zwei Jahre verstrichen sind. Diese Frist für die "absolute Verjährung" gilt auch und insbesondere in Fällen, in denen "eigentlich" durch die mehrfache Unterbrechung der Verjährung noch kein
Fristablauf eintreten würde.
Gefahr einer Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a StVZO - Gefährliche "Gute Tipps"
In der Praxis kommt es sehr häufig zu der Situation, dass der Halter eines Kfz einen Anhörungsbogen erhält, obwohl nicht er, sondern ein Dritter als Fahrer des Kfz eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Dies ist insbesondere bei den sogenannten "Kennzeichenanzeigen" häufig der Fall. Für diese Fallgestaltung wird in vermeintlich hilfreichen Praxis-
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ratgebern (z.B. "Auto & Recht", Beilage zu "Auto Motor und Sport" 12/2001, S. 9 und
manchen BA-Dozenten) darauf hingewiesen, dass zunächst der Halter des Kfz, der ja den
Verstoß nicht begangen hat, Einspruch gegen einen etwaigen Bußgeldbescheid einlegen
könne. Dann könne später zur Begründung des Einspruchs die Identität des tatsächlichen
Fahrers nachgereicht werden, sobald drei Monate vergangen sind, ohne dass Maßnahmen
gegen den tatsächlichen Fahrer ergriffen würden. In diesen Fällen ist nämlich im Verhältnis zu dem tatsächlichen Fahrer nach Ablauf von drei Monaten regelmäßig Verfolgungsverjährung eingetreten.
Die durch das Verfahren gegen den Halter herbeigeführte Verjährungsunterbrechung wirkt nach dem Grundsatz des § 33 Absatz 4 OwiG nur gegenüber
demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht, also gegenüber dem Halter.
Im Verhältnis zu dem tatsächlichen Fahrer, gegen den keine verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen wurden, ist nach Ablauf von drei Monaten
Verjährung eingetreten.
Es wird für diese Fälle dann zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der tatsächliche Fahrer nach Ablauf der Verjährungsfrist als Fahrer melden oder benennen lassen kann, ohne
sich der Gefahr weiterer Verfolgung auszusetzen. Diese vermeintlich "schlaue" Vorgehensweise im Bußgeldverfahren birgt aber die konkrete Gefahr für den Halter, sich eine
Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a StVZO einzuhandeln. In der Rechtsprechung (OVG Berlin, VRS 51, 319) wird nämlich unterstellt, dass der Halter zur Mitwirkung bei der Feststellung des Verantwortlichen verpflichtet ist.
Benennt der Halter den ihm seit Anfang des Ermittlungsverfahrens bekannten
Fahrer gegenüber der Bußgeldbehörde erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung, so kann ihm nach der Rechtsprechung wegen der verspäteten Mitwirkung bei der Ermittlung des Verantwortlichen das Führen eines Fahrtenbuchs auferlegt werden.
Es sollte also sorgfältig abgewogen werden, ob eine Fahrtenbuchauflage wirklich "günstiger" ist, als eine Ahndung des ursprünglichen Verstoßes.
Zweckmäßigkeit der Unterbrechungshandlung?
Unterbrechung grundsätzlich auch ohne Zweckmäßigkeit der Unterbrechungshandlung
Für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung kommt es grundsätzlich nicht darauf an,
ob eine Unterbrechungshandlung notwendig oder zweckmäßig ist. Somit wird nicht etwa
allgemein zunächst geprüft, ob eine Unterbrechungshandlung notwendig war.
In der Rechtsprechung werden aber für Ausnahmefälle auch Ausnahmen von
dem dargestellten Grundsatz gemacht, d.h. in Extremfällen wird eine Verjährungsunterbrechung nicht eintreten, wenn z.B. wegen einer offensichtlich
sinnlosen Unterbrechungshandlung ein Rechtsmissbrauch vorliegt.
Im Zusammenhang mit der Anberaumung bzw. Umterminierung einer gerichtlichen
Hauptverhandlung wurde zwar bekräftigt, dass auch eine Terminsverlegung grundsätzlich
gemäß § 33 Absatz 1 Nr. 11 OwiG zu einer Verjährungsunterbrechung führt. Dies gilt
nach der Rechtsprechung unabhängig davon, ob die Verlegung des Termins im konkreten
Fall fördert oder auch nur fördern kann (OLG Düsseldorf, VRS 97/99, 50). Trotzdem kam
das Gericht in dem erwähnten Fall zu dem Ergebnis, dass das Verfahren wegen der von
Amts wegen zu beachtenden Verfolgungsverjährung einzustellen war. In dem zu beurtei-
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lenden Fall hatte das Amtsgericht eine Woche vor der bereits anberaumten Hauptverhandlung und wenige Tage vor Eintritt der Verjährung den Termin zur Hauptverhandlung
um fünf Minuten (!) verlegt. Hierdurch würde bei ganz formaler Betrachtung eine Unterbrechung der Verjährung eintreten mit der Folge, dass erneut die Verjährungsfrist zu
laufen beginnen würde. Diese Folge lehnte das Rechtsmittelgericht aber im konkreten Fall
ab, weil die Unterbrechung der Verjährung nur eintrete, soweit die Unterbrechungshandlung nicht lediglich zum Schein also ohne sachlichen Grund und ohne vernünftigen Anlaß
vorgenommen wird. Zu einer Unterbrechung der Verjährung komme es aber nicht, wenn
- wie in dem entschiedenen Fall - offensichtlich ist, dass durch die Unterbrechungshandlung eine auch nur geringfügige Förderung des Verfahrens gar nicht beabsichtigt sein
konnte. Dies stellt nach Ansicht des Gerichts einen Missbrauch dar und verhindere daher
den Eintritt der Verjährungsunterbrechung.
Formfreiheit für die Unterbrechungshandlung
Die Handlungen, die zu einer Unterbrechung der Verjährung führen, sind an keine bestimmte Form gebunden. Es gibt also keine Regelung, wonach die Unterbrechungshandlungen immer schriftlich erfolgen müssen oder schriftlich dokumentiert werden müssen.
Zwar können einzelne Unterbrechungshandlungen des § 33 OwiG nur schriftlich erfolgen.
Dies gilt z.B. für den Erlaß des Bußgeldbescheids. Andererseits gibt es andere Unterbrechungshandlungen, wie z.B. die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
gemäß § 33 Absatz 1 Nr. 1 OwiG, die durchaus auch mündlich erfolgen können. Da ein
Formerfordernis nicht besteht, unterbricht grundsätzlich also auch die mündliche Bekanntgabe über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens die Verjährung.
Die Rechtsprechung verlangt trotz der bestehenden Formfreiheit für alle Arten
der Unterbrechungshandlungen, dass die jeweilige Handlung für die Verfahrensbeteiligten erkennbar und in ihrer Wirkung einschätzbar sein muß. Dies ist
nur dann der Fall, wenn sich für die konkrete Unterbrechungshandlung konkrete Anhaltspunkte aus der Akte ergeben.
Die Frage, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, darf nur anhand von Umständen
beurteilt werden, die in der Verfahrensakte aktenkundig sind, oder zumindest sich aus
dem Aktenzusammenhang eindeutig ergeben. Hierdurch soll vermieden werden, dass im
Zusammenhang mit der Verjährung Rechtsunsicherheit eintritt. Auch Missbrauch und
Manipulation bei der Ermittlung des Verjährungseintritts werden so erschwert.
Anhörungsbogen
Verjährungsunterbrechung durch Anhörungsbogen
Die Übersendung eines sogenannten Anhörungsbogens, mit dem der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, ist grundsätzlich als Bekanntgabe der Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens anzusehen. Für eine solche Bekanntgabe ist in § 33 Absatz 1 Nr. 1
OwiG bestimmt, dass durch sie die Verjährung unterbrochen wird. Voraussetzung für die
Unterbrechung der Verjährung durch Übersendung eine Anhörungsbogens ist allerdings,
dass sich aus dem Anhörungsbogen ein konkreter Ordnungswidrigkeitenvorwurf ergibt.
Weiterhin ist erforderlich, dass sich der Vorwurf gegen eine bestimmte Person richtet. Die
Rechtsprechung verlangt, dass sich für den Adressaten des Anhörungsbogens unmissverständlich ergibt, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden (OLG
Hamm, VRS 98/00, 208). Handlungen, die erst zu der Ermittlung eines noch unbekannten Tatverdächtigen führen sollen, haben somit keine verjährungsunterbrechende Wirkung.
Der Bundesgerichtshof (NJW 1997, 598) entschied, dass eine Verjährungsunterbrechung nur eintritt, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Vornahme der
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terbrechung nur eintritt, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Vornahme der
Unterbrechungshandlung der Behörde bereits "der Person nach" bekannt sei.
Bekannt im Sinne der Rechtsprechung ist der Betroffene erst, wenn seine Personalien
ermittelt sind, nicht bereits, wenn lediglich ein Foto des Täters in der Akte ist. Es ist allerdings ohne rechtliche Bedeutung, wenn der Name des Betroffenen in dem Anhörungsbogen falsch angegeben ist, etwa mit einem Schreibfehler, sofern sich aus den weiteren
Umständen zweifelsfrei ergibt, gegen wen sich der Vorwurf konkret richtet.
Nach der Rechtsprechung hat die Übersendung des Anhörungsbogens an den
Betroffenen selbst dann die Unterbrechung der Verjährung zur Folge, wenn
der Anhörungsbogen dem Betroffenen nicht zugeht. Somit hilft die Behauptung "Ich habe den Anhörungsbogen aber gar nicht bekommen..." für die Frage nach einer Verjährungsunterbrechung nicht weiter.
Das Anbringen eines "Strafzettels", also einer schriftlichen Mitteilung an der Windschutzscheibe oder an der Heckscheibe, unterbricht die Verjährung hingegen nicht, wenn der
Fahrzeugbenutzer damit lediglich darauf hingewiesen wird, dass er demnächst einen
schriftlichen Bescheid erhalten wird. Allein auf Grund eines solchen Strafzettels kann der
Betroffene nämlich nicht feststellen, dass gegen ihn bereits ein Bußgeldverfahren eingeleitet ist.
Anhörungsbogen bei sogenannten "Kennzeichenanzeigen"
Bei Kennzeichenanzeigen wird von der Bußgeldbehörde anhand des amtlichen Kennzeichens eines Kfz zunächst nur der Halter des Fahrzeugs festgestellt. Dies ist z.B. bei Parkverstößen oder auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen oftmals der Fall, wenn der
Fahrer des Fahrzeugs nicht angetroffen oder angehalten wird. In der Praxis bekommt
dann bei solchen Kennzeichenanzeigen der Halter des Fahrzeugs als einziger "Ansprechpartner" einen Anhörungsbogen zugeschickt. Die Übersendung des Anhörungsbogens hat
bei sogenannten Kennzeichenanzeigen nur dann die Unterbrechung der Verjährung zur
Folge, wenn dem Halter eine konkrete Ordnungswidrigkeit direkt vorgeworfen wird. Die
Rechtsprechung stellt dabei auf den genauen Wortlaut des versandten Anhörungsbogens
ab. Sofern der Halter mit den Worten angeschrieben wird "...wird Ihnen vorgeworfen,
am...", handelt es sich um einen persönlichen Vorwurf gegenüber dem Empfänger, so
dass im Verhältnis zum Empfänger des Anhörungsbogens die Verjährung unterbrochen
wird.
Die Unterbrechung der Verjährung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den
sich die Unterbrechungshandlung bezieht (z.B. gegenüber dem Empfänger des
Anhörungsbogens).
Wenn es in dem Anhörungsbogen hingegen heißt "wurde festgestellt, dass mit Ihrem Kfz
eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde...", tritt eine Unterbrechung der Verjährung
nicht ein. Es fehlt in dem letzten Beispiel nämlich an einem gegenüber einer bestimmten
Person erhobenen Vorwurf. Die Anhörungsbögen, die in der Bundesrepublik Deutschland
verwendet werden, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Außerdem kommt
es bei den in den Anhörungsbögen verwendeten Formulierungen von Zeit zu Zeit zu Veränderungen. Es kann daher nicht allgemein für alle Fälle von "dem Anhörungsbogen"
gesprochen werden. Vielmehr muß im Zweifelsfall der genaue Text des im konkreten Fall
versandten Schreibens eingehend betrachtet werden.
Anhörungsbogen bei GmbH oder sonstiger Firma
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In der Praxis kommt es oft vor, dass der Halter eines Kfz nicht eine Einzelperson ist, sondern eine Gesellschaft, z.B. eine GmbH. Im Falle einer Kennzeichenanzeige, bei der zunächst lediglich der Halter des Kfz ermittelt wird, erhält dann die GmbH als Halterin des
Kfz den Anhörungsbogen zugeschickt. Eine konkrete Person ist in dem Anhörungsbogen
dann in der Regel noch nicht als Fahrer benannt. Die Behörde weiß ja auch nur, dass die
GmbH Halterin des Kfz ist, nicht hingegen, wer das Fahrzeug im Tatzeitpunkt benutzte.
Wenn der Anhörungsbogen an eine GmbH geschickt wird, tritt die Unterbrechung der Verjährung im Verhältnis zu demjenigen, der das Fahrzeug im Tatzeitpunkt benutzte durch die Übersendung des Anhörungsbogens grundsätzlich nicht ein. In einem an die GmbH gerichteten Schreiben kann nämlich keine an den betroffenen Fahrer gerichtete Mitteilung über die Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens gesehen werden.
Nur eine solche, an eine konkrete Person gerichtete Mitteilung führt aber zu einer Unterbrechung der Verjährung. Selbst wenn die Gesellschaft im Rechtverkehr nur durch eine
Person wirksam vertreten werden kann, so führt die Übersendung des Anhörungsbogens
gegenüber diesem Vertreter nicht zur Unterbrechung der Verjährung, sofern das Schreiben an die Gesellschaft gerichtet ist, ohne den Vertretungsberechtigten zu bezeichnen.
Dies gilt auch für die Kommanditgesellschaft (KG). Bei der Rechtsform einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts ("GbR", "BGB-Gesellschaft") lässt es ein Teil der Rechtsprechung für
die Verjährungsunterbrechung ausreichen, wenn der Anhörungsbogen unter Nennung der
Namen der beiden einzigen Gesellschafter an die GbR versandt wird. Ob diese Betrachtung weiterhin vertretbar ist, nachdem der Bundesgerichtshof seit Neuestem die Rechtsfähigkeit der GbR bejaht, ist zweifelhaft. Selbst wenn sich die Handlung gegen die Firma
eines Einzelkaufmanns richtet, tritt im Verhältnis zu dem (alleinigen) Firmeninhaber
durch die Handlung grundsätzlich keine Verjährungsunterbrechung ein. Etwas Abweichendes gilt nur, wenn sich hinter dem Namen der Firma ausschließlich der Firmeninhaber selbst verbirgt.
Unterbrechung der Verjährung
Unterbrechung bei schriftlichen Anordnungen mit Unterschrift
Nach § 33 Absatz 2 OwiG ist die Verjährung bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung unterzeichnet wird. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Unterzeichnung mittels einer
lesbaren Unterschrift erfolgt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn ein individueller Schriftzug verwendet wird. Bei behördeninternen Anordnungen und bei richterlichen Verfügungen reicht sogar eine sogenannte Paraffe, also ein nur aus wenigen Buchstaben bestehendes Unterschriftenkürzel. Indem für den Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung auf
die Unterzeichnung abgestellt wird, soll der Rechtssicherheit gedient werden. Denn der
Zeitpunkt der Unterzeichnung kann in der Regel genau bestimmt werden. Allerdings zeigt
sich auch hier, dass es bei der Frage nach der Verjährung oftmals entscheidend auf gerichtsinterne oder behördeninterne Vorgänge ankommt. Hieraus folgt, dass man ohne
Kenntnis der Verfahrensakte in der Regel keine sichere Beurteilung der Verjährungsfrage
vornehmen kann.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz der "Verjährungsunterbrechung durch
Unterzeichnung" wird in denjenigen Fällen gemacht, in denen das unterzeichnete Schriftstück nicht "alsbald" nach Unterzeichnung in den Geschäftsgang
gelangt. Dann tritt die Verjährungsunterbrechung erst in dem Zeitpunkt ein, in
dem das Schriftstück in den Geschäftsgang gelangt.
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Nach der Rechtsprechung begründet der Umstand, dass zwischen der Unterzeichnung
des Schriftstücks und dem Zugang bei dem Betroffenen eine Zeitspanne von elf oder
zwölf Tagen liegt, noch nicht einmal den Verdacht, dass es nicht "alsbald" in den Geschäftsgang gelangt sein könnte. Es wird also als ganz normal unterstellt, dass die Mühlen der Justiz vergleichsweise langsam mahlen.
Unterbrechung bei schriftlichen Anordnungen ohne Unterschrift
Für bestimmte schriftliche Handlungen ist anerkannt, dass diese auch ohne eine Unterschrift rechtswirksam sind. Dies gilt z.B. bei Bußgeldbescheiden und Anhörungsbögen,
die mittels einer EDV-Anlage erstellt werden. Diese Schriftstücke führen auch ohne eine
Unterschrift zu einer Unterbrechung der Verjährung, sofern die übrigen Voraussetzungen
für eine Verjährungsunterbrechung vorliegen. Es bedarf hier also keiner "Unterzeichnung". Statt auf die Unterzeichnung des Schriftstücks wird für die Unterbrechung der
Verjährung auf den Ausdruck des Schriftstücks abgestellt.
Die Verjährungsunterbrechung tritt bei EDV-Schreiben ohne Unterschrift in
dem Zeitpunkt ein, in dem das Schriftstück ausgedruckt wird. Dieser Zeitpunkt ist in der Praxis grundsätzlich gleichzusetzen mit dem Datum, das auf
dem Schriftstück vermerkt ist.
Sofern also ein Anhörungsbogen nicht unterschrieben ist, weil er mittels EDV erstellt
wurde, und das Datum 30. März trägt, so ist grundsätzlich der 30. März der Zeitpunkt, in
dem die Verjährungsunterbrechung eintritt. Auch für nicht unterzeichnete Schriftstücke
gilt aber, dass der Ausdruck nur dann der maßgebliche Zeitpunkt für die Verjährungsunterbrechung ist, wenn das Schriftstück "alsbald" in den Geschäftsgang gelangt. Anderenfalls wird die Verjährung erst in dem Moment unterbrochen, in dem das Schriftstück tatsächlich in den Geschäftsgang gelangt. Nach der Rechtsprechung begründet der Umstand, dass zwischen der Unterzeichnung des Schriftstücks und dem Zugang bei dem
Betroffenen eine Zeitspanne von elf oder zwölf Tagen liegt, noch nicht einmal den Verdacht, dass es nicht "alsbald" in den Geschäftsgang gelangt sein könnte. Es wird also
auch hier als ganz normal unterstellt, dass die Mühlen der Justiz vergleichsweise langsam
mahlen.
Vollstreckungsverjährung
Von der Verfolgungsverjährung zu unterscheiden ist die Vollstreckungsverjährung. Bei
der Verfolgungsverjährung geht es um die Frage, ob wegen einer Tat eine Ahndung
(noch) erfolgen kann, z.B. in Gestalt eines Bußgeldbescheids. Dies ist nur möglich, solange noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Bei der Vollstreckungsverjährung geht es hingegen darum, wie lange eine bereits rechtskräftig angeordnete Rechtsfolge, also z.B. das Bußgeld, vollstreckt ("beigetrieben") werden kann. Nehmen wir an, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ein Bußgeldbescheid mit einem Bußgeld von 80 DM erlassen wurde, der dann rechtskräftig wurde weil
ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht innerhalb von zwei Wochen eingelegt
wurde. Seit Zugang des Bußgeldbescheids bei dem Betroffenen sind bereits einige Monate vergangen, als plötzlich eine Zahlungsaufforderung bezüglich des Bußgelds bei dem
Betroffenen eingeht. Dann ist die Frage nach der Verfolgungsverjährung nicht mehr von
Interesse. Der rechtskräftige Bußgeldbescheid ist nämlich nicht mehr angreifbar. Es stellt
sich nur noch die Frage, wie lange die Behörde Zeit hat, um das angeordnete Bußgeld zu
vollstrecken, wenn der Betroffene das Bußgeld nicht freiwillig bezahlt. Dies ist die Frage
nach der Vollstreckungsverjährung.
Die Frist für die Vollstreckungsverjährung beträgt fünf Jahre bei einer Geldbuße von mehr
als zweitausend Mark und drei Jahre bei einer Geldbuße bis zu zweitausend Mark. Die
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Frist für die Vollstreckungsverjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung. Im
Falle eines Bußgeldbescheids tritt zwei Wochen nach der Zustellung Rechtskraft ein, sofern der Bußgeldbescheid nicht bis dahin mit einem Einspruch angegriffen wird. Nach
Eintritt der Vollstreckungsverjährung darf eine Geldbuße nicht mehr vollstreckt werden.
Sämtliche auf die Durchsetzung der Geldbuße gerichteten Handlungen der Vollstreckungsbehörde, wie z.B. Zahlungsaufforderungen o.ä., sind dann unzulässig.
Beispielsfälle Verfolgungsverjährung
Fall 1: Anhörungsbogen nach mehr als drei Monaten
Sachverhalt: Der B wird als Fahrer des auf ihn zugelassenen Pkw am 03. März mit 45
km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit geblitzt. Am 06. Juni erhält B ein Schreiben der Bußgeldbehörde vom 31. Mai, in dem ihm die Zuwiderhandlung vorgeworfen
wird, mit der Gelegenheit, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Kann sich B mit Erfolg
auf Verjährung berufen?
Lösung: Nein. Zwar liegen zwischen dem Verstoß und dem Zugang des Anhörungsbogens bei B mehr als drei Monate. Aber das Schreiben der Behörde wurde bereits am 31.
Mai geschrieben. Dieser Zeitpunkt ist für die Unterbrechung der Verjährung maßgeblich,
so dass hier am 31. Mai die Verjährung unterbrochen wurde. Es läuft ab 31. Mai erneut
die Dreimonatsfrist für die Verjährung.
Fall 2: Bußgeldbescheid nach mehr als drei Monaten
Sachverhalt: Der B wird als Fahrer des auf ihn zugelassenen Pkw am 03. März mit 45
km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit geblitzt. Am 28. März erhält B ein
Schreiben der Bußgeldbehörde vom 23. März, in dem ihm die Zuwiderhandlung vorgeworfen wird, mit der Gelegenheit, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. B reagiert auf
das Schreiben der Behörde nicht. Am 29. Juni erhält B einen Bußgeldbescheid vom 21.
Juni zugestellt. Kann sich B nach einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit Erfolg
auf Verjährung berufen?
Lösung: Nein. Durch das Schreiben der Behörde vom 23. März (Anhörungsbogen) wurde
am 23. März die Verjährung unterbrochen. Es läuft ab 23. März erneut die Dreimonatsfrist für die Verjährung. Die neue Frist endet am 22. Juni. Bereits vor Fristende wurde der
Bußgeldbescheid erlassen. Dadurch wurde die Verjährung erneut unterbrochen, weil die
Zustellung des Bußgeldbescheids innerhalb von zwei Wochen seit dessen Erlaß erfolgte.
Fall 3: Anhörungsbogen an GmbH
Sachverhalt: Am 19.09. wird bei einer Geschwindigkeitsmessung der auf die XY GmbH
zugelassene Firmenwagen geblitzt. Die Bußgeldbehörde übersandte am 14.10. einen Anhörungsbogen vom gleichen Tag an die XY GmbH. Gegenüber der GmbH (offenbar routinemäßig) wird der Vorwurf erhoben, die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu
haben. Die GmbH wird aufgefordert, innerhalb einer Woche Stellung zu nehmen. Für den
Fall, dass die XY GmbH die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen haben sollte,
wird in dem Schreiben darum gebeten, der Anhörungsbogen möge an den tatsächlich
Verantwortlichen weitergereicht werden, und dieser möge sich zu dem Vorfall erklären.
Über die GmbH gelangt der Anhörungsbogen an den Geschäftsführer G der GmbH, der
den Geschwindigkeitsverstoß begangen hat. Der G nimmt mit einem Schreiben, das am
17.10. bei der Bußgeldbehörde eingeht, zu dem Vorfall Stellung. Am 05.01. wird gegen G
ein Bußgeldbescheid erlassen. Kann G sich nach einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit Erfolg auf Verjährung berufen?
Lösung: Ja. Der Bußgeldbescheid gegen G wurde erlassen, als bereits Verjährung eingetreten war. Die Verjährung wurde gegenüber G nicht durch die Übersendung des Anhö-
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rungsbogens an die XY GmbH unterbrochen. Denn in dem Anhörungsbogen ist keine
konkrete Person als Betroffener bezeichnet. Die Verjährung wurde auch nicht durch das
am 17.10. bei der Bußgeldstelle eingegangene Schreiben des G unterbrochen. Bei dem
Schreiben handelt es sich nicht um eine "Vernehmung" weil hierfür eine Anordnung der
Behörde erforderlich ist, die auf eine Anhörung des Betroffenen abzielt. Daher war am
05.01., als der Bußgeldbescheid erlassen wurde, die Dreimonatsfrist der Verfolgungsverjährung wegen der am 19.09. begangenen Tat im Verhältnis zu G schon abgelaufen.
Toleranzen bei Geschwindigkeitsmessungen
Die Meßtoleranzen und -genaugkeiten sind bei stationären Geschwindigkeitskontrollen
abhängig vom eingesetzten Meßverfahren. Je nach Art des Verkehrsüberwachungsgerätes (und weiterer Umstände) können sich unterschiedliche Toleranzen ergeben. Die Festlegung einer Meßtoleranz obliegt letztlich dem Tatrichter bei der Beurteilung des Einzelfalles. Grundsätzlich sind nur geeichte Geräte zur Geschwindigkeitsmessung einzusetzen
- andere (nicht geeichte) Geräte können zwar auch eingesetzt werden, dann sind jedoch
ggf. höhere Toleranzwerte zu bestimmen. Die Eichtoleranzen der einzelnen Meßgeräte
werden von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) festgelegt. Die Gültigkeit
einer Messung ist dann gegeben, wenn die vorgeschriebenen Fristen zur Eichung des eingesetzten Gerätes eingehalten wurden (Nacheichung).
Die gerätespezifischen Fehlertoleranzen derzeit eingesetzter Geschwindigkeitsmeßgeräte
betragen nach PTB im Radar-, Laser- und Lichtschrankenmeßverfahren üblicherweise:
•
- 3 km/h für Geschwindigkeiten < 100 km/h
sowie
•
- 3 % für Geschwindigkeiten > 100 km/h (aufzurunden auf eine ganze Zahl).
Wo darf gemessen werden??
Nach den Richtlinien der einzelnen Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung
durch Polizei und Straßenverkehrsbehörden sollen Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich erst in einem Abstand von mindestens 150 bis 200 m von einer Geschwindigkeitsbeschränkung (Verkehrszeichen, Ortstafel) durchgeführt werden. Bei stufenweiser
Herabsetzung der Geschwindigkeitsbeschränkung reichen in der Regel 50 bis 100 m,
wenn die Messung nicht im ersten Sektor erfolgt. Nur in begründeten Fällen, z.B. bei Geschwindigkeitstrichtern, Gefahrenstellen und -zeichen, darf auf die Wegtoleranz (Abstand) verzichtet werden.
Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren
Bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren müssen in aller Regel höhere
Fehlertoleranzen angesetzt werden als bei am Straßenrand aufgebauten Anlagen.
Zumeist sind es bei mobilen Videomessungen 5 % des Meßwertes, mindestens 5 km/h.
Wird mit einem normalen Fahrzeug ohne besondere Meßeinrichtung oder gar mit
ungeeichtem Tacho gemessen, sind die zugrundezulegenden Toleranzen erheblich höher,
teilweise bis zu 20 %. Bei Einsatz eines geeichten Fahrtschreibers sind ca. 10 % der
abgelesenen Geschwindigkeit abzuziehen.
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