Special - BIOspektrum

Werbung
Special
Rezeptor Tyrosin Kinasen als Angriffspunkte in
der Krebstherapie
Sylvia Streit, Oliver M. Fischer, Stefan Hart, Axel Ullrich
Max-Planck-Institut für Biochemie, Abteilung für Molekularbiologie, Martinsried
Signaltransduktionsprozesse steuern
unterschiedliche zelluläre Vorgänge, die essenziell für die Entwicklung und die funktionale Integrität von multizellulären Organismen sind. Die reversible Proteinphosphorylierung stellt dabei ein wichtiges
regulatorisches Prinzip innerhalb der Signaltransduktion dar. Rezeptortyrosinkinasen (RTKn), die eine intrinsische Tyrosinkinaseaktivität besitzen und für die Signalübertragung der Zelle außerordentlich
bedeutend sind, bilden eine der Hauptklassen der Zelloberflächenrezeptoren.
Deregulierte Signaltransduktion, verursacht durch Überexpression, Mutationen
oder autokrine Stimulation von Proteinkinasen wurde dementsprechend mit einer
Vielzahl von pathophysiologischen Vor-
gängen in Verbindung gebracht und führte zur Entwicklung von spezifischen Kinaseinhibitoren. Diese Wirkstoffe erlauben
im Gegensatz zu unspezifischen zytotoxischen Chemotherapeutika eine gezielte
Wirkung gegen Tumorzellen.
Im Wesentlichen werden zwei verschiedene Strategien angewandt. Zum einen werden niedermolekulare Inhibitoren
verwendet, welche die Kinasedomäne
selbst entweder als ATP-Analogon oder als
Substrat-Mimetikum inhibieren. Zum anderen werden monoklonale inhibitorische
Antikörper entwickelt, die gegen den
extrazellulären Bereich von Rezeptoren
oder deren Liganden gerichtet sind. 1998
wurde der monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin, Genentech) gegen
Neutralisierender
Antikörper
Inhibitorischer
RTK-Antikörper
Toxin-gekoppelter
Antikörper
Antisense
P
P
P
P
siRNA
niedermolekulare
Kinaseinhibitoren
P
P
P
P
Geldanamycin
HSP90
Proteindegradierung
Antiapoptose
Migration/Invasion
Angiogenese
Proliferation
Abb. 1: Verschiedene Strategien zur Inhibierung von Rezeptortyrosinkinasen (RTKn) und deren bio
logischen Antworten: Inhibitorische monoklonale Antikörper (MAk) gegen die extrazelluläre Ligandenbindungsstelle von RTKn; Toxingekoppelte MAk, welche nach RTK-Internalisierung die Zielzellen
abtöten; Neutralisierende MAk gegen RTK Liganden; niedermolekulare Kinaseinhibitoren gegen die
Kinasedomäne; Antisense and siRNA Techniken zum Inhibieren der Proteinexpression, und Geldanamycin Derivate zur Induktion der Proteindegradation durch Inhibierung von Chaperone.
BIOspektrum · Sonderausgabe · 10. Jahrgang
[tech
logie]
Special
502
Tab. 1: Rezeptortyrosinkinasen als Interventionspunkte in der Krebstherapie
CML, chronische myelonische Leukämie; EGFR, epidermal growth factor receptor; FGFR, fibroblast
growth factor receptor; FLT, FMS-retated tyrosine kinase; GIST, Gastrointestinale Stromatumoren; HER,
human EGFR-related; NSCLC, nicht kleinzellige Lungenkarzinome; PDGFR, platelet-derived growth
factor receptor; PKC, protein kinase C; VEGF vascular endothelial growth factor; VEGFR, VEGF receptor.
HER2 als therapeutisches Zielprotein identifiziert und ein humanisierter monoklonaler Antikörper entwickelt. Trastuzumab
(Herceptin, Genentech/Hoffman LaRoche)
wurde 1998 von der FDA als erstes Medikament, das auf der Grundlage von Genombasierter Forschung entwickelt wurde, gegen metastasierenden HER2-überexprimierenden Brustkrebs zugelassen. Der Antikörper führt zur Internalisierung und zum
Abbau von HER2 sowie zu Zellzyklusarrest
und zur Rekrutierung des Immunsystems
durch die Antikörper-abhängige zelluläre
Zytotoxizität[9]. Klinische Studien ergaben
eine verlängerte Überlebensdauer von
HER2 überexprimierenden Brustkrebspatientinnen in Kombination mit einer Chemotherapie[10].
Angiogenese als therapeutisches Ziel in der
Krebstherapie
die RTK HER2 für die Behandlung von
Brustkrebspatientinnen von der FDA zugelassen. 2001 erhielt der niedermolekulare Inhibitor Glivec gegen die Tyrosinkinasen BCR-Abl, c-kit und den „Platelet-Derived Growth Factor Receptor“ (PDGFR)
die Zulassung von der FDA für die Behandlung der chronischen myelonischen
Leukämie.
Die EGFR Familie als Angriffspunkt in der
Krebstherapie
Mendelsohn und Kollegen verwendeten
erstmals den EGFR als Angriffspunkt in der
Krebstherapie mittels eines monoklonalen
Antikörpers gegen die extrazelluläre Domäne[1], der den EGFR mit starker Affinität
bindet und zur Internalisierung des Rezeptors führt[2]. Nach einer Reihe von Schwierigkeiten[12] wurde die humanisierte Form
Cetuximab (Erbitux) 2003 in der Schweiz
und 2004 in den USA zur Behandlung von
Patienten mit kolorektalen Karzinomen zugelassen.
Unter den niedermolekularen Substanzen
gegen den EGFR zeigte Iressa (Gefiti-
nib/ZD1839, AstraZeneca) die schnellsten
klinischen Fortschritte in der Behandlung
von Patienten mit nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC). Nach anfänglichen, erfolgversprechenden Ergebnissen
in klinischen Studien[3, 4] gab es jedoch in
der Phase III keinen Überlebensvorteil von
NSCLC Patienten bei Verabreichung des
Wirkstoffs zusätzlich zur Chemotherapie[5].
Trotzdem wurde Gefitinib in Japan im Juli
2002 und in den USA im Mai 2003 zur Behandlung von Patienten mit inoperablen
NSCLC als Einzeltherapeutikum zugelassen. Neue Untersuchungen stellen einen
Zusammenhang zwischen EGFR-Mutationen und dem Therapieerfolg durch Gefitinib dar und untersteichen die Notwendigkeit einer genauen molekularen Charakterisierung von Tumorerkrankungen[6].
Für das HER2 Gen, welches 1985 entdeckt wurde[7], konnte früh eine Korrelation
zwischen abnormaler Signaltransduktion
und einer verkürzten Überlebensrate sowie
erhöhten Rückfallquote für Brustkrebspatientinnen festgestellt werden, ausgelöst
durch Genamplifikation und Überexpression[8]. Auf Grund dieser Arbeiten wurde
Da die Tumorprogression von der Neubildung von Blutgefäßen zur Versorgung des Tumors abhängt, stellt die gezielte Inhibierung
dieses Vorgangs einen vielversprechenden
Ansatz in der Krebstherapie dar[11, 12]. Eine
besondere Rolle in der Angiogenese nehmen
die „Vascular Endothelial Growth Factor“
(VEGF) Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren ein. Bevacizumab (Avastin, Genentech), ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen den Liganden VEGF, wurde
kürzlich von der FDA zur Therapie kolorektaler Karzinome als ersten Vertreter dieser
Angiogeneseinhibitoren zugelassen.
SU5416 (Sugen/Pfizer) ist ein Inhibitor
gegen den VEGFR 2, der zwar vielversprechende Ergebnisse in präklinischen Studien
zeigte[13], dessen Entwicklung jedoch in
Phase II Studien mangels klinischer Wirksamkeit eingestellt wurde[14, 15]. Dieser Fehlschlag könnte neben der Problematik der
klinischen Erprobung dieser Wirkstoffkandidaten darin begründet liegen, dass auch
andere Rezeptoren und Signalwege an der
Angiogenese beteiligt sind, wie z.B. der
PDGFR, FGFRn oder c-Met. Sogenannte
Inhibitoren der 3. Generation, wie PTK-787
oder SU11248 (Sugen/Pfizer) tragen dem
Rechnung und repräsentieren einen neuen
Trend in der Krebstherapie durch ein breiteres Wirkspektrum gegen verschiedene
RTKn, die an der Angiogenese beteiligt
sind[16, 17].
Ausblick
Die Zulassungen für die ersten Vertreter von
Medikamenten dieser neuen Generation
wie Trastuzumab, Glivec, Erbitux, Iressa
und Bevacizumab und die damit erreichbaren Therapierfolge zeigen die Möglichkeiten auf, welche die moderne Genom-baBIOspektrum · Sonderausgabe · 10. Jahrgang
Special
sierte Forschung in der Entwicklung von Therapeutika eröffnet hat. Neben diesen Erfolgen scheitern jedoch etliche vielversprechende Kandidaten in
den klinischen Phasen, obwohl
sie in präklinischen Studien eindrucksvolle Effekte zeigen. Für
die Auswahl von Patientenkohorten ist daher eine umfangreiche genetische und biochemische Charakterisierung unerlässlich.
Zukünftige Therapien werden zudem nicht nur einzelne
Signalmoleküle angreifen, sondern in Kombinationsform verschiedene Signalwege anvisieren müssen, um der molekularen
Heterogenität von Tumoren und
deren genomische Instabilität
sowie den daraus entstehenden
Resistenzmechanism entgegen
zu wirken.
Literatur
[1] Mendelsohn, J. (2001): The epidermal growth factor receptor as a target for
cancer therapy. Endocr Relat Cancer
8:3–9.
[2] Fukuoka, M., et al. (2002): Final
results from a phase II trial of ZD1839
(’Iressa’) for patients with advanced nonsmall cell lung cancer (IDEAL 1). Proc Am
Soc Clin Oncol 21:298a (abstr. 1188).
[3] Kris, M.G., et al. (2002): A phase II
trial of ZD1839 (’Iressa’) in advanced nonsmall lung cancer (NSCLC) patients who
failed platinum and doctazel-base regimens (IEAL20), in Proc Am Soc Clin Oncol. p. 292a (abstr. 1166).
[4] Giaccone, G., Johnson, D.H., and
Manegold, C. (2002): An phase III clinical trial of ZD1839 (’Iressa’) in combination with gemcitabine and cisplatin in
chemotherapy-naive patients with advanced non-small cell lung cancer (INTACT 1). Ann Oncol 2002:40a.
[5] Johnson, D.H., and Herbst, R.
(2002): ZD1839 (’Iressa’) in combination
with paclitaxel and carboplatin in
chemotherapy-naive patients with advanced non-small cell lung cancer
(NSCLC): results from a phase III clinical
trial (INTACT 2). Ann Oncol 13(Suppl. 5).
[6] Paez, JG., et al. (2004): EGFR Mutations in Lung Cancer: Correlation with
Clinical Respomse to Gefitinib Therapy.
Science 304: 1497–1500.
[7] Coussens, L., et al. (1985): Tyrosine
kinase receptor with extensive homology
to EGF receptor shares chromosomal
location with neu oncogene. Science 230:
1132–9.
BIOspektrum · Sonderausgabe · 10. Jahrgang
[8] Slamon, D.J., et al. (1987): Human
breast cancer: correlation of relapse and
survival with amplification of the HER2/neu oncogene. Science 235:177–82.
[9] Kumar, R., Shepard, H.M., and
Mendelsohn, J. (1991): Regulation of
phosphorylation of the c-erbB-2/HER2
gene product by a monoclonal antibody
and serum growth factor(s) in human
mammary carcinoma cells. Mol Cell Biol
11:979–86.
[10] Slamon, D.J., et al. (2001): Use of
chemotherapy plus a monoclonal antibody against HER2 for metastatic breast
cancer that overexpresses HER2. N Engl J
Med 344:783–92.
[11] Prenzel, N., et al. (2001): The epidermal growth factor receptor family as a
central element for cellular signal transduction and diversification. Endocr Relat
Cancer 8:11–31.
[12] Gschwind, A, Fischer, OM, and
Ullrich, A., et al. (2004): The discovery
of receptor tyrosine kinases: targets for
cancer therapy. Nature Reviews Cancer
4:361–370.
[13] Millauer, B., et al. (1996): Dominant-negative inhibition of Flk-1 suppresses the growth of many tumor types in vivo. Cancer Res 56:1615–20.
[14] Giles, F.J., et al. (2003): Phase II
study of SU5416-a small-molecule, vascular endothelial growth factor tyrosine-kinase receptor inhibitor-in patients with refractory myeloproliferative diseases. Cancer 97:1920–8.
[15] Fiedler, W.M., Tinnefeld, H.,
Mende, T., et al. (2001): A Phase II
study with SU5416 in patients with c-kit
positive AML. Proc Am Soc Clin Oncol
20:288a.
[16] Wood, J.M., et al. (2000):
PTK787/ZK 222584, a novel and potent inhibitor of vascular endothelial growth factor receptor tyrosine kinases, impairs vascular endothelial growth factor-induced
responses and tumor growth after oral
administration. Cancer Res 60:2178–89.
[17] Mendel, D.B., et al. (2003): In vivo
antitumor activity of SU11248, a novel tyrosine kinase inhibitor targeting vascular
endothelial growth factor and platelet-derived growth factor receptors: determination of a pharmacokinetic/pharmacodynamic relationship. Clin Cancer Res
9:327–37.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Axel Ullrich
Max-Planck-Institut für Biochemie
Abt. Molekularbiologie
Am Klopferspitz 18A
D-82152 Martinsried
Tel.: 089-85782512
Fax: 089-85782454
[email protected]
Herunterladen