Wasserwirtschaft im Wandel

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FACHBERICHTE
Tagungsbericht
Wasserwirtschaft im Wandel
Arno Bäumer
Der Verbandsrat des Ruhrverbands würdigte am
21. Februar 2011 den 60. Geburtstag seines Vorstandsvorsitzenden, Prof. Harro Bode, mit einem Fachsymposium. Die Gastredner und Referenten nahmen eine
umfassende Positionsbestimmung der nationalen und
internationalen Wasserwirtschaft vor.
Schon bei der Begrüßung benannte der Verbandsratsvorsitzende des Ruhrverbands, Dr. Bernhard Görgens, aktuelle Diskussionspunkte. Nachdem die Vorgaben des Gesetzgebers für die Wasserwirtschaft sich in
den letzten Jahrzehnten als äußerst dynamisch erwiesen haben, sei man davon ausgegangen, dass nach
Bewältigung der Vorgaben zur Nährstoffentfernung,
die in der Abwasserreinigung milliardenschwere Investitionen ausgelöst haben, keine neuen Quantensprünge
mehr zu erwarten wären. Doch durch eine immer besser
werdende Analytik wurde es möglich, auch kleinste
Mengen von Spurenstoffen in den Gewässern festzustellen und dies hat zu einer zum Teil massiven öffentlichen Diskussion darüber geführt, ob diese Mikroverunreinigungen die Gesundheit der Menschen oder auch
das Leben in unseren Gewässern beeinträchtigen und
ob es deshalb notwendig ist, diese Stoffe aus dem Trinkwasser, aber auch aus dem Abwasser zu entfernen. Ausreichende Antworten über den Umfang der Risiken solcher Mikroverunreinigungen können heute noch nicht
gegeben werden, da er offenbar sehr gering ist. Um
letztendlich Sicherheit zu bekommen, wären vermutlich
jahrzehntelange Versuche erforderlich, meinte Görgens.
Dennoch haben sich Politik und Wasserwirtschaft mit
den Sorgen und Ängsten der Menschen auseinanderzusetzen. Dabei geht es aus seiner Sicht selbstverständlich
auch um die Frage, zu welchen Kosten welcher Erfolg zu
erreichen ist und ob die Kosten und der Nutzen in
Johannes Remmel, Minister
für Klimaschutz,
Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und
Verbraucherschutz des
Landes NRW.
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gwf-Wasser Abwasser
einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Dr. Görgens erinnerte daran, dass die Bürgerinnen und
Bürger sowie auch die Industrie in den zurückliegenden
Jahren durch die großen Investitionsprogramme im Zusammenhang mit der Abwasserreinigung schon erheblichen Belastungen ausgesetzt waren. Für die Zukunft
ist weiterhin zu bedenken, dass für Teile Deutschlands
und konkret fürs Ruhrverbandsgebiet ein Rückgang der
Bevölkerung prognostiziert ist. Dies bedeutet, dass
künftig die Kosten für eine weiter verbesserte Infrastruktur und also auch für die Wasserwirtschaft von
immer weniger Menschen und vermutlich auch von
immer weniger Gewerbebetrieben zu finanzieren sind.
Auch Eckhard Uhlenberg, Präsident des Landtages
von Nordrhein-Westfalen, stellte in seinem Grußwort
fest, dass die Spurenstoffe heute in der Wasserwirtschaft
bundesweit ein Zukunftsthema darstellen, dem man
sich stellen muss. Aber auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserwirtschaft und die Möglichkeiten, die Folgen zu meistern, werden die zukünftigen
Aufgaben in der Wasserwirtschaft wesentlich beeinflussen. Hinzu kommt, dass nicht nur das Sicherheitsbedürfnis der Menschen mit wachsendem Wohlstand kontinuierlich ansteigt, sondern sich auch immer die Nutzungsansprüche an die Gewässer verändern. Die sondergesetzlichen Wasserverbände in Nordrhein Westfalen sollten daher eine Vorreiterrolle einnehmen. Uhlenberg
meinte, dass schon die Gründungsväter der Verbände
seinerzeit an der Spitze der Bewegung gestanden und
bemerkenswerte Weitsicht bewiesen hätten.
Paul Reiter, Executive Director der International
Water Association (IWA), sprach in seinem Vortrag „The
Global Water Issue“ über zukünftige Herausforderungen
und Chancen bei den weltweiten Wasserfragen. NordEuropa sei gut aufgestellt, aber für andere Regionen der
Welt sieht Reiter Konflikte um das Wasser aufgrund der
unterschiedlichen Bedürfnisse der Städte, der Landwirtschaft, der Industrie und nicht zuletzt auch der Umwelt
voraus. Verschärft wird das Problem in Zukunft durch
die prognostizierte Zunahme der Weltbevölkerung um
weitere zwei Milliarden Menschen. Zwischen heute und
dem Jahr 2050 werden voraussichtlich jeden Tag rund
150 000 Menschen mehr die Erde bevölkern. Von diesen
Menschen werden 90 % in Entwicklungsländern und
ebenso 90 % in städtischen Regionen leben. Nach
Reiters Rechnung wird es bis zum Jahr 2050 mehr als
2000 neue Millionenstädte auf der Erde geben. In den
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Entwicklungsländern ist derzeit für fast die Hälfte der
Menschen eine Versorgung mit Trinkwasser ungenügend. Darüber hinaus haben 70 % der Menschen keinen
Anschluss an eine Kanalisation. Reiter ging weiterhin am
Beispiel verschiedener Regionen der Welt auf die Auswirkungen des Klimwawandels ein und stellte fest, dass
die CO2-Emissionen der Wasserwirtschaft in diesem
Zusammenhang nicht unrelevant sind.
Für die Zukunft nannte er eine Reihe von Maßnahmen, die seitens der Wasserwirtschaft geeignet sein
könnten, um regional den Problemen des Bevölkerungswachstums und der Wasserknappheit sowie global den
CO2-Emissionen zu begegnen. Reiter nannte z. B. dezentrale Abwassersysteme, Recycling von Nährstoffen,
Energiegewinnung aus Abwasser oder die Wiederverwendung von Wasser.
Otto Schaaf, Präsident der Deutschen Vereinigung
für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA),
führte in seine „Standortbestimmung der deutschen
Abwasserwirtschaft“ mit einem technisch-historischen
Rückblick ein. Dieser reichte vom römischen Köln in der
Zeit um 50 n. Chr. über die ersten neuzeitlichen Abwassersysteme, z. B. in Hamburg, die Entwicklung der
Abwasserreinigung von den Anfängen, z. B. mit der
Dresdener Siebscheibenhalle, über den Imhoff-Tank
(Emscherbrunnen) bis hin mit großem Sprung zur biologischen Abwasserreinigung Mitte der 70er-Jahre und
zur darauf folgenden Einführung der Nährstoffelimination auf unseren Kläranlagen. Schaaf stellte fest, dass die
deutsche Wasserwirtschaft sehr vieles erreicht hat und
dass die meisten Gewässer in biologisch/chemischer
Hinsicht in einem guten Zustand sind. Die Wasserrahmenrichtlinie hat jedoch im Jahre 2000 den Fokus
erweitert und heute wird im Bereich der Gewässermorphologie noch großer Handlungsbedarf gesehen.
Für die Zukunft sind die Folgen des Klimawandels,
die sich auch in Deutschland in Form von lokaler Wasserknappheit und Dürren oder extremer Niederschläge
und höherer Hochwasserrisiken äußern werden, zu
bewältigen. Starkregen als kurzzeitigen punktuellen
Ereignissen wird man nicht dadurch begegnen können,
dass die Kanäle größer dimensioniert werden. Hier ist
zusammen mit Stadtplanern zu überlegen, wie die
deutlich bestehenden Risiken künftig gemindert werden können.
Auch der DWA-Präsident ging auf die zukünftige
Bevölkerungsabnahme in Deutschland ein und stellte
fest, dass sich daraus Anforderungen an die Anpassung
der Infrastrukturen (Stichworte Verkeimung, Ablagerungen in Ableitungssystemen) und an die Finanzierungsmodelle ergeben.
Die DWA als Fachverband nimmt sich des bereits
erwähnten Themas der anthropogenen Spurenstoffe
offensiv an. Es ist aber auch sehr klar zu sehen, dass es
Spurenstoffbelastungen in unserer Umwelt immer
geben wird und eine intensive Bewertung und Diskus-
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MinDir Dr. jur. Helge Wendenburg, Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit.
sion zu führen sein wird, wie das Risiko dieser Belastung
einzuschätzen ist und wie damit verantwortlich umgegangen wird. Schaafs Meinung nach sind dabei nicht
nur End-of-Pipe-Strategien zu diskutieren, die DWA plädiert auch sehr stark dafür, dass man verstärkt an die
Quelle geht und versucht, den Verbraucher als Verbündeten zu gewinnen, um ihn aktiv von einer Vermeidungsstrategie, z. B. bei bestimmten Kosmetika, zu
überzeugen.
Bei allen zukünftigen Aktivitäten der Wasserwirtschaft spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle.
Schaaf stellte fest, dass wir Menschen uns vieles wünschen dürfen, es dann aber natürlich auch bezahlen
müssen. Deshalb sind intelligente Lösungen notwendig, um die geplanten Maßnahmen auch umsetzen zu
können. Die Abwasserbeseitigung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge muss dabei immer in die öffentliche Kontrolle eingebettet bleiben.
Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW, markierte in seinem Vortrag zu den „Perspektiven der Wasserwirtschaft in NRW“ drei Herausforderungen.
Zur zentralen Herausforderung dieses Jahrhunderts,
dem Klimaschutz, hat die Landesregierung den Ehrgeiz,
in Nordrhein-Westfalen mit einem eigenen Klimaschutzgesetz eigene Impulse zu geben. Natürlich spielt die
Wasserwirtschaft hier auch eine Rolle, wobei sich diese
vor allem auf die Möglichkeiten richtet, den Energieverbrauch zu senken und die ggfs. mögliche Energieproduktion zu optimieren.
Weiterhin ist es notwendig, sich mit den Spurenstoffen auseinandersetzen, besonders in Nordrhein-Westfalen, weil die Trinkwassergewinnung hier anders als in
den meisten Bundesländern in hohem Maße von Oberflächengewässern abhängig ist und deshalb auch eines
besonderen Schutzes bedarf. Es ist nach Ansicht des
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Univ. Prof. Dr.
Dr. h. c. Helmut Kroiss,
Technische
Universität
Wien.
Ministers richtig, ein Multibarrierenkonzept auszuprägen. Es geht einerseits darum, direkt an der Quelle anzusetzen, aber auch darum, die Abwasserbeseitigung zu
verbessern, weil nicht alle Einträge an den Quellen
unterbunden werden können. Man wird den Menschen
nicht verbieten können und dürfen, Medikamente zu
nehmen oder Kosmetika zu benutzen. Die Gemeinschaftsanstrengung zum vorsorgenden Verbraucherund Gesundheitsschutz bezieht aber nicht zuletzt auch
Maßnahmen bei der Trinkwasseraufbereitung mit ein.
Die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als
Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist und bleibt für
Minister Remmel der Anker der Verlässlichkeit. Er unterstrich, dass es wichtig ist, die Infrastruktur in den zentralen Bereichen der Ver- und Entsorgung zu erhalten und
weiter zu entwickeln. Gerade im Bereich der kommunalen Abwasserbeseitigung jedoch ist die Versuchung
groß, dass Sanierungs- und Investitionstätigkeiten aufgrund klammer Kassenlage der Kommunen verschoben
werden. In diesem Zusammenhang unterstrich er auch,
wie wichtig es ist, neben der Sanierung der öffentlichen
Kanäle diese auch bei den privaten Kanälen mit aller
Konsequenz weiter zu treiben.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie äußerte Remmel die Auffassung, dass
die Auseinandersetzung mit der Gewässerstruktur und
Gewässermorphologie nicht eine Selbstbeschäftigung
von Behörden oder Administrationen sei, sondern dass
es hier um das ambitionierte Vorhaben geht, unsere
Gewässer jenseits der chemischen und biologischen
Qualität wieder zu Lebensadern der Artenvielfalt zu
machen. Zurzeit gehen weltweit pro Jahr 14 000 Arten
und damit Baupläne des Lebens unwiederbringlich verloren. Minister Remmel äußerte sich davon überzeugt,
dass wir heute in der Diskussion im Bereich Artenschutz
an der Schwelle stehen, wo wir beim Klimaschutz ungefähr vor 10 Jahren standen. Für die 2200 Gewässerkilometermaßnahmen in Nordrhein-Westfalen, die man
aufwerten wollte, seien 2,1 Milliarden € Investitionssumme bis 2027 prognostiziert, was eine große finanzielle Anstrengung sei. Für die Finanzierung der somit pro
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Jahr in Nordrhein-Westfalen mindestens zu investierenden 80–100 Millionen € sieht er das Wasserentnahmeentgelt als geeignetes Instrument.
Professor Dr.-Ing. Wolfgang Firk, Vorstand des Wasserverbands Eifel-Rur (WVER) und Sprecher der DWAKoordinationsgruppe „Anthropogene Spurenstoffe im
Wasserkreislauf“, referierte über die „Relevanz und
Beherrschbarkeit von Mikroverunreinigungen in Oberflächengewässern“.
Eingangs stellte er fest, dass man in den Gewässern
heute Zehntausende verschiedene Chemikalien aufspüren kann, weil sich die Analytik verfeinert hat. Die tatsächliche Wirkung der Mikroverunreinigungen auf
Mensch und Natur ist heute hingegen ein noch nicht
aufgearbeitetes Thema.
Primäre Maßnahmen, die die Gesellschaft nach seiner Meinung ergreifen sollte, gehen in Richtung von
Eintragsverboten, von Produktsubstitutionen und der
Beschränkung auf das Notwendige im industriellen
Bereich, aber auch bei den Privathaushalten und im
gesundheitlichen Bereich. Gleichfalls gehören die Erfassung von Abwasserteilströmen und die verbesserte
Vorbehandlung von industriellen und gewerblichen
Abwässern zu den primären Maßnahmen. Maßnahmen
auf den Kläranlagen oder in der Misch- und Regenwasserbehandlung sind seiner Auffassung nach nur als
sekundär zu bezeichnen.
Die Art der Abwasserreinigung zur Reduzierung von
Mikroverunreinigungen ist sehr von den jeweiligen
Stoffeigenschaften abhängig, z. B. hinsichtlich der Flüchtigkeit und der Polarität. Auf konventionellen Kläranlagen bereits stattfindende Entfernungsprozesse sind das
Ausstrippen, ein biologischer Abbau bei Anlagen mit
hohem Schlammalter und die Adsorption an Partikeln
und Schlammflocken. Gezielt weitergehende Verfahren
sind die chemische Oxidation, die Sorption an spezielle
Adsorbentien und die Abtrennung mittels „dichter“
Membranen. Firk stellte verschiedene Verfahren (Kombinationen) vor, die in dem Entwurf eines DWA-Arbeitsberichts näher dargestellt werden und stellte fest, dass
es für keines von ihnen derzeit einen gesicherten Auslegungsansatz oder ein Regelwerk zur Bemessung gibt.
Zur Ozonung führte er aus, dass hier eine Breitbandwirkung bei der Elimination von Mikroverunreinigungen
festzustellen ist, wobei jedoch teilweise unbekannte
Reaktionsprodukte entstehen. So wurden zum Beispiel
für Codein – ein Analgetikum und Hustenmittel – bisher
16 Transformationsprodukte identifiziert. Solche Transformationsprodukte können generell hinsichtlich ihrer
Eigenschaften und ihres Verhaltens sowohl harmlos als
auch toxisch sein. Firk berichtete von Fällen, in denen
Fischtests das Ergebnis hatten, dass die Mortalität steigt,
wenn eine Ozonung angewendet wird.
Univ. Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Kroiss von der Technischen Universität Wien reflektierte in seinem Vortrag
„Neue Behandlungsverfahren von Abwasser zur Redu-
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zierung von Mikroverunreinigungen“ zunächst die
Möglichkeiten der Findung von Grenzwerten für Spurenstoffe. Nach seiner Ansicht gibt es einen Bedarf an
wissenschaftlichen Methoden zur Feststellung der konzentrationsbezogenen Wirkung beziehungsweise der
Nicht-Wirkung von Stoffen in der Umwelt – für den
Menschen in der Humantoxikologie, für die Umwelt in
der Ökotoxikologie. Daraus müssen zulässige Grenzwerte für Konzentrationen oder eine zulässige Dosis
abgeleitet werden, die tragfähige Entscheidungen
ermöglichen. Die Zielvorgaben für den Einsatz von
Nachreinigungsverfahren sind dabei von der Politik
festzulegen, die Wissenschaft und die Technik können
nur Grundlagen liefern. Ein strenges Vorsorgeprinzip
muss zuerst einmal klarstellen, welche Stoffe nicht oder
nicht mehr erzeugt werden dürfen (z. B.: prioritäre
Stoffe, stark gentoxische Stoffe).
Kroiss ging weiterhin auf die Ergebnisse der Versuche
mit einer nachgeschalteten Ozonung auf dem Hauptklärwerk Wien ein. In der ersten und zweiten biologischen Belebungsstufe dieser Anlage werden schon sehr
viele Stoffe sehr weitgehend entfernt, so z. B. auch der
Wirkstoff der Antibabypille. Sehr schlecht abbaubar in
diesen Schritten der konventionellen Abwasserreinigung sind unter anderem Röntgenkontrastmittel oder
Diclofenac. Mit einer nachgeschalteten Ozon-Dosierung
konnten dann jedoch fast alle Stoffe sehr weitgehend
bis in die Nähe der Nachweisgrenze entfernt werden.
Im Ausblick stellte Prof. Kroiss fest, dass man nach
dem heutigen Stand des Wissens nicht in der Lage ist,
die exakte Verringerung des Risikos für Menschen und
die aquatische Ökologie durch die Nachreinigungsverfahren anzugeben, dass es aber auch gut gesicherte
Hinweise gibt, dass etwa vorhandene Risiken durch die
Anwendung solcher Verfahren geringer werden, insbesondere für die Gewässerbiozönosen. Politik, Wissenschaft und die Technik werden seiner Ansicht nach auch
beim möglichen Einsatz von Nachreinigungsverfahren
in der Zukunft mit großen Unsicherheiten über die weiter verbleibenden Restrisiken leben müssen.
MinDir Dr. jur. Helge Wendenburg, Abteilungsleiter im
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, betonte in seinem Vortrag über die
„Gegenwart und Zukunft der ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei der Trink- und Abwasserwirtschaft in Deutschland“ zunächst den im internationalen
Vergleich guten Zustand der Trinkwasser- und Abwasserwirtschaft in Deutschland. In der kommunalen Abwasserreinigung sind in den vergangenen 20 Jahren die
Stoffeinträge in die Gewässer ganz erheblich minimiert
worden. Er wies darauf hin, dass heute 70 % aller Stickstoffeinträge und über 50 % der Phosphoreinträge aus
diffusen Quellen aus der Landwirtschaft stammen. Im
Hinblick auf die Eutrophierung der Meere sind in der
Ostsee nach wie vor ganz starke Probleme gegeben, die
nicht unbedingt alleine durch Deutschland, sondern
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auch durch Polen und die anderen angrenzenden Länder der Europäischen Union wie auch Russland verursacht sind.
Wendenburg sieht die erheblichen Fortschritte und
Entwicklungen in Deutschland auch mit den Entwicklungen des Ordnungsrechts begründet. Er umriss kurz
die laufenden und kommenden Aktivitäten, wie z. B. die
Oberflächengewässerverordnung, die Verordnung zum
Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Anlagen,
die Weiterentwicklung von Abwasserabgabe und Wasserentnahmeentgelten zu einer umfassenden Wassernutzungsabgabe oder die Vorbereitung der neuen
Trinkwasserverordnung.
Im Hinblick auf die anthropogenen Spurenstoffe
stellte Wendenburg die Frage, ob wir in Deutschland
eigentlich eine ausreichende Risikokultur haben. Es ist
festzustellen, dass zwar regelmäßig die Entdeckung
eines „Schadstoffs der Woche oder des Monats“ durch
die Medien über die reine Entdeckung hinaus mit einem
Umwelt- oder Gesundheitsskandal verbunden wird –
ein Problem ist aber, dass diese Nachrichten nach kürzester Zeit wieder vergessen werden. Als Beispiel diente
ihm ein kürzlicher Dioxinskandal, den es vor exakt
10 Jahren mit der gleichen Wirkungskette schon einmal
gegeben hatte. Wendenburg regte an, darüber nachzudenken, zukünftig sehr viel stärker zu überwachen und
im Falle krimineller Handlungen konsequent die Zuführung zum Strafrecht zu praktizieren. Bei den anthropogenen Spurenstoffen soll man sich auch stärker den
Fragen der Produktverantwortung stellen. Bei der Herstellung von z.B. Arzneimitteln oder Haushaltschemikalien ist seitens der Hersteller deutlicher darüber nachzudenken, wie diese Stoffe an anderen Stellen wirken.
Über die die Veranstaltung abschließende Geburtstagslaudatio von Norbert Frece, Vorstand Finanzen, Personal und Verwaltung des Ruhrverbands, hinaus würdigten auch die anderen Redner des Tages den Fachmann und Menschen Harro Bode als Wasserwirtschaftler
mit Überblick sowie Leib und Seele, der die Entwicklung
in Deutschland an vielen Stellen maßgeblich und positiv mitgeprägt hat, weil er im Sinne der Newtonschen
Gesetze zu jenen Kräften gehört, die Bewegungen
verursachen.
18.05.2011
Eingereicht:
Autor
Dr. Arno Bäumer
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D-45128 Essen
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