Industrie-Applikationen 500 B I O S P E K T R U M • 6. 0 0 • 6. J A H R G A N G Neuartige trifunktionelle Antikörper befreien Stammzelltransplantate von residualen Tumorzellen Dr. Horst Lindhofer, Klinische Kooperationsgruppe Bispezifische Antikörper der GSF und der HNO-Poliklinik, Großhadern 쑺 Die meisten Tumorerkrankungen des Menschen sind immer noch nicht definitiv heilbar, weil trotz chirurgischer, Chemobzw. Radiotherapie häufig residuale maligne Zellen zurückbleiben, die sich der Detektion und Zerstörung entziehen und später zu einem Rezidiv führen. Ein wichtiges Ziel ist daher die Entwicklung neuer Strategien, welche nach konventioneller Therapie eine Prävention des Tumorrezidivs durch Ausschaltung der residualen Tumorzellen ermöglichen. Große Hoffnungen werden dabei auf immuntherapeutische Ansätze gesetzt, da diese auch ruhende, sich nicht oder nur langsam teilende Tumorzellen zerstören können. Herkömmliche Bispezifische Antikörper (bsAk) können gleichzeitig an Tumorzellen und an T-Zellen des Immunsystems binden, was zu einer Aktivierung der Immunzellen mit nachfolgender Zerstörung der Tumorzellen führt (Abb.1) (1). Erfahrungen aus den letzten 10 Jahren mit bsAk haben aber gezeigt, daß der immunologische Ansatz zur Zerstörung von Tumorzellen noch stark verbesserungsfähig ist. Zwei Hindernisse haben eine weitreichende klinische Anwendung dieses vielversprechenden Konzeptes verhindert. Zum einen war bisher die Herstellung der bsAk sehr aufwendig und teuer, Abb. 1: Herkömmliche Bispezifische Antikörper (bsAk) können gleichzeitig an Tumorzellen und an T-Zellen des Immunsystems binden, was zu einer Aktivierung der T-Zellen mit nachfolgender Zerstörung der Tumorzellen führt. Die unphysiologische Aktivierung der T-Zelle allein über das CD3 Molekül führt aber in der Regel zum anschließendem Absterben der T-Zelle. zum anderen war die Aktivierung der TZellen mit den bisher verwendeten bsAk nicht genügend effizient bzw. nicht in der Lage eine dauerhafte Immunität zu etablieren. Mit einem neuartigen Herstellungsverfahren ist es gelungen, trifunktionelle bsAk (wie z.B. removab® und rexomab®) aus fusionierten Säugetierzellen in hoher Ausbeute und Reinheit zu gewinnen (2). Die Kombination der ImmunglobulinSubklassen Maus IgG2a und Ratte IgG2b in einem IgG-Molekül (Abb.2) hat einen enormen Vorteil gegenüber konventionellen bsAk: Die neuen Antikörper können nicht nur über ihre beiden Bindungsarme T-Zellen mit Tumorzellen verbinden, sondern über ihre Fc-Region auch akzessorische Zellen (Makrophagen, Dendritische Zellen und Natürliche Killer-Zellen) rekrutieren (3). Die spezielle Struktur der Fc-Region löst die gleichzeitige Aktivierung der verschiedenen Immunzelltypen, T-Zellen und akzessorische Zellen aus (Abb.3). Diese Konstellation bringt im wesentlichen 3 Vorteile: 1. Die für eine physiologische Aktivierung der T-Zellen notwendigen kostimulatorischen Signale werden von den aktivierten akzessorischen Zellen an die T-Zellen vermittelt. 2. Durch die zusätzliche Rekrutierung von akzessorischen Zellen, neben den T-Zellen, werden auch weitere Killer-Mechanismen wie z.B. Phagozytose bereitgestellt (4), die in der Lage sind auch gegenüber T-Zellen resistente Tumorzellen zu zerstören. Die Folge ist eine, im Vergleich zu monoklonalen oder herkömmlichen bispezifischen Antikörpern, effizientere Tumorzerstörung. 3. Die Aufnahme, Prozessierung und Präsentation von Tumormaterial durch bestimmte akzessorische Zellen (wie z.B. aktivierte Makrophagen oder Dendritische Zellen) ist eine Voraussetzung für die Induktion einer zellulären und humoralen Anti-Tumorantwort des Immunsystems. Der Nachweis für die Induktion einer derartigen Immunantwort gegen den autologen Tumor mit Hilfe trifunktioneller Antikörper konnte bereits in Maustumormodellen erbracht werden (Ruf und Lindhofer, Manuskript eingereicht). Produktbeschreibung Es stehen derzeit zwei trifunktionelle Antikörper mit folgenden Bindungsspezifitäten zur Verfügung: 쑺 anti-EpCAM X anti-CD3 (removab®) und 쑺 anti-Her2/neu X anti-CD3 (rexomab®) Anwendung Trifunktionelle bispezifische Antikörper können als adjuvante immuntherapeutische Agentien in der Krebstherapie eingesetzt werden. Dabei gibt es zwei verschiedene Anwendungsstrategien: Abb. 2: Trifunktionelle bispezifische Antikörper (triomab®) kombinieren die beiden evolutionär verwandten und homologen Subklassen Maus IgG2a und Ratte IgG2b. Beide Subklassen besitzen potente immunologische Effektorfunktionen wie z.B. Komplementbindung oder FcRezeptorbindung, so dass es über den Fc-Teil des Antikörpers nicht nur zur Bindung sondern auch zur Aktivierung von akzessorische Zellen, neben der T-Zelle, kommt. Dies führt zu einer besonders effizienten Zerstörung von Tumorzellen. TAA = tumorassoziiertes Antigen; CD3 = Oberflächenantigen auf T-Zellen. 1. ex vivo : Entfernung von Tumorzellen aus autologen Stammzelltransplantaten 2. in vivo: Zerstörung von im Körper verbliebenen Tumorzellen nach z.B. operativer Entfernung des Primärtumors (Tumorresterkrankungssituation) Beide Zielstrukturen (EpCAM und Her2/ neu) sind tumorassoziierte Antigene und kommen auf den meisten epithelialen Krebsarten (wie z.B. Brust-, Eierstock-, Magen-, Lungen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs) in unterschiedlicher Ausprägung vor. In der ex vivo-Anwendung sind diese Zielstrukturen sogar tumorspezifisch, was zu einer effizienten Zerstörung von Tumorzellen in autologen Apheresaten, insbesondere durch die Kombination beider Antikörper (removab® + rexomab® = removall®), führt. Aufgrund der hohen Spezifität dieses Ansatzes werden die Stamm- und Vorläuferzellen, die für die erneute Blutbildung notwendig sind, nicht angegriffen. Dies konnte in begleitenden Untersuchun- Industrie-Applikationen 501 B I O S P E K T R U M • 6. 0 0 • 6. J A H R G A N G gen mittels sogenannter Kolonie-formierenden-Einheiten (CFU-Assays) nachgewiesen werden. In einer Pilotstudie mit removall®-Antikörpern zur Reinigung von StammzellApheresaten von Brust- und Eierstockkrebspatientinnen konnte in allen 10 von 29 Proben, die mit autologen Tumorzellen kontaminiert waren, eine 100%ige Zerstörung der Tumorzellen gezeigt werden. In diesen Versuchen wurden auch drei komplette Stammzellapheresate von zwei Brustkrebs- und einer Eierstockkrebspatientin behandelt. Neben der Zerstörung der Tumorzellen, stand hier insbesondere die Sicherheit der Anwendung während und nach Reinfusion der Apheresate im Mittelpunkt. Alle 3 Patientinnen zeigten bei insgesamt 5 Transplantationen eine gute Verträglichkeit bei der Reinfusion der mit removall® gereinigten Stammzellapheresate und der Neuaufbau der Blutbildung (Engraftment) war in keiner der Patientinnen verzögert. Zusammenfassung Trifunktionelle Antikörper rekrutieren sowohl T-Zellen als auch akzessorische Zellen des Immunsystems an die Tumorzelle. Die anschließende simultane Aktivierung beider Immunzelltypen durch die trifunktionellen Antikörper führt zu einer besonders effizienten Zerstörung der Tumorzellen. 쑺 Im Rahmen einer Pilotstudie waren 33% (10/29) der untersuchten Apheresate von Patientinnen mit metastasiertem Brustoder Eierstockkrebs mit Tumorzellen kontaminiert. 쑺 Nach der Inkubation mit removall® konnten in keinem der kontaminierten Apheresate (10/10) noch Tumorzellen nachgewiesen werden. 쑺 Die in removall® enthaltenen trifunktionellen Antikörper removab® und rexomab® richten sich gegen die wichtigsten tumorassoziierten Antigene epithelialer Tumoren. 쑺 In der ex vivo-Situation sind Her2/neu und EpCAM tumorspezifisch. 쑺 Selbst Tumorzellen mit einer geringen Antigenexpression werden zerstört. 쑺 Die Rekonstitution des blutbildenden Systems (Engraftment) wird durch removall® nicht beeinträchtigt. Aufgrund der sehr geringen Menge an eingesetzten trifunktionellen Antikörpern (20µg) und dem Abbau durch Makrophagen kann nach Inkubation kein restlicher Antikörper mehr nachgewiesen werden. 쑺 Das removall®-Verfahren ist einfach in der Handhabung und benötigt zur Initiierung der Inkubation im Apheresat nur eine kurze Vorbereitungszeit (ca. 30min.). Abb. 3: Der postulierte „Drei-Zell-Komplex”: Die Formation dieses Komplexes durch trifunktionelle bispezifische Antikörper führt zur Aktivierung verschiedener Klassen von Immunzellen und anschließender Zerstörung der Tumorzelle. Die Aktivierung speziell der akzessorischen FcRezeptor-positiven Zellen nach Antikörperzugabe konnte durch die Freisetzung der Zytokine IL-1, IL-6, IL-12 und des, für dendritische Zellen spezifischen, Zytokins DC-CK1 gezeigt werden. Die T-Zelle erhält wichtige kostimulatorische Signale (Signal 2) über Oberflächenantigene wie z.B. CD40, LFA3 oder den B7 Komplex von der akzessorischen Zelle. Literatur 1. Fanger MW, Segal DM, Wunderlich JR: Going both ways: bispecific antibodies and targeted cellular cytotoxicity [news]. FASEB J 4: 28462849, 1990 2. Lindhofer H, Mocikat R, Steipe B, Thierfelder S: Preferential species-restricted heavy/light chain pairing in rat/mouse quadromas. Implications for a single-step purification of bispecific antibodies. J Immunol 155: 219-225, 3. Zeidler R, Reisbach G, Wollenberg B, Lang S, Chaubal S, Schmitt B, Lindhofer H: Simultaneous activation of T cells and accessory cells by a new class of intact bispecific antibody results in efficient tumor cell killing. J Immunol 163: 1246-1252, 1999 4. Zeidler R, Mysliwietz J, Csanady M, Walz A, Ziegler I, Schmitt B, Wollenberg B, Lindhofer H: The Fc-region of a new class of intact bispecific antibody mediates activation of accessory cells and NK cells and induces direct phagocytosis of tumour cells. Br.J.Cancer 83: 261-266, 2000 Korrespondenzadresse Dr. Horst Lindhofer Klinische Kooperationsgruppe Bispezifische Antikörper der GSF und der HNO-Poliklinik, Großhadern Marchioninistraße 25, D- 81377 München Tel. 089-7099 322 eMail: [email protected] TRION Pharma GmbH Frankfurter Ring 193a D- 80807 München Tel. 089-3242660, Fax 089-32426699 eMail: [email protected] www.trionpharma.de