Die Europäische Sumpfschildkröte im Dahmeland VON KARL-H EINZ WOLLENBERG SCHUTZSTATUS UND HERKUNFT DER ART Als besonders seltene, in Deutschland <vom Aussterben bedrohteu Art tritt in einigen Gewässern des Dahmelandes noch die Europäische Sumpfschildkröte auf. HeimischeVorkommen dieser Art sind in Deutschland nur noch in Brandenburg, Süd-Mecklenburg und wahrscheinlich in Nord-Sachsen vorhanden. Bei den eindeutig bodenständigen Sumpfschildkröten Mitteleuropas, auch den heimischen, handelt es sich um die schwarzkehlige Form der Europäischen Sumpfschildkröte. Sie besitzt nur wenige kleine gelbe Flecken auf ihrer dunklen I(ehlfärbung (FzuTZ, 1992). Dies unterscheidet sie von südeuropäischen Formen der Sumpf- schildkröte, die eine gelbe Kehlfärbung besitzen oder eine schwarz-gelb-gefl eckte gisch-pommersche Seenplatte vor. Zum Höhepunkt der Erwärmung in der Mittleren\üärmezeit (Atlantikum) vor ca. 7000 bis 5000 Jahren wurden nach Nordwesten hin Süd-Schweden, Dänemark und SüdEngland und nach \üesten hin MittelFrankreich besiedelt. Dies ist durch zahlreiche subfossile Funde sicher belest (nach ist sehr sonne- und wärmeliebend. Daher erreicht sie in Norddeutschland ihre heutigeVerbreitungsgrenze.Wie gelangte diese sonneliebende Art in unsere Region? Ausweichend vor unserer letzten Verei sung in Mitteleuropa, der Weichsel-I(altzeit,zog sich die schwarzkehlige Sumpfschildkröte in wärmere Gebiete zurück. Zum Höhepunkt der jüngsten Vereisung Lebensräume der Sumpfschildkröte sind ruhigeTeiche und Seen sowie Ruhigwasser-Zonen (Buchten und Altwasserarme) von Flüssen, aber auch wärmegetönte \üeiher, Sölle und Wassergräben. Die Wohngewässer müssen störungsarm und anteilig gut besonnt sein. A1s wechselwarme Tiere sonnen sich Sumpfschildkröten gern ausgiebig auf Bulten an den Gewäs- vor ca. 20 000 Jahren lag ihr Rückzugsge- serrändern, auf ins Wasser gestürzten Baumstämmen und auf schwimmenden grund-Pulverberg, Lebensraum der Sumpfschildkröte Foto: I{.-H.Wollenberg (1982) ZUR BIOLOGIE DER SUMPFSCHILDKRÖTE lat). Nach dem Abklingen derVeichselVereisung kehrte die Pontische Sumpfschildkröte wieder nach Mitteleuropa zurück. Bei deutlicher I(ima-Verbesserung drang sie entlang der Flußsysteme Schilfinseln. Haben sie genügend\üärme aufgenommen sind sie besonders agil. Sie können auch recht gut sehen. Beim Anblick einer Gefahr lassen sich die scheuen Tiere rasch ins\Wasser fallen und tauchen sofort unter. Sie wühlen sich hierbei zum \X/eichsel und Oder bis in die mecklenbur- Teil auch in den Gewässersrund ein. nördlich des I(aukasus (Pontisches Iso- imNSGHöllen- FRITZ 1992). I(ehle haben. Die wissenschaftliche Bezeichnung unserer heimischen Sumpfschildkröte lautet Emys orbicularis orbicularis (LINNAEUS, 1758) - Pontische Sumpfschildkröte. Die Sumpfschildkröte biet sehr wahrscheinlich im Ponticum, I(leingewässer )t Als \Wasserschildkröten können sie gut schwimmen. Männliche Tiere erreichen bei uns eine Rückenpanzer-Länge von 18-19 cm, weibliche Exemplare eine solche von max. 20 cm. Hiermit sind sie deutlich größer als südeuropäische Sumpfschildkröten. Erwachsene heimische Sumpfschildkröten haben einen fast schwarzen Rückenpanzer, mit nur sehr feiner gelber Punktierung bzw Strichelung. Auch der Bauchpanzer ist fast einheitlich dunkel gef,ärbt. Die schwarze Kehlfärbung mit nur geringer feiner Gelb- Sumpfschildkröte aus Südeuropa -!7ild- fund um 1980 (später ausgesetzt im Sutschketal) Foto: K.-H.lY/ollenberg Todfund einer heimischen Sumpfschildkröte (Männchen) am Selchower Fhrtorqhcn Foto: M. Rosenberg 52 Tüpfelung wurde schon erwähnt. Auch die Halsseiten können fein gelb gerüpfelr sein. Hiermit ist unsere heimische Sumpfschildkröten-Form auch insgesamt deut- lich dunkler gefärbt als Exemplare Südeuropa. aus Im Jahresrhythmus sind Sumpfschildkröten bei uns von Anfang April bis etwa Ende Oktober aktiv. Den \Winter verbringen sie meist im Bodengrund der Gewässer ruhend. Einige überwintern aber auch an Land. Hier graben sich die Schildkröten im Erdreich ein. Meist schon im April erfolgt die Fort- pflanzung bei den Sumpfschildkrören. Begattung erfolgt auf gut besonnten Trockenstandorten die Eiablage. Die Eiablageplätze liegen meist ufernah, maximal über I km entfernt. Das Weibchen gräbt eine 10-12 cm tiefe Grube und iegt darin 5-15 kalkschalige Eier ab, die wieder mit Erde bedeckt werden. Die Gelege werden von der Sonne bzw. der Erdwärme ausgebrütet und die Jungtiere schlüpfen im August/September. In zu kühlen Jahren erscheinen die Jungen erst im nächsten Frühjahr. Die Nahrungsriere der Sumpfschildkröte, weitgehend im \Tasser erbeutet, sind I(aulquappen, Frösche, Fische, Kleinkrebse, Muscheln, Schnecken (mit Gehäuse), Regenwürmer und Insektenlarven. Obwohl schwimmgewandt kann sie gesunde Fische kaum erbeuten. Jedoch fdngt sie schwimmbehinderte verletzte oder kranke Fische. Hiermit ist die Sumpfschildkröte ein natürlicher Regulator zur Erhaltung gesunder heimischer Fischbestände. NACHWEISE DER SUMPFSCHILDKRÖTE IM DAHMELAND Geschlechtsreif werden die Tiere mit 10 bis 12 Jahren. Geschlechtsmerkmale sind die gelbe Iris bei den Weibchen und die gier> des hellbraune bis rotbraune Iris bei den männlichen Tieren. Auch ist der Bauch- kröten-Vorkommen des Altkreises l(önigs \üusterhausen kartiert. Für den Zeitrartm panzer der männlichen Exemplare konkav eingedellt um die Begattung zu erleichtern. Etwa einen Monat nach der plare der Sumpfschildkröte belegt wer- Durch die Fachgruppe <iFeldherpetolo- NABU wurden die Sumpfschild- 1945 bis Ende 1996 konnren 101 Exemden. Sie gliedern sich in 70 Lebend-Nach- weise und 31 Tot-Funde. Negativ ist die hoheTodesrate derArt und der Nachweis, dass es sich im Dahmeland um Sumpfschildkröten meist südeuropäischer Abstammung handelt. Positiv belegt ist, dass eine größere Anzahl Gewässer des Dahmeiandes auch heute noch als Lebens- raum für die Sumpfschildkröte geeignet sind, günstige Gelegeplätze vorliegen und mehrfach auch Jungtiere beobachtet wurden. Zudem ist jüngst auch eine eindeutig einheimische Sumpfschildkröte sicher be- legt worden. Nachweise von der Art gibt es aus dem zentralen und nördlichen Bereich des Dahmelandes. Hierbei handelt es sich um flache, gut durchwärmte, nährstolfreiche Gewässer. DIE GEFAHRDUNG DER SUMPFSCHILDKRÖTE Die in Brandenburg noch im 17.l8.Jahrhundert sehr häufigen Bestände der Sumpfschildkröte, gingen in der Folge stark zurück. Heute ist die Sumpfschildkröte als landesweit r,vom Aussterben bedrohte Art,i vor allem durch Ertrinken in Reusen, durch Straßentod bei der\X/anderung zu den Eiablageplätzen, durch die Vernichtung und negative Veränderung der Gelegeplätze gefährdet. Natürliche Dezimierungen der Bestände erfolgen zu- sätzlich durch zu kühle Witterung im Sommer und zu kalte Winter (Absterben der Geiege bzw Verlust von Jungtieren). Hinzu kommen noch die natürlichen Freßfeinde wie Fuchs, Marder undWildschwein, aber auch Rabenvögel und umherstreunende Hunde. Besonders gefährdet hierbei sind die Gelege und Jungtiere der Sumpfschildkröte. Uferbereiche. Günstig hierfür ist die Einbeziehung von Schildkröten-Gewässern in Schutzgebiete (NSG, FND usw.) wie es im Dahmeland schon häufig der Fall ist. Die Ausweisung von Ruhezonen mit Betretungs- und Angelverbot an Schildkröten-Gewässern erhöht ebenfalls den Schutz für die seltene Art. Außerst wichtig ist die Sicherung bzw. Aufbesserung idealer Sonnenplätze für die Sumpfschildkröte (von uns bei Naturschutz-Pflegeeinsätzen praktiziert durch das Fä1len stärkerer Baumstämme in das Gewässer hinein; zusätzlich sonnen sich hier Ringelnatter, Frösche, Libellen und\üasservogelarten). Zwingend notwendig ist der Erhalt bzw. die Neuschaffung stark besonnter Trocken-Biotope als ideale Eiablageplätze für die Sumpfschildtaöte. ln Sumpfschildkröten-Gewässern sollten Reusen mit einem Reusenausstieg verwendet wer- den damit Sumpfschildkröten nicht ertrinken. Auch sollen keine fremdländischen Sumpfschildkröten oder deren Nachkommen mehr in die Natur ausgesetzt werden! Seit 1993 läuft das <Artenschutzprojekt Europäische Sumpfschildkröteu. Das I(onzept hierzu wurde von der Naturschutzstation Niederbarnim erarbeitet. Derzeit 1äuft bereits ein Programm auf Initiative Brandenburger Naturschutzverbände ztr Ztchr und Auswilderung heimischer Sumpfschildkröten. Begleitet wird es vom Landesumweltamt Brandenburg. Entsprechende Zuchterfolge liegen bereits vor. Langgestecktes Ziel ist es, die in der Natur befindlichen Sumpfschildkröten fremdländischen Ursprungs allmählich gegen wirklich heimische Exem- plare der Art auszutauschen. Auch naturschutzseitig wichtig soauch neue Sumpfschildkröten-Nachweise zu ermitteln. künftig ist es wohl ältere SCHUTZMASSNA HMEN FÜR DIE SUMPFSCHILD- KRÖTE Wichtig zum Erhalt der Sumpfschildkröte ist der Biotopschutz in den Lebensräumen.Wichtig ist der Erhalt störungsarmer Gewässer, vor allem aber störungsarmer a1s Der Autor dieses Beitages bittet daher utn schriftliche Mitteilung von Nachweisen der Art (Lebend- undTodfunde) an folgende An- schrift: Karl-Heinz Wollenberg, StraJ3e der AWG 11, 15745 Wildau, Telefon 03375 5021 97. 53 Literatur Fritz, U. (1992): Zw innerartlichen Variabilität von Emys orbicularis (LINNAEUS, 1 758). 2.Variabilität in Osteuropa und Redefinition von Emys orbicularis orbicularis (LINNAEUS 1758, 1758) und E.o. hellenica (VALENCIENNES, 1 832) (Reptilia: Testudines: Emydidae).- Zool. Abh. Mus. Tierk. Dresden, Bd. 47 (5):37 -77 Gläß, H. u.rM Meusel (1969): Die Süß- - wasser-Schildkröten Europas. Die Neue Brehmbücherei, Bd.4l8.A. Ziemsen Verlag\üittenberg Lutherstadr Schiemenz, H u. R. Günther (1994): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Ostdeutschlands (Gebiet der ehemaligen DDR). - Natur undText, Rangsdorf:143 S. I(nuth (1994): Die Europäische Sumpfschildkröte. Schneeweiß, N. u. D. - Faltblatt Reihe Artenschutz Tiere in Brandenburg. Hrsgb. Landesumweltamt Brandenburg. Herstellung: Druckhaus Brandenburg GmbH N. (1997): Fang, Handel und Aussetzung - historische und aktuelle Aspekte des Rückgangs der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis LINNAEUS, 1758) in Brandenburg. In: Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg, H. 3, Schneeweiß, 1997 ;7 6-81 . lVollenberg, I(.-H. (l 996) :Vorkommen, Verbreitung, Lebensweise und Schutz der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) im Altkreis Königs STusterhausen. - Unveröff. Ber.: I(artierungs-Ergebnisse 19 45 l996 (1 l6 S.) u. Bildatlas Sumpfschildkröte (50 Foto-Abb. mit Erläut.) Abbildung 1 (zum Beitrag aufSeite 55 von OlafJuschus) Platten und Abflu südöstlich von Berlin Abflussbahnen/ f---l I I Niederungen Wl ; '' ,r:i ^ 'falsandfläche I [:11 etatten; ungegliedert ,u.ge*ählte Siedlung _....ii,.-. ^ I r! | L,ewasser | *-t r-------------n 0 5 10km {r{ergru.olage Geologrgche Übers.chtsiäde des _andes Eranderbung ' 300 000; La.desant fur Geeissens.haflen utd Rohsioffe B€ndenbuml )4