Studium und Ausbildung senken die Steuern

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TIPPS
Werbungskosten
Studium und Ausbildung
senken die Steuern
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Entscheidungen die
steuerliche Absetzbarkeit von angefallenen Aufwendungen für
ein Erststudium in der Einkommensteuererklärung verbessert.
Noch ist nicht klar, inwieweit auch andere Fälle davon
betroffen sind.
Der Bundesfinanzhof hat in zwei
Grundsatzurteilen insbesondere klargestellt, dass nach derzeit geltender Rechtslage beruflich veranlasste Aufwendungen
– für eine erstmalige Berufsausbildung
oder ein Erststudium im Anschluss an
das Abitur oder einen anderen Schulabschluss – dem Grunde nach steuerlich
als vorweggenommene Werbungskosten
oder Betriebsausgaben anzuerkennen
sind und nicht mehr nur als begrenzt
abzugsfähige Sonderausgaben berücksichtigt werden. Grundsätzliche Voraussetzung ist hierfür lediglich, dass Ausbildung bzw. Erststudium „hinreichend und
konkret durch die spätere Berufstätigkeit
veranlasst“ sind. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn die erstmalige Ausbildung
bzw. das Erststudium Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von
Einnahmen gerichtet ist.
Bisher können maximal
4.000 Euro abgesetzt werden
Nach der bisherigen Rechtslage seit
Januar 2004 stellen Aufwendungen für
die erstmalige Berufsausbildung, die
nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Ausbildungsdienstverhältnisses)
stattfindet oder für ein Erststudium keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten dar, sondern sind in der Regel Kosten der Lebensführung, die im Rahmen
der Sonderausgaben mit maximal 4.000
Euro im Kalenderjahr absetzbar sind.
Sind einer Berufsausbildung oder einem
Studium eine abgeschlossene erstmalige
Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Erststudium vorausgegangen (weitere
Berufsausbildung oder weiteres Studium),
handelt es sich dagegen bei den durch die
weitere Berufsausbildung oder das weitere Studium veranlassten Aufwendungen
um Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn ein hinreichend konkreter,
objektiv feststellbarer Zusammenhang
mit späteren im Inland steuerpflichtigen
arbeitnehmer Heft 7/2011
Entscheidend ist jedoch, dass die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des
angestrebten Berufes geleistet werden
und den angehenden Arbeitnehmer oder
Selbständigen im weitesten Sinne fördern. Zudem müssen die Ausbildungskosten in einem hinreichend konkreten,
objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen
stehen.
Für alle Studenten und Auszubildende, die diese Voraussetzungen erfüllen,
ergeben sich insbesondere zwei positive
Folgewirkungen:
1. Die Kosten sind nicht mehr lediglich auf maximal jährlich 4.000 Euro
beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig. Beim Ansatz von Werbungskosten
oder Betriebsausgaben wirkt sich auch
ein darüber hinaus gehender Betrag auf
das zu versteuernde Einkommen aus.
2. Sofern Studenten oder Azubis nur
ein geringes oder kein Einkommen haben, verpuffen die getätigten Aufwendungen nicht mehr wirkungslos über
den Sonderausgabenabzug, bei dem es
keinen Verlustvortrag gibt. Diese Möglichkeit eröffnet sich jetzt, da Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu negativen Einkünften führen können. Dieser
Verlust wird über einen Verlustvortrag in
die „steuerliche“ Zukunft mitgenommen
und – sofern später steuerpflichtige Einnahmen anfallen – mit diesen Einkünften
verrechnet. Auf diese Weise verringert
sich die zu zahlende Einkommensteuer
in den ersten Berufsjahren nach dem Studium.
Urteile haben keine
grundsätzliche Wirkung
Die Steuerfachangestellte und
Bilanzbuchhalterin Barbara Scheidhauer ist
Mitarbeiterin in der Abteilung Beratung der
Arbeitskammer | Foto: D‘Angiolillo
Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit besteht. Entsprechendes
gilt für ein Erststudium nach einer abgeschlossenen nichtakademischen Berufsausbildung.
Auszubildende in einem Ausbildungsdienstverhältnis können die Kosten ihrer
Ausbildung ungeachtet der BFH-Urteile
als Werbungskosten absetzen, weil sie
Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aus einem Dienstverhältnis erzielen.
In den beiden vom BFH entschiedenen Fällen ging es um die Ausbildung
zum Berufspiloten bei einer Fluglinie und
um ein Medizinstudium. Der Tenor der
Entscheidungen lässt sich aber auch auf
andere Studiengänge und Ausbildungen
anwenden, die unmittelbar im Anschluss
an eine Schulausbildung aufgenommen
werden.
Die beiden günstigen Urteile des Bundesfinanzhofes haben aber in der Praxis
zunächst einmal keine grundsätzliche
Wirkung. Es bleibt abzuwarten, wie das
Bundesfinanzministerium auf die BFHEntscheidungen reagieren wird. Folgende
Optionen sind hierbei denkbar:
1. Der Tenor der BFH-Entscheidungen
soll auch allgemein in allen noch offenen
Fällen angewendet werden, was durch
eine Veröffentlichung der Urteile im
Bundessteuerblatt (BStBl) dokumentiert
wird.
2. Es ergeht ein Nichtanwendungserlass. Dieser weist die Finanzverwaltung
an, die Grundsätze der beiden Urteile des
Bundesfinanzhofes nur in den konkret
entschiedenen Sachverhalten zu berücksichtigen und nicht auf vergleichbare Fälle analog anzuwenden.
3. Das Bundesfinanzministerium regelt die Rechtsprechungsgrundsätze mit
Einschränkungen oder einer ergänzenden
Auffassung durch ein geändertes An-
TIPPS
wendungsschreiben, welches die bisherige Sichtweise (BMF – Schreiben vom
22.9.2010) ersetzt.
Als offizielle Stellungnahme heißt
es derzeit vom Bundesfinanzministerium lediglich in einer Erläuterung vom
19.8.2011 im Internet, dass nunmehr die
gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten unter
Berücksichtigung der Eckpunkte, die der
BFH vorgegeben hat, geprüft werden.
Steuererklärung abgeben
Sollte die Rechtsprechung jedoch angewendet werden und wollen Studenten
nun ihre Kosten geltend machen, gelingt
das nur mit der Abgabe einer Einkommensteuererklärung, und zwar für die Jahre,
in denen die jeweiligen Aufwendungen
entstanden sind. Das ist auch dann notwendig, wenn keine Einkünfte vorliegen,
damit ein Verlustfeststellungsbescheid ergehen kann und somit die negativen Einkünfte für die Zukunft konserviert werden.
Die typische Frage für viele Studenten
lautet nun: „Wie lange kann ich rückwirkend die Kosten in einer Einkommensteuererklärung geltend machen?“ Diese Frage
zielt auf die Festsetzungsverjährung. Die
Festsetzungsfrist beträgt für die Einkommensteuer vier Jahre (§ 169 AO) und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die
Steuer entstanden ist (§ 170 AO).
Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1. Handelt es sich bei den Ausbildungskosten um Werbungskosten eines
angehenden Arbeitnehmers, ist dieser in
der Regel nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Der Arbeitnehmer
darf freiwillig eine sogenannte Antragsveranlagung durchführen, wofür er vier
Jahre Zeit hat. Damit können bis Ende des
Jahres 2011 noch rückwirkend die Steuererklärungen bis 2007 eingereicht werden.
2. Handelt es sich hingegen aber um
Betriebsausgaben für eine zukünftige
selbständige Tätigkeit oder hat der Arbeitnehmer weitere Einkünfte über 410 Euro,
die nicht dem Steuerabzug unterliegen
(z. B. Vermietungseinkünfte, Honorareinkünfte, nicht jedoch private Kapitalerträge), besteht noch bis zum Ende des Jahres 2011 die Möglichkeit, die Steuererklärung bis zum Jahr 2004 einzureichen, weil
die Sieben-Jahres-Frist (vier Jahre Festsetzungsfrist plus drei Jahre Anlaufhemmung
nach § 170 Abs. 2 AO) voll ausgeschöpft
werden darf.
Liegt bereits ein Einkommensteuerbescheid vor, kann dieser nur innerhalb der
Einspruchsfrist von einem Monat nach
Bekanntgabe des Steuerbescheides noch
geändert werden.
Folgende Aufwendungen sind insbesondere abzugsfähig:
▶ Lehrgangs-, Kurs-, Schul-, Prüfungs-,
Semester- oder Studiengebühren,
▶ Arbeitsmittel,
Schreibmaterialien,
Fachliteratur, Taschenrechner, PC etc.
▶ Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsort pauschal mit
0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer
mit dem Pkw oder den tatsächlichen
Kfz-Kosten oder die Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel.
Auszubildende, die ihre Berufsausbildung im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses absolvieren, können
ungeachtet der beiden BFH-Urteile ihre
Ausbildungskosten grundsätzlich als
Werbungskosten geltend machen, weil sie
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
aus einem Dienstverhältnis erzielen. Insofern lohnt sich auch für Auszubildende
mit geringer Ausbildungsvergütung – bei
der noch keine Lohnsteuer anfällt – und
gleichzeitig hohen Ausbildungskosten die
Abgabe einer Steuererklärung. Sind die
Ausbildungskosten höher als die Ausbildungsvergütung, entsteht ein steuerlicher
Verlust, der über die Einkommensteuererklärung festgestellt wird und somit in zukünftige Jahre, in denen Lohnsteuer fällig
wird, vorgetragen werden kann.
Auszubildende können zusätzlich zu
den oben aufgeführten Aufwendungen
auch noch Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten geltend
machen, wenn die steuerlichen Grundsätze für Auswärtstätigkeiten vorliegen, also
vorübergehend zu Fortbildungszwecken
eine außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers gelegene Ausbildungs- oder Fortbildungsstätte
aufgesucht wird.
Verpflegungsmehraufwendungen sind
bei einer Abwesenheit von mindestens
acht Stunden im Rahmen der Reisekostensätze während der ersten drei Monate
ansetzbar. Nur wenn die Ausbildungsstätte höchstens zweimal wöchentlich (inklusive Wochenende) aufgesucht wird, liegen
jeweils getrennte Auswärtstätigkeiten vor
und die Verpflegungspauschale ist auch
noch nach Ablauf von drei Monaten zulässig. Die Aufwendungen wegen auswärtiger Unterbringung müssen tatsächlich
entstanden sein und belegt werden, da es
beim Werbungskostenabzug keine Übernachtungspauschalen mehr gibt.
Urteile des Bundesfinanzhofs vom
28.07.2011 – VI R 7/10 und VI R 38/10.
Barbara Scheidhauer, Arbeitskammer
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red
arbeitnehmer Heft 7/2011
Verletzt ein Arbeitnehmer wiederholt
die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit
und wurde er deswegen bereits abgemahnt, ist eine Kündigung gerechtfertigt.
Der Arbeitnehmer war als Vorarbeiter
in der Flugzeugreinigung auf dem Frankfurter Flughafen tätig. In der Vergangenheit war er wiederholt arbeitsunfähig,
meistens wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule. Bereits 2003 erinnerte der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich
daran, eine Erkrankung möglichst noch
vor Dienstbeginn anzuzeigen, damit anderweitig disponiert werden könne. Nur
so könne man die Arbeit ordnungsgemäß
erledigen.
Der Arbeitnehmer zeigte in der Folgezeit seine Arbeitsunfähigkeit dennoch
sechsmal verspätet an und wurde dafür
abgemahnt. Als der Arbeitnehmer im
September 2009 wiederum nicht unverzüglich seine Arbeitsunfähigkeit meldete,
wurde ihm fristlos, hilfsweise ordentlich,
gekündigt. Die Klage dagegen hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hessen rechtfertigt die wiederholte
Verletzung der Meldepflicht bei Erkrankung nach erfolgloser Abmahnung die
ordentliche Kündigung. Die Pflicht zur
unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher
Dauer ergibt sich aus dem Gesetz. Sie
besteht unabhängig von der Pflicht zur
Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Eigenart der
vom Arbeitgeber erbrachten Dienstleistung, der Flugzeuginnenreinigung, bringt
es mit sich, dass sie nur in einem engen
zeitlichen Fenster erledigt werden kann.
Dafür ist es zwingend erforderlich, dass
das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit der Arbeitgeber den
Personaleinsatz kurzfristig umdisponieren
kann.
Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Januar 2011 – Az.: 12
Sa 522/10. dgb-einblick
Autobesitzer versäumte Inspektion
Hersteller muss für gewährte
Garantie geradestehen
Anfang 2005 hatte der Kunde eines
Autohändlers einen sieben Monate alten
Vorführwagen (Saab 9.5) gekauft und
gegen Aufpreis eine „Saab-Protection“Garantie erworben. Laut den Garantiebedingungen setzte ein Garantieanspruch
voraus, dass das Fahrzeug bei einem
Saab-Vertragshändler ordnungsgemäß
gewartet wurde. Jährlich bzw. nach einer
Fahrleistung von 20.000 Kilometern war
demnach jeweils eine Inspektion durchzuführen.
Dieseleinspritzpumpe
versagte ihren Dienst
Der Kunde versäumte die 60.000-Kilometer-lnspektion. Das führte zu einem
Streit, als Ende 2006 (bei Tachostand:
69.580 km) die Dieseleinspritzpumpe ihren Dienst einstellte. Die Markenwerkstatt
verlangte für die Reparatur 3.138 Euro.
Der Autobesitzer meldete dem Hersteller
einen Garantiefall, doch das Unternehmen
winkte ab: Es müsse die Reparaturkosten
nicht übernehmen, weil sich der Autobesitzer nicht an die im Serviceheft vorge-
schriebenen Wartungsintervalle gehalten
habe.
Der Bundesgerichtshof verwies den
Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück,
stellte aber grundsätzlich Folgendes klar:
Wenn der Kunde beim Kauf des Fahrzeugs ein zusätzliches Entgelt für eine
Kfz-Herstellergarantie gezahlt hat, darf
der Hersteller die Kostenübernahme nur
ablehnen, wenn die versäumte Inspektion die Ursache des Defekts ist (VIII ZR
293/10). Ansonsten müsse er die Reparatur finanzieren, auch dann, wenn die
Wartungsintervalle durch Versäumnis
überschritten wurden.
Der Hersteller dürfe eine Garantieleis­
tung, die er gegen Entgelt zugesagt habe,
nicht prinzipiell davon abhängig machen,
ob das Auto regelmäßig in einer Vertragswerkstatt gewartet wurde – ohne Rücksicht darauf, ob der Garantiefall auf die
unterlassene Wartung zurückzuführen sei.
Die einschlägige Klausel in den Garantiebedingungen sei unwirksam, weil sie die
Kunden unangemessen benachteilige, so
der BGH.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom
6. Juli 2011 – Az.: VIII ZR 293/10. gri
TIPPS
Heizungsbauer haftet nicht für untaugliche Anlage
Kosten für Zivilprozesse
Auftraggeber hört nicht auf Fachmann Künftig absetzbar
Ein Hauseigentümer ließ eine Fußbodenheizung einbauen. Auf die Ratschläge
des Heizungsbauers hörte er nicht, weil er
es möglichst billig haben wollte. Deshalb
wurde die Heizung nicht mit eigenen Niedertemperatur-Heizkreisen installiert, wie
es technischer Standard ist, sondern an
(Hochtemperatur-)Heizkörper angeschlossen. Auch der Heizkessel wurde mit einer
Leistung von 34 kW kleiner gewählt als
vom Handwerker vorgeschlagen.
So könne die Heizung nicht richtig
funktionieren, warnte er den Auftraggeber
mehrmals. Er baute sie aber so ein wie ge­
wünscht. Trotzdem – oder gerade­ deswegen – kam es zum Rechtsstreit: Der Hauseigentümer verklagte den Hand­werker auf
insgesamt 10.300 Euro Schadenersatz für
die Kosten der Mängelbeseitigung: Die
Heizanlage sei generell nicht funktionstauglich und der Heizkessel unterdimensioniert.
Der Heizungsinstallateur bestritt diese
Schwachpunkte nicht, sondern betonte, genau darauf habe er den Auftraggeber von
vornherein hingewiesen. Nicht „konkret
und handfest“ genug, fand das Landgericht
und gab dem Hauseigentümer Recht. Doch
das Oberlandesgericht Koblenz stellte sich
auf die Seite des Auftragnehmers.
Es sei vollkommen ausreichend, wenn
ein Handwerker dem Auftraggeber den
Kernpunkt nahebringe, sprich: ihm erkläre, dass die gewünschte Ausführung zu
Funktionsproblemen führe. Dazu sei der
Heizungsbauer verpflichtet, nicht aber
dazu, technische Details zu erläutern. Bei
Unklarheiten nachzufragen, sei für den
Auftraggeber durchaus zumutbar.
Zwei damalige Mitarbeiter des Installateurs – mittlerweile selbstständig und
von ihm unabhängig – hätten glaubwürdig
geschildert, wie eindringlich der Handwerker den Auftraggeber davor gewarnt habe,
dass die so ausgelegte Heizanlage die Räume nicht warm bekommen werde. Also sei
nicht der Installateur dafür verantwortlich,
dass eben diese von ihm vorhergesagte
Folge eintrat.
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz
vom 10. März 2011 – Az.: 5 U 1113/10.
gri
Privatauto während Rufbereitschaft beschädigt
Arbeitgeber hat für
den Schaden aufzukommen
Ein Oberarzt wohnte einige Kilometer
von der Klinik entfernt, in der er arbeitete.
An einem Sonntag im Winter 2008 hatte
er Bereitschaftsdienst (eine so genannte
„Rufbereitschaft“, d. h. er wartete zu Hause auf einen eventuellen Arbeitseinsatz).
Gegen neun Uhr früh rief das Klinikum
an, er werde gebraucht. Der Oberarzt setzte sich in seinen Wagen und fuhr los.
Auf glatter Straße kam das Auto ins
Schleudern und rutschte in den Straßen-
graben. Dem Mediziner passierte nicht
viel, aber der Wagen war demoliert. Die
Reparaturkosten von 5.727 Euro stellte er
seinem Arbeitgeber in Rechnung. Doch
der Klinikträger teilte mit, für Schäden
auf dem Arbeitsweg sei er nicht zuständig. Daraufhin zog der Mediziner vor
Gericht. Zunächst erfolglos, doch das
Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem
Oberarzt zumindest im Prinzip Recht
(8 AZR 102/10). Wenn ein Arbeitnehmer
EuGH stärkt Verbraucherrechte
Verkäufer muss Einbau bezahlen
Eine Kundin hatte bei einem Elektrohändler im Internet eine Spülmaschine bestellt. Laut Kaufvertrag sollte sie der Verkäufer nicht installieren, sondern nur an
der Haustüre der Kundin abliefern. Von
einem Handwerker ließ sie anschließend
das Gerät in der Küche einbauen. Schon
nach kurzer Zeit erwies sich die Spülmaschine als mangelhaft.
Da der irreparable Defekt technisch
bedingt war und nichts mit dem Einbau
zu tun hatte, hielt sich die Käuferin an den
Verkäufer. Sie forderte eine funktionsfähige, neue Spülmaschine. Darauf ließ
sich der Händler ein. Doch die Kosten des
Austauschs – des Ausbaus der defekten
Maschine und des Einbaus des Ersatzgeräts – wollte er nicht tragen.
Wer mit genügend Aussicht auf Erfolg
einen Zivilprozess führt, kann künftig die
Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen, entschied
der Bundesfinanzhof. Bisher wurde das
nur anerkannt, wenn es um Streitigkeiten
von „existenzieller Bedeutung“ ging.
Eine Angestellte wollte von der Krankentagegeldversicherung Geld einklagen.
Ohne Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits
wollte sie steuermindernd ­berücksichtigt
wissen. Finanzamt und Finanzgericht
lehnten ab. Die Angestellte könne auf
ausreichend Einkommen „zurückgreifen“.
Doch der BFH hob das Urteil auf.
Unab­hängig vom Gegenstand des Prozesses können künftig Zivilprozesskosten
als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Unter zwei Voraussetzungen: Die Selbstbeteiligung für außergewöhnliche Belastungen darf nicht überschritten sein. Und die Klage darf nicht
„mutwillig erscheinen“, d. h. sie muss
hinreichend Aussicht auf Erfolg bieten.
Urteil des Bundesfinanzhofs vom
12. Mai 2011 – Az.: VI R 42/10.
während der Rufbereitschaft aufgefordert
werde, seine Arbeit anzutreten und das
Privatauto notwendig sei, um den Arbeitsort rechtzeitig zu erreichen, sei die Fahrt
dienstlich veranlasst, so das BAG.
Dann habe der Arbeitnehmer ausnahmsweise Anspruch auf Schadenersatz
vom Arbeitgeber, wenn er bei der Fahrt
vom Wohnort zum Arbeitsplatz verunglücke und der Wagen beschädigt werde. Im
konkreten Fall sei allerdings die Höhe des
Schadens strittig, ebenso wie die Frage,
ob der Arbeitnehmer den Unfall schuldhaft verursacht habe. Das könnte seinen
Anspruch mindern. Darüber müsse die
Vorinstanz entscheiden.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom
22. Juni 2011– 8 AZR 102/10. gri
Die Käuferin zog vor Gericht, um die
Kostenübernahme durchzusetzen. Am
Ende landete der Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), der ihn
zu Gunsten der Käuferin entschied und
einmal mehr die Rechte der Verbraucher
stärkte. Sei eine Ware mangelhaft, so der
EuGH, müsse der Verkäufer sie zurücknehmen, einwandfreie Ersatzware liefern
und die Kosten für den Ein- und Ausbau
übernehmen.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs
vom 16. Juni 2011 – C-87/09.
gri
arbeitnehmer Heft 7/2011
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