Die thermische Entwicklung des Universums

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Die thermische Entwicklung des Universums
Kim Susan Petersen
14. Dezember 2010
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Die Zukunft unseres Universums
Wie wir bereits gelernt haben, wird die Ausdehung des Universums durch die
Friedmann-Gleichungen beschrieben. In diesem Modell hängt seine Form lediglich davon ab, ob die Energiedichte größer, kleiner oder gleich einer kritischen
Dichte (Größenordnung 10−29 g/cm3 ) ist. Dabei ist die Gesamtenergie gemeint,
also Energie sowohl in Form von Strahlung oder Materie als auch die Vakuumsenergie. Wir können diese Bedingung auch über andere Parameter ausdrücken,
z.B. den Dichteparameter Ω oder die Krümmung κ.
• Geschlossenes Universum: ρ > ρcrit ⇔ Ω > 1 ⇔ κ > 0
Kontraktion durch Eigengravitation führt zum ”Big Crunch”.
• Offenes Universum: ρ < ρcrit ⇔ Ω < 1 ⇔ κ < 0
Das Universum dehnt sich immer weiter aus, die Sterne erkalten, die
Galaxien lösen sich auf. Ganz am Ende verdampfen sogar die Schwarzen
Löcher. Man spricht vom Kältetod (Erreichen des absoluten Temperaturnullpunkts).
• Flaches Universum: ρ = ρcrit ⇔ Ω = 1 ⇔ κ = 0
Die Ausdehnung kommt asymptotisch zum Stillstand, kehrt sich aber
nicht um. Es kommt ebenfalls zum Kältetod.
Alle Schlussfolgerungen gelten nur für den Fall Λ = 0. Ist jedoch Λ 6= 0,
so wird die Expansion beschleunigt verlaufen, auch wenn wir das geschlossene Universum betrachten! Messungen ergeben, dass die Energiedichte in etwa
der kritischen Dichte entspricht. Wegen der Messungenauigkeit kann aber noch
keine endgültige Aussage darüber getroffen werden, ob das Universum nun geschlossen, offen oder flach ist.
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Energiedichten
Offensichtlich spielen Energiedichten in der Betrachtung der Entwicklung des
Universums eine große Rolle. Im Folgenden wollen wir betrachten, wie solche
Energiedichten berechnet werden. Der Übersicht wegen sei ~ = kB = c = 1.
Allgemein gilt für irgendein Teilchen des Typs i:
Z
ρi = Ei dni
(1)
1
Wobei die Zustandsdichte gegeben ist durch:
gi
[exp((Ei − µi )/T ) ± 1]−1 q 2 dq
(2)
2π 2
gi bezeichnet die Anzahl der Freiheitsgrade des Teilchens, µi ist das chemische Potential (falls vorhanden) und das ”±”bezieht
sich auf die Fermi- bzw.
R
Bose-Statistik. Für die Energiedichte ργ = Eγ dnγ von Photonen wird der
Ausdruck zu:
dni =
gγ
[exp(Eγ /T ) − 1]−1 q 2 dq
(3)
2π 2
Für Photonen ist gγ = 2. Eγ = q ist die Photonenenergie. Integration des
obigen Ausdrucks liefert:
dnγ =
π2 4
T ,
15
Unter Berücksichtigung aller Konstanten:
ργ =
(4)
4σ
(5)
c
Et voilà, wir erhalten natürlich den altbekannten Ausdruck für den Schwarzkörperstrahler ( Stefan-Boltzmann-Gesetz)!
ργ = a · T 4 mit a =
Im Folgenden wollen wir die Entstehung des Universums in chronologischer Reihenfolge betrachten. Der Begriff der Zeit ist für uns dabei natürlich
sehr anschaulich, aber eigentlich ein wenig unpassend. Sinnvoller ist es den
Energie- bzw. Temperaturverlauf zu betrachten. Für die strahlungsdominierte Ära können wir folgenden Zusammenhang zwischen Alter des Universums
und Temperatur benutzen: t ∝ T −2
Woran wir das Ende der strahlungsdominierten Ära festmachen, dazu später
mehr (Kap. 3.3).
3
3.1
Die Entstehung des Universums
Vom Urknall bis zur Neutrinoentkopplung
Fangen wir also ganz vorne an... Was in den ersten 10−43 s nach dem ”Big
Bang”vor sich geht, darüber ist man sich bisher noch nicht einig geworden. Man
geht davon aus, dass es eine Art urzeitliches Quantenvakuum mit beliebig vielen
Dimensionen gibt, in dem spontane Symmetriebrechungen stattfinden können.
Am Ende dieser sogenannten Planckzeit liegen die Gravitation und die Urkraft
(von der sich später die schwache, die starke und die elektromagnetische Kraft
abspalten) getrennt voneinander vor, das Universum hat eine Temperatur von
1032 K (was einer Energie von etwa 1019 GeV entspricht!), eine Ausdehnung von
10−35 m und eine Dichte von 1094 g/cm3 .
Einigen Theorien nach folgt nun eine Phase, in der sich das Universum sehr
stark ausdehnt, die Inflationsphase. Grund dafür ist die Entstehung eines
“falschen Vakuums”, d.h. der Druck wird negativ und wirkt gravitativ abstoßend. Innerhalb kürzester Zeit dehnt sich das Universum um einen Faktor von
2
mindestens 1030 aus (Vgl. Phasenübergang 1. Ordnung). Der Auslöser ist möglicherweise - aber nicht zwangsläufig - die Abspaltung der starken Kraft von der
Urkraft, welche mit Symmetriebrechungen einhergeht und zur Zeit t = 10−36 s
stattgefunden haben soll. Die Inflation ist kein Teil des ursprünglichen Standardmodells der Entstehung des Universums, wäre jedoch eine Erklärung für einige
Phänomene, die das Standardmodell nicht hinreichend beschreiben kann (Dichtefluktuationen, Nichtmessbarkeit der Raumkrümmung...). Anschließend wird
die Ausdehnung des Universums gemäß der Friedmann-Gleichungen fortgesezt.
Als erstes entstehen nuneinmal die Quarks und Leptonen. Eine mögliche
Theorie besagt, dass dies beim Zerfall von X- und Y-Bosonen (sogenannten Leptoquarks) geschieht. Bei diesen Zerfällen ist die Erhaltung der Baryonenzahl
verletzt! Da die verschiedenen Zerfälle mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten stattfinden, ensteht ein Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie.
Alle Theorien, die solche oder ähnliche Prozesse beschreiben, werden unter dem
Begriff Baryogenese zusammengefasst.
In der sogenannten Quarkära zur Zeit t = 10−33 s (T = 1025 K, E =
10 GeV ) sind die X- und Y-Bosonen endgültig zerfallen und es existiert ein
Quark-Gluonen-Plasma. Zur Zeit t = 10−12 s (T = 1016 K, E = 1000GeV )
spaltet sich die elektroschwache Kraft auf in die elektromagnetische und die
schwache Kraft. Die Hadronenära beginnt zur Zeit t = 10−6 s (T = 1013 K,
E = 1GeV ). Das Quark-Gluonen-Plasma verschwindet, als sich die Quarks zu
Hadronen zusammensetzen. Die schwereren Hadronen sterben bald wieder aus,
nur die Neutronen und Protonen überleben.
Es folgt die Leptonenära (t = 10−4 s, T = 1012 K, E = 100M eV ), die so
heißt, da die Energie der Photonen nur noch zur Bildung von Leptonenpaaren
reicht. Die Photonen überwiegen aber noch um einen Faktor 1010 gegenüber der
Materie. Die Neutronen und Protonen wandeln sich derweil ständig ineinander
um, wobei Neutrinos entstehen, welche bei einer Temperatur von ca. 1010 K
(E = 1M eV ) abkoppeln. Was das genau bedeutet, wollen wir im Folgenden
etwas näher betrachten.
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Salopp gesagt, ist eine Teilchensorte im thermischen Gleichgewicht, solange
irgendeine Wechselwirkungsrate Γ, die das Teilchen betrifft, größer ist als die
Ausdehnungsrate des Universums: Γ > H
Betrachten wir im Fall der Neutrinos Reaktionen wie e+ + e− ↔ ν + ν̄, so
ist die Wechselwirkungsrate Γ = nhσνi. Dabei ist n v T 3 die Leptonendichte
4
und hσνi v O(10−2 )T 2 /MW
der über alle Temperaturen gemittelte Wirkungsquerschnitt der schwachen Wechselwirkung. Die Wechselwirkungsrate ist also:
4
Γwk ∼ O(10−2 )T 5 /MW
(6)
Die Expansionsrate beträgt hingegen:
H=
8πGρ
3
1/2
=
8π 3
N (T )
90
1/2
3
T 2 /MP ∼ 1,66N (T )1/2 T 2 /MP
(7)
MP = 1.22 · 1019 GeV ist die Planck-Masse und N (T ) die Zahl der effektiven
Freiheitsgrade. Setzen wir diese beiden Ausdrücke in die obige Bedingung ein
und formen nach T um, erhalten wir:
⇒T >
4
500MW
MP
1/3
v 1010 K v 1M eV
(8)
Die Temperatur, bei der gilt Γ(T ) = H(T ), nennt man Freeze-Out- oder
auch Entkopplungstemperatur. Für T > Tfreeze-out haben die Neutrinos scheinbar noch immer eine thermische Verteilung, welche sich aber natürlich nicht
mehr verändert, da die Neutrinos nicht mehr mit sich selbst oder der restlichen
Materie wechselwirken. Lediglich durch die Ausdehnung des Universums verringert sich die Energie der Neutrinos (Redshift), sodass die Neutrinotemperatur
heute nur noch etwa 1.9 Kelvin beträgt. Mit dieser Information können wir die
heutige Neutrinoenergiedichte berechnen. Von der Photonenenergiedichte unterscheidet sich der Ausdruck bloß um den Faktor 78 (weil Netrinos Fermionen sind,
keine Bosonen) und den Faktor 3 = g2ν (wenn wir alle drei Neutrinosorten und
die jeweiligen Antineutrinos betrachten, die alle jeweils nur einen Spinzustand
besitzen):
gν 7
ρν =
aT4
(9)
2 8
Setzen wir T = 1.9K ein, so erhalten wir für die Energiedichte heute:
ρν ≈ 2.6 · 10−14 J/m3 ≈ 2.9 · 10−34 g/cm3 . Das ist etwa 68 Prozent der heutigen
Photonenenergiedichte (also ργ mit T = 2.7K für die Hintergrundstrahlung).
3.2
Die Nukleosynthese und Elementhäufigkeiten
Zur Zeit t = 10s (T = 109 K, E = 0.1M eV ) beginnt die primordiale Nukleosynthese. Als erstes bildet sich Deuteron: p + n ↔ D + γ, welches aber zunächst
durch die energiereiche Strahlung gleich wieder zertstört wird, d.h. Protonen,
Neutronen und Deuteron befinden sich eine Zeitlang im thermischen Gleichgewicht. Erst nach t=1min wird endlich stabiles Deuteron erzeugt. Die freien
Neutronen zerfallen mit τ = 15min gemäß n → p + e− + ν¯e , was dazu führt,
dass die Neutronenzahl bald nur noch 17 der Protonenzahl ist.
Als nächstes werden die restlichen freien Neutronen in 4 He gebunden. Dieses
reagiert (zu einem sehr kleinem Teil!) weiter zu Lithium und Beryllium:
4
He + 3 H → 7 Li + γ bzw. 4 He + 3 He → 7 Be + γ.
Das Beryllium zerfällt allerdings durch Elektroneneinfang wieder zu Lithium:
7
Be + e− → 7 Li + γ. Für die Entstehung von Kohlenstoff (3 4 He → 12 C + γ)
kommt es nicht mehr, denn die Teilchendichte ist mittlerweile zu gering dafür.
Dieser Prozess kann erst viel später im Inneren von Sternen ablaufen.
Das Standardmodell sagt voraus, dass Wasserstoff- und Heliumkerne im
Verhältnis 3:1 entstehen. Experimente bestätigen diese Voraussage sehr gut!
Ein wichtiger Parameter in Bezug auf die Nukleosynthese ist das Verhältnis
η von Baryonen zu Photonen. Abb. 1 zeigt die relativen Elementhäufigkeiten
in Abhängigkeit von η, wobei der senkrechte Balken die tatsächlichen Werte
markiert.
4
Abbildung 1: Die vom Standardmodell vorhergesagten urspünglichen Elementhäufigkeiten als Fuktion des Baryonen-Photonen-Verhältnisses η. Die
Häufigkeiten sind im Verhältnis zur Wasserstoffhäufigkeit angegeben, außer
4
He, für das der Baryonenmassenanteil Y = ρHe /ρB gegeben ist. Die Linien
geben die Mittelwerte an, die umgebenden Bänder die 1σ-Unsicherheit.
5
Abbildung 2: Zeitlicher Verlauf der Energiedichten nach Gln. (12) und (13)
3.3
Die materiedominierte Ära beginnt
Nach wenigen Minuten ist die Nukleosynthese abgeschlossen. Die Expansion
schreitet weiter voran bis die strahlungsdominierte Ära irgendwann endet. Das
liegt daran, dass die Energiedichte der Teilchen (die im Gegensatz zu Photonen eine Ruheenergie besitzen) langsamer abnimmt als die der Strahlung. Zur
Erinnerung, es gilt:
ρMaterie ∝ a−3
(10)
ρStrahlung ∝ a−4
(11)
a ist der Skalenfaktor. Wir wollen nun grob abschätzen, wann das Universum
von einem strahlungsdominierten in einen materiedominierten Zustand übergeht. Dazu rechnen wir rückwärts, von der Annahme ausgehend, dass heute die
dunkle Materie etwa 70 Prozent der Energie im gesamten Universum ausmacht,
die Materie etwa 30 und die Hintergrundstrahlung nur einen verschwindend geringen Anteil. Es ist also ρMaterie (t0 ) ' 0.3 · ρcrit ' 0.3 · 10−29 g/cm3 . Für die
Hintergrundstrahlung berechnen wir ρStrahlung (t0 ) ' 4.5 · 10−34 g/cm3 mit Gln.
2
(5), wobei t0 = 13.7 · 109 Jahre. Da in der materiedominierten Phase gilt a ∝ t 3 ,
können wir nun folgende Formeln angeben:
ρMaterie (t) = ρMaterie (t0 ) ·
t0
t
ρStrahlung (t) = ρStrahlung (t0 ) ·
2
t0
t
(12)
83
(13)
In Abb. 2 kann man ablesen, dass zu einer Zeit von t ≈ 25.000 Jahren die
Dominanz von Materie und Strahlung in etwa gleich sind. Dies ist nur eine
sehr grobe Abschätzung, das Ergebnis liegt aber auf jeden Fall in der richtigen
Größenordnung.
6
Wie geht es nun weiter? Als das Universum ca. 300.000 Jahre alt ist und
eine Temperatur von nur noch etwa 3000K hat (E = 0.3eV ), rekombinieren
Elektronen und Nukleonen, sodass sich die Photonen, die zuvor ständig mit geladenen Teilchen (hauptsächlich den freien Elektronen) wechselwirkten, endlich
weitgehend frei fortbewegen können. Das Universum wird durchsichtig! Diese
Strahlung können wir heute als 3K-Hintergrundstrahlung messen.
Damit ist der Weg frei für die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien,
doch das ist eine andere Geschichte...
Quellen
• S. Carroll: Spacetime and Geometry: Introduction to General Relativity
• K.A. Olive: The violent Universe: the Big Bang
• B. Carroll, D. Ostlie: An Introduction to Modern Astrophysics
• diverse Wikipedia-Artikel, v.a. Baryogenese, Leptoquarks, Inflation
• http://www.abenteuer-universum.de/kosmos/lurknall2[3].html
• http://www.joergresag.privat.t-online.de/mybk4htm/chap25.htm
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