Neue Technologie konsequent anwenden - All

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MÄRKTE + UNTERNEHMEN Interview
Interview mit Gerd Hoppe, Mitglied der Geschäftsleitung von Beckhoff
Neue Technologie
konsequent anwenden
Immer schnellere Prozesse wirtschaftlich und ressourceneffizient zu beherrschen, das
ist die Aufgabe vieler Unternehmen der Industrie. Ein Schlagwort dafür ist High Performance Automation. Die Redaktion der IEE sprach mit Gerd Hoppe von Beckhoff Automation über die Herausforderung für Hersteller und Anwender.
In welche Richtung wird sich die Automatisierung künftig bewegen?
Die zukünftige Entwicklung von Automatisierung wird geprägt
sein von einigen wenigen grundsätzlichen Markt- und Technologiebewegungen. Zunächst soll weltweit der Lebensstandard stetig wachsen, Ressourcen sollen immer sparsamer und nachhaltiger verbraucht werden, und die dafür notwendige Beherrschung
komplexer Technologien soll die Menschen nicht überfordern.
Sie sollen von monotonen, anstrengenden Tätigkeiten und solchen, in denen Fehler nicht vorkommen dürfen, entlastet werden.
Das gelingt nur mit fortschreitender Automatisierung nicht nur
im Maschinen- und Anlagenbau, sondern in allen Lebensbereichen: Automatisierung wird sich deutlich weiter verbreiten als
bisher. Zwei wesentliche Bewegungsrichtungen sehe ich: Auf der
einen Seite ist erkennbar, dass die Leistungsentwicklung der allgemeinen Informationstechnologie ungebrochen weiter voranschreitet. Miniaturisierung von Strukturen und sinkender Energieverbrauch der Halbleiter wird uns 2018 das Equivalent von
128 Kernen (Cores) pro MikroprozesNeue Automatisiesor bescheren – eine wunderbare Plattrungstechnologie
form für Automatisierungsaufgaben,
ermöglicht ein inteübrigens auch, was das Preis/Perfor-
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griertes schnelleres, besseres Engineering, resourcen- und energieeffizientes Produzieren zugleich.
Bildquelle: alle Bilder Beckhoff
Gerd Hoppe
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mance-Verhältnis angeht. Auf der anderen Seite ist ebenso deutlich, dass gegenüber den Ausrüstungskosten das Engineering derzeit zu aufwendig kleinteilig, in getrennten Engineering-Werkzeugen und mit sich oftmals wiederholenden Arbeitsschritten
und wenig Durchgängigkeit erledigt wird, während wir gleichzeitig über Wettbewerbsfähigkeit der Automatisierungsanwender und deren Kostenstrukturen diskutieren. Hier treffen sich
Anforderungen der Anwender mit Leistungsschüben neuerer
Technologien – man muss letztere nur konsequent anwenden.
Neue Automatisierungstechnologie ermöglicht ein integriertes
schnelleres, besseres Engineering, resourcen- und energieeffizientes Produzieren und sparsamere und einfachere Automatisierung
zugleich. Unser Schlagwort dazu ist High-Performance Automation.
Auf der SPS/IPC/Drives im letzten Jahr, gaben Sie die Begrifflichkeit
‚High Performance Automation‘ aus. Wie definiert man es und wie sehen dies die Anwender?
High-Performance Automation nutzt die verfügbare Rechenleistung von modernen Prozessoren und die Bandbreite des mittlerweile etablierten Echtzeit-Ethernet-Kommunikationssystems
MÄRKTE+ UNTERNEHMEN Interview
Ethercat gezielt, um die Leistungsfähigkeit der Automatisierungsanwendung deutlich zu steigern. Damit ist die Automatisierungstechnik nicht mehr wie bisher der begrenzende Faktor in
der Maschine oder Anlage. Es gelingt, Maschinenprozesse an deren physikalischen Grenzen zu steuern und zu regeln.
Wird High Performance Automation ‚so‘ überhaupt von den Anwendern konkret nachgefragt?
Natürlich wird das nachgefragt. Mit High Performance Automation werden bei niedrigeren Automatisierungskosten Maschinen
schneller, energieeffizienter, und genauer. Produkte können präziser und mit kleinerer Varianz gefertigt werden, weswegen weniger Rohmaterialien verwendet wird. Weil die Automatisierung
auf einer integrierten Plattform implementiert wird, gelingt das
Engineering rascher, die Inbetriebnahmezeiten sinken deutlich.
Wer möchte schon mehr Geld für eine weniger leistungsfähige
Automatisierungstechnik ausgeben, nur um danach ein kompliziertes Enginering zu betreiben, damit die Maschine langsamer
läuft und mehr Energie und Material verbraucht? Anwender verstehen prinzipiell sehr gut, mit welcher Art von Automatisierungstechnik und Engineering sie mit ihren Maschinen bei ihren
Kunden Wettbewerbsvorteile besitzen.
Ist High Performance Automation ein ganzheitlicher Ansatz?
Prinzipiell ja – anders geht es ja gar nicht. Mit dem konsequenten
Nutzen der verfügbaren Leistung moderner CPUs verbindet sich
die hohe Bandbreite von Ethercat – damit dann die CPU mit der
Umwelt ohne Kommunikations-Flaschenhals in Kontakt treten
kann. Als zusätzlicher ‚kleiner Nachbrenner‘ kommen noch eine
Leistungssteigerung in Synchronität und Gleichzeitigkeit des
Prozessabbildes sowie das Oversampling von Signalen in der
I/O-Ebene zwischen Kommunikationszyklen hinzu: Dank verteilter Uhren mit einer Zeitbasis im Nanosekundenbereich. Damit wird ein Automatisierungssystem mit ‚Standard-Struktur‘ so
leistungsfähig wie viel komplexere und teurere Embedded-Board
Messhardware.
Ist High Performance Automation nur ein marketingtechnisches
Schlagwort?
Nein. Wir machen ja bei Beckhoff die Automatisierungstechnik
messbar leistungsfähiger und nennen beim Namen, was unsere
Produkte unterscheidet.
Was sind die treibendenden Faktoren bei High Performance Automation: Hardware oder Software?
Wie bereits gesagt, die Kombination macht es: wenn leistungsfähigere Hardware richtig angewendet wird, kann Software auf
einer integrierten Steuerungsplattform implementiert werden –
das geht rascher und eleganter als mit verteilten Systemen oder
mit wenig integrierten Tools, und es ergibt eine leistungsfähigere
Automatisierungstechnik.
Sind die Hersteller, ausgenommen Beckhoff, überhaupt technologisch
in der Lage dies zu liefern?
Eine interessante Frage, deren Beantwortung wohl nur den angesprochenen anderen Anbietern zusteht, auch müsste man wohl
eher nach dem ‚wollen‘ statt nach dem ‚können‘ fragen. Wir sprechen seit Jahren offen über unsere Sicht der verfügbaren Technologien und deren nutzbringende Anwendung in der Automatisierung. Wenn der Markt Beckhoff einen gewissen Vorsprung zuspricht, was die konsequente Umsetzung moderner Technologien
in funktionierende Produkte angeht und wir über viele Jahre am
Erfolg unserer Kunden in der Anwendung unserer Produkte partizipieren, erfüllt uns das natürlich mit Freude und Zufriedenheit
darüber.
Benötigt man für einen ganzheitlichen Ansatz einheitliche Standards?
Ich würde das mit Ja und Nein beantworten. Das angebliche Fehlen von Standards ist immer eine gute Ausrede, um Innovation,
ein auch manchmal anstrengendes Thema, vor sich herzuschieben. Ganz nebenbei sind alle Grundelemente von High Performance Automation im Ethercat-Standard definiert. Faktisch sind
im Zeitalter des Internets die de-fakto Standards schneller etabliert als sich das in Standards der bekannten Standardisierungsorgane niederschlagen kann. Was die de-fakto Standards angeht,
so nutzen wir die aus der größeren IT-Welt kommenden Standards, wo wir können, so also den PC, Standard (derzeit
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MÄRKTE + UNTERNEHMEN Interview
Interview mit Gerd Hoppe, Beckhoff
Windows)-Betriebssysteme, Ethernet, und machen sie in der Automatisierung nutzbar: der PC migrierte zum Industrie-PC,
Windows wurde mit Twincat-Echtzeiterweiterung tauglich für
Echtzeit-Automatisierungsaufgaben, die Feldbussysteme der ersten Generation migrierten mit Ethercat in die Ethernet-Welt hinein. Nun hält Twincat Einzug in Visual Studio, um die weltweit
größte Software-Engineering-Plattform für die Automatisierung
zu erschliessen und um Engineering Prozesse zwischen unterschiedlichen Tools (CAD, Elektro-CAD, SPS/NC-Programmierung, Simulation, Regelungstechnik, Robotik etc.) integriert zu
gestalten. Diese durch Beckhoff getriebene Migration zu größeren Standards ist doch genau im Sinne des Marktes und ganz
praktisch anwendbar.
Man diskutiert über die Entwicklung von High Performance Automation für die Zukunft. Doch alles Reden über die Technologie wird zur Makulatur, wenn nicht die entsprechende Kompetenz nachgebildet wird?
Wie sehen sie dies?
Ich denke, der Appetit kommt beim Essen, und, Not macht erfinderisch. Was ich sagen will, ist, dass bestimmte Fähigkeiten von
Unternehmen und Mitarbeitern situationsbezogen nachgefragt
werden; die heutige Zeit ist geprägt vom weltweiten Wettbewerb
der Ingenieure unter Beteiligung früherer Schwellenländer – da
ist schnelleres Engineering und bessere Maschinenperformance
bei gleichzeitiger Energieoptimierung viel wichtiger als noch vor
Jahren. Also werden sich wache Unternehmen die neuen Möglichkeiten rasch nutzbar machen, und in vielen Fällen macht ja
neue Technologie auch das Leben leichter. Die notwendigen
Kompetenzen zur Anwendung von High Performance Automation besitzen die bestens ausgebildeten Ingenieure jedenfalls: insbesondere in Deutschland, aber auch anderswo auf der Welt.
Auf der SPS/IPC/Drives 2009 stellte Beckhoff Twincat 3 vor. Eine prägende Aussage von Herrn Beckhoff war, dass es revolutionäre, aber
auch evolutionäre Erweiterungen hat. Wie kann man das verstehen?
Twincat 3 ist die konsequente Anwendung unserer Grundprinzipien – Offenheit, Freiheit für Anwender, Nutzung der Standards
der IT-Welt – im Bereich der Engineering Tools. Bisher waren Engineering Tools in der Automatisierung 'hausgemachte Eigengewächse' der Automatisierungsanbieter. Nun ändert sich das – die
Fähigkeiten der Automatisierungstools werden mit Twincat 3 in
Visual Studio integriert: Echtzeitfähigkeit, Online Change, die
IEC1131-3-Sprachen, Motion Control etc. Das ist revolutionionär und evolutionär gleichzeitig, weil diese neue Plattform genutzt werden kann wie ein SPS-Programmier- und Inbetriebnahmetool für den Servicetechniker, und gleichzeitig auch als die am
weitesten verbreitete offene Softwareplattform für sehr viele Engineering Tools, inklusive C, C++, sowie auch für Tools Dritter,
wie etwa Matlab/Simulink. Die Software-Welt trifft sich auf Visual Studio. Durch die Öffnung des Engineering zu dieser Plattform können nun die Engineering Welten darauf in wunderbarer
Weise zusammenwachsen.
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Das Interview führte Harald Wollstadt,
Chefredakteur der IEE
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