Alltagsgestaltung mit Herz! - OASE

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Projekteingabe für Bestes Praxisprojekt 2016
am Demenzkongress 2016
Thema der Ausschreibung:
Sinn und Sinnlichkeit in der Pflege Zwischen sinnbezogenem Handeln und sinnlichem Erfahren
Projekt:
Alltagsgestaltung mit Herz!
Familiäre Tagesstätten für Menschen mit Demenz
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
2.1
2.2
3.
4.
4.1
4.2
5.
6.
Einleitung...................................................................................................................................... 2
Vorgehen und Beschreibung der Institution ................................................................................. 2
Beschreibung der Institution ......................................................................................................... 2
Betreuungskonzept: Sinnbezogener Alltag .................................................................................. 2
Ergebnisse ..................................................................................................................................... 3
Reflektion und Nachhaltigkeit ...................................................................................................... 4
Reflektion ..................................................................................................................................... 4
Nachhaltigkeit ............................................................................................................................... 5
Literatur ........................................................................................................................................ 6
Grundlagenpapiere........................................................................................................................ 6
Projektverantwortlicher
Richard Stäheli
Präsident und Geschäftsführer der OASE-Tagesstätten
Palmensteg 3, 8580 Amriswil,
Telefon: 079 302 65 47
E-Mail: [email protected]
Mitarbeitende:
Karin Fraser, Pflegefachfrau HF, Vorstandsmitglied
Vreni Stäheli, Pflegefachfrau AKP, Beratung und Begleitung
Margrit Wipf, Pflegefachfrau HF, externe Beraterin
Projekteingabe an
Margrit Engler, FHS St. Gallen
Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Rosenbergstrasse 59,
9001 St. Gallen
E-Mail: [email protected]
Projekteingabe für Bestes Praxisprojekt 2016
Demenzkongress 2016
1. Einleitung
Aufgeschreckt durch die Auswirkungen der Überlastung von pflegenden und betreuenden Angehörigen, und ermutigt von der Alzheimervereinigung, suchten wir nach einer optimalen Lösung zur Entlastung von Angehörigen. Inspiriert vom „Der rote Faden“ in Luzern gründeten wir eine Familiäre
Tagesstätte für 4 Personen mit einer dementiellen Erkrankung. Im Kleinen starteten wir und wurden
immer wieder überwältigt von der grossen Nachfrage. Im 2014 wurde eine zweite Tagesstätte eröffnet, Angebote für weitere Tagesstätten kamen hinzu. Wir standen vor der grossen Herausforderung,
wie können wir das Konzept, die guten Erfahrungen und die Qualität mit dem Wachstum konsolidieren. Es wurde uns bewusst, dass es nun ein Folgeprojekt benötigt, damit die Qualität nachhaltig
gewährleistet werden kann.
Ziel und Zweck des Projektes sind, nebst der optimalen Betreuung von an Demenz erkrankten
Menschen in einer Tagesstätte, auch die Entlastung für pflegende und betreuende Angehörige
von Menschen mit Demenz.
Das Herzstück unserer Tagesstätten ist die Alltagsgestaltung, immer mit dem Ziel, den Tagesgast
so anzunehmen; wie er ist, ihn dort abzuholen; wo er ist und ihn mit unserem Herzen zu begleiten.
Wie wir Sinn und Sinnlichkeit in der Betreuung von Menschen mit einer Demenz im Alltag leben,
beschreiben wir im Kapitel 2. 2.
Mit unserer Projekteingabe möchten wir die Zusammenarbeit, das Engagement, das Vertrauen aller
beteiligten Personen würdigen.
2. Vorgehen und Beschreibung der Institution
2.1 Beschreibung der Institution
Gemäss den Vorgaben und Richtlinien des Regierungsrates (Kanton TG) erstellten wir ein Konzept
und erhielten die notwendige Betriebsbewilligung. Gleichzeitig wurde ein Trägerverein gegründet.
Örtlich befinden sich die Tagesstätten in der Wohngemeinde oder in der näheren Region der Tagesgäste. Ausgewählt werden 3,5 - 4.5 Zimmer Wohnungen, möglichst mit Garten und im Zentrum.
Die eine Wohnung liegt im selben Gebäude wie die Spitex und Pro Senectute, was sich sehr bewährt. An zwei bzw. vier Tagen pro Woche werden pro Tag maximal vier Tagesgäste von zwei Mitarbeitenden betreut. Diese 2:1 Betreuung ist uns ein ganz zentrales Anliegen und wird von den Tagesgästen, den Angehörigen und den Mitarbeitenden sehr geschätzt. Mindestens einer der zwei
Mitarbeitenden ist eine ausgebildete Pflegefachperson mit Erfahrung in der Altenpflege und Betreuung von Menschen mit Demenz. Der/Die zweite Mitarbeiter/-in hat als Minimalanforderung einen
SRK-Kurs absolviert. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind bereit 16h pro Monat unentgeltlich,
als freiwilligen Einsatz zu absolvieren.
2.2 Betreuungskonzept: Sinnbezogener Alltag
Im Fokus unseres Konzeptes steht die Betreuung. Wir gestalten in den OASE-Tagesstätten eine
Tagesstruktur mit dem Ziel, den Tagesgästen Sicherheit, Geborgenheit, Ruhe und Erfolgserlebnisse
zu vermitteln, zu mehr Lebensglück beizutragen. Sehen, riechen, schmecken, fühlen, hören und die
Bewegung sind für uns wichtige Aktivierungsmomente.
In unserer Betreuungsarbeit leitet uns die Frage immer wieder neu: „Was brauchen Menschen mit
Demenz?"
Gestillte Grundbedürfnisse
Wir orientieren uns an der „einfühlsamen Kommunikation“ von Prof. Dr. Sabine Engel und an der
Beschreibung der 12 Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL’s) von Liliane Juchli. Wir legen grossen
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Wert auf die Auswahl der Alltagsaktivitäten für die Tagesstruktur. Dabei berücksichtigen wir die einzelnen Bedürfnisse, Interessengebiete, Hobbys, religiöse und spirituelle Haltungen usw. der Tagesgäste. Die Tagesstruktur hat gewisse Fixpunkte und Rituale, die immer wiederkommen. In der Regel
bereiten wir ein Tagesthema vor, das sich in unterschiedlichen Aktivitäten wiederholt und gezielt
verschiedene Sinne anspricht.
Der OASE-Alltag/Tagesablauf gestaltet sich so:
- Begrüssung mit Namen und womöglich einem wertschätzenden Satz! Z.B. Grüezi Herr XSie tüchtiger Geschäftsmann.
- Kaffee zum Empfang, da eruieren wir die Tagesform der Tagesgäste.
- Tagesthema, das angedeutet wird auf dem Tisch, an der Wand, auf dem Servierboy usw.
- Mithilfe der Tagesgäste z.B. beim Kochen, Backen. Dabei unterteilen wir Handlungsabläufe
in kleine Schritte, vereinfachen.
- Durch das gemeinsame Mittagessen geben wir dem Tagesgast Sicherheit mit einer klaren
Struktur, wie ein Gebet, Suppe, Salat usw. Je nach Bedarf des Tagesgastes legen wir nur
das nötige Besteck hin usw.
- Mittagsruhe. Sie soll Ruhe in den Alltag bringen und wird von unseren Tagesgästen unterschiedlich genutzt. Sie bevorzugen Fauteuils oder Ruhen an ihrem selbstgewählten Ort.
- Grösserer Spaziergang, bei ganz schlechtem Wetter spielerische Gymnastik am Tisch
- Dessert als Zvieri
- Singen / Bewegen oder Kurzgeschichte
- Letztes Tagesritual: Z. B. ein gleiches Lied, Verabschiedung in der gemeinsamen Runde.
Mehrmals im Jahr setzen wir gezielte Akzente im Tagesprogramm mit einem Clown, einer Künstlerin, einem Seelsorger. Diese Personen haben eine Fachausbildung im Umgang mit Menschen mit
Demenz. Sie verhelfen den Tagesgästen zu ganz besonderen Erfolgserlebnissen oder beglückenden Momenten. Nachhaltige Freude vermittelte Z. B. die Clown-Frau „Babett“. Sie erlebte eine Autopanne und brachte einzelne Teile ihres lädierten Autos in die OASE mit. Dies löste grosses Interesse und Schmunzeln bei den Tagesgästen aus. „Babett“ schaffte es durch ihre feinfühlige Art und
ihren Humor, so manches Lächeln auf die Gesichter zu zaubern, und nach ihrem Besuch, war „Babett“ in der Kaffeerunde immer wieder das Thema.
Im Umgang mit den Tagesgästen sind uns Empathie, Wertschätzung, Kongruenz und Echtheit ganz
zentrale Anliegen. Tom Kitwood mit seinem personenzentrierten Ansatz und „die einfühlsame
Kommunikation“ vermitteln uns eine gute Haltungsgrundlage. Die Betreuenden stellen sich den Tagesgästen zur Verfügung als Menschen mit Herz, Hand und Verstand.
3. Ergebnisse
Die Betreuung in den familiären Tagesstätten schafft im Besonderen Raum, das Bedürfnis der Menschen mit Demenz nach Sinn und Sinnlichkeit zu befriedigen. Tagesgäste können in einem geschützten Rahmen lachen, weinen, streiten, beten, neue „Beziehungen“ aufbauen, Gefühle zu lassen, Anerkennung und Wertschätzung erleben.
Heute besteht eine Themensammlung für die Gestaltung des Alltages, welche die Mitarbeitenden
unterstützt, dem Menschen mit Demenz ein breites Angebot von sinnbezogenen Handlungen und
sinnlichen Erfahrungen vorschlagen zu können. Jeder Tagesgast entscheidet selber, wie er dieses
Angebot annimmt. Sicherheit im Äusseren, aber vor allem auch im emotionalen und sozialen Rahmen erachten wir als das Wesentliche in der Gestaltung des Alltags mit demenzkranken Menschen.
Bei der Arbeitsplanung berücksichtigen wir, dass möglichst immer die gleichen Betreuungspersonen
die Tagesgäste unterstützen. So hoffen wir, durch eine gewisse Regelmässigkeit in Erinnerung zu
bleiben. Auch den Angehörigen bedeutet diese Regelmässigkeit sehr viel. Es entsteht eine Vertrauensbasis und sie wissen ihre Liebsten in guten Händen.
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Demenzkongress 2016
Trotz des Fortschreitens der Erkrankung bei unseren Tagesgästen ist unser Ziel, die noch vorhanden Fähigkeiten zu erhalten und gezielt zu integrieren. Aber Menschen mit Demenz sollen nicht
müssen sondern dürfen.
Das Konzept mit familiären Tagesstätten, dezentral in verschiedenen Ortschaften, bringt viele Vorteile und „macht Schule“. Die Präsenz in der Ortschaft ermöglicht unsern Tagesgästen beglückende
Erinnerungen, wenn sie z.B. auf dem Spaziergang an einer bekannten „Beiz“ vorbei kommen, in der
sie früher Tanzveranstaltungen besucht haben. Menschen mit einer Demenz gehören so zum Ortsbild, werden von der Gesellschaft wahrgenommen. Das bewirkt ein allgemeines vertraut werden mit
dieser Erkrankung. Für die Angehörigen entfallen weite Anfahrtswege.
Unsere Erfahrung zeigt, dass pflegende Angehörige/Bezugspersonen leider oft zu lange warten bis
sie eine Entlastung annehmen. Die Gründe wie z.B. „Man will den lieben Partner nicht abschieben“
oder „Ich schaff das schon noch“ führen immer wieder zu gefährlichen, z.T. von Gewalt geprägten
Situationen. Dem können wir entgegen wirken, indem wir Angehörigen den sinnvollen Alltag in den
Tagesstätten bekannt machen und ihnen Mut machen, Entlastung anzunehmen. In der Regel dauert
es etwa ein Jahr vom ersten Kontaktgespräch mit der Bezugsperson bis zum Eintritt des Tagesgastes.
Die Angehörigen bekommen einige freie Stunden Zeit und können diese für sich persönlich geniessen. Die mündlichen und schriftlichen Rückmeldungen ermuntern uns sehr und zeigen uns gleichzeitig auf, wo Verbesserungspotential liegt.
Auf Grund der positiven und bewährten Erfahrungen entstehen weitere OASE-Tagesstätten als
Zweigstellen, die von den vorhandenen Grundlagen (Betriebskonzept, Betreuungs- und Pflegekonzept, der ganzen Organisation usw.) profitieren. Weitere Interessierte haben unsere OASETagesstätten vor Ort besucht, um sich inspirieren zu lassen. So entstehen neue Tagesstätten mit
ähnlichen Konzepten.
Dadurch, dass eine Tagesstätte sich in einer üblichen 3 ½ - 4 ½ - Zimmer-Wohnung einmietet, können teure Baukosten gespart werden. Durch die ehrenamtliche Arbeit der Betreuenden, die örtlich
einfacher zu rekrutieren sind und ein hilfreiches Beziehungsnetz mitbringen, können Personalkosten
eingespart werden.
Auf Grund der positiven Ergebnisse werden Mitarbeitende der OASE-Tagesstätten zur Mitarbeit an
Alterskonzepten und in Alterskommissionen eingeladen.
4. Reflektion und Nachhaltigkeit
4.1 Reflektion
Die Frage: „Was brauchen Menschen mit Demenz?" fordert uns nach wie vor. Auf der Suche nach
Antworten haben wir den Weg der Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit gewählt. So sind
uns Fort- und Weiterbildungen aller Mitarbeitenden und regelmässige Mitarbeitergespräche ein ganz
zentrales Anliegen.
Die Ehrlichkeit von Menschen mit Demenz hilft uns, unsere Arbeit zu reflektieren und das Angebot
zu optimieren.
Familiäre OASE-Tagesstätten sind ein ergänzendes Angebot. Der familiäre Rahmen ist eine Alternative zu grossen Institutionen, die allein durch ihre Grösse und ihr Angebot den Tagesgast überfordern können.
Durch regelmässige externe Audits wird unsere Arbeit überprüft und die Qualitätssicherung gewährleistet.
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4.2 Nachhaltigkeit
In der Vernehmlassung des Geriatrie- und Demenzkonzeptes des Kantons wurde unser Konzept
der familiären Tagesstätten integriert und auch dadurch bekamen Tagesstätten für Menschen mit
Demenz in der verabschiedeten Fassung den gebührenden Platz.
Der finanzielle Nutzen wird immer mehr auch von Gemeindebehörden erkannt und geschätzt. Damit
trägt das Konzept der familiären Tagesstätte wesentlich zur Minderung der Gesundheitskosten bei.
Einige unserer Mitarbeitenden sind pensioniert. In diesem Sinne wird auch der Aspekt „Hilfe zur
Selbsthilfe“ des kantonalen Geriatrie- und-Demenzkonzeptes unterstützt.
Noch ist keine Heilung für Alzheimer- und viele Demenzerkrankungen in Sicht. Die Zahl dieser Patienten wird in den nächsten Jahren zunehmen. Das Damoklesschwert des fehlenden Gesundheitspersonals und der überbordenden Gesundheitskosten wird immer bedrohlicher. Lösungsansätze
werden gefordert und immer dringender. Familiäre Tagestätten können eine nachhaltige Antwort auf
die wachsenden Herausforderungen im Umgang mit Menschen mit Demenz sein.
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5. Literatur
Juchli Liliane, Pflege (8. Auflage) Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1997
Engel, S. Alzheimer und Demenzen. (2. Auflage).
Verlag TRIAS. (2012). ISBN 978-3-8304-3983-7
Kitwood, T. Demenz. Der personen-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen.
Verlag Hans Huber. (2004, 3. Erweiterte Auflage). ISBN 3-456-84215-5
Hefti, V. Helfen - einfühlsam und kompetent
ISBN 978-3-8370-5540-5
Boss Pauline. Da und doch so fern
rüffer + rub, Thun, ISBN 978 -3 -907625-74-3
Baer Udo & Schotte-Lange G. Das Herz wird nicht dement
Verlag BELTZ (2016, 8. Aufl.) ISBN 978-3-407-85966-2
Hille Gerhard/ Koehler Antje. Seelsorge und Predigt für Menschen mit Demenz.
Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-525-62009-0
6. Grundlagenpapiere
Nationale Demenzstrategie 2014–2017 www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/13916
Geriatrie- und Demenzkonzept Kanton Thurgau RRB Nr. 300 vom 29. März 2016
http://www.gesundheit.tg.ch/documents/2016.03_Geriatrieund_Demenzkonzept_Kanton_Thurgau_29._Maerz_2016.pdf
Weisungen des Regierungsrates für die Politischen Gemeinden zur Erteilung einer Bewilligung und
für die Aufsicht betreffend Betreuungs- und Pflegeangebote, in denen bis zu vier erwachsene Personen betreut werden. Vom Regierungsrat auf den 1. 1. 2013 in Kraft gesetzt.
DEMIAN Pflegekonzept, Individuenzentrierte Pflege auf der Basis positiver Alltagssituationen
Dr. phil. Marion Bär, Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg
«Case Management» und «Zugehende Beratung» bei Demenz
Vögeli Samuel, Alzheimervereinigung Aargau
Lebens- und Wohnformen für Menschen mit Demenz – neue Trends und neue Herausforderungen
François Höpflinger, www.hoepflinger.com
Betreuungs- und Wohnformen für Menschen mit Demenz / Ein Dorf für Menschen mit Demenz
http://www.myhandicap.ch/gesundheit/alter/demenz/wohnformen-demenzkranke/?gclid=CJ3D87b18wCFWcq0wodx-0H8w
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