Schlüssel und Kerker

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Benjamin Franklin (M.)
wirbt bei Ludwig XVI.
um Hilfe für die
amerikanischen Kolonien.
Gemälde von George Peter
Alexander Healy, um 1847
Die amerikanische Revolution ging der französischen voraus, und die
Rebellenführer der Neuen Welt waren stolz, den Freiheitskampf
in Frankreich zu inspirieren – doch die Wechselwirkung wurde zum Drama.
Schlüssel und Kerker
D
er schwere Schlüssel der
Bastille war ein ganz besonderes Pariser Souvenir.
Als George Washington
(1732 bis 1799) im Sommer 1790 das transatlantische Geschenk
erhielt, regierte der Ex-General des Unabhängigkeitskampfs seit gut einem Jahr
als erster Präsident der Vereinigten Staaten. Den Hintergrund der Ehrengabe für
Amerikas Nationalhelden erklärte ein
Brief des Absenders.
Der war ein alter Weggefährte – und
selber ein Geburtshelfer der USA: Thomas Paine (1737 bis 1809) hatte in seiner im Januar 1776 publizierten Schrift
„Common Sense“ mit durchschlagender
Leidenschaft und Klarheit für eine unab-
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hängige Republik auf Basis der Menschenrechte plädiert. Noch vor der Staatsgründung schrieb er damit Amerikas ersten, zündenden Bestseller: Er prägte die
öffentliche Meinung in den britischen
Kolonien so, dass im Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung folgte.
Die Nachrichten vom Umsturz in Paris hatten Paine elektrisiert und in die
französische Hauptstadt gezogen. Dort
war er, wie er an Washington schrieb,
einem Mitkämpfer früherer Tage begegnet, der nun eine zentrale Rolle in der
Französischen Revolution spielte: „Unser sehr guter Freund, der Marquis de
Lafayette, hat mir den Schlüssel der Bastille und eine schön gerahmte Zeichnung
anvertraut, die den Abriss des hassens-
werten Kerkers zeigt … Ich schätze mich
glücklich, derjenige zu sein, durch den
der Marquis diese frühe Trophäe der
Überreste der Tyrannei und die ersten
reifen Früchte der nach Europa verpflanzten amerikanischen Prinzipien seinem Meister und Lehrherrn überbringt.“
Denn zweifellos hätten „Amerikas Prinzipien … die Bastille geöffnet“, so der Verfasser mit Anspielung auf den eigenen
Part, und weiter: „Darum kommt der
Schlüssel an den richtigen Platz.“
Das historische Stück schmückte den
Regierungssitz bis zum Ende von Washingtons Präsidentschaft; heute dient
es als Touristenattraktion auf dem Landsitz des ersten US-Präsidenten in Mount
Vernon, Virginia.
SPIEGEL GESCHICHTE
1 | 2010
HERMANN BURESCH / BPK
Von RAINER TRAUB
ALAMY / MAURITIUS IMAGES (L.); BETTMANN / CORBIS (R.)
Bastille-Schlüssel aus George
Washingtons Besitz in
dessen Landsitz Mount Vernon
Der Geschichtsoptimismus, wie er
sich in der symbolischen Schlüsselübergabe zeigte, wurde in der weiteren
Wechselwirkung von Französischer und
amerikanischer Revolution nicht oft bestätigt. Momenten des Jubels standen
allerlei düstere Szenen gegenüber.
Im ersten Akt des Dramas erschien
der konstitutionelle Monarch Ludwig
XVI. den Mitwirkenden beiderseits des
Atlantiks noch als zentraler Held, der –
wie Paine im erwähnten Brief an Washington versichert – „stolz darauf ist,
an der Spitze der Revolution zu stehen“.
Dieser Eindruck sollte sich bald als
durchaus irrig erweisen. Im Rückblick
mag er sogar heillos naiv erscheinen.
Doch gerade den amerikanischen Zeitgenossen der französischen Revolution
fiel es anfangs nicht schwer, sich Frankreichs König als Schutzherrn einer Bewegung für Freiheit und Verfassung vorzustellen. Genau das war ja die objektive
Rolle von Ludwig XVI. im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gewesen –
auch wenn er subjektiv nicht im Geringsten mit den Ideen von Aufklärung und
Demokratie sympathisierte.
Machtpolitische Motive hatten Frankreichs Monarchen bewogen, sich im
Konflikt zwischen Großbritannien und
dessen rebellischen Kolonien auf die Seite der Abtrünnigen zu schlagen: Hier
SPIEGEL GESCHICHTE
1 | 2010
Thomas Paine
Gemälde von
John Wesley
Jarvis, um 1806
bot sich die Chance zur Revanche gegen
den Erbfeind England, der Frankreich
im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763)
eine bittere Niederlage zugefügt hatte.
Die europäischen Erzrivalen hatten einander auch auf amerikanischem Boden
bekämpft, und die Bourbonendynastie
hatte 1763 Kanada und große Gebiete
östlich des Mississippi an England verloren. Die Demütigung saß tief.
wurde er zum Vertrauten des Oberkommandierenden George Washington und
brachte es bis zum General.
Nachdem sich Frankreich 1778 ganz
offiziell mit den abtrünnigen britischen
Kolonien verbündet hatte, schickte der
Bourbonenstaat Tausende von Soldaten
über den Atlantik. Ihr Einsatz trug wesentlich zur Kapitulation der Briten im
Jahr 1781 bei, die im Reich Ludwigs XVI.
nach der Schmach von 1763 als GenugtuFrankreichs Unterstützung für ung gefeiert wurde. Wie kurzsichtig diedie Aufständischen bei deren 1775 be- ser Jubel jedoch war, sollte sich bald zeiginnendem Krieg mit England war an- gen: Frankreichs längst maroder Staatsfangs auf geheimen Waffenschmuggel haushalt wurde von den immensen Krebeschränkt. Pierre-Augustin de Beaumar- ditkosten für den Krieg in Amerika endchais, der Pariser Hofvertraute und Ko- gültig ruiniert. Der überschuldete Momödiendichter, ließ die Waffen über den narch berief in der verzweifelten HoffAtlantik schaffen, womit er ein Vermögen nung auf frisches Geld die Generalstände
gemacht haben soll. Gleichzeitig brachen ein – und löste damit die Revolution aus.
einzelne Angehörige der französischen
Von der nahen Zukunft ahnte einige
Elite, die mit den Ideen von Montesquieu Jahre zuvor noch niemand etwas, als die
und Rousseau, Voltaire und Diderot auf- Franzosen Lafayette bei seiner siegreigewachsen waren, nach Übersee auf, um chen Rückkehr aus Amerika einen triumals Freiwillige mit den Rebellen zu kämp- phalen Empfang bereiteten. Doch als
fen. Zu ihnen gehörte zum Beispiel Graf Freiheitskämpfer jenseits des Atlantiks
Claude-Henri de Saint-Simon (1760 bis hatte er den Grund dafür gelegt, dass
1825), der später als einer der Väter des er von 1789 bis 1791 zu einer Zentralfiutopischen Sozialismus in die Geschichte gur der französischen Revolution heraneinging. Ein anderer Mitstreiter der Ame- wachsen konnte. In dieser liberalen Pharikaner war der von Paine erwähnte Mar- se der Umwälzung erlangte Lafayette, gequis de Lafayette (1757 bis 1834). Beim feiert als „Held zweier Welten“, eine unEinsatz für die Sache der Aufständischen geheure Popularität. Inspiriert von der
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DIE KONSTITUTIONELLE MONARCHIE
amerikanischen „Declaration of Independence“, mit deren Urhebern er befreundet war, zählte der Marquis zu den treibenden Kräften der französischen Menschenrechtserklärung von 1789. Zugleich
befehligte er als Chef der Pariser Nationalgarde das Militär der Hauptstadt. So
war er an den Schlüssel der Bastille gekommen und hatte ihn Washington geschenkt – nach eigenem Bekunden „wie
ein Sohn seinem Adoptivvater, wie ein
Adjutant seinem General und wie ein
Missionar der Freiheit deren Patriarch“.
Wenn es 1789 einen Zeitgenossen gab,
dessen Prestige bei beiden transatlantischen Verbündeten dasjenige von Lafayette noch übertraf, dann war es Benjamin Franklin. Das autodidaktische Genie war als Naturwissenschaftler und
Volkspädagoge, als Schriftsteller und
Philosoph, als Staatsmann und Erfinder
des Blitzableiters auch in der Heimat
der Aufklärung eine Legende.
Im April 1778 wurde die Pariser Akademie der Wissenschaften zum Schauplatz einer Begegnung zwischen den
Kultfiguren Franklin (1706 bis 1790)
und Voltaire (1694 bis 1778). Die versammelte Elite der Nation forderte spontan
eine Verbrüderungsgeste der greisen
Geistesheroen. Mühsam und unschlüssig erhoben die sich und reichten einander die Hände. Damit nicht zufrieden,
forderte das Publikum lauthals mehr
Innigkeit: „Il faut s’embrasser, à la française!“ Folgsam umarmten sich Franklin
und Voltaire und tauschten Wangenküsse aus.
Nur wenige Zeitgenossen sahen darin einen Widerspruch. Auch die französische Menschenrechtserklärung von
1789 war ja nicht auf Sklaven gemünzt;
erst im Februar 1794, als die aufständischen Schwarzen in der Zuckerkolonie
Sainte Domingue sich bereits selbst befreit hatten, sollte der Konvent die Sklaverei für abgeschafft erklären. Wenn in
den ersten nachrevolutionären Jahren
die Besitzer französischer Sklavenschiffe („négriers“) ihre lukrativen Frachter
„Liberté, Egalité, Fraternité“ tauften, so
drückte sich darin Freude an der neuen
Freiheit aus und nicht bewusster Zynis-
Die Unabhängigkeitserklärung
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Französischer Sklavenhandel im späten 18. Jahrhundert (Zeitgenössischer Stich)
Die beiden avancierten in der Eröffnungsphase der Französischen Revolution zu deren Dioskuren. Auf Beschluss
der Nationalversammlung wurden 1791
Voltaires sterbliche Überreste – er war
einen Monat nach der Begegnung mit
Franklin gestorben – ins Pantheon gebracht. Die Nachricht von Franklins Tod
im April 1790 löste in Frankreich wie in
den USA landesweit Trauer aus; Mirabeau huldigte in der Nationalversammlung dem „Genie, das Amerika befreite
und Europa mit Licht überflutete“.
Zu Franklins Nachfolger als Botschafter in Paris wählte der US-Kongress 1785
Thomas Jefferson (1743 bis 1826). Unter
den „founding fathers“ der USA tat sich
der Mann, der im März 1801 Amerikas
dritter Präsident werden sollte, als feurigster Anhänger der Französischen
Revolution hervor. Seiner historischen
Rolle haftet eine gewisse Ironie an: Der
Autor der amerikanischen Menschenrechtserklärung hielt als typischer Plantagenbesitzer seiner Generation Sklaven.
mus. Zu den seltenen Kritikern solch naiver Doppelmoral zählte Jacques Pierre
Brissot (1754 bis 1793). Der Journalist,
der 1792 als Girondisten-Führer und Befürworter eines revolutionären Kriegs
zum Widerpart Robespierres und 1793
zu dessen Opfer wurde, hatte schon 1788
eine Gesellschaft gegen die Sklaverei
gegründet. Er lud Jefferson zum Beitritt
ein, was der aber höflich ablehnte.
Jeffersons Frankreich-Begeisterung
hielt sich während seiner Zeit als USGesandter in Paris – von 1785 bis 1789 –
in Grenzen; voll entflammte sie erst
nach seiner Rückkehr in die USA. Er war
zwar ein scharfer Gegner der Monarchie
als Institution, glaubte aber zunächst an
die guten Absichten Ludwigs XVI. Im
Übrigen traute er den Franzosen keine
Revolution zu. Seine Skepsis begründete
der Botschafter im November 1788 in
einem Brief an Washington mit einem
echt puritanischen Argument: Die französische Nation sei zwar „von unserer
Revolution aufgeweckt“ worden und
SPIEGEL GESCHICHTE
1 | 2010
RUE DES ARCHIVES / SÜDDEUTSCHER VERLAG
hatte Franklin 1776 redigiert und als einer von 56 Vertretern der 13 Vereinigten
Staaten unterzeichnet. Er war der ideale
Mann, um kurz danach in Paris die Bündnisverhandlungen mit Frankreich zum
Erfolg zu führen. Ohne diesen mächtigen
Alliierten, dessen Bevölkerung rund elfmal so groß war wie die der gerade geborenen amerikanischen Republik, wäre
diese gegen die Weltmacht England verloren gewesen. Die Dankbarkeit der
Amerikaner gegenüber Frankreich war
allerdings nicht ungetrübt – sie mischte
sich mit einem Schuldgefühl. Schließlich
hatte der Verbündete Angehörige protestantischer Minderheiten wie die, aus denen sich das Gros der amerikanischen
Einwanderer rekrutierte, grausam verfolgt. Mit einem solchen Symbol absolutistischer Herrschaft verbündet zu sein
war peinlich. Die USA mussten folglich
ein zwingendes Interesse daran haben,
dass es in Frankreich zu fundamentalen
Veränderungen kam.
Der bereits 70-jährige Franklin wurde vom amerikanischen Kongress im
Dezember 1776 als Gesandter in Frankreichs Hauptstadt geschickt, enthusiastisch empfangen und zum umschwärmten Mittelpunkt der Pariser Salons. Die
französischen Aufklärer bestaunten den
berühmten Amerikaner als Inkarnation
praktischer Weisheit. „Er entriss dem
Himmel den Blitz und den Tyrannen das
Zepter“, lautete ein vielzitiertes Diktum
über ihn, das Finanzminister Jacques
Turgot geprägt haben soll.
spüre „ihre Stärke“. Doch drohe jeder
politische Fortschritt an den lockeren
Sitten der Franzosen, an der „Allmacht“
der Sexualität und am „Einfluss der
Frauen in der Regierung“ zu scheitern.
Am 11. Juli 1789 äußerte sich Jefferson
in einem Brief an Paine dann doch beeindruckt darüber, dass die Nationalversammlung „die alte Regierung gestürzt“
habe und entschlossen dabei sei, „das
Königreich an allen vier Ecken in Brand
zu setzen“. Seine Achtung stieg weiter,
als das Bürgertum nach dem BastilleSturm die militärische Macht an sich gerissen hatte und Lafayette Pariser Kom-
in Frankreich ab: „Wurde je zuvor ein
solcher Preis mit so wenig unschuldigem Blut errungen? Ich selbst war zutiefst erschüttert über das Schicksal
einiger Märtyrer, die für diese Sache ihr
Leben ließen, doch lieber hätte ich die
halbe Welt verwüstet, als ihr Scheitern
gesehen; wären in jedem Land nur ein
Adam und eine Eva übrig geblieben, und
wären sie aber frei, so wäre das besser
als der jetzige Zustand.“
Von einer derart apokalyptischen Religion der Freiheit war der bedächtige
Präsident Washington weit entfernt. Er
bevorzugte eine konstitutionelle Monar-
Erste Begegnung von Lafayette und Washington (Lithografie, 1876)
mandant geworden war: „Eine gefährlichere Kriegsszene als jene, die Paris in
den letzten fünf Tagen bot“, schrieb er
demselben Briefpartner, „habe ich in
Amerika nie gesehen.“
RMN / BPK
Ende 1789 kehrte der Botschafter in
die USA zurück, um dort auf Präsident
Washingtons Wunsch Außenminister zu
werden. Die Verteidigung der Französischen Revolution machte Jefferson nun
zur Chefsache. Er identifizierte sie mit
der „heiligen Sache der Freiheit“, als deren Garant sich der Autor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sah.
Auch die gewalttätigsten Auswüchse
in Frankreich rechtfertigte Jefferson
nun als unvermeidlichen Preis des Fortschritts: Man könne nicht erwarten,
„den Übergang vom Despotismus zur
Freiheit in einem Federbett zu erleben“.
Ein Landsmann, der den Terror kritisierte, wurde 1793 energisch von ihm zurechtgewiesen. „Die Freiheit der ganzen
Erde“ hänge vom Ausgang des Kampfes
SPIEGEL GESCHICHTE
1 | 2010
chie in Frankreich und befürchtete bei
zu viel Nähe zur dortigen Revolution
eine neue Konfrontation mit England.
Jefferson geriet auch mit seinem alten
Freund John Adams (1735 bis 1826) immer stärker aneinander, der Washington
1797 als Präsident der USA nachfolgen
sollte. Der konservative Adams hatte die
Französische Revolution von Anfang an
skeptisch betrachtet. Erst recht verabscheute er deren Radikalisierung.
Doch unter den gut vier Millionen
Bürgern der Vereinigten Staaten erreichte der Enthusiasmus für die französische Republik seinen Höhepunkt,
als diese 1793/94 nach außen und innen um ihr Überleben kämpfte. „Die euphorisierende Entdeckung“, schreibt
der Yale-Historiker David Brion Davis,
„dass selbst die versteinerten Königreiche Europas Risse bekommen und sehr
schnell zu Staub zerfallen konnten,
brachte in Amerika Handwerker, Geschäftsleute, Seeleute, Anwälte, Ladenbesitzer, Kaufleute, Fabrikanten, Bauern
und Arbeiter dazu, rote Kokarden zu tragen und die Marseillaise zu singen.“
Kaum jemand störte sich jenseits des Atlantiks daran, dass gleichzeitig der Terror in Frankreich kulminierte und der
wenige Jahre zuvor als Verbündeter gefeierte Ludwig XVI. hingerichtet wurde.
In Frankreich aber stemmte sich ein
Amerikaner gegen die Eskalation der
Gewalt. Thomas („Tom“) Paine war im
September 1792 als Delegierter von Calais in den Pariser Konvent gewählt worden – zum Dank dafür, dass er die Französische Revolution 1791 mit der Schrift
„Rights of Man“ energisch und luzide
gegen Edmund Burkes britischen Verdammungs-Bestseller „Reflections on
the Revolution in France“ verteidigt hatte. In die neunköpfige Kommission, die
den Entwurf einer neuen Verfassung
erarbeitete – wegen des Ausnahmezustands trat sie nie in Kraft –, wurde Paine
mit den zweitmeisten Stimmen gewählt.
In der Debatte über das Schicksal Ludwigs XVI. plädierte ausgerechnet der „berühmteste Antimonarchist“ seiner Zeit,
wie Paine vom Biografen Craig Nelson
genannt wird, mit Dolmetscher-Hilfe leidenschaftlich gegen eine Hinrichtung; er
bot die USA als Asyl an. „Lieber tausend
Irrtümer, die von Humanität inspiriert
sind, als ein einziger Irrtum aus überstrenger Gerechtigkeit“, rief Paine vor
Frankreichs Volksvertretern aus. Doch
der König war nicht mehr zu retten.
Knapp ein Jahr später, in der Nacht
zum 28. Dezember 1793, wurde auch
sein Fürsprecher verhaftet. Im Kerker
traf Paine auf Georges Danton. „Was du
für die Freiheit und das Glück deines
Landes getan hast“, sagte der dem Neuankömmling, „habe ich vergebens für
das meine zu tun versucht.“ Nur mit viel
Glück blieb dem Amerikaner, anders als
dem Franzosen, die Guillotine erspart:
Als die Wärter am 24. Juli 1794 die Zellen der Hinrichtungskandidaten für den
nächsten Tag mit Kreide markierten, soll
Paines Tür offengestanden haben, weil
gerade ein Arzt ein schweres Fieber bei
ihm behandelte. Wegen dieses Zufalls
sei das Kreidezeichen, so heißt es, versehentlich an der Innenseite der Tür angebracht worden – und der Todeskandidat seinem Schicksal entgangen.
Als Paine 1802 verbittert in die USA
zurückkehrte, war in Frankreich der
neue Autokrat Napoleon an der Macht.
Die Früchte der „nach Europa verpflanzten amerikanischen Prinzipien“
hatte Tom Paine sich anders vorgestellt.
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