Fazit Proseminar - Universität Trier

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Nr. 3
Juli 2004
Fazit Proseminar
Essays
Krieg und Frieden im
asiatisch-pazifischen Raum
Martin Wagener (Hrsg.)
Universität Trier
Lehrstuhl für Internationale Beziehungen
und Außenpolitik
Proseminar WS 2003/2004
Einführung in die Internationalen Beziehungen/Außenpolitik.
Krieg und Frieden im asiatisch-pazifischen Raum
Redaktionsteam
Bettina Becker, Andreas Berding, Martin Greif, Christine Käthler
Martin Wagener, M.A.,
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier.
Universität Trier
Fachbereich III - Politikwissenschaft
Universitätsring 15
54286 Trier
Tel.: + 49 (0) 651 / 201 - 2110
Fax: + 49 (0) 651 / 201 - 3821
e-mail: [email protected]
Internetseite: http://www.martin-wagener.org
2
Inhalt
Vorwort
Martin Wagener
6
Opiumkrieg (1840 – 1842)
Die Bedrohung Chinas durch Opium
Christine Käthler
7
Britische Opium-Politik
Tim Kubach
10
Krieg China – Japan (1894 – 1895)
Kampf um Korea
Thomas Klein
13
Das Versagen des chinesischen Kaisers
Martina Randel
16
Krieg USA – Spanien (1898)
Die amerikanische Expansionsstrategie
Markus Hesedenz
19
Krieg Rußland - Japan (1904 - 1905)
Japanische Motive für den Angriff auf Port Arthur
Bettina Becker
22
3
Pazifikkrieg (1937 – 1945)
Die Sozialisierung Japans im Vorfeld des Krieges gegen China
Daniel Ames
25
Die Wende der chinesischen Japanpolitik
Stefanie Rampe
28
Japans Angriff auf Pearl Harbor
Marco Hahn
31
Amerikas Abkehr vom Isolationismus
Dirk Mludek
34
Kriege Indien – Pakistan (1965, 1971)
Pakistans Weg in den zweiten Kaschmir-Krieg
Eveline Kiefer
37
Der dritte indisch-pakistanische Krieg
Stephanie Lang
40
Korea-Krieg (1950 – 1953)
Präventivschlag gegen Südkorea?
Martin Greif
43
Ursachen der Intervention Chinas
Jenni Werner
46
Krieg Frankreich – Vietnam (1946 – 1954)
Für ein freies Vietnam
Benedikt Schulte
49
4
Krieg China – Indien (1962)
Konflikt um die Grenze
Nina Wiesel
52
Indiens Weg in den Krieg
Andreas Berding
55
Krieg USA – Vietnam (1965 – 1973)
„US-Imperialisten, verschwindet aus Südvietnam!“
Florian Dröscher
58
Warum die USA Nordvietnam angriffen
Lars Potyka
61
Krieg China – Vietnam (1979)
Der chinesische „Straffeldzug“
Stefan Schwarz
64
Das „unerziehbare“ Vietnam
Yves Hackenspiel
67
Literatur zum Proseminar
70
5
Vorwort
Martin Wagener
Mit den vorliegenden Essays zum Thema „Krieg und Frieden im asiatischpazifischen Raum“ erscheint Fazit Proseminar nunmehr in seiner dritten Ausgabe.
Auch dieses Mal soll der Versuch unternommen werden, zwei Unterrichtsentwicklungen entgegenzusteuern. Zum einen ist festzustellen, daß sich die meisten Studenten mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Seminar an immer weniger Details
erinnern können. Oftmals erscheint nur noch nebulös, worüber einst hitzig diskutiert worden ist. Zum anderen bleibt die Kenntnisnahme dessen, was während des
Unterrichts erarbeitet worden ist, auf den Teilnehmerkreis beschränkt. Studenten,
die inhaltlich ähnlich aufgebaute Proseminare besuchen, können somit nicht vergleichen, wie und worüber anderenorts gearbeitet worden ist und welche Ergebnisse dabei erzielt worden sind. Zentrale Unterrichtsresultate sollen daher mit Fazit
Proseminar einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.
Das Niveau der Essays bewegt sich auf dem eines arbeitsintensiven Proseminars, dessen Teilnehmer sich in der Regel erstmalig mit den Kriegen des asiatischpazifischen Raums beschäftigt haben. Die Seminarleitung hat inhaltlich und strukturierend dort eingegriffen, wo es unbedingt notwendig war und dem Lernfortschritt diente. Ansonsten übte sie sich in Zurückhaltung, um den Proseminarcharakter nicht zu verwässern.
Mein besonderer Dank gilt den Seminarteilnehmern, die ebenso pünktlich wie
zuverlässig ihre Beiträge abgegeben haben, sowie insbesondere dem Redaktionsteam um Bettina Becker, Andreas Berding, Martin Greif und Christine Käthler, die
diesen Prozeß hartnäckig begleitet haben. Fazit Proseminar wird weiterhin in unregelmäßigen Abständen erscheinen und die Arbeitsergebnisse der Proseminare
von Martin Wagener zusammenfassen. Nähere Informationen sind unter der Internetseite http://www.martin-wagener.org einsehbar. Der Herausgeber ist für Anregungen und Kritik jeder Art dankbar.
6
Die Bedrohung Chinas durch Opium
Christine Käthler
Die Chinesen ließen sich 1840 auf einen Krieg mit den militärisch überlegenen
Briten ein. Die Frage ist, was sie dazu veranlaßte, ihre Truppen gegen die Briten
kämpfen zu lassen. In diesem Zusammenhang interessiert besonders, welche Theorie der internationalen Beziehungen den Krieg am besten erklärt.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Schon im Jahre 1729 erging das erste Verbot des damaligen Kaisers von China, aus
dem hervorgeht, daß der Vertrieb von Opium mit einer Gefängnisstrafe geahndet
würde. Allerdings findet man in den Jahrzehnten darauf bis etwa in die 30er Jahre
des 19. Jahrhunderts kaum Hinweise auf eine konsequente Implementierung dieser
Verordnung des Kaisers. Es sind nur wenige Fälle bekannt, in denen ein Opiumhändler tatsächlich eine Gefängnisstrafe verbüßen mußte. Außerdem galt: je größer
der Fisch, der geschnappt wurde, desto nachlässiger die Dokumentation der Ermittlungen. Dieser Sachverhalt läßt darauf schließen, daß die chinesischen Behörden
ein vehementes Interesse am Opiumhandel hatten. Sie verdienten durch Bestechungsgelder und die sogenannten „gui-“ Gebühren („Gefälligkeitszahlung“ an die
Beamten) am Opiumhandel mit den Briten.
1729/30 kam es zum Handelsboykott seitens der Briten. Den Briten mißfiel,
daß sie im Falle eines Bankrotts eines Hong-Unternehmens (Kaufmannsgilde, die
auf Befehl des Kaisers das Monopol auf den Handel mit den Briten innehatte) Zahlungen an die Chinesen zu leisten hatten. Zur Abwehr dieses Boykotts machten die
Chinesen einige Zugeständnisse an die Briten. Unter anderem verringerten sie die
„gui-“ und Dolmetschergebühren.
1833 ernannte der Premierminister Großbritanniens drei Superintendanten, die
zuständig für den Handel in China sein sollten. Der Chef-Superintendant Lord Napier hatte die Aufgabe, in China eine permanente Jurisdiktion zu errichten, ein Novum, denn bis dahin hatte es nur auf Macao und saisonal in Kanton britische Jurisdiktion gegeben.
Neben dem eigenmächtigen Aufbau der Gerichtsbarkeit kam es in diesen Jahren auch zu einer massiven Verschlechterung der chinesischen Außenhandelsbilanz. Meist wurden das Opium und andere Waren mit Silber bezahlt, so daß es zu
einem starken Silberabfluß ins Ausland kam. 1839 reagierte Kaiser Dao Guang
darauf mit einem totalen Verbot der Opiumeinfuhr und sandte den Generalgouverneur Lin Zexu als kaiserlichen Kommissar nach Kanton. Dieser sollte die Ausliefe7
rung des dort gelagerten Opiums fordern. Großbritannien weigerte sich, woraufhin
die Chinesen britische Niederlassungen in Kanton blockierten. Die Briten lieferten
20.000 Kisten des geforderten Opiums an Lin ab, der sie umgehend vernichten
ließ.
Lin Zexu versuchte anschließend auf dem diplomatischen Wege mit der britischen Königin zu einer Einigung zu kommen. Dieser Versuch schlug fehl. Am 20.
Februar 1840 schickte der britische Außenminister Lord Palmerston einen Brief an
die chinesische Regierung, in dem er Vergeltungsmaßnahmen für das vernichtete
Opium ankündigte. Kurz darauf griff die Fernostflotte Großbritanniens China an.
Zweieinhalb Jahre dauerte der militärische Konflikt zwischen Großbritannien
und China, bis es am 29. August 1842 zur Unterzeichnung des „Friedens von Nanjing“ kam. In dem Friedensvertrag wurde Hongkong Großbritannien zugesprochen,
China verpflichtete sich zur Öffnung von fünf Häfen für den internationalen Handel und zur Zahlung einer Kriegsentschädigung an Großbritannien von sechs Millionen US-Dollar. Ein Zusatzabkommen zwischen Großbritannien und China vom
8. Oktober 1843 besagte, daß China nur noch Zölle von maximal fünf Prozent auf
chinesische Importe erheben dürfte. Außerdem mußte es sich für christliche Missionen öffnen und Großbritannien konsularische Rechte gewähren. Das Abkommen enthielt überdies eine Meistbegünstigungsklausel, die den Grundstein für die
in den darauffolgenden Jahren mit den USA und Frankreich abgeschlossenen Abkommen legte.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Die neorealistische Theorie der internationalen Beziehungen nach Kenneth N.
Waltz besagt, daß das primäre Interesse eines Staates seiner Sicherheit und seinem
Überleben gilt. Dieses Ziel wird jedem Staat zugeschrieben. Das Kriterium zur Unterscheidung von Staaten sind nicht ihre Funktionen, sondern ihre capabilities.
Darunter fallen Aspekte wie die Geographie, Demographie, Größe des Verteidigungshaushaltes, das Bruttoinlandsprodukt und der Human Development Index.
Mit diesen und anderen Kriterien wird die Wertigkeit eines Staates bestimmt. Staaten sind also gleichartig, aber nicht gleichwertig.
Chinas Überleben und Sicherheit, und damit sein Status im anarchischen internationalen System, waren vor allem in zwei Bereichen bedroht: Volkswirtschaft
und Bevölkerung. Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten fiel besonders der
Abfluß von Silber ins Ausland ins Gewicht. Die Summe des ins Ausland fließenden Silbers kann nicht genau beziffert werden, man geht in den 1830er Jahren von
etwa 20 bis 30 Millionen Unzen jährlich aus. Es bleibt hier festzuhalten, daß aus
dem Handel eine defizitäre Außenhandelsbilanz auf Seiten Chinas folgte.
Die Folgen des Handels hatten jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern auch auf die Gesundheit des Volkes und die Effizienz des Militärs.
Laut vorsichtigen Schätzungen waren etwa ein Prozent der chinesischen Bevölkerung von den Symptomen der Sucht, Abmagerung, Kräfteverfall, Gang- und
8
Sprachstörungen betroffen, andere Schätzungen gehen von drei bis fünf Prozent
aus. Der Konsum von Opium verbreitete sich besonders unter den Soldaten sehr
stark, so daß sich auch Chinas militärische Stärke verringerte.
China sah also essentielle Bestandteile seines Staatsgefüges, vor allem Wirtschaft, Bevölkerung und Militär, in Gefahr und seine Sicherheit als nicht mehr gewährleistet. Deshalb entschied sich der Kaiser für den Griff zur Waffe. Aus dieser
aus den Augen der Chinesen gesehenen Gefahr leitet sich der primäre Grund für
den Opiumkrieg ab. Sie wurden von Großbritannien bewußt durch deren illegalen
Import von Opium geschwächt, welches Großbritannien als Tauschwert für Tee
und Seide diente. Man muß den Chinesen unterstellen, daß sie durch die reibungslose Verteilung des Opiums innerhalb ihres eigenen Landes, an der die Briten nicht
beteiligt waren, zu dieser Schwächung selbst beigetragen haben. Dies trifft allerdings nur für Teile der Bevölkerung zu, insbesondere für die korrupten Staats- und
Zollbeamten.
Der Verteilung im Land ging jedoch der erwähnte illegale Import und ein militärischer Angriff Großbritanniens voraus, so daß China praktisch nur die Alternative Gegenwehr blieb. Es konnte eine Schwächung seiner capabilities nicht zulassen
und mußte seine Stellung im internationalen System sichern. Somit trägt der
Waltzsche Neorealismus am besten zur Klärung der entscheidenden Kriegsgründe
Chinas bei nach dem Motto: Hilf dir selbst sonst hilft dir keiner.
9
Britische Opium-Politik
Tim Kubach
In diesem Essay soll der Opiumkrieg aus britischer Perspektive untersucht werden.
Im Kernpunkt der Analyse wird unter Berücksichtigung der Theorie des Kommerziellen Liberalismus der Frage nachgegangen, durch welche Gründe Großbritannien sich gezwungen sah, gegen China militärisch zu intervenieren
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus britischer Sicht
Grundstein der Entwicklung ist das Jahr 1729. Bereits hier erläßt die chinesische
Regierung ein Verbot auf die Einfuhr sowie auf den Handel mit Opium. Der Opiumhandel wird jedoch aufgrund seines profitreichen Ertrages weiterhin illegal mit
Unterstützung korrupter chinesischer Beamter fortgeführt. Im Jahr 1797 wird die
East India Company Monopolist für Erzeugung und Handel mit Opium. Eine Kiste
Opium aus Indien, dortiger Wert 237 Rupien, erzielte in China mittlerweile einen
Verkaufspreis von 2428 Rupien.
Durch die Aufhebung der Produktionsbeschränkung für die Opiumerzeugung
im Jahre 1821 und den Wegfall des Handelsmonopols der East India Company im
Jahre 1833 erfuhr der Opiumhandel eine weitere Intensivierung. Nun war es nämlich allen am Chinahandel interessierten britischen Firmen möglich, sich an diesem
zu beteiligen. Durch die rapide Zunahme der sogenannten Private Agency Houses
stieg die Anzahl der aus Indien exportierten Opiumkisten bis zum Ende der 1830er
Jahre auf circa 40.000 Kisten an, mit einem geschätzten Wert von 25 Millionen
US-Dollar. Während dieser Zeit jedoch begannen zunehmend Komplikationen den
Opiumhandel zu stören.
Zurückzuführen waren diese Störfälle auf einen neuen Erlaß der chinesischen
Regierung, die ein totales Einfuhrverbot auf Opium verhängte. Zwecks Durchsetzung des Erlasses wurde der chinesische Generalgouverneur Lin nach Kanton gesandt, um den Handel mit dem aus britischer Sicht profitablen Opium zu unterbinden. Hieraus folgten vor allem Blockaden gegenüber englischen Niederlassungen,
um deren Opiumhandel weitestgehend einzuschränken. Im März des Jahres 1839
überschlugen sich dann die Ereignisse.
Der von der britischen Krone abgesandte Handelskommissar Charles Elliot
wurde zunehmend von Seiten der chinesischen Regierung unter Druck gesetzt, illegal eingeführte Opiumkisten zu überstellen. In dieser Situation beschloß der britische Handelskommissar, die fraglichen 20.000 Kisten Opium an die chinesische
Regierung auszuliefern, welche Generalgouverneur Lin umgehend vernichten ließ.
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Durch die zunehmend prekäre Lage im südchinesischen Kanton, aber auch als Zeichen des Protests, sah sich eine Vielzahl von britischen Handelsleuten gezwungen,
nach Macao überzuschiffen.
Beijing sprach daraufhin für sie ein umfassendes Verbot der Wiederkehr nach
Kanton aus und drohte mit der Todesstrafe für die weitere Einfuhr beziehungsweise den Handel mit Opium. In England selbst forderten daraufhin einflußreiche
Handelskreise energische Maßnahmen der britischen Regierung gegen China. In
seiner damaligen Funktion als britischer Außenminister richtete Lord Palmerston
am 20. Februar 1840 ein Schreiben an die chinesische Regierung, in dem er militärische Vergeltungsmaßnahmen ankündigte und von einer diplomatischen Korrespondenz absehen würde, da dies angesichts der Mentalität der chinesischen Regierung ohnedies zu keinem Ergebnis führen würde.
Im Juni des Jahres 1840 startete Großbritannien die Kampfhandlungen gegen
China. Mit Hilfe technisch überlegener Schiffsartillerie konnten die britischen
Streitkräfte von Positionen außerhalb des zu geringen Schußbereiches der chinesischen Geschütze die gegnerischen Stellungen zerschlagen und strategisch wichtige
Positionen einnehmen. Der militärischen Überlegenheit der Briten konnte China
nur kurzzeitig entgegenwirken, so daß der erste Opiumkrieg am 29. August 1842
mit dem Vertrag von Nanjing endete. Die Kernpunkte beinhalteten die Öffnung
von fünf chinesischen Häfen, unter anderem Kanton und Shanghai, sowie eine Entschädigung für das vernichtete Opium in Höhe von sechs Millionen US-Dollar und
der Abtritt der Insel Hongkong an England.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Der Kommerzielle Liberalismus stellt gesellschaftliche Präferenzbildungsprozesse
in den Fokus der Analyse. Dieser Vorgang erklärt das Verhalten von Staaten, indem die Anreize des Marktes betrachtet werden, dem sich innenpolitische und
transnationale ökonomische Akteure wie Firmen und Unternehmen ausgesetzt sehen. Nachfolgend werden somit die britischen Interessen im Chinahandel dargestellt sowie die Akteure, die dadurch profitierten. Zu Beginn des Chinahandels lag
das britische Hauptinteresse im Handel mit Tee, denn die aus dem Teehandel resultierenden Profite finanzierten zu einem großen Teil die militärischen Eroberungen
der East India Company.
Doch auch der Schatzkanzler in London war am Teehandel interessiert,
schließlich deckten die Teezölle bis zu ein Zehntel seines Budgets. Zu Beginn
wurde der Teeimport mit Silber finanziert, doch mit zunehmender Kapazität des
Teehandels stiegen die Kosten auf britischer Seite; hinzu kam, daß Silber als klassisches Zahlungsmittel gegen Ende des 18. Jahrhunderts an Bedeutung verloren
hatte. Man mußte somit auf britischer Seite ein neues profitables Tauschgut finden.
Die indische Rohbaumwolle konnte jedoch nur vorübergehend diese Lücke schließen und verlor, nachdem der Markt für Rohbaumwolle 1819 zusammengebrochen
war, an Bedeutung.
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Zur selben Zeit hatte sich durch die East India Company, der Monopolist für
Opium, jedoch nicht für Rohbaumwolle war, der Handel mit dem Opiat aus Bengalen und der Region um Bombay etabliert. Das Opium wurde somit einerseits zur
Existenzbedingung des Teehandels, denn Tee erfreute sich damals einer großen
Beliebtheit als „Society Getränk“ und erzielte dadurch einen immensen Absatz in
Großbritannien, andererseits trug es zur Finanzierung der britischen Kolonialherrschaft in Indien bei. Es existierte also eine indirekte Präferenzbildung von politischen und ökonomischen Akteuren, den Opiumhandel auszubauen, um weiterhin
die große Nachfrage nach chinesischem Tee zu decken.
Durch den Wegfall der Monopolstellung der East India Company im Jahre
1830 wurde der Opiumhandel noch attraktiver. In Erwartung von steigenden Gewinnen etablierten sich immer mehr Private Agency Houses, die im Chinahandel
frei expandieren konnten. Folglich erfuhr der profitträchtige Export nach China mit
indischem Opium eine Kapazität, welche ohne weiteres den Teeimport nach Großbritannien finanzierte. Das Opium wurde somit zur Speerspitze eines aggressiven
Freihandels und sollte Wegbereiter weiterer Exporte und industrieller Fertigwaren
von britischen Kaufleuten für den florierenden chinesischen Absatzmarkt sein.
Es zeichnete sich im Kontext der Historie eine Entwicklung ab, in der erfolgreiche ökonomische Akteure des Opiumhandels, wie die privaten Kaufleute aber
auch die China Association of London sowie die Handelskammern von London
und Manchester, ein immer größer werdendes Mitspracherecht auf sich vereinigten. Diese ökonomischen Gruppen besaßen somit großen Einfluß auf die innerstaatliche Präferenzbildung, welche die Außenpolitik Englands widerspiegelte.
Hieraus läßt sich auch die Kriegsursache ableiten. Durch die wachsenden Gewinne im Opiumhandel waren die ökonomischen Akteure auf Seiten der Briten
immer mehr daran interessiert, den Chinahandel komplett zu öffnen und drängten
auf klare und stabile Wirtschaftsbeziehungen. Jedoch zwangen aus dem Opiumhandel entstandene wirtschaftliche Nachteile China zu einer protektionistischen
Wirtschaftspolitik. Daraus läßt sich schließen, daß die Ereignisse im März 1839 ein
willkommener Anlaß waren, Chinas Blockadehaltung zu zerschlagen. Die ökonomischen Akteure nutzten ihr Gewicht bei der innerstaatlichen Präferenzbildung
und drängten die britische Regierung zur militärischen Intervention gegen China.
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Kampf um Korea
Thomas Klein
Ziel dieses Aufsatzes soll es sein, die Gründe herauszuarbeiten, die für Japan ausschlaggebend waren, 1894 den Krieg gegen China zu beginnen. Zur Erklärung soll
hierbei die neorealistische Theorie nach Kenneth N. Waltz herangezogen werden.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus japanischer Sicht
Japan befand sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in einer ähnlichen Situation
wie sein Kontrahent China. Die Jahrhunderte lange Isolation war gewaltsam von
den westlichen Staaten aufgebrochen worden, die den Japanern aufgrund der militärtechnischen Fortschrittlichkeit überlegen waren. Japan wurden nach der Öffnung
durch den amerikanischen Flottenkommandeur Perry 1854 ungleiche Verträge aufgezwungen. Diese sicherten den Amerikanern und Europäern freien Zugang zum
japanischen Markt und Exterritorialität zu und bedeuteten eine Einschränkung der
japanischen Souveränität.
Im Gegensatz zu China schaffte es Japan aber recht schnell, den Rückstand
durch eine radikale Umwälzung der sozialen und politischen Gefüge aufzuholen.
Nach europäischem und amerikanischem Vorbild wurden in einer gewaltigen nationalen Kraftanstrengung innerhalb weniger Jahrzehnte sowohl die politische,
wirtschaftliche und militärische Organisation als auch Schul- und Bildungswesen
in wesentlichen Punkten modernisiert. So kann bei dem Japan der 1890er Jahre
durchaus von einem nach westlichen Vorstellungen modernen Staat gesprochen
werden.
Der Konflikt Japans mit China entstand nun durch den japanischen Versuch, in
Korea politischen und wirtschaftlichen Einfluß auszuüben. Ebenso wie China und
Japan hatte sich Korea von der Außenwelt isoliert und wurde nun gewaltsam von
der japanischen Marine geöffnet. 1876 wurde Korea der ungleiche Vertrag von
Kanghwa aufgezwungen, der die Wahrung der japanischen Interessen in Korea befestigen sollte. Korea war von China über Jahrhunderte hinweg als Vasallenstaat
angesehen worden, und jeder Versuch einer dritten Macht, die koreanische Halbinsel zu dominieren, mußte zu einem Konflikt mit China führen. In Korea führte der
Aufstand der konservativen antiwestlichen Tonghak–Bewegung zu einer Krise, die
die koreanische Führung dazu bewog, den alten Verbündeten China um Hilfe zu
bitten. Daraufhin entsandten sowohl China als auch Japan Truppen zur Niederschlagung des Aufstandes. Es kam zu einem Gegensatz zwischen der chinesischen
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und der japanischen Regierung, weil letztere eine zwangsweise Modernisierung
Koreas durchführen wollte, was China ablehnte.
Daraufhin setzten die Japaner einen neuen koreanischen Regenten ein und veranlaßten diesen, China den Krieg zu erklären und Japan um Hilfe zu bitten. Infolgedessen erklärte Japan am 1. August 1894 China den Krieg. Im Verlauf des Krieges wurde die große strategische und organisatorische Überlegenheit der japanischen Armee deutlich. Nach einer Reihe von verheerenden Niederlagen mußte
China diese im Vertrag von Shimonoseki anerkennen. Dieser Friedensvertrag sah
die Abtretung von chinesischen Inseln (zum Beispiel Formosa) sowie eine Kriegsentschädigung und den Abschluß von Handelsverträgen mit Japan vor. Wichtigster
Punkt war aber die Anerkennung der Souveränität Koreas, was de facto nichts weiter bedeutete als die Vorherrschaft Japans über Korea.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Hier soll nun zur Untersuchung des Konfliktes die neorealistische Theorie nach
Kenneth N. Waltz herangezogen werden. Ziel eines jeden Staates ist es nach
Waltz, sein eigenes Überleben zu sichern. Dieses versucht er zu erreichen, indem
er danach strebt, seine materiellen Machtmittel (capabilities) zu vergrößern. Als
Gefährdung des Bestandes eines Staates wird das Fehlen einer übergeordneten Regelungsinstanz im internationalen System und die daraus resultierende Anarchie in
der Staatenwelt gesehen.
Konkret mußte sich Japan in diesem Fall durch die Expansion der europäischen
Staaten auf dem asiatischen Kontinent gefährdet sehen. Um dieser Gefährdung
entgegenzuwirken, war es für Japan daher unerläßlich, die eigene Position zu stärken und sich aus der kolonialen Umklammerung der westlichen Staaten zu befreien, die mit dem Aufzwingen der ungleichen Verträge bereits begonnen hatte. Besonders bedrohlich mußte für Japan hierbei die Ausweitung der russischen capabilities in Ostasien wirken. Nach der Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn,
deren Bau 1891 begonnen worden war, würde es Rußland erstmals möglich sein,
große Truppenverbände innerhalb kürzester Zeit auf Schlagdistanz zu japanischem
Territorium zu bringen. Der Aufbau des Flottenhafens in Wladiwostok stellte ebenfalls eine Erhöhung der capabilities dar, die den Japanern gefährlich werden konnte, da er direkt am japanischen Meer gelegen war. Hinzu kam die augenfällige
Schwäche Koreas. Man mußte befürchten, daß es mittelfristig von Rußland dominiert werden könnte. Da den Russen in Korea zum einen dauerhaft eisfreie Häfen
zur Verfügung gestanden hätten und es von der koreanischen Küste zum anderen
nur noch wenige Kilometer bis zur japanischen Hauptinsel gewesen wären, mußte
aus japanischer Sicht unbedingt verhindert werden, daß Korea unter russische Kontrolle gerät. Bestes Mittel, das zu erreichen, war, den eigenen Einfluß in Korea zu
vergrößern. Da dies nur durch die Überwindung des chinesischen Widerstandes zu
schaffen war, nahm man einen Konflikt mit dem Reich der Mitte in Kauf. Der
Krieg wurde also aus japanischer Sicht nicht in erster Linie geführt, um China zu
14
besiegen, sondern um die eigene strategische Position in Bezug auf eine Aggression des Westens zu verbessern.
Aus der neorealistischen Sicht macht der Versuch Japans, Korea zu kontrollieren, nicht nur als Besetzung einer militärstrategischen Position Sinn, sondern auch
als Sicherung überlebensnotwendiger Ressourcen. Wichtig für die Modernisierung
der japanischen Wirtschaft war der Aufbau einer Schwerindustrie und die Erhöhung des Exports. Hier war die Insellage Japans hinderlich, da sie die Verfügbarkeit von Ressourcen verteuerte. Als Beispiel ist Gold zu nennen, das für den Export benötigt wurde, da alle relevanten Währungen dieser Zeit den Goldstandard
hatten. Hier war Japan von Korea abhängig, da zwischen 1868 und 1893 68 Prozent der japanischen Goldimporte aus Korea stammten. Eine ähnliche Abhängigkeit gab es seit der Mißernte von 1889 von koreanischem Reis. Es war also auch
im Hinblick auf die wirtschaftlichen capabilities enorm wichtig zu verhindern, daß
eine dritte Macht Kontrolle über Korea ausüben konnte. Als weiteres Motiv kann
das Streben nach der Gewinnung eines Verbündeten gesehen werden. Auch Großbritannien sah in der Erweiterung der russischen capabilities eine Gefährdung der
eigenen Machtposition in Ostasien. Es suchte also einen regionalen Verbündeten,
um den russischen Einfluß zurückzudrängen. Zunächst wurde China favorisiert, da
es als die stärkste Macht in dieser Weltgegend angesehen wurde. Für Japan war der
Sieg über China also eine gute Gelegenheit, seine eigene Fortschrittlichkeit zu beweisen und sich dadurch als Bündnispartner attraktiv zu machen.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß nicht China im Mittelpunkt
der japanischen Aggression stand, sondern daß es lediglich das Hindernis war, das
es zu beseitigen galt, um die eigene Position zu stärken. Ziel war es in erster Linie,
die eigenen capabilities durch einen erfolgreichen Krieg zu erhöhen, um der Bedrohung durch die Expansion der westlichen Staaten, vor allem Rußlands, entgegenzuwirken.
15
Das Versagen des chinesischen Kaisers
Martina Randel
Im folgenden Text wird der chinesisch-japanische Krieg aus der Sicht des chinesischen Kaisers Zai-tian, oder auch kurz Jingdi, betrachtet. Dabei soll herausgestellt
werden, daß die Niederlage der Chinesen in erster Linie auf die Politik des Kaisers
als uneingeschränkte Herrscherfigur zurückzuführen ist.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Die Vorgeschichte des chinesisch-japanischen Krieges ist geprägt von dem Streit
um alte Tradition und moderne westliche Einflüsse. Da Japan ein westlich orientiertes Land war, der chinesische Kaiser aber mit seiner Politik immer noch dem
Konfuzianismus anhaftete und westlichen Einflüssen abwehrend gegenüberstand,
kam es schon Jahre vor Ausbruch des Krieges zu einem sich steigernden Konflikt.
Als „Herrscher über alles unter dem Himmel“ existierte für den chinesischen
Kaiser keine Gleichheit der Nationen. China begriff sich auch als „Reich der Mitte“ oder „Zentrum der Welt“. Danach ausgerichtet gestaltete der chinesische Kaiser
seine Politik. Dies bedeutete, daß es sein erklärtes Ziel war, seinen Machtbereich
auszuweiten und aufkommende Reformen in anderen Ländern mit allen Mitteln zu
unterbinden. Nachdem allerdings Unruhen im eigenen Land ausbrachen, entschloß
er sich, parallel zum Konfuzianismus einige westliche Einflüsse zuzulassen. Da
diese Reformen sich aber nicht mit der alten Tradition vereinbaren ließen, kam es
zum Eklat.
Der Konflikt mit Japan steigerte sich und endete in einem ernsthaften Streit um
die Insel Korea. Kaiser Jingdi weigerte sich vehement, die Oberhoheit über Korea
abzugeben. Mit allen Mitteln sollte ein Einzug Japans in Korea und somit eine
Verwestlichung der Insel verhindert werden. Der Streit eskalierte am 1. August
1894 schließlich in einer beidseitigen Kriegserklärung. Mehrere grundlegende
Fehlannahmen des chinesischen Kaisers führten dazu, daß eine Niederlage Chinas
schon früh absehbar war. So nahm der Kaiser Jingdi Japan als Kriegsgegner nicht
ernst und glaubte nicht an einen Sieg Japans. Fälschlicherweise war sich der Kaiser
seines Machtverlustes nicht bewußt. So verzichtete er auf die Entsendung von
Truppen und die Erstellung einer Kriegsstrategie.
Für Japan war es daher ein Leichtes, erste Teilerfolge gegen China zu erringen.
Eine erste ernsthafte Niederlage erfuhr China mit dem Verlust der Stadt Seoul am
23. Juni 1894. Die äußerst schlecht organisierte chinesische Armee war kaum noch
für den Krieg zu motivieren. Erschwerend kam hinzu, daß die einzelnen Oberbe16
fehlshaber der Provinzen ihre Truppen unter eigener Herrschaft führten und sie
sich somit den Befehlen des chinesischen Kaisers widersetzen konnten. Diese Situation trat ein, und so kam es zu zahlreichen Rückschlägen Chinas.
Die japanische Armee errang mehrere strategisch wichtige Erfolge. Die chinesische Armee verblieb nach wie vor unmotiviert in einer lethargischen Kriegshaltung. Selbst die weitaus stärkere Marine der Chinesen wagte keine Offensive gegen
die Japaner. Somit sank die Glaubwürdigkeit der Armee und seiner Befehlshaber
im Hintergrund immer mehr. Selbst die spät erstellte Taktik, wichtige Häfen wie
zum Beispiel Port Arthur zu sichern und den Japanern den Zugang zu Peking zu
versperren, schien zu mißlingen. Das Ziel, zunächst Zeit zu gewinnen, scheiterte
kläglich. Am 11. Februar 1895 wurden die Chinesen beinahe vernichtend geschlagen.
Somit war ein Mißerfolg Chinas unausweichlich. Schon am 12. Februar 1895
kapitulierten erste chinesische Truppen, und es kam am 23. März 1895 zur Waffenruhe. Die Bezwingung Chinas durch Japan war somit besiegelt. Da Kaiser Jingdi
schon im Vorfeld versäumte, der ernsten Lage seines Landes Beachtung zu schenken, war ein Fehlverhalten seinerseits schnell erkennbar. Die Niederlage im chinesisch-japanischen Krieg liegt daher in seiner Verantwortung. Dies hatte zur Folge,
daß er erheblich an Glaubwürdigkeit, Autorität und Macht in der Welt einzubüßen
hatte. Dieser Rückschlag zwang ihn, seine Selbstüberschätzung zu erfassen.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Nach Betrachtung des chinesisch-japanischen Krieges von 1894 bis 1895 liegt nun
eine Analyse nach dem first image und dem Realismus nach Hans J. Morgenthau
nahe. Somit soll der Fokus auf Kaiser Zai-tian als zentraler Akteur beibehalten
werden. Erste unterstützende Anhaltspunkte finden sich bereits im Vorfeld des
Krieges und in den Grundvorstellungen des chinesischen Kaisers. Wie bereits erwähnt, begreift er sich als „Herrscher über alles unter dem Himmel“, was ihn zum
absoluten Herrscher macht. Diese Gedanken finden sich ebenfalls bei den Realisten Hans J. Morgenthau und Bradley A. Thayer wieder. Nach deren Auffassungen
besitzt der Mensch den Drang, andere zu dominieren. Dieses Verhalten ist nach der
Evolutionstheorie den Menschen angeboren und folglich auch im Verhalten des
chinesischen Kaisers nachzuweisen.
Oberstes Ziel des Kaisers Zai-tian war es, seinen Machteinfluß auf Korea zu festigen und diesen sogar auf andere Länder auszubauen. Geprägt war sein Verhalten
dabei von „Egoismus“ und „Herrschaftsdrang“. Diese beiden Eigenschaften sind
abermals in der Natur des Menschen verankert. Ein weiteres unentwegtes Ziel des
Kaisers, die alte traditionelle Politik fortzuführen und zu festigen, sind Grundprinzipien des Realismus nach Reinhold Niebuhr. Dieser spricht von narcissistic selflove, die beim Menschen zu finden sei. Geprägt von all diesen Eigenschaften verlor
der chinesische Kaiser die Wirklichkeit völlig aus den Augen.
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Sein Realitätsverlust führte im Krieg gegen Japan zu den bedeutenden misperceptions. Diese bezeichnen eine von Akteuren fälschlicherweise konstruierte oder
wahrgenommene Realität. Denn wie bereits erwähnt, wog sich der chinesische
Kaiser immer noch in der falschen Annahme, die Japaner seien als Kriegsgegner
nicht ernst zu nehmen; und dies selbst noch während japanischer Aufmärsche und
nach den ersten Siegen der gegnerischen Armee. Fatalerweise proklamierte Kaiser
Zai-tian, der Krieg gegen Japan stelle keine Bedrohung dar, weil man unbesiegbar
sei.
Der „falsche Optimismus“ war es also, der den chinesischen Kaiser in der Sicherheit ließ, die Japaner seien als Kriegsgegner nicht ernst zu nehmen. Seine
Vormachtstellung sah er als unantastbar an.
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Die amerikanische Expansionsstrategie
Markus Hesedenz
Der folgende Beitrag soll das Zustandekommen des Krieges zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Spanien 1898 aus amerikanischer Sicht analysieren. Er beginnt mit einem kurzen Abriß über den Verlauf und die Entstehung des
Krieges. Das primäre Forschungsinteresse gilt jedoch der Frage, ob sich das Eingreifen der USA mit der Theorie des kommerziellen Liberalismus erklären läßt.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus amerikanischer Sicht
Grundlage des Konfliktes waren Unruhen auf Kuba, welche aus dem 1878 geendeten kubanisch-spanischen Krieg resultierten, nachdem die Spanier Kuba Reformen
zugesichert hatten, diese jedoch nicht durchführten. Durch diese Unruhen fürchteten amerikanische Investoren um ihre Anlagen auf Kuba und wandten sich an den
Präsidenten William McKinley.
Dieser beauftragte William R. Hay, seinen Staatssekretär, mit dem amerikanischen Botschafter in Spanien, Stewart Woodford, Kontakt aufzunehmen. Hay tat
dies in drei Briefen an Woodford. Am 15. Februar 1898 sank im Hafen von Havanna das amerikanische Kriegsschiff Maine, was Hay in seinem ersten Brief auch
erwähnte und deshalb von Spanien Reparationszahlungen verlangte, da er dem
Trugschluß erlag, die Havarie des Schiffes wäre auf Sabotage zurückzuführen, was
sich jedoch 1969 durch eine Untersuchung widerlegen ließ.
Die weiteren Briefe forderten die spanische Regierung auf, den Frieden auf
Kuba wiederherzustellen, da sich die USA ansonsten gezwungen sähen, in diesen
Konflikt einzuschreiten. Des weiteren forderte die US-Regierung, daß Spanien
Kuba die völlige Unabhängigkeit zusichern sollte, was für Spanien, das diese Insel
für Jahrhunderte in seinem Besitz hatte, natürlich inakzeptabel war.
Als am 27. März die Forderungen der USA von Spanien nicht erfüllt wurden,
bat der amerikanische Präsident den Kongreß um die Erlaubnis zur Anwendung
von Waffengewalt. Nachdem der amerikanische Kongreß am 20. April die Unabhängigkeit Kubas deklariert und den Spaniern ein dreitägiges Ultimatum zum
Rückzug gestellt hatte, erklärte er am 25. April den Spaniern den Krieg. In diesem
Krieg standen sich zwei ungleiche Gegner gegenüber: Die USA mit ihrer modernen Militärmaschinerie als aufstrebende Nation und Spanien als alternde Kolonialmacht mit veraltetem militärischen Gerät
So wurde bereits am 1. Mai die spanische Pazifikflotte versenkt, und amerikanische Truppen nahmen am 1. Juli die Hauptstadt Kubas, Santiago de Cuba, ein.
Am 3. Juli schlug ein letzter Versuch seitens der Spanier, die Hauptstadt zurückzu19
erobern, fehl. Am 18. Juli 1898 bat die spanische Regierung schließlich um eine
Beilegung des Konflikts. Die beiden Kriegsparteien einigten sich in einem am 10.
Dezember in Paris unterzeichneten Friedensvertrag darauf, daß Spanien seine langjährige Kolonie Kuba und das ebenfalls von den USA besetzte Puerto Rico in die
Unabhängigkeit entlassen und die Insel Guam an die USA abtreten mußte. Des
weiteren wurden die Philippinen für 20 Millionen US-Dollar an Amerika verkauft.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
In diesem Teil soll nun versucht werden, eine theoretische Erklärung des Krieges
zu geben, indem der kommerzielle Liberalismus auf das Verhalten der USA gegenüber Spanien angewendet wird.
Aufgrund der erst kurz vorher beendeten Rezession suchten und brauchten die
Amerikaner neue ausländische Märkte, wobei sie sich auf den pazifischen Raum
konzentrierten, ihr Augenmerk jedoch speziell auf China richteten. Um diese „Expansion“ nach Westen erfolgreich umsetzen zu können, wollten die Amerikaner
sozusagen Checkpoints auf ihrem Weg nach Asien errichten, was ihnen, wie zu sehen mit Guam, Puerto Rico, Hawaii und den Philippinen, auch gelungen ist. Kuba
spielte jedoch eine wichtigere Rolle, da es nah an der amerikanischen Ostküste,
dem Hauptindustriezentrum der USA, liegt und so ein Tor zum Handel mit Asien
bildete. Das heißt, daß Kuba den ersten Seeposten auf dem Weg zum Panamakanal
bildet und so eine wichtige Rolle in der Expansionsstrategie der Vereinigten Staaten spielte.
Dies kann man mit der Seestrategie von Alfred Thayer Mahan in Verbindung
bringen, welche besagt, daß, um erfolgreich Seehandel betreiben zu können, insulare Stützpunkte auf der Handelsroute von großer Bedeutung sind.
Um nun die klare Verbindung zum kommerziellen Liberalismus herauszustellen, sollen drei der von Andrew Moravcsik erwähnten Merkmale dieser Theorie
herausgegriffen und durch Beispiele diesen Krieg betreffend verdeutlicht werden.
Der kommerzielle Liberalismus erklärt das Verhalten von Staaten, indem die Anreize des Marktes betrachtet werden, denen sich die Akteure sowohl innenpolitisch
als auch transnational ausgesetzt sehen. So läßt sich hier die Verknüpfung der
Theorie mit der Realität herstellen, da die USA den Krieg begannen, weil sie sich
großen wirtschaftlichen Anreizen aus Asien, speziell China ausgesetzt sahen. Die
USA rechneten sich also aus, daß die Kosten für den Bau des Panama-Kanals, den
Krieg mit Spanien, die Annektierung Hawaiis, den Kauf der Philippinen und die
Besetzung von Puerto Rico sowie von Guam gerechtfertigt waren, um die Handelsrouten nach Asien zu sichern.
Das letzte Argument, das erwähnt werden soll, ist ein Punkt, der nicht nur den
kommerziellen Liberalismus, sondern den Liberalismus generell auszeichnet: Die
Präferenzbildungsprozesse innerhalb einer Gesellschaft und deren Einfluß auf die
Entscheidungen der Regierenden. Moravcsik geht davon aus, daß außenpolitisches
20
Handeln eines Staates eine Reaktion auf die Verfolgung materieller und ideeller Interessen von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen ist.
So ließ sich der amerikanische Präsident William McKinley in seinen Entscheidungen, wie schon erwähnt, von den Befürchtungen und Klagen der amerikanischen Wirtschaft leiten. Des weiteren beeinflußten ihn „Hurrapatrioten“, wie
zum Beispiel der spätere Präsident Theodor Roosevelt oder Henry Cabot Lodge,
ein Senatsmitglied und enger Freund von Roosevelt, welche eine Vergrößerung der
Rolle Amerikas in der internationalen Politik sowie eine Erweiterung des amerikanischen Staatsgebietes durch Expansion nach Westen forderten.
Nach diesen Argumenten läßt sich sagen, daß sich der kommerzielle Liberalismus hier als sehr passende Theorie erweist, da er die Entscheidung der amerikanischen Regierung, gegen Spanien in den Krieg zu treten, meiner Meinung nach ausreichend erklärt.
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Japanische Motive für den Angriff auf
Port Arthur
Bettina Becker
Der vorliegende Beitrag fokussiert den Krieg zwischen Rußland und Japan aus japanischer Sicht. Zur Erklärung der vorrangig interessierenden Kriegsursachen wird
die theoretische Perspektive des Neorealismus zu Hilfe gezogen. Erkenntnisleitendes Interesse ist die Frage nach den Gründen Japans, 1904 den Krieg gegen Rußland zu eröffnen.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus japanischer Sicht
Während alle Großmächte, die im Verlauf des Boxeraufstandes 1900 Streitkräfte
nach China entsandt hatten, Anfang 1901 begannen diese wieder zurückzuziehen,
beließ Rußland seine Truppen in den besetzten Teilen der Mandschurei.
Als Reaktion auf das russische Verhalten und als Ausdruck des Widerstandes
erfolgte 1902 zwischen Großbritannien und Japan ein Bündnis, das darauf abzielte,
die Unabhängigkeit des Kaiserreiches China und Koreas aufrechtzuerhalten sowie
jeweils die britischen bzw. japanischen Interessen in China und die japanischen
Sonderinteressen in Korea zu verteidigen. Zwar wirkte der russische Außenminister Graf Lambsdorff als Kompensation auf das britisch-japanische Bündnis auf eine Erneuerung der kontinentalen Mächtekombination von 1895 zwischen Rußland,
Frankreich und Deutschland, aber weder Deutschland noch Frankreich waren dazu
bereit.
Auf der Sonderkonferenz der japanischen Regierung am 23. Juni 1903 wurde
beschlossen, daß Japan Versuche in die Wege leiten wird, um einen Ausgleich
zwischen den unterschiedlichen Interessen Rußlands und Japans im Fernen Osten
auf diplomatischem Weg zu finden. Von August 1903 bis Februar 1904 fand ein
reger Notenaustausch zwischen Rußland und Japan statt.
Einigkeit bestand in dem Punkt, daß Rußland ein prädominanter Einfluß in der
Mandschurei eingeräumt werden solle und Japan ein entsprechender Einfluß in Korea. Aber beide Parteien forderten in ihrem Einflußgebiet für sich selbst jeweils eine fast uneingeschränkte De-facto-Hegemonie, zugleich aber von der anderen Seite
bestimmte Einschränkungen in ihrer Interessensphäre. Konkret bedeutete dies, daß
Rußland die Unabhängigkeit und territoriale Integrität von Korea forderte, ohne die
Garantie für China (speziell die Mandschurei) zu geben, während Japan auf die
vielseitigen und exklusiven japanischen Investitionsrechte in Korea bestand, ohne
auf bestehende Rechte in der Mandschurei zu verzichten. Ein ganz wesentlicher
22
Streitpunkt lag in der russischen Forderung, daß Japan keinen Teil des koreanischen Gebietes, insbesondere nicht die Küste an der Straße von Korea, welche für
Rußland die maritime Verbindung zwischen Port Arthur und Wladiwostok darstellte, zu strategischen Zwecken benützen solle.
In diesen Punkten war keine friedliche Einigung möglich, und so stellte die japanische Regierung am 4. Februar 1904 die diplomatischen Verhandlungen ein:
Am 6. Februar 1904 brachen japanische Seestreitkräfte in Richtung südliche Mandschurei und Korea auf, und in der Nacht vom 6. zum 7. Februar 1904 eröffneten
japanische Seestreitkräfte ohne vorherige Kriegserklärung auf die russische Festung und Flotte in Port Arthur das Feuer. Die Kriegserklärung folgte am 10. Februar 1904 nach.
Die japanischen Streitkräfte waren den russischen deutlich überlegen: Nachdem
am 1. Januar 1905 Port Arthur kapitulierte und im Februar 1905 das russische
Landheer in der Mandschurei eine katastrophale Niederlage erlitt, war die letzte
Hoffnung Rußlands die europäische Ostseeflotte, die in wochenlanger Seefahrt,
teilweise durch den Suezkanal aber auch um Afrika herum, in den Osten entsandt
worden war. Aber auch diese Flotte wurde in der Seeschlacht von Tsushima von
der japanischen Marine vernichtend geschlagen.
Am 5. September 1905 wurde der russisch-japanische Friedensvertrag unterzeichnet, der u.a. folgende Punkte enthielt: Rußland erkannte das prädominierende
Interesse Japans in Korea an; beide Staaten zogen ihre Streitkräfte aus der Mandschurei zurück; Rußland gab das Pachtgebiet auf der Liaotung-Halbinsel (insbesondere die beiden Häfen Port Arthur und Dairen) an Japan ab; die südmandschurische Eisenbahnlinie zwischen Changchun und Port Arthur wurde auf Japan übertragen; die Insel Sachalin wurde entlang des 50. Breitengrades geteilt, aber weder
Rußland noch Japan sollten dort militärische Befestigungsanlagen errichten.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Aus der theoretischen Perspektive des Neorealismus ist die Hauptursache für den
russisch-japanischen Krieg die immense Bedrohung der japanischen Sicherheit
durch die Expansionstendenzen Rußlands. Sowohl durch die Besetzung der Mandschurei mit russischen Truppen als auch durch die russischen Interessen an Nordkorea, die nach der Pachtung von Port Arthur und Umgebung 1903 evident wurden, sowie durch den schnellen Ausbau der Hafenstadt Wladiwostok und den imperialistischen Vorwärtsdrang Rußlands zum Pazifik sahen die Japaner die Sicherheit des eigenen Landes existentiell bedroht. Es bestand die Gefahr, daß Rußland
seine Expansionstendenzen weiter in Richtung Japan ausweiten würde.
Als weitere Ursache ist zu sehen, daß Japan selbst zur Stabilisierung und Mehrung der capabilities Interessen an den beiden Gebieten – Mandschurei und Korea
– hatte. Bereits im Vertrag von Shimonoseki (1895) hatte Japan seine Interessen
diesbezüglich deutlich werden lassen: Es forderte als Reparation von China neben
der vollständigen Unabhängigkeit Koreas den Südteil der strategisch hochbedeut23
samen Liaotung-Halbinsel am südlichen Ende der Mandschurei mit den Häfen Port
Arthur und Dairen. Diese letzte Forderung blieb Japan nur durch das Einwirken
westlicher Großmächte verwehrt, und der Friedensvertrag wurde in einer gemäßigteren Fassung unterzeichnet. Um nun die bereits bekundeten Interessen an diesen
Gebieten weiter verfolgen und durchsetzen zu können, war das Eindämmen des
russischen Vormarschs von großer Bedeutung.
Interessant ist ebenfalls die Frage, warum Japan den Krieg zu eben diesem
Zeitpunkt begonnen und nicht weiter auf eine friedliche Lösung gewartet hat. Dahingehend ist zu konstatieren, daß die Zeit für Rußland und gegen Japan arbeitete.
Die endgültige Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn war in Kürze zu erwarten. Eine fertige Eisenbahnlinie hätte für Rußland im Falle eines Krieges einen
immensen strategischen Vorteil bedeutet (Rußland hätte Truppen und Nachschub
bedeutend schneller und besser transportieren können), so daß der Angriff der Japaner auf Rußland zu diesem Zeitpunkt verhinderte, daß Rußland in eben diese
deutlich bessere Ausgangsposition kommen konnte.
Da der Neorealismus als Kriegsursache u.a. von einer anarchischen Staatenwelt
ausgeht, ist für diesen Fall noch das Zutreffen dieser Annahme zu klären. Zunächst
ist zu Fragen, ob es Regelungs- bzw. Vermittlungsanstrengungen von anderen
Staaten gab und warum diese gegebenenfalls nicht fruchteten. Hierzu sind sowohl
die britischen als auch die französischen Vermittlungsbemühungen im vorliegenden Streitfall zu nennen. Der britische Außenminister Lansdowne führte 1903 konsequent Gespräche mit dem russischen Botschafter Benckendorff, und auf französischer Seite fand ab Oktober ein reger Austausch zwischen den beiden Außenministern Delcassé und Graf Lambsdorff statt. Aber diese Vermittlungsversuche blieben ohne Erfolg: weder konnte Rußland dazu bewogen werden, annehmbare Zugeständnisse an Japan zu machen, noch konnte Japan zu weiterem Warten überredet
werden. Die Gründe für das Scheitern der Einflußnahme sind vor allem darin zu
sehen, daß sowohl Großbritannien als auch Frankreich ihre capabilities bedroht sahen, würden sie stärkeren Druck auf die Konfliktparteien ausüben, denn die oberste
Priorität lag für Frankreich und für Großbritannien darin, im Falle eines Krieges in
jenen nicht involviert zu werden, um die eigenen Interessen zu schützen. Anzumerken ist zu diesem Punkt, daß es Großbritannien prinzipiell sicherlich nicht ungelegen war, daß sich sowohl Japan als auch Rußland mit der Mandschurei und
Nordkorea beschäftigten, so daß beide Länder nicht mit primären britischen Interessen in Konflikt geraten konnten.
Abschließend ist zu konstatieren, daß mit der Wahl einer theoretischen Perspektive immer bestimmte Dinge aus dem Blickfeld ausgeschlossen werden. Aber
die herausgearbeiteten Kriegsursachen aus neorealistischer Sicht sind aufgrund ihrer Deutlichkeit evident und untermauern damit die Wahl des theoretischen Blickwinkels.
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Die Sozialisierung Japans im Vorfeld des
Krieges gegen China
Daniel Ames
Wie konnte das rückständige Japan innerhalb von weniger als hundert Jahren eine
Großmachtstellung im asiatisch-pazifischen Raum erreichen, um eigene Expansionsbestrebungen durchzuführen, mit dem Ziel, den westlichen Einfluß in Asien
und vor allem im krisengeschwächten China, dem einst übermächtigen Nachbarn,
zurückzudrängen?
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus japanischer Sicht
Um die Ursachen des zweiten chinesisch-japanischen Krieges zu erklären, ist die
Darstellung der umwälzenden Entwicklung Japans, die zum Übergang vom 19. ins
20. Jahrhundert stattfanden, von Nöten. Ausgangspunkt bildet die Öffnung des
Landes für den westlichen Handelsverkehr.
Die Landung amerikanischer Flottenverbände 1854 vor der japanischen Küste
nötigte dem Inselvolk die Öffnung des Landes für den amerikanischen und später
auch den internationalen Handel ab. Der technologische und militärische Vorsprung des Westens verbreitete Sorgen und Angst über den Fortbestand Japans als
eigenständigen Staat. Zur Stärkung der eigenen Position wurden weitreichende Reformen im Zuge der sogenannten Meiji-Restauration (benannt nach dem 1868 eingesetzten Kaiser) durchgeführt. Diese Periode stand unter dem Zeichen der Verwestlichung Japans, was für die spätere Entwicklung vor dem Ausbruch des Krieges mit China eine bedeutende Rolle spielte. Zunächst wurden Anstrengungen unternommen, das westliche Modell der Diplomatie zu adaptieren, um so die von den
Vereinigten Staaten erzwungenen Bestimmungen der „Ungleichen Verträge“ zu
annullieren. Der Staatsaufbau wurde verändert und u.a. am preußischen Modell
angelehnt. Diese und weitere Maßnahmen, die vor allem der Stärkung der Wirtschaft und des Militärs dienten, wurden durchgeführt, um nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Westen zu geraten, wie es China, dem „Reich der Mitte“ und
ehemaligen Machtzentrum Ostasiens, widerfuhr.
Diese Entwicklungsschritte hatten allerdings auch innenpolitische Konsequenzen. So sorgte eine Landreform und die Unterstützung von Großunternehmen (zaibatsu) für die Verarmung großer Teile der Landbevölkerung, die bis in die 30er
Jahre des 20. Jahrhunderts noch ca. die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Ein weiterer Unruheherd war unter der ehemals bedeutsamen und ehrenhaften Kaste der Samurai zu verorten, die unter der Abschaffung des Feudalsystems zu lei25
den hatte und durch das japanische Militär zum Zweck verdeckter Operationen
mißbraucht wurde.
Neue soziale Strömungen standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts an: als Gegenreaktion zur Tendenz der Verwestlichung entstand eine breite Variation nationalistischer Bewegungen, die unter der Bezeichnung „Ultranationalismus“ zusammengefaßt sind. Die wichtigsten Bewegungen nannten sich Panasianismus und
Nipponismus, die eine Rückkehr zur traditionellen japanischen Kultur wie dem
Konfuzianismus, der während der Meiji-Periode, die 1912 endete, an Bedeutung
einbüßte. In den 20er Jahren kam zudem eine sozialistische Arbeiterbewegung auf,
im Hintergrund des wirtschaftlichen Abschwungs nach dem Ersten Weltkrieg, an
dessen Ende sich Japan schließlich außenpolitisch als Großmacht profilieren konnte. Den Bewegungen gleich war ein starker nationalistischer Einschlag, der unter
anderem in der Hervorhebung des japanischen Kaisers, dem Tenno, aber auch der
Betonung des einzigartigen Wesens der japanischen Kultur (kokutai) und deren
Überlegenheit seinen Nachbarn gegenüber, deutlich wurde.
Die Radikalisierung der Bevölkerung konnte schließlich von der politischen
Führung, die unter starkem Einfluß des Militärs stand, dahingehend instrumentalisiert werden, daß der Fokus von den innenpolitischen Problemen auf die Nachbarn
gelenkt wurde. Der Haß und die Ablehnung gegenüber dem Westen, der in den
Augen vieler Japaner eine Bedrohung der eigenen staatlichen Souveränität darstellte, wurde genutzt, um einen erneuten Konflikt mit China austragen zu können.
China selbst war sowohl durch den kolonialen Einfluß von Europa und Amerika
als auch die Stellung der Japaner auf dem Kontinent in der chinesischen Mandschurei keine eigenständige Macht mehr.
Auslöser des Krieges waren schließlich Schußgefechte, die am 7. Juli 1937 in
Peking an der Marco-Polo Brücke fielen und schließlich zum Ausgangspunkt des
Pazifikkrieges wurden.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Zur Erklärung der Kriegsursachen wird in diesem Text die Theorie des Konstruktivismus verwendet. Dieser besagt unter anderem, daß die Wahrnehmung der Realität (Perzeption) diese formt. In welcher Rolle sah sich Japan zur Zeit des Ausbruchs des Pazifikkrieges?
Zunächst konnten sich die Japaner auf ihre erfolgreiche Entwicklung hin zu einer Großmacht berufen und damit ihr Selbstbewußtsein stärken. Ihnen war es im
Gegensatz zu China gelungen, ihre Selbstständigkeit zu bewahren. So war Japan
stets ein „Herausforderer“ des Westens in Hinblick auf den Fortbestand des Staates
und der eigenen Machstellung. Die Versuche der Machterweiterung waren auch
von zahlreichen Erfolgen gekrönt. Nach Kriegen gegen China (1894/95) und Rußland (1904/05) sowie im Zuge des Ersten Weltkrieges konnte das japanische Territorium erweitert werden. Ein nächster Schritt hin zur Erlangung einer autarken
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Stellung war es nun, weitere Gebiete zu erobern, die Ressourcen für den rohstoffarmen Inselstaat boten.
Um dies der Bevölkerung Japans zu vermitteln, aber auch, um Sympathien für
die japanischen Ziele bei seinen Nachbarn zu erzeugen, wurde 1937 vom amtierenden Ministerpräsident Konoe der Plan zur Errichtung einer „Neuen Ordnung“
im asiatisch-pazifischen Raum verkündet. Zusammengefaßt sah diese Ordnung die
Ablösung des westlichen Kolonialismus vor, an dessen Stelle eine japanische Hegemonie treten sollte. Für eine Sogwirkung in den umliegenden westlichen Kolonien reichte dies allerdings nicht aus. Zu offensichtlich war der Hintergrund der
wirtschaftlichen Ausbeutung zu Gunsten des japanischen Militärs, das in seinen
Feldzügen oftmals mit erbitterter Brutalität vorging. Dieses Verhalten läßt Schlüsse
ziehen, in wie weit ein radikaler Sozialisierungsprozeß in der japanischen Bevölkerung, in der das Vorhaben der „Neuen Ordnung“ auf große Zustimmung traf, vonstatten ging: so hielt das nipponistische Gedankengut Einzug in das japanische
Schulsystem während der 30er Jahre.
Das Verhalten des Westens trug sein Übriges zur Radikalisierung bei. Die Abhängigkeit von amerikanischen Importen und Versuche der Beschränkung der japanischen Rüstung, zum Beispiel im Rahmen von Flottenabkommen, schürten die
Ressentiments in erheblichem Maße. Das Schicksal Chinas wurde den Japanern
zum Mahnmal, das es unter allen Umständen zu verhindern galt.
Einen Ausweg aus dieser Lage sah man in einer erneuten Expansion in den
südlichen sowie den östlichen Teil des asiatisch-pazifischen Raumes. Widerstand
von Seiten der Bevölkerung war nicht zu erwarten. Diese zeichnete sich durch ihre
große Opferbereitschaft aus, die sich in der ausdauernden Haltung bis zum Kriegsende verdeutlichte. Dieser Umstand kann als weiterer Beleg für die Bedeutung von
Sozialisationsprozessen im Hinblick auf die Klärung der Kriegsursachen gedeutet
werden.
Für die Untersuchung der Kriegsursachen wurde die Theorie des Konstruktivismus gewählt, da sie eine breitere Analyseebene bietet als der Neorealismus nach
Waltz. Das bedeutet nicht, daß die Erklärungsfunktion des neorealistischen Ordnungsprinzips der internationalen Anarchie oder der Erlangung von capabilities
negiert wird; der Versuch zur Entwicklung Japans in Richtung einer Autarkie ist
deutlich erkennbar. Die Ursache des Krieges zwischen Japan und China 1937 liegt
jedoch vielmehr in der vorangegangen Sozialisation durch die Bedrohungen, die
Japan von Außen entgegentraten. Diese konnte wiederum durch die japanische
Führung, die unter dem klaren Einfluß des Militärs stand, kanalisiert werden. Als
Metapher des kaum zu umgehenden Konflikts steht der japanische Kaiser, auf den
sich vor allem das Militär stets berufen konnte, aufgrund seiner schwachen und abhängigen politischen Stellung. So trug auch diese bedeutsame Integrationsfigur zur
Entstehung des Pazifikkrieges bei.
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Die Wende der chinesischen
Japanpolitik
Stefanie Rampe
Bis zum Kriegsausbruch 1937 hatte die chinesische Regierung immer eine friedliche Lösung der Konflikte mit Japan gesucht. Nach dem Zusammenstoß ihrer
Streitkräfte mit den japanischen Truppen an der Marco-Polo-Brücke am 7. Juli
1937 entschied sie sich für eine gewaltsame Konfliktlösung. Welche Bedingungen
bewirkten diese Wende in der chinesischen Japanpolitik?
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Nach dem Sturz der chinesischen Monarchie bildeten sich in der 1912 gegründeten
Republik China zwei große Parteien heraus. Die Kuomintang (KMT), die spätere
Regierungspartei der Nationalisten, und die Kommunistische Partei Chinas (KPCh)
stellten bis ins Jahr 1927 eine gemeinsame Regierung. Mit Gründung der neuen
Republik war China jedoch nicht geeint, da die Kriegsherren der einzelnen Provinzen sich nicht unter die Führung der Zentralregierung stellen wollten und die Vorherrschaft in den einzelnen Provinzen behielten.
1924 veröffentlichte Sun Yat-sen seine „Drei Grundsätze vom Volk“, welche
erstens das Streben nach nationaler Einheit und Unabhängigkeit beinhalteten, zweitens eine Volksherrschaft in Form der Einparteienherrschaft forderten, und drittens
sollte der Lebensunterhalt des Volkes vor dem Profit stehen. Diese Grundlehre
wurde von allen Parteien Chinas verinnerlicht und lag auch während des kommenden Bürgerkriegs ihrer Politik zugrunde. Nachdem sich Chiang Kai-shek 1927 an
die Spitze der KMT putschte, brach er mit den Kommunisten, und die KMT stellte
alleine die Regierung. Diese Zentralregierung versuchte in den kommenden Jahren,
die Macht über die KPCh und die regionalen Militärmachthaber zu erlangen und so
China zu einen. Folge dieses Kampfes war der legendäre „Lange Marsch“ der
Kommunisten, von Oktober 1934 bis Oktober 1935. Sie marschierten 12.500 km
von Kiangsi nach Shensi und konnten so trotz enormer Verluste ihr Überleben sichern.
Während der Jahre des Bürgerkriegs 1927 bis 1937 wuchsen die Spannungen
im chinesisch-japanischen Verhältnis. Ausschlaggebend für eine wachsende antijapanische Stimmung innerhalb der chinesischen Bevölkerung war der Kampf um
die Provinz Mandschurei. China verlor sie 1931 an die Japaner. Diese gründeten
dort den Satellitenstaat Mandschuko, dessen völkerrechtliche Anerkennung in weiteren Konflikten mit China eine besondere Rolle spielte.
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In den folgenden Jahren erkannten die Japaner Chinas Wunsch nach nationaler
Unabhängigkeit und Status eines gleichberechtigten Partners nicht an, sondern
führten eine aggressive Expansionspolitik.
Ihrer Chinapolitik lagen drei Grundprinzipien zugrunde. Erstens die Beseitigung antijapanischer Bewegungen in China und Verzicht auf die Zusammenarbeit
mit den USA und europäischen Staaten, zweitens die völkerrechtliche Anerkennung Mandschukos und drittens der gemeinsame Kampf Chinas und Japans gegen
die Kommunisten. Diese wurden China in Form von zunehmenden Forderungen
zur Beendigung gewaltsamer Zwischenfälle entgegengebracht.
Während die KMT durch ständige Zugeständnisse eine friedliche Japanpolitik
praktizierte und die Unterdrückung der KPCh in den Vordergrund stellte, propagierte die KPCh eine Einheitsfront gegen die japanische Regierung und die KMT.
Als Folge der zunehmenden aggressiven Chinapolitik Japans wuchs in der Bevölkerung der Wille zum Widerstand, und immer mehr Gruppen schlossen sich den
Kommunisten an. So wurde Chiang Kai-shek im Dezember 1936 in der Provinz
Sian von dem General Cahang Hsüeh-liang entführt und nur unter der Bedingung,
in Zukunft eine gemeinsame Einheitsfront gegen Japan zu führen und den Bürgerkrieg einzustellen, freigelassen. Nach diesem Zwischenfall näherten sich die KMT
und KPCh an, und ein fortschreitender Einigungsprozeß Chinas setzte ein.
Am 7. Juli 1937 stießen chinesische und japanische Truppen an der Marco- Polo-Brücke südlich von Peking zusammen. Zunächst wurde dieser Zusammenstoß
als ein weiterer Zwischenfall gewertet. Am 27. Juli setzten die Japaner Chiang Kaishek ein 24-Stunden-Ultimatum. Dieser entschied sich jedoch gegen friedliche
Verhandlungen und für den äußersten Widerstand. Mit dem japanischen Angriff
am 28. Juli 1937 begann der chinesisch-japanische Krieg.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Der ideelle Liberalismus nach Andrew Moravcsik analysiert auf der Ebene des second image. Handelnde Akteure sind Individuen und Gruppen. Ihrem Verhalten
liegen materielle und ideelle Interessen zugrunde. Im Sinne des Menschenbilds eines homo oeconomicus handeln sie als rationale Eigennutzmaximierer. Der Staat
ist die repräsentative Institution, deren Verhalten durch capture and recapture der
gesellschaftlichen Gruppen bestimmt wird. Der ideelle Liberalismus nimmt an, daß
staatliche Präferenzen durch soziale Identitäten und Werte bestimmt werden. Diese
sind öffentliche Güter wie territoriale Grenzen, legitime politische Institutionen
und sozioökonomische Wohlfahrtsgewinne. Die Außenpolitik eines Staates ist der
Ausdruck der Präferenzen der gesellschaftlichen Akteure, die sich im Interessenwettbewerb durchsetzen konnten. Im internationalen System können Staaten miteinander kooperieren, solange ihre staatlichen Präferenzen miteinander kompatibel
sind. Wenn sie jedoch divergieren, entstehen internationale Spannungen und Konflikte.
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In China sind die handelnden Akteure die zwei großen Parteien KMT und
KPCh, die Studenten und die warlords, z.B. der General Chang Hsüeh-liang. Das
Handeln und somit auch die Präferenzen aller Gruppen in der chinesischen Gesellschaft basierten auf der Grundlehre Sun Yat-sens.
Die Nationalisten wollten die Einigung Chinas unter ihrer Einparteienherrschaft
erlangen. So galt ihr vorrangiges Interesse der Unterdrückung der Kommunisten
und warlords. In einem Krieg gegen Japan würden sie ihre Überlegenheit verlieren. Ebenso sahen sie in einem Kampf als geteiltes China keine Erfolgschancen.
Die KPC dagegen erkannte die Überlegenheit der KMT und die Schwächung der
eigenen Partei nach dem „Langen Marsch“. Sie konnte nur überleben, wenn China
einen Krieg gegen Japan führt. Daher galt ihr Interesse einer Einheitsfront gegen
Japan und die KMT.
Vor dem Zwischenfall in Sian 1936 konnten sich die Nationalisten im Interessenwettbewerb durchsetzen. Daraus resultierte ein kooperierendes außenpolitisches
Verhalten gegenüber Japan. Doch mit dem zunehmenden aggressiven Expansionsstreben Japans wuchs die antijapanische Stimmung in China. Die Kommunisten
verstärkten ihren Druck auf die Regierung. Unterstützt wurde der Druck von den
Studenten. Die Demonstration von 7.000 Studenten im Dezember 1935 verfolgte
das Ziel, den Bürgerkrieg im Land zu beenden und statt dessen gemeinsam gegen
Japan zu kämpfen. Dieser Demonstration folgten weitere Kundgebungen und die
Gründungen von weiteren antijapanischen Gruppen, wie der Nationalen Rettungsgemeinschaft bestehend aus vielen prominenten Persönlichkeiten. Auch regionale
Provinzmachthaber schlossen sich den Forderungen der Kommunisten an. In den
Jahren 1935/36 divergierten die Wertvorstellungen der chinesischen Bevölkerung
immer mehr mit den Präferenzen der regierenden Nationalisten.
Nach dem Sian-Zwischenfall war ein verändertes Verhalten der Regierung erkennbar. Die Nationalisten erkannten, daß sie ihren Einfluß in der Gesellschaft
langsam verloren, wollten aber weiterhin regierende Partei bleiben. Rational und
ihren eigenen Nutzen bedenkend, reagierten sie im Sinne des homo oeconomicus,
indem sie sich dem Druck der Individuen und Gruppen beugten und die Unterdrückung der Kommunisten zugunsten des Widerstands gegen Japan zurückstellten. Nur so konnten sie zu diesem Zeitpunkt die Einheit Chinas erreichen und ihre
eigene Stellung festigen.
Die veränderten Präferenzen der chinesischen Regierung divergierten mit den
staatlichen Präferenzen Japans. Folglich nahmen die Spannungen und Konflikte
zwischen den Staaten mit dem Jahr 1937 zu. In Anbetracht der innerstaatlichen
Gesellschaftsordnung und den vorherrschenden Interessen lehnte die Regierung
unter Chiang Kai-shek die Forderungen Japans ab, nachdem ihre Truppen an der
Marco-Polo-Brücke 1937 zusammengestoßen waren, und entschied sich somit für
die gewaltsame Konfliktlösung, um die nationale Einheit und Unabhängigkeit zu
wahren.
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Japans Angriff auf Pearl Harbor
Marco Hahn
Warum griff Japan am 7. Dezember 1941 die amerikanische Pazifikflotte in Pearl
Harbor an? Welche systemischen Einflüsse oder Konstellationen könnten für den
bewußten Entschluß zum Krieg mit den USA und deren Verbündeten ausschlaggebend gewesen sein? Diese Fragen sollen im folgenden Essay mit Hilfe eines historischen Überblicks erläutert werden.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus japanischer Sicht
Während der Tokugawa-Ära (1603-1868) befand sich Japan 250 Jahre lang in einer selbst gewählten Isolation von seinen Nachbarn. Im Zeitalter des Kolonialismus wurde Japan dann „mit gezogenem Colt“ in das internationale politische System gezwungen. Der amerikanischen Flotte unter Commodore Perry gelang 1854
die Landesöffnung unter Androhung von Gewalt. Dies hatte u.a. die aus japanischer Sicht erniedrigenden „Ungleichen Verträge” zur Folge.
In dieser Periode waren die europäischen Großmächte auf dem Höhepunkt ihrer
kolonialen Bestrebungen. England dehnte seinen Einflußbereich auf den indischen
Subkontinent (1877 wird Königin Viktoria Kaiserin von ganz Indien) und bis nach
Südostasien (1819 wird Singapur Teil des Empire; 1852 erfolgt die Annexion Unter-Burmas) aus. Frankreich (ab 1862 in Französisch-Indochina) und die Niederlande (ab 1824 in Niederländisch-Indien) schufen ebenfalls größere Kolonialreiche
in Südostasien.
In Japan kam es durch den Schock der plötzlichen Landesöffnung zu umfassenden Reformen in der beginnenden Meiji-Ära. Ab 1868 wurde die Effizienz der
Verwaltung optimiert, Schul- und Universitätswesen modernisiert, die Industrialisierung eingeleitet und der Aufbau zeitgemäßer Streitkräfte in Angriff genommen.
Als Vorbild dienten dabei die westlichen Großmächte.
Die außenpolitische Strategie der Isolation wurde nach dem Schock der Landesöffnung von einer Strategie abgelöst, die sich ebenfalls am Vorbild der westlichen Großmächte orientierte. Wie die Einflußnahme fremder Mächte in China und
die „Ungleichen Verträge“ in Japan selbst zeigten, waren die kolonialistischen
Strategien der Großmächte besser geeignet, das eigene Überleben zu gewährleisten. Der Wandel hin zu einer offensiveren Grundhaltung zeigte sich in mehreren
kriegerisch ausgetragenen Konflikten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Im Jahre 1895 sicherte sich Japan durch den Sieg im sino-japanischen Krieg die
Vorherrschaft über Korea. Letzteres war ein traditioneller Tributstaat Chinas und
fungierte als Brücke (sowohl in kultureller als auch in militärisch-strategischer
31
Hinsicht) zwischen dem japanischen Archipel und dem asiatischen Festland. 1905
mußte auch Rußland nach einer Niederlage im Krieg mit Japan seine Ansprüche im
Fernen Osten zurückstecken.
Während des Ersten Weltkriegs war Japan mit Großbritannien verbündet und
somit am Ende auf der Siegerseite. 1920 trat es dem Völkerbund bei. Damit war
Japan in relativ kurzer Zeit vom potentiellen Spielball der Kolonialisten in den
Kreis der Großmächte aufgestiegen.
Anfang der 1930er Jahre setzte Japan seine Aggression gegen China fort und
begab sich damit auf den Pfad des Konflikts mit den USA, Großbritannien und den
Niederlanden. Nach der Installation eines japanischen Marionettenregimes in der
Mandschurei kam es zu einem ersten Embargo der USA (Kriegswaffenembargo).
1937 kam es zu einem Krieg zwischen Japan und dem sich im Bürgerkrieg befindenden China. Außerdem besetzte Japan weite Teile Französisch-Indochinas.
Die durch den Krieg in Europa veränderten Umstände schienen Tokio in die Hände
zu spielen, so daß die Besetzung Indochinas mit Zustimmung der Vichy-Regierung
erfolgen konnte. Die USA jedoch verhängten als Reaktion darauf ein Totalembargo gegen Japan, dem sich kurze Zeit später auch Großbritannien und die Niederlande anschlossen. Das Embargo der USA traf Japan vor allem wegen dessen Abhängigkeit von amerikanischen Ölexporten ausgesprochen hart.
Japan war zu diesem Zeitpunkt durch den Dreimächtepakt mit Deutschland und
Italien verbündet. Gegen eine Aggression des Sowjetreiches hatte man sich durch
einen Neutralitätspakt mit Stalin einigermaßen abgesichert.
Somit entschied sich Tokio nach den gescheiterten Verhandlungen mit den
USA (diese forderten, Japan solle sich aus China und Indochina zurückziehen)
über die Beilegung des Konflikts für einen Vorstoß auf den insularen Teil Südostasien, um sich die dortigen Ölvorkommen (Niederländisch-Indien) zu sichern, und
damit die strategische Verletzbarkeit in der Ölfrage zu reduzieren oder gar ganz zu
beseitigen. Daß dies Krieg mit den USA bedeuten würde, war Japan bewußt.
Am 7. Dezember 1941 griff Japan Pearl Harbor an, stieß zunächst erfolgreich
nach Südostasien vor und eroberte in der Folge weite Teile der südpazifischen Inselwelt. Mit der Schlacht um Midway trat die Wende ein. Amerika näherte sich mit
Hilfe des „Inselspringens“ immer weiter dem japanischen Mutterland. Letztlich
wurde der Krieg kurz nach den Abwürfen zweier Atombomben auf Japan und der
folgenden Kapitulation im Jahre 1945 beendet.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Um sich der theoretischen Kriegsursachenforschung zu nähern, wird im folgenden
der neorealistische Ansatz nach Kenneth N. Waltz herangezogen, der von nachstehenden Grundannahmen ausgeht: Das Ordnungsprinzip innerhalb der Staatenwelt
ist anarchisch. Daraus folgt, daß alle Staaten funktional gleichartige Gebilde sind.
Es gibt keine funktionale Ausdifferenzierung zwischen ihnen. Solange funktionale
Gleichartigkeit und vor allem Anarchie konstant sind, unterscheidet sich die Stel32
lung der Staaten im internationalen System durch die relative Verteilung von capabilities (militärisch-ökonomische Machtpotentiale). Aufgrund des anarchischen
Charakters ist das internationale System ein Selbsthilfesystem. Jeder Staat muß aus
eigener Kraft seine Sicherheit gewährleisten. Kriege entstehen in diesem Denkschema, weil systemische Impulse (Fehlen einer übergeordneten Regelungsinstanz)
den Akteur entscheidend beeinflussen. Im Gegensatz zu subsystemischen Ansätzen
spielt dabei die innere Verfaßtheit der Staaten keine Rolle. Die unabhängige Variable findet sich also auf der systemischen Ebene.
Im konkreten Fall sah sich Japan 1941 vor eine existentielle Wahl gestellt.
Entweder es würde entsprechend den Forderungen der Amerikaner aus der HullNote den Status quo ante 1931 in Ostasien wiederherstellen oder ein Ende des Embargos von Seiten der USA wäre nicht absehbar gewesen. Dies war vor allem wegen der japanischen Ölabhängigkeit ein großes Problem. Sich allerdings zu einem
Rückzug aus dem Großteil der eigenen Einflußsphäre auf dem asiatischen Festland
drängen zu lassen, war für Japan undenkbar. Dies hätte die Sicherheitsinteressen
Nippons empfindlich verletzt. Ohne Festlandpräsenz war es einfach viel zu abhängig und verwundbar.
Folgende weitere Handlungsoptionen wären denkbar gewesen: Japan hätte im
Status quo von 1941 verharren und die Handlungen der Amerikaner abwarten können. Dies hätte jedoch auf Dauer den eigenen Handlungsspielraum eingeengt, da
ebenso wie bei der Option Eintritt in den Krieg mit der Sowjetunion auf Seiten
Deutschlands der Ölmangel ein Operieren der Streitkräfte auf Dauer erschwert hätte.
Somit war die letztlich ausgeübte Option die aus neorealistischer Sicht für Japan konsequenteste: Vorstoß auf die Ölquellen in Niederländisch-Indien. Die dortigen Ölvorkommen waren bereits erschlossen und hätten den gesamten Bedarf Japans gedeckt. Bei effizienter Förderung und Transportlogistik wäre Japan in die
Lage versetzt worden, einen langen Krieg im Pazifik zu führen. Die europäischen
Mächte waren zu dieser Zeit auf Europa fokussiert, was die Verteidigung der asiatischen Kolonien erschwerte. Somit bot sich für Japan eine Gelegenheit, die wahrscheinlich so nie wieder kommen würde.
Der Angriff auf Pearl Harbor verfolgte das Ziel, die Flanke des Vorstoßes nach
Süden zu schützen. Außerdem konnte man auf diesem Wege die USA von ihrer
Kolonie auf den Philippinen abschneiden.
Japan stand 1941 vor der Wahl sich dem Willen der USA zu beugen und damit
die Existenz Japans in fremde Hände zu legen, oder aber die günstige geopolitische
Konstellation zu nutzen, um die eigene Großmachtstellung zu sichern. Das Risiko
eines Krieges mit den USA war vor diesem Hintergrund tragbar.
33
Amerikas Abkehr vom Isolationismus
Dirk Mludek
Bei der Klärung, welche Ursachen zum Eintritt der USA in den Pazifikkrieg führten, muß grundsätzlich zwischen äußeren und inneren Faktoren unterschieden werden. Der japanische Angriff auf Pearl Harbor muß im Zusammenhang mit den in
den USA ablaufenden innergesellschaftlichen und innenpolitischen Prozessen gesehen werden, die auch den amerikanischen Kriegsbeitritt erklären.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus amerikanischer Sicht
Mit dem Abwurf von zwei Atombomben über Hiroshima und Nagasaki und der
darauf folgenden Kapitulation Japans endete der Pazifikkrieg offiziell am 2. September 1945. Diesem Ereignis vorausgegangen war ein Krieg, dessen Schauplätze
sich sowohl im asiatisch-pazifischen Raum als auch in Europa befanden. Obwohl
die USA sich nach dem japanischen Überraschungsangriff auf Pearl Harbor ab
dem 7. Dezember 1941 mit Japan im Krieg befanden, verlagerten sie ihr Hauptaugenmerk nach der Kriegserklärung Deutschlands zuerst auf Europa. Im Pazifikkrieg beließen es die USA zunächst bei ihren Bestrebungen, die japanischen Expansionsbemühungen zum Erliegen zu bringen. Durch die Seeschlacht im Korallenmeer im Mai 1942 gelang es den USA, die japanische Ausdehnung nach Süden
zu stoppen.
Der Krieg wendete sich in der Seeschlacht um Midway vom 3. - 6. Juni 1942
zu Gunsten der Amerikaner. Durch die Niederlage der japanischen Marine, die in
der Schlacht um Midway vier Flugzeugträger verlor, mußte Japan die Invasion der
Inseln aufgeben. Dies war der Wendepunkt des Pazifikkrieges. Die Absicht der Japaner, die USA gleich zu Beginn des Krieges vernichtend zu schlagen, war nicht
aufgegangen. Die USA konnten den Krieg dagegen nun hinhaltend führen. Der
Zeitgewinn erlaubte es ihnen, ihre Vorteile durch größere Produktionskapazitäten
und zahlenmäßige Überlegenheit auszuspielen. Es folgte die erste Niederlage des
japanischen Heeres auf Neuguinea zwischen Juli 1942 und Januar 1943.
Am 7. August 1942 startete die erste amerikanische Großoffensive. Als Folge
mußten die japanischen Streitkräfte Guadacanal räumen. Bis ins Jahr 1944 eroberten die USA die Inseln Tarawa, Markin und Saipan. Zwischen dem 20. Oktober
und dem 31. Dezember 1944 wurde die japanische Marine bei der Seeschlacht von
Leyte vernichtend geschlagen. Gleichzeitig eroberten die USA die Philippinen. Der
amerikanische Vormarsch konnte von den Japanern nicht aufgehalten werden. Ab
Februar 1945 wurden die ersten Gefechte auf japanischem Staatsgebiet ausgetragen, wobei es amerikanischen Truppen gelang, die Insel Iwo Jima und Okinawa zu
34
erobern. Mit dem Abwurf der beiden Atombomben am 6. und 8. August 1945 brachen die USA endgültig den japanischen Widerstand und entschieden einen Krieg
für sich, um dessen Beteiligung es in den USA im Vorfeld große Diskussionen gegeben hatte.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde in den USA auf gesellschaftlicher und politischer Ebene über das außenpolitische Verhalten gegenüber
kriegführenden Staaten und bei Konfliktsituationen zunächst zurückhaltend diskutiert. Geprägt von den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und unter dem Einfluß der Weltwirtschaftskrise hatten sich die USA für eine strikte Neutralität entschieden. Unterstrichen wurden die vorherrschende pazifistische Grundhaltung und
das Streben nach Isolation bei internationalen Konflikten durch die zwischen 1935
und 1941 verabschiedeten Neutralitätsgesetze. Eine Beteiligung der USA an einem
Krieg sollte dadurch ausgeschlossen werden.
Unter dem Einfluß dieser Rückbesinnung auf die traditionelle außenpolitische
Strategie der Nichteinmischung setzten die USA den Expansionsbestrebungen Japans anfänglich keinerlei Interventionspolitik entgegen. Erst ein schrittweiser Abbau dieser isolationistischen Außenpolitik führte zu interventionistischen Maßnahmen der USA gegenüber Japan.
Die Embargopolitik und das Einfrieren der japanischen Guthaben in den USA
führten beide Staaten in eine Situation, in der sich nicht mehr die Frage stellte, ob
es zu einer Eskalation kommen würde, sondern nur noch wann und wo dieser Konflikt ausgetragen werden sollte. Mit dem japanischen Angriff auf die amerikanische Pazifikflotte auf Pearl Harbor wurde der Eintritt der USA in den Pazifikkrieg
besiegelt.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Aus liberalistischer Perspektive läßt sich der Eintritt der USA in den Pazifikkrieg
durch die Bestätigung einer ihrer Grundannahmen erklären. Danach vollzieht sich
der Wandel einer außenpolitischen Strategie, wenn sich „domestic politics“, d.h.
Entscheidungsträger, politische Ideen und/oder innergesellschaftliche Entscheidungsprozeße, verändern.
Vor dem Krieg im Pazifik war die amerikanische Außenpolitik maßgeblich
vom Isolationismus geprägt. Die USA versuchten, sich durch eine strikte Neutralität aus den sich abzeichnenden Konflikten in Asien und Europa herauszuhalten.
Japans Außenpolitik ließ sich jedoch nicht mit den Präferenzen internationalistisch
orientierter Amerikaner vereinbaren. Diese Präferenzen wurden durch kommerzielle und ideelle Einflüsse bestimmt. Die Internationalisten befürchteten durch den
Wegfall der Märkte in Asien und Europa starke wirtschaftliche Einbußen und forderten daher einen offenen, ungeteilten Weltmarkt. Zudem bestimmte ihre ideelle
Grundhaltung das nationale Interesse. Dazu gehörte das Recht der Völker auf freie
Selbstbestimmung und die Pflicht der Staaten, sich unter das Völkerrecht zu stellen. Beides sahen die Internationalisten durch Japan mit dem Ausrufen einer „Neu35
en Ordnung“ im asiatisch-pazifischen Raum übergangen und damit als illegitim
und nicht akzeptabel an. Mit der Einflußnahme auf die Präferenzbildungsprozesse
der gesellschaftlichen Akteure und durch das Einbringen von Worst-CaseSzenarien, beispielsweise nach einer Niederlage Großbritanniens in Europa könnte
auch ein Angriff der Achsenmächte auf die USA erfolgen, versuchten die Internationalisten, die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung und die in ihrer isolationistischen Haltung verharrenden politischen Gegenspieler auf ihre Seite zu bringen.
Anhand von Gallup-Umfragen, die vor und während der einsetzenden Kriege in
Asien und Europa erhoben wurden, lassen sich Veränderungen des Präferenzbildungsprozesses belegen. Sie zeigen auf, daß die Gesellschaft ihre isolationistische
Grundhaltung aufzugeben begann und sich statt dessen eine Kriegsmentalität entwickelte.
Ein weiteres Indiz für den Wandel der außenpolitischen Strategie gegenüber
Japan und den übrigen Achsenmächten zeigt sich in den Präferenzbildungsprozessen der Entscheidungsträger der amerikanischen Politik. Waren den Internationalisten um die Regierung Roosevelts zu Beginn des Zweiten Weltkrieges für eine
Kriegsbeteiligung durch Neutralitätsgesetze noch die Hände gebunden, so gelang
es ihnen, der isolationistischen Mehrheit sukzessive Stimmen abzuringen und einen
breiteren außenpolitischen Handlungsspielraum zu gewinnen.
Auch wenn sich für die Internationalisten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die
Frage stellte, ob die USA dem Krieg in Asien beitreten, sondern wo und wann dies
geschehen sollte, war die innergesellschaftliche Präferenzbildung, die isolationistische Haltung Amerikas aufzugeben, noch immer im Wandel begriffen und noch
keinesfalls abgeschlossen. Der japanische Angriff auf Pearl Harbor wirkte sich
nachhaltig auf die Präferenzbildung aus, weil er den Prozeß derart beschleunigte,
daß die öffentliche Grundhaltung in den USA sich quasi über Nacht aus dem Isolationismus herauslöste. Aus der Sicht des Liberalismus war der Angriff auf Pearl
Habor zwar nicht die entscheidende Kriegsursache, er wirkte aber als Katalysator
im innergesellschaftlichen Präferenzbildungsprozeß, der dann den Eintritt der USA
in den Pazifikkrieg ermöglichte.
Es kann davon ausgegangen werden, daß ein Eintritt der USA in den Krieg im
Pazifik auf längere Sicht als wahrscheinlich galt, unabhängig von einem japanischen Erstschlag. Die innergesellschaftliche Präferenzbildung zeigte eindeutige
Merkmale, sich von der bis dahin traditionell isolationistischen Außenpolitik abzukehren.
36
Pakistans Weg in den zweiten
Kaschmir-Krieg
Eveline Kiefer
Das Forschungsinteresse der Untersuchung des zweiten Krieges Indiens gegen Pakistan konzentriert sich darauf, ob die Ursachen des Krieges aus der Sicht Pakistans zufriedenstellend mit der Theorie des Institutionalismus erklärt werden können, d.h. inwieweit fehlende Interdependenzen zwischen Staaten und das Versagen
internationaler Organisationen den Krieg verursacht haben könnten. Die Analyse
erfolgt auf der systemischen Ebene, dem third image nach Kenneth Neal Waltz.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus indischer Sicht
Der erste indisch-pakistanische Krieg (1947 - 1949) wird mit einem Waffenstillstand unter der Aufsicht der Vereinten Nationen beendet. Pakistan und Indien einigen sich auf eine Zweiteilung des Gebietes Jammu und Kaschmir. Islamabad kontrolliert ein Drittel dieses Gebietes. 1949 bietet Indien Pakistan einen „no war“Pakt an, aber Pakistan reagiert nicht darauf. Der pakistanische Premier Liaquat Ali
Khan wendet sich den USA zu. Der erste Staatsbesuch des pakistanischen Premiers
in den USA 1950 fördert die bilaterale Interdependenz der beiden Staaten. Dies hat
jedoch nach der Logik des Kalten Krieges zur Folge, daß sich das Verhältnis Pakistans zur Sowjetunion verschlechtert, und Moskau sich darauf Indien zuwendet.
Ab dem Jahre 1954 beginnt Pakistan, die Beziehungen zu den USA und weiteren Verbündeten zu institutionalisieren: Mit den USA wird der Bagdad Pakt über
materielle und technische Unterstützung sowie gegenseitige Verteidigung geschlossen. Die Türkei ist jetzt ebenfalls in einen Vertrag über militärische
Kooperation eingebunden. Pakistan tritt der Southeast Asian Treaty Organisation
(SEATO) bei. Ende der 50er Jahren gipfeln die instabilen innenpolitischen Verhältnisse Pakistans in einer Militärdiktatur. Außenpolitisch verfestigt sich die militärische Partnerschaft mit der Volksrepublik China im Jahre 1962 als Gegenbündnis zur indisch-sowjetischen Partnerschaft. Ein Grenzabkommen über strategische
und wirtschaftliche Kooperation wird unterzeichnet.
Am 5. August 1965 greifen pakistanische Mujahids (muslimische Guerilleros)
Indien an, worauf indische Truppen am 16. August 1965 in den pakistanischen Teil
Kaschmirs einziehen. Sowohl die USA als auch die Türkei unterstützen den Angriff von Pakistan nicht und stellen Militär- und Wirtschaftshilfen ein. Während die
Volksrepublik China androht, auf Pakistans Seite in den Krieg einzutreten, versuchen sowohl die UNO als auch die UdSSR zu vermitteln. Nach schweren Panzerschlachten einigt man sich auf einen Waffenstillstand.
37
Am 10. Januar 1966 wird auf der Konferenz von Taschkent der status quo ante
bellum festgelegt – obwohl Indien nach Kriegsverlauf 700 Quadratmeilen und Pakistan 300 Quadratmeilen annektieren konnte. In diesem Krieg starben mehr als
20.000 Menschen.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Aus der Perspektive des Institutionalismus entstehen Kriege, wenn die Staatenwelt
nicht durch Institutionen vernetzt ist. Die Staaten haben keine übergeordnete Instanz, können aber durch Interdependenzen untereinander ein friedliches Gleichgewicht erlangen. Nach Keohane/Nye beeinflussen sowohl Interdependenzen als
auch Institutionen die Außenpolitik eines Staates. Unter dem Begriff „Institution“
verstehen Keohane/Nye ein Set an Regeln, das Verhalten beschreibt, Aktivität fordert und Erwartungen formt. Akteure sind im Institutionalismus also Staaten oder
Institutionen auf systemischer Ebene, deren Ziel es ist, ihren Nutzen in den unterschiedlichen Politikfeldern zu maximieren.
Die Staaten sollen „complex interdependence“ anstreben. Darunter verstehen
Keohane/Nye eine hohe Interaktionsdichte (zwischenstaatlich aber auch transnational), keine Hierarchie in politischen Fragen und keine Anwendung von Gewalt.
Wenn die Staaten allerdings nicht institutionell vernetzt sind, kommt es zu Konflikten und Kriegen. Somit wird hier analysiert, inwieweit fehlende interdependente Strukturen Pakistans für den Krieg zwischen Indien und Pakistan von 1965 verantwortlich sind. Zur Analyse internationaler Interdependenzen sei es sinnvoll
„asymmetrical interdependencies as source of power among actors“ zu reflektieren,
d.h. es sind sowohl zwischenstaatliche als auch transnationale Beziehungen zu untersuchen.
Der indische Ministerpräsident Nehru will sich 1964 Pakistan institutionell nähern, um die zwischenstaatlichen Beziehungen auszubauen, und plant eine indopakistanische Konföderation. Pakistan sieht eine Gefahr für „Azad Kaschmir“
(„befreites Kaschmir“), reagiert wütend und lehnt ab. Folglich bestehen kaum Interdependenzen – außer in den transnationalen Organisationen. Die USA und
Großbritannien unterstützen Islamabad militärisch und wirtschaftlich. Allerdings
unterstützen beide Staaten ebenso Indien, um die Ausbreitung des Kommunismus
einzudämmen. Indien wurde bereits 1962 von der kommunistischen Volksrepublik
China angegriffen und ist wegen seiner Größe und Lage wichtig für die westlichen
Mächte als Mauer zum Kommunismus. Daher kann sich Pakistan nicht auf die
Rückendeckung von Washington und London verlassen. Als Pakistan am 5. August 1965 Indien angegriffen hat, lehnen sowohl die USA als auch Großbritannien
den Angriff ab und stellen Militär- und Wirtschaftshilfen ein.
Mit der Türkei hat Pakistan einen Vertrag zur militärischen Kooperation. Aber
Ankara kooperiert nicht mit Islamabad im zweiten Kaschmir-Krieg, sondern verurteilt ihn ebenfalls. Auch hier existieren keine starken Interdependenzen. An die
Volksrepublik China tritt Pakistan 1963 einen Teil des Gebietes von Jammu und
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Kaschmir ab. Beide sind institutionell verbunden. Und so wird Pakistan von der
Volksrepublik China, wenn auch nur durch die Drohung in den Krieg auf Pakistans
Seite einzutreten, unterstützt – mit dem Ziel, daß Indien keine weitere Kriegsfront
im Osten eröffnen sollte.
Festzuhalten bleibt, daß Pakistan nicht stark durch Institutionen vernetzt ist und
die UN als übergeordnete Regelungsinstanz scheitert. Es herrscht Anarchie. Ob
dieser Aspekt „nur“ Umstand oder Hauptursache ist, läßt sich nicht endgültig
bestimmen. Allerdings darf die Bedeutung von Interdependenzen und Institutionen
nicht unterschätzt werden: „What we argue is that institutions make a significant
difference in conjunction with power realities.“
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Der dritte indisch-pakistanische Krieg
Stephanie Lang
Indien greift im Jahre 1971 militärisch in die innerstaatliche Auseinandersetzung
zwischen West- und Ost-Pakistan ein und unterstützt die Separationsbewegung
Ost-Bengalens. Im Mittelpunkt steht die Frage, aus welchen Gründen sich dieser
innerstaatliche Konflikt zu einem zwischenstaatlichen Krieg ausweitet; es soll analysiert werden, welche Gründe auf indischer Seite ein militärisches Handeln hervorrufen.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus indischer Sicht
Seit der Errichtung des pakistanischen Staates 1947, der sich durch zwei geographisch voneinander getrennte Gebiete auszeichnet, existiert eine Spannung zwischen der West- und Ost-Provinz. Ost-Bengalen, mit dem größeren Bevölkerungsanteil, fühlt sich ausgebeutet, da ihm weder ein angemessener Anteil an den politischen Entscheidungen zuteil wird – die gesamtpakistanische Politik wird vom
westpakistanischen Willen dominiert -, noch erhält es eine ausreichende finanzielle
Unterstützung zum Aufbau der 1947 zerstörten Wirtschaft.
Zu Zeiten des Kaschmir-Konflikts 1965 stationiert Pakistan Truppen an dessen
westlicher Grenze. Da Ost-Pakistan folglich ungeschützt bleibt gegen einen möglichen indischen Angriff, formiert sich eine ostpakistanische Separationsbewegung.
Als bei den einzigen nationalen Wahlen im Dezember 1970 die Awami-Liga, eine
die Autonomiebestrebung unterstützende Partei in Ost-Pakistan, die Mehrheit in
der Nationalversammlung erlangt, wird die Kluft zwischen den beiden Landesteilen endgültig deutlich. Nach einem erneuten Aufstand im Frühjahr des folgenden
Jahres wird Sheikh Mujib, der Anführer jener Bewegung, inhaftiert, diverse Intellektuelle festgenommen und 12 Prozent der ostpakistanischen Bevölkerung getötet
oder vertrieben; letztere finden Zuflucht im benachbarten Indien. Die Awami-Liga,
die in Indien eine Exilregierung gründet, wendet sich an Delhi, um Unterstützung
für ihre Interessen zu erlangen. Als sich die Flüchtlingsströme mehren, bittet Indien die internationale Öffentlichkeit, eine politische Lösung des Problems herbeizuführen.
Im Oktober 1971 werden indische Truppen an der ostpakistanischen Grenze
stationiert. Parallel findet eine weitere Bemühung von Seiten Indiens statt, eine diplomatische Lösung zu finden. So fordert Premierministerin Indira Gandhi die pakistanische Regierung auf, Sheikh Mujib frei zu lassen und die bewaffneten Streitkräfte aus Ost-Pakistan abzuziehen.
40
Dennoch geht am 3. Dezember 1971 der Konflikt in einen offenen Krieg über.
Innerhalb dieser vierzehntägigen militärischen Auseinandersetzung wird die pakistanische Luftwaffe zerstört, und alle wichtigen ostpakistanischen Städte werden
durch indische Streitkräfte besetzt. Drei Tage später erkennt Indien Ost-Pakistan
als unabhängigen Staat Bangladesch an. Am 16. Dezember kommt es zur Kapitulation der pakistanischen Truppen in Ost-Pakistan und einen Tag später auch zur
Feuereinstellung in West-Pakistan.
Indien begründet dieses Einschreiten damit, daß Pakistan den Erstschlag verübt
hätte, zweitens, daß die erhebliche Dimension der Flüchtlinge – es wird von bis zu
zehn Millionen gesprochen – eine Art Invasion darstellt und drittens, daß Indien
nicht tatenlos zusehen kann, wenn der überwiegende Wille der Bevölkerung im
Nachbarland mißachtet wird. Die indische Seite wird vehement durch die Sowjetunion unterstützt, wohingegen die Volksrepublik China und die USA die gegenteilige Position ergreifen.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Im neorealistischen Sinne bedingt die structure des internationalen Systems die politischen Prozesse zwischen den units. Da sich keine übergreifende Autorität herausbilden konnte, streben die Staaten in dieser anarchischen Konstellation konstant
nach Sicherheit und Überleben. Zwar wird die UNO mit dem Hintergrund gegründet, eine Institution zu etablieren, die sich als friedenssichernde Instanz versteht;
dennoch gelingt es jener im Hinblick auf den vorliegenden Krieg nicht, die kriegerische Auseinandersetzung zu stoppen. Diverse Resolutionen scheitern im Sicherheitsrat am Veto der Sowjetunion, welche die indische Seite zu verteidigen weiß
und deren Ambitionen zu wenig berücksichtigt sieht. Letztlich wird das Verfahren
auf die Vollversammlung ausgeweitet, da der Sicherheitsrat nicht zu einem einheitlichen Beschluß gelangt. Folglich scheint die UNO nicht befähigt, in einen Konflikt friedenssichernd einzugreifen, auch stellen jene Resolutionen keine Richtlinien dar. Erst nach der schon erfolgten Feuereinstellung wird der jüngsten und minimierten Resolution Folge geleistet.
Da in einer Anarchie konstant ein Sicherheitsdilemma vorliegt, streben die
units primär nach Überleben, und es kommt zu Macht- und Gegenmachtbildungen.
Im Falle des dritten indisch-pakistanischen Krieges ermöglicht der Kriegseintritt
Indien vornehmlich, seine Vormachtstellung in Südasien zu sichern. Indem das pakistanische Gebiet geschmälert würde, sähe sich Indien einer geringeren Gefahr
gegenüber. Der anhaltende Hindu-Moslem-Konflikt könnte dann zugunsten Indiens besänftigt werden; der Feind wäre auf ein im Westen gelegenes Gebiet zurückgedrängt. Durch die Konstituierung eines unabhängigen Bangladesch hätte Indien
einen verläßlichen Partner an seiner Seite, da die Eigenständigkeit zum Großteil
der indischen Militärbeteiligung zu verdanken wäre. Eine weitere Gefahrenzone im
Osten Indiens wäre gebannt, und es könnte weiterhin auf wirtschaftliche Kontakte
zwischen beiden Staaten gesetzt werden. Auch könnte das neue Bangladesch als
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Pufferzone zwischen Indien und dem feindlichen China angesehen werden. Letztlich wäre zumindest diese Grenzstreitigkeit beigelegt. Der Gegner China könnte also weiter in den Norden gedrängt werden, da es schon 1964 die Provinz Aksai
Chin im westlichen Himalaya annektiert hatte.
Der Kriegseintritt brächte auch eine Stärkung der überlebenssichernden capabilities mir sich. Im Falle einer Staatsgründung Bangladeschs könnten die sich in Indien aufhaltenden Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgeführt werden. Die entstandene finanzielle und wirtschaftliche Schwächung Indiens bezüglich der Versorgung und Unterbringung hätte hiermit ein Ende gefunden.
Des weiteren verspricht sich Indien, die von West-Pakistan unterbundenen
wirtschaftlichen Beziehungen mit Ost-Pakistan wieder auffrischen zu können. Da
die Ost-Provinz der indischen Bevölkerung als Ernährungsbasis und als Rohstofflieferant dient, wäre ein Erstarken dieser capabilities abzusehen. Reis, Fische und
Jute werden überwiegend aus dem östlichen Nachbargebiet bezogen. Durch die
Teilung des Gebietes Bengalen kam es zu wirtschaftlichen Nachteilen, die den ganzen Bereich betreffen. West-Pakistan jedoch ziel darauf ab, Ost-Bengalen für eigene ökonomische Zwecke zu nutzen.
Besonders die Anarchie und das Fehlen einer übergeordneten Regelungsinstanz
führt im waltzschen Sinne zu einem Kriegsausbruch. In einer anarchischen Welt
sind die einzelnen units einerseits auf die überlebenssichernden capabilities angewiesen, ebenso sind sie aber gezwungen, sich im herrschenden Selbsthilfesystem
zu profilieren. So schreitet Indien in den Krieg, da keine autorisierte Macht dies
verhindert. Auch wittert es die Chance, die eigene Machtposition dadurch zu sichern oder gar zu verbessern.
42
Präventivschlag gegen Südkorea?
Martin Greif
Die Ursachenforschung des Krieges zwischen Nord- und Südkorea stellt die
Grundlage dieser Untersuchung dar. Aus welchen Beweggründen sah sich Nordkorea gezwungen bzw. in der Lage, seinen südlichen Nachbarn zu überfallen? Dieser
Fragestellung soll mit Hilfe der Theorie des Neorealismus nachgegangen werden,
um die relevanten Konfliktursachen auf der Staatenebene herauszustellen.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus nordkoreanischer
Sicht
Mögliche Grundlagen des späteren Konflikts auf der koreanischen Halbinsel werden, wenn auch unbewußt, bereits im Februar des Jahres 1945 gelegt. Auf der Konferenz von Jalta wird beschlossen, daß die Sowjetunion unter Stalin nun auch Japan den Krieg erklären wird, um damit die USA im asiatisch-pazifischen Raum zu
unterstützen.
Als daraufhin im August die Japaner kapitulieren, steht die Teilung Koreas bereits fest. Erst unmittelbar nach Abwurf der zweiten Atombombe 1945 auf Nagasaki wurde den US-amerikanischen Strategen klar, daß keinerlei Planung für ein
Nachkriegs-Korea besteht. So wurden zwei Offiziere beauftragt, schnellstmöglich
der Sowjetunion einen konsensfähigen Vorschlag zu unterbreiten, wie mit der
Halbinsel weiter verfahren werden sollte.
Der akzeptierte Plan sah vor, daß sich sämtliche japanische Truppen, welche
sich zum Zeitpunkt der Kapitulation nördlich des 38. Breitengrades innerhalb koreanischen Staatsgebietes befänden, den sowjetischen Streitkräften zu ergeben hätten. Analog dazu sollten japanische Truppen südlich dieser Linie gegenüber den
US-Amerikanern kapitulieren. So entstanden bereits im September des Jahres 1945
zwei unterschiedlich besetzte Gebiete auf der Halbinsel Korea.
Ergebnislose Verhandlungen der Sowjetunion mit den USA über eine Zentralregierung in Korea veranlaßten Washington zu dem Vorschlag, die politische Verantwortung sowohl Nord- als auch Südkoreas an die Vereinten Nationen (VN) abzugeben. Dieser Vorschlag wurde von der Sowjetunion allerdings als nicht akzeptabel zurückgewiesen. Die daraufhin von den VN entsandte UN Temporary Commission on Korea (UNTCOK) beschränkte sich also auf die Vorbereitungen für
freie Wahlen in Südkorea. Dort wurde im August des Jahres 1948 Syngman Rhee
zum Präsidenten gewählt; zuvor war im Mai die Republik Südkorea ausgerufen
worden.
Im September 1948 wurde im sowjetisch besetzten Teil Koreas der ehemalige
Partisanenkämpfer und Stalin-Getreue Kim-Il-Sung zum Premier ernannt und zeit43
gleich die Demokratische Volksrepublik Korea ausgerufen. Unmittelbar nach diesen Ereignissen beschloß die Sowjetunion, sämtliche Besatzungstruppen aus Nordkorea abzuziehen, jedoch nicht ohne den nordkoreanischen Truppen Panzer, Fahrzeuge und anderes schweres Material zu überlassen. Die Aufforderung an die
USA, sich ebenfalls zurückzuziehen, folgte kurz darauf.
Pläne für einen Rückzug waren in den USA schon eine zeitlang im Gespräch,
und im Februar 1949 wurden diese gegen den Willen Syngman Rhees durchgesetzt. Dieser war der Meinung, die USA sollten noch einige Monate im Lande
bleiben, da die südkoreanische Armee noch nicht stark genug sei, um das Land zu
verteidigen. Im Gegensatz dazu sprach man in den USA bezüglich der südkoreanischen Armee häufig von einer der besten und stärksten in Ostasien. Auch aufgrund
dieser Meinung begann der Rückzug US-amerikanischer Truppen, der im Juni
1949 vollendet wurde.
Der Januar des Jahres 1950 begann mit einer folgenschweren Aussage des amerikanischen Außenministers Dean Acheson. In einer Rede vor dem National Press
Club teilte er mit, daß Südkorea nicht im militärischen Schutzbereich der USA im
Pazifik läge.
Die Konsequenzen dieser Aussage traten am 25. Juni 1950 zutage, als
ca. 100.000 nordkoreanische Soldaten mit 150 sowjetischen Panzern den 38. Breitengrad überschritten und, begünstigt durch extrem wenig Widerstand und Chaos
unter den südkoreanischen Truppen, innerhalb von vier Tagen die Hauptstadt Seoul erreichten. Eine Woche nach Kriegsausbruch war die südkoreanische Armee
von ca. 98.000 Mann auf weniger als 44.000 dezimiert worden.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Der Neorealismus stützt sich auf einige Grundannahmen, die, übertragen auf den
Koreakrieg, kurz dargestellt werden. Relevante units, also funktional homogene
Staaten, sind Nordkorea, Südkorea, die Sowjetunion sowie die USA. Zu einem erweiterten Kreis zählen auch Japan, wo die USA ca. 50.000 Soldaten stationiert hatten, und China als direkter Nachbar Nordkoreas. Für die Untersuchung der Kriegsursachen aus neorealistischer Perspektive spielt aber zumindest China keine relevante Rolle, da es bei Ausbruch des Krieges nicht aktiv involviert war und erst wesentlich später in die Kampfhandlungen eingriff.
Alle Staaten befinden sich in einem anarchischen Staatensystem und können
lediglich durch Selbsthilfe versuchen, ihre Sicherheit bzw. ihr Überleben zu gewährleisten. Die VN traten zu Beginn dieses Konflikt ohne tragende Rolle auf, da
sie sich nach abgehaltenen Wahlen aus Südkorea zurückgezogen und keinen Versuch unternommen hatten, den Konflikt zu verhindern. In dieser von Anarchie geprägten Staatenwelt kann also von einem Sicherheitsdilemma ausgegangen werden, dem sich alle units unterworfen sahen. In diesem Zustand hängt das Überleben
der units davon ab, in welcher Anzahl und Art sie über Möglichkeiten verfügen, ihre Funktion zu erfüllen, d.h. welcher Anzahl und Art ihre capabilities sind und wie
diese eingesetzt werden. Als capabilities können im Koreakrieg vor allem Truppen(-stärke), aber auch Ressourcen und territoriale Faktoren angeführt werden. Ein
44
Machtgleichgewicht als Vorraussetzung für Frieden existierte nur in dem Zeitraum,
da die Amerikaner die maximale Anzahl ihrer Truppen in Südkorea stationiert hielten. Kurz darauf kehrten ca. 40.000 Nordkoreaner heim, die in China Mao Zedong
unterstützten und die in allen damaligen Analysen der USA über die Truppenstärke
Nordkoreas vernachlässigt wurden. Es kann also davon ausgegangen werden, daß
Südkorea, vor allem was die militärischen capabilities betrifft, seinem nördlichen
Nachbarn unterlegen war.
Die Teilung Koreas brachte auch eine Teilung in einen industrialisierten Norden und einen agrarorientierten Süden mit sich. Keiner der beiden neuen Staaten
konnte ohne die Ressourcen des jeweils anderen lange Zeit überleben, denn Südkorea war auf die Schwerindustrie des Nordens und Nordkorea auf die Lebensmittel
des Südens angewiesen. Für Südkorea war die Lage nicht annähernd so dramatisch
wie für Nordkorea, da die USA den Süden mitversorgten. Nordkorea hingegen war
vollkommen auf sich allein gestellt, und so bestand die einzige Möglichkeit, das
Überleben des eigenes Volkes zu sichern und damit die Sicherheit des Staates zu
erhalten nur darin, schnellstmöglich eine Wiedervereinigung mit dem südlichen
Teil Koreas anzustreben bzw. diesen zu annektieren, um Zugang zu dessen Ressourcen zu erhalten. Eine erfolgversprechende Möglichkeit bestand in einer Invasion Südkoreas, welche durch die extrem schwache Verteidigung des Landes begünstigst wurde. Ebenso waren der Rückzug der USA und die (indirekte) militärische
Unterstützung der Sowjetunion für Nordkorea ausschlaggebende Faktoren. Das
Ziel bestand also darin, Südkorea mit einer schnellen Invasion einzunehmen. Mit
der gleichen Aktion wollte man aber auch einen potentiellen Aggressor, welcher in
der Zukunft, unterstützt durch die USA, zu einer Gefahr für Nordkorea und die
Sowjetunion werden könnte, beseitigen. Somit kann von einem Präventivkrieg
Nordkoreas gegen Südkorea gesprochen werden.
Aus den vorliegenden Begründungen kann also unter Zuhilfenahme des Neorealismus der Schluß gezogen werden, daß Nordkorea die Invasion in Südkorea
primär aus Gründen des Selbstschutzes bzw. der Überlebenssicherung durchführte.
Inwieweit diese Gründe objektiv tatsächlich vorlagen, vermag der Neorealismus
zwar nicht zu klären, dennoch bleibt er für diesen Fall die klassische Erklärungsmethode, da es sich um einen „idealtypischen“ Krieg zwischen zwei souveränen
Staaten in einer anarchisch geprägten Umwelt handelte, deren Ziele Ressourcen,
Überleben und Sicherheit darstellten.
45
Ursachen der Intervention Chinas
Jenni Werner
Warum tritt China im Oktober 1950 in den Korea-Krieg ein? Die Beantwortung
dieser Frage folgt einem aktuellen Diskurs in der Theorie der Internationalen Beziehungen, der fragt, inwieweit Außenpolitik durch ideelle Faktoren beeinflußt ist.
Anhand Chinas Kriegseintritt wird aufgezeigt, daß Konfliktverhalten und die soziale Konstruktion vom Feind eng miteinander verknüpft sind.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Im Juni 1950 begann der Korea-Krieg als nationaler militärischer Konflikt zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) und der Republik
Korea (Südkorea). Er weitete sich rasch zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Ost
und West aus. Beteiligt waren Nordkorea und China auf der einen Seite und Südkorea sowie die Vereinten Nationen (VN) unter der militärischen Führung der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) auf der anderen Seite.
Der Konflikt hat seinen Ursprung in der Teilung Koreas in zwei Besatzungszonen entlang des 38. Breitengrades. Nachdem die Japaner, die Korea bis zum Ende
des Zweiten Weltkriegs besetzt hielten, kapituliert hatten, wurde die Bevormundung Koreas durch eine alliierte Treuhandschaftsregierung beschlossen. Im September 1945 wurden der Süden des Landes von amerikanischen und der Norden
von sowjetischen Truppen besetzt. Da amerikanisch-sowjetische Verhandlungen
über eine gesamtkoreanische Regierung scheiterten, kam es 1948 zur endgültigen
Spaltung Koreas in das pro-westliche Südkorea mit Präsident Syngman Rhee und
in Nordkorea mit Präsident Kim Il Sung an der Spitze der Koreanischen Arbeiterpartei. 1948/49 zogen die Besatzungsmächte aus Korea ab. Zurück blieben zwei
Staaten, die sich ideologisch antithetisch gegenüberstanden und die jeder für sich
die Alleinherrschaft über Gesamtkorea beanspruchten.
Etwa zeitgleich mit dem Abzug der Besatzungstruppen aus Korea endete in
China der Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten. Die USA hatten
in den Krieg nicht eingegriffen und nahmen damit den Sieg der Kommunisten unter Mao Zedong in Kauf. Diese Tatsache sowie Teilerfolge der Kommunisten in
Südkorea (mit einer wachsenden Opposition gegen Syngman Rhee) führten
schließlich zur Ermutigung Kim Il Sungs, einen Krieg gegen Südkorea zu starten,
um die zwei koreanischen Staaten unter kommunistischer Herrschaft wieder zu
vereinigen. Der zuvor mit Jossif Stalin und Mao abgestimmte Krieg brach am 25.
Juni 1950 aus, als nordkoreanische Truppen ohne offizielle Kriegserklärung über
die Demarkationslinie am 38. Breitengrad marschierten. Entgegen Kim Il Sungs
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Annahme reagierten die USA und die VN sofort. Am 27. Juni 1950 beschloß der
Sicherheitsrat (bei Boykott der Sowjetunion), Südkorea unter der Führung Amerikas militärisch zu unterstützen.
Die nordkoreanische Armee eroberte infolge der Überraschung Südkoreas anfangs große Teile des Landes, inklusive Seoul. Erst am 15. September 1950 gelang
den VN-Truppen ein Gegenangriff, der zur Befreiung der südkoreanischen Hauptstadt führte. In einem Kraftakt konnte die nordkoreanische Armee schließlich hinter den 38. Breitengrad zurückgeschlagen werden. Südkorea, das sich mit der Wiederherstellung des Status quo nicht zufrieden geben wollte, drängte weiter nach
Norden, und auch amerikanische Truppen überschritten am 9. Oktober die Grenze
nach Nordkorea mit dem Ziel, die Vereinigung Koreas unter der Obhut der VN
herbeizuführen.
Die Volksrepublik (VR) China hatte bis dahin in zahlreichen Stellungnahmen
Besorgnis über die Entwicklungen in Korea sowie Warnungen geäußert, daß sie in
den Krieg einschreiten werde, wenn amerikanische Truppen die Demarkationslinie
nach Norden passieren sollten. Die Warnungen wurden jedoch von amerikanischer
Seite nicht ernst genug genommen. Als der Feldzug gegen Nordkorea am 25. Oktober mit der völligen Vereinnahmung des Landes bis zur nordkoreanischchinesischen Grenze fast gewonnen schien, kam es zur Intervention Chinas. Nach
mehreren wechselseitigen Offensiven stabilisierte sich im Frühjahr 1951 die Front
um den 38. Breitengrad, der im Waffenstillstand von Panmunjom (27. Juli 1953)
als Teilungslinie bestätigt wurde und bis heute die völkerrechtliche Basis des Status quo im geteilten Korea bildet. Die VR China hatte im Korea-Krieg demonstriert, daß in Asien von nun an mit ihr zu rechnen war.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Bei der Hinterfragung von Kriegsursachen ist relevant, welche außenpolitische
Denkweise ein handelnder Akteur hat und wie sie sich auf seine Entscheidung für
oder gegen Krieg auswirkt. Im vorliegenden Fall lautet die Frage, wie das chinesische Weltbild zur Zeit des Korea-Krieges beschaffen war und welche Auswirkung
diese ideelle Grundlage auf die Entscheidung Chinas gehabt haben kann, in den
Korea-Krieg zu intervenieren. Der Standpunkt, daß die internationalen Beziehungen neben materiellen Strukturen auch durch elementare Annahmen über diese geprägt sind, ist eine sozial-konstruktivistische Sichtweise. Konstruktivisten argumentieren alternativ zum utilitaristisch-positivistischen Modell des rationalen homo oeconomicus mit einem sozialen Akteur, der Entscheidungen norm- und regelgeleitet vor dem Hintergrund subjektiver Faktoren trifft.
Warum China im Oktober 1950 in den Korea-Krieg eingriff, kann im Prinzip
einfach beantwortet werden: weil die amerikanischen Truppen trotz chinesischer
Warnung den 38. Breitengrad überschritten. Dies ist der Anlaß der chinesischen Intervention, aber nicht die eigentliche Ursache. Interessant für die Ursachenforschung ist vielmehr die Frage, weshalb der Vormarsch der USA nach Nordkorea
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als existentielle Bedrohung angesehen wurde und wie diese Einschätzung zustande
kam.
Hier greifen die spezifischen ideellen Rahmenbedingungen chinesischer Außenpolitik. Dazu zählen Geschichte, Kultur und Identität Chinas - der soziale Kontext, der zu Chinas Ideen von der Welt führt. Konkrete ideelle Faktoren, die die
Wahrnehmung und Beurteilung amerikanischen Vordringens beeinflußt haben
können, waren 1950:
Erstens Chinas althergebrachtes Selbstbild als „Zentrum der Welt“, das großen
Einfluß auf die Grenzstaaten ausübte (Tributsystem). So wurde auch Korea traditionell als „Pufferzone“ zur Abschirmung gegen die „Barbaren“ betrachtet. Seine
friedliche Entwicklung und insbesondere Identifikation mit China sollte das überlegene Reich der Mitte vor Grenzkonflikten bewahren. Diese Einflußsphäre sah
China nun schwinden. Zweitens war der krasse ideologische Gegensatz zwischen
China und den USA bzw. die Sicht auf Nordkorea als „roten Bruderstaat“ entscheidend. China witterte in dem Vordringen der Amerikaner nach Nordkorea die
Absicht, einen partiellen Sieg über den Kommunismus zu erlangen und wollte daher eine bewaffnete Wiedervereinigung Koreas unter der Obhut der VN verhindern. Und drittens waren die Erfahrungen Chinas mit dem Kolonialismus, dem gerade erst beendeten Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und pro-westlichen Nationalisten und die anhaltende Unterstützung Nationalchinas (Taiwan) durch die
USA ein Grund dafür, daß sich China durch den „westlichen Imperialismus“ bedroht fühlte.
De facto verfolgten die VN mit dem Vordringen nach Nordkorea das Ziel einer
Wiedervereinigung Koreas. An mehreren Äußerungen der chinesischen Regierung
vor der Intervention wird jedoch deutlich, daß das Vordringen der US-Truppen
nach Nordkorea als Vorspiel eines im Anschluß daran geplanten Angriffes auf
China selbst gewertet wurde. Dem chinesischen Eingreifen lag also eine Fehlannahme über das amerikanische Kriegsziel zugrunde, die durch die drei Ausprägungen außenpolitischer Denkweise beeinflußt wurde. Diese Fehlperzeption stellt die
ursprüngliche Ursache für Chinas Intervention dar.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Gründe für Chinas Intervention
aus konstruktivistischer Sicht nicht allein in der Bedrohung Chinas durch die ökonomische und wirtschaftliche Macht der VN (im Neorealismus capabilities), sondern auch in den ideellen Kräften zu suchen sind, deren Einfluß China unterlag.
Capabilities bekommen nur innerhalb eines sozialen Kontextes Sinn, in dem sie interpretiert werden. Die soziale Konstruktion einer Bedrohung ist von der Wahrnehmung der materiellen Faktoren abhängig. Diese führt schließlich zur Unterscheidung zwischen Freund und Feind. Die USA wurden aufgrund einer Sinnkonstruktion zum Feind erklärt, so daß sich China für den Krieg entschied.
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Für ein freies Vietnam
Benedikt Schulte
Wie kam es dazu, daß das vietnamesische Volk 1946 einen Krieg gegen die technisch weitaus überlegenen Franzosen begann? Wenn man sich diese Frage stellt
wird klar, daß es einen Präferenzbildungsprozeß in der Bevölkerung gegeben haben muß, der das gesamte Volk im Krieg gegen die französischen Besatzer vereint
hat. Ziel dieser Arbeit ist, diesen Präferenzbildungsprozeß zu beschreiben und zu
analysieren.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus vietnamesischer Sicht
Entscheidend für die Bildung einer vietnamesischen Befreiungsbewegung ist die
Durchdringung des Landes mit westlichen Werten. Die vietnamesische Elite besuchte französische oder französisch-vietnamesische Schulen und setzte sich intensiv mit den großen europäischen Denkern auseinander. Hinzu kam, daß etwa
100.000 Vietnamesen während des Ersten Weltkriegs in Europa als Arbeitskräfte
eingesetzt wurden. Als diese zurückkehrten, brachten sie neue Ideen mit und erkannten die Diskrepanz zwischen den französischen Werten wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und dem Verhalten der Franzosen als Kolonialmacht.
Ab den 1920er Jahren hatten sich die Vietnamesen weitgehend von ihren traditionellen Werten gelöst. Reaktionäre Widerstandsgruppen, welche die Wiedereinsetzung des Kaisers zum Ziel hatten, verloren an Bedeutung. Gegen Ende dieses
Jahrzehnts entstanden die beiden, für die weitere Entwicklung wichtigsten Widerstandsgruppen.
1927 wurde die Vietnamesisch-Nationalistische Partei (VNQDD) gegründet.
Diese Partei orientierte sich am Vorbild der chinesischen Kuomintang und wurde
dementsprechend auch aus China unterstützt. Die Unterstützung bestand hauptsächlich aus der Schulung von Parteimitgliedern. Diese wurden jedoch teilweise
auch in Frankreich ausgebildet.
Als größter Widersacher der VNQDD wurde 1930 die Indochinese Communist
Party (ICP) gegründet. Diese wurde von Ho Chi Minh in Hongkong aus drei kommunistischen Gruppen gebildet. Auch die ICP erhielt Unterstützung aus China,
konnte jedoch anfangs keinen größeren Einfluß auf die breite Masse erlangen. Das
änderte sich, nachdem während eines Aufstandes, der von den Franzosen blutig
niedergeschlagen wurde, sowohl die ICP als auch die VNQDD weitgehend zerstört
wurden. Durch ihre straffe Organisation konnte sich die ICP relativ schnell wieder
erholen und dadurch ihren Einfluß vergrößern.
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Die Chance für diese Gruppen, ihre Macht noch zu erweitern, kam nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs. Während des Krieges schloß die französische Kolonialregierung, die sich nicht in der Lage sah, die Kolonie effektiv verteidigen zu
können, Verträge mit Japan ab, die es diesen erlaubten, eine indirekte Herrschaft
auszuüben. Im März 1945 übernahmen japanische Truppen dann auch direkt die
Macht, indem sie die Franzosen entwaffneten und eine „Marionetten-Regierung“
unter dem Kaiser Bao Dai aufstellten. Diese Pläne wurden aber 1946 durch die
August-Revolution zunichte gemacht, bei der eine Koalition aus Nationalisten und
der aus der ICP hervorgegangenen Viet Minh die Macht ergriff und am 2. September 1945 die Demokratische Republik Vietnam (DRV) ausrief.
Die alliierten Siegermächte hatten jedoch andere Pläne für Vietnam. Das Gebiet nördlich des 16. Breitengrades wurde unter chinesische Kontrolle gestellt, im
Süden übernahmen die Briten die Kontrolle. Während sich im Norden die Vietnamesische Regierung halten und vor allem die Viet Minh ihre Macht weiter festigen
konnte, übergaben die Briten die Macht im Süden Vietnams wieder an Frankreich.
In einem Vertrag, den Vietnamesen und Franzosen im März 1946 abschlossen,
wurde eine Kompromißlösung für ein unabhängiges Vietnam gefunden. Strittig
war hier vor allem die Frage über die südliche Provinz Cochinchina. Hier sollte ein
Referendum abgehalten werden, in dem sich die Bevölkerung entscheiden sollte,
ob sie der DRV beitreten wollte. Dieses Referendum wurde aber im Laufe des Jahres nicht abgehalten, und auch die weiteren Verhandlungen mit Paris stellten sich
als äußerst schwierig dar, so daß sich das Verhältnis zwischen Vietnamesen und
Franzosen immer weiter verschlechterte. Trotz der Bemühungen Ho Chi Minhs,
die Verhandlungen weiterzuführen, kam es so am 19. Dezember 1946 zum Ausbruch des Krieges.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Um den Kriegsausbruch zu erklären, ist es notwendig, den Präferenzbildungsbildungsprozeß in der vietnamesischen Bevölkerung zu betrachten. Dieser Prozeß soll
anhand der theoretischen Grundlagen des Liberalismus nach Andrew Moravcsik
analysiert werden. Der Ansatz geht davon aus, daß die Außenpolitik eines Staates
durch innerstaatliche Gruppen und Individuen bestimmt wird. Obwohl man von
Vietnam nicht im eigentlichen Sinne als Staat sprechen kann, da ein eigenständiger
Staat Vietnam genaugenommen erst das Ziel dieses Kriegs war, ist es doch möglich, daß man den Präferenzbildungsprozeß innerhalb des vietnamesischen Volkes
und der (nicht im eigentlichen Sinne als Staat anzusehenden) DRV mit dieser
Theorie erklären kann.
Die hier vertretene Erklärung für den Kriegsausbruch geht von der These aus,
daß nur durch den enormen Machtzuwachs der Viet Minh ein Krieg möglich wurde. Dieser Machtzuwachs muß sowohl auf der politischen Ebene als auch unter
dem Aspekt der Anerkennung, welche die Viet Minh innerhalb der Bevölkerung
besaß, untersucht werden. Für den Ausbruch des Krieges ist des weiteren entschei50
dend, inwieweit die Positionen der Kriegsbefürworter innerhalb der Viet Minh gestärkt wurde.
Zum politischen Machtzuwachs bleibt zu erwähnen, daß sich die Viet Minh
schon während des Widerstandes gegen die Japaner als wichtigste Gruppe im Befreiungskampf etablierte. Dies wurde auch durch den Versuch der Chinesen, die
Viet Minh in eine breiter gefaßte Gruppe aus Kommunisten und Nationalisten, die
Dong Minh Hoi, einzubinden nicht verhindert. Während der August-Revolution,
im Jahre 1946, konnte die Viet Minh sich als stärkste Gruppe in Regierung und
Nationalversammlung etablieren und diese Machtposition, zumindest im Norden
Vietnams, im Laufe der Zeit auch noch weiter ausbauen. Dies ging hauptsächlich
zu Lasten der VNQDD und der Dong Minh Hoi, die nicht verhindern konnten, daß
die Viet Minh die Schlüsselpositionen innerhalb der Regierung zumindest indirekt
kontrollierte.
Den Rückhalt in der Bevölkerung verdankte die Viet Minh zu einem entscheidenden Teil der Hungerkatastrophe, die im Winter 1944/45 den Norden Vietnams
traf. Da weder die Japaner noch die Bao Dai-Regierung etwas taten, um den Hunger zu lindern, obwohl es im Süden Vietnams ausreichend Reis gab, konnte sich
die Viet Minh als Freund der Bevölkerung profilieren, indem sie nach besten Kräften versuchte, die Not zu verkleinern. Nachdem die DRV ausgerufen worden war,
organisierte die Viet Minh geführte Regierung Reistransporte vom Süden in den
Norden und entlastete die ärmeren Bevölkerungsschichten noch weiter, indem sie
die Kopfsteuer senkte. Auch durch ihr relativ moderates Programm und dessen
Umsetzung sprach die Viet Minh die breite Bevölkerung an. So wurden kommunistische Inhalte in den Hintergrund gerückt und der nationale Aufstand als Hauptziel formuliert. Auch nach der Etablierung einer vietnamesischen Regierung gab es
nur wenig Verstaatlichung, und das Recht auf Privateigentum wurde respektiert.
Aber auch die Machtverteilung innerhalb der Viet Minh war entscheidend für
den Kriegsausbruch. Durch die zähen Verhandlungen mit den Franzosen wurden
die Befürworter einer gewaltsamen Lösung gestärkt. Diese Verhandlungsschwierigkeiten ergaben sich nicht nur durch Veränderungen der politischen Situation innerhalb Frankreichs, sondern auch, weil sich der Hohe Kommissar für Indochina
einer Lösung, die ein unabhängiges Vietnam vorsah, relativ offen in den Weg stellte. Dadurch, daß entscheidende Fragen wie der Status von Cochinchina nicht geklärt wurden, wuchs der Unmut auf Seiten der Vietnamesen. Letztendlich begann
der Krieg im Süden Vietnams, da die dortigen Akteure der Viet Minh sich nicht
mit der Ungewißheit abfinden wollten, die unter Umständen auch in französischer
Herrschaft hätte enden können. Aus diesem Grund ergriffen sie die Initiative und
begannen den Krieg.
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Konflikt um die Grenze
Nina Wiesel
Der chinesisch-indische Krieg von 1962 fand in der Welt wenig Beachtung. Grund
dafür war, daß zur selben Zeit die Kuba-Krise stattfand, durch die es fast zu einem
Krieg zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion gekommen wäre. Doch
der Grenzkonflikt zwischen China und Indien sollte nicht vernachlässigt werden,
da es sich um die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde handelt. Und so
stellt sich die Frage, wie sich der Angriff Chinas auf Indien am 20. Oktober 1962
erklären läßt.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Nachdem China im Oktober 1950 in Tibet einmarschiert war, hatte es eine gemeinsame Grenze mit Indien. Der genaue Grenzverlauf und dessen rechtliche Grundlagen waren allerdings unklar: Indien hatte nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft und der Unabhängigkeit 1948 die britische Grenzziehung nach der so
genannten McMahon Linie übernommen. Das hierfür entscheidende Abkommen
von Simla 1914 hatte China aber nicht unterzeichnet, sondern nur Großbritannien
und Tibet. Letzteres hatte aus chinesischer Sicht dazu keine Befugnis, da es als
Teil Chinas angesehen wurde.
1954 kam es zwischen China und Indien zu einem Handelsabkommen, in dem
unter anderem die fünf Grundsätze der friedlichen Koexistenz (Panch Sheela) beschlossen wurden. Die Grenzfrage wurde bei diesen Verhandlungen jedoch nicht
berührt, was von indischer Seite als stillschweigende Akzeptanz der McMahonLinie gewertet wurde. In wiederholten Zusammenkünften zwischen dem chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai und dem indischen Ministerpräsidenten
Pandit Nehru wurde die Grenzfrage zwar angesprochen, das Thema aber nicht vertieft. Diese Treffen führten zu einer Entspannung in den Grenzgebieten. Trotzdem
kam es immer wieder zu Beschwerden über gegenseitige Grenzüberschreitungen.
Doch 1958 wurde der Konflikt wieder verschärft, diesmal allerdings verschob
sich der Schwerpunkt auf den westlichen Sektor. Der Grund für die erneuten Auseinandersetzungen war der heimliche Bau einer Autostraße zwischen den autonomen Regionen Xinjiang und Tibet durch die Chinesen. Indische Spähtrupps stellten
schließlich fest, daß ein Teil der Straße auf von Indien beanspruchtem Territorium
verlief. Nach darauf folgenden gegenseitigen Protestnoten kam es zu einem längeren Briefwechsel zwischen Zhou und Nehru, in dem klar wurde, daß beide Seiten
eine völlig andere Auffassung von dem gegenwärtigen Stand in der Grenzfrage
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und einer möglichen Grenzziehung hatten. Auch die Auffassungen über Vorbedingungen für Verhandlungen gingen auseinander.
Nach einigem Hin und Her trafen Zhou Enlai und Pandit Nehru schließlich am
19. April 1960 in Delhi zusammen. Doch die Verhandlungen brachten keine Lösung des Konflikts, sondern nur eine Prüfung des Sachverhalts durch Beamte beider Regierungen. Währenddessen kam es zu immer mehr Grenzzwischenfällen, da
beide Seiten ihre Truppen verstärkt hatten. Dies brachte, zusammen mit dem Abbruch der Arbeit der Beamten und einem Grenzabkommen zwischen China und
Pakistan, den Indien wegen der ungelösten Kaschmirfrage als Affront betrachtete,
die Stimmung zwischen beiden Staaten auf den Nullpunkt.
Indien baute seine Befestigungsanlagen, Truppenstärke und Nachschublinien in
der Grenzregion immer weiter aus, so daß im Sommer 1962 ein indischer Angriff
befürchtet wurde. Wegen der Zuspitzung des Konflikts wurden erneute Verhandlungen gefordert, doch aufgrund von Uneinigkeiten über den zu verhandelnden
Gegenstand und immer häufigeren Zusammenstößen der Streitkräfte, bei denen der
Status quo zu Lasten Chinas verändert wurde, kam es nicht mehr dazu, und die gegenseitigen Drohungen nahmen zu.
Am 20. Oktober 1962 kam es schließlich zu einer chinesischen Großoffensive,
in dessen Verlauf die Volksrepublik die Grenze zu ihren Gunsten verschieben
konnte. Am 24. Oktober schlug Zhou Enlai jedoch weitere Verhandlungen vor, bei
denen China zu deutlichen Zugeständnissen bereit war, doch Nehru lehnte dies ab,
da er mittlerweile auf den günstigeren Status quo vom 8. September 1962 bestand.
Am 16. November eroberten die Chinesen noch einmal große Teile des Grenzgebiets, doch schon in der Nacht zum 21. November kündigte die chinesische Regierung einen Waffenstillstand an. Hierzu erklärte sie, ihre Truppen 20 km von der
wirklichen Kontrollinie vom 7. November 1959 zurückzuziehen. Da Indien aber
nicht bereit war, auf die Vorschläge einzugehen, blieb der Waffenstillstand einseitig. Trotzdem konnte der freiwillige Rückzug der Chinesen ohne Störungen durch
die Inder durchgeführt werden.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Der Krieg läßt sich aus realistischer Sicht erklären. Nach Morgenthau sind ungleiche oder gegensätzliche Interessen der Grund für Krieg. Daher ist die Ursache für
den Krieg zwischen China und Indien, daß die Interessen beider Länder in der
Grenzfrage unvereinbar waren. Beide Staaten hatten ein unterschiedliches Interesse
in Bezug auf die Grenzziehung. Die jeweils eigene Version hätte für diesen Staat
ein größeres Territorium bedeutet, für den anderen dagegen ein kleineres. Es ging
also im Grunde um Machtmaximierung. Dieser Machtzuwachs wäre einerseits
durch die Beherrschung eines größeren Gebietes und der Menschen, die darin leben, erreicht worden, andererseits durch die Durchsetzung des eigenen Willens gegen den Willen des anderen Staates. Schließlich ist nach Morgenthau Macht „die
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Herrschaft von Menschen über Menschen“. Und dies beinhaltet auch, einen anderen dazu zu bringen, etwas zu tun, was er eigentlich nicht will.
Wie der Briefwechsel zwischen Zhou Enlai und Pandit Nehru zeigt, war zwar
eine gewisse Kompromißbereitschaft vorhanden, doch diese ging nicht weit genug,
um die gegensätzlichen Interessen zu überwinden und so ein Interessengleichgewicht herzustellen. Damit hätte eine friedliche Lösung des Konflikts gefunden
werden können, doch die Bereitschaft zu verhandeln war schon im Vorfeld von indischer Seite an Bedingungen geknüpft, die China zu erfüllen nicht bereit war. So
sah Zhou Enlai schließlich in dem Angriff auf Indien die einzige Chance zur
Durchsetzung der chinesischen Interessen.
China griff Indien am 20. Oktober 1962 auch deshalb an, weil aufgrund von
Truppenbewegungen Indiens und Äußerungen Nehrus mit einem indischen Angriff
gerechnet werden mußte. China wollte dem zuvorkommen, da dadurch die Möglichkeit bestand, einen Machtverlust zu erleiden. Hierfür spricht, daß Indien seine
Nachschublinien verstärkt hatte: In den Jahren vor dem Krieg waren Bergstraßen
gebaut worden, um den Nachschub im Grenzgebiet zu sichern, und die Truppenstärke erhöht worden. Die gegenseitigen Drohungen nahmen immer mehr zu. Am
12. Oktober, also unmittelbar vor dem Krieg, sagte Nehru, daß die indischen Truppen Anweisung hätten, „das indische Territorium … zu befreien.“ Ein Angriff
durch Indien stand also kurz bevor, und die chinesische Seite schätzte die Chance,
bei einem eigenen Angriff die Grenzfrage zu ihren Gunsten zu entscheiden, höher
ein als bei einem indischen Angriff.
Dazu kam die Anarchie in der Staatenwelt: Die UNO war während des Kalten
Krieges zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion handlungsunfähig, da die beiden durch ihr Vetorecht Entscheidungen im Sicherheitsrat blokkierten, wenn diese ihre Interessen berührten. Während des Kalten Krieges war
dies bei fast jedem Konflikt der Fall, da die beiden Staaten sich in einem Machtkampf um ihre Einflußgebiete befanden, die die ganze Welt betrafen. Deshalb hätten auch sie nicht als ordnende Macht fungieren können, vor allem da sie zum
Zeitpunkt des chinesisch-indischen Krieges in einer besonders explosiven Phase
waren, nämlich der Kuba-Krise. Somit gab es keine höhere Instanz, die in der Lage
gewesen wäre, in diesem Konflikt zu vermitteln oder ihn gar zu lösen. Deshalb war
China aufgrund des Fehlens einer ordnenden Macht darauf angewiesen, sich selbst
zu helfen, und der einzige Lösungsweg schien der Krieg zu sein, da alle anderen
Lösungsversuche bisher gescheitert waren.
Zhou Enlai, der im Grunde auf eine friedliche Lösung des Konflikts baute, hatte versucht, den Ausbruch des Konflikts so lange wie möglich zu verzögern. Als
rationalem Staatsmann war ihm klar, daß mit Indien nicht unbedingt eine friedliche
Lösung zu erreichen war, und so gab er Nehru gegenüber erst dann zu, daß er die
Grenzfrage nicht als geklärt betrachtete, als Chinas Position sich gefestigt hatte.
Somit hatte er bewußt auf eine Fehlperzeption Nehrus gebaut, um einen chinesischen Machtverlust zu vermeiden.
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Indiens Weg in den Krieg
Andreas Berding
Der indisch-chinesische Grenzkonflikt von 1962 ist de facto bis heute nicht gelöst
und stürzte die beiden bevölkerungsreichsten Staaten Asiens in einen Jahrzehnte
langen anhaltenden kalten Krieg. Im folgenden soll gezeigt werden, welche Gründe
aus konstruktivistischer Sicht zur Eskalation an der indisch-chinesischen Grenze
geführt haben und welchen Beitrag Indien dazu geleistet hat.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus indischer Sicht
Streitpunkt im Konflikt zwischen Indien und China sind unterschiedliche Auffassungen über die Grenzziehung zwischen den beiden Staaten. Im Westen handelt es
sich um 38.400 km2 im nördlichen Ladakh, die Indien aufgrund eines Vertrages
von 1842 beansprucht, der zwischen dem Fürsten von Kaschmir, dem Dalai Lama
und dem Kaiser von China geschlossen wurde. Dieser bezieht sich auf die „traditionellen Grenzen“, ohne diese jedoch genau zu definieren. An der Nordostgrenze
Indiens, im Teilstaat Assam, bestehen die Inder auf 92.000 km2 aufgrund der
Grenzziehung nach der so genannten McMahon Linie, die das Ergebnis der SimlaKonferenz von 1913/1914 darstellt. Dieser Vertrag wurde allerdings niemals von
China ratifiziert, sondern lediglich von Tibet.
So rückte das Grenzproblem auf die Tagesordnung, als China 1950 in Tibet
einmarschierte. Indien protestierte zwar verhalten gegen die Annexion, erkannte
die chinesischen Ansprüche letztlich aber an und verzichtete auf die von den Briten
ererbten Sonderrechte in Tibet, da man in Neu Dehli nicht gewillt war, an kolonialen Praktiken festzuhalten. 1954 wurde zwischen China und Indien ein Verkehrsund Handelsabkommen geschlossen, in dessen Vorwort die fünf Grundsätze der
friedlichen Koexistenz „Panch Sheela“ eingefügt wurden. In Indien herrschte daraufhin die irrtümliche Meinung vor, daß China mit diesem Vertrag gleichzeitig die
McMahon Linie stillschweigend als Grenze akzeptiert habe.
Auf Grundlage der fünf Prinzipien entwickelten sich die indisch-chinesischen
Beziehungen Mitte der fünfziger Jahre sehr positiv, und das Grenzproblem trat zunächst in den Hintergrund. Allerdings hatten die Chinesen bereits 1956 damit begonnen, eine Straße durch das Aksai-Chin Gebiet im Norden Ladakahs und damit
durch von Indien beanspruchtes Territorium zu bauen. Da die Inder die Ausübung
ihrer Hoheitsrechte in diesem Gebiet stark vernachlässigten, wurden sie durch die
Fertigstellung vor vollendete Tatsachen gestellt. In einem darauf folgenden Notenaustausch stellte Zhou En-Lai klar, daß die McMahon Linie niemals von China akzeptiert worden sei und somit die Straße auf chinesischem Territorium verlaufe.
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Eine weitere Belastung für die indisch-chinesischen Beziehungen stellte der
Aufstand in Tibet im Jahre 1959 dar. Die Inder zeigten durchaus Sympathien für
die tibetanische Autonomiebewegung und gewährten dem Dalai Lama Exil, was
bei den Chinesen auf großes Mißfallen stieß. Peking warf Indien Einmischung in
innerchinesische Angelegenheiten vor. Im Gegenzug formulierte Nehru drei Prinzipien der indischen Politik gegenüber dem Norden. Darin wurde dem Sicherheitsbedürfnis Indiens sowie die Sympathie für Tibet Priorität vor der Freundschaft zur
Volksrepublik China eingeräumt. In der Folgezeit lehnte Indien diverse chinesische
Vorschläge, den Status quo der tatsächlich kontrollierten Gebiete einzuhalten und
eine entmilitarisierte Zone zu schaffen, ab, da dies aus Sicht der Inder in der Praxis
erhebliche strategische Nachteile bedeutet hätte.
Zwischen 1959 und 1962 verschlechterten sich die Beziehungen rapide, und es
kam immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen in den umstrittenen Gebieten.
Verschiedene Versuche einer friedlichen Einigung scheiterten, und so brach am 20.
Oktober 1962 ein offener Konflikt aus. Dabei waren die Chinesen militärisch deutlich überlegen, und die Kämpfe verliefen zunehmend zu Ungunsten Indiens. Dennoch verkündete Peking am 21. November überraschend einen einseitigen Waffenstillstand und kündigte an, sich bis zum 1. Dezember wieder bis hinter die wirkliche Kontrollinie von 1959 zurückzuziehen. Außerdem regte China erneut eine
entmilitarisierte Zone an und machte ein Angebot, erneut zu verhandeln. Indien
zeigte sich skeptisch und ging nicht direkt auf die chinesischen Vorschläge ein. Allerdings wurde der Abzug der Truppen nicht behindert. Da Indien auch dem Waffenstillstand nicht explizit zustimmte, besteht theoretisch bis heute nur eine einseitige Waffenruhe.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Nach der konstruktivistischen Außenpolitiktheorie ergibt sich die Wirklichkeit in
den internationalen Beziehungen nicht in erster Linie aus materiellen Zwängen,
sondern ist von den Akteuren sozial konstruiert. Sie interpretieren eine Situation
dabei abhängig davon, wie sie sich selbst im internationalen System betrachten und
welche Erwartungen sie gegenüber den anderen Akteuren haben. Grundlage für
diese Interpretation bildet dabei auch der Sozialisationsprozeß innerhalb des Akteurs, der zu einer eigenen Identität führt, aus welcher sich konkrete außenpolitische Interessen ableiten. Zu Konflikten kommt es, wenn die Identitäten zweier Akteure entsprechend inkompatibel sind.
Aus dieser Sicht waren die Standpunkte der Inder und der Chinesen im Bezug
auf die Grenzziehung auf Grundlage der unterschiedlichen Sozialisation grundsätzlich unvereinbar. Die Inder hatten die Macht friedlich von Großbritannien übernommen und waren tief von der ehemaligen Kolonialmacht geprägt worden. Darum blieben sie eng mit den Briten verbunden und übernahmen deren Vorstellungen
und Rechtsauffassungen in Bezug auf die Grenzen. Für die Volksrepublik allerdings konnten diese nicht akzeptabel sein. Die Chinesen, die sich immer durch ko56
loniale Bestrebungen bedroht gefühlt hatten, empfanden diese Grenzen dagegen als
unfair und demütigend, da sie das Ergebnis kolonialer Aggression darstellten. Dazu
kam, daß China Verträge nicht anerkannte, die von den Tibetern geschlossen worden waren, weil Peking Tibet immer als Teil Chinas angesehen hatte. Diese unterschiedliche Sozialisation wurde durch den Gegensatz der demokratische Entwicklung in Indien einerseits und die kommunistischen Prägung in China andererseits
zusätzlich verschärft.
In Neu Dehli war man dennoch anfangs durchaus an einer wohlwollenden Politik gegenüber China interessiert. Belege dafür waren der Verzicht auf Sonderrechte
in Tibet, die Indien als Resultat kolonialen Erbes der Briten besaß, die Anerkennung der chinesischen Ansprüche auf Tibet sowie der aktive Einsatz für eine Vertretung der Volksrepublik in den Vereinten Nationen. Man glaubte aufgrund ähnlicher Probleme und einer vermeintlichen asiatischen Solidarität an gemeinsame Interessen mit China. Daher stand in der indischen Interpretation das Bild des Freundes gegenüber dem des Rivalen im Vordergrund. Vor allem aufgrund seiner weiterhin tibetfreundlichen Politik gelang es Indien jedoch nicht, das chinesische Mißtrauen abzubauen und sich vom Vorwurf einer Fortsetzung kolonialer Politik zu
befreien. Die Sympathie für Tibet entsprach dem außenpolitischen Selbstverständnis Indiens, wurde von den Chinesen jedoch als antichinesisch bzw. antikommunistisch fehlinterpretiert, da in China stets die mögliche Rivalität mit dem südlichen
Nachbarn im Vordergrund stand.
Indien beging zudem den Fehler, basierend auf dem Bild des freundlichen Chinas, das Grenzproblem anfangs nicht ernst genug zu nehmen. Man räumte dem
Versuch, allgemein gute Beziehungen zu China aufzubauen, Priorität ein und ignorierte daher die sich offensichtlich aufbauenden Spannungen. Diese Fehlwahrnehmung der indischen Seite wurde spätestens mit der Fertigstellung der Aksai Chin
Straße 1958 offensichtlich, doch erst mit dem Aufstand in Tibet 1959 trat in Indien
erstmals das Bild des möglichen Rivalen in den Vordergrund, was jedoch deutlich
zu spät war.
Man muß aber auch die aktive Rolle Indiens berücksichtigen, welche gerade zu
Beginn der 60er Jahre zur Eskalation der Lage beigetragen hat. So führten die Inder im Sommer 1962 eine Reihe von Gebirgsmanövern durch, verlegten Truppen
an die Grenze und bauten ihre Nachschublinien aus. Dies in Verbindung mit der
unnachgiebigen und teils aggressiven Rhetorik ließ nicht wenige zu dem Schluß
kommen, daß Indien selbst eine gewaltsame Änderung der bestehenden Verhältnisse anstreben könnte. Daß Indiens Politik in der Grenzfrage zwischen 1959 und
1962 durchaus aggressiv gewertet werden kann, zeigt sich sehr deutlich in der Forderung nach dem Krieg, nicht die Verhältnisse von 1959, sondern die für Indien
besseren vom September 1962 wiederherzustellen. Daraus kann man schließen,
daß Indien in den häufigen Grenzscharmützeln in den Vorkriegsjahren den alten
Status quo häufiger mißachtet und so zur Verunsicherung Chinas beigetragen hat.
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„US-Imperialisten, verschwindet aus
Südvietnam!“
Florian Dröscher
Der „Vietnam-Krieg“ zwischen den USA und Nordvietnam gehört zu den Kriegen,
die in der Weltöffentlichkeit größte Beachtung fanden. Unzählige Bücher und Filme sind zu diesem Thema erschienen. Dabei wurde der Vietnamkrieg meist aus
amerikanischer Sicht behandelt. Diese eher einseitige Darstellung macht es sehr interessant, auch einmal die nordvietnamesischen Motive, in den Krieg zu ziehen, zu
betrachten.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus vietnamesischer Sicht
In Folge der Genfer Indochinakonferenz im Juli 1954, welche das Ende des Krieges mit Frankreich bedeutete, wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrades geteilt.
Im Norden festigte der kommunistische Vietminh seine Macht in der „Demokratischen Republik Vietnam“, während die „Republik Vietnam“ im Süden von dem
prowestlichen Regime um Ngo Dinh Diem regiert wurde.
In den folgenden zwei Jahren zog Paris sämtliche französischen Soldaten aus
Vietnam ab. Zur gleichen Zeit verstärkten die USA ihr Engagement im Süden des
Landes. Nachdem sie in der Schlußphase des ersten Indochinakriegs bereits den
französischen Militärapparat finanzierten, wurden nun erstmals einige hundert USamerikanische Militärberater nach Saigon geschickt.
Die in Genf für Juli 1956 angesetzten gesamtvietnamesischen Wahlen scheiterten am Widerstand Ngo Dinh Diems. Er begründete seine Entscheidung damit, daß
in Nordvietnam keine freien Wahlen gewährleistet werden könnten. Diese Argumentation ist allerdings zweifelhaft, da die Vietminh bei einer Wahl, im Gegensatz
zu dem eher chancenlosen Diem, große Erfolgsaussichten gehabt hätten.
Aufgrund der Wahlabsage Südvietnams trat im Jahr 1957 der südvietnamesische Vietcong („vietnamesische Kommunisten“) zum ersten Mal in Erscheinung.
Seine Mitglieder verübten Anschläge auf Einrichtungen der südvietnamesischen
Regierung und des amerikanischen Militärs. Dabei wurden sie vom Norden logistisch unterstützt. Über den Ho-Tschi-Minh-Pfad, der schon im Krieg gegen Frankreich dazu genutzt wurde, um die innervietnamesische Grenze über Laos und Kambodscha zu umgehen, wurde der Vietcong nun mit Waffen und Lebensmitteln
versorgt. 1960 schlossen sich in Folge des Dritten Nationalkongresses die verschiedenen Vietcong-Gruppen zur Nationalen Befreiungsfront (NLF) zusammen.
Die von Nordvietnam unterstützte NLF kontrollierte nun immer mehr Bezirke im
58
Süden Vietnams. Sie wurde fast täglich von Freiwilligen verstärkt, die den Süden
aus Nordvietnam infiltrierten. Es kam zu immer stärkeren Gefechten mit den südvietnamesischen Regierungstruppen mit starken Verlusten auf beiden Seiten.
Zur Eskalation des Krieges trug maßgeblich der „Zwischenfall“ im Golf von
Tonkin bei. Am 2. und 4. August 1964 wurden zwei amerikanische Zerstörer von
nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen. Dieses Ereignis gab dem amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson die Möglichkeit, sich durch den Kongreß in der sogenannten „Tonkin-Resolution“ die uneingeschränkte Kriegführung
gegen Nordvietnam genehmigen zu lassen. Obwohl es nie eine offizielle Kriegserklärung gab, begannen die Luftstreitkräfte der USA im Januar 1965 mit der Bombardierung Nordvietnams. Zwei Monate später wurden schließlich auch amerikanische Bodentruppen entsendet. Neben den etwa 20.000 Militärberatern, die bereits
stationiert waren, landeten im März 1965 die ersten 3.500 Marines am Strand von
Da Nang. Ende des Jahres waren bereits 150.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert. Die Truppenstärke wurde stetig erhöht und fand im Jahr 1969 mit 543.000
Soldaten ihren Höhepunkt.
Am vietnamesischen Neujahrsfest im Januar 1968 starteten die NLF und Teile
der nordvietnamesischen Armee eine lange geplante Großoffensive, die TetOffensive. Die USA und Südvietnam wurden anfangs förmlich überrannt, da der
Angriff in den traditionellen Waffenstillstand der Tet-Feiertage fiel. Erst in den
Straßen von Saigon konnten die Amerikaner den Angriff stoppen und zurückdrängen. Nordvietnam und die NLF mußten schwere Verluste hinnehmen, aber dennoch hatte die Operation zumindest politischen Erfolg. Die US-Regierung stand im
eigenen Land zunehmend unter Druck, den Krieg rasch zu beenden.
Ab 1969 förderte die US-Regierung eine „Vietnamisierung“ des Krieges. Der
südvietnamesischen Armee wurde immer mehr militärische Verantwortung übertragen, während die USA ihre Truppenstärke allmählich verringerten. Ende Januar
1973 unterzeichneten die Kriegsparteien in Paris ein Friedensabkommen. Darin
wurde der völlige Abzug amerikanischer Streitkräfte aus Vietnam beschlossen.
Nordvietnam verpflichtete sich, seinen Vorstoß nach Südvietnam einzustellen.
Nachdem die USA die letzten Soldaten aus Südvietnam abgezogen hatten, wurde
das Abkommen jedoch gebrochen. Die nordvietnamesische Armee und der Vietcong starteten im Dezember 1974 erneut eine Großoffensive, die erst im April
1975 mit der Eroberung Saigons endete. Ohne die militärische Unterstützung der
USA hatte die südvietnamesische Armee keine Chance gehabt, den Angriffen der
Kommunisten standzuhalten.
In diesem Krieg starben über zwei Millionen Vietnamesen und 57.685 USSoldaten. Zwölf Millionen Südvietnamesen flohen aus ihrer Heimat.
59
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Die vietnamesischen Kriegsgründe sollen nun aus der Perspektive des Liberalismus nach Moravcsik betrachtet werden. Von diesem Theorieansatz ausgehend ist
Außenpolitik das Ergebnis von Präferenzbildungsprozessen zwischen Individuen
und/oder gesellschaftlichen Gruppen innerhalb eines Staates. Diese Gruppen verfolgen ihre ideellen Interessen und möchten dies auch außerhalb des eigenen Staates tun. Entscheidend für die Ausgestaltung der Außenpolitik eines Staates ist die
Konfiguration der Interessen dieser Gruppen.
Oberstes Ziel nach Ende des französisch-vietnamesischen Krieges war für die
nordvietnamesische Staatsführung um Ho Chi Minh eine rasche Wiedervereinigung mit dem Süden des Landes. Dieser Wille beruhte auf dem nationalen Verständnis der Vietminh, das von der Mehrheit der vietnamesischen Bevölkerung geteilt wurde. Eine oft gebrauchte Erklärung war: „Vietnam ist ein Land, und die
Vietnamesen sind ein Volk“. Die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung
wurde jedoch durch den Widerstand der Diem-Regierung bezüglich gesamtvietnamesischer Wahlen vernichtet. Somit war eine friedliche Wiedervereinigung mit
Südvietnam in weite Ferne geraten. Eine gewaltsame Auseinandersetzung mit der
südvietnamesischen Regierung und deren Verbündeten war nun die einzige Möglichkeit, die Einheit des Landes wiederherzustellen.
Mit der Einmischung der USA trafen nach dem ersten Indochinakrieg wieder
zwei unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander. Der kommunistische Norden wollte die Souveränität für das gesamte Vietnam durchsetzen. In ihren Augen
waren die US-amerikanischen Anstrengungen im Süden des Landes lediglich ein
Versuch, nach und nach den ostasiatischen Raum zu kolonialisieren, um die angestrebte Weltherrschaft zu erlangen. Neben den Amerikanern machte der Vietminh
aber noch einen Feind im eigenen Volk aus. Die Regierung um Ngo Dinh Diem
und die nach dessen Ermordung 1963 eingesetzten Militärregierungen waren aus
nordvietnamesischer Sicht Verräter am Vaterland. Sie ließen zu, daß unzählige
Ausländer in das Land strömten und das vietnamesische Volk ausbeuten konnten.
Dies wollte Nordvietnam nicht zulassen.
Auch konnte man durch eine Wiedervereinigung und eine damit verbundene
Ausdehnung des Kommunismus auf Südvietnam zukünftige Konflikte vermeiden.
Der Liberalismus geht davon aus, daß zwischenstaatliche Inkompatibilität der im
jeweiligen Staat organisierten und repräsentierten gesellschaftlichen Präferenzen
zwangsläufig zu Konflikten führt. Ein kommunistisches Nordvietnam kann somit
nicht in Frieden mit seinem westlich orientierten Nachbarn leben, da die Gesellschaften der jeweiligen Staaten gegensätzliche ideologische Ziele verfolgen.
60
Warum die USA Nordvietnam angriffen
Lars Potyka
Im Fokus des first image nach Hans J. Morgenthau wird versucht, die Ursache des
Krieges USA - Vietnam zu untersuchen. Anhand der geschichtlichen Entwicklung
im südostasiatischen Raum wird das Sicherheitsinteresse der USA im Kontext des
Kalten Krieges herausgearbeitet. Die hieraus entstehende Politik der Machtausdehnung seitens der Vereinigten Staaten wurde entscheidend geprägt von den Präsidenten John F. Kennedy, der eine Erhöhung des Engagements in Vietnam einleitete, und dessen Nachfolger Lyndon B. Johnson, der schließlich die Entscheidung
zur Kriegsteilnahme der USA fällte.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus amerikanischer Sicht
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die politische Ordnung in Indochina für Washington kaum Priorität. So führte Frankreich 1946 – 1954 im Zuge seiner kolonialen Restaurationsbestrebungen einen von den USA gebilligten Krieg gegen Vietnam. Der US-Geheimdienst sah zudem bis 1948 keine Verbindungen Vietnams
nach Moskau.
Als im September 1949 China kommunistisch wurde, entstand das Interesse,
dem Kommunismus keinerlei Ausdehnungsmöglichkeiten im südostasiatischen
Raum zu bieten. Die Vereinigten Staaten leisteten fortan militärische Unterstützung für Französisch-Indochina und erstellten wirtschaftliche Hilfsprogramme für
Laos, Kambodscha und Vietnam. 1950 brach der Krieg in Korea aus. Der freie
Westen, repräsentiert durch die USA und Frankreich, kämpfte nun gemeinsam in
Südostasien gegen den Kommunismus.
Im Juni 1954 wurde Ngo Dinh Diem zum Ministerpräsident der südvietnamesischen Regierung ernannt. Washington unterstützte von Beginn an dessen Regierung, während die Bevölkerung eine ständig wachsende Abneigung gegen Diem
entwickelte, die bis zu ihrem Höhepunkt von den USA unerkannt blieb und am 8.
Mai 1963 in den Ausschreitungen der Buddhistenkrise gipfelte. Im Juli 1954 wurde
das Genfer Abkommen unterzeichnet, welches den Krieg zwischen Frankreich und
Vietnam beendete. Paris stellte nun sein Engagement in Vietnam ein und zog sich
aus Indochina zurück. Im gleichen Atemzug begannen Untergrundkämpfe vietnamesischer Befreiungsgruppen gegen das von den USA unterstützte Diem Regime
in Südvietnam.
Von 1954 bis 1957 konsolidierten die Kommunisten (Vietcong) unter Ho Tschi
Minh im Norden Vietnams ihre Machtbasis. Erst ab 1957 begann der Vietcong mit
Maßnahmen im Kampf um die Macht in Südvietnam. Am 20. November 1960
61
formierte sich die „Nationale Befreiungsfront“, die alle Diem und USA feindlichen
Kräfte in einer aktiven und organisierten Widerstandsbewegung zusammenfaßte.
Im Mai 1960 erkannte die Südostasienabteilung des US-Außenministeriums, daß
aufgrund des immens gestiegenen kommunistischen Einflusses im Süden die Entscheidungsphase im Kampf ums Überleben Südvietnams unmittelbar bevorstand.
1961 bis 1963 sah sich Präsident Kennedy angesichts dieser Situation gezwungen,
die Unterstützung in Südvietnam beträchtlich zu steigern.
Anfang der 60er Jahre erklärte Chrustschow öffentlich, daß die Sowjetunion
Befreiungskämpfe von Ländern in der Dritten Welt unterstützen wolle. Kennedy
leitete hier eine Unterstützung des Vietcongs durch die UdSSR ab und antwortete,
daß westliche Interessen in der Dritte Welt entschlossen verteidigt würden. Die
USA wollten der strategischen Gefahr begegnen, die existent wäre, wenn der
Kommunismus Ressourcen und Völker Südostasiens absorbieren könne. Aufgrund
der Intention, den kommunistischen Einfluß in Südostasien zu verhindern, wurde
1962/1963 unter Kennedy die „Domino-Theorie“ entwickelt, die das amerikanische Interesse in Vietnam wie folgt präzisiert: 1. Fällt Südvietnam in kommunistische Hände, folgen weitere kommunistische Expansionen in Südostasien. Des weiteren folgt eine Vertrauenskrise der freien Staaten gegenüber den Vereinigten Staaten. 2. Eine Verteidigung Südvietnams erfordert einen weiterhin gesteigerten
Machtmitteleinsatz der USA, inklusive größerer Truppenverbände. 3. Politisch
setzt eine Behauptung Südvietnams eine Beseitigung der zu repressiv und unpopulär gewordenen Regierung Diems voraus. Letzteres geschah im Zuge eines Militärputsches am 2. November 1963, der auf Geheiß Kennedys initiiert wurde.
1964 erkannte der neu gewählte US-Präsident Johnson die Wurzel des Problems, welche die materielle Unterstützung und politische Führung des Aufstandes
in Südvietnam seitens Nordvietnams darstellte. Die von ihm bevorzugte Lösung
bestand aus Flächenbombardements auf Nordvietnam. Nach den Zwischenfällen
am Golf von Tonking vom 2. und 4. August 1964 wurde er durch die Tonking–
Resolution vom Kongreß dazu bemächtigt, dies zu tun. Am 2. März 1965 schickte
Johnson US-Bomber nach Nordvietnam. Die USA waren nun offiziell in einem
Krieg, aus dem sie 1973 als Verlierer hervorgingen.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Die Ursachen, warum die USA in den Krieg gegen Nordvietnam eintraten, können
an den Persönlichkeiten der Präsidenten Kennedy und Johnson festgemacht werden. Man fokussiert ihre Personen im first image, indem man ihre Fehlbarkeit und
ihre persönlichen Entscheidungen betrachtet und in diesen dann die Ursachen des
Krieges sucht. So war es alleine Johnson, der den Befehl gab, durch das Bombardement Nordvietnams aktiv am Krieg teilzunehmen. Durch das Täuschen der Öffentlichkeit und die Entmündigung des Kongresses mit Hilfe der TonkingResolution beschränkte sich der Entscheidungsprozeß über die Teilnahme am
Krieg auf den US-Regierungsstab unter Johnson. Seit Februar 1964 unternahmen
62
die USA Geheimoperationen in Nordvietnam, die schließlich, unerkannt von der
Öffentlichkeit, zu einer Eskalation des Konflikts führen sollten. Die Schilderungen
Johnsons der Tonking Zwischenfälle sind sehr fragwürdig und stellten eine Irreführung von Volk und Kongreß dar. Die hieraus hervorgegangene Resolution verlieh
Johnson die unbegrenzte Kontrolle über die US-Streitkräfte im Vietnam–Konflikt.
Johnson wurde selbst eine aggressive Persönlichkeit nachgesagt. Er wollte in
Vietnam keinen Rückzug antreten, da er sonst einen Gesichtsverlust seiner Person
befürchtete und dann als „Feigling“ vor der Welt stehen würde. Dies führte zu einem Ausschluß einer friedlichen Lösung, da auch die Beilegung des Konflikts auf
politischem Wege einen Sieg des Kommunismus für Johnson darstellte. Er verknüpfte den militärischen Sieg in Vietnam mit seiner Person. Die Bedeutung dieser
anthropologischen Sichtweise bezüglich des Kriegsausbruches wird deutlich, wenn
die Entscheidung Johnsons der Entscheidung Kennedys gegenübergestellt wird.
Dieser entschied sich kurz vor seinem Tod für die Einstellung des US–
Engagements in Vietnam und somit gegen eine Eskalation. Hier wird die Entscheidung über den Kriegsbeitritt bei Johnson lokalisiert, da dieser sich als Vizepräsident unter Kennedy in dem gleichen Entscheidungsprozeß wie dieser befand und
sich für eine militärische Eskalation in Vietnam entschied.
Ein weiterer anthropologischer Aspekt, der zu betrachten ist, um die Ursachen
der Eskalation im Vietnamkonflikt zu lokalisieren, ist die Fehlbarkeit der Entscheidungsträger Kennedy und Johnson. In den 50er Jahren wurde bei Kennedy
das Interesse an Vietnam und die Sympathie für Diem geweckt, welcher zu dieser
Zeit den Kontakt zu aufstrebenden und einfußreichen Persönlichkeiten der amerikanischen Politik suchte. Bis 1963 war die US–Regierung äußerst zuversichtlich
über die Situation in Vietnam. Man vertraute blind dem Regime Diems, doch dieses verschleierte die desolate Situation Südvietnams, bis es zur Buddhistenkrise
kam. Kennedy ließ sich aufgrund seiner Gutgläubigkeit gegenüber Diem täuschen.
Seine horrende Unterstützung in Vietnam führte ins Leere. Er beschloß den Rückzug. Hier ist aufgrund der Fehlbarkeit des Präsidenten eine erhebliche Amerikanisierung des Konflikts zu erkennen.
Dahingegen führte die Fehlbarkeit Johnsons die USA zu einer aktiven
Kriegsteilnahme. Er bekam einen objektiven Überblick der Situation Vietnams
nach Kennedys Tod, hielt jedoch an der Domino-Theorie fest. Nach Beendigung
des Krieges stellte sich heraus, daß die Theorie absolut im Gegensatz zu dem
stand, was schließlich eintrat. Johnson hatte es abgelehnt, Asienexperten zu konsultieren. Verteidigungsminister McNamara erklärte, daß es keinen Krisenstab und
keine Grundsatzdebatten über Alternativen und Konsequenzen gab. Johnson dürfte
somit einen objektiven Meinungsbildungsprozeß seinerseits weitestgehend verhindert haben. Hätte er diesen jedoch erfahren, hätte er möglicherweise erkannt, daß
ein Krieg gegen den Vietcong die Interessen der USA nicht befriedigen konnte und
sich gegen ihn entschieden.
63
Der chinesische „Straffeldzug“
Stefan Schwarz
Die heutigen Kräftekonstellationen und Konflikte im südostasiatischen Raum lassen sich nicht ohne Rückgriff auf den kurzen aber weitreichenden chinesischvietnamesischen Krieg von 1979 erklären. Im Folgenden soll daher aus der Perspektive des offensiven Realismus untersucht werden, welche Ursachen dem Angriff Chinas auf Vietnam zugrunde lagen.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus chinesischer Sicht
Chinas 27 Tage andauernder „Straffeldzug” vom 17. Februar bis zum 15. März
1979 gegen Vietnam war der Höhepunkt des chinesisch-vietnamesischen Konfliktes, der sich im Laufe der 70er Jahre immer stärker zuspitzte. War es Vietnam zwischen 1958 und 1973 noch gelungen, einen ausgewogenen Kurs zwischen Peking
und Moskau zu steuern, um sich somit von beiden Seiten finanzielle und materielle
Unterstützung für den Befreiungskampf zu sichern, kam es Anfang der 70er Jahre
zu einer immer deutlicheren Anlehnung an die Sowjetunion.
Noch während des Vietnamkrieges gegen die USA marschierten im Februar
1971 südvietnamesische Truppen in Laos ein, um nordvietnamesische Nachschubwege zu unterbrechen. Mit dem Abschluß des vietnamesisch-laotischen Freundschaftsvertrages im Juli 1977, der auch die Ausweisung chinesischer Truppen beinhaltete, galt das vietnamesische Ziel, die Annexion von Laos, als vollendet.
Obwohl Peking entschieden gegen eine Wiedervereinigung Vietnams war und
aus diesem Grund seine Hilfslieferungen seit 1973 stetig reduzierte, hielt Nordvietnam trotz des Pariser Waffenstillstandsabkommens vom 27. Januar 1973 an der
Eroberung des Südens fest. Durch die militärische Unterstützung Moskaus konnte
der Krieg fortgeführt werden und endete schließlich im April 1975 mit der Kapitulation Saigons. Die Proklamation der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) erfolgte im Juli 1976.
Verstärkt wurden die chinesisch-vietnamesischen Auseinandersetzungen immer
wieder durch territoriale Streitigkeiten. Dabei ging es nicht nur um die gemeinsame
Grenzfrage, sondern auch um widersprüchliche Souveränitätsansprüche in Bezug
auf die Paracel- und Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer. So übernahmen infolge militärischer Zusammenstöße chinesische Truppen im Januar 1974 die Kontrolle auf den Paracel-Inseln. Die Vertreibung der chinesischstämmigen Hoas aus
Vietnam löste eine Flüchtlingswelle aus, die sich auf den ganzen südostasiatischen
Raum auswirkte.
64
Ab Mitte 1978 überschlugen sich dann die Ereignisse: Am 29. Juni 1978 wurde
die SRV in den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) aufgenommen. Diese
internationale Wirtschaftsorganisation osteuropäischer Staaten unter Führung der
Sowjetunion sollte die Hilfsprojekte fortführen, die von China unfertig hinterlassen
wurden. Nachdem am 3. November 1978 ein sowjetisch-vietnamesischer Vertrag
über Freundschaft und Zusammenarbeit, der auch militärischen Beistand im Falle
eines Angriffes auf die Signatarstaaten beinhaltete, unterzeichnet wurde, war für
die chinesische Regierung das Abdriften Vietnams in Richtung Sowjetunion mehr
als offensichtlich.
Vietnams Expansions- und Allianzpolitik und das damit verbundene sowie für
China augenscheinliche vietnamesische Streben nach regionaler Hegemonie fanden am 25. Dezember 1978 ihren Höhepunkt im Überfall auf Kambodscha. Die
vietnamesische Volksarmee eroberte am 7. Januar Phnom Penh, stürzte die kambodschanische Regierung der pro-chinesischen Roten Khmer und setzte statt dessen ein pro-vietnamesisches Marionettenregime ein.
Auf die vietnamesische Invasion und Okkupation in Kambodscha reagierte
China am 17. Februar 1979 mit dem Einmarsch in Nordvietnam. Nachdem die chinesische Armee fünf nordvietnamesische Provinzhauptstädte erobert und erhebliche Verwüstungen angestellt hatte, zog sie sich am 15. März 1979 wieder auf eigenes Territorium zurück.
Der kurze und für beide Seiten verlustreiche Krieg hatte nicht nur durch das
Auslösen von Flüchtlingsströmen, sondern vielmehr durch die bis in die 90er Jahre
andauernden Bemühungen um stabile Verhältnisse, weitreichende Folgen für die
Kräftekonstellation im ganzen südostasiatischen Raum.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Der offensive Realismus geht davon aus, daß das Verhalten von Staaten in erster
Linie durch strukturelle Faktoren, vorrangig Anarchie und Machtverteilung, bestimmt wird. In einer anarchischen Welt fürchten sich Großmächte voreinander,
und es setzt ein Wetteifern um Macht ein. Eine Grundannahme der Theorie besagt,
daß Anarchie wenig Raum für Kooperation läßt; Staaten versuchen, ihren Machtanteil auf Kosten anderer Staaten kompromißlos auszudehnen, um so ihr Überleben durch Herausbildung einer Hegemonie zu gewährleisten.
Schon während des französischen Indochinakrieges und auch im darauffolgenden Krieg gegen die USA war China ein treuer Verbündeter Vietnams. Doch mit
dem Abzug der Amerikaner und spätestens mit der Wiedervereinigung Vietnams
trat in der Gefahrenzone vor der Schwelle des chinesischen Staatsgebietes eine
neue „Quelle der Unsicherheit“ auf: das über die Kriegsjahre, wenn auch wirtschaftlich schwache, dafür aber dank sowjetischer und chinesischer Unterstützung
um so stärker militärisch hochgerüstete Vietnam.
Die gelungene Wiedervereinigung des Landes und die „Einverleibung“ von
Laos zeigten China, daß es Vietnam gelungen war, eine militärische Vormachtstel65
lung in Südostasien aufzubauen. Mit dem vietnamesischen Streben nach ölträchtigen Inseln im Südchinesischen Meer sah sich China einer weiteren Machtverschiebung gegenüber. Die dort vorhandenen Ressourcen hätten im Interesse des wirtschaftlichen Wiederaufbaus genutzt werden können. Versuche, durch Verhandlungen Einigkeit in Bezug auf die Territorialstreitigkeiten zu erzielen, scheiterten an
Chinas vollständigem Mangel an Kompromißbereitschaft.
Um dem Vormachtstreben Hanois in Kambodscha entgegenzutreten, erhielt Pol
Pot von Peking wirtschaftliche, technische und militärische Hilfe. China betrachtete die Roten Khmer als einzige Gruppierung, die Vietnam effektiv Widerstand leisten und ein „Schlucken“ durch Vietnam verhindern konnte. Da die Unterstützung
nicht die gewünschte Eindämmung des vietnamesischen Herrschaftsbereiches mit
sich brachte, sah sich China der Bedrohung ausgesetzt, vom südostasiatischen Festland abgeschnitten zu werden.
Die Konturen einer feindlichen Umwelt wurden für China noch deutlicher, als
sich eine immer stärker werdende wirtschaftliche und militärische Anlehnung
Vietnams an die Sowjetunion abzeichnete. Die Aufnahme Vietnams in den RGW
und schließlich der Abschluß des sowjetisch-vietnamesischen Freundschaftsvertrages verdeutlichten Peking, daß man nun sowohl dem regionalen Hegemon Vietnam
als auch dem (befürchteten) Welthegemon UdSSR gegenüberstand. Im Falle einer
Auseinandersetzung müßte damit gerechnet werden, sich an zwei Fronten - im
Norden gegen die UdSSR und im Süden gegen Vietnam - zur Wehr setzen zu müssen. Aus der Perspektive Pekings versuchten Hanoi und Moskau, durch Bilden einer „anti-chinesischen Allianz“, ihren Machtbereich auszudehnen, indem sie eine
gegen China gerichtete „Einkreisungspolitik“ betrieben. Sollte diese Erfolg haben,
würde das nicht nur die Existenz Chinas gefährden, sondern auch eine Bedrohung
für die ganze Region darstellen. Mit der Verpachtung vietnamesischer Häfen erhielt die Sowjetunion zusätzlich Zugang zum Südchinesischen Meer, was eine Bedrohung für den Seeverkehr durch die Straße von Malakka und somit für den internationalen Schiffahrtsverkehr darstellte.
Abschließend läßt sich festhalten, daß der Anlaß für den chinesischvietnamesischen Krieg der Überfall Vietnams auf Kambodscha war. Die Ursachen
des Krieges lagen allerdings sowohl in dem Streben Vietnams nach regionaler Hegemonie als auch in der zunehmenden sowjetischen Präsenz im südostasiatischen
Raum. Dieses worst-case thinking, die Furcht vor negativen Machtverschiebungen,
und die damit verbundene Gefahr für die eigene Existenz veranlaßten China, mit
dem „Straffeldzug“ präventiv gegen Vietnam vorzugehen. Peking konnte zwar sein
Hauptziel, den Abzug Vietnams aus Kambodscha, nicht erreichen, doch konnte es
zumindest den Beweis liefern, daß es vor einem Angriff auf einen Bündnispartner
der Sowjetunion nicht zurückschreckt.
66
Das „unerziehbare“ Vietnam
Yves Hackenspiel
Das Forschungsinteresse der vorliegenden Betrachtung des sino-vietnamesischen
Krieges von 1979 liegt in der Beschreibung und Analyse der Entwicklung des
zugrunde liegenden Konfliktes. Besonderes Augenmerk gilt hier den Ursachen der
Entscheidungen Vietnams in diesem Konflikt, die zur Eskalation und zum Angriff
Chinas auf Vietnam beitrugen. Diese Ursachen werden hierbei aus einer realistischen Perspektive betrachtet.
Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnisse des Krieges aus vietnamesischer Sicht
Der Konflikt zwischen China und Vietnam begann bereits lange, bevor es zu den
Grenzgefechten zwischen den Roten Khmer und vietnamesischen Truppen 1977
kam, deren Eskalation zum Angriff Chinas auf Vietnam im Februar 1979 führte.
Die genaue zeitliche Verortung des Einsetzens des Konfliktes ist jedoch schwierig.
In der vorliegenden Betrachtung wird ein Zeitfenster von 1973 (Enthüllung erster
Anzeichen tief greifender Differenzen zwischen China und Vietnam) bis 1979
(„Erziehungsfeldzug“ Chinas in Vietnam) gewählt, wobei die eigentliche Eskalation des Konfliktes zum Krieg 1977 mit den Grenzstreitigkeiten zwischen Vietnam
und Kambodscha einsetzten.
Die ersten Anzeichen des bestehenden, ernstzunehmenden Problems zwischen
China und Vietnam waren territorialer Natur: China beanspruchte die dicht vor der
Küste Vietnams liegenden Spratly- und Paracelinseln mit ihren potentiellen Ölvorkommen für sich. Damit kontrollierte China die Mehrzahl der Ölressourcen des
Südchinesischen Meeres. Hierbei blieben Verhandlungen zwischen Peking und
Hanoi aus. Überdies gab es Berichte über zahlreiche Zwischenfälle an der Landgrenze der beiden Staaten im Jahre 1974.
Im April und Mai 1975 kam es zu einer erfolgreichen, nordvietnamesischen Offensive gegen Saigon und in der Folge zur Wiedervereinigung Vietnams. Da China
im Gegensatz zur UdSSR jedoch nur wenig militärische und Wiederaufbauhilfe im
Vorfeld und Verlauf der Wiedervereinigung leistete, kam der Verdacht auf, daß
China ein vereintes und damit starkes Vietnam eher zu vermeiden suchte. Tatsächlich erging eine Warnung Chinas an Hanoi, die Wiedervereinigung nicht zu forcieren. Nach dem erfolgreichen Anschluß Südvietnams erging eine weitere Warnung,
diesmal vor eventuellen Ambitionen in Kambodscha und Laos.
1977 begannen die Kämpfe entlang der vietnamesisch-kambodschanischen
Grenze. Vermutet wird hier eine kambodschanische Abschreckungsstrategie gegen
vietnamesische Annexionsbestrebungen. Diese zog jedoch einen unbeabsichtigten
67
Effekt nach sich: Vietnam führte einen Angriff gegen die Roten Khmer. China sah
dieses Vorgehen als Teil eines mit der UdSSR abgesprochenen Planes zur Bildung
einer „Union Indochinas“ unter der Hegemonie Vietnams und sicherte den Roten
Khmer Unterstützung bis zum Sieg über Vietnam zu.
Trotz der Unterstützung Chinas gewann Hanoi im Verlauf des Jahre 1978 die
Oberhand in Kambodscha und eroberte im Januar 1979 trotz der Warnungen Pekings die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh. Dies konnte die Volksrepublik jedoch nicht tatenlos hinnehmen, ohne daß Vietnam und die UdSSR es als
Zeichen der Schwäche gewertet hätten. Daher begann China am 17. Februar 1979
einen 27 Tage dauernden „Erziehungsfeldzug“ gegen Vietnam.
Durch diesen Angriff konnte Vietnam jedoch nicht gezwungen werden, seine
Truppen aus Kambodscha abzuziehen. Er warf jedoch die Wirtschaftsplanung
Vietnams durch Zerstörung der Infrastruktur zurück und führte zu einem erhöhten
Bedarf an Hilfsleitungen der UdSSR. Damit wurde die Beziehung zwischen Vietnam und der UdSSR noch weiter vertieft.
China zog sich wieder aus vietnamesischem Gebiet zurück, und Verhandlungen
wurden aufgenommen, die jedoch wenig fruchtbar waren: Die Grenzkämpfe wurden weitergeführt. Ein zweiter Krieg konnte aber dennoch vermieden werden, da
dessen Kosten gescheut wurden.
Theoretische Erklärung der Kriegsursachen
Die Ursachen des Krieges sollen hier aus einer realistischen Perspektive betrachtet
werden, d.h., daß das Verhalten Vietnams sich aus dem Eigeninteresse seines
Weiterbestehens ergeben muß. Um ein Verhalten aufgrund von Bedrohung der
Existenz des Staates zu erklären, müssen die Verwundbarkeiten dieses Staates erkannt werden. Interessant sind im vorliegenden Fall also die Lücken in der Sicherheit Vietnams. Aus der jeweiligen Bedrohung der Existenz des Staates wird sich
dann sein jeweiliges Verhalten zur weiteren Gewährleistung seiner Sicherheit ergeben.
Vietnams Hauptverwundbarkeit zur Zeit des Konfliktes lag in der Abhängigkeit
von der Unterstützung durch die UdSSR und China: Jahre des Krieges hatten die
vietnamesische Wirtschaft am Boden hinterlassen. Dieser Umstand führte dazu,
daß Vietnam zu einer vorsichtigen Gratwanderung zwischen den beiden hilfeleistenden Staaten gezwungen war, bei der es Rücksicht auf die Interessen beider Seiten nehmen mußte. Nach der offiziellen Wiedervereinigung unternahm man daher
den Versuch, seine Beziehungen zu den USA zu verbessern, um möglicherweise
von dort Wirtschaftshilfe zu erhalten und somit größtmögliche Unabhängigkeit von
beiden Staaten, sowohl von China als auch der UdSSR, zu erreichen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch.
Unter Berücksichtung dieses Balanceakts Vietnams zwischen UdSSR und China ergibt sich durch die Beanspruchung der Paracel- und Spratlyinseln folgendes
Bild: In Folge der Kontrolle Chinas über die Erdölressourcen im Südchinesischen
68
Meer und der Ölpreisexplosionen von 1973 und 1974 kam Vietnam in eine prekäre
Lage und wurde weiter in eine Abhängigkeit getrieben. Bereits hier wurde ersichtlich, daß einer Konfrontation mit China in Zukunft nicht mehr aus dem Weg zu
gehen war.
Mit der Wiedervereinigung 1975 erfolgte eine Stärkung Vietnams, auch gegenüber seinen Nachbarstaaten. Daraus ergab sich für Vietnam die Zukunftsperspektive, größeren Einfluß in Indochina zu gewinnen, während es weiterhin in den Genuß wirtschaftlicher und politischer Unterstützung von China und der UdSSR käme (ein plötzlicher Abbruch dieser Unterstützung war unwahrscheinlich: aufgrund
des eigenen Konfliktes zwischen China und der UdSSR wollte keine der beiden
Seiten das Abgleiten Vietnams in das jeweils andere Lager riskieren) und somit ihre Unabhängigkeit zu fördern.
Zu diesem Zeitpunkt sah Vietnam in China die größte Bedrohung für seine Unabhängigkeit: Zum einen war ein direkter Eingriff der UdSSR in die Belange Vietnams schon allein durch deren geographische Entfernung (sie grenzt an keiner
Stelle an Vietnam) geringer, zum anderen ließ das Verhalten Chinas vor und nach
der Wiedervereinigung folgende Schlußfolgerungen seitens Vietnams zu: China
versuchte offensichtlich, die Wiedervereinigung zu verzögern, um einen wachsenden Einfluß Vietnams in Indochina zu vermeiden, unter anderem deswegen, weil
China selbst ein Interesse daran hatte, sein Gewicht in Laos und Kambodscha zu
stärken und Vietnams Stellung dort zu schwächen, um sich freundlich gesinnte
Nachbarn zu sichern und den regionalen, sowjetischen Einfluß zu begrenzen. Außerdem war zu befürchten, daß China Mittel und Wege finden würde, um Vietnam
von dem sowjetischen Lager zu entfernen und auf chinesischer Seite stärker in den
chinesisch-sowjetischen Konflikt einzubinden. Dies konnte nicht im Interesse
Vietnams sein.
Während des Konfliktes mit Kambodscha wurde am 3. November 1978 ein
Freundschafts- und Kooperationsvertrag mit einer Sicherheitsgarantie in Artikel 6,
zwischen Moskau und Hanoi unterzeichnet. Dies nahm Vietnam als Ermutigung,
China die Stirn zu bieten und seinen Einfluß in Indochina durch Kontrollgewinne
in Kambodscha zu stärken. So nahm Vietnam unter dem Deckmantel der
neugegründeten Kampuchea National United Front for National Salvation Phnom
Penh ein, um in Kambodscha eine Marionettenregierung unter deren Anführer
Heng Samrin zu errichten.
Wie bekannt schlug der Plan fehl, und durch die Verwüstung der Infrastruktur
Vietnams durch die Chinesen wurde Hanoi noch stärker an die wirtschaftliche Hilfe der UdSSR gebunden.
69
Literatur zum Proseminar
TEIL 1
Einführung
1. Sitzung - Organisation des Seminars, Gegenstand der Teildisziplin
Hütter, Joachim, Einführung in die internationale Politik, Berlin – Köln – Mainz –
Stuttgart 1976, S. 15.
Lauth, Hans-Joachim; Zimmerling, Ruth Internationale Beziehungen, in: Manfred
Mols, Hans-Joachim Lauth, Christian Wagner (Hrsg.), Politikwissenschaft:
Eine Einführung, Paderborn – München – Wien – Zürich 1994, S. 136 – 145.
Maull, Hanns W., Geopolitik im Zeitalter der Globalisierung: Welche Zukunft hat
der Nationalstaat?, in: Deutschland, Nr. 6, Dezember / Januar, 1999, S. 26 –
30.
Theoretische Perspektiven
2. Sitzung - Grundlagen: Theorie - Methodik
Frei, Daniel, Einführung: Wozu Theorien der internationalen Politik?, in: Daniel
Frei (Hrsg.), Theorien der internationalen Beziehungen, 2. Auflage, München
1973, S. 11 – 21.
Van Evera, Stephan, Guide to Methods for Students of Political Science, Ithaca –
London 1997, S. 7 – 17.
3. Sitzung - Realismus / Neorealismus
Morgenthau, Hans J., Macht und Frieden. Grundlagen einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963, S. 48 – 60.
Waltz, Kenneth N., Political Structures, in: Robert O. Keohane (ed.), Neorealism
and its Critics, New York 1986, S. 70 – 97.
70
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Keohane, Robert O.; Nye, Joseph S., Power and Interdependence, 2. Auflage, Boston – Glenview – London 1989, S. 8 – 19, 23 – 37.
Keohane, Robert O., International Institutions and State Power. Essays in International Relations Theory, Boulder – London 1989, S. 1 – 7.
Moravcsik, Andrew; Taking Preferences Seriously: A Liberal Theory of International Politics, in: International Organization, Nr. 4, Herbst 1997, S. 513 –
533.
5. Sitzung - Konstruktivismus
Boekle, Henning; Rittberger, Volker; Wagner, Wolfgang, Soziale Normen und
normgerechte Außenpolitik. Konstruktivistische Außenpolitiktheorie und
deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, Nr. 1, 2001, S. 71 – 103.
Buzan, Barry; Waever, Ole; de Wilde, Jaap, Security. A New Framework for
Analysis, Boulder – London 1998, S. 21 – 47.
Akteure und Außenpolitikanalyse
6. Sitzung - Akteure und Interessen
Maull, Hanns W., Welche Akteure beeinflussen die Weltpolitik?, in: Karl Kaiser,
Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Weltpolitik im neuen Jahrhundert, Bonn 2000, S.
369 – 382.
Forschungsgruppe Menschenrechte: Internationale Menschenrechtsnormen, transnationale Netzwerke und politischer Wandel in den Ländern des Südens, in:
Zeitschrift für Internationale Beziehungen, Nr. 1, 1998, S. 5 – 17.
7. Sitzung - Motive I: Sicherheit
Deutsch, Karl W., Die Analyse internationaler Beziehungen, Frankfurt am Main
1968, S. 275 - 276.
Frei, Daniel, Sicherheit. Grundfragen der Weltpolitik, Stuttgart u.a. 1977, S. 21,
24.
Herz, John H., Weltpolitik im Atomzeitalter, Stuttgart 1961, S. 130 – 137.
Maull, Hanns W., Sicherheit und Macht in den Zeiten der Globalisierung, in: Sicherheit + Stabilität, Nr. 1, Mai 2003, S. 17 – 36.
71
8. Sitzung - Motive II: Wohlfahrt
Dahrendorf, Ralf, Die Quadratur des Kreises. Ökonomie, sozialer Zusammenhalt
und Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (Ein „Blätter“-Gespräch), in:
Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 9, September 1996, S. 1060
– 1071.
Kegley Jr., Charles W.; Wittkopf, Eugene R., World Politics. Trend and Transformation, hier Kapitel 8: States and Markets: Monetary and Trade Relations in
an Interdependent World Political Economy, 6. Auflage, New York 1997, S.
204 – 247.
9. Sitzung - Motive III: Entwicklung
Nohlen, Dieter; Nuscheler, Franz (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1:
Grundprobleme, Theorien, Strategien, 3., völlig neu bearbeitete Auflage,
Bonn 1992, S. 31 – 54.
Ulrich, Ralf E., Explosion der Weltbevölkerung oder Implosion?, in: Internationale
Politik, Nr. 12, Dezember 2000, S. 17 – 24.
10. Sitzung - Instrumente der Außenpolitik
Russett, Bruce; Kinsella, David; Starr, Harvey, World Politics. The Menu for
Choice, 7. Auflage, Belmont 2003, S. 98 – 128.
11. Sitzung - Entscheidungsprozesse
Allison, Graham T., Begriffliche Modelle und das Wesen der Entscheidung, in:
Helga Haftendorn (Hrsg.), Theorie der Internationalen Politik. Gegenstand
und Methoden der Internationalen Beziehungen, Hamburg 1975, S. 255 – 274.
Putnam, Robert D., Diplomacy and domestic politics: the logic of two-level games,
in: International Organization, Nr. 3, Sommer 1988, S. 427 – 460.
System / Systemanalyse
12. Sitzung - Macht, Konflikt, Gewalt
Efinger, Manfred; Rittberger, Volker; Zürn, Michael, Internationale Regime in den
Ost-West-Beziehungen. Ein Beitrag zur Erforschung der friedlichen Behandlung internationaler Konflikte, Frankfurt am Main 1988, S. 42 – 62.
Meyers, Reinhard, Begriff und Probleme des Friedens, Opladen 1994, S. 24 – 27,
117 – 123.
72
Risse, Thomas, Theorien der internationalen Politik und die Praxis der Kriegsverhütung und Friedensförderung, in: Siegfried Frech, Wolfgang Hesse, Thomas
Schinkel (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der politischen Bildung,
Schwalbach/Ts. 2000, S. 49 – 65.
13. Sitzung - Kooperation, Integration, Interdependenz I: EU
Varwick, Johannes, Die Europäische Union – Politisches System und Außenbeziehungen, erschienen in: Manfred Knapp, Gerd Krell (Hrsg.), Einführung in die
internationale Politik. Studienbuch, 4. Auflage, München – Wien 2003, Original auf den S. 201 – 249.
14. Sitzung - Kooperation, Integration, Interdependenz II: UNO
Knapp, Manfred, Die Rolle der Vereinten Nationen in den internationalen Beziehungen, vorgesehen für die Publikation: Manfred Knapp, Gerd Krell (Hrsg.),
Einführung in die internationale Politik. Studienbuch, 4. Auflage, München –
Wien 2003.
Fallstudie
15. Sitzung - Deutsche Außenpolitik
Maull, Hanns W., Germany and the Use of Force: Still a ´Civilian Power´?, in:
Survival, Nr. 2, Sommer 2000, S. 56 – 80.
Maull, Hanns W., Internationaler Terrorismus. Die deutsche Außenpolitik auf dem
Prüfstand, in: Internationale Politik, Nr. 12, Dezember 2001, S. 1 - 10.
73
TEIL 2
Krieg und Theorie
Begriff des Krieges
Clausewitz, Carl von, Vom Kriege, Hinterlassenes Werk, hier Erstes Buch, Erstes
Kapitel: Was ist der Krieg?, Berlin 1998 (Original 1832), S. 27 – 47.
Meyers, Reinhard, Krieg und Frieden, in: Wichard Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik, 6. aktualisierte Auflage, Bonn 1995, S. 238 – 254.
Kriegsursachen aus zwischenstaatlicher Perspektive
Betts, Richard K., Must War Find a Way? A Review Essay, in: International Security, Nr. 2, Herbst 1999, S. 166 – 198.
Daase, Christopher, Krieg und politische Gewalt: Konzeptionelle Innovation und
theoretischer Fortschritt, in: Gunther Hellmann, Klaus Dieter Wolf, Michael
Zürn (Hrsg.), Die neuen Internationalen Beziehungen. Forschungsstand und
Perspektiven in Deutschland, Baden-Baden 2003, S. 161 – 208.
Garnett, John, The Causes of War and the Conditions of Peace, in: John Baylis,
James Wirtz, Eliot Cohen, Colin S. Gray (eds.), Strategy in the Contemporary
World. An Introduction to Strategic Studies, Oxford – New York 2002, S. 66
– 87.
Jervis, Robert, Theories of War in an Era of Leading-Power Peace (Presidential
Address, American Political Science Association 2001), in: American Political Science Review, Nr. 1, März 2002, S. 1 – 14.
Levy, Jack S., War and Peace, in: Walter Carlsnaes, Thomas Risse, Beth A. Simmons (eds.), Handbook of International Relations, London - Thousand Oaks –
Neu Delhi 2001, S. 350 – 368.
Lieber, Keir A., Grasping the Technological Peace. The Offense-Defense Balance
and International Security, in: International Security, Nr. 1, Sommer 2000, S.
71 – 104.
Münkler, Herfried, Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, hier Kapitel 1: Gegensätzliche Kriegsursachenanalysen, zweite Auflage, Weilerswist 2003, S. 19 – 33.
Reiter, Dan; Stam III., Allan C., Democracy, War Initiation, and Victory, in:
American Political Science Review, Nr. 2, Juni 1998, S. 377 – 389.
Snyder, Jack, Anarchy and Culture: Insights from the Anthropology of War, in: International Organization, Nr. 1, Winter 2002, S. 7 – 45.
74
Van Evera, Stephen, Offense, Defense, and the Causes of War, in: International
Security, Nr. 4, Frühjahr 1998, S. 5 – 43.
Substaatliche Formen politischer Gewalt
Kiras, James D., Terrorism and Irregular Warfare, in: John Baylis, James Wirtz,
Eliot Cohen, Colin S. Gray (eds.), Strategy in the Contemporary World. An
Introduction to Strategic Studies, Oxford – New York 2002, S. 208 – 232.
Münkler, Herfried, Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, hier Kapitel 10: Die privatisierten Kriege des 21.
Jahrhunderts, zweite Auflage, Weilerswist 2003, S. 220 – 235.
Krieg und Recht
Otto Kimminich, Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, hier Kapitel 18:
Krieg und Neutralität, humanitäres Völkerrecht, 7. völlig überarbeitete und
erweiterte Auflage, Basel – Tübingen 2000, S. 439 – 477.
Kriege im asiatisch-pazifischen Raum
Geographie
Geographisches Grundwissen, zusammengestellt von Martin Wagener, Trier 2003.
Überblicksdarstellungen
Bundeszentrale für politische Bildung. Schlaglichter der Weltgeschichte, Bonn
1994 (Auszüge).
Kindermann, Gottfried-Karl, Der Aufstieg Ostasiens in der Weltpolitik 1840 bis
2000, Stuttgart – München 2001 (Auszüge).
18. Sitzung - Opiumkrieg (1840 – 1842)
Tikhvinsky, S.L., Modern History of China, Moskau 1972 (englische Übersetzung
von 1983), S. 127 – 148.
19. Sitzung - Krieg China – Japan (1894 – 1895)
Lone, Stewart, Japan’s First Modern War. Army and Society in the Conflict with
China, 1894 – 95, London 1992, S. 12 – 29, 178 – 187.
20. Sitzung - Krieg USA – Spanien (1898)
Campbell, Charles S., The Transformation of American Foreign Relations 1865 –
1900, New York – Hagerstown - San Francisco – London 1976, S. 258 – 278.
75
21. Sitzung - Krieg Rußland – Japan (1904 – 1905)
Nish, Ian, The Origns of the Russo-Japanese War, London – New York 1985, S.
222 – 258.
22. Sitzung - Pazifikkrieg (1937 – 1945)
Levine, Alan J., The Pacific War. Japan versus the Allies, Westport - London
1995, S. 1 – 28.
23. Sitzung - Kriege Indien – Pakistan (1947, 1965, 1971)
Cohen, Stephen Philip, India. Emerging Power, Washington D.C., S. 198 – 227.
24. Sitzung - Korea-Krieg (1950 – 1953)
Stueck, William, The Korean War. An International History, Princeton 1995, S. 10
– 46.
25. Sitzung - Krieg Frankreich – Vietnam (1946 – 1954)
Hammer, Ellen J., The Struggle for Indochina 1940 – 1955, Stanford 1955, S. 175
– 202.
26. Sitzung - Krieg China – Indien (1962)
Nieh, Yu-Hsi, Das indisch-chinesische Grenzproblem. Neue Gesichtspunkte,
Hamburg 1971, S. 23 – 51.
27. Sitzung - Krieg USA – Vietnam (1965 – 1973)
Ruane, Kevin, War and revolution in Vietnam, 1930 – 1975, London - Bristol
1998, S. 71 – 88.
28. Sitzung - Krieg China – Vietnam (1979)
Hood, Steven J., Dragons Entangled. Indochina and the China-Vietnam War, Armonk – London 1992, S. 31 – 57.
76
Zugehörige Unterlagen
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