www.signale-graz.at Inhalt Inhalt Editorial Wagnis Live-Elektronik impuls — Akademie / Festival / Wettbewerb / Veranstaltungen Programm Michele Del Prete: Cambiamenti Di Stato Michele Del Prete: Biographie Karlheinz Essl: Sequitur XIII Karlheinz Essl: Biographie Hyunsuk Jun: Papilio Ulysses Hyunsuk Jun: Biographie Germán Toro-Pérez: Rulfo / ecos I Germán Toro-Pérez: Biographie Aliona Yurtsevich: TREE /study – III Aliona Yurtsevich: Biographie Das erweiterte Instrument Ausblick signalegraz 0011 Mitwirkende Seite 47, 101111, / Impressum Editorial »Musik ist die Kunst der Hoffnung auf Resonanz« Jean- Luc Nancy Die Veranstaltungsreihe signale graz widmet sich der Präsentation musikalischer und klangkünstlerischer Arbeiten, die in substantieller Form vermit tels mo derner Medientechnologie konzipiert oder realisiert wurden. Die Aufführung solcher Werke stellt eine besondere Herausforderung für Publikum, InterpretInnen und VeranstalterInnen dar, da viele dieser Arbeiten allgemein etablierte Formen der Präsentation und Rezeption auf ihre jeweils besondere Art aus den Angeln heben. Damit gerät auch ein traditionelles Verständnis der Begriffe Werk, Konzert, Komposition, Notation, Instrument, Interpretation und Improvisation aus den Fugen und muss immer wieder neu verhandelt werden. So erfordert jede Arbeit ihre spezifische Hörhaltung und Aufführungssituation – und damit größtmögliche Flexibilität seitens des Publikums, der InterpretInnen und der VeranstalterInnen. Mit signalegraz verfolgt die Kunstuniversität Graz das Ziel, die besten Bedingungen dafür zu schaffen, sich diesen Herausforderungen an das Zuhören und Nachdenken zu stellen. Dabei steht die sinnliche Erfahrung im Rahmen künstlerisch und technisch exzellenter Aufführungen im Vordergrund. Ergänzt wird diese durch ein ausgewähltes Angebot zur Reflexion in Form einer Internetseite und eines Booklets, dessen dritte Ausgabe Sie in Händen halten. Diese Form der Präsentation folgt der Überzeugung, dass Erfahrung und Reflexion einander bedingen und daher als Einheit begriffen werden sollten. Mit dem György - Ligeti - Saal im MUMUTH besitzt die Kunstuniversität Graz einen weltweit einzigartig ausgestatteten Aufführungsraum und damit eine ideale Heimat für signale graz . Die Programmierung und Durchführung dieser Veranstaltungsreihe wird von Studierenden und AbsolventInnen sowie von mehreren Instituten der Universität getragen. Das vom Institut für Elektronische Musik und Akustik koordinierte Team erarbeitet das Programm gemeinsam mit den Instituten für Bühnengestaltung und Musikästhetik sowie dem Institut für Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren. Die Durchführung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Veranstaltungsabteilung und besonders der Haustechnik des MUMUTH. Der Untertitel der Veranstaltungsreihe deutet das Spektrum der Arbeiten an, die mit signalegraz präsentiert werden sollen. Dieses reicht von Elektroakustischer Musik (als Überbegriff verstanden) über Algorithmische Komposition und Radiokunst (als wichtige Exponenten genannt) bis zur Performance (als Gegenpol zur Warenform des Werkes gedacht). Die Heterogenität dieser Aufzählung ist ein Indiz für die Unübersichtlichkeit des Feldes, dessen sich signale graz annimmt. Zudem ist es auch Programm der Veranstaltungsreihe, historische Positionen aus den letzten Jahrzehnten zeitgenössischen Ansätzen gegenüber zu stellen. Die erste Veranstaltung der Reihe im März 2010 programmierte als Auftakt eine vielgestaltige und kontrastreiche Auswahl solcher Positionen aus dem letzten halben Jahrhundert. Das zweite Konzert im Oktober 2010 setzte sich mit aktuellen Ansätzen der Algorithmischen Komposition auseinander und die dritte Veranstaltung am heutigen Abend, die in Kooperation mit impuls stattfindet, widmet sich dem Thema Live-Elektronik, der Verbindung von Instrumentalmusik und Elektronik. Im Dezember 2011 wird im Rahmen der Konzertreihe ein international besetztes Jubiläumskonzert anlässlich des 85. Geburtstags Gottfried Michael Koenigs, e i n e m d e r w i c ht i g s te n P i o n i e re d e r Elektronischen Musik und der Computermusik, stattfinden. Gerhard Eckel und Gerriet K. Sharma Wagnis Live-Elektronik Unter Live-Elektronik soll hier eine spezielle Spielart der Elektroakustischen Musik verstanden werden, bei der den MusikerInnen im Konzert wieder die zentrale Rolle der Interpretation zufällt. Live-Elektronik wird also nicht nur im Studio produziert, sondern auch im Konzert gespielt. Zu der für jede Aufführung Elektroakustischer Musik notwendigen Einrichtung und Interpretation eines Stücks durch die Klangregie vor und während des Konzerts kommt noch eine instrumentale Form des Musizierens hinzu, bei der meist auch traditionelle Musikinstrumente Verwendung finden. Die Instrumente der Live-Elektronik unterliegen dabei nicht jener Standardisierung, die für traditionelle Instrumente typisch ist. Das macht eine Aufführung dieser Musik zur besonderen Herausforderung. Den MusikerInnen wird große Flexibilität abverlangt, da die Eigenschaften der Live-Elektronik-Instrumente meist als Teil der Komposition festgelegt werden und daher von Stück zu Stück sehr stark variieren können. Um ein komponiertes Instrument zu spielen bedarf es nicht nur der für jede Interpretation zeitgenössischer Musik notwendigen musikalischen und instrumentenspezifischen Fähigkeiten, sondern auch eines grundlegenden Verständnisses der in der Komposition (des Stücks und der Instrumente) angewendeten Konzepte und Techniken. Erschwert wird diese Situation noch dadurch, dass LiveElektronik oft zur Erweiterung traditio neller Instrumente eingesetzt wird. Die Spielbedingungen eines traditionel len Instruments können sich dadurch stark verändern und erfordern von den InterpretInnen eine besondere Auseinandersetzung. Die von den Möglichkeiten der Live-Elektronik ausgehende Faszination lässt KomponistInnen und MusikerInnen aber immer wieder das Wagnis eingehen, auf diesem Wege neue Formen des Musizierens zu verwirklichen. Diesen Prozess zu unterstützen, war das Ziel des im Rahmen der 7. internationalen impuls Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik veranstalteten Live-Elektronik-Workshops, dessen Ergebnisse in diesem Konzert präsentiert werden. Gerhard Eckel (2010) impuls Akademie Vom 5. bis 16. Februar 2011 findet in Graz die inzwischen 7. internationale impuls Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik statt. Gegründet von Beat Furrer und Ernst Kovacic hat sich impuls binnen weniger Jahre zu einer der international führenden Institutionen auf diesem Gebiet entwickelt. Dies nicht zuletzt dank eines internationalen Teams mit renommierten SpitzenmusikerInnen und KomponistInnen als TutorInnen (u. a. Pascal Dusapin, Rebecca Saunders, Georg Friedrich Haas, Bill Forman, Uli Fussenegger, Ian Pace, Ernesto Molinari, Marcus Weiss), die für höchste Qualität garantieren. Instrumentalklassen und Ensemblespiel, Kompositionsklassen, zahlreiche Lectures und Spezialprogramme wie Ensemble meets Composer, Leseproben mit dem Klangforum Wien, Elektronik- und Improvisationsworkshops … – impuls schafft für junge MusikerInnen und KomponistInnen aus der ganzen Welt einen umfassenden Zugang zu zeitgenössischer Musik, fördert in einer intensiven Akademiephase gemeinsame Arbeits- und Lernprozesse, bietet eine internationale Austauschplattform und im Rahmen des impuls Festivals auch zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten. Festival Zwischen 5 . und 16 . Februar findet in Graz 2011 auch bereits zum zweiten Mal das impuls Festival für zeitgenössische Musik statt. Am Programm des Festivals stehen neben Akademiepräsentationen auch Konzerte mit dem Klangforum Wien, dem jungen ensemble Interface und dem internationalen impuls TutorInnenteam, Werke der klassischen Moderne, der zeitgenössischen Musik, die impuls MinutenKonzerte, Podiumsdiskussionen, Roundtables, Vorträge, KomponistInnengespräche und natürlich auch Urauf führung en von impuls Kompositionsauf trägen sowie Kompositionen der Live-Elektronik – wie z. B. das signale graz 0011 Live Electronics Konzert. impuls Wettbewerb impuls fördert junge KomponistInnen nicht nur durch seine Akademie, sondern auch über den impuls Kompositionswettbewerb: impuls vergibt jedes zweite Jahr bis zu sechs Kompositionsaufträge für Ensemble an junge KomponistInnen, die über den internationalen impuls Kompositionswet tbewerb no miniert werden. In der Folge werden diese KomponistInnen auch zum impuls Kompositionsworkshop nach Wien und Graz eingeladen, im Zuge dessen ihre neuen Werke kollektiv und intensiv über knapp eine Woche hinweg mit Spitzenensembles wie dem Klangforum Wien erarbeitet, diskutiert und erprobt werden. Darüber hinaus sind die KomponistInnen natürlich auch zur Uraufführung ihrer neuen Stücke im Rahmen des impuls Festivals und der impuls Akademie nach Graz eingeladen. Veranstaltungen Neben Kompositionswettbewerb, Akademie und Festival bietet impuls auch Kurzworkshops für junge MusikerInnen in Österreich an, schafft für sie Präsentationsplattformen und kooperiert für Konzerte und andere Musikvermittlungsprogramme auch mit anderen VeranstalterInnenn und Kulturinstitutionen. www.impuls.cc Programm unter der Leitung von Gerhard Eckel und Peter Plessas Michele Del Prete: Cambiamenti Di Stato 2008 Karlheinz Essl: Sequitur XIII 2009 Hyunsuk Jun: Papilio Ulysses 2005 Germán Toro-Pérez: Rulfo / ecos I 2006 Aliona Yurtsevich: TREE / study – III 2007 Michele Del Prete: Cambiamenti Di Stato 2008 Der Titel Cambiamenti Di Stato (»Zustandsänderungen«) verweist auf die Bedeutung der sich verändernden Zustände der Bassklarinette und ihres Klanges innerhalb des Werkes. Die elektronische Verarbeitung der Klänge unterstützt die Wandlungen, denen das Soloinstrument unterzogen wird, indem sie ihm eine klangliche Umwelt bietet, auf welche sich die Änderungen beziehen können. In einer grundlegenden Bezugsebene setzt Michele Del Prete die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette in den Kontext physikalischer Zustände. Wie Klappengeräusch, Spaltklang und Luftton Klangzustände des Instruments Bassklarinette darstellen, sind Eis, Wasser und Dampf unterschiedliche Erscheinungsformen eines einzelnen Elements. Und wie das Element Wasser Abbild und Träger jener Intensität von Temperatur und Druck ist, welcher es ausgesetzt wurde, so transportiert die Klarinette durch ihre klanglichen Zustände die ihr eingeschriebenen Zustände von Energie und Ausdruck. Die gestalthafte »Verände rung im Gleichen« wird auf diese Weise thematisiert. Zweck wird sie aufgenommen und ihr Klang in Echtzeit der Live-Elektronik zugeführt, welche ihn verarbeitet und im Verlauf des Stückes eine Klangtextur generiert. Diese wird über acht Lautsprecher als Raumklang wiedergegeben. Somit erscheint die Bassklarinette nicht in ihrer einfachen, eigentlichen Klanggestalt, sondern ihr Zustand wird komplexer. Im Element Wasser wie in der Bassklarinette sind diese Zustandsänderungen angelegt und damit möglich. Die LiveElektronik stellt die Umwelt für diese Transformation dar. Die Bassklarinette wird durch Verzögerungen mit ihrem eigenen transformierten Klang konfrontiert, sowie durch Frequenzverschiebungen und Mikroverzögerungen mit einem »Klangschatten« versehen. Zu diesem Dem Attribut der Wandelbarkeit und der ihm innewohnenden Möglichkeit zur Verarbeitung stellt Del Prete sein Konzept der »Canoni morti« gegenüber. Der Klang der Canoni morti wird nicht während der Aufführung verräumlicht, sondern sie sind in ihrer elektronischen räumlichen Verarbeitung vorprogrammiert. Da sie somit keine Wandlungsfähigkeit aufweisen sind sie »tot«, dienen jedoch als Horizont für die Raumklang-Regie, welche in Echtzeit auf die klangliche Realisierung des Stücks reagiert. Andreas Pirchner (2010) Michele Del Prete: Biographie Michele Del Prete, geboren 1970 in Novara (Italien), studierte Philosophie an den Universitäten von Turin, Utrecht, Leiden und Berlin, wo er 2005 mit einer Arbeit über Franz Rosenzweig den Ph. D. erwarb. Er nahm an zahlreichen Kongressen teil, u. a. in Cambridge, Jerusalem, Rom, Darmstadt, Paris, Helsinki oder an der Harvard University. 2009/10 unterrichtete er Wahrnehmungs- und Gestaltpsychologie an der Accademia di Belle Arti in Turin. 2008 erhielt er sein Diplom in Composition and New Technologies am Conservatorio B. Marcello in Venedig. Es folgten ein Kompositionsworkshop bei Giacomo Manzoni und Meisterklassen mit Claudio Ambrosini und Agostino Di Scipio. Seit 2009 studiert er Komposition bei Beat Furrer an der Kunstuniversität Graz. Michele Del Prete arbeitet seit 2003 mit Texten von Roberto Bacchetta. Seine Werke wurden in Venedig (Conservatoire of Venice, Teatrino Groggia, Biennale Musica), Pordenone (Festival del Teatro Indipendente, 2008 und 2009), Rom (Teatro Manhattan), Mestre (Galleria Contemporaneo), Novara (Centro culturale UXA), Mailand (Festival 5 Giornate 2009 and 2010), Fiesole (Estate Fiesolana 2009 and 2010), Helsinki (Theater Academy), Berlin (BKA Theater), Barcelona (Festival Zeppelin 2009), Graz (KUG) und Sassari (La terra fertile 2010) aufgeführt. Karlheinz Essl: Sequitur XIII 2009 Sequitur ist eine Serie von 14 Kompositionen Karlheinz Essls. Alle sind durch die Klanglichkeit eines stets anderen Soloinstruments (z. B. Flöte, Violine, Toy-Piano) gekennzeichnet. Dieses interagiert zur musikalischen Klang- und Strukturerzeugung mit der immer gleichen Anordnung von Live-Elektronik: dem von Essl entwickelten Sequitur-Generator. Der Umfang der Serie sowie die intensive klangliche Erforschung der Möglichkeiten eines einzelnen Soloinstruments – bei Essl in ein Spannungsverhältnis zur Live-Elektronik gesetzt – verweisen auf Luciano Berios Zyklus Sequenzas. nicht wie etwa bei Ligetis Atmosphères 1 eingesetzt, um zu einer extremen strukturellen und klanglichen Verdichtung zu gelangen, welche die Wahrnehmbarkeit des einzelnen Klangereignisses auflöst und auf diese Weise ein Klangkontinuum betont. Vielmehr bleiben die einzelnen Klangereignisse im vorliegenden Stück wahrnehmbar, auch wenn sie sich durch die Technik des Kanons bedingt überlagern. Essl wählte außerdem einen Kanon mit kürzer werdendem Einsatzintervall der kanonischen Stimmen. Diese Technik bricht das starre Prinzip der konstanten Einsatzintervalle eines traditionellen Kanons 2 auf und führt zu einer zuneh- Die Bedeutung des Titels Sequitur (lat. für »er/sie/es folgt«) bezieht sich auf das dem Stück zugrunde liegenden Konstruktionsprinzip eines Kanons. Dieses wird jedoch menden Verdichtung der musikalischen Struktur. Die einzelnen Schichten des Kanons werden zusätzlich mit dem Verlauf der Zeit immer stärker verzerrt und »verfallen« so gegenüber den jüngeren Einsätzen. In allen Stücken der Sequitur-Serie setzt Essl seinen selbst entwickelten SequiturGenerator ein. Dieser wurde in der Software Max/MSP realisiert und verarbeitet die klanglichen Ereignisse des Soloinstruments, welche durch ein Mikrophon übertragen werden, in Echtzeit. Das Klangergebnis des Stückes ist die Summe der (notier ten) Per formance der SolistIn und deren Verarbeitung durch die Live-Elektronik. Das Resultat der Realisierung von Essls Vorgaben ist bei jeder Aufführung einzigartig. Anders als in improvisierter Musik sind bei Sequitur XIII die zu spielenden Noten für die SolistInnen genauestens in der Partitur festgelegt. Die strukturelle Einzigartigkeit der Realisierung wird durch zufallsgesteuerte Operationen und ein selbsttätiges Verhalten in der elektronischen Verarbeitung und der anschließenden modifizierten Rückspielung der Live-Klänge erreicht. Das Gestaltungsprinzip des strengen Kanons erscheint auf diese Weise durch die Elektronik aus den Angeln gehoben. Die SolistInnen werden mit ihrem eigenen Spiel konfrontiert, wobei das Zusammenspiel zwischen InterpretIn und Computer durch die verzerrten akustischen Reflektionen der Live-Elektronik stets neu und überraschend ausfällt. Andreas Pirchner (2010) »Etwa in der Mitte der ›Atmosphères‹ findet sich ein 56stimmiger Kanon. Die Stimmen imitieren einander zwar nicht im Rhythmischen, wohl aber in der Abfolge der Tonhöhen. […] Es ist unmöglich, den Kanon mit dem Ohr zu verfolgen« (vgl. Kaufmann, S. 110–112). 1 Eine Verfahrensweise, um aus einem einstimmigen Satz einen zweistimmigen Satz herzustellen, besteht darin, die zweite Stimme später als die erste einsetzen zu lassen. Sie ahmt die erste genau nach, imitiert sie streng (Knaus/ Scholz, S. 15). Der Kanon wird nach dem Intervallverhältnis benannt, in dem die zweite Stimme im Vergleich zur ersten einsetzt: etwa »Kanon in der Terz« (Knaus/Scholz, S. 37). 2 Essl, Karlheinz, http://www.essl.at/works/sequitur.html. Kaufmann, Harald, »Strukturen im Strukturlosen: Über György Ligetis ›Atmosphères‹«, in Spurlinien: Analytische Aufsätze über Sprache und Musik, Wien 1969, S. 107–117. Knaus, Herwig / Scholz, Gottfried, »Formen in der Musik. Herkunft, Analyse, Beschreibung«, Bd. 1, Wien 1988. Karlheinz Essl: Biographie Karlheinz Essl, 1960 in Wien geboren, studierte Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien sowie Komposition bei Friedrich Cerha und elektroakustische Musik bei Dieter Kaufmann, 1989 promovierte er mit einer Dissertation über Anton Webern. Als Kontrabassist spielte er in verschiedenen Kammermusik- und Jazzformationen. Er arbeitet als Komponist, Medienkünstler, Musikkurator und Kompositionslehrer. 1990–94 war Karlheinz Essl composer-in-residence bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1992/93 arbeitete er an einem Performance-Projekt mit Harald Naegeli und realisierte einen Kompositionsauftrag des IRCAM. 1995–2006 unterrichtete er Algorithmische Komposition an der Anton Bruckner Privat-Universität in Linz, daneben hielt er Gastvorlesungen u. a. in Toronto, Kopenhagen und Köln. Seit 2007 ist er Kompositionsprofessor für elektroakustische und experimentelle Musik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seit 1993 ist er Musikintendant der Sammlung Essl in Klosterneuburg/Wien. 1997 wurde ihm ein Komponistenportrait bei den Salzburger Festspielen gewidmet, 2004 erhielt er den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich für Musik. Karlheinz Essl entwickelt neben Instrumentalwerken und Kompositionen mit Live-Elektronik auch generative Kompositions-Software, Improvisationskonzepte, Klanginstallationen, Performances sowie Internet-Projekte, auch hat er laufend Auftritte als Live-Performer mit dem selbstentwickelten computer-basierten Meta-Instrument m@ze°2. Seine Werke wurden bei zahlreichen internationalen Festivals aufgeführt, dabei arbeitete er auch mit vielen bekannten Ensembles zusammen. Weitere Informationen: http://www.essl.at Hyunsuk Jun: Papilio Ulysses 2005 Papilio Ulysses für Violine und elektronische Klänge wurde im Jahr 2005 von Hyunsuk Jun komponiert. Während bei anderen seiner Stücke außermusikalische Einflüsse aus Literatur oder der bildenden Kunst auftreten, ist es bei dem vorliegenden Stück der Odysseusfalter (lat. Papilio ulysses), der als Quelle der Inspiration dient. Wie sich die Farbnuancen des Blaus der Flügel von Papilio ulysses mit dem Blickwinkel ändern, unter dem sie betrachtet werden, so zeigen auch die elektronischen Klänge der Komposition neue Sichtweisen auf das durch sie kontextualisierte Spiel der Violine. . Die Live-Elektronik nimmt dabei die Rolle eines Tonbandes ein. Auf dieses Tonband werden Klänge aufgenommen sowie durch elektronische Verfahren des Studios modifiziert und gemischt, um dann in der Aufführungssituation allein oder in Kombination mit Instrumenten abgespielt zu werden. Das Tonband wurde erstmalig 1935 von der Firma AEG bei der Berliner Funkausstellung vorgestellt und von Beginn der 1950er Jahre an für Tonband-Kompositionen eingesetzt. Doch liegt bei den meisten zeitgenössischen Kompositionen, welche im Studio vorpräpariertes Material verwenden, keine elektromagnetische Bandaufzeichnung mehr vor. Die Klänge werden heute in der Regel am Computer sowohl bearbeitet als auch durch diesen in Echtzeit wiedergegeben. Durch den Umstand, dass die Klänge vorproduziert sind, exemplifiziert Papilio Ulysses eine andere Herangehensweise zur Hervorbringung des klanglichen Resultats der Aufführung als das Konzept der in Echtzeit erzeugten elektronischen Klänge. Ein Teil des hörbaren Stücks ist bereits »unveränderlich « vorproduziert und der Aufführung damit eingeschrieben. In der Verbindung von diesem Material und dem Instrumentalvortrag ergeben sich eigene ästhetische Qualitäten und produktive Reibungen. Andreas Pirchner (2010) Hyunsuk Jun: Biographie Hyunsuk Jun studierte 2001–2005 zunächst Komposition an der ChuGye Universit y for the Ar ts (Korea), an schließend elektroakustische Komposition an der Korea National Universit y of Ar ts. Seit 20 09 studier t er Komposition an der Kunstuniversität Graz. Seine Werke umfassen Kompo sitionen für Orchester, Kammermusik, elektronische Klänge und Tonband. Seine Kompositionen wurden beim Seoul International Computer Music Festival, Seoul Creation Music Festival, Panmusic Festival und Nong project der Korea National University of Arts (Korea), bei SIGGRAPH 2007 (USA) und in der Aram Art Gallery aufgeführt. Hyunsuk Jun erhielt 2004 und 2005 erste Preise beim Seoul computer music contest. Germán Toro-Pérez: Rulfo/ecos I Rulfo/ecos I ist das zweite Stück aus Germán Toro-Pérez’ Zyklus Rulfo/voces/ecos. Dieser umfasst fünf Stücke für Streichtrio und Live-Elektronik, wurde 2006 uraufgeführt und bezieht sich auf das Werk des mexikanischen Schriftstellers Juan Rulfo, welcher in seinem schmalen, jedoch experimentellen Oeuvre in düsteren Worten das harte Leben der mexikanischen Landbevölkerung beschreibt.1 Der musikalische Bezug des Zyklus zu Rulfos Sprache der Einsamkeit zeigt sich in den monodischen Phrasen der jeweiligen Soloinstrumente . 2 Charakteristisch 2006 für ecos I ist das bis an seine artikulatorischen Grenzen ausgereizte Cello, für dessen gestischen Ausdruck die klangliche Spannung zwischen Phrasen, welche durch Glissandi gekennzeichnet sind, und solchen, welche diskrete, schnelle Tonsprünge aufweisen, kennzeichnend ist. Diese Dialektik des Ausdrucks verdichtet sich im Verlauf des Stückes durch die steigende Intensität, und es fällt leicht, dabei an den Dialog zweier Charaktere zu denken, welche gleichsam durch das Cello gezeichnet werden und somit zwei Seiten eines einzelnen Wesens aufzeigen.3 Der virtuose, springende Vortrag des Cellos spielt sich vor dem klanglichen Hintergrund der Live-Elektronik ab. Diese hat die Aufgabe das Klangbild des jeweiligen Soloinstruments zu erweitern 4 sowie die Erinnerungen an die Vergangenheit zu vergegenwärtigen. Es treten hier ausgedehnte Klangtexturen auf, welche die Erfahrung eines Klangraumes suggerieren. Zunächst erscheinen sie statisch und erzeugen eine Art Klangkontinuum, welches jenen Raum bewirkt, in welchem sich die virtuosen, in sich beschleunigten Gesten des Cellos ereignen, und von welchem sie sich gleichzeitig unterscheiden. Durch eine anaphorische Verbindung wird das klanglich Vergangene durch die Live-Elektronik in den direkten Kontext der Gegenwart des Stückes gesetzt, sowie das Spiel des Cellos als aktueller Modus des Vergangenen und seines eigenen Vortrags inszeniert. Auf diese Weise wird HörerInnen eine fragmentarische Zeiterfahrung, in welcher die Erinnerung die kontinuierliche Gegenwart vorübergehend überdeckt, zuteil. Andreas Pirchner (2010) Rulfos Stil wird als innovativ und experimentell angesehen. Seine Vorliebe für absurde Handlungen und sonderbare Charaktere machen ihn zum Ideengeber des »Magischen Realismus«. (Ocasio, S. 98f.) 1 2 Vgl. Ender. Germán Toro-Pérez erwähnt selbst Rulfos Erzählung No oyes ladrar los perros (»Hörst du nicht die Hunde bellen?«) als beispielhaft. Sie kann als Monolog verstanden werden: Vater und Sohn sind ein einziger Mensch, der Selbstgespräche führt. 3 4 Vgl. Ender. Ender, Daniel, »Der Wert des Schöpferischen. Der Erste Bank Kompositionsauftrag 1989–2007. 18 Portraitskizzen und ein Essay«, Wien 2007. Ocasio, Rafael, »Literature of Latin America«, Westport 2004. Germán Toro-Pérez: Biographie Germán Toro - Pérez, 1964 in Bogotá geboren, studierte Komposition bei Luis Torres Zuleta in Bogotá und bei Erich Urbanner und Karl-Heinz Füssl an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Außerdem belegte er Dirigierkurse bei Karl Österreicher und Peter Eötvös und betrieb Studien der Elektroakustik und Computermusik in Wien und am IRCAM in Paris. Seine Werke umfassen Instrumentalwerke und elektroakustische Kompositionen sowie Werke, die in Zusammenarbeit mit Grafikdesign, Malerei und Experimentalfilm entstanden sind. Er erhielt sowohl Kompositionsstipendien als auch Kompositionspreise, u. a. in Bogotá, Bourges und Österreich. Seine Werke wurden in Europa, Südkorea und Nord- und Südamerika bei Festivals wie Wien Modern, Klangspuren Schwaz, Sonorities Belfast, Borealis (Norwegen), Humor y Aliento (Mexiko) u. a. aufgeführt. Dabei arbeite te er mit zahlreichen Ensembles wie z. B. den New Century Players L. A., dem Mosaik Berlin oder dem Klangforum Wien zusammen. Er ist außerdem Mitbegründer des NewTon-Ensembles. Germán Toro - Pérez war 1999–2006 Leiter des ComputermusikKurses an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2006/07 war er dort Gastprofessor für elektroakustische Komposition. Seit 2007 leitet er das Institu te for Computer Music and Sound Technology (ICST) an der Zürcher Hochschule der Künste. Aliona Yurtsevich: TREE / study – III 2007 TREE / study – III ist eine Arbeit für SoloFlöte und 6-kanalige Live-Elektronik. Sie ist Teil des Projekts TREE, welches von Aliona Yurtesevich im Jahr 2006 initiiert wurde und inzwischen zehn Arbeiten umfasst. Grundidee des Projekts ist es, Eigenschaf ten und Verhaltensweisen von Bäumen hörbar zu machen. Die einzelnen Arbeiten des TREE - Projekts nähern sich diesem Ziel aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Im Falle der vorliegenden TREE / study – III wurden nicht etwa physikalische Schwingungen aufgezeichnet, sondern die Zeichnung eines kahlen Baumes auf ein zuvor erstelltes Raster übertragen, dessen Werte dem Tonumfang der Flöte zu einem bestimmten Zeitpunkt entsprechen. Der graphische Verlauf der Äste wurde auf diese Weise in Tonfolgen übersetzt und die strukturellen Eigenschaften des Baumes somit sonifiziert. Der Begriff »Sonifikation« bezeichnet die Wahrnehmbarmachung von Daten oder visuellen Eindrücken durch auditive Reize. Hierbei findet eine Übersetzung in bestimmte Parameter des resultierenden Klanges statt (»Parameter-mapping«). Ursprünglich ist die Sonifikation ein naturwissenschaftliches Ver fahren, es fand jedoch mitunter auch in der Musik Anwendung. So wurde beispielsweise John Cages Atlas Eclipticalis (1961), in welchem Sternkarten auf Notenpapier übertragen wurden, als musikalische Sonifikation bezeichnet. Die räumliche Struktur des Nachthimmels dient Cage als kompositorische Grundlage. Er stellt so eine ähnliche Nähe zu natürlichen Gegebenheiten her, wie sie auch Prinzip der Sonifikation ist. Zentrales und wichtiges Unterscheidungsmerkmal der wissenschaftlichen oder musikalischen Sonifikation ist das Vorhandensein von naturwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse oder künstlerischem Konzept. Durch künstlerisch- konzeptionelle Übersetzungen macht Yurtsevich mittels ihres TREE - Projekts die Struktur einer der Natur innewohnende Klanglichkeit wahrnehmbar, welche dem menschlichen Ohr normalerweise nicht zugänglich ist. So schafft Musik eine Verbindung zwischen dem lautlosen, starren Abbild und dem zeitlich bewegten Klang. Nach dem ersten Teil von TREE / study – III, welcher den Stamm eines Baumes repräsentiert und einen komplexen Klangraum aus Mehrklängen eröffnet, ist es die Aufgabe der Live-Elektronik, die von der Flöte gespielten Sequenzen (»Äste«) aufzuzeichnen und im weiteren Verlauf des Stückes zeitlich gedehnt wieder zuzuspielen. So entsteht eine sechsfache, feinverästelte Mehrstimmigkeit, welche den Verlauf der Äste in ihrer klanglichen Repräsentation in der Partitur zunächst »übereinander« legt und auf diese Weise in Beziehung setzt. Durch die sechskanalige Umsetzung erweitert sie sich wieder um die ursprünglich vorhandene Raumdimension und leistet schließlich einen neuen sinnlichen Zugang zu den strukturellen und formalen Eigenschaften des altbekannt erscheinenden Phänomens Baum. Andreas Pirchner (2010) Aliona Yurtsevich: Biographie Aliona Yurtsevich, 1970 in Weißrussland geboren, studierte zunächst Klavier und Pädagogik an der Academy of Music in Minsk (Bachelor 1993). Ab 1993 lebte sie in New York, wo sie sich hauptsächlich mit experimenteller Kunst, Film, Multimedia und Design beschäftigte. Ab 2006 studierte sie Komposition an der Kunsthochschule Utrecht (Master 2009). Aliona Yurtsevich schrieb zahlreiche Werke für Kammermusik und Soloinstrumente, aber auch für Kunstfilme, Installationen und Tanz. Ihre Arbeiten wurden in den Niederlanden, in Italien, in Ungarn und in den USA aufgeführt. Sie erhielt diverse Preise, so wurde z. B. ihre Zusammenarbeit mit dem Choreographen Brian Tijon … In the stillness between two waves of the sea … beim Internationalen Dance Festival 2010 in Budapest als Best Duo Dance Production ausgezeichnet. Ihr vielfältiger kreativer Hintergrund führte unter anderem zu Arbeiten im experimentellen Multimedia-Theater, wobei die individuelle Klangtheatralik und der visuell-ästhetische Aspekt der musikalischen Darstellung eine zentrale Rolle einnehmen. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Erforschung der Wechselbeziehung zwischen unterschiedlichen kreativen Formen und Sprachen im musikalischen Kontext. Weitere Informationen: http://ay-tones.hku.nl Das erweiterte Instrument Die Aufführung eines Werkes unter Verwendung elektronischer Instrumente wird gemeinhin als Live-Elektronik bezeichnet. Dieser Begriff hat sich historisch als Komplement zur Arbeit im elektronischen Studio entwickelt und unterstreicht die konzertante Darbietung und Interpretation des Werkes. Die Komposition von elektronischer Musik im Studio und deren darauffolgende Fixierung auf einem Tonträger ermöglicht einen großen Einfluss auf das klangliche Resultat. Hierbei kann Musik zum Klingen gebracht werden, die aufgrund komplexer Produktionstechniken unter keinen Umständen instrumental gespielt werden kann. Die Frage, wann Tonbandmusik denn eigentlich für die Zuhörer geboren wird, verhält sich dabei wie Erwin Schrödingers Katze in seinem berühmten Gedankenexperiment zur Quantenmechanik: Solange eine Kiste ungeöffnet bleibt, die eine Katze und einen Mechanismus enthält, der das Tier mit 50% Wahrscheinlichkeit tötet, befindet sich dieses gleichermaßen in Schwebe zwischen den beiden möglichen Zuständen. Ähnliches lässt sich auch über Tonbandmusik sagen, welche erst durch das Hörbarmachen des fixierten Materials entsteht. Ihre Aufführung über Lautsprecher im Konzert umgeht dabei viele Probleme der Niederschrift musikalischer Intentionen im Notentext und klammert unzulängliche Interpretationen im Instrumentalspiel weitgehend aus. Kompositionen mit Live - Elektronik be schreiten den Weg einer Mischform und sind der Aufführungssituation akustischer Musik näher positioniert. Durch das Zusammenspiel von akustischen und elektronischen Instrumenten kann die Live-Elektronik in einer bekannten Konzer tsituation er fahrbar werden. Die zeitliche Struktur, die bei der Tonbandmusik starr vorgegeben ist, wird den SpielerInnen wieder zurück in die Hand gegeben. Dies er forder t die übliche Koordination unter den MusikerInnen und führt zu einer variablen Gestalt des Werkes in der Darbietung. Kleinste unbewusste Variationen etwa der Dauer einer Fermate oder der Stärke eines Fortissimo führen zu unterschiedlichsten emotionalen Erfahrungen für die Zuhörenden wie auch für die Spieler selbst. In der Aufführung derartiger Werke schließen sich Komposition und Interpretation nicht gegenseitig aus, sondern sie bedingen sich. Neben der Rolle als Ensembleinstrument kommt der Live-Elektronik durch die ihr gegebene Möglichkeit zur Beeinflussung akustischer Instrumente eine Sonderstellung zu. Das elektronische Instrumentarium, welches aus verschiedenen Bausteinen der Studiotechnik und der Signalverarbeitung gebildet wird, ist gleichermaßen Klangerzeuger wie auch Klangformer. Durch die modulare Zusammensetzung der Geräte wird diese Eigenschaft explizit sichtbar, sie ist aber den meisten Instrumenten gegeben. Ein Streichinstrument etwa lässt sich in einen klanganregenden Teil – die Bewegung der Saite durch die Bogenhaare – sowie in einen klangformenden Teil – die Beeinflussung der angeregten Schwingungen durch Finger und Resonanzkörper – trennen. Gleiches gilt für die menschliche Stimme: auch hier ist eine Unterteilung in Klangerzeuger (Stimmlippen) und klangformenden Filter (Vokaltrakt) möglich. Beim Musizieren mit Live-Elektronik macht die Klangformung nun nicht bei den Abmessungen des Instrumentes Halt, sondern wird ganz entschieden erweitert. Dieses wird meist durch Mikrophone, Zusammenschaltungen verschiedener Geräte und Lautsprecher ermöglicht. Dabei kann die Rolle der Transformation sogar von einem eigenen Spieler ausgeführt werden, und das erweiterte akustische Instrument wird gleichsam im Tandem gespielt. Der Einfluss der Klangformung auf die Wahrnehmung des akustischen Instrumentes reicht hierbei von fast unmerklichen Schattierungen bis zur gänzlich neuen Gestaltung des Klanges. Ein neues Element kommt hierbei mit der Klangspeicherung dazu. Hiermit kann die Aufnahme einzelner Phrasen und die darauffolgende Wiedergabe im selben Musikstück, oft in transformierter Form, realisiert werden. Diese Art der Gegenüberstellung des akustischen Instrumentes mit seinem elektronischen Spiegelbild kann zu einem musikalischen Dialog gestaltet werden, ja sogar die weitere Form der Komposition bestimmen, etwa indem bereits gespieltes Material zu einem späteren Zeitpunkt das musikalische Gerüst des Werkes bestimmt. Die Transformation als Instrument wie auch als Parameter kann somit komponiert und mittels LiveElektronik gespielt werden. Da einer der Gründe für die Faszination elektronischer Musik in neuartigen Klängen, Transformationen und musikalischen Formen liegt, verweigern sich manche ihrer Methoden der Nachvollziehbarkeit durch die Zuhörer. Die Verschmelzung von akustischen und elektronischen Instrumenten bietet dem Publikum jedoch die Möglichkeit, das visuelle Erleben einer Performance und die eigene Hörerfahrung als Ausgangs- sowie Anhaltspunkt für die Rezeption verschiedener Werke heranzuziehen. Peter Plessas, bis 2009 Studium Toningenieur an der Kunstuniversität sowie Technischen Universität Graz. Er war 2 010 künstl e risch - wisse nscha f tlicher Mitarbeiter des IEM. Entwicklung und Aufführung von Werken mit Live - Elektronik, sowie Vermittlung der damit verbundenen Aufführungspraxis und Techniken. Ausblick signalegraz wird sich nach dem Konzertabend 0011 zum Thema »Live-Elektronik«, dem dieses Booklet gewidmet ist, sukzessive den verschiedenen Aspekten der im Untertitel der Reihe angesprochenen musikalischen und klangkünstlerischen Felder widmen. An zwei Abenden im Jahr werden wir versuchen, den HörerInnen einen möglichst konzentrierten Einblick in das jeweils ausgewählte Feld zu ermöglichen. Dabei legen wir großen Wert auf eine sorgfältige Auswahl der Werke, eine detailgetreue Aufführungspraxis und eine ansprechende Darstellung des ergänzenden Hintergrundwissens im Booklet und auf unserer Internetseite. Neben den beiden Konzer ten bie tet signale graz in Zusammenarbeit mit Studierenden, KUG - MitarbeiterInnen, Lehrenden und geladenen Gästen in unregelmäßigen Abständen ein Rahmenprogramm an, das sich dem weit gefächerten Themenfeld der Reihe widmet. Diese Veranstaltungen erfordern jeweils einen sehr intensiven Proben- und Arbeitsprozess. Ob Lautsprecherkonzert, Ensembleaufführung mit Live-Elektronik oder interaktive Tanz Performance, jedes Setup muss recherchiert, installiert, erprobt und angepasst werden. Im Rahmen der signalegraz Workshops möchten wir MusikerInnen, KomponistInnen und PerformerInnen die Möglichkeit bieten, an diesem Prozess aktiv teilzuhaben und Stücke, Techniken und Verfahren zu erlernen, die in solch konzentrierter Form nur selten angeboten werden. Weiters werden im Rahmen der signale graz Soirées öffentliche Vorträge im CUBE des Instituts für Elektronische Musik und Akustik der Kunstuniversität Graz abgehalten. Für die Konzerte laden wir regelmäßig renommierte KomponistInnen ein, deren Stücke im MUMUTH zur Aufführung gelangen. Dabei möchten wir auch die Chance nutzen, eine direkte Diskussion zwischen Publikum, MusikerInnen und KomponistInnen zu fördern. Hierzu ist bereits die erste signale graz Masterclass in Planung: Das Konzert signale graz 0100 wird dem Werk des deutschen Komponisten Gottfried Michael Koenig gewidmet sein, einem der wichtigsten Pioniere der Elektronischen Musik und der Computermusik, der 2011 seinen 85. Geburtstag feiert. Auf dem Programm stehen sowohl elektronische als auch instrumentale Werke. Begleitet wird die Veranstaltung von einer signale graz Masterclass mit Gottfried Michael Koenig am darauf folgenden Tag. Das Konzert wird am 16.12.2011 um 19.45 Uhr im MUMUTH Graz stattfinden. Weitere Informationen finden Sie auf: www.signale-graz.at signale 0011 Mitwirkende Veranstalter Kunstuniversität Graz, Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) Kooperationen Institut für Bühnengestaltung, Institut für Musikästhetik, Institut für Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren, Veranstaltungsabteilung, MUMUTH Technik, impuls Akademie Kurator Gerriet K. Sharma Leitung Workshop Gerhard Eckel, Peter Plessas Komponisten: Michele Del Prete, Karlheinz Essl, Hyunsuk Jun, Germán Toro-Pérez, Aliona Yurtsevich Musiker Flöte, Elektronik Hannah Reardon-Smith Violoncello, Elektronik Karolina Öhman Bassklarinette, Elektronik Marij Van Gorkom Violine, Elektronik Mari Targo Klavier, Elektronik Tomoko Honda Graphische Gestaltung Nico Bergmann Redaktion Elisabeth Kappel, Dieter Kleinrath, Gerriet K. Sharma, Elena Ungeheuer Webpage Dieter Kleinrath Videotrailer David Pirrò, Gerriet K. Sharma Tonmeister Ulrich Gladisch Beleuchtungsmeister Ralf Beyer Technische Leitung Peter Fischer Planung Audioeinrichtung MUMUTH Stefan Warum, Ulrich Gladisch, Gerhard Eckel Lautsprecherkuppel und AmbisonicsSystem Thomas Musil, Hannes Pomberger, Winfried Ritsch, Alois Sontacchi, IOhannes m zmölnig, Franz Zotter Leitung Veranstaltungsabteilung Margit Mahmoudi Institutsreferentin IEM Brigitte Bergner Idee und Koordination Gerhard Eckel Seite 47, 101111, , Impressum Im Unterschied zum üblichen Dezimalsystem, das auf der Zahl 10 basiert und die Ziffern 0 bis 9 verwendet, basiert das Binärsystem auf der Zahl 2 und kommt daher mit nur zwei Ziffern aus: 0 und 1. Computer arbeiten mit dem Binärsystem, weil sich die beiden Ziffern leicht als die Zustände eines Schalters darstellen lassen: Aus und Ein. IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Univ. Prof. Dr. Gerhard Eckel / Adresse: Inffeldgasse 10/3, 8010 Graz / Ansprechpartner: Gerriet K. Sharma / E-mail: [email protected] Graphik und Satz: Nico Bergmann / Druck: Fries Printmedien www.signale-graz.at impuls academy | competition | festival