Kapitel 1 _____________________________ Einleitung 1 Kapitel 1 1 Einleitung Einleitung „… Trotz vieler Vorbehalte aufgrund der Näherungswerte und der vereinfachten Struktur des Modells gegenüber der realen Welt erscheint eine Schlußfolgerung aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen als gerechtfertigt: Das Grundverhalten des Weltsystems ist das exponentielle Wachstum von Bevölkerungszahl und Kapital bis hin zum Zusammenbruch. Wie wir dargelegt haben, bleibt dieses Grundverhalten unverändert, ob man nun davon ausgeht, daß sich nichts Wesentliches ändern wird, oder ob man beliebig viele technologische Veränderungen einführt. … Wenn wir technologische Maßnahmen simulieren, die geeignet sind, irgendeine Beschränkung des Wachstums aufzuheben oder einen Zusammenbruch zu verhindern, wächst das System gegen die nächste Grenze, übersteigt sie ebenfalls und bricht wieder zusammen. …“ [Meadows, 1979] 1.1 Problemstellung Im Jahr 2007 stellte der Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC) seinen dritten Bericht vor. In diesem Bericht wird deutlich vor der Erderwärmung als einem Prozess mit unumkehrbaren Folgen gewarnt. Es werden aber auch Maßnahmen vorgeschlagen, die helfen sollen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 zu senken und damit den Klimawandel zumindest zu begrenzen. Als positives Beispiel, wie auf die Klimaveränderung reagiert werden kann, ist die Reaktion der Weltgemeinschaft zu werten, als die Wirkung der FCKW (Flur-Chlor-Kohlenwasserstoffe) auf die Ozonschicht bekannt wurde. Damals wurde in Montreal das Protokoll zur Rettung der Ozonschicht unterzeichnet und innerhalb von 2 Jahren die Produktion von FCKW weltweit gestoppt. Die Ozonschicht wird um das Jahr 2050 wieder intakt sein. Der heutige Sachverhalt ist ungleich herausfordernder, werden die Treibhausgase betrachtet. Diese umfassen nicht nur einige wenige Industrien bzw. Anwendungen wie das FCKW, sondern werden durch nahezu jeden technischen Prozess oder Vorgang emittiert. Vor diesem Hintergrund ist eine Diskussion aller industriellen Prozesse hinsichtlich ihrer Klimarelevanz nötig, einerseits um Einsparpotentiale aufzuzeigen, andererseits um die am stärksten zur Belastung beitragenden Prozesse zu identifizieren und entsprechende Handlungen möglich zu machen. Da der Ausstoß von Klimagasen in über 50% seiner Menge direkt von fossilen Energieträgern abhängt, beinhaltet der derzeitige Anstieg der Energiekosten ebenfalls die Frage nach der CO2-Bilanz eines industriellen Prozesses. Durch die derzeitig enge Verbindung von Energieverbrauch und CO2-Ausstoß wird der Bedarf, die industriellen Prozesse nach ihrem Energiebedarf und ihrer bereits angesprochenen Treibhausrelevanz zu unterscheiden, sowie deren Energieeffizienz zu steigern, immer dringlicher. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich diese Arbeit mit einem industriellen Vorgang, der Kompostierung als Behandlungsverfahren für organische Abfälle. Gerade durch die angesprochene neue Klimadebatte scheint die Kompostierung in ein immer schlechteres Licht gerückt zu werden. Kompostierung gilt vereinzelt bereits als ein Verfahren, das Energie „vernichtet“. Nicht zuletzt dadurch drängen Verfahren, wie die Vergärung der Abfälle, die Müllverbrennung oder die Herstellung von Treibstoffen die Kompostierung immer weiter zurück. Dabei wurde in der ersten Lesung zur Novellierung über die europäische Abfallrahmenrichtlinie durch das Europäische Parlament am 13. Februar 2007 gefordert, dass die stoffliche Verwertung von Bioabfällen vorrangig gegenüber einer thermischen oder verfahrenstechnischen Verwertung (BtL) zu behandeln ist. Eine Forderung, die die Kompostierung erfüllen kann. Und mehr noch, durch Substitution von Produkten, die sonst anderweitig, ebenfalls unter Aufwendung von CO2 und Energie, hergestellt werden müssten, kann das Produkt der Kompostierung, der Kompost, die Gesamtbilanz des Verfahrens positiv werden lassen. Somit kann die Kompostierung auch energetisch gesehen mit anderen Verwertungsmöglichkeiten für biologische Abfälle konkurrieren. 1.2 Zielsetzung Die Zielsetzung der Arbeit ist die Erstellung einer umfassenden Energie- und CO2-Bilanz für Kompostierungsanlagen. Neben dem Energieverbrauch bei der Kompostierung soll vor allem auf das Substitutionspotential von Produkten und organischen Primärsubstanzen, sowie die damit verbundenen produktionsabhängigen Emissionen und Energieverbräuche durch die Kompostierung eingegangen werden. Produkte, die durch Kompost substituiert werden, müssen nicht hergestellt werden, wodurch wiederum Energie, endliche Rohstoffreserven und CO2-Emissionen eingespart werden. Was diese Produkte sind und welche Mengen an Energie und CO2 durch ihre Substitution eingespart werden, wird die Arbeit darstellen. Aufbauend auf dieser Bilanzierung und einer Datenerhebung zum Energieverbrauch bei der Kompostierung wird ein Effizienzpass entworfen werden, welcher auch die Treibhausgasemissionen und – 3 Kapitel 1 Einleitung einsparungen einschließt. Dieser Effizienzpass wird den Kompostierungsanlagen und, nach entsprechender Anpassung, auch anderen Anlagen zur Behandlung biologischer Abfälle einen Grad der Energie- und CO2-Effizienz zuordnen. Aus diesen beiden Zielen folgend leiten sich verschiedene Unterziele ab. Ein wichtiges ist das Aufzeigen von Optimierungspotentialen bei der Kompostierung in Bezug sowohl auf den technischen Kompostierungsprozess selbst, als auch in Bezug auf die Kompostanwendung und die damit verbundenen Einsparungen. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist die Darstellung der Tatsache, dass die Kompostierung von Bio- und Grünabfällen energetische Vorteile hat. Diese Vorteile, die sich vor allem aus der Kompostanwendung ergeben, werden dargestellt und mit dem energetischen Aufwand bei der Kompostierung verglichen. Es ist davon auszugehen, dass zumindest unter bestimmten Vorraussetzungen die Gesamtenergiebilanz positiv und die Gesamtbilanz des Kohlendioxids fast immer positiv sind. 1.3 Bearbeitungsmethodik Zur besseren Veranschaulichung der Herangehensweise ist der betrachtete Bilanzierungsraum in der folgenden Abbildung 1 schematisch dargestellt. Es werden Bioabfall und andere organische Abfälle, die der Kompostierung, aber auch anderen Abfallbehandlungsanlagen als Ausgangsprodukt dienen, als Inputstoffe vorausgesetzt. Da davon auszugehen ist, dass der Abfall auf irgendeine Art und Weise behandelt werden muss, werden die in diesen Stoffen enthaltene Energie und Wertstoffe nicht bilanziert. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der im Abfall inkorporierte organische Kohlenstoff regenerativer Natur ist. Deshalb ist durch den Kompostierungsvorgang, also den Abbau der organischen Masse selbst, emittiertes Kohlendioxid nicht neu der Atmosphäre zugeführt (wie das CO2 aus fossilen Energieträgern), sondern stammt vielmehr aus der Atmosphäre und wird wieder in diese zurückgegeben. Diese CO2-Emissionen gehen daher ebenfalls nicht in die Bilanz ein. Im Kompost nach dem Kompostierungsprozess noch enthaltener Kohlenstoff kann unter Umständen zumindest temporär fixiert und damit dem Prozess als Kohlenstoffsenke gutgeschrieben werden. In den Bilanzraum fällt, wie schon bemerkt, die bei der Kompostierung verbrauchte Energie, sowie die mit dem Verbrauch verbundene Freisetzung von Treibhausgasen. Mit der Bilanz wird darauf abgezielt, die verbrauchte Energie der Energie gegenüberzustellen, die durch die Substitution von anderen Produkten durch Kompost, also den verschiedenen Anwendungsbereichen von Kompost, eingespart wird. Diese eingesparte Energie und damit verbunden natürlich auch eingesparte Treibhausgase resultieren aus verschiedenen Eigenschaften bzw. Inhaltsstoffen des Komposts, auf die im Laufe der Arbeit näher eingegangen wird. Zu substituierende Produkte sind mineralische Düngemittel, Torf oder Humus reproduzierende Stoffe, also Produkte, die der Kompost durch seine stofflichen Eigenschaften vollständig oder teilweise ersetzen kann und die in der Folge dann nicht mehr produziert werden müssen. Energieinput und CO2-eq Emission Getrennte Sammlung und Transport Bioabfall, Grüngut, sonstige organische Abfälle Energieinput und CO2-eq Emission Kompostierung Gütegesicherter Kompost Energie- und CO2-eq Einsparung Abbildung 1: Kompostanwendung Schematische Darstellung des betrachteten Bilanzierungsraums Die Eingangsdaten für die Bilanzierung werden auf der Habenseite des Komposts weitestgehend der Literatur entnommen bzw. aus verschiedenen Literaturwerten hergeleitet. Daten für den Energieverbrauch bei der Kompostierung werden eigens erhoben, auch um für das zweite Ziel der Arbeit, die 4 Kapitel 1 Einleitung Erstellung eines Effizienzpasses für biologische Abfallbehandlungsanlagen, zur Verfügung zu stehen. Die Datenerhebung erfolgte teils vor Ort an den Kompostierungsanlagen, teils durch einen Fragebogen. Der Entwurf des Effizienzpasses soll modular geschehen, so dass der Pass nach entsprechender Datenerhebung auch auf andere Abfallbehandlungsanlagen angepasst werden kann. Demnach ist u.a. vorgesehen einzelne Anlagenteile (z.B. die Aufbereitung der Abfälle) getrennt voneinander zu betrachten und getrennt zu bewerten, eine Vorgehensweise, die auch Hilfestellung bei der Steigerung der Effizienz einer Anlage bieten kann. Stellt sich heraus, dass eine Anlage in ihrer Gesamtheit über dem durchschnittlichen Energieverbrauch liegt, kann durch die getrennte Erfassung der Anlagenteile u.U. der Teil der Anlage identifiziert werden, aus dem der erhöhte Energieverbrauch resultiert. Mit dem gewonnen Wissen können Maßnahmen ergriffen werden, die Effizienz dort zu steigern, wo die größten Potentiale vorhanden sind. Weiterhin wird durch die Bewertung der Kompostanwendung die Möglichkeit geschaffen das Produkt der Kompostierung so zu vermarkten, dass maximale CO2- und Energiegutschriften erreicht werden. Damit wäre es möglich die Gesamteffizienz der Kompostierung zu verbessern, ohne in die Anlagentechnik eingreifen zu müssen. 5