raumnahme – drei blickwinkel, drei modelle, drei ausstellungen ein kunstvermittlungsprojekt mit drei verschiedenen gruppen dokumentation 2015 kunstverein göttingen kunstvermittlung 1 Fiete Stolte „Drawing into the Space“, Foto: Eric Tschernow, Ausschnitt einer Raumansicht der Ausstellung, mehr auf Seite 8 2 Reiz und Herausforderung leerer Räume, Ausschnitt, mehr auf Seite 14 1 2 Raumnahme – Drei Blickwinkel, drei Modelle, drei Ausstellungen Ein Kooperationsprojekt mit dem Kommunikations- & Aktionszentrum KAZ Anknüpfend an die aktuelle Diskussion in der Kunstvermittlung wollten wir den Ansatz der partizipativen Kunstvermittlung aufgreifen und in einem Jahresprojekt der Frage nachgehen: Wer bestimmt was gezeigt wird und was würde gezeigt werden wenn (noch-)Nicht-Besucher eine Ausstellung konzipierten? Gleichzeitig sollte es darum gehen, Kunst an ungewöhnlichen Orten zu zeigen, neue Räume für Kunst zu eröffnen. Grundidee war, drei unterschiedliche Gruppen zu gewinnen, die die Ausstellungsräume des Kunstvereins Göttingen im Modell künstlerisch und kuratorisch mit eigenen Themen besetzen und gestalten. Zur Vorbereitung war jeweils ein Besuch der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins vorgesehen, in dem nicht nur die ausgestellten Werke betrachtet, sondern auch Fragen zu Auswahl der Werke, Ausstellungsorganisation und Ausstellungsarchitektur behandelt wurden. Beeindruckend war insgesamt die Offenheit, mit der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den für sie teils ungewohnten zeitgenössischen Kunstäußerungen (zumeist Videoinstallationen) begegneten, was die Offenheit, das Gezeigte nicht als Kunst zu empfinden, einschloss. Da die Meinungen hierüber aber recht unterschiedlich waren, führte es zu der Erkenntnis, dass Kunst auch durchaus im Auge des Betrachters liegt. Danach ging es an die praktische Umsetzung unter der Anleitung des Bühnenbildners und Modellbauers Steffen Mutschler, der dieses Projekt in den raumnahme – dokumentation 2015 3 letzten Monaten mit Unterstützung der Pädagogin Dagmar Riggers mit drei Gruppen durchgeführt hat und deren Ergebnisse nun in dieser kleinen Dokumentation zu sehen sind. Die erste Gruppe waren Schülerinnen und Schüler des 8. Jahrgangs der IGS Bovenden, die in 2er–Teams gearbeitet haben und Themen wie Konsum und Kinderarbeit, Massentierhaltung und die Märchen der Brüder Grimm mit bemerkenswerter Klarheit reflektiert und mit handwerklichem Geschick im Grundraum des Künstlerhauses als Modell umgesetzt haben. Die nächste Gruppe bestand aus mehreren Erwachsenen, die wir über das KAZ für das Projekt begeistern konnten. Die TeilnehmerInnen stammen aus Syrien, Italien und Deutschland und kamen aus unterschiedlichen KAZ-Gruppen (Internationales Singen und Inklusionsgruppe Clown Akrobaten). Hier waren die Fragestellungen und deren Umsetzung besonders künstlerisch motiviert, so fanden die Themen Zeit und Geld bildnerische Umsetzungen, aber auch der Blick in die syrische Heimat auf den Hof des Großvaters. Die dritte Gruppe setzte sich aus älteren Damen zusammen, bis auf eine allesamt Bewohnerinnen des GDA Wohnstifts, die persönliche Themen und Fragestel- 4 raumnahme – dokumentation 2015 lungen gewählt haben, welche gleichzeitig von größeren Zusammenhängen erzählen. Hier fiel die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und das einander Helfen besonders auf. Für zusätzliche Unterstützung und Begleitung des Projektes sei an dieser Stelle Christina Hansen vom Kulturreferat des GDA gedankt. Die drei ausgestalteten Modelle werden an unterschiedlichen, nicht speziell auf bildende Kunst ausgerichteten Orten ausgestellt: das Modell der SchülerInnen im Jugendtreff Point 6, das der KAZGruppe im Rahmen der Veranstaltung „KAZ Kultur und Kuchen“ im KAZ und das der Bewohnerinnen des GDA im Wohnstift. Außerdem sind sie natürlich Teil der Jahresausstellung der Kunstvermittlung vom 1.11. bis 20.12.2015 im Alten Rathaus. Wir freuen uns, dass es so unterschiedliche, doch gleichermaßen interessante Antworten auf unsere Ausgangsfrage gibt. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für ihre überaus engagierte Mitarbeit und unseren Förderern, der VGH-Stiftung und KUNST e.V., für die finanzielle Unterstützung. Carola Gottschalk Anne Moldenhauer Kunstvermittlung Geschäftsführung im Kunstverein KAZ e.V. Göttingen 3 3 „Das Meer zwischen Hoffnung und Verzweiflung“ Ausschnitt, mehr auf Seite 17 „Durch die intensive Auseinandersetzung mit sich und den Gruppenmitgliedern werden die Dialogfähigkeit und das Vertrauen in sich und andere während des Projekts gefördert und gestärkt. Die handwerkliche Zusammenarbeit setzt zudem verbindende Phantasie und Kreativität frei, die Raum bietet, voneinander zu lernen.“ (Steffen Mutschler) „Bei der künstlerischen Umsetzung zeigten alle viel Geschick und Gestaltungsfreude. Es entstanden ansprechend gestaltete Räume. Alle TeilnehmerInnen äußerten letztendlich, dass sie ihr Modell der Ausstellung am liebsten in der Realität im Künstlerhaus in lebensgroß verwirklicht sehen würden.“ (Dagmar Riggers) raumnahme – dokumentation 2015 5 4 Gesellschaftskritische Themen von IGS-SchülerInnen „Die Schülerinnen und Schüler des 8. Jahrgangs der IGS Bovenden haben sehr engagiert an dem Projekt teilgenommen. Sie machten sich intensiv Gedanken darüber, welches Thema sie auf welche Weise darstellen wollen. Auffallend war, dass alle eine Raumgestaltung mit gesellschaftskritischem Inhalt wählten und umsetzten. So ging es für sie beispielsweise um Kinderarbeit, Massentierhaltung und bedrohte Natur. Ergänzend zu ihrem Modell fertigten sie ausdrucksstarke Plakate an.“ (Dagmar Riggers) 6 raumnahme – dokumentation 2015 4 Die SchülerInnen der IGS Bovenden in der Ausstellung von Fiete Stolte: Wo ist die Kunst? 5 Raumansicht mit Fiete Stoltes Fotokabine „Eye“, Foto Eric Tschernow 5 raumnahme – dokumentation 2015 7 6 7 8 raumnahme – dokumentation 2015 8 9 6 Raumansicht mit Fiete Stoltes Arbeiten „Drawing into the Space“ und „This is not the Embassy of Absence“, Foto Eric Tschernow 7 Die Raumverteilung ging überraschend problemlos vonstatten, obwohl die Räume so unterschiedlich sind 8 Die Konzepte und erste Einbauten stehen 9 Konsumkritik: unser Fleischkonsum führt zu Massentierhaltung und geht damit auf Kosten der Tiere 10 Den Märchenwelten gegenüber stehen Szenen heutigen (Kinder-)Lebens. Ein roter Streifen trennt Märchenidylle und heutige Realität 11 Erste Vorarbeiten 10 11 raumnahme – dokumentation 2015 9 12 12 Die Arbeit im Modell erfordert Fingerspitzengefühl 13 Detail mit Elementen zu den Märchen der Brüder Grimm 14 Erste Vorarbeiten 15 Die Räume füllen sich: Hier wurden offenbar die Fenster verkleidet 13 14 15 10 raumnahme – dokumentation 2015 16 Diskussion am Modell mit Steffen Mutschler (unten rechts) 17 Gegenseitige Beratung Kunst und Kulturelle Vielfalt in der KAZ-Gruppe 16 17 „An diesem Workshop nahmen Menschen aus Italien, Syrien und Deutschland teil. Dieses Aufeinandertreffen der Kulturen fanden alle sehr bereichernd und es gab Anstoss zu lebhaftem Austausch. Als Arbeitsergebnis entstand ein Modell mit sehr unterschiedlich gestalteten Räumen. Einige sind eher persönlich geprägt, einige eher gesellschaftsbezogen.“ (Dagmar Riggers) raumnahme – dokumentation 2015 11 18 Monika hat ihre eigenen Zeichnungen und Gemälde kopiert und aufgehängt. 19 Erstes Arrangement des Hofes von Mohammeds Großvater in Syrien 20 Diese Ebene sitzt auf einem Punkt in ihrer Mitte. Alle die diese Ebene betreten, müssen kooperieren, um das Gleichgewicht zu halten. 21 Requisiten einer Performance, bei der die eintreffenden Gäste mit einem Geschenk konfrontiert und empfangen werden, der Clown ist Marta 18 12 raumnahme – dokumentation 2015 19 20 21 raumnahme – dokumentation 2015 13 22 22 Der Hof von Mohammeds Großvater in Syrien 23 Reiz und Herausforderung leerer Räume: Perlenvorhänge, um den Raum zu begreifen, eine Vorstellung von der Wirkung zu bekommen 24 Hier entstehen ganz unterschiedliche Räume 14 raumnahme – dokumentation 2015 23 24 25 Wandbemalung zum Thema Natur 26 Malerische Detailarbeiten in den Räumen des GDA Wohnstifts Persönliche Themen und Weltgeschehen von Seniorinnen des GDA Wohnstifts 25 26 Zunächst besuchten die TeilnehmerInnen, alle hoch in den Achtzigern bis 97, die Ausstellung von Julius von Bismarck im Alten Rathaus (obwohl der neue Fahrstuhl gerade ausgefallen war). Sie setzten sich mit seinen kritischen und überraschenden Arbeiten zu unserer Naturwahrnehmung und Vereinnahmung auseinander und die Frage „Ist das Kunst und wenn ja, warum“ wurde anhand der einzelnen Werke lebhaft diskutiert. „Die persönlichen Themen und Fragestellungen erzählen durchaus von größeren Zusammenhängen. Hier fiel mir die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und das einander Helfen besonders auf.“ (Steffen Mutschler) raumnahme – dokumentation 2015 15 27 Werden und Vergehen – symbolisiert durch Weltkugel und Universum (an den Wänden) und abgefallene Blätter am Boden 27 16 raumnahme – dokumentation 2015 28 28 „Das Meer zwischen Hoffnung und Verzweiflung“, die jüngsten Flüchtlingskatastrophen waren Anlass für diese Raumgestaltung 29 Ein tanzendes Hochzeitspaar? 30 Ausgangspunkt war hier die Zerstörung von Palmyra im September diesen Jahres. Der Raum reflektiert die Zerstörung von Kunst durch Jahrtausende; Verlust von Kunst = Verlust von Menschheitsgedächtnis 29 30 raumnahme – dokumentation 2015 17 31 31 Artikel im Göttinger Tageblatt vom 17. Oktober 2015 32 Zwei Räume fast fertig: „Weden und Vergehen“ und „Das Meer zwischen Hoffnung und Verzweiflung“ 33 Requisiten einer Performance, Ausschnitt, mehr auf Seite 13 18 raumnahme – dokumentation 2015 32 33 Impressum Erscheinungsdatum: Oktober 2015 Herausgeber Kunstvermittlung im Kunstverein Göttingen e.V. Gotmarstraße 1 37073 Göttingen [email protected] www.kunstvereingoettingen.de ©Copyright Ausgabe Satz & Layout Fotos Workshopleitung Kunstverein Göttingen e.V. Lia A. Eastwood, EASTWOOD DESIGN Anne Moldenhauer, Steffen Mutschler, Eric Tschernow Steffen Mutschler Ausstattung und Modellbau Tel.: 0163 40 93 803 [email protected] Ein Kooperationsprojekt von kunstverein göttingen kunstvermittlung Das Projekt wurde gefördert von