Übersicht 17 Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP) Autor P. Urban Institut Abteilung für Neurologie, Asklepios Klinik Barmbek, Hamburg Schlüsselwörter ▶ Hirnstammpotenziale ● ▶ evozierte Potenzials ● ▶ Hirnstamm ● ▶ Akustikusneurinom ● ▶ intraoperative ● Untersuchungen Zusammenfassung ▼ Abstract ▼ In dieser Übersicht werden die Grundlagen, Technik, Auswertekriterien des normalen frühen akustisch evozierten Potenzials (FAEPs) vorgestellt. Weiterhin gehen wir auf neurologische Erkrankungen ein, die mit pathologischen FAEPs einhergehen können. In this review we address the anatomic and technical aspects of early auditory evoked potentials (EAEPs) as well as their diagnostic criteria. We also present the most relevant neurological diseases which may be associated with abnormal EAEP findings. Einleitung ▼ Reizpolarität Key words ▶ brainstem auditory evoked ● potential ▶ evoked potential ● ▶ brainstem ● ▶ acoustic neuroma ● ▶ intraoperative monitoring ● Unter frühen akustisch evozierten Potenzialen (FAEP) werden Spannungsänderungen verstanden, die durch Schallreize entstehen und mit Elektroden von der Kopfhaut oder im Gehörgang abgeleitet werden können. Aufgrund des anatomischen Verlaufs der Hörbahn, eignen sich die FAEPs zur Detektion peripherer Läsionen des cochleären Anteils des N. vestibulocochlearis und tegmentaler Hirnstammläsionen. Technik ▼ Bibliografie DOI 10.1055/s-0028-1128113 Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 1434-0275 Korrespondenzadresse Prof. Dr. P. Urban, MA Asklepios Klinik Barmbek Abteilung für Neurologie Rübenkamp 220 22291 Hamburg [email protected] Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP) sind Spannungsänderungen, die nach Applikation unterschiedlicher Schallreize mit einer Latenz bis zu 10 ms an der Kopfhaut registriert werden können. Die FAEP bestehen aus fünf aufeinanderfolgenden, positiven (entgegen der üblichen Konvention nach ▶ Abb. 1). oben aufgetragenen) Potenzialgipfeln (● Stimulation ▼ Die Stimulation erfolgt durch Klicks, d. h. Geräusche mit einem Frequenzspektrum zwischen 500 und 7 000 Hz, die durch einen rechteckförmigen elektrischen Puls von 100 μs Dauer auf einen Kopfhörer entstehen. Die Klicks erzeugen je nach Polung des Pulses an der Kopfhörermembran einen Druck- oder SogReiz auf das Trommelfell. Sog führt oft zu einer höheren Amplitude der Welle I und häufiger zu gut unterscheidbaren Wellen IV und V. Daher werden Sogreize z. T. ausschließlich angewandt. Bei Druckreizen weist die Welle V eine höhere Amplitude auf. Die alternierende Applikation von Sog und Druck oder anschließendes Mitteln der Kurven verkleinert den Stimulusartefakt. Von alleiniger Nutzung alternierender Klicks ist abzuraten, da sich auch Artefakte aufsummieren und so Potenziale vortäuschen können. Außerdem gibt es Patienten, die nur bei einer Reizpolarität einen pathologischen Befund aufweisen, der bei alternierender Reizung oder bei Reizung mit nur einer Polarität nicht erkannt worden wäre. Außerdem können Latenzdifferenzen einzelner Wellen zwischen Druck und Sog dazu führen, dass die Wellen durch die Summation eliminiert werden. Die Klicks werden mit einer Frequenz von 10 Hz appliziert. Die Reizstärke liegt 70 dBHL über der individuellen Hörschwelle, die zuvor bestimmt werden muss, wobei 95 dBHL nicht überschritten werden sollen. Der Reiz wird monaural appliziert und das kontralaterale Ohr mit weißem Rauschen bei einer Reizstärke von 40 dBHL unter dem des Klicks vertäubt. Dies verhindert die Reizweiterleitung über den Schädelknochen zum nicht stimulierten Ohr. Urban P. Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP). Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Early Auditory Evoked Potentials (EAEP) 18 Übersicht Wenn die Wellen schlecht abgrenzbar sind sollte ggf. die Reizstärke erhöht oder auch vermindert werden. Abnehmende Reizstärke führt zu einer Amplitudenabnahme und Latenzzunahme, wobei die IPLs nicht beeinflusst werden. Ableitung ▼ Die Ableitung der Potenziale erfolgt meist bilateral. Die Elektroden werden an beiden Mastoiden oder Ohrläppchen (Ai und Ac) platziert und gegen Cz verschaltet. Die Cz-Elektrode ist bei den FAEP die ,differente‘ Elektrode und am Mastoid bzw. Ohrläppchen die ,indifferente‘ Elektrode, weil die FAEP als Far-Field-Potenziale ihre höchste Amplitude über dem Vertex haben. Verwendet werden Nadel-oder Oberflächenelektroden. Hinsichtlich Latenz und Amplitude bestehen keine Unterschiede zwischen Nadel-und Oberflächenelektroden. Der Übergangswiderstand darf 5 000 Ω nicht überschreiten. Die Filtereinstellung beträgt 100–3 000 Hz. Gemessen werden die ersten 10 ms nach dem Reiz. Üblicherweise werden 1 000–2 000 Reizdurchgänge gemittelt. Eine zweite Messung ist notwendig, um die Reproduzierbarkeit sicherzustellen. Physiologische Variabilität der FAEP und Normvarianten ▼ Mit höherem Alter nimmt die Latenz der Wellen I und V nur bei Männern zu. Die IPL (Interpeaklatenzen) bleiben dagegen weitgehend unverändert [1]. Die Körperkerntemperatur hat einen deutlichen Einfluss auf die Latenzen der FAEP. Bei erniedrigter Temperatur nehmen die Latenzen ab. Frauen weisen eine geringfügig kürzere Welle III und V, und kürzere IPLs I–III und I–V auf [1], was mit der im Mittel höheren Kerntemperatur von Frauen erklärt wurde. Mit zunehmender (Alters-)Schwerhörigkeit, auch wenn sie klinisch noch nicht sehr ins Gewicht fällt, kommt es zu einer Abnahme der Amplituden, vor allem der Welle I, aber auch aller nachfolgenden Amplituden. Wenn die Welle I so niedrig ist, dass ihre Latenz nicht sicher zu bestimmen ist, dann sollte auch die IPL nicht bestimmt werden. Die Welle I ist nur in der Reiz-ipsilateralen Ableitung enthalten. Die Welle II kann auch bei Gesunden fehlen oder im absteigenden Schenkel der Welle I bzw. im aufsteigenden Schenkel der Welle III untergehen. Oft lässt sich die Welle II in der Reiz-kontralateralen Ableitung besser identifizieren. Eine weitere Variante ist das Verschmelzen der Wellen IV und V zu einem gemeinsamen Komplex. Gelegentlich können die Wellen IV und V bei Sog-Stimulation besser abgrenzbar sein als bei Druck-Stimulation. Entscheidend für die neurologische Verwendbarkeit der FAEPs ist die Abgrenzbarkeit der Welle I. Gelegentlich ist die Klick-Hörschwelle normal und dennoch keine Welle I vorhanden, was auf eine Hochtonschwerhörigkeit hinweist, da die Welle I von den hochfrequenten Anteilen des Klicks generiert wird [2]. In diesen Fällen kann man nach Chiappa (1997) [2] bei 75 % der Patienten dennoch eine Welle I durch Nadelableitung vom äußeren Gehörgang erhalten [2]. Generatorenfrage und Verschaltung der AEP ▼ Als gesichert kann angesehen werden, dass die Welle I im kochleären Anteil des VIII. Hirnnervs, vermutlich nahe dem Austritt aus seinem Foramen entsteht. Die Welle II wird im proximalsten Teil des N. cochlearis nahe dem Nucleus cochlearis generiert [3]. Intraoperative Untersuchungen am freigelegten N. cochlearis sprechen dafür, dass die Welle II durch die abrupte Änderung der Leitfähigkeit von Liquor gegenüber Hirnparenchym an der Eintrittsstelle in den Hirnstamm am pontomedullären Übergang ▶ Abb. 2). Bei den nachfolgenden Wellen ist die entsteht [4] (● exakte topografische Zuordnung dagegen weniger eindeutig. Die Entstehung der Welle III wird in der horizontalen Verbindung zwischen Nucleus cochlearis, den Nuclei mediales et lateralis olivae superiores und dem Corpus trapezoideum auf pontinem Niveau vermutet. Von den Wellen IV und V wird eine mesencephale Entstehung im aufsteigenden Lemniscus lateralis bis zum Colliculus inferior angenommen [5]. Eine sichere topodiagnostische Seitenzuordnung der Läsion ist nur bei der Welle I und mit Einschränkungen bei der Welle II möglich. Aufgrund der bilateralen Projektionen im Hirnstamm kann bei Veränderungen Urban P. Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP). Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 1 FAEP – Normalbefund. Übersicht 19 vom Gipfel der Welle zum nachfolgenden negativen Minimum gemessen. Gelegentlich werden pathologische Befunde nur bei Druck- oder nur bei Sogreiz gefunden [78]. Es empfiehlt sich daher, beide Reiztypen getrennt zu bewerten. Als oberer Grenzwert wird im Allgemeinen der Mittelwert plus der 2,5-fachen Standardabweichung benutzt. Normwerte können aus der Literatur entnommen werden (z. B. Buettner 1989 [9], Jörg u. Hielscher 1990 [10], Chiappa 1997 [2]) und sollten durch Erstellung eines eigenen Normkollektivs auf deren Übertragbarkeit überprüft werden. Die IPL I–V repräsentiert die Leitung vom distalen VIII. Hirnnerv durch die Brücke bis in das Mittelhirn und kann durch eine Läsion entlang des gesamten peripheren und zentralen Abschnitts pathologisch verlängert sein. Eine isolierte Hochtonschwerhörigkeit kann eine paradoxe Verkürzung der IPL I- V zur Folge haben. Da dann nur noch die niedrigen Frequenzanteile der Cochlea vorhanden sind, ist die Latenz der Welle I verzögert, aber nicht die Latenzen der nachfolgenden Wellen. Die IPL I–III repräsentiert die Leitung vom distalen VIII. Hirnnerv bis in die untere Brücke. Eine verzögerte IPL I–III kann daher durch eine Läsion im Kleinhirnbrückenwinkel (z. B. Akustikusneurinom), Meningitis, Meningeosis carcinomatosa, GuillainBarré-Syndrom, HMSN I, III und pontomedulläre Läsionen zustande kommen. Die IPL III–V repräsentiert die Leitung von der unteren Brücke bis in den tegmentalen pontomesencephalen Bereich. Der V/I-Amplituden-Quotient sollte zwischen 0,5 und 3 liegen [11]. Dies bedeutet, dass in der Regel die Amplitude der Welle V größer ist als der Welle I. Bei einem V/I-Quotient < 0,5 ist somit die Welle V zu niedrig, was für eine zentrale Läsion spricht. Bei einem V/I-Quotienten > 3 ist die Welle I zu niedrig, als Hinweis auf eine periphere Läsion bzw. eine Hörstörung. Abb. 2 a) MRT: Arnold-Chiari-II-Malformation. b) FAEP: Ausfall der Wellen III–V. der Wellen III, IV und V nicht zuverlässig auf die Seite der Läsion geschlossen werden. Es gibt inzwischen zahlreiche Hinweise, dass insbesondere die Wellen III, IV und V nicht nur in einer neuronalen Struktur entstehen, sondern ihnen multiple Generatoren zugrunde liegen [6]. Auswertung ▼ Auswerteparameter sind die Latenzen der Wellen I, III und V. Aus diesen werden die aussagefähigeren Interpeaklatenzen (IPL) I–III, III–V und I–V berechnet, da diese nicht so sehr von biologischen Faktoren (Geschlecht, Alter, Hörstörungen, etc.) beeinflusst werden [5]. Neben den Absolutlatenzen der einzelnen Wellen und IPLs können die Seitendifferenzen diagnostisch verwertet werden. Da die Amplituden der FAEP einer relativ großen Schwankungsbreite unterliegen, eignen sich die Absolutwerte nicht zu diagnostischen Zwecken. Lediglich der Amplitudenquotient V/I, der aus den Amplituden der Wellen I und V bestimmt wird, ist diagnostisch verwertbar. Dazu werden die Amplituden Pathologische Befunde bei unterschiedlichen Krankheitsbildern ▼ Periphere Läsionen Akustikusneurinom Die FAEP werden oft als Screening-Methode hinsichtlich des ▶ Abb. 3) Vorliegens eines Akustikusneurinoms eingesetzt (● [10]. Dabei muss beachtet werden, dass die Sensitivität der FAEP größenabhängig ist: bei einem Tumordurchmesser ≤ 1,0 cm beträgt sie 58 %, bei 1,1–15 cm 90 % und > 1,5 cm 98 % [12]. Es existieren keine pathognomonischen FAEP-Befunde beim Akustikusneurinom. Am häufigsten treten ipsilaterale Verzögerungen der Latenzen von Welle I oder II an mit nachfolgend schlechterer Ausprägung der Potenziale auf. Ipsilateral können sämtliche Potenziale fehlen oder schlecht ausgeprägt sein. Der Ausfall der Welle I wird auf eine ischämische oder direkt druckbedingte cochleäre Schädigung zurückgeführt. Weiterhin kann die Welle I eine normale Latenz aufweisen und nur die IPL I–III verzögert sein. Patienten mit erhaltener Welle I, III und V haben eine größere Wahrscheinlichkeit eines erhaltenen Hörvermögens (80 %) gegenüber Patienten bei denen nur die Welle I und/oder V abgrenzbar ist (30 %) [13]. Urban P. Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP). Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Befundinterpretation ▼ Abb. 4 Meningeosis carcinomatosa mit Ausfall der Wellen I–II/III. Zentrale Läsionen Folgende Konstellationen belegen eine zentrale Läsion im Hirnstamm: ▶ Normale Welle I, II und III mit Ausfall oder verzögerten und/ oder amplitudengeminderten Wellen IV und V oder nur der ▶ Abb. 5). Die Wahrscheinlichkeit einer zentralen Welle V (● Läsion erhöht sich, wenn nicht nur der V/I-Amplituden-Quotient < 0,5 beträgt, sondern gleichzeitig auch die Welle V ver▶ Abb. 6). zögert ist [5] (● ▶ Pathologisch verlängerte IPL III–V, sofern auch der V/I-Amplituden-Quotient < 0,5 ist und die Wellen I und II im Normbereich liegen. ▶ Pathologisch verlängerte IPL I–III mit V/I-Amplituden-Quotient < 0,5 und normalen Wellen I und II. Diese Konstellation kann allerdings auch bei proximalen Läsionen des N. cochlearis beobachtet werden. Hinweisend auf eine zentrale Läsion ist eine gleichzeitig verlängerte IPL III–V, während bei peripherer Läsion die IPL III–V normal ist. In praxi ist allerdings eine Verlängerung der IPL III–V sehr selten. Häufiger findet sich eine verlängerte Latenz der Welle V bei noch normaler III–V. Abb. 3 a) MRT: Akustikusneurinom links. b) FAEP: Ausfall der Wellen I–V auf der Seite des Akustikusneurinoms. Multiple Sklerose ▼ Meningitis, Meningeosis carcinomatosa Bei diesen Erkrankungen entsprechen die FAEP-Befunde denen einer Tumorläsion im Kleinhirnbrückenwinkel. Häufiger ist je▶ Abb. 4). doch ein Ausfall aller Wellen (● Intraoperatives Monitoring bei Operationen im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels Dabei handelt es sich vor allem um Akustikusneurinome, aber auch bei mikrovaskulären Dekompressionen (Jannetta-Operation) beim Spasmus hemifazialis hat sich die intraoperative Ableitung der FAEP bewährt [14]. Als Beurteilungsparameter werden meist Änderungen der Welle V (Amplitudenreduktion > 50 %) und Latenzverzögerungen ( > 1ms) herangezogen [15]. Hinsichtlich der Häufigkeit pathologischer FAEP-Befunde bei der multiplen Sklerose werden unterschiedliche Angaben gemacht. Dies hängt mit der Untersuchungstechnik, unterschiedlich großen Patientenkollektiven, unterschiedlicher Dauer der Erkrankung und unterschiedlichen Beurteilungskriterien zusammen. Je mehr Parameter, wie z. B. absolute Latenz einzelner Wellen sowie ihre Rechts-/Links-Differenzen und nicht nur die IPLs und der V/I-Amplituden-Quotient zur Beurteilung herangezogen und je enger die oberen Normwerte angesetzt werden, umso eher ist von einer höheren Ausbeute pathologischer Befunde auszugehen. Die kumulierte Häufigkeit pathologischer FAEP-Befunde beträgt 30–60 % bei klinisch sicherer [16, 2] und 20–40 % [17, 2] bei klinisch möglicher oder wahrscheinlicher MS. Obwohl Urban P. Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP). Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 20 Übersicht Abb. 5 a) MRT: Kavernom links pontin. b) FAEP: Verzögerung der Welle V. Abb. 6 a) MRT: Pontines Kavernom rechts. b) FAEP: pathologisch reduzierter Amplitudenquotient Welle V/I < 0,5. die Häufigkeit pathologischer FAEP-Befunde deutlich unter denen anderer evozierter Potenziale (VEP, SEP und MEP) liegt, kann im Einzelfall ein pathologischer FAEP-Befund eine weitere, klinisch stumme Läsion nachweisen und die Wahrscheinlichkeit der Diagnose erhöhen. Die FAEP-Muster bei der MS entsprechen den Befunden einer ▶ Abb. 7). Obwohl Patienten mit einer zentrazentralen Läsion (● len Läsion trotz deutlicher FAEP-Veränderungen keine Hörstörung aufweisen, sind MS-Patienten mit plötzlicher, einseitiger Hörstörung beschrieben worden, die im MRT Demyelinisierungsherde im pontomedullären Übergang bzw. in der dorsolateralen kaudalen Brücke aufwiesen. Diese Patienten hatten im FAEP einen ipsilateralen Ausfall der Wellen II–V bzw. IV und V [18]. In etwa der Hälfte aller MS-Patienten mit pathologischen FAEP ist dies nur bei Stimulation einer Seite pathologisch [2]. Nach unserer Erfahrung ist die IPL III–V nur selten pathologisch verlängert, dagegen sehr oft die Wellen IV und V bei normaler Welle I bis III. Hirnstammischämie/-blutung ▼ Einseitige Hirnstammläsionen im Bereich des Lemniscus lateralis und Colliculus inferior führen in der Regel zu keinen klinisch wahrnehmbaren Hörstörungen, wenngleich differenzierte Untersuchungen der interauralen Diskriminationszeiten Auffälligkeiten zeigen [19]. Bilaterale Läsionen des Corpus trapezoideum, Lemniscus lateralis und des Colliculus inferior können dagegen zu einer zentralen bilateralen Hyp-/Anankusis führen [20]. Die Korrelation zwischen dem Auftreten von Hörstörungen und den FAEPs ist bei Hirnstammläsionen allerdings sehr begrenzt. Am häufigsten finden sich pathologische FAEPs bei klinisch normalem Hörvermögen. Andererseits wurden bei Hirnstammläsionen auf unterschiedlichen Etagen auch normale FAEPs selbst im Falle einer zentralen Anankusis beschrieben (Egan et al. 1996 [21]: bilaterale Läsion des Corpus trapezoideums, Vitte et al. 2002 [22]: bilaterale Läsionen der Colliculi inferior, Lee et al. 2004 [23]: unilaterale Läsion der tegmentalen Brücke im vestibulo▶ Abb. 8). Die FAEP-Muster bei Ischäcochleären Kerngebiet) (● mien bzw. Blutungen im Hirnstamm entsprechen den Befunden einer zentralen Läsion. Urban P. Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP). Klin Neurophysiol 2009; 40: 17–23 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Übersicht 21 Abb. 7 Multiple Sklerose: FAEP: Verlängerte Latenz der Welle III und Ausfall der Wellen IV und V. Rostrale Hirnstammläsionen mit Beteiligung des Lemniscus lateralis und des Colliculus inferior zeigten bei den FAEP mit monoauraler Stimulation pathologische Befunde bisher nur bei den kontralateralen, nicht aber bei den jeweils Reiz-ipsilateralen Ableitungen [10, 24, 25]. Weiter kaudal gelegene unilaterale Läsionen im Bereich des oberen Olivenkomplexes, des cochleären Kerngebietes oder der Eintrittsstelle des N. vestibulocochlearis können allerdings zu ipsilateralen Hörstörungen und pathologischen FAEPs führen [26, 27]. Infarkte der dorsolateralen Medulla oblongata (Wallenberg-Syndrom) führen in der Regel zu keinen Veränderungen der FAEP [28]. Ventrale Infarkte des Brückenfußes bis zum klinischen Bild eines Locked-in-Syndroms gehen bei erhaltener tegmentaler Funktion mit normalen FAEP-Befunden einher [29]. Bei einer Analyse pontiner Blutungen zeigte sich keine Korrelation des klinischen Befundes mit den FAEP-Befunden, jedoch war ein bilateraler Ausfall der Wellen III, IV und V mit einer ungünstigen Prognose verbunden [30]. Prognostische Hinweise liefern die BAEP auch bei raumfordernden Kleinhirninfarkten im Hinblick auf das Vorliegen einer Hirnstammkompression [31]. Hirntod ▼ Im Hirntod sind entweder bilateral alle FAEP ausgefallen, nur eine Welle I oder nur eine Welle I und II erhalten [5]. In einer Untersuchung von 30 hirntoten Patienten fanden sich folgende Muster: 1. Ausfall aller Wellen (73 %), 2. bilaterales Auftreten nur der Welle I (17 %), und 3. einseitiges Auftreten nur der Welle I (10 %) [32]. Entsprechend der Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes ’bei primären supratentoriellen und bei sekundären Hirnschädigungen kann das FAEP zum Nachweis des irreversiblen Hirntods herangezogen werden, wenn ein konsekutiver bilateraler Verlust der Wellen III–V belegt wurde mit nachfolgendem Verlust oder Erhaltensein von Welle I und/oder II [33]. Der primäre bilaterale Ausfall aller Wellen schon bei der ersten Untersuchung ist dagegen nicht als Irreversibilitätsnachweis geeignet. Die Technik zur Ableitung der FAEP entspricht den o. g. Abb. 8 a) Akute Hypakusis rechts bei Infarkt im Stromgebiet der A. cerebelli inferior anterior (AICA) (MRT). b) FAEP: die Latenz der Wellen I–V ist verlängert. Maßgaben, mit der Besonderheit, dass der Schalldruck auf 95 dB HL eingestellt werden muss und das kontralaterale Ohr mit 65 dB HL verrauscht wird. Literatur 1 Lopez-Escamez JA, Salguero G, Salinero J. 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