Werkstoffe ▲ Komponenten + Systeme 02/2005 Hintergrundbericht Trends bei Stahlwerkstoffen Werkzeuge aus pulvermetallurgisch erzeugtem HSS-Stahl von Böhler Edelstahl sind eine weniger bruchgefährdete Alternative zu Hartmetallen speziell bei der Bearbeitung hochfester Werkstoffe. besserten Eigenschaften ist die gezielte Einstellung bestimmter Gefügezustände bzw. Verhältnisse zwischen verschiedenen Phasen. So verdanken Dualphasenstähle (DP) ihre Eigenschaften einem Mischgefüge aus den beiden Bestandteilen Ferrit und Martensit, während das besonders gute Umformvermögen der TRIP-Stähle (Transformation Induced Plasticity) auf einem gewissen Anteil an Austenit im Gefüge beruht, der sich erst bei der Verformung zu Martensit umwandelt. Geht es dagegen vor allem um höchste Festigkeit, so empfehlen sich die Martensitphasenstähle, deren hochfestes Martensitgefüge durch schnelle Abkühlung erzielt wird. Das Auto treibt die Stahl-Innovation Diesen Beitrag können Sie sich im Internet unter www.konstruktion.de downloaden Beim Auto ist die Entwicklungsdynamik besonders hoch: Auf den vermehrten Einsatz von Kunststoffen und Leichtmetallen reagiert die Stahlbranche mit der Entwicklung hoch- und höchstfester Werkstoffe. Diese erfordern jedoch auch bessere Materialien für Umform- und Bearbeitungswerkzeuge. Fortschritte gibt es beim Stahl auch auf weiteren Gebieten wie z.B. Beschichtungen und Verbundwerkstoffen. von Klaus Vollrath ▲ ▲ ▲ Bei modernen Autokarosserien hat sich eine Mischbauweise aus Stählen, Leichtmetallen und Kunststoffen durchgesetzt, wobei der Anteil der beiden letzteren Werkstoffgruppen nach wie vor zunimmt. „Als Antwort setzt die Stahlindustrie vor allem auf ihr wichtigstes Plus: Das hohe Festigkeitspotenzial des Stahls“, sagt Prof. Dr.-Ing. Dieter Ameling, Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh in Düsseldorf. Schließlich kann bei Verwendung eines doppelt oder gar fünffach festeren Werkstoffs das Gewicht eines Bauteils bei gleicher Belastbarkeit entsprechend gesenkt werden. Schon Mitte der 90er Jahre startete die Stahlbranche eine Studie zur Entwicklung einer ultraleichten Stahlkarosserie mit der Bezeichnung ULSAB (Ultra Light Steel Auto Body), die das Potenzial von Stählen höherer Festigkeit aufzeigte. Diesen Weg setzte die Branche 42 seither konsequent fort und entwickelte in den letzten Jahren zahlreiche neue hoch- und höchstfeste Blechwerkstoffe, die inzwischen auch für den Einsatz im Automobil qualifiziert wurden. Während frühere Karosseriestähle Festigkeitswerte von oft nur etwa 180200 N/mm2 aufwiesen, stehen heute Bleche zur Verfügung, deren Festigkeit teils um ein Mehrfaches darüber liegt. Verbesserte Blechwerkstoffe Zu den wichtigsten Entwicklungen der Stahlbranche gehören dabei die so genannten neuen hochfesten Stähle mit Zugfestigkeiten bis zu 980 N/mm2. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass es hierbei gelang, nicht nur die Festigkeit, sondern zugleich auch die Zähigkeit und damit die Umformbarkeit anzuheben. Grundlage der ver- Innovative Produkte Als Beispiel für die mit solchen Werkstoffen erzielbaren Fortschritte präsentierte das Stahl-Informations-Zentrum auf der Euroblech 2004 eine modulare Kfz-Tür, die aus den beiden separaten Elementen Außenhaut und Innenmodul besteht. Beim Außenteil, das mit zwei integrierten Seitenaufprallträgern versehen ist, kommt der hochfeste Dualphasenstahl DP 500 mit einer Zugfestigkeit von 500 N/mm2 zum Einsatz. Dies machte es möglich, eine Blechdicke von nur noch 0,48 mm vorzusehen, weit weniger als bei konventionellen Teilen dieser Art bisher üblich. Zudem wurde bei dieser Lösung eine besonders rationelle Montagevariante realisiert: Während das Außenteil mit dem Scharnier schon beim Karosserierohbau eingesetzt wird und somit durch die Lackieranlage laufen kann, wird das Innenmodul separat mit fahrzeugspezifischer Ausstattung versehen und erst bei der Montage mit dem Außenteil zusammengebaut. Für ein Verbindungsteil kommt sogar ein TRIP-Stahl mit einer Festigkeit von 700 N/mm2 zum Einsatz. Im Vergleich zu einer konventionellen Autotür bringt diese innovative Lösung rund 1,2 kg weniger auf die Waage. „Unser Werkstoff Vanadis 4 Extra bewährt sich bestens bei Stanz- und Umformwerkzeugen für ultrahochfeste Bleche“, sagt Dipl.-Ing. Arno Barbulla, für Deutschland und Österreich zuständiger Leiter Produkt und Marke- Werkstoffe Komponenten + Systeme 02/2005 Definition von Stahlwerkstoffen Neu entwickelte hochfeste Stahlwerkstoffe zeichnen sich durch die Kombination hoher Festigkeit mit hoher Umformbarkeit aus (Grafik: ULSAB). Prof. Dr.-Ing. Dieter Ameling, Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh in Düsseldorf. ting bei Uddeholm in Düsseldorf. Die deutlich höhere Festigkeit der neuen Blechwerkstoffe fordert naturgemäß ihren Tribut auch von den Bearbeitungswerkzeugen. Konventionelle Werkstoffe verschleißen bei solchen Beanspruchungen deutlich schneller und neigen zudem zu Ausbröckelungen an den Schneidkanten. Neben seiner hohen Dauerfestigkeit zeichnet sich der mit Chrom, Molybdän und Vanadium legierte Vanadis 4-Extra vor allem auch durch seine extrem gute Kantenstabilität aus, wodurch er sich besonders für das Schneiden hoch- und höchstfester Blechwerkstoffe eignet. Entscheidender Pluspunkt des Werkstoffs ist seine Herstellung auf pulvermetallurgischer Basis. Dazu wird die Stahlschmelze mit Hilfe einer Düse versprüht, wobei sie in Form feiner kugeliger Partikel erstarrt. Diese werden anschließend kompaktiert und wieder zu einem massiven Block verarbeitet. Diese Behandlung bewirkt, dass die harten Carbide, die dem Werkstoff vor allem Härte und Verschleißfestigkeit verleihen, äußerst fein und zudem gleichmäßig verteilt vorliegen. Darüber hinaus wird der Gehalt an nichtmetallischen Verunreinigungen minimiert. Pulvermetallurgisch erzeugt wird auch der Hochleistungs-Schnellarbeitsstahl S290 von Verbunde und Beschichtungen Dank seiner guten Eigenschaften avancierte Stahl auch zum unverzichtbaren Bestandteil einer breiten Palette an Verbundwerkstoffen. „Ein Verbund leistet mehr als jeder seiner Grundbestandteile alleine“, erläutert Dr. Matthias Köhler von der Forschung und Entwikklung beschichtete Werkstoffe der Wickeder Westfalenstahl GmbH in Wickede. Das Unternehmen ist Spezialist für das so genannte Walzplattieren, bei dem Bänder aus zwei, drei oder auch noch mehr unterschiedlichen Werkstoffen zusammen gewalzt und dadurch unlösbar miteinander verbunden werden. Durch clevere Kombination können dabei die Eigenschaften des Verbunds ganz gezielt eingestellt werden. Somit kann beispielsweise die Festigkeit oder das Umformvermögen von Stahl mit der Korrosionsbeständigkeit und dem niedrigen Gewicht des Aluminiums kombiniert werden. Weiteres "Plus" des Aluminiums ist hierbei übrigens sein hohes Reflexionsvermögen. Aus dem Dreifach-Verbund Feran (Alu-Stahl-Alu) entstehen z.B. Teile für Schalldämpferanlagen, Hitzeschilde, Zylinderkopfdichtungen oder sonstige Komponenten, die das übrige Fahrzeug vor der Hitze des Motors und der Abgasanlage schützen. Eine clevere Lösung präsentierte das Unternehmen auch mit einer Kombination von Aluminium und Edelstahl, die durch eine äußerst präzise kontrollierte Walzung ein sehr hohes Umformvermögen von rund 30 Prozent behält und somit auch höchsten Anforderungen an die Umformbarkeit gerecht wird. Zum Einsatz kommt dieses Material z.B. da, wo beim Automobil Gewichtseinsparungen unter Beibehaltung der Edelstahl-Ästhetik gefordert werden. Eine weitere interessante Entwicklung ist das auf der Euroblech vorgestellte AluminalVerfahren zur Beschichtung von Stahlteilen mit Aluminium. Hierbei handelt es sich um eine umweltfreundliche Alternative zu bisherigen Korrosionsschutzbeschichtungen, vor allem auf Grund des Verzichts auf das umweltschädliche Chrom VI. Bei dem wasserlosen galvanischen Verfahren wird die Oberfläche mit Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen beschichtet. Diese Schichten sind schon ab einer Dicke von 5 µm porenfrei und lassen sich hervorragend umformen. Webguide www.stahl-online.de Stahl-Informations-Zentrum www.uddeholm.com Uddeholm www.bohler-edelstahl.com Böhler Edelstahl www.wickeder.de Wickeder Westfalenstahl www.aluminal.de Aluminal Oberflächentechnik Direkter Zugriff unter www.konstruktion.de ke3005 Code eintragen und go drücken ▲ ▲ ▲ „Als Antwort setzt die Stahlindustrie vor allem auf ihr wichtigstes Plus: Das hohe Festigkeitspotenzial des Stahls.“ Böhler Edelstahl aus Kapfenberg in Österreich, der sich bei der Bearbeitung hochfester Werkstoffe als Alternative zu Hartmetallwerkzeugen bewährt. Der hoch mit Chrom, Molybdän, Vanadin, Wolfram und Kobalt legierte HSS-Stahl ist bei vergleichbarer Härte deutlich zäher und damit weniger bruchgefährdet als Hartmetalle. Dies verringert das vor allem bei der Bearbeitung hochfester Werkstoffe nicht unerhebliche Risiko ungeplanter Anlagenstillstände durch Werkzeugbruch und erhöht somit die Planbarkeit der Bearbeitungsprozesse. 43