32 TIPPS Werbungskosten Studium und Ausbildung senken die Steuern Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Entscheidungen die steuerliche Absetzbarkeit von angefallenen Aufwendungen für ein Erststudium in der Einkommensteuererklärung verbessert. Noch ist nicht klar, inwieweit auch andere Fälle davon betroffen sind. Der Bundesfinanzhof hat in zwei Grundsatzurteilen insbesondere klargestellt, dass nach derzeit geltender Rechtslage beruflich veranlasste Aufwendungen – für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium im Anschluss an das Abitur oder einen anderen Schulabschluss – dem Grunde nach steuerlich als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben anzuerkennen sind und nicht mehr nur als begrenzt abzugsfähige Sonderausgaben berücksichtigt werden. Grundsätzliche Voraussetzung ist hierfür lediglich, dass Ausbildung bzw. Erststudium „hinreichend und konkret durch die spätere Berufstätigkeit veranlasst“ sind. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn die erstmalige Ausbildung bzw. das Erststudium Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Bisher können maximal 4.000 Euro abgesetzt werden Nach der bisherigen Rechtslage seit Januar 2004 stellen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung, die nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Ausbildungsdienstverhältnisses) stattfindet oder für ein Erststudium keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten dar, sondern sind in der Regel Kosten der Lebensführung, die im Rahmen der Sonderausgaben mit maximal 4.000 Euro im Kalenderjahr absetzbar sind. Sind einer Berufsausbildung oder einem Studium eine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Erststudium vorausgegangen (weitere Berufsausbildung oder weiteres Studium), handelt es sich dagegen bei den durch die weitere Berufsausbildung oder das weitere Studium veranlassten Aufwendungen um Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit späteren im Inland steuerpflichtigen arbeitnehmer Heft 7/2011 Entscheidend ist jedoch, dass die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des angestrebten Berufes geleistet werden und den angehenden Arbeitnehmer oder Selbständigen im weitesten Sinne fördern. Zudem müssen die Ausbildungskosten in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Für alle Studenten und Auszubildende, die diese Voraussetzungen erfüllen, ergeben sich insbesondere zwei positive Folgewirkungen: 1. Die Kosten sind nicht mehr lediglich auf maximal jährlich 4.000 Euro beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig. Beim Ansatz von Werbungskosten oder Betriebsausgaben wirkt sich auch ein darüber hinaus gehender Betrag auf das zu versteuernde Einkommen aus. 2. Sofern Studenten oder Azubis nur ein geringes oder kein Einkommen haben, verpuffen die getätigten Aufwendungen nicht mehr wirkungslos über den Sonderausgabenabzug, bei dem es keinen Verlustvortrag gibt. Diese Möglichkeit eröffnet sich jetzt, da Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu negativen Einkünften führen können. Dieser Verlust wird über einen Verlustvortrag in die „steuerliche“ Zukunft mitgenommen und – sofern später steuerpflichtige Einnahmen anfallen – mit diesen Einkünften verrechnet. Auf diese Weise verringert sich die zu zahlende Einkommensteuer in den ersten Berufsjahren nach dem Studium. Urteile haben keine grundsätzliche Wirkung Die Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin Barbara Scheidhauer ist Mitarbeiterin in der Abteilung Beratung der Arbeitskammer | Foto: D‘Angiolillo Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit besteht. Entsprechendes gilt für ein Erststudium nach einer abgeschlossenen nichtakademischen Berufsausbildung. Auszubildende in einem Ausbildungsdienstverhältnis können die Kosten ihrer Ausbildung ungeachtet der BFH-Urteile als Werbungskosten absetzen, weil sie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aus einem Dienstverhältnis erzielen. In den beiden vom BFH entschiedenen Fällen ging es um die Ausbildung zum Berufspiloten bei einer Fluglinie und um ein Medizinstudium. Der Tenor der Entscheidungen lässt sich aber auch auf andere Studiengänge und Ausbildungen anwenden, die unmittelbar im Anschluss an eine Schulausbildung aufgenommen werden. Die beiden günstigen Urteile des Bundesfinanzhofes haben aber in der Praxis zunächst einmal keine grundsätzliche Wirkung. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesfinanzministerium auf die BFHEntscheidungen reagieren wird. Folgende Optionen sind hierbei denkbar: 1. Der Tenor der BFH-Entscheidungen soll auch allgemein in allen noch offenen Fällen angewendet werden, was durch eine Veröffentlichung der Urteile im Bundessteuerblatt (BStBl) dokumentiert wird. 2. Es ergeht ein Nichtanwendungserlass. Dieser weist die Finanzverwaltung an, die Grundsätze der beiden Urteile des Bundesfinanzhofes nur in den konkret entschiedenen Sachverhalten zu berücksichtigen und nicht auf vergleichbare Fälle analog anzuwenden. 3. Das Bundesfinanzministerium regelt die Rechtsprechungsgrundsätze mit Einschränkungen oder einer ergänzenden Auffassung durch ein geändertes An- TIPPS wendungsschreiben, welches die bisherige Sichtweise (BMF – Schreiben vom 22.9.2010) ersetzt. Als offizielle Stellungnahme heißt es derzeit vom Bundesfinanzministerium lediglich in einer Erläuterung vom 19.8.2011 im Internet, dass nunmehr die gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Eckpunkte, die der BFH vorgegeben hat, geprüft werden. Steuererklärung abgeben Sollte die Rechtsprechung jedoch angewendet werden und wollen Studenten nun ihre Kosten geltend machen, gelingt das nur mit der Abgabe einer Einkommensteuererklärung, und zwar für die Jahre, in denen die jeweiligen Aufwendungen entstanden sind. Das ist auch dann notwendig, wenn keine Einkünfte vorliegen, damit ein Verlustfeststellungsbescheid ergehen kann und somit die negativen Einkünfte für die Zukunft konserviert werden. Die typische Frage für viele Studenten lautet nun: „Wie lange kann ich rückwirkend die Kosten in einer Einkommensteuererklärung geltend machen?“ Diese Frage zielt auf die Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Einkommensteuer vier Jahre (§ 169 AO) und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 AO). Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Handelt es sich bei den Ausbildungskosten um Werbungskosten eines angehenden Arbeitnehmers, ist dieser in der Regel nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Der Arbeitnehmer darf freiwillig eine sogenannte Antragsveranlagung durchführen, wofür er vier Jahre Zeit hat. Damit können bis Ende des Jahres 2011 noch rückwirkend die Steuererklärungen bis 2007 eingereicht werden. 2. Handelt es sich hingegen aber um Betriebsausgaben für eine zukünftige selbständige Tätigkeit oder hat der Arbeitnehmer weitere Einkünfte über 410 Euro, die nicht dem Steuerabzug unterliegen (z. B. Vermietungseinkünfte, Honorareinkünfte, nicht jedoch private Kapitalerträge), besteht noch bis zum Ende des Jahres 2011 die Möglichkeit, die Steuererklärung bis zum Jahr 2004 einzureichen, weil die Sieben-Jahres-Frist (vier Jahre Festsetzungsfrist plus drei Jahre Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO) voll ausgeschöpft werden darf. Liegt bereits ein Einkommensteuerbescheid vor, kann dieser nur innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides noch geändert werden. Folgende Aufwendungen sind insbesondere abzugsfähig: ▶ Lehrgangs-, Kurs-, Schul-, Prüfungs-, Semester- oder Studiengebühren, ▶ Arbeitsmittel, Schreibmaterialien, Fachliteratur, Taschenrechner, PC etc. ▶ Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsort pauschal mit 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer mit dem Pkw oder den tatsächlichen Kfz-Kosten oder die Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel. Auszubildende, die ihre Berufsausbildung im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses absolvieren, können ungeachtet der beiden BFH-Urteile ihre Ausbildungskosten grundsätzlich als Werbungskosten geltend machen, weil sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Dienstverhältnis erzielen. Insofern lohnt sich auch für Auszubildende mit geringer Ausbildungsvergütung – bei der noch keine Lohnsteuer anfällt – und gleichzeitig hohen Ausbildungskosten die Abgabe einer Steuererklärung. Sind die Ausbildungskosten höher als die Ausbildungsvergütung, entsteht ein steuerlicher Verlust, der über die Einkommensteuererklärung festgestellt wird und somit in zukünftige Jahre, in denen Lohnsteuer fällig wird, vorgetragen werden kann. Auszubildende können zusätzlich zu den oben aufgeführten Aufwendungen auch noch Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten geltend machen, wenn die steuerlichen Grundsätze für Auswärtstätigkeiten vorliegen, also vorübergehend zu Fortbildungszwecken eine außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers gelegene Ausbildungs- oder Fortbildungsstätte aufgesucht wird. Verpflegungsmehraufwendungen sind bei einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden im Rahmen der Reisekostensätze während der ersten drei Monate ansetzbar. Nur wenn die Ausbildungsstätte höchstens zweimal wöchentlich (inklusive Wochenende) aufgesucht wird, liegen jeweils getrennte Auswärtstätigkeiten vor und die Verpflegungspauschale ist auch noch nach Ablauf von drei Monaten zulässig. Die Aufwendungen wegen auswärtiger Unterbringung müssen tatsächlich entstanden sein und belegt werden, da es beim Werbungskostenabzug keine Übernachtungspauschalen mehr gibt. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 28.07.2011 – VI R 7/10 und VI R 38/10. Barbara Scheidhauer, Arbeitskammer RUNDE SACHE! www.od-online.de Neue Internetseiten jetzt online! Hier finden Sie alle Leistungen, die zu Ihrem Erfolg führen. Für Sie optimal strukturiert: B^^^BjtT]@HB^^^B Ottweiler Druckerei und Verlag GmbH Johannes-Gutenberg-Straße 14 . 66564 Ottweiler Telefon: 06824-9001-0 011_07_OD_Anzeige____178x87_Runde_Sache.indd 1 327%+6VOpZffz(%3$ (EF6EXOcH1@RV2`5UV? Wir freuen uns auf Ihren Besuch. yiiiyiiiayqiy)yiI 24.08.11 08:25 arbeitnehmer Heft 7/2011 33 34 TIPPS Krankmeldung Vorgesetzten rechtzeitig informieren Ratgeber Alles über Medikamente Was hat der Arzt mir verschrieben und warum? Was muss ich beachten? Welche Nebenwirkungen können auftreten und was dann? Gibt es Besseres? Was kostet mein Medikament? Antworten auf diese wichtigen Fragen, die sich Patientinnen und Patienten immer wieder stellen, gibt das Standardwerk der Stiftung Warentest zur Wirksamkeit von Arzneimitteln, das in der 8. aktualisierten Auflage umfassend überarbeitet wurde: 1.100 neue Medikamente wurden bewertet, insgesamt sind jetzt rund 7.000 Medikamente besprochen. In dem Werk werden Symptome und Ursachen zahlreicher Krankheitsbilder erklärt, neue Krankheitsbilder wie Makuladegeneration und Zwangsstörungen besprochen. Der Ratgeber enthält Beschreibungen der Wirkstoffe und Hinweise zur Einnahme, Bewertungen und Preise in übersichtlichen Tabellen. Erklärt sind zudem Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Lebensmitteln sowie Besonderheiten der Arzneimittelbehandlung bei Kindern, Schwangeren und auch bei Stillenden. Die 8. Auflage punktet auch mit einer neuen Optik zur besseren Orientierung: Sie ist umfangreicher als je zuvor, um viele neue Präparate erweitert und nach aktuellem Wissensstand überarbeitet. Bestellung im Buchhandel oder unter online unter www.test.de/shop/buecherspezialhefte. Stiftung Warentest (Hrsg.): Handbuch Medikamente. 1344 Seiten, Berlin: 2010, ISBN: 978-3-86851-119-2. 39,90 Euro. red arbeitnehmer Heft 7/2011 Verletzt ein Arbeitnehmer wiederholt die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit und wurde er deswegen bereits abgemahnt, ist eine Kündigung gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer war als Vorarbeiter in der Flugzeugreinigung auf dem Frankfurter Flughafen tätig. In der Vergangenheit war er wiederholt arbeitsunfähig, meistens wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule. Bereits 2003 erinnerte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich daran, eine Erkrankung möglichst noch vor Dienstbeginn anzuzeigen, damit anderweitig disponiert werden könne. Nur so könne man die Arbeit ordnungsgemäß erledigen. Der Arbeitnehmer zeigte in der Folgezeit seine Arbeitsunfähigkeit dennoch sechsmal verspätet an und wurde dafür abgemahnt. Als der Arbeitnehmer im September 2009 wiederum nicht unverzüglich seine Arbeitsunfähigkeit meldete, wurde ihm fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Die Klage dagegen hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hessen rechtfertigt die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Erkrankung nach erfolgloser Abmahnung die ordentliche Kündigung. Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer ergibt sich aus dem Gesetz. Sie besteht unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Eigenart der vom Arbeitgeber erbrachten Dienstleistung, der Flugzeuginnenreinigung, bringt es mit sich, dass sie nur in einem engen zeitlichen Fenster erledigt werden kann. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit der Arbeitgeber den Personaleinsatz kurzfristig umdisponieren kann. Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Januar 2011 – Az.: 12 Sa 522/10. dgb-einblick Autobesitzer versäumte Inspektion Hersteller muss für gewährte Garantie geradestehen Anfang 2005 hatte der Kunde eines Autohändlers einen sieben Monate alten Vorführwagen (Saab 9.5) gekauft und gegen Aufpreis eine „Saab-Protection“Garantie erworben. Laut den Garantiebedingungen setzte ein Garantieanspruch voraus, dass das Fahrzeug bei einem Saab-Vertragshändler ordnungsgemäß gewartet wurde. Jährlich bzw. nach einer Fahrleistung von 20.000 Kilometern war demnach jeweils eine Inspektion durchzuführen. Dieseleinspritzpumpe versagte ihren Dienst Der Kunde versäumte die 60.000-Kilometer-lnspektion. Das führte zu einem Streit, als Ende 2006 (bei Tachostand: 69.580 km) die Dieseleinspritzpumpe ihren Dienst einstellte. Die Markenwerkstatt verlangte für die Reparatur 3.138 Euro. Der Autobesitzer meldete dem Hersteller einen Garantiefall, doch das Unternehmen winkte ab: Es müsse die Reparaturkosten nicht übernehmen, weil sich der Autobesitzer nicht an die im Serviceheft vorge- schriebenen Wartungsintervalle gehalten habe. Der Bundesgerichtshof verwies den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück, stellte aber grundsätzlich Folgendes klar: Wenn der Kunde beim Kauf des Fahrzeugs ein zusätzliches Entgelt für eine Kfz-Herstellergarantie gezahlt hat, darf der Hersteller die Kostenübernahme nur ablehnen, wenn die versäumte Inspektion die Ursache des Defekts ist (VIII ZR 293/10). Ansonsten müsse er die Reparatur finanzieren, auch dann, wenn die Wartungsintervalle durch Versäumnis überschritten wurden. Der Hersteller dürfe eine Garantieleis­ tung, die er gegen Entgelt zugesagt habe, nicht prinzipiell davon abhängig machen, ob das Auto regelmäßig in einer Vertragswerkstatt gewartet wurde – ohne Rücksicht darauf, ob der Garantiefall auf die unterlassene Wartung zurückzuführen sei. Die einschlägige Klausel in den Garantiebedingungen sei unwirksam, weil sie die Kunden unangemessen benachteilige, so der BGH. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2011 – Az.: VIII ZR 293/10. gri TIPPS Heizungsbauer haftet nicht für untaugliche Anlage Kosten für Zivilprozesse Auftraggeber hört nicht auf Fachmann Künftig absetzbar Ein Hauseigentümer ließ eine Fußbodenheizung einbauen. Auf die Ratschläge des Heizungsbauers hörte er nicht, weil er es möglichst billig haben wollte. Deshalb wurde die Heizung nicht mit eigenen Niedertemperatur-Heizkreisen installiert, wie es technischer Standard ist, sondern an (Hochtemperatur-)Heizkörper angeschlossen. Auch der Heizkessel wurde mit einer Leistung von 34 kW kleiner gewählt als vom Handwerker vorgeschlagen. So könne die Heizung nicht richtig funktionieren, warnte er den Auftraggeber mehrmals. Er baute sie aber so ein wie ge­ wünscht. Trotzdem – oder gerade­ deswegen – kam es zum Rechtsstreit: Der Hauseigentümer verklagte den Hand­werker auf insgesamt 10.300 Euro Schadenersatz für die Kosten der Mängelbeseitigung: Die Heizanlage sei generell nicht funktionstauglich und der Heizkessel unterdimensioniert. Der Heizungsinstallateur bestritt diese Schwachpunkte nicht, sondern betonte, genau darauf habe er den Auftraggeber von vornherein hingewiesen. Nicht „konkret und handfest“ genug, fand das Landgericht und gab dem Hauseigentümer Recht. Doch das Oberlandesgericht Koblenz stellte sich auf die Seite des Auftragnehmers. Es sei vollkommen ausreichend, wenn ein Handwerker dem Auftraggeber den Kernpunkt nahebringe, sprich: ihm erkläre, dass die gewünschte Ausführung zu Funktionsproblemen führe. Dazu sei der Heizungsbauer verpflichtet, nicht aber dazu, technische Details zu erläutern. Bei Unklarheiten nachzufragen, sei für den Auftraggeber durchaus zumutbar. Zwei damalige Mitarbeiter des Installateurs – mittlerweile selbstständig und von ihm unabhängig – hätten glaubwürdig geschildert, wie eindringlich der Handwerker den Auftraggeber davor gewarnt habe, dass die so ausgelegte Heizanlage die Räume nicht warm bekommen werde. Also sei nicht der Installateur dafür verantwortlich, dass eben diese von ihm vorhergesagte Folge eintrat. Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. März 2011 – Az.: 5 U 1113/10. gri Privatauto während Rufbereitschaft beschädigt Arbeitgeber hat für den Schaden aufzukommen Ein Oberarzt wohnte einige Kilometer von der Klinik entfernt, in der er arbeitete. An einem Sonntag im Winter 2008 hatte er Bereitschaftsdienst (eine so genannte „Rufbereitschaft“, d. h. er wartete zu Hause auf einen eventuellen Arbeitseinsatz). Gegen neun Uhr früh rief das Klinikum an, er werde gebraucht. Der Oberarzt setzte sich in seinen Wagen und fuhr los. Auf glatter Straße kam das Auto ins Schleudern und rutschte in den Straßen- graben. Dem Mediziner passierte nicht viel, aber der Wagen war demoliert. Die Reparaturkosten von 5.727 Euro stellte er seinem Arbeitgeber in Rechnung. Doch der Klinikträger teilte mit, für Schäden auf dem Arbeitsweg sei er nicht zuständig. Daraufhin zog der Mediziner vor Gericht. Zunächst erfolglos, doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Oberarzt zumindest im Prinzip Recht (8 AZR 102/10). Wenn ein Arbeitnehmer EuGH stärkt Verbraucherrechte Verkäufer muss Einbau bezahlen Eine Kundin hatte bei einem Elektrohändler im Internet eine Spülmaschine bestellt. Laut Kaufvertrag sollte sie der Verkäufer nicht installieren, sondern nur an der Haustüre der Kundin abliefern. Von einem Handwerker ließ sie anschließend das Gerät in der Küche einbauen. Schon nach kurzer Zeit erwies sich die Spülmaschine als mangelhaft. Da der irreparable Defekt technisch bedingt war und nichts mit dem Einbau zu tun hatte, hielt sich die Käuferin an den Verkäufer. Sie forderte eine funktionsfähige, neue Spülmaschine. Darauf ließ sich der Händler ein. Doch die Kosten des Austauschs – des Ausbaus der defekten Maschine und des Einbaus des Ersatzgeräts – wollte er nicht tragen. Wer mit genügend Aussicht auf Erfolg einen Zivilprozess führt, kann künftig die Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen, entschied der Bundesfinanzhof. Bisher wurde das nur anerkannt, wenn es um Streitigkeiten von „existenzieller Bedeutung“ ging. Eine Angestellte wollte von der Krankentagegeldversicherung Geld einklagen. Ohne Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits wollte sie steuermindernd ­berücksichtigt wissen. Finanzamt und Finanzgericht lehnten ab. Die Angestellte könne auf ausreichend Einkommen „zurückgreifen“. Doch der BFH hob das Urteil auf. Unab­hängig vom Gegenstand des Prozesses können künftig Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Unter zwei Voraussetzungen: Die Selbstbeteiligung für außergewöhnliche Belastungen darf nicht überschritten sein. Und die Klage darf nicht „mutwillig erscheinen“, d. h. sie muss hinreichend Aussicht auf Erfolg bieten. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Mai 2011 – Az.: VI R 42/10. während der Rufbereitschaft aufgefordert werde, seine Arbeit anzutreten und das Privatauto notwendig sei, um den Arbeitsort rechtzeitig zu erreichen, sei die Fahrt dienstlich veranlasst, so das BAG. Dann habe der Arbeitnehmer ausnahmsweise Anspruch auf Schadenersatz vom Arbeitgeber, wenn er bei der Fahrt vom Wohnort zum Arbeitsplatz verunglücke und der Wagen beschädigt werde. Im konkreten Fall sei allerdings die Höhe des Schadens strittig, ebenso wie die Frage, ob der Arbeitnehmer den Unfall schuldhaft verursacht habe. Das könnte seinen Anspruch mindern. Darüber müsse die Vorinstanz entscheiden. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 2011– 8 AZR 102/10. gri Die Käuferin zog vor Gericht, um die Kostenübernahme durchzusetzen. Am Ende landete der Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), der ihn zu Gunsten der Käuferin entschied und einmal mehr die Rechte der Verbraucher stärkte. Sei eine Ware mangelhaft, so der EuGH, müsse der Verkäufer sie zurücknehmen, einwandfreie Ersatzware liefern und die Kosten für den Ein- und Ausbau übernehmen. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2011 – C-87/09. gri arbeitnehmer Heft 7/2011 35