Medial auf neuen Wegen – Vollkeramik im Visier AG Keramik verknüpfte Prothetikexpertise mit Filmfestival. Klinische Erfahrungen mit neuen Keramikwerkstoffen und der digital gestützte Behandlungsprozess in der Implantologie – das waren die herausragenden Themen auf dem 13. Keramiksymposium der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik), das zusammen mit dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) stattfand. Eingebunden in das Symposium waren die Verleihungen des „Forschungspreises Vollkeramik“ und des „Videofilm-Preises“ an junge Kliniker und Wissenschaftler. Konzentration auf bewährte Materialien – ein Praxiskonzept Vollkeramische Restaurationen haben seit den 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine beständige Indikationserweiterung erfahren. Neue keramische Materialien mit einer verbesserten Dauerfestigkeit, aber auch Innovationen im Bereich der Befestigungsverfahren waren treibende Kräfte für die rasante Entwicklung und Verbreitung der Vollkeramik. Heute steht eine Vielzahl von Verfahren und Techniken für die Anfertigung vollkeramischer Arbeiten im Front- und Seitenzahngebiet zur Verfügung. Diese Versorgungsart war in den letzten Jahrzehnten neben der Implantatprothetik eines der am schnellsten wachsenden Behandlungsfelder. Die klinischen Erfahrungen der vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass für Keramikwerkstoffe eine differenzierte Anwendung erforderlich ist, um sie langfristig klinisch erfolgreich nutzen zu können. Dr. Jan Hajto, Praxisinhaber in München und Spezialist für ästhetische sowie vollkeramische Restaurationen (Abb. 1), erläuterte unter den Thema „Übersicht Materialien und Indikationen – ein Praxiskonzept“ seine Kriterien bei der Werkstoffauswahl. Abb. 1: Dr. Jan Hajto, München. Quelle: Hajto Eine sogenannte „Universalkeramik“, einsetzbar für alle Indikationsklassen, gibt es nicht. Biegebruchfestigkeit, Risszähigkeit, Werkstoffmindeststärke zusammen mit dem klinischen Platzbedarf, Chroma, Lichtleitfähigkeit und Transluzenz, Retentionsverhalten und Befestigungsbedingungen – alle Spezifikationen und Vorgaben beeinflussen maßgeblich die Auswahl des geeigneten Werkstoffs und dessen Verarbeitung. Das ist eine Herausforderung, die Praxis und Labor gleichermaßen betreffen. 1 Zahnarzt und Zahntechniker haben die Aufgabe, den Überblick zu behalten und das jeweils optimale Material für die individuelle Patientenversorgung zu bestimmen. Für den Patienten spielen neben dem Aspekt der natürlichen Ästhetik auch Fragen der Langzeitbewährung und die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle. Im Prinzip geht es immer um die Entscheidung, ob die Keramik im konkreten Fall ausgeprägte ästhetische Eigenschaften oder eine Festigkeit für hohe Kaudruckbelastungen bieten muss – jeweils abhängig von der Lage der Restauration im Kieferbogen, vom ästhetischen Anspruch und von funktionellen Gegebenheiten. Dentalkeramik weist eine umso höhere Festigkeit auf, je höher der kristalline Anteil ist. Eine Rissausbreitung wird von den Kristallen gebremst oder umgelenkt. Dabei wird durch die kristalline Phase Rissenergie aufgenommen. Dies verhindert oder verlangsamt einen weiteren Rissfortschritt. Von dieser Eigenschaft profitieren besonders Oxidkeramiken (Zirkoniumdioxid). Die hohe Strukturdichte gibt der Oxidkeramik jedoch ein opakes Aussehen und muss aufbrennkeramisch verblendet (Feldspat) oder mit Colourliquid eingefärbt werden. Silikatkeramiken hingegen haben eine leuzitverstärkte Glasphase. Durch die Semitransparenz und Transluzenz bieten sie Eigenschaften, die sie besonders für ästhetische Frontzahnversorgungen empfehlen. Zwischen den Silikatkeramiken mit ihren naturgemäß begrenzten Festigkeiten (80 bis 200 MegaPascal, MPa) und den Oxidkeramiken (400 bis 1200 MPa) ist ein Korridor, der von der Lithiumdisilikatkeramik (LS2) besetzt wird. Mit initialen Biegefestigkeiten von 360 bis 420 MPa vereint sie eine natürliche Transluzenz, die variierbar ist (Typ HT, LT, MO, HO), mit einer indikationsadäquaten Festigkeit, die sie für Veneers, Teilkronen, Kronen und dreigliedrigen Brücken ( bis zum zweiten Prämolaren) qualifiziert. Das Risiko kohäsiver Frakturen als Folge von Gefügedefekten ist gegenüber der reinen Schichttechnik deutlich verringert. Kronen können entweder monolithisch angefertigt – optional mit Malfarben charakterisiert, im Cutback-Verfahren oberflächlich um Schmelzdicke zurückgeschliffen und mit Schichtkeramik individualisiert werden – oder auf LS2-Gerüsten komplett verblendet werden (Abb. 2). Dies ermöglicht eine jeweils der klinischen Situation angepasste Materialauswahl. Mittlere und gesteigerte Opazitäten kommen bei verfärbten Zahnstümpfen zum Einsatz. Abb. 2: FZ-Kronen im Cutback-Verfahren zurückgeschliffen zur Verblendung. Quelle: Seger/Ivoclar 2 Ästhetik und Festigkeit im Fokus Der Referent hat in seiner Praxis das Werkstoffkonzept dahingehend optimiert, dass für vollkeramische Restaurationen nur noch Zirkoniumdioxid und Lithiumdisilikat in angezeigten Fällen zum Einsatz kommen. Damit lässt sich laut Hajto die gesamte Bandbreite der festsitzenden Versorgungen – vom Inlay bis zur mehrgliedrigen Brücke sowie Implantatkomponenten - abdecken. Die pragmatisch gesammelten Erfahrungen mit diesen Keramiken spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Nachuntersuchungen des Referenten. So zeigten sich bei 398 Verblendkronen und -Brücken aus ZrO2 keine Gerüstfrakturen und lediglich 1,2 Prozent Chippings auf Verblendungen pro Jahr. Bei 3000 monolithischen LS2-Restaurationen im Seitenzahnbereich (Kunden von Fa. Absolute Ceramics) betrug die Frakturrate 1,8 Prozent bei Kronen und 0,8 Prozent bei Teilkronen im Zeitraum von 18 Monaten. Eine gute Prognose gab Hajto den Sinterverbundkronen und -Brücken, die in seiner Praxis seit mehr als drei Jahren standardmäßig im Einsatz sind. Entwickelt und erprobt wurde diese Technologie an der Universitätszahnklinik München (Beuer et al, 2008). Hierbei wird der digital generierte Datensatz des virtuellen Modells aufgespalten, d.h. die Gerüstform wird vom Verblendteil getrennt. Die Verblendung wird aus Silikatkeramik im CAD/CAM-Verfahren ausgefräst oder gepresst und auf das ZrO2-Gerüst aufgesintert (Abb. 3). Durch den homogenen Verbund können damit sehr hohe Kaudruckbelastungen provoziert (bis 1700 Newton Bruchlast) und Verblendfrakturen praktisch ausgeschlossen werden (Tinschert et al, 2011). Abb. 3: Sinterverblendkronen auf ZrO2-Gerüst mit gepresster LS2-Verblendung. Ein Keramiklot (DCM Hotbond) verbindet die Keramikkörper. Quelle: Absolute Ceramics/Hajto Hajto bewertete die aktuelle Werkstoffentwicklung auch aus der Sicht der Biomimetik. Unter diesem Begriff wird das Übertragen von in der Natur bewährten Konstruktionsnd Funktionsprinzipien auf technische Anwendungen zusammengefasst. Das älteste bekannte Beispiel dafür ist Leonardi da Vincis Idee, den Vogelflug auf Flugmaschi3 nen zu übertragen. Während technische Lösungen im Hinblick auf Präzision, Geschwindigkeit oder Reproduzierbarkeit natürlichen Systemen häufig überlegen sind, besticht die Natur durch Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Redundanz und Störungstoleranz. Aus diesem Blickwinkel stellte Hajto zur Diskussion, ob vollkeramische Restaurationen immer fester werden müssen - oder ob es nicht sinnvoller sei, das biomechanische Verhalten des intakten Zahns zu reproduzieren. Damit zielte der Referent auf die neuen Hybrid- und Nanoresin-Keramiken, deren E-Modul zwischen jenem von Schmelz und Dentin liegt. Daraus resultiert ein „zahnschonender“ Nutzen, dass z.B. ein Inlay oder Onlay langfristig in situ eine schmelzähnliche Abrasion zeigt. Die Attrition der Okklusalfläche verläuft „parallel“ mit der natürlichen Zähnhartsubstanz – nach dem Vorbild der Natur. Waren bisher verblendete, implantatgetragene Kronen auf ZrO2-Gerüst einem verhältnismäßig hohen Chippingrisiko ausgesetzt – ausgelöst durch die fehlende Eigenbeweglichkeit und die verminderte Taktilität der osseointegrierten Implantatpfeiler - eignen sich die „stoßdämpfenden“ Hybrid- und Nanoresin-Keramiken laut Hajto für diese Indikation. Aufgrund der elastischen Eigenschaften sind diese Werkstoffe möglicherweise auch für Versorgungen bei Bruxismus geeignet. Der Referent resümierte, dass die Konzentration auf zwei vollkeramische Werkstoffklassen (LS2 und ZrO2) sich in der Praxis bewährt hat. Die pragmatisch gesammelten, klinischen Erfahrungen mit diesen Materialien sowie die eingespielte Zusammenarbeit mit dem Zahntechniklabor bei der Erfüllung der vielfältigen Anforderungen haben bewirkt, dass die Misserfolgsrate unter ein Prozent gebracht wurde und damit dem Niveau von Goldguss- und VMK-Restaurationen entspricht. Abb. 4: PD Dr. Petra Güß, Oberärztin, Universität Freiburg – referierte über „Innovative Werkstoffe und Verarbeitung“. Foto: Güß CAD/CAM-Werkstoffe bieten neue Perspektiven Die Referentin, Priv.-Doz. Dr. Petra C. Güß, Oberärztin an der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Freiburg (Abb. 4), hatte schon vor einigen Jahren bei der Literaturdurchsicht festgestellt, dass verblendete Einzelkronen auf ZrO2 Gerüsten eine Chippingrate von 2-9 Prozent der berichteten Fälle nach 2-3 Jahren Tragedauer aufwies. Bei verblendeten ZrO2-Brücken lag die Chipping-Rate zwischen 3 und 36 Prozent im Zeitfenster von 1-5 Jahren. In Kausimulationen hatte die Referentin die Belastbarkeit von Kronen aus monolithischem Lithiumdisilikat (LS2) und ZrO2 mit Verblendung unter 1100 Newton Kaudruck gemessen. Während alle LS 24 Kronen frakturfrei blieben, zeigten 49 Prozent der handgeschichteten Verblendungen auf ZrO2 Anzeichen von initialen Mikrorissen (Güß, 2010). Weitere klinische Studien mit LS2-Kronen zeigten nach 2 Jahren eine 100 prozentige Überlebensrate (Fasbinder, 2010; Reich, 2010). In weiteren Untersuchungen stellte Güß fest, dass monolithisch gefertigte, verblendfreie Kronen aus LS2 eine ernsthafte Alternative gegenüber Verblendkronen auf Gerüsten aus ZrO2 sind - auch im Molarenbereich und als Implantatkronen. Obwohl ZrO2-Kronen und -Brücken eine hohe Biegebruchfestigkeit haben (initial bis 1400 MPa), bietet die manuell geschichtete, gesinterte Verblendkeramik eine deutlich geringere Festigkeit (80-100 MPa). Risiken für kohäsive Verblendfrakturen und Chippings ergeben sich besonders dann, wenn das Kronengerüst nicht anatoform gestaltet und die Höcker nicht vom Gerüst unterstützt werden (Sailer et al, 2007; Tinschert et al, 2008) (Abb. 5). Ferner tragen dicke Verblendschichten (über 1,5 mm) dazu bei, dass Zugspannungen am Interface zum ZrO2-Gerüst entstehen (Raigrodski et al, 2006; Schmitt et al, 2009). Auch bei der zahntechnischen Bearbeitung des ZrO2-Gerüsts ist Zurückhaltung angesagt; extensives Beschleifen kann eine Phasenverschiebung (von tetragonal zu monoklin) auslösen und damit die Keramikmatrix schwächen (Swain 2009; Rekow et al, 2011). Da ZrO2 grundsätzlich ein schlechter Wärmeleiter ist, muss die Brandführung beim Verblendsintern zeitlich gestreckt und die Abkühlphase verlängert werden, um Strukturspannungen zu vermeiden. Bei monolithischen LS2-Kronen muss kein Platz für die Verblendung geschaffen werden. Dadurch kann der Substanzabtrag defektorientiert und die Präparationstiefe substanzschonend erfolgen. Eine klinische Studie hat gezeigt, dass nach zwei Jahren Beobachtungszeit keine Mikrorisse und Chippings an LS2-Molarenkronen festzustellen waren (Güß et al, 2013). Abb. 5: Höckerunterstützendes ZrO2-Kronengerüst zur Vermeidung von Verblendfrakturen. Quelle: AG Keramik Unter dem Thema “Innovative CAD/CAM-Werkstoffe in Klinik und Wissenschaft“ wies die Referentin darauf hin, dass die Kombination von monolithischen LS2-Kronen und Abutments aus ZrO2 der Implantatprothetik neue Perspektiven geben. Dadurch kann bei dünner Gingiva der grau durchschimmernde Titan-Enossalpfeiler mit der ZrO25 Mesiostruktur maskiert, die “rote Ästhetik” unterstützt und ein zahnfarbiger Übergang zur LS2-Vollkrone in der iso- oder supragingivalen Zone erzielt werden (Abb. 6). Kausimulationen mit ZrO2-Abutments für implantatgetragene Prämolaren zeigten, dass CAD/CAM-gefräste Mesiostrukturen und LS2-Kronen Kaubelastungen bis zu 1875 Newton standhielten – ein Wert, der den habituellen Kaudruck im Molarenbereich um das Dreifache übertrifft (Albrecht et al, 2011). Abb. 6: ZrO2-Abument mit stabilisierender Ti-Base und LS2-Krone. Quelle: Sirona ZrO2-Monolithen ohne Verblendung Das Risiko von Verblendfrakturen auf ZrO2-Gerüsten kann, wenn dieser Werkstoff alternativlos angezeigt ist, durch die “Vollzirkon”-Restauration vermieden werden, die monolithisch ausgeschliffen und nicht verblendet werden muss. Dafür mussten jedoch einige Parameter werkstofflicher und klinischer Art verändert werden, um ZrO 2 für monolithische Kronen zu qualifizieren. Dies betrifft die Eigenfarbe und Opazität, die Oberflächenbeschaffenheit der Restauration sowie die Kontaktpunktdurchdringung zum Antagonisten. Um die Opazität zugunsten einer Semi-Transparenz zu vermindern, wurde der Anteil von Aluminiumoxid (Al2O3) im ZrO2 reduziert. Messungen mit dem Spectrophotometer an 0,6 mm dicken Proben haben gezeigt, dass die Lichttransmission gegenüber dem konventionellen ZrO2 mit der Al2O2-Absenkung verbessert werden konnte (Rosentritt et al, 2011). Die Al2O3-Dotierung ist prinzipiell für die Stabilisierung der Keramikstruktur gegen Feuchtigkeit (Mundspeichel) verantwortlich. Demzufolge kann dieser Anteil nicht unbegrenzt gesenkt werden, ohne die klinische Haltbarkeit zu riskieren. Die weiße Eigenfarbe des Werkstoffs kann dadurch auf die Zahnfarbe getrimmt werden, in dem industriell bereits eingefärbte Blocks gemäß den bekannten Farb-Guides (VITA Classical, 3D-Master u.a.) Verwendung finden. Alternativ können die Gerüste im Grünzustand nach dem Ausfräsen mit Colourliquids im Tauchverfahren eingefärbt und dann festigkeitssteigernd schrumpfgesintert werden. Bisher limitiert das farbliche Ergebnis den Einsatz der monolithischen ZrO2-Krone auf den Seitenzahnbereich (Abb. 7). Durch die Laborsinterung wird zwar eine hohe Biegebruchfestigkeit (1200-1400 MPa) sowie eine harte Oberfläche erreicht, aber die beim Ausfräsen entstandenen Werkzeugspuren bleiben jedoch sichtbar. Der Abtrag dieser Rauhigkeit erfordert eine professionelle Politur, um eine glatte, hochglänzende Oberfläche zu erzielen. 6 Abb. 7: „Vollzirkon“Kronen bei der Einprobe, noch unpoliert. Quelle: Wiedhahn Die Frage, wie der Antagonist auf die hochfeste ZrO2-Kronenoberfläche reagiert, ist bisher nur mit Kausimulationen geklärt worden (Rosentritt et al, 2011; Güß et al, 2013). In den Studien wurden monolithische ZrO2-Kronen gegen Schmelz, Lithiumdisilikat und Feldspat-Verblendungen (VMK) geprüft. Die Resultate zeigten, dass nicht die Härte des Werkstoffs, sondern eine mangelnde Oberflächengüte einen schädigenden Einfluss auf seinen tribologischen Partner hat (Pospiech, 2011). Dies setzt voraus, dass die Oberfläche der ZrO2-Krone ausgiebig poliert werden muss, um Präzipitate sowie maschinierte Schleifriefen zu entfernen und um eine glattglänzende Oberfläche zu erzielen (Preis et al, 2012). Eine Kausimulationsstudie zeigte, dass Zahnschmelz und poliertes ZrO2 nach 1,2 Millionen Kauzyklen mit Temperaturwechseln ein ähnliches Abrasionsverhalten aufwies (Starwaczyk et al, 2012). Stärkere Abradierungen zeigten Feldspat-Verblendungen und poliertes NEM (Abb. 8). Dass die Oberflächenrauhigkeit von ZrO2 keinen Einfluss auf Kauflächen aus Lithiumdisilikat hat, wurde in einer weiteren Studie festgestellt (Luangruaangrong et al, 2012). Abb. 8: Abrasionsverhalten verschiedener Werkstoffe am Schmelz im Kausimulator. Quelle: Stawarczyk et al 7 Die Bereitstellung glatter, hochglänzender ZrO2-Oberflächen sind laborseitig sicherlich zu gewährleisten. Sollte sich jedoch bei der intraoralen Eingliederung die Notwendigkeit des Einschleifens zeigen, wird dies zu einem Problem. Selbst feinstkörnige Diamantschleifer und diamantkorn-gefüllte Polierer – andere Medien werden keinen Abtrag auf dem harten ZrO2 erzielen – rauhen die Oberfläche auf. Dadurch steigt die Abrasionsfähigkeit der Krone erheblich an und können den Antagonisten schädigen. Deshalb sollte die Anprobe mit okklusalen Schleifkorrekturen dergestalt durchgeführt werden, dass die Restauration für die erneute Politur wieder ausgegliedert werden kann (Pröbster et al, 2012). Wenn nun das monolithische ZrO2 verschleißarm ist und kaum abradiert, was passiert mit den Lateralzähnen, die noch Schmelz oder möglicherweise weniger belastbare Restaurationswerkstoffe tragen? Werden die Abrasionskräfte langfristig Höhendifferenzen auslösen und die Kiefergelenkmechanik beeinflussen? Es gibt Vermutungen, dass sich ZrO2 im Aufbissverhalten nicht anders verhält als eine VMK-Krone (Pospiech, 2012). Klinische Studien zum Langzeitverhalten monolithischer ZrO2Kronen und -Brücken liegen bisher noch nicht vor. Deshalb sollte in der niedergelassenen Praxis die Restaurationen 1-2mal jährlich kontrolliert und poliert werden. Die Referentin resümierte, dass monolithische ZrO2-Kronen und -Brücken sich aus ästhetischen Gründen bisher nur für den Molarenbereich eignen. Es fehlt die Fluoreszenz, die Lichtbrechung der Glaskeramik, der Chamäleon-Effekt. Die SemiTransparenz wird mit der Senkung des Al2O3-Anteils erreicht; das kann die klinische Haltbarkeit auf Dauer beeinflussen. Mehrgliedriger Zahnersatz aus ZrO 2 im Oberkiefer kann bei nicht einwandfreien Bissverhältnissen Parafunktionen und Kiefergelenkbeschwerden auslösen. Aufgrund dieser Limitationen ist die Vollzirkon-Prothetik noch keine Regelversorgung. Bewährt haben sich bisher vollanatomische LS2-Kronen, auch in der Implantatprothetik. Damit spielt das Risiko der Verblendfraktur wegen der fehlenden ossären Eigenbeweglichkeit des Enossalpfeilers und des taktilen Defizits keine Rolle. Keramik mit „Stoßdämpfer“ - Fraktur-Resistenz durch Elastizität? Neben den bewährten Silikat- und Oxidkeramiken für die konservierende und prothetische Versorgung positionieren sich neuerdings die Hybridkeramik (Enamic, Vita Zahnfab.) und die Nanoresin-Keramik (Ultimate, 3M Espe) mit einer dualen KeramikPolymerstruktur (Abb. 9). Die Hybridkeramik besteht zu 86 Prozent aus einem gitterähnlichen, dreidimensionalen Keramiknetzwerk aus Feldspatkeramik. In die offene Keramik-Struktur werden werkseitig 14 Prozent Polymere unter Druck infundiert und thermisch gehärtet, wobei sie mit der Keramik einen adhäsiven, interpenetrierenden Verbund bilden. Mit einem Elastizitätsmodul von 30 GigaPascal (GPa) besitzt der Werkstoff jene Elastizität, die zwischen der von Schmelz und Dentin liegt. Deshalb kann die „elastische Keramik“ mit 160 MPa Festigkeit hohe Kaukräfte kompensieren, ohne Frakturen auszulösen. Die Schichtstärke kann gegenüber dem Standard (Feldspat) okklusal auf 1,0 mm, approximal auf 0,8 mm reduziert werden (Güß et al, 2013). Kronenränder können feiner ausgefräst werden als bei Silikatkeramik; dadurch bleiben Restaurationsränder in situ unsichtbar. In Abrasionstests zeigte die Hybridkeramik einen „physiologischen“ Substanzverlust auf der Restauration sowie eine geringe Attritionswirkung auf dem Zahnschmelz des Antagonisten. Kausimulationen, z.B. mit Vita Enamic, zeigten nach 1,2 Millionen Zyklen Attritionsverluste von 8 46 µm auf der restaurierten Okklusionsfläche und 27 µm am Antagonisten (Mörmann et al, 2012). Abb. 9: Teilkronen und Kronen aus Hybridkeramik (Enamic). Quelle: Werling Die Nanoresin-Keramik enthält neben Silikatfüller (Korngröße 20 NanoMeter, nm) auch Zirkonoxid-Feinstpartikel (4-11 nm) in einer Polymermatrix (Abb. 10). Die Keramik ist nicht HF-ätzbar, Retentionsflächen müssen sandgestrahlt und adhäsiv befestigt werden. In-vitro Ergebnisse bei Belastung bis zum Bruch belegen, dass die Fraktur im Vergleich zur Silikatkeramik zeitverzögert eintritt. Eine 10jährige in-vivo Studie, die auch Feldspat-Inlays enthielt (Vita Mark II), zeigte keine Unterschiede in der klinischen Performance (Fasbinder, 2012). Als Indikationen für die Hybrid- und Nanoresin-Keramik empfehlen sich Inlays, Onlays, Kronen, Endo-Inlays und EndoKronen mit zirkulärer Hohlkehl-Fassung der Restzahnsubstanz (Fasbinder, 2012). Die stoßdämpfende Eigenschaft indiziert die Werkstoffe auch für implantatgetragene Kronen (Beuer et al, 2012). Abb. 10: Krone aus Nanoresin-Keramik (Ultimate) im Schleifsystem. Quelle: 3M Espe 9 Die neuen, zirkonoxidverstärkten Lithiumsilikat-Keramiken (Suprinity, Vita Zahnfab., Celtra Duo, Dentsply) basieren auf einer gemeinsamen Entwicklung der beiden Unternehmen, zusammen mit dem Fraunhofer-Institut, und haben eine sehr feine Mikrostruktur, die bei mittlerer Biegebruchfestigkeit einen hohen Glasanteil aufweist – geeignet für ästhetische Restaurationen mit erhöhter Festigkeit. Celtra Duo ist eine auskristallisierte, präfabrizierte Keramik; die Biegebruchfestigkeit und Risszähigkeit wurde durch eine 10-prozentige ZrO2-Dotierung deutlich angehoben, ohne dass eine optische Trübung eingetreten ist. Die im Cerec-System (Sirona) schleifbaren Blocks werden entweder chairside poliert und weisen dann eine Festigkeit von 210 MegaPascal (MPa) auf oder können mit einer Sinterglasur auf 370 MPa gebracht werden. Für das ZT-Labor steht Celtra CAD zur Verfügung, das vorkristallisiert bearbeitet wird und, final kristallisiert, über 420 MPa Biegebruchfestigkeit verfügt. Suprinity verfügt über ein sehr feinkristallines Gefüge mit einer Kristallgröße von ca. 0,5 µm und hat ebenfalls eine ZrO2-Partikeldotierung (8 Prozent). Vorkristallisiert weist der Block eine Biegebruchfestigkeit von 190 MPa auf und erreicht nach dem Ausschleifen durch einen finalen Kristallisationsbrand ebenfalls 420 MPa. Alle Produkte haben damit eine höhere Festigkeit als Feldspatkeramik und eignen sich, adhäsiv befestigt, für Inlays, Onlays, Veneers, Teilkronen und verblendfreie Front- und Seitenzahnkronen. Abb. 11: Univ.-Prof. Dr. Daniel Edelhoff zu „Komplexen Versorgungen aus Vollkeramik mit Veränderung der Vertikaldimension der Okklusion“. Quelle: Edelhoff Okklusionsänderung mit Kauflächen-Veneers Mit der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft zeigen sich als Begleiterscheinung immer mehr Erosionen an der Zahnhartsubstanz, deren Verbreitung in der Bevölkerung inzwischen die Merkmale einer „Volkskrankheit“ erreicht hat. Erosionen sind Zahnschäden, die durch den direkten Kontakt eines sauberen Zahnes mit Säuren entstehen. Die Säuren können Mineralien aus der Zahnoberfläche herauslösen, wodurch Zahnsubstanz abgetragen wird und Defekte auf der Zahnoberfläche entstehen. Auch Magensäure kann Zahnschäden verursachen, wenn sie häufig auf die Zähne einwirkt. Das kann beispielsweise der Fall sein bei Magenerkrankungen mit Reflux (z.B. Sodbrennen) und bei regelmäßigem Erbrechen, beispielsweise bei Essstörungen. Säuren kommen vor in Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln als 10 Brause oder Kautabletten (z.B. Vitamin-C- oder Magnesium-Präparate) sowie in Obst, Säften, Erfrischungsgetränken und Citrusfrüchten. Erste Anzeichen für Erosionen bleiben oft unbemerkt, da sie in der Regel keine Beschwerden verursachen. Wenn sich kleine, muldenförmige Defekte auf den Kauflächen oder den Außenflächen der Zähne bemerkbar machen, kann es sich um Erosionen handeln. Im fortgeschrittenen Stadium können Temperaturempfindlichkeit und Verfärbungen auftreten. Manchmal erscheinen die Schneidekanten durchscheinend oder kürzer. Schließlich können die Zähne wie „abgeschmolzen“ aussehen. Auch mastikative Dysfunktionen, Knirschen und die Veränderung der Bisslage können Gründe sein mit der Folge, dass Schmelz und Dentin in erheblichem Umfang abradiert werden (Genß et al, 2008; DGZMK, 2008). Wird eine umfangreiche Veränderung der Zahnoberflächen nicht therapeutisch behandelt, können daraus Störungen der Phonetik und Kaufunktion im stomatognathen System entstehen sowie Kiefergelenksbeschwerden auslösen. Unter dem Thema „Komplexe Versorgungen aus Vollkeramik mit Veränderung der Vertikaldimension der Okklusion“ stellte Univ.-Prof. Daniel Edelhoff, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Universität München (Abb. 11), die Restauration von stark abradierten Zähnen vor, in dem die Okklusalflächen mit bisserhöhenden Veneers versorgt wurden. Eine Rehabilitation ist meist komplex und oft nur durch die Neugestaltung der Okklusalflächen aller Zähne möglich. Dazu bieten sich relativ dünne, keramische Restaurationen an, die bei minimaler Präparation an der noch verbliebenen Zahnhartsubstanz adhäsiv befestigt werden. Die Substitution einer kompletten, okklusalen Kaufläche kann je nach Ausdehnung durch Onlays, Onlay-Veneers oder Teilkronen vorgenommen werden. Der Vorteil ist, dass die relevanten Kauflächenanteile des Zahns ersetzt werden können ohne die invasive Präparation für eine Vollkrone. Die Verwendung einer defektorientierten, keramischen Kaufläche in Form einer adhäsiv befestigten Okklusionsschale gewährleistet eine ästhetische Adaptation an die Restzahnhartsubstanz sowie eine gute chemische und mechanische Beständigkeit. Abb. 12: Stark abradierte Zähne mit Tiefbiss und okklusalen Dysfunktionen. Quelle: Edelhoff 11 Angezeigt sind Kauflächen-Veneers – auch Table Tops genannt – im Abrasionsoder Erosionsgebiss zur Wiederherstellung von anatomischen Kauflächen nach funktionsmorphologischen Prinzipien (Abb. 12). Sie dienen ebenso zur Bisshebung, bei Bisslageänderungen und zur Wiederherstellung einer adäquaten statischen und dynamischen Okklusion. Kontraindiziert sind Kauflächen-Veneers im kariesanfälligen Gebiss, bei endodontischen Komplikationen oder bei noch bestehenden erosiven Einwirkungen, da die Gefahr einer Sekundärkaries, eines Rezidivs oder einer erosiven Schädigung (z.B. approximal oder zervikal) im Vergleich zu einer Vollkrone größer ist. Die Anwendung wird eingeschränkt, wenn die Schmelzmenge eine unzureichende Haftfläche bietet oder die Restkronenlänge aufgrund einer ungünstigen anatomischen Form zu kurz ausfällt. Problematisch sind Veneers auch dann, wenn Zähne rotiert oder zu eng stehen (Kern et al, 2012). Bei Bisslageänderungen bzw. Bisserhöhungen aufgrund von Erosion bzw. Abrasion kann man die erforderliche Bisserhöhung auch dadurch erzielen, in dem nur ein Kiefer (OK oder UK) versorgt wird. Die Entscheidung, nur einen Kiefer zu rekonstruieren, wird von einer vorherigen funktionellen und ästhetischen Analyse der Ausgangssituation sowie vorhandener, intakter Restaurationen beeinflusst. Unter ästhetischen Gesichtspunkten sind die Übergänge zwischen den Kauflächen-Veneers und der natürlichen Zahnhartsubstanz im Unterkiefer weniger auffällig als im Oberkiefer. Abb. 13: CAD/CAM-gefertigte, langzeitprovisorische Kauflächen-Veneers aus Hochleistungspolymer (Zahntechnik: Josef Schweiger, LMU München). Quelle: Edelhoff Um den therapeutischen Erfolg komplexer Rehabilitationen vorhersagbarer zu machen, kann eine Zwischenversorgung mit Langzeitprovisorien, d.h. KauflächenVeneers aus Polymer, zum Einsatz kommen (Schweiger et al, 2011) (Abb. 13). Die einzeln CAD/CAM-gefertigten Veneers werden adhäsiv eingesetzt, so dass der Patient die neue Situation funktionell und ästhetisch testen und den Behandlungserfolg im Vorfeld verifizieren kann. Alternativ werden Methoden unter Zuhilfenahme von laborgefertigten Eierschalenprovisorien (Otto, 2004) und chairside gefertigten Provisorien mit Tiefziehschienen vom diagnostischen Wax-up (Lerner, 2008) in der Literatur beschrieben. Bei klassischen Verfahren ist es erforderlich, die Zähne zeitgleich zu beschleifen. Durch den Einsatz adhäsiv befestigter langzeitprovisorischer, zahnfarbener Restaurationen kann eine segmentierte Überführung in die definitiven 12 Versorgungen vorgenommen werden. Auf diese Weise können entsprechend den individuellen Präferenzen des Patienten zunächst die Seitenzähne und später die Frontzähne eines jeden Kiefers in keramische Restaurationen überführt werden (Bonilla et al, 2001). Die langzeitprovisorischen Versorgungen können durch die CAD/CAM-Technik zu wirtschaftlichen Bedingungen hergestellt werden und sind einer klassischen Schienentherapie klar überlegen, da sie „rund um die Uhr“ in Funktion bleiben und die neuen Zahnproportionen und das angestrebte Okklusionskonzept „zur Probe gefahren“ und gegebenenfalls modifiziert werden kann (Kavoura et al, 2005). Ziel dieser neuen Behandlungskonzepte ist die Verbesserung der Vorhersagbarkeit der Ergebnisse und eine minimalinvasive Behandlung. Rehabilitation der vertikalen Kieferrelation Für eine gute Langzeitprognose der neuen Kauflächen ist die genaue Planung der neu einzustellenden Okklusion von entscheidender Bedeutung (Keough, 2003). Wichtig hierbei sind die Bestimmung der Zentrikrelation (Abduo et al, 2012), die Einstellung der Vertikaldimension, die Okklusionsebene, die maxilläre und mandibuläre Inzisalkanten-position und die okklusale Oberflächenmorphologie der Seitenzähne (Edelhoff et al, 2013; Schweiger et al, 2011). Nach einer klinischen Funktionsanalyse werden Situationsmodelle hergestellt und diese anhand einer arbiträren Scharnierachsbestimmung und eines Zentrikregistrats im Artikulator montiert. Die für die spätere Versorgung funktionell und ästhetisch ideale Vertikaldimension wird durch ein analytisches Waxup eingestellt (Metha et al, 2012). Dieses wird in eine diagnostische Schablone (Tiefziehfolie) für eine „ästhetische Evaluierung“ durch den Zahnarzt und den Patienten überführt. Dazu kann die Schablone mit Komposit gefüllt und reversibel auf die mit flüssiger Vaseline isolierten Zähne gesetzt werden. Wird dieser Restaurationsvorschlag vom Patienten angenommen, wird im zahntechnischen Labor eine in der Höhe und Bisslage dem Waxup entsprechende Repositionsschiene mit Front-Eckzahn-Führung angefertigt. Diese Schiene sollte ca. drei Monate möglichst permanent getragen werden um zu prüfen, ob der Patient die neue Bisslage beschwerdefrei toleriert (Edelhoff et al, 2013; Harper, 2000; Rivera-Morales et al, 1992). Wird die Schiene vom Patienten beschwerdefrei getragen, kann die Übertragung der Situation entweder direkt in vollkeramische Restaurationen oder zunächst in CAD/CAM-gefräste, langzeitprovisorische Onlays aus Hochleistungskunststoff erfolgen. Für die Konstruktion können die Datensätze der Waxup-Modelle verwendet werden. Die Table Tops werden mittels Adhäsivtechnik auf natürlichen Zähnen und Kunststofffüllungen sowie auf metallischen und keramischen Versorgungen eingesetzt werden (Bertolotti et al, 1994). Da die neue Bisssituation nun permanant inkorporiert ist, können sich die neuronalen Bewegungsmuster besser etablieren. Um künftig funktionelle Beschwerden nach definitiver Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation möglichst auszuschließen, sollte diese semipermanente Phase für ca. 6 bis 12 Monate beibehalten werden (Davies et al, 2002; Metha et al 2012). Wurde die provisorische Restauration funktionell und ästhetisch vom Patienten akzeptiert, kann mit der definitiven Versorgung begonnen werden. Es bietet sich ein quadrantenweises Vorgehen an, wobei die vertikale und horizontale Kieferrelation nicht mehr verändert wird. Die definitive Versorgung kann konventionell oder mit der 13 CAD/CAM-Technik erfolgen, wobei im Idealfall die Datensätze der langzeitprovisorischen Onlays für die Konstruktion der vollkeramischen Kauflächen verwendet werden können (Abb. 14). Abb. 14: Table Tops aus LS2 für die definitive Bisserhöhung. Quelle: Edelhoff Präparation und Materialien Als Werkstoff für die provisorischen Kauflächen-Veneers sind Polymere (z.B. Telio CAD, Ivoclar-Vivadent; artBloc Temp, Merz; CAD-Temp, Vita), die auf CAD/CAMAnlagen ausgefräst werden (Edelhoff et al, 2012). Für die definitiven KauflächenVeneers bieten sich an: Presskeramik (IPS e.max Press, Empress Esthetic) oder die CAD/CAM-Fertigung mit vorkristallisierten Blöcken (IPS e.max CAD). Aufgrund der hohen Belastung im Kauflächenbereich ist Lithiumdisilikat (LS2) zu bevorzugen (Güß, 2010). Bei der Präparation ist zu beachten, dass der Verbund zum Schmelz besser ist als zu Dentin. Gleichzeitig stabilisiert das hohe E-Modul von Schmelz die Keramik. Im Zweifelsfall sollte daher Schmelz erhalten und statt dessen eine geringere Keramik-schichtdicke realisiert werden. Falls erforderlich, wird die Okklusalfläche mit Finierdiamant (25-40 µm Korn) geringfügig abgetragen; unter okklusalen Kontaktpunkten maximal 1,5 mm. Die Präparationstiefe sollte mit Silikonschlüssel oder Tiefziehfolie, die nach dem Waxup ausgerichtet sind, kontrolliert werden. Ein zirkulärer Stützrand ist nicht erforderlich; die Präparationsgrenze nach Möglichkeit muss jedoch vorhandene Füllungskavitäten überdecken (Edelhoff et al, 2013; Kern et al, 2012). Die okklusale Schichtstärke von Polymer und Keramik kann bis 0,3 mm reduziert werden (Kunzelmann, Schäfer Diss. 2013). Hinsichtlich der klinischen Bewährung von vollkeramischen Kauflächen-Veneers ist die Datenlage noch unzureichend. Für Kauflächen-Veneers aus LS2 auf Molaren bestehen jedoch günstige Prognosen (Clausen et al, 2010). 14 Digitaler Workflow in der Implantologie Implantatgetragener Zahnersatz zählt immer noch zu den großen Herausforderungen in der Zahnmedizin. Der Einsatz moderner Technologien und Werkstoffe hat die Herstellung jedoch revolutioniert und vereinfacht. Trotz der Nutzung computergestützter Verfahren ist eine eng verzahnte Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker eine absolute Grundvoraussetzung für den klinischen Erfolg. Die Schnittstellen der Implantatinsertion und der Digitaltechnik liegen derzeit in der Implantatplanung, in der Schablonen geführten Navigation sowie im Bereich der prothetischen Suprastrukturen. Letztere bieten aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich der CAD/CAMSysteme vielseitige Möglichkeiten zur Herstellung individueller Abutments. Abb. 15: Dr. Karl-Ludwig Ackermann, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI). Quelle: Ackermann Dr. Karl-Ludwig Ackermann (Abb. 15), Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI), gab auf dem Keramiksymposium einen Überblick über den Stand der computergestützten Implantologie und Implantatprothetik. Dank der 3D-Röntgentechnik (digitale Volumentomografie) kann der Zahnarzt die klinische Situation sehr genau befunden und den Behandlungsablauf virtuell planen. Dies baut darauf auf, dass die CAD/CAM-generierte prothetische Konstruktion der Mesiostruktur und Implantatkrone in das Röntgenbild importiert werden. Dafür werden Pfeilerzähne und Weichgewebe in dem Areal der geplanten Implantate zunächst mit einer lichtoptischen Abformung eingescannt, ebenso die die jeweiligen Antagonisten. Die Daten werden in ein Konstruktionsprogramm eingelesen und eine prothetische Suprakonstruktion simuliert. Dazu werden auf dem Kieferkamm idealtyische Präparationslinien positioniert, so dass verblockte Kronen dargestellt werden können. Die chirurgische und prothetische Planung wird dadurch aufeinander abgestimmt, dass die Lage des Implantatpfeilers und die Position sowie die Angulation des Abutments virtuell definiert werden. Durch diese „Rückwärtsplanung“ kann sichergestellt werden, dass die prothetische Suprakonstruktion funktionell passend auf das Implantat aufgebracht werden kann und sich ästhetisch in das Gesamtbild einfügt. Mit dem im DVT gewonnenen Datensatz kann eine chirurgische Bohrschablone aus Kunststoff mit Führungshülsen hergestellt werden. Diese bietet die Sicherheit, dass die Enossal-bohrung exakt an der vorgesehenen Position mit definierter Tiefe und Eindrehrichtung gesetzt werden kann. Bei der Herstellung der Bohrschablone über stereolithografische Verfahren oder 3D-Drucker ist die Genauigkeit der Auflagen der Schablonen durch die Auflösung der Oberflächendarstellung der Röntgenaufnahme bestimmt, so dass eine Nachbearbeitung mit einem konventionellen Modell oftmals notwendig wird. 15 Ein fehlerbehafteter Prozess ist die konventionelle Abdrucknahme mit Elastomeren trotz Nutzung eines individuellen Abformlöffels, bei der es zu mehr oder minder großen Abweichungen bei der Darstellung kommen kann (Neugebauer et al, 2011; Pieper, 2012). Hier bietet die digitale bzw. lichtoptische Intraoral-Abformung (z.B. mit COS Lava, Cerec Omnicam, iTero) ein Verfahren, das den Behandlungsablauf standardisiert und verkürzt (Wöstmann, 2012). Da für die prothetischen Aufbauten vielfach vollkeramische Werkstoffe wie Zirkoniumdioxid (ZrO2) oder Lithiumdisilikat (LS2) zum Einsatz kommen, die ohnehin einen digitalen Workflow zur CAD/CAMBearbeitung benötigen, ist es folgerichtig, die digitale Erfassung auf die Mundhöhle auszudehnen (Wöstmann et al, 2012) (Abb. 16). Abb. 16: CAD/CAM-Konstruktion einer Implantatkrone, System Cerec. Quelle: Rauscher Prothetik entscheidet das klinische Überleben Eine entscheidende Schnittstelle zwischen dem osseointegrierten Implantat und der prothetischen Suprastruktur ist das Implantat-Abutment (Ackermann et al, 2010). Es bildet den sensiblen Übergang durch das periimplantäre Weichgewebe zur Mundhöhle und zur Implantatkrone (Abb. 17). Die Anforderungen für das Abutment sind eine hohe Stabilität und Dauerfestigkeit, chemische Beständigkeit, sehr gute Biokompatibilität, die Option für eine individuelle Formgebung und Achsenausrichtung sowie ästhetische Eigenschaften, um bei dünner Gingiva durch ein Maskieren das Durchschimmern des meist grauen Titan-Ensossalteils zu verhindern (Beuer, 2010; Schweiger et al, 2012). Vor allem im Frontzahnbereich gelten ein individualisierbares Austrittsprofil sowie eine zahnähnliche Farbe und Transluzenz als wichtige Faktoren zur Rekonstruktion einer zufriedenstellenden Ästhetik (Jung et al, 2007; Müller et al, 16 2002; Yildirim et al, 2003). Als geeigneter Werkstoff für vollkeramische Abutments hat sich Zirkoniumdioxid (ZrO2) herausgestellt, da es neben der Biokompatibilität (Denry et al, 2008) auch die höchste mechanische Stabilität der in der Zahnmedizin verwendeten Keramiken bietet (Sailer et al, 2009). Lediglich metallkeramische und vollkeramische Implantatkronen zeigten auf Titan-Abuments eine noch höhere Bruchfestigkeit und sind vorwiegend im Molarenbereich oder bei schwierigen Bissverhältnissen angezeigt (Att et al, 2006; Glauser et al, 2004). ZrO2 ist im Durchtrittsbereich bzw. in der ästhetischen Zone vorteilhaft, wenn es unter ungünstigen strukturellen Bedingungen zu einer Freilegung der Abutment-Oberfläche kommen sollte. Die Ausformung des Weichgewebes durch das Abutment bietet auch den Nutzen, dass es die Überschussentfernung bei zementierten Lösungen deutlich erleichtert, da sich der marginale Rand der Restauration in den gut zugänglichen intrasulkären Bereich legen lässt. Moderne Implantatsysteme bieten die Möglichkeit der Verknüpfung mit CAD/CAM-Verfahren, in dem die Abutments individuell aus dem indizierten Material gefertigt werden können. Der industriell vorgefertigte Werkstoff, der standardisierte Produktionsprozess, die Software-gesteuerte Kontrollmöglichkeit zur Einhaltung der Mindeststärken, die materialschonende Bearbeitung – das sind die Vorteile der computergestützten Herstellung gegenüber der manuellen Fertigung. Diese Kriterien tragen wesentlich dazu bei, dass Implantate mit CAD/CAM-gefertigten Suprastrukturen eine hohe Überlebensrate aufweisen (Kohal et al, 2012; Sailer et al, 2007). Abb. 17: ZrO2-Abutment mit individualisiertem Emergenzprofil zur Stützung der Gingiva. Quelle: Ackermann Abutments formen Weichgewebe Konfektionierte Abutments stoßen manchmal an ihre Grenzen und bieten in angezeigten Fällen unbefriedigende Lösungen. Bei individuell CAD/CAM-gefertigten 17 Abutments kann sowohl die Achsneigung als auch die Form optimal der gegebenen Situation angepasst werden. Größter klinischer Vorteil ist die individuelle Gestaltung des Austrittsprofils. Die Ausformung des Weichgewebes wird durch ein individualisiertes Emergenzprofil unterstützt (Abb. 18). Individualisierte, CAD/CAM-gefertigte Abutments, die bereits die Geometrie des beschliffenen Prämolaren oder Molaren nachbilden, sind höher belastbar als konfektionierte Abutments (Beuer et al, 2011; Kohal et al, 2011, Kern et al, 2012). Abb. 18: FZ-Abutment aus ZrO2 maskiert das Durchschimmern des Titan-Enossalpfeilers bei dünner Gingiva. Quelle: Beuer Die Verbindung zwischen Vollkeramik-Abutment und Titan-Implantat ist immer noch Diskussionsgegenstand. Werden ZrO2-Abutments einteilig ohne Zwischenstruktur gefertigt, bietet dies den Vorteil, dass sich keine Klebe- und Fügematerialien im Sulkus der implantat-getragenen Restauration befinden. Eine gängige Lösung ist die Verwendung einer Mesiostruktur aus Titan, die in den Titan-Enossalpfeiler eingreift. Darauf kann ein individuelles Abutment aus ZrO2 mittels Klebung befestigt werden. Der Vorteil ist, dass in der Kontaktzone zwischen Implantat und Abutment das gleiche Material (Titan) Verwendung findet. Dadurch werden unterdimensionierte Keramikteile im Inneren des Implantats vermieden. Das ZrO2-Abutment erhält durch das „Titan-Innenleben“ eine höhere Stabilität (Beuer et al, 2012, Zembic et al, 2009). Ob eine Restauration verschraubt oder zementiert wird, hängt von der Präferenz des Behandlers und von der vestibulo-oralen Positionierung des Implantates ab. Ein palatinal gelegener Schraubenzugang ermöglicht eine Verschraubung. Die Vorteile liegen in einem möglichen späteren Zugang zur Schraube (Revision, Abb. 19) und in der Vermeidung von Zementresten im periimplantären Weichgewebe. Verschraubte Strukturen haben jedoch auch eine potenzielle Schwachstelle, denn durch das Verschrauben von Keramik auf einem Metallteil entsteht, ja nach Geometrie, eine Zugspannung, die zur Fraktur führen kann (Beuer et al, 2008). Risiko ist auch, dass 18 Keramikabplatzungen aufgrund der diskontinuierlichen Keramikfläche und mögliche biomechanische und hygienische Probleme bei zu ausladenden Überhängen entstehen können. Zementierte Suprakonstruktionen hingegen erlauben eine den anatomischen Voraussetzungen entsprechende Gestaltung des Abutments. Nicht ideal positionierte bzw. angulierte Implantate können leicht ausgeglichen werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Abutments sehr frühzeitig inseriert werden können und bis zur Stabilisierung der Weichgewebe ein konventionelles Kunststoffprovisorium die Zahnkrone ersetzt. Bei zementierten Suprakonstruktionen sollte generell eine nur leicht subgingival gelegene Präparationsgrenze verwendet werden, um Zementreste komplett entfernen zu können (Holst et al, 2013). Die unvollständige Entfernung von Überschüssen kann zu einer iatrogenen Periimplantitis führen. Abb. 19: ZrO2-Kronengerüst mit Schraubenzugang vor dem Verblenden. Quelle: Ackermann Das Befestigungskonzept des Referenten Dr. Ackermann orientiert sich an den Retentionsmerkmalen und biologischen Risiken. Bei parodontal nicht vorbelasteten Patienten wird die Einzelkrone zementiert. Bei einer Parodontitis-Anamnese ist die Verschraubung vorzuziehen. Kleine Brücken ohne Parodontitis können verschraubt werden. Die höhere Prävalenz technischer Komplikationen mit Verschraubungen ist den schwieriger zu behandelnden biologischen Problemen zementierter Brücken vorzuziehen. Weitspannige Brücken werden verschraubt. Im Frontzahnbereich werden Kronen und Brücken zementiert; dadurch lassen sich leichter ungünstige Implantatachsen beherrschen und ästhetische Lösungen erreichen. Die provisorische Zementierung als semipermanente Befestigung erfolgt mit Carboxylatzement; dies ermöglicht eine zerstörungsfreie Abnahme nach dem Probetragen vor der endgültigen Befestigung und im Fall einer technischen Komplikation. Bei Zementierung erfolgt die definitive Befestigung mit Monomerphosphat-Kleber oder Komposit. Dadurch werden auch Hohlräume (Bakterienreservoir) abgedichtet. Bei Verschraubungen wird zur Vermeidung einer Lockerung ein engmaschiger Recall mit dem Patienten zur Nachkontrolle vereinbart. Für Implantatkronen und -Brücken haben sich ZrO2-Gerüste mit Verblendung bewährt (Beuer et al, 2010; Ekfeldt et al, 2011; Larsson et al, 2010; Nothdurft et al, 2010). Wichtig sind laut Ackermann ausreichende Wandstärken sowie Konnektoren19 Querschnittsflächen (FZ 7-8 mm2, SZ 9-12 mm2, Abb. 20). Verblendungen auf ZrO2Gerüsten enthalten ein potenzielles Chipping-Risiko, besonders dann, wenn Höcker durch das Gerüst nicht anatoform unterstützt werden oder ungünstige funktionelle Bedingungen vorliegen. In einer Studie, durchgeführt in der Praxis Ackermann, wurde an 344 Verblendkronen retrospektiv festgestellt, dass sich mehr Chippings auf Implantatkronen ereignen als auf natürlichen Zahnstümpfen (Reichenbach, Diss. 2011). Erfahrungen wurden auch mit verblendfreien „Vollzirkon“-Kronen gesammelt. Die Resultate zeigten, dass nicht die Härte des Werkstoffs, sondern eine mangelnde Oberflächengüte einen schädigenden Einfluss auf den Antagonisten haben können. Dies setzt voraus, dass die Oberfläche der ZrO2-Krone professionell poliert werden muss. Die hohe Biegebruchfestigkeit des Werkstoffs spricht auch für die Anwendung bei Bruxismus, obwohl bei Dysfunktionen des Kiefergelenks punktuell extreme Presskräfte auftreten können, ohne dass der Patient sich dessen bewusst ist. Aus ästhetischen Gründen bleiben diese ZrO2-Kronen auf den Seitenzahnbereich und besonders auf die Implantatprothetik beschränkt; hier kann wegen der fehlenden ossären Eigenbeweglichkeit des Enossalpfeilers und des taktilen Defizits das erhöhte Risiko einer Fraktur ausgeschlossen werden (Pröbster et al, 2012). Abb. 20: Implantatgetragene Brückengerüste aus eingefärbtem ZrO2 vor der Verblendung. Quelle: Ackermann Zur Vermeidung von Frakturen handgeschichteter Verblendungen auf Implantaten wurden auch Gerüste aus ZrO2 (Lava) mit CAD/CAM-gefertigten Verblendschalen gefertigt (Dental Veneering System) und in der Praxis Ackermann eingegliedert. Hierbei wird der Verblendmantel, etwa in Schmelzdicke, vom Gerüstdatensatz abgespalten und aus Silikatkeramik gefräst. Gerüst und Verblendung werden verklebt. In der Praxis hat sich auch diese Methode klinisch bewährt. Fazit: Aufgrund der hohen Überlebensrate und der Positionsgenauigkeit computergestützt inserierter Implantate und Suprastrukturen ist der digitale Workflow in der Lage, auch komplexe anatomische Situationen zu meistern. 20 Abb. 21: Priv.-Doz. Dr. Michael Stimmelmayr, Cham Knochenvolumen stabilisieren als Voraussetzung PD Dr. Michael Stimmelmayr, niedergelassener Zahnarzt, Oralchirurg und Implantologe in Cham (Abb. 21), begründete die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation, bevor er unter dem Thema „Korrekturen missglückter implantatprothetischer Frontzahnversorgungen“ Patientenfälle mit schwierigen Rekonstruktionen aus der eigenen Praxis vorstellte. Ziel der Implantat-Versorgung ist, die Kaufunktion wieder herzustellen – ferner durch das Schließen von Lücken auch ein ästhetisches Zahnbild nach dem natürlichen Vorbild zu erlangen. Herausforderungen für den Behandler entstehen dadurch, dass nach Zahnverlusten der Kieferknochen an Volumen verliert. Bei der Extraktion kommt es zu einem Abriss der Sharpey'schen Fasern; dadurch verliert der Bündelknochen seine Funktion und wird resorbiert (Cardaropoli et al, 2005). Die transversale Resorption kann nach drei Monaten 3,8 mm, die vertikale Resorption 1,2 mm betragen. Nach 12 Monaten kann der ossäre Verlust auf 6,1 mm (transversal) ansteigen, wobei zwei Drittel der Resorption auf den bukkalen Bereich entfallen. Ferner führen zu dünne bukkale Knochenlamellen an den späteren Implantatrekonstruktionen oftmals zu Rezessionen und somit auch zu Weichgewebedefiziten, die im Nachhinein nur sehr schwer korrigiert werden können (Grunder, 2000; Hämmerle et al, 2004; Schropp et al, 2003). Der Bündelknochen ist entscheidend an den Heilungsvorgängen in der Extraktionsalveole beteiligt (Araujo et al, 2005). Da stets ein bestimmter Anteil der inneren Alveolenwand aus Bündelknochen besteht, weisen dünne parodontale Biotypen bukkale Lamellen auf, die fast vollständig aus Bündelknochen bestehen und nach Zahnentfernung vollständig resorbieren (Schmidlin et al, 2004). Es muss daher bei dünnen parodontalen Biotypen - vor allem mit prominent im Alveolarknochen stehenden oberen Frontzähnen – mit massiven horizontalen und vertikalen Resorptionen gerechnet werden. Überdies kommt es im Rahmen der natürlichen Alveolenheilung zu einer Verlagerung der mukogingivalen Grenze und zur Abflachung der Interdentalpapillen sowie der fazialen Kontur des Alveolarfortsatzes (Buser et al, 2004;Terheyden et al, 2006). Ziel der Alveolenheilung ist die Erhaltung des Hart- und Weichgewebes nach Zahnextraktion. Dies ist Voraussetzung für die Schaffung eines idealen Emergenzprofils, 21 besonders im leicht einsehbaren, ästhetisch sensiblen Frontzahnbereich. In ästhetischer Hinsicht fokusiert die Behandlung auf eine präzise Einstellung der Gingivahöhe auf der fazialen Seite, die dauerhaft erhalten bleiben soll. Die faziale Knochenschulter ist die Basis der bukkalen Gingivaanheftung und definiert damit die rot-weiße Ästhetik. Narben müssen aufgrund ungünstiger Inzisionen vermieden werden (Grunder, 2009); sie sind Merkmale einer schlechten Wundheilung und ergeben ein fast nicht mehr mobilisierbares Gewebe. War bis vor wenigen Jahren ein Knochendefizit noch eine absolute Kontraindikation für eine Implantatinsertion (Spiekermann, 1990), so konnte durch die gesteuerte Knochenregeneration (GTR) das Spektrum der Implantologie deutlich erweitert werden (Buser et al, 1990). Nach Zahnverlust wurde bisher die verzögerte Sofortimplantation bevorzugt, um eine teilweise Weichgewebeund Knochenheilung zu erreichen (Hämmerle et al, 2004). Dabei wurde je nach Größe und Morphologie des Knochendefekts ein einzeitiges oder zweizeitiges, augmentatives und implantologisches Vorgehen durchgeführt (Feher et al, 2000). Wurde anfänglich mit Zeltpfosten-Konstruktionen zum Volumenerhalt und mit Membrantechniken gearbeitet (Buser et al, 1993), so wurde schnell erkannt, dass mit Knochenersatzmaterial oder Knochentransplantaten bessere Ergebnisse hinsichtlich des Volumengewinns erzielt werden konnten (Buser et al, 2004). Durch Augmentation in die Alveole ist es möglich, den horizontalen Knochenverlust im Bereich der Alveole um ca. 60 Prozent zu reduzieren (Weng et al, 2011) (Abb. 22). Autologe Knochentransplantate werden aus der näheren Umgebung, aus der Retromolar-Region oder dem Kinnbereich entnommen (Garg, 2006; Schlegel, 1996), mittels der Schalentechnik crestal verschraubt und mit einer resorbierbaren Membran geschützt, um Zellen aus dem angrenzenden Weichgewebe daran zu hindern, in den Defekt zu proliferieren. Der primäre Weichgewebeverschluss wird mit einem koronalen Verschiebelappen erzielt (Becker et al, 1990); dieses kann jedoch zu einer Verschiebung der mukogingivalen Grenze und somit zu einer Ästhetikeinbuße führen. Abb. 22: Kollagen-Membran zur Abdeckung des Augmentats in situ. 22 Strukturerhalt und langfristige Gewebestabilität Um der Knochen- und Weichgeweberesorption innerhalb der ersten drei bis vier Monate entgegen zu wirken, empfiehlt sich zeitgleich bei Zahnentfernung die RidgePreservation-Technik - der Wiederaufbau des Knochens - in Kombination mit einer Alveolendeckung (Socket-Seal-OP) durchzuführen (Lekovic et al, 1997; Stimmelmayr et al, 2009). Über den Zugang der Alveole kann minimalinvasiv, ohne zusätzliche Lappenbildung, eine Augmentation durchgeführt werden. Bei dieser Technik wird vor dem Auffüllen der Alveole mit resorbierbarem Knochenersatzmaterial oder autologem Knochen bukkal eine resorbierbare Kollagenmembran zwischen Periost und Knochenoberfläche eingebracht. Diese Augmentation kann minimalinvasiv über den Zugang der Alveole ohne zusätzliche Lappenbildung durchgeführt werden Stimmelmayr et al, 2010). Hierdurch kann eine Knochenresorption und ein später notwendiger, großer koronaler Verschiebelappen-Eingriff verhindert werden. Diese minimalinvasive Technik ohne Lappenabklappung beugt einer weiteren Resorption vor, da jegliche Deperiostierung des Knochens zum Verlust von Hartgewebe führen würde (Fickl et al, 2008). Das Socket-Seal-Verfahren mit kombinierten Bindegewebe-SchleimhautTransplantaten zum Verschluss von Extraktionsalveolen mit einstieligen Transplantaten ist aufgrund der nicht notwendigen Lappenbildung deutlich weniger invasiv und durch die zusätzliche Weichgewebevermehrung und Stabilisierung in der ästhetischen Zone zu bevorzugen (Iglhaut et al, 2006). Dieses Verfahren wurde von Stimmelmayr mit zweistieligen Transplantaten weiterentwickelt (Stimmelmayr et al, 2010) (Abb. 23). Neben einem besseren Gefäßanschluss kommt es zu einer Verdickung der bukkalen Weichgewebe (Abb. 24). Dies ist in der ästhetischen Zone zur Ausformung eines natürlichen Emergenzprofils von großer Bedeutung. Außerdem stützt der Weichgewebeverschluss der Extraktionsalveole die benachbarten Papillen und beugt einer Schrumpfung der ortständigen, befestigten Gingiva vor (Iglhaut et al, 2006; Landsberg, 1997; Landsberg et al, 1994; Seibert et al, 1996; Terheyden et al, 2006). Abb. 23: Kombiniertes Schleimhaut-Bindegewebe-Transplantat, entnommen am harten Gaumen. 23 Abb. 24: Das Transplantat verschließt den Zugang zur Alveole ohne Lappenbildung (Socket-Seal) und verdickt die bukkale Gingiva. Ein entscheidender Prozess ist die prothetisch orientierte Insertion des Implantats; deshalb müssen die Implantatpfeiler in der korrekten dreidimensionalen Position platziert werden. Dabei soll das Implantat mit seiner Schulter in mesio-distaler, in korono-apikaler und in oro-fazialer Richtung in die sogenannten Komfortzonen platziert werden (Wittneben et al, 2013). Die Freilegung des zweizeitigen Implantats wird heute nach 3-5 Monaten mit graziler Lappentechnik durchgeführt, um die Morbidität des Patienten gering zu halten. Anschließend erfolgt die provisorische Versorgung mit dem Ziel der Weichgewebskonditionierung (Buser et al, 2013). In der ästhetischen Zone sind Implantate, die auf Knocheniveau inseriert sind, von Vorteil, da diese mehr prothetische Freiheit ermöglichen und unter anderem auch eine individuelle Gestaltung des Mukosa- und Emergenzprofils erlauben. Suprastruktur stützt Weichgewebe Die Zahnästhetik beruht auf dem Zusammenspiel der Zähne und der Gingiva. Deshalb ist der Übergang der prothetischen Versorgung zur Gingiva eine wichtige Schnittstelle in der Implantologie. Diese Schnittstelle, das Austrittsprofil der Suprastruktur, ist aus ästhetischer und biologischer Sicht von entscheidender Bedeutung. Nachträgliche Korrekturen sind in diesem Bereich nur selten erfolgreich. Nach Freilegung des Implantats ist das Austrittsprofil kreisrund und entspricht nicht der natürlichen Form eines Zahns. Die periimplantäre Weichgewebearchtitektur wird durch die Weichteilkonditionierung gestaltet, z.B. durch die dynamische Kompressionsmethode (Wittneben et al, 2013). Dabei wird in den ersten Wochen durch eine Konturierung des Provisoriums Druck auf die periimplantäre Mukosa ausgeübt und das Emergenzprofil ausgeformt. Das Mukosa- und Emergenzprofil werden durch Anfertigung eines individuellen Abformpfostens registriert und auf das Meistermodell übertragen (Joda et al, 2013). Transgingivales Verbindungselement zwischen Implantat und der implantatgetragenen Krone ist das Abutment; es bewerkstelligt bei 24 zweigeteilten Implantaten den Übergang, die Gewebsformung und die Ästhetik durch das Emergenzprofil (Abb. 25). Funktionell sichert es den Verbund zum Implantatkörper unterhalb des Knochenniveaus, retiniert durch eine Schraub-, Klebe, Zementierungs- oder frikativ wirkende Konussteckverbindung. Sowohl auf der Ebene der Implantatschulter als auch im Kontaktbereich zur Rekonstruktion ist ein spaltfreier Übergang anzustreben, um bakterielle Belastungen im sensiblen Umgebungsbereich auszuschließen. Abb. 25: Gingivaformendes Abutment aus ZrO2 in situ. Quelle: Abb. 21-25 Stimmelmayr Risiken der Implantation Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Implantaten ist in der Literatur gut dokumentiert. In Abhängigkeit von der Knochenqualität wurden in einer retrospektiven Studie nach sieben Jahren eine kumulative Erfolgsrate bis zu 94 Prozent ermittelt (Friberg et al, 2008). Bei zuvor augmentierten Knochen wurde nach fünf Jahren 88 Prozent Erfolgsrate festgestellt (Levin et al, 2006). Neben technischen Komplikationen können auch biologische Ereignisse die Erfolgsrate beeinflussen. Dazu zählen Mukositis und Periimplantitis; letztere kann zum Knochenverlust um das Implantat führen. Angaben zur Prävalenz der Periimplantitis variieren stark. Im Zeitraum von 9-14 Jahren zeigten 16 Prozent von untersuchten Implantaten Anzeichen von Periimplantitis mit 3 mm Knochenverlust (Roos-Jansaker et al, 2006). Der Anteil der Probanden mit Perioimplantitis betrug 56 Prozent. Vertikale Augmentate mit autologem Knochen und Membran erzielten einen Knochenzuwachs von durchschnittlich 5 mm (Tinti et al, 1996). Eine Übersichtsarbeit wies den Knochenzuwachs durch Augmentate mit 28 mm aus (Rocchieta et al, 2008). Die Überlebensraten im augmentierten Knochen sind jedoch deutlich geringer als im nicht augmentierten Knochen (augment. 75 Prozent, non-augment. 84 Prozent; Becker et al, 2004). In einer Metaanalyse zu augmentierten Knochen lag die Erfolgsrate nach fünf Jahren zwischen 79 und 100 Prozent (Hämmerle et al, 2002). Auch das Ausmaß der Resorption hat Einfluss auf die Langzeitprognose. Eine Studie wies innerhalb von drei Jahren einen Knochenverlust bis zu 5 mm nach (Rocchietta et al, 2008). Misserfolge können auch Dehiszenzen, 25 Augmentatsverluste und statische sowie dynamische Fehlbelastungen auslösen. So führt die Überlastung des Implantats zu einen plötzlichen Verlust der Osseointegration (Isidor, 1996). Stimmelmayr stellte im Referat einen jugendlichen Überweisungs-Patienten vor, bei dem Zahn 12 bereits implantiert, aber das vertikal eingebrachte Knochenaugmentat trotz längerer Verweilzeit in situ weder eingeheilt noch ossifiziert war. Das Augmentatgranulat hatte die Mukosa durchbrochen, weil nicht ausreichendes Weichgewebe zur Deckung mobilisiert oder kein spannungsfreier Gewebelappen vorhanden war, der die Augmentationsregion frei von Bewegung bedecken sollte. Damit war kein Knochenlager für das Implantat entstanden. Durch die fehlende ossäre und weichgewebliche Stabilität kam es zum implantologischen und dentogenen Misserfolg. Therapeutisch angezeigt, wurde für die Reossifizierung der Maxilla der Enossalpfeiler herausgenommen und mittels Tunneltechnik ein Gewebetransplantat eingebracht. Alternativ hätte es eines größeren Blockaugmentats bedurft. Daraus hätten plastische Deckungsprobleme mit entsprechender Narbenbildung resultiert. Eine Periostschlitzung wurde umgangen und somit auch die in der ästhetischen Zone mögliche, ungute Verschiebung der mukogingivalen Grenze. Nach erfolgter Einheilung des Gewebetransplantats blieb jedoch ein deutlicher Knochenverlust erkennbar, so dass eine erneute Implantation nicht möglich war. Als einzige Möglichkeit blieb, die Lücke regio 12 mit einer einflügeligen Adhäsivbrücke zu verschließen. Hierzu wurde der Schmelz von Zahn 13 palatinal minimalinsasiv präpariert, ein graziles Gerüst aus ZrO2 mit Flügel gefertigt und bukkal verblendet. Die Befestigung erfolgte mit Monophosphatkleber. Der 2-Jahres-Recal zeigte stabile klinische Verhältnisse. Mit der Adhäsivbrücke blieb die Option langfristig erhalten, nach Rehabilitation der Knochensituation wiederum ein Implantat zu inserieren. Forschungspreis gehr nach Innsbruck Den Forschungspreis Vollkeramik für das Jahr 2013 hat die Jury Frau Priv.-Doz. Ulrike Beier, Universität Innsbruck, für die Arbeit "Einfluss des Präparations-Designs auf den Langzeiterfolg keramischer Veneers bei sensiblen Zähnen“ zuerkannt (Abb. 26). Abb. 26: Der „Forschungspreis Vollkeramik 2013“ ging an PD Dr. Ulrike Beier, Innsbruck. Links der Laudator, Dr. Reiss. Quelle: AG Keramik 26 Beier hatte das Frakturverhalten von 292 vollkeramischen Veneers mit unterschiedlichen Präparationsdesigns untersucht: 1. Overlap Präparation mit Reduktion der Inzisalkante und 2. Non-Overlap Präparation ohne Fassung der Inzisalkante. Als Resultat wiesen Veneers mit Reduktion und Fassung der Inzisalkante (OverlapPräparationsdesign) ein signifikant erhöhtes Misserfolgsrisiko aus. Die Untersuchung zeigte, dass - wenn es klinisch möglich ist - einer substanzschonenden Präparation ohne Reduktion und Fassung der Inzisalkante auf sensiblen Zähnen der Vorzug gegeben werden sollte. Für Zahnärzte und Zahntechniker hatte die AG Keramik erstmalig einen VideofilmWettbewerb ausgeschrieben. Die 3-Minuten-Videos sollten das klinische und technische Procedere bei der Behandlung und Herstellung von vollkeramischen Restauration zeigen und kommentieren. Besonders praktische Tipps und Tricks bei der Vorgehensweise waren erbeten. Der 1. Preis ging an die Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg, Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, unter der Leitung von Frau PD Dr. Petra Güß unter Mitwirkung von Dr. Markus Sperlich und Dr. Christian Selz für das Video „Lithiumdisilikat – ein Allrounder“ (Abb. 27). Den 2. Preis erhielten für das Video „Minimalinvasiver Lückenschluss“ das Autorenteam von der Universität Tübingen, Frau Dr. Andrea Klink und Dr. Fabian Hüttig. Der Film „Baumstumpf“ von Dr. Andreas Söhnel, Universität Greifswald, wurde mit dem 3. Preis belohnt. Abb. 27: Den Videofilm-Preis 2013 überreichte Dr. Reiss (AG Keramik) den erstplazierten Gewinnern Dr. Markus Sperlich, Frau PD Dr. Petra Güß, Dr. Christian Selz (v.l.n.r.) von der Universität Freiburg. Quelle: AG Keramik __________________________________________________________________________ AG Keramik – Schriftführung Im Dez 2013 27