Wie es nicht sein sollte - Medizin und Medien Verlag

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Atem
Wie es nicht sein sollte
Die junge, unter Termindruck stehende Sängerin litt unter den Beschwerden eines Atemwegsinfekts.
Geduldig hatte sie die Beschwerden eine Woche ertragen und sich
mit den in der Apotheke erhältlichen Symptomatika behandelt,
drängte jetzt aber auf eine hilfreiche Therapie. Anamnese und
­klinische Untersuchung sprachen
für einen Virusinfekt.
Um die frustrane Diskussion und
Forderung nach einem Antibiotikum zu beenden, wurde ein Tetracyclin verordnet. Nur drei Tage
später wurde anlässlich eines nötig gewordenen Hausbesuchs eine
Pneumonie diagnostiziert und mit
einem anderen, dieses Mal erfolgreichen Antibiotikum behandelt.
Die Fehler (unter der Voraussetzung, dass primär tatsächlich ein
Virusinfekt vorgelegen hatte):
▪▪ Entgegen der Überzeugung, dass
ein Virusinfekt vorliegt, wurde ein
Antibiotikum verordnet.
▪▪ Die Resistenzlage für Tetracycline
ermöglichte die Entwicklung einer Pneumonie.
wege
Vom Symptom zur
Diagnose
Hausarzt Medizin
Teil 1
Die Herausforderung bei Patienten mit Atemwegsinfektionen besteht darin,
die korrekte Diagnose zu stellen und die wenigen Patienten herauszupicken,
die wirklich einer Antibiotikatherapie bedürfen. Ein systematisches Vorgehen
ist empfehlenswert.
Bei Patienten mit Atemwegsinfektionen
müssen in kurzer Zeit und praktisch ohne
technische Unterstützung die richtige Dia­
gnose gestellt und die richtige Therapie eingeleitet werden. Wer systematisch vorgeht
und einige Fragen abarbeitet, kann erfolgreich diagnostizieren und therapieren.
Handelt es sich überhaupt um ­
eine Infektion?
Foto: pabijan - Fotolia
Frau A. stellte sich nach drei erfolglosen Antibiotikaphasen mit anhaltendem Hustenreiz vor. Die mitgebrachten Röntgenbilder
zeigten einen umschriebenen flauen Bezirk
im rechten Oberlappen. Mithilfe von Computertomografie und Bronchoskopie konnte der Verdacht auf eine Tuberkulose gesichert und die korrekte Therapie eingeleitet
werden.
Daran denken, ist die halbe Diagnose!
Das gilt auch für die seltene Tuberkulose.
Herr S. klagte Ende August, zu einem Zeitpunkt, als keine „Sommergrippe“ im Umlauf
war, über Hustenreiz und geringe Mengen
gelben Auswurfs. Klinisch waren keine Auffälligkeiten festzustellen.
Die Lungenfunk­tionsprüfung belegte den
Verlust von fast ­1 Liter Vitalkapazität in
Der Hausarzt 01/2016
Dr. med. Thomas
Hausen
Arzt für Allgemeinund Sportmedizin,
Essen ­
E-Mail: th.hausen@
t-online.de
knapp zwei Jahren, was deutlich über dem
­altersgemäßen Verlust lag. Die Röntgen-­
Thorax-Aufnahmen (Abb. 1, 2) zeigten eine
unscharfe Begrenzung
der rechten ZwerchTab. 1: CURB 65- und CRB 65-Score
fellkuppe. Die BronKRITERIUM
PUNKTE
choskopie bestätigte
die VerdachtsdiagnoConfusion
Bewusstseinstrübung
1
se Bronchialkarzinom
Urea
Harnstoff > 19 mg/l
[1]
(Abb. 3).
(7 mmol/l)
Erläuterung:
Respiratory
Atemfrequenz
1
▪▪ Die Jahreszeit (Aurate
> 30/min
gust) und das Fehlen
Blood
Blutdruck systolisch
1
anderer Patienten
pressure
< 90 mmHg, diastomit Atemwegsinlisch ≥ 60 mmHg
fekten machten eine
Age
Alter ≥ 65 Jahre
1
Infektion unwahrscheinlich.
▪▪ Der schnelle Verlust von Vitalkapazität
bei bekannter Raucheranamnese rief nach
weiterer Abklärung.
Hustenreiz wird häufiger als Indikation ­
für eine Antibiotikatherapie angesehen als
diese erforderlich ist!
Ambulant oder stationär?
Die Frage, ob eine Behandlung ambulant erfolgen kann oder der Patient stationär eingewiesen werden muss, ist nicht immer leicht
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Hausarzt Medizin
❷
zu beantworten. Für die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) kann der abgewandelte
CURB-65-Score (Tab. 1) hilfreich sein. Durch
Weglassen des Harnstoffwerts wird der Test
zum CRB-65-Score und praxistauglich. Die
Punktzahl zeigt eine gute Korrelation mit
dem Mortalitätsrisiko. Bei einem Punkt ist
eine ambulante Behandlung möglich. Ab
zwei Punkten sollte eine stationäre Behandlung unter Beurteilung des Gesamtbildes erwogen werden. Der CRB-65-Score eignet sich
auch zur weiteren Verlaufsbeobachtung und
für Diskussionen bei Problemen.
es sinnvoller, das Grundleiden zu behandeln
und abzuwarten.
Eine Antibiotikatherapie kann bei Notwendigkeit häufig ohne Gefahr auch noch später
begonnen werden. Weitere Indizien können
den Weg zur korrekten Diagnose erleichtern
(Tab. 3).
Tab. 3: Indizien für Diagnosen
Viren, Bakterien, Pilze?
❸
① und ② Unscharfe
Begrenzung der ­rechten
Zwerchfellkuppe (Röntgen-Thorax-Aufnahme).
③ Die Bronchoskopie bestätigte die Verdachtsdiagnose Bronchialkarzinom.
SERVICE
Für Ihre Patienten gibt es
das Merkblatt „Infektion
der Atemwege – was Sie
wissen sollten“ als pdf zum
Download unter www.
medizinundmedien.eu/
Patienteninfo.
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Eine Pilzinfektion ist sehr unwahrscheinlich,
sollte aber nicht ganz vergessen werden.
Bereits mit einer sorgfältigen Anamnese
­­­(Tab. 2)­kann mit ziemlicher Sicherheit zwischen einer Influenza, einem anderen viralen Infekt und einem bakteriellen Infekt unterschieden werden.
Zu beachten ist, dass verfärbtes Sputum
nicht unweigerlich auf einen bakte­riellen
Infekt hinweisen muss. Selbst in grün verfärbtem Sputum sind nicht immer Bakterien
nachweisbar. Bei Allergikern (Asthma) kann
die allergische Reaktion z. B. das Sputum gelb
verfärben.
Auch der klinische Eindruck und der Auskultationsbefund können täuschen. Oft vermittelt der geräuschintensive Auskultationsbefund bei Asthma oder COPD den
Eindruck eines schwer Kranken. Im Vergleich
dazu kann ein Patient mit einer ambulant
erworbenen Pneumonie einen deutlich gesünderen Eindruck erwecken. Meistens ist
Schmerzhafte Augenbewegung
Virusinfekt
Bauchschmerzen
(Kind)
Otitis media
Kopfbeugung („Da
bewegt sich etwas“)
Sinusitis
Kopfschmerzen
Eitrige Angina,
Pneumonie
Remittierendes
(hohes) Fieber
Pneumonie
Kloßige Sprache
Eitrige Angina,
M. Pfeiffer
Splenomegalie
M. Pfeiffer
Können technische Untersuchungen
helfen?
Die Ergebnisse der meisten technischen Untersuchungen liegen leider zu spät vor, um
bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein
zu können, und sie sind in der Regel unspezifisch. Die für die ambulant erworbene Pneumonie zur Bestätigung geforderte RöntgenThorax-Aufnahme ist selbst in Großstädten
selten zeitnah zu erhalten. Häufig muss eine
Therapie ohne Bestätigung eingeleitet oder
der Patient zur Sicherheit und nicht wegen
eines erhöhten Krankheitsrisikos stationär
eingewiesen werden.
Tab. 2: Unterscheidung bakterieller/viraler Infekt
KRITERIUM
VIRAL
INFLUENZA
BAKTERIELL
Krankheitsgefühl
Langsam progredient
Sofort schlecht
Fieber
Langsam ansteigend
Sofort hoch
Muskelschmerzen
Häufig
Schwer
Selten
Husten
Trocken
Feucht
Auswurf
Keiner
Kaum
Der Hausarzt 01/2016
Fotos: T. Hausen
❶
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Tab. 4: Interpretation des CRP-Tests bei akuten
Atemwegsinfektionen
AKTUELLER
CRP-WERT
VORBEFUND
BAKTERIELLER VIRUS­
INFEKT
INFEKT
Normal
Unbekannt
Unwahrscheinlich
Möglich
Erhöht
Unbekannt
Möglich
Unwahrscheinlich
Erhöht
Erhöht
Nicht
­beurteilbar
Nicht
­beurteilbar
Erhöht
Normal / kein
anderer
Entzündungsherd bekannt
Wahrscheinlich
Unwahrscheinlich
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In der Praxis bietet lediglich ein quantitativer CRPSchnelltest eine gewisse Hilfe (Tab. 4), um einen viralen von einem bakteriellen Infekt unterscheiden
zu können, sowie für die Verlaufskontrolle. Bedauerlicherweise ist der Test unspezifisch (Sensitivität 8 –
98 Prozent, Spezifizität 27 – 99 Prozent) und kann bei
zahlreichen Erkrankungen erhöht sein.
Im Gegensatz zum CRP-Test ist der ProcalcitoninTest spezifisch. Bei einem Virusinfekt bleibt er normal, bei einem bakteriellen Infekt steigt er dagegen
an, und er bleibt von anderen Krankheiten unbeeinflusst. Mit seiner Hilfe kann ein bakterieller Infekt
zweifelsfrei nachgewiesen werden, sodass eine gezielte Antibiotikatherapie und damit vor allem eine
Einsparung von Antibiotika möglich wird.
Beachtenswert in einer Studie zum ProcalcitoninTest ist der seltener erhöhte Procalcitonin-Wert und
die daraus abgeleitete Indikation zu einer Antibiotikatherapie im Gegensatz zum häufigeren Antibiotikaeinsatz allein nach klinischem Eindruck. Offensichtlich induziert die „intensive Musik“ bei der
Auskultation mehr Antibiotikatherapien als dies
wirklich erforderlich wäre.
Den schon lange angekündigten ProcalcitoninSchnelltest für die Praxis gibt es leider noch nicht.
Atemwegsinfektionen – Teil 2:
Nach der Diagnosestellung stellt sich die Frage, ob der Patient ein
Antibiotikum braucht und wenn ja, welches Antibiotikum geeignet
ist. Tipps dazu finden Sie in Der Hausarzt 3/2016.
Der Hausarzt 01/2016
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Literatur unter www.medizinundmedien.eu
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