MONITOR Digitale Bildung #1 Monitor Digitale Bildung: Berufsausbildung Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft hat auch Auswirkungen auf die Bildung. Doch wie gut sind unsere Bildungsinstitutionen darauf vorbereitet? Die digitale Welt verändert das Lernen wie kaum eine ge- • Wie kann digitales Lernen benachteiligte Lerner sellschaftliche Entwicklung zuvor. Lernen findet fördern und den Zugang zu den einzelnen Bildungs- zunehmend virtuell statt, ob als E-Lecture, MOOC, im sektoren insgesamt erhöhen? „Flipped Classroom“ oder durch Learning Apps. Doch wie gut sind die Bildungsinstitutionen in Deutschland darauf - • Wie können Lehrkräfte sinnvoll auf den Einsatz – und ggf. die Erstellung – digitaler Bildungsmedien vorbereitet? Welche Verbreitung haben digitale Lern- vorbereitet und dabei unterstützt werden? technologien und wie werden sie eingesetzt? Trägt die Digitalisierung zu mehr Chancengerechtigkeit bei oder Eine separate Materialsammlung, die über die Webseite vergrößert sie sogar soziale Unterschiede in der Teilhabe? der Bertelsmann Stiftung zugänglich ist, ergänzt den vor- liegenden Bericht um: Der „Monitor Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung schafft erstmals eine umfassende und repräsentative • empirische Datenbasis zum Stand des digitalisierten Lernens in den verschiedenen Bildungssektoren in • Der Monitor lenkt die oft technik- und gefahrendominierte Debatte auf die Kernfragen: eine ausführliche Beschreibung des gesamten Forschungsdesigns Deutschland – Schule, Ausbildung, Hochschule und Weiterbildung. die konkreten Forschungsfragen des „Monitor Digitale Bildung“ • die verwendeten Erhebungsinstrumente • die demographischen Merkmale der Befragten Im Mittelpunkt dieses ersten Berichts steht die berufliche Ausbildung. Berichte mit den Befragungsergebnissen • Welche Impulse können digitale Technologien zur Ver- zu den Sektoren Hochschule, allgemeinbildende Schule besserung des Lernens und für neue didaktische und Weiterbildung werden im Verlauf des Jahres 2016 Konzepte in Schule, Ausbildung, Studium und Weiter- und in 2017 veröffentlicht. bildung geben? MONITOR Digitale Bildung #1 Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick 5. Imagefaktor oft wichtiger als strategische Schul- und Unterrichtsentwicklung 1. Verhaltene Modernisierung statt breite Innovation Digitales Lernen wird von vielen Berufsschulen als wichtiger Imagefaktor gesehen. Dabei steht aber Ausbilder und Berufsschullehrer haben einen eher vor allem die Ausstattung mit Geräten und Infrastruk- nüchternen und pragmatischen Blick auf das digitale tur im Zentrum. Die strategische Bedeutung für die Lernen. Der Einsatz digitaler Lernmedien im Aus- Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie die Verzah- bildungssystem folgt vorrangig „alten“ didaktischen nung von Ausbildungsinhalten zwischen Schule und und methodischen Konzepten. Die Potenziale des Betrieb erkennen Berufsschulleiter noch kaum. digitalen Lernens kommen dadurch noch kaum zur Geltung. 6. Technische Infrastruktur: WLAN noch immer unzureichend 2. Teilhabe-Chancen für benachteiligte Gruppen bleiben noch ungenutzt An vielen Berufsschulen sind Whiteboards und PCs vorhanden. Wenn es um den Einsatz von Smartphones Insbesondere jüngere, männliche Auszubildende mit und Tablets geht, kommen überwiegend Schüler- einem niedrigen Schulabschluss, lassen sich durch geräte zum Einsatz. In Ausbildungsbetrieben ist die digitales Lernen gut motivieren. Internet-Recherchen, Ausstattung mit entsprechenden Geräten generell Lernspiele, Apps und das Erstellen eigener Inhalte schlechter. Alarmierend: die überwiegende Mehr- sind für diese Zielgruppe attraktiv. Weder in der heit der Berufsschullehrer hat für den Unterricht kein Berufsschule noch in den Ausbildungsbetrieben wer- oder nur unzureichendes WLAN zur Verfügung. So den diese Chancen für mehr Teilhabe und Chancen- können weder mitgebrachte noch vorhandene Geräte gerechtigkeit aber gezielt ergriffen. sinnvoll eingesetzt werden. 3. Innovation scheitert an mangelnden Kompetenzen und Ressourcen Was ist jetzt zu tun? Wer digitales Lernen einsetzt, braucht entsprechende Kompetenzen und muss diese auch entwickeln. 1. Berufsschullehrer beklagen sowohl zeitliche als auch und Praxis-Forschung für Teilhabe und Chancen- finanzielle Hürden beim Einsatz im Unterricht. Außer- gerechtigkeit Lösung statt Problem: Pädagogische Konzepte dem fehlen Orientierungshilfen, um die vielfältigen Möglichkeiten des digitalen Lernens kennenzulernen Alte didaktische Ansätze zu digitalisieren reicht nicht und zu erproben. aus. Vielmehr muss ein Umdenken stattfinden: wie lassen sich die Ideen traditioneller Unterrichtsansätze 4. Auszubildende und erfahrene Lehrkräfte in innovative digitale Methoden transferieren? Be- treiben Veränderungen voran nötigt werden konkrete Anwendungsbeispiele, an Auszubildende sind dem Einsatz digitaler Lernmedien orientieren können. Wichtig ist dabei, die Digitalisie- gegenüber generell aufgeschlossener als ihre Lehr- rung des Lernens nicht als Problem, sondern als kräfte. Sie nutzen digitale Hilfsmittel in der Freizeit Lösungsansatz zu begreifen, der auf bereits bestehen- zum Lernen und wünschen sich für den Unterricht de Herausforderungen im schulischen und ausbildne- einen sinnvollen Methoden-Mix. Ob und wie digitales rischen Alltag – z.B. individuelle Förderung oder Lernen dort eingesetzt wird, hängt aber von den heterogene Zielgruppen – einzahlt. Digitales Lernen Überzeugungen der einzelnen Lehrkraft ab. Vorreiter ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu mehr sind hier vor allem Lehrende mit längerer Berufser- Chancengerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe fahrung. und damit insbesondere für benachteiligte Gruppen von denen sich Berufsschullehrende und Ausbilder 2 MONITOR Digitale Bildung #1 besonderer Bedeutung. Es fehlt jedoch noch an anwen- Blick nimmt (z.B. für den Erhalt gefährdeter Ausbil- dungsorientierter Forschung, die das Potential digi- dungsberufe). Hier braucht es einen intensiven Aus- talen Lernens in konkrete didaktische Settings für den tauschprozess unter Berufsschulen, aber auch berufsschulischen Bereich übersetzt und deren Reich- zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben, weite und Wirkungsweise überprüft. um solche Möglichkeiten zu erkennen und abschätzen zu können. Die Politik ist gefordert, entsprechende 2. Digitale Qualifizierungsoffensive: Kompetenz- Freiräume zu schaffen, in denen Ideen und Konzepte aufbau durch systematische Aus- und Fortbildung bei entwickelt und letztlich auch umgesetzt werden können. Lehrenden und Ausbildern 4. Notwendige Infrastruktur: Solide WLAN-Ausstat- Gutes digitales Lernen in der Berufsschule und im Be- tung als dringende Grundlage für pädagogische Inno- trieb kann nur gelingen, wenn Lehrende und Ausbilder vationen sich in der Anwendung digitaler Mittel sicher fühlen und ihre Möglichkeiten – didaktisch und methodisch – Auch wenn die didaktisch-methodische Umsetzung kennen. des digitalen Lernens über dessen Qualität und Sinn- haftigkeit entscheidet, so ist digitales Lernen den- Solange digitales Lernen vor allem von digitalen Vor- noch nur mit entsprechenden Geräten und vor allem reitern betrieben wird, scheitert die systematische einer guten Ausstattung mit WLAN möglich. Insbe- Verankerung im Berufsschulunterricht und in der be- sondere Berufsschulen sind hier noch immer nicht aus- trieblichen Ausbildung. Hierzu bedarf es bereits in der reichend abgedeckt. Hier droht ein Abhängen der Berufs- Lehramtsausbildung einer gezielten Förderung der schule im Vergleich zur allgemeinbildenden Schule. Kompetenzentwicklung bei Berufsschullehrenden. Bund, Länder und Kommunen sind gefordert, in einer Auch die Bemühungen um eine fundierte Fortbildung gemeinsamen Kraftanstrengung Konzepte zu entwi- der Ausbilder sowie der aktuellen Lehrkräfte im ckeln und rasch umzusetzen, die eine solide Ausstat- Bereich digitalen Unterrichtens müssen deutlich ver- tung von Berufsschulen mit WLAN ermöglichen sowie stärkt werden. die Administration und langfristige Betreuung des Ausbilder stehen zusätzlich oft vor der Frage, woher Netzwerks durch kompetentes Personal sicherstellen. sie gutes digitales Material für die Ausbildung be- kommen können. Hier sind die Kammern und Berufs- ­genossenschaften gefordert. Hilfreich wäre etwa eine Plattform mit kuratierten, digitalen Inhalten für die berufliche Bildung. Impressum 3. Strategieentwicklung fördern: Freiräume für Aus- © 2016 Bertelsmann Stiftung tauschprozesse schaffen Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 Digitales Lernen ist mehr als ein neuer didaktischer An- 33311 Gütersloh | Germany satz, es ist eine Haltung. Um diese Haltung im Unter- www.bertelsmann-stiftung.de richt leben und verankern zu können, müssen Schulen konkrete strategische Entscheidungen fällen. Das geht Verantwortlich: nur mit gut durchdachten Konzepten, dem gemein- Dr. Julia Behrens sam getragenen Willen zur Veränderung durch das [email protected] Kollegium und externer Hilfe. Berufsschulen müssen Tel. +49 5241 81-81544 sowohl die Mittel als auch die Unterstützung bekom- www.bertelsmann-stiftung.de/digi-monitor men, um digitales Lernen Schritt für Schritt einzu- führen – in einer durchdachten und strukturierten Art und Weise, die die Eigenheiten einer jeweiligen Schule sowie ihrer Schülerschaft berücksichtigt, dabei aber auch die zukünftigen Potentiale digitalen Lernens in den 3