Gesundheitsgespräch Leben mit Diabetes Sendedatum: 12.11.2016 Dieses Dossier umfasst die Themen „Diabetes Typ 1“, „Diabetes bei Kindern“ und „Diabetes Typ 2“. Zugrunde liegen Interviews der Autoren mit jeweils verschiedenen Experten. Diabetes Typ 1 Experte: PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Autor: Moritz Pompl Patienten mit Diabetes Typ 1 sind von den ersten Symptomen meist ziemlich überrumpelt: Sie müssen plötzlich ständig pinkeln und entwickeln einen schier unstillbaren Durst. Wenn diese Krankheitszeichen auftreten, ist höchste Eile geboten, denn die Patienten können schnell ins Koma fallen – und alles nur, weil der Körper mit seinem Immunsystem Teile der Bauchspeicheldrüse zerstört hat. Ohne Behandlung verläuft die Erkrankung tödlich. Die aktuelle Forschung sucht nach Möglichkeiten, die Krankheit zu erkennen, bevor sie ausbricht. Selbst Impfstoffe werden erprobt. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Was ist Diabetes Typ 1? Wie die Krankheit entsteht Der Begriff Diabetes mellitus bedeutet „honigsüßer Durchfluss“: Im Altertum probierten die Ärzte den Urin ihrer Patienten und stellten damit die Diagnose. Beim Diabetes Typ 1 greift das körpereigene Immunsystem die Bauchspeicheldrüse an. Dadurch sinkt die Insulinausschüttung, und der Blutzucker steigt. Dem Diabetes Typ 1 liegt ein Mangel an Insulin zugrunde. Das Hormon wird in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet und sorgt dafür, dass Zucker aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen wird, vor allem in die Muskel-, Fett- und Leberzellen. Nach der Nahrungsaufnahme steigt der Blutzucker an – entsprechend mehr Insulin gelangt dann aus der Bauchspeicheldrüse ins Blut. Umgekehrt ist der Insulinspiegel im Blut bei Hunger besonders niedrig. Dadurch wird der Blutzucker in engen Grenzen gehalten: Er liegt im Normalfall bei 60 – 100 Milligramm pro Deziliter Blut (direkt nach dem Essen darf er auch höher sein). Der Körper bekämpft sich selbst Hat ein Patient Diabetes, dann ist die Blutzucker-Regulierung gestört. Beim Diabetes Typ 2 liegt in der Regel eine Insulinresistenz zu Grunde – das bedeutet, dass die Körperzellen nicht mehr so gut auf Insulin reagieren. Sie sind aufgrund falscher Essgewohnheiten mit vielen schnell-resorbierbaren Kohlenhydraten (v.a. Zucker) und Fetten ständig mit einem Überangebot an Blutzucker bombardiert worden und dadurch „abgestumpft“. Genauer gesagt haben sich die Rezeptoren für Insulin an den Zielzellen zurückgebildet. Die Patienten mit Diabetes Typ 2 sind meistens älter und übergewichtig. Beim Diabetes Typ 1 dagegen zerstört das körpereigene Immunsystem die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, in denen das Insulin gebildet wird. Außerdem wenden sich Antikörper gegen das Insulin und teilweise auch gegen seine Vorstufe, das Pro-Insulin. Die Ärzte sprechen von einem Diabetesspezifischen Autoimmunprozess. Dieser tritt relativ häufig zusammen mit weiteren Autoimmunprozessen auf, die sich dann auch noch gegen andere Organe richten können, etwa gegen die Schilddrüse. Die Gene spielen eine Rolle Die Krankheit entwickelt sich meist im Kinder- und Jugendalter, und sie führt dazu, dass früher oder später die Insulinproduktion der Beta-Zellen nicht mehr ausreicht, um den Blutzucker auf gesundem Niveau zu regulieren. Später kann der Körper nur noch sehr wenig oder gar kein Insulin mehr bilden. Ohne Behandlung stirbt der Patient. Wodurch der Autoimmunprozess ausgelöst wird, ist trotz intensiver Forschung noch nicht restlos geklärt. Fest steht, dass die Gene eine Rolle spielen: Das Risiko für Diabetes Typ 1 ist um fünf bis zehn Prozent erhöht, wenn ein Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Elternteil oder Geschwisterkind erkrankt ist – und es steigt auf 25 Prozent, wenn mehrere enge Verwandte die Krankheit haben. Entscheidend bei der Vererbung sind Oberflächenproteine auf den weißen Blutkörperchen (sogenannte HLA = Humane Leukozyten-Antigene). Sie haben im Immunsystem die Aufgabe, Antigene zu präsentieren, also Stoffe, gegen die das Immunsystem kämpfen soll. Immunzellen, die gegen körpereigene Stoffe gerichtet sind, werden normalerweise aussortiert und vernichtet. Bestimmte Varianten der HLA-Oberflächenproteine begünstigen es aber offensichtlich, dass einige der selbstreaktiven Immunzellen ungeschoren davonkommen. Dann gerät das Immunsystem ins Wanken. „Es gibt über 50 bekannte Gene und Genregionen, die dabei eine Rolle spielen. Aber das allein erklärt nicht den rasanten Anstieg der Erkrankungszahlen in den vergangenen Jahren.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Beim Diabetes Typ 1 beobachten Mediziner einen kontinuierlichen Anstieg der Fallzahlen: Derzeit hat in Deutschland rund jeder 170ste Bürger Diabetes Typ 1, aber die Zahl der Neuerkrankungen steigt pro Jahr um rund drei bis vier Prozent. „Bei Kindern unter fünf Jahren liegt die jährliche Anstiegsrate sogar bei sechs Prozent. Wenn der Prozess weitergeht, dann haben wir in zwölf Jahren eine Verdoppelung der Neuerkrankungszahlen bei den Jüngsten. Bereits heute gibt es in Deutschland rund 300.000 Betroffene in allen Altersgruppen.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Viren als Ursache? Verschiedene Umweltfaktoren werden als Auslöser für diesen Anstieg diskutiert, unter anderem auch Virusinfektionen: Bevor Patienten die ersten Diabetes-Symptome bekommen, haben viele von ihnen einige Tage oder wenige Wochen vorher eine Infektion gehabt. Die Bandbreite reicht von Erkältungen mit dem Coxsackie B-Virus bis hin zu Kinderkrankheiten wie Mumps oder Röteln und dem Pfeiffer‘schen Drüsenfieber. Auch Stesssituationen wie eine Operation oder Umweltfaktoren wie etwa Feinstaub oder Stickstoffdioxid stehen im Verdacht, Diabetes Typ 1 zu begünstigen. „Leider wissen wir hier noch zu wenig. Es gibt eine ganze Reihe an Umweltfaktoren, die in kleineren Studien genannt worden sind, und die zum Teil auch signifikante Ergebnisse gezeigt haben. Diese Ergebnisse konnten aber nicht immer bestätigt werden.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Deshalb glauben viele Mediziner, dass Umweltfaktoren oder Viruserkrankungen nur das „Tüpfelchen auf dem i“ sind und den Krankheitsprozess beschleunigen: Sie treffen auf ein besonders empfängliches Immunsystem, das dann überreagiert und die volle Ausprägung des Autoimmunprozesses ermöglicht. Meist war dieser zum Zeitpunkt der Infektion schon lange unbemerkt im Gange. „Die gestörte Regulation der Immunantwort ist das Grundproblem. Umweltfaktoren leisten einen wesentlichen, aber nicht ursächlichen Beitrag in der Krankheitsentwicklung.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München In dieses Bild passt auch die Theorie, dass Diabetes Typ 1 mit einem zu sauberen Lebensstil zu tun hat: Je weniger ein Kind „im Dreck“ spielt und mit Keimen verschiedenster Art in Berührung kommt, desto weniger muss sich sein Immunsystem mit der Umwelt auseinandersetzen. Dadurch können aber auch wichtige Trainingseinheiten wegfallen, durch die das Immunsystem lernt, nicht unangebracht und überschießend, sondern angemessen zu reagieren. Symptome von Diabetes Typ 1 - Wenn Zucker den Körper austrocknet Wenn jemand ständig pinkeln muss und mit dem Trinken nicht mehr hinterherkommt, ist höchste Eile geboten: Dann droht der Patient ins Koma zu fallen. Die Symptome von Diabetes Typ 1 machen sich bemerkbar, wenn etwa 80 Prozent der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört sind. Die Patienten sind meist unter 40 Jahre alt, besonders häufig sind Kinder und Jugendliche betroffen. Sie müssen plötzlich häufig pinkeln und verlieren dadurch viel Wasser. Das liegt daran, dass die Nieren den vielen Zucker, den sie aus dem Blut filtern, nicht mehr wieder aufnehmen können (bei einem normalen Blutzuckerwert schaffen sie das problemlos). Der überschüssige Zucker gelangt über die feinen Röhrchen der Nieren in die Blase und wird letztlich als „honigsüßer“ Urin ausgeschieden – daher auch der griechisch-lateinische Name „Diabetes mellitus“. Auf seinem Weg durch die Nieren sorgt die süße Zuckerlösung dafür, dass wegen der osmotischen Wirkung Wasser aus dem Gewebe nachfließt und dem Körper entzogen wird. Durst und Gewichtsverlust Der Körper versucht, den Wasserverlust auszugleichen, und aktiviert das Durstzentrum im Gehirn: Die Patienten können quasi ohne Unterlass trinken, auch nachts. Entsprechend schlecht schlafen sie, fühlen sich müde und kraftlos. Gleichzeitig verlieren sie an Körpergewicht, maßgeblich aus zwei Gründen: Erstens scheidet der Körper massenhaft Zucker über den Urin aus, Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 und verliert dadurch Kalorien, die er eigentlich bräuchte. Zweitens leiden die Körperzellen paradoxerweise an einem Zuckermangel, obwohl im Blut mehr als genug davon herumschwimmt: Der Insulinmangel führt dazu, dass kaum mehr Zucker in die Zellen aufgenommen wird. Diese reagieren darauf, indem sie selbst anfangen, Zucker herzustellen, und zwar aus gespeicherten Fetten und aus Proteinen. Entsprechend nehmen die Fettreserven ab und die Muskelmasse schrumpft. Das Blut wird sauer Der massive Fettabbau führt dazu, dass viele „Ketonkörper“ gebildet werden – saure Abbauprodukte, die ins Blut gelangen. Das Blut wird sauer („Ketoazidose“), was über Elektrolytverschiebungen letztlich bis zum Koma führen kann. Gleichzeitig trocknen die Körperzellen wegen des hohen Blutzuckerspiegels aus, auch im Gehirn. Das Bewusstsein trübt zunehmend ein. „Rund ein Drittel aller neuen Diabetes Typ 1-Patienten gelangen bereits mit einer Ketoazidose in die Klinik und müssen auf die Intensivstation.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Um die Diagnose zu sichern wird der Blutzuckerspiegel bestimmt, der bei einem Diabetes Typ 1 über 200 Milligramm pro Deziliter Blut liegt (Normalwert nüchtern 60 – 100 mg/dl). Der Langzeit-Zuckerwert HbA1c gibt zudem Auskunft darüber, wie hoch der Blutzucker in den letzten sechs bis acht Wochen war. „Der Verlauf kann dramatisch sein: Eines von 400 Kindern mit Ketoazidose stirbt auch heute noch. Im Vergleich zu früher sind das zwar deutlich kleinere Zahlen. Aber das müsste trotzdem nicht sein.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Chronische Folgen drohen Manche Patienten mit einem Diabetes Typ 1 leiden an Wadenkrämpfen und Sehstörungen. Beides hat mit Verschiebungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes zu tun, der unter anderem auch die Linse im Auge betreffen kann. Die chronischen Folgen ähneln dem des Diabetes Typ 2: Der Körper zeigt häufiger als ein gesunder Organismus Zeichen einer Abwehrschwäche, etwa in Form einer Blasenentzündung oder als Pilzbefall im Genitalbereich. Außerdem werden durch den hohen Blutzucker auf lange Sicht die Gefäße am Auge, in den Nieren, den Beinen, am Herzen und im Gehirn geschädigt – es drohen Blindheit, Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall und die „Schaufensterkrankheit“ (periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK). Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Darüber hinaus kann sich eine Polyneuropathie entwickeln, weil die Nerven etwa in den Beinen teilweise absterben – dadurch haben die Patienten an manchen Stellen zum Beispiel weniger Gespür oder können Temperaturunterschiede schlechter wahrnehmen (z.B. heißes oder kaltes Wasser). Entscheidend ist eine möglichst optimale und rasche therapeutische Einstellung des Blutzuckers. Je früher ein Patient adäquat behandelt wird, desto besser lassen sich die chronischen Schäden hinauszögern. Therapie bei Diabetes Typ 1 - Ohne Insulin geht nichts Je früher ein Patient mit Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird, desto besser lassen sich gravierende Schäden für die Gesundheit hinauszögern. Die Therapie beeinflusst den Alltag aber maßgeblich, denn „Urlaub“ von der Krankheit gibt es nicht. Bekommen neu diagnostizierte Typ-1-Diabetiker eine passende Therapie, dann normalisiert sich der Blutzucker. Die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse erholen sich sogar vorübergehend und produzieren wieder vermehrt eigenständig Insulin – allerdings ist diese Erholung nur von kurzer Dauer. Nach ein bis zwei Jahren verebbt die Insulinproduktion meist endgültig. Entsprechend ist der Körper spätestens dann endgültig auf künstlich zugeführtes, gentechnisch hergestelltes Insulin angewiesen. Und weil Insulin im MagenDarm-Trakt abgebaut wird, muss es gespritzt werden. Als Ort für die Injektion eignet sich zum Beispiel das Unterhautfettgewebe am Bauch, von wo aus das Insulin dann resorbiert wird. „Konventionelle“ und „intensivierte“ Therapie Insulinmenge und Anzahl der Injektionen richten sich nach dem Blutzucker (den die Patienten regelmäßig über einen Blutstropfen aus der Fingerspitze bestimmen müssen) und den Mahlzeiten. Es gibt unterschiedliche Therapiemöglichkeiten: Bei der „konventionellen“ Insulintherapie spritzt sich der Patient zweimal täglich - zum Frühstück und zum Abendessen - , und zwar mit einer Mischung aus normalem Insulin und einem Verzögerungsinsulin, das langsamer abgebaut wird und damit länger vorhält. Die Mahlzeiten müssen zu relativ festen Zeiten eingenommen werden und von der Menge an Kohlenhydraten auf die Insulinmenge abgestimmt sein. Flexibler ist die „intensivierte“ Insulintherapie: Der Patient spritzt sich ein bis zweimal täglich mit einem Verzögerungsinsulin, und zusätzlich jeweils vor den Mahlzeiten mit einem schnell wirksamen Insulin. Dadurch ist er wesentlich flexibler, was die Mahlzeiten angeht. Allerdings muss er sich häufiger spritzen und den Blutzucker häufiger kontrollieren. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Auch die Therapie mit einer Insulinpumpe kommt in Frage: Der Patient trägt dabei eine kleine Pumpe am Körper und bekommt einen kleinen Katheter unter die Haut gepflanzt. Darüber wird Insulin in den Körper abgegeben. Eine gute Schulung ist wichtig Unabhängig von der Therapie müssen die Patienten ihre Ernährung genau im Blick haben und wissen, wie viel Insulin sie dem Körper je nach Mahlzeit zuführen müssen. Sinnvoll ist eine vollwertige Mischkost mit langkettigen Kohlenhydraten. Schnell resorbierbare Zucker (wie in Süßigkeiten) dagegen sollten die Patienten meiden, ebenso wie zu viel Eiweiß in der Nahrung. Das beansprucht die Nieren besonders, und die sind ohnehin schon vom hohen Blutzucker gestresst. Die Patienten müssen gut geschult werden, um zum Beispiel schnell zu erkennen, wenn sie Symptome einer Unterzuckerung entwickeln (etwa durch zu viel gespritztes Insulin). Da der Diabetes die Gefäße schädigt, sollten die Patienten auf andere Faktoren verzichten, die ebenfalls schlecht für die Arterien sind (vor allem Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen). Früherkennung - Wie Insulin als Impfstoff wirken könnte Forscher suchen nach Möglichkeiten, Patienten mit Diabetes Typ 1 zu erkennen, bevor sie überhaupt Symptome entwickeln. Selbst eine Impfung wird erprobt. Die aktuelle Forschung zielt unter anderem darauf ab, Diabetes Typ 1 bereits zu erkennen, bevor die Krankheit klinisch mit Symptomen ausbricht. Eine Möglichkeit, die derzeit in Bayern in Zusammenarbeit mit vielen Haus- und Kinderärzten in der Fr1da-Studie (www.fr1da-studie.de) erprobt wird, ist die Bestimmung von Beta-Zell-Antikörpern im Blut von Zwei- bis Fünfjährigen im Rahmen einer routinemäßigen Kinder-Untersuchung. Die Antikörper gegen die Insulin-bildenden Beta-Zellen sind nämlich bereits im Blut nachweisbar, bevor die ersten Symptome von Diabetes Typ 1 auftreten. Sie weisen auf ein Frühstadium der Erkrankung hin. Hat ein Kind erhöhte Antikörper-Werte, dann werden die Familien entsprechend geschult, um im Ernstfall schnell handeln zu können. „Wir hoffen, dass der Gesetzgeber reagiert und die Krankenkassen das Programm dauerhaft übernehmen. Mit steigenden Zahlen würde die Bestimmung der Antikörper auch billiger. Ich schätze, der Test allein würde in Zukunft noch etwa einen Euro kosten.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Ziel der Präventionsprogramme und einer frühzeitigen Therapie ist es, sowohl lebensbedrohliche Akut-Komplikationen (Ketoazidose) als auch Spätschäden zu vermeiden. „So gut wie jeder Patient entwickelt irgendwann Folgeschäden, zum Beispiel an den Gefäßen. Aber je früher der Blutzucker gut eingestellt wird, desto länger lassen sich die Schäden hinauszögern.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München Geforscht wird auch an einer Impfung gegen Diabetes Typ 1, ähnlich einer Desensibilisierung bei allergischen Erkrankungen. Kinder bekommen hierbei Insulin als Pulver. Da es im Magen abgebaut wird, verändert es den Blutzucker nicht. Allerdings setzt sich das Immunsystem mit dem Insulin auseinander. Dadurch soll das Immunsystem so verändert werden, dass es das Insulin und auch die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr angreift. Ob sich Diabetes Typ 1 mit einer solchen Impfung irgendwann vielleicht sogar komplett verhindern lässt, muss sich aber erst noch zeigen. Diabetes bei Kindern Expertin: Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und Vorstand der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach Diabetes mellitus Typ 1: Zuckerkranke Kinder Bei der Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 stuft das Immunsystem die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse als feindlich ein und bekämpft sie. Der Körper braucht das Hormon Insulin jedoch, um Zucker aus dem Blut in die Zellen zu bringen. Insulinmangel führt dazu, dass der Blutzucker steigt, behandelt man das nicht, kommt es zu Organ- und Nervenschädigungen. Diabetes Typ 1 kann in jedem Lebensalter auftreten, die höchste Neuerkrankungsrate wird jedoch bei Kindern und Jugendlichen beobachtet. Derzeit sind in Deutschland ca. 30.000 unter 20-Jährige von Diabetes Typ 1 betroffen, die Anzahl der Neuerkrankungen steigt weltweit jährlich um drei bis fünf Prozent an. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 Späte Entdeckung Bei vielen Patienten wird Typ-1-Diabetes spät erkannt, oft erst dann, wenn ein akutes Krankheitsgefühl und schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen vorliegen. Weil sich der Typ-1-Diabetes aber durchaus schleichend entwickelt, könnte er in der Vorphase ohne weiteres durch einen Bluttest zur Bestimmung von Diabetes typischen Autoantikörpern diagnostiziert werden. Dieser wird einzigartig in Bayern allen Kindern im Alter zwischen 2 und 5 Jahren im Rahmen der Fr1da-Studie angeboten. Das Pilotprojekt wurde von Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, unter der Schirmherrschaft der Bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml initiiert. 39 Prozent der Bayerischen Kinderärzte beteiligen sich an der Durchführung des Bluttests. Wird die Diagnose eines frühen Stadiums des Typ-1-Diabetes gestellt, erfolgt eine Diabetesschulung und die Bestimmung des Blutzuckers zur Festlegung der Therapie. Autoimmunerkrankung Vergleichbar mit der Entstehung einer Krebszelle können auch die Zellen des Immunsystems entarten. „Das passiert vermutlich bei jedem Menschen hin und wieder, doch dann werden solche Zellen gleich wieder zunichte gemacht. Bei Menschen mit einer Autoimmunerkrankung funktioniert der Prozess nicht so perfekt.“ Prof. AnetteGabriele Ziegler Bei Typ-1-Diabetikern zerstört der Körper die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse unaufhörlich, mit erheblichen Konsequenzen. Die häufigsten Symptome Charakteristisch für Diabetes Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen sind eine ganze Reihe von Symptomen: • häufiger Harndrang • Durst • Müdigkeit • Hautjucken • Gewichtsverlust • charakteristischer Atemgeruch • Erbrechen und Bauchschmerzen Tipp: Zum Testen einen Arzt aufsuchen Haben Eltern den Verdacht auf Diabetes Typ 1, sollten sie nicht selbst zu einem Test greifen, sondern einen Arzt aufsuchen, der anschließend das Labor damit beauftragt. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Wichtige Marker: Autoantikörper Diabetes-spezifische Autoantikörper sind ein sehr wichtiger Marker zur Frühdiagnose und können oft schon lange vor Ausbruch der Erkrankung im Blut nachgewiesen werden. Charakteristisch ist: Diese Diabetes-spezifischen Autoantikörper sind gegen Insulin und Teile der sie produzierenden Zellen gerichtet. „Wir haben herausgefunden, dass bei etwa 80 Prozent aller Menschen, die vor dem 18. Lebensjahr Diabetes entwickeln, bereits im Alter von zwei bis drei Jahren die Antikörper dagegen nachweisbar sind.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler Die ersten Jahre entscheiden Deswegen liegt es nahe, dass die ersten Lebensjahre beim Diabetes entscheidend sind. Heute weiß man: In dieser Zeitspanne ist die Bauchspeicheldrüse in Punkto Autoimmunität besonders anfällig. Hat man diese Altersgrenze überschritten, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Typ-1Diabetes viel geringer. Warum das so ist, können Wissenschaftler noch nicht sagen. Früherkennung Aus der Tatsache, dass man Diabetes bereits so früh erkennen kann, leiten Prof. Anette-Gabriele Ziegler und ihre Kollegen die Forderung ab, bereits innerhalb der ersten vier Lebensjahre ein Diabetes-Screening durchzuführen. Denn wer schon so früh Autoantikörper im Blut hat, wird mit großer Sicherheit Diabetes entwickeln - wer nicht, wird vermutlich verschont bleiben. Gibt es in einer Familie bereits ein Kind mit Diabetes Typ 1, dann sollten sich Geschwisterkinder auf jeden Fall testen lassen. Ursachen: Warum entsteht Diabetes Typ 1? Wie bei vielen Autoimmunerkrankungen gibt es bei Diabetes Typ 1 bestimmte Empfänglichkeitsgene, insgesamt fünfzig davon sind bereits identifiziert vermutlich spielt das Zusammenwirken aller eine Rolle. Da Diabetes aber in den letzten fünfzig Jahren deutlich zugenommen hat, können nicht nur Vererbungsmechanismen eine Rolle spielen, sondern auch Umwelteinflüsse. Die TEDDY-Studie Welche Rolle Umwelteinflüsse auf Diabetes Typ 1 ausüben, untersucht zum Beispiel das Forschungsprojekt TEDDY (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young). Beteiligt daran ist neben den USA, Finnland und Schweden auch Deutschland. Ziel ist es, herauszufinden, welche Umweltfaktoren zu Diabetes Typ 1 führen, und welche davor schützen. Bei über Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 10 8.000 Kindern weltweit wurden von Geburt an bis zum 15. Lebensjahr regelmäßig Blutuntersuchungen gemacht, außerdem Trinkwasser, Ernährung und Lebensstil genau beobachtet. Hinweise in zwei Richtungen Die Ergebnisse der TEDDY-Studie zeigen, dass sowohl Ernährungsfaktoren als auch Infektionen im frühen Kindesalter Diabetes Typ 1 beeinflussen. Hinzu kommt noch die genetische Veranlagung. „Früher haben wir gedacht, es gebe den einen Auslöser für Diabetes, davon sind wir abgekommen. Wir wissen heute, dass es ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren ist.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler Ernährung Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Ernährung in den ersten sechs Lebensmonaten das Immunsystem offenbar beeinflusst: Bekommt ein Baby vor dem dritten Lebensmonat Beikost, dann kann sich das auf die Reifung des Immunsystems ungünstig auswirken. Ob es sich dabei nur um ein einziges Nahrungsmittel handelt, ist jedoch fraglich - im Moment spricht nichts dafür. Landestypische Unterschiede Vermutlich kommen verschiedene Nahrungsmittel als Risikofaktoren des Diabetes Typ 1 in Betracht. Das Risiko für die Entwicklung von Diabetes spezifischen Autoantikörpern erhöhte sich bei Kindern einer finnischen Studie, wenn sie sehr früh Beeren zu essen bekamen. In den USA war es das Getreide und in Deutschland Gluten (Kleber-Eiweiß in Getreide). Infektionen als Auslöser Eine ähnliche Vermutung legen Ergebnisse der Studie für einen weiteren Risikofaktor für Diabetes Typ 1 nahe: Nicht EIN Virus ist schuld, sondern ein wiederholt erhöhtes Level von Entzündung in den ersten Lebensjahren, zum Beispiel bei häufigem Schnupfen. „Je mehr von solchen Infektionen der oberen Atemwege im ersten Lebensjahr aufgetreten sind, desto höher war die Empfänglichkeit für Diabetes Typ 1.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler Kein Umkehrschluss Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Infekt bei einem Kind Diabetes Typ 1 auslöst. Doch viele Infekte erhöhen die Wahrscheinlichkeit und wenn dann noch die genetische Disposition für Diabetes Typ 1 vorliegt, wird das Risiko immer größer. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Coxsackie-Viren Warum genau eine Vielzahl von Infektionen Diabetes Typ 1 auslösen können, ist noch nicht eindeutig erforscht. Bekannt ist jedoch, dass z.B. CoxsackieViren, die unter anderem eine Grippe auslösen, bei einer Entzündung in die Bauchspeicheldrüse wandern und das Organ für die Auto-Reaktivität anfällig machen können. „Wer schon eine genetische Veranlagung für Diabetes Typ 1 mitbringt und dann immer wieder eine Entzündung hat, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sie irgendwann nicht mehr selbst bekämpfen kann.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler Therapie - Neue Behandlungen bei Diabetes Typ 1 Bei Typ-1-Diabetikern ist der Blutzucker zu hoch, weil der Körper kein Insulin mehr produzieren kann. Sie müssen sich ihr Leben lang kontinuierlich das Hormon spritzen, entweder mit Hilfe eines Pens oder einer Pumpe. Diabetes stellt als chronische Erkrankung die ganze Familie vor eine enorme Herausforderung, doch die lässt sich meistern. Errungenschaft In den letzten 20 bis 30 Jahren konnten die Komplikationen bei Diabetes Typ 1 durch neue Techniken und Erkenntnisse der Insulin-Ersatz-Therapie beträchtlich gesenkt werden. Die Folge: Mittlerweile haben Kinder mit Diabetes nahezu dieselbe Lebenserwartung wie Nicht-Diabetiker, sie können Extremsport machen, tauchen oder klettern. Inzwischen leben viele Erwachsene bereits 50 bis 60 Jahre ohne Komplikationen mit Diabetes. Blutzuckergedächtnis Ob eine Diabetes-Therapie langfristig wirksam ist oder nicht, hängt ganz entscheidend von der ersten Zeit ab. Vor allem die ersten fünf Jahre der Behandlung mit Insulin sind entscheidend, da der Körper ein sogenanntes Blutzuckergedächtnis hat. Werden Kinder und Jugendliche in den ersten fünf Jahren gut eingestellt, profitieren sie ihr ganzes Leben davon - es lohnt sich also, sich am Anfang anzustrengen. Forschungsrichtung Momentan arbeiten Forscher daran, eine künstliche Bauchspeicheldrüse zu entwickeln, die automatisch genügend Insulin ausschüttet und den Blutzucker kontrolliert, ohne dass man von außen eingreifen muss. Dabei zeichnen sich zwei Wege ab: Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12 Computertechnik Auf der einen Seite versucht man computertechnisch die Bauchspeicheldrüse zu ersetzen. Dabei soll eine Pumpe nicht nur Insulin abgeben, sondern gleichzeitig soll ein Sensor den Blutzucker messen. Der Patient muss gar nichts tun. Solche Systeme gibt es bereits, aber sie funktionieren noch nicht perfekt. Organspende Daneben wird daran geforscht, entweder die Bauchspeicheldrüse insgesamt, oder die Insulin produzierenden Zellen des Organs zu transplantieren. Das Hauptproblem dabei ist die Abstoßungsreaktion, die sich nur mit Hilfe von Medikamenten eindämmen lässt, die erhebliche Nebenwirkungen haben. Außerdem versuchen Wissenschaftler, die Insulin produzierenden Zellen in einer Art Kapsel unterzubringen, so dass sie vom Immunsystem nicht als Feinde erkannt werden. Ein Routineverfahren ist das jedoch noch nicht. Chance Die frühe Erkennbarkeit von Diabetes Typ 1 beinhaltet eine große Chance: Schon bevor das Kind oder der Jugendliche einen erhöhten Blutzuckerspiegel hat, können Patient und Angehörige ihre Aufmerksamkeit schulen und verhindern, dass es - wie derzeit noch häufig - zu schweren BlutzuckerEntgleisungen kommt. Wer weiß, dass er betroffen ist, kann vorbeugen und sich bereits im Vorfeld mit Diabetes vertraut machen: Die bei der bayerischen Fr1da-Studie positiv getesteten Kinder und ihre Angehörigen erhalten eine Schulung, in der sie u.a. lernen, den Blutzuckerspiegel zu bestimmen und auf typische Symptome zu achten. Dies soll z.B. dazu beitragen, Stoffwechselentgleisungen und damit einen Krankenhausaufenthalt zu umgehen, denn dann ist ggf. eine ambulante Behandlung möglich. Neue Therapien werden derzeit erprobt, um das Fortschreiten der Diabeteserkrankung zu verhindern. Am Fortschreiten hindern Eine sichere Prävention für Typ-1-Diabetes gibt es bisher noch nicht, immerhin aber können bestimmte Medikamente das Fortschreiten der Diabeteserkrankung aufhalten. Das große Ziel der Wissenschaftler ist es, das Immunsystem von Diabetikern so zu verändern, dass die Krankheit nicht fortschreitet und der Blutzucker sich nicht erhöht. In dem Zusammenhang forscht man an sogenannten Impfungen oder Antigen-Therapien. Antigen-Therapie Dabei wird ähnlich wie bei der Desensibilisierung (bei Allergikern) versucht, die Patienten über einen längeren Zeitraum mit den Protein-Bausteinen (Antigenen) zu impfen, die auf der Bauchspeicheldrüse produziert werden. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 13 „Es gibt schon einige Studien wie die Fr1da-Insulin-Interventionsstudie für Kinder mit einem frühen Diabetes-Stadium (d.h. positive Autoantikörper) oder die Pre-POINTearly Studie für Risikopersonen, d.h. Angehörige von Typ-1Diabetikern im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren, bei denen Insulin als Pulver oral verabreicht wird. Offensichtlich induziert es im Immunsystem eine gewisse Toleranz, ohne den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen.“ Prof. AnetteGabriele Ziegler Medikamente Daneben gibt es Studien, die untersuchen, ob sich Medikamente, die bisher nur bei Diabetes-Typ-2-Patienten erfolgreich waren, auch für Typ-1-Diabetiker eignen. Das Prinzip dahinter: Diese Medikamente können helfen, den Blutzucker einzustellen, sie glätten das Profil des Blutzuckerspiegels. In manchen Studien wird auch untersucht, ob es Sinn macht, Insulin und Medikamente zu kombinieren, doch das ist noch keine Standardtherapie. Diabetes Typ 2 Experten: Dr. med. Christoph Neumann, Internist und Diabetologe in MünchenSchwabing Dr. med. Marianne Koch, Internistin Autorinnen: Prisca Straub, Monika Dollinger Diabetes mellitus hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu einer wahren Volkskrankheit entwickelt. Falsche Ernährung und mangelnde Bewegung sind dabei Ursache Nummer eins. Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2015 (DDG und diabetesDE) sind in Deutschland etwa 7,6 Mio. (inkl. Dunkelziffer) von Diabetes betroffen. Etwa 400.000 Menschen sind an einem Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt, etwa 7,2 Mio. haben einen Diabetes mellitus Typ 2. Die Krankheit Diabetes: Erklärung Bei Diabetikern produziert die Bauchspeicheldrüse entweder kein Insulin mehr (Typ-1-Diabetes), oder aber es besteht eine unzureichende Insulinbildung bei gleichzeitig verminderter Insulinwirkung (Typ-2-Diabetes), man spricht hier von Insulinresistenz. Der Körper braucht aber Insulin, um Energie in Form von Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 14 Kohlenhydraten über das Blut in Muskulatur und Fettgewebe einschleusen zu können. Ist dieser Mechanismus gestört, kommt es zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Unbehandelt führt die Zuckerkrankheit zu einer Schädigung von Augen, Nerven, Nieren, hirn- und beinversorgenden Gefäßen sowie Herzkranzgefäßen. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und schwere Durchblutungsstörungen der Füße und Beine bis hin zu einer Amputation ist deutlich erhöht. Typen - Krankheit mit zwei Gesichtern Diabetes mellitus (griechisch für "honigsüßer Durchfluss") - eine der ältesten bekannten Stoffwechselerkrankungen überhaupt - tritt in zwei unterschiedlichen Varianten auf. Diabetes mellitus Typ 1 Etwa 0,5 Prozent der Bundesbürger sind von dieser Form betroffen. Der Erkrankungsgipfel liegt im Kinder- und Jugendlichenalter; die Krankheit kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten. Es handelt sich hierbei um eine Autoimmunerkrankung: Das körpereigene Abwehrsystem zerstört aus bisher ungeklärter Ursache die insulinproduzierenden Zellen (beta-Zellen) in der Bauchspeicheldrüse. Folge ist ein Versiegen der Insulinproduktion. Im Blut lassen sich häufig bestimmte Abwehrzellen (Antikörper) finden, die das Vorliegen eines Typ-1-Diabetes bestätigen. Diabetes mellitus Typ 2 Die frühere Bezeichnung "Altersdiabetes" ist heute nicht mehr zutreffend, da zunehmend auch junge Menschen einen Diabetes mellitus Typ 2 bekommen. Ca. 7,2 Prozent der Deutschen sind daran erkrankt. Bei ca. 2,1 Prozent wurde der Diabetes bisher noch nicht diagnostiziert. Ursache ist eine zunehmende Resistenz der Zellen gegen das Insulin, ausgelöst durch Übergewicht und Bewegungsmangel. Der Zustand führt zunächst zu einer erhöhten Insulinproduktion, bevor dann die Bauchspeicheldrüse überfordert ist und die Insulinproduktion nachlässt oder ganz versiegt. Regel: In beiden Diabetes-Typen ist Glucose (Zucker) im Blut erhöht und führt zu Schädigungen der Arterien und dadurch zu Organschäden, vor allem an Augen, Nieren, Herz und Gehirn. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 15 Diabetes Typ 2 erkennen – keine klare Diagnose Der eine Typ des Diabetes (Typ 1) ist relativ leicht zu erkennen, der andere (Typ 2) eher schwerer. In beiden Fällen ist aber der Arzt gefragt. Diabetes mellitus Typ 1 ist in der Regel leicht zu erkennen, denn er bricht meist schlagartig oder innerhalb weniger Wochen aus. "Durst, vermehrtes Wasserlassen, Schwächegefühl bis hin zum Gewichtsverlust sind typische Symptome einer Typ-1-Erkrankung." Diabetologe Dr. Neumann Typ 2: Schwierige Diagnose Ganz anders sieht es bei dem Typ-2-Diabetes aus. Die Krankheit entsteht meist über einen längeren Zeitraum und wird oft nur durch Zufall diagnostiziert - nicht selten sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Folgeschäden eingetreten. Die meisten Menschen, bei denen ein Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt wird, sind übergewichtig und bewegen sich zu wenig. "Durch Überernährung und Bewegungsmangel treten auch bei Kindern immer mehr Fälle von Diabetes mellitus Typ 2 auf." Dr. Neumann Risiko und Schutz - Erkrankungsrisiko und Vorbeugung Das Risiko Typ-2-Diabetes wird durch entsprechende Erbanlagen weitergegeben. Aber ein Schutz ist durch entsprechende Lebensweise möglich. „Ein Typ-2-Diabetes wird mit 30 bis 50 Prozent Wahrscheinlichkeit vererbt. Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel spielen eine entscheidende Rolle." Diabetologe Dr. Neumann Zum Schutz vor einem Typ-2-Diabetes empfiehlt sich: • Rasch resorbierbare Kohlenhydrate (Fruchtsäfte, Limonaden, Süßigkeiten) vermeiden, stattdessen Vollkornprodukte, Obst und Gemüse verzehren • Auf fettarme Kost achten • Unbedingt Übergewicht abbauen • Regelmäßig bewegen (mind. 150 min./Woche) "Letztlich schützt eine allgemein gesunde Lebensweise davor, einen Typ-2Diabetes zu bekommen. Existiert außerdem eine erbliche Vorbelastung, sind Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 16 regelmäßige Blutzuckerkontrollen dringend notwendig. Diabetische Folgeerkrankungen wie etwa Nieren-, Augen-, Nervenschäden oder Durchblutungsstörungen im Beinbereich bis hin zur Amputation sind oft eine Folge eines zu spät erkannten oder unzureichend behandelten Diabetes." Diabetologe Dr. Neumann Tipp: Zuckerbelastungstest Zur Beurteilung der Blutzuckerregulation beziehungsweise zur Abschätzung des eigenen Risikos empfiehlt sich die Durchführung eines Zuckerbelastungstests (insbesondere, wenn Typ-2-Diabetes in der Familie vorkommt). Die korrekte Durchführung des Tests erfordert gutes Fachwissen und sollte möglichst von darauf spezialisierten Ärzten vorgenommen werden. Therapie - Diät, Pillen oder Spritze? Der Blutzucker wird von vielen Faktoren beeinflusst, daher ist eine regelmäßige Kontrolle sehr wichtig. Ein wichtiger Bestandteil der Diabetes-Therapie ist deswegen die Blutzuckerselbstkontrolle. "Während früher nur der Zucker im Urin gemessen werden konnte, so ist heute die Bestimmung des Blutzuckers mit einfachen, handlichen Geräten innerhalb von Sekunden und einem winzigen Tropfen Blut aus der Fingerkuppe möglich." Diabetologe Dr. Neumann Seit 2014 steht in Deutschland ein kontinuierliches Messsystem (Flash Glucose) zur Verfügung. Dieses ermöglicht eine lückenlose Darstellung des Gewebszuckers. Kohlenhydratmenge und Insulindosen können direkt ins Messsystem eingebeben werden. Da eine Listung als Hilfsmittel noch nicht erfolgt ist, besteht derzeit allerdings kein Anspruch auf Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Es handelt sich jeweils um Einzelfallentscheidungen. Die Kosten für zwei Messsysteme à 14 Tage belaufen sich auf 120 Euro, das Messgerät, das gleichzeitig als Scanner fungiert, kostet 60 Euro. Das Produkt ist frei verfügbar ohne Verordnung nur im Internet erhältlich. Der Erwerb dieses Gerätes ist grundsätzlich für Menschen mit Typ-1-Diabetes sinnvoll. Wann der Blutzucker steigt In erster Linie bestimmt natürlich die Nahrungsaufnahme den Zuckerspiegel. Heute weiß man, dass dabei nicht nur die Kohlenhydrate, sondern auch Eiweiß und Fett Einfluss auf die Werte haben. "Art und Dauer von Bewegung, Krankheiten, Stress, Schlafmangel, seelische Schwankungen bis hin zu Wetterwechsel sind ebenfalls Parameter, die ein Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 17 Diabetiker gemeinsam mit dem Arzt berücksichtigen und in die Behandlung mit einbeziehen muss, denn sie alle haben ihre Wirkung auf den Glukosepegel im Blut." Diabetologe Dr. Neumann Gute Werte - gute Gesundheit Nach neuesten internationalen Empfehlungen der Amerikanischen (ADA) und Europäischen (EASD) Diabetes-Gesellschaften (Management of Hyperglycemia in Type 2 Diabetes, Diabetes Care online published 4/2012) sollten die Ziele der Blutzuckereinstellung individuell vom Therapeuten festgelegt und mit dem Patienten besprochen werden. Motivation, Unterzuckergefahr, Krankheitsdauer, Lebenserwartung, Begleit- und Folgeerkrankungen müssen hier jeweils berücksichtig werden. Schule für Diabetiker Elementarer Bestandteil ist die Teilnahme an einer strukturierten Diabetesschulung. "Zielbereiche für die Blutzuckerwerte vor und nach den Mahlzeiten sowie das HbA1c sind individuell zu vereinbaren. Der HbA1c-Wert im Blut ist eine Art 'Blutzuckergedächtnis' und fasst in einer Zahl die Blutzuckereinstellung der letzten zwei bis drei Monate zusammen." Diabetologe Dr. Neumann Wichtig: Grundsätzlich sollten Unterzuckerungen und Gewichtszunahme vermieden werden. Typ 2: Von Diät bis Insulin Zu Beginn einer Therapie erfolgt eine Diabetesschulung, um die Ernährungsund Lebensgewohnheiten zu verändern. Wichtig ist für Dr. Neumann auch regelmäßiges Muskelausdauertraining, das auf Alter und Fitness des Patienten abgestimmt wird: "Ideal wären ca. 150 Minuten pro Woche Radfahren, Schwimmen oder rasches Gehen" Diabetologe Dr. Neumann Warum man weniger wiegen sollte Bereits eine moderate Gewichtsreduktion von fünf bis sieben Prozent kann zu einer deutlichen Besserung des Blutzuckerspiegels beitragen oder sogar zu Normalwerten führen. Wegen der meist späten Diagnose ist häufig zum Diagnosezeitpunkt eine medikamentöse Therapie unumgänglich. Diese richtet sich nach Blutzuckerhöhe, Alter und Begleiterkrankungen des Patienten. Dazu stehen verschiedene Tabletten sowie Insuline zur Verfügung. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 18 Wissenswertes - Fakten zum Insulin Das lebenswichtige Hormon wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet – genauer in den Zellen der Langerhans-Inseln. Daher leitet sich auch der Name Insulin ab. Rasch wirkendes (nahrungsbezogenes) Insulin Normalinsulin (Humaninsulin, körperidentisch) = Altinsulin: Wirkbeginn nach ca. 30 min. Spritz-Ess-Abstand von ca. 30 min. erforderlich Wirkdauer ca. 5 bis 7 Stunden Insulinanalogon: (z.B. Lispro, Aspart, Glulisin) Wirkbeginn ca. 0 bis 15 min. nur geringer oder kein Spritz-Ess-Abstand erforderlich Wirkdauer ca. 3 bis 4 Stunden Basales (Verzögerungs-) Insulin Protamin-verzögert, NPH-Insulin (Humaninsulin, körperidentisch): (NPH = neutrales Protamin nach Hagedorn) Wirkbeginn ca. 1,5 Stunden Wirkdauer ca. 8 bis 12 Stunden trüb, 20 Mal Schwenken Insulinanalogon: z.B. Glargin: Wirkbeginn 5 bis 6 Stunden Wirkdauer größer 24 Stunden z.B. Detemir: Wirkbeginn ca. 1 bis 2 Stunden Wirkdauer abhängig von der Dosis bis zu 24 Stunden Verträglichkeit Im Einzelfall kann es bei jedem Insulin zu Unverträglichkeiten kommen. 1. Die intensiviert konventionelle Insulintherapie (ICT) Mit der ICT wird versucht, durch Spritzen mehrmals täglich die natürliche Insulinversorgung des Körpers so gut wie möglich nachzuahmen. Dabei decken langwirkende Insuline den Grundbedarf des Körpers ab, während kurzwirkende Insuline vor den Mahlzeiten gespritzt werden, um übermäßige Blutzuckeranstiege durch die Nahrung zu vermeiden. Am Tag müssen in der Regel vier bis sechs Injektionen gegeben werden. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 19 2. Die Insulin-Pumpentherapie (CSII) Die Insulinpumpe ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und pumpt kontinuierlich eine kleine Menge Insulin über einen dünnen Schlauch in das Unterhautfettgewebe. "Zum Essen drückt der Diabetiker auf einen Knopf und ruft die zusätzliche Dosis ab. Mit der Pumpe lässt sich noch wesentlich genauer auf den tageszeitabhängigen Insulinbedarf des Körpers reagieren. Darüber hinaus werden Insulinlücken vermieden." Diabetologe Dr. Neumann Nachteil Die Pumpe muss Tag und Nacht am Körper getragen werden und setzt ein gewisses technisches Grundverständnis voraus. Stand der Wissenschaft - Forschung und moderne Therapieformen In den Medien taucht im Zusammenhang mit dem Thema Genforschung oft auch Diabetes als mögliches Einsatzgebiet auf. "Theoretisch lassen sich Stammzellen aktivieren, um Insulin-produzierende Betazellen zu züchten. Diese könnten dann implantiert werden und damit die natürliche, automatische Regulierung des Blutzuckerspiegels übernehmen." Diabetologe Dr. Neumann Erste erfolgreiche Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass dieser Weg zumindest denkbar wäre. Ob sich die Ergebnisse allerdings auf den Menschen übertragen lassen, und inwieweit es erneut zu einer Abwehrreaktion durch den autoimmunkranken Körper kommt, ist bisher noch ungeklärt. Das Neueste aus der Forschung auf dem Markt "Es gibt seit einigen Jahren Medikamente auf dem Markt, die eine verbesserte Insulin-Wirkung versprechen, ohne dass man dabei zunimmt. Wie wirken sie? Im gesunden Darm werden die sogenannten Inkretine hergestellt, die die Zellen der Bauchspeicheldrüse anregen. Gleichzeitig verlangsamen sie die Passage der Nahrung durch Magen und Darm, sodass der Sättigungseffekt länger anhält und die Bauchspeicheldrüse nicht so schnell viel Insulin herstellen muss. Zum einen wurden nun Nachahmungen dieses Hormons entwickelt, die langsamer als das im Körper produzierte Inkretin abgebaut werden, sogenannte GLP-1Analoga. Und zweitens wurden Hormone in Tablettenform entwickelt, die den raschen Abbau des natürlichen Inkretin verhindern - sogenannte DPP-4Inhibitoren." Dr. Marianne Koch, Internistin Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 20 Die Fakten Sogenannte GLP-1-Analoga (zum Beispiel Exenatide, Liraglutide, Dulaglutid) müssen ein- bis zweimal täglich bzw. einmal wöchentlich mithilfe eines "Pens" gespritzt werden. DPP-4-Inhibitoren (zum Beispiel Sitagliptin, Saxaglin) können ein- bis zweimal täglich als Tablette eingenommen werden. Gemeinsame Merkmale • Blutzuckerabhängige Steigerung der Insulinausschüttung ohne Gefahr der Unterzuckerung • Hemmung der Glukagonsekretion Unterschiedliche Merkmale DPP-4-Inhibitoren haben keinen Effekt auf Sättigungsgefühl und Magenentleerung bei geringen Nebenwirkungen. GLP-1-Analoga führen zu einer Verringerung des Appetits und einer deutliche verzögerten Magenentleerung. Die Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen, Schwindel, Kopfschmerzen, Blähungen, Unruhe und Schwitzen sind häufig. Vorteile der GLP-1-Analoga • anhaltende Sättigung • verzögerte Magenentleerung • Gewichtsreduktion Wie vielversprechend sind die neuen Therapien? Zwei Einschätzungen der Experten: "In der praktischen Anwendung ist der Effekt der DPP4-Inhibitoren nachvollziehbar, die blutzuckersenkende Wirkung ist jedoch begrenzt und in manchen Fällen zeitlich limitiert. Der Effekt der GLP-1-Analoga ist bei Ansprechen zum Teil sehr beeindruckend auf Gewichtsreduktion und Essverhalten. Allerdings scheint auch hier im zeitlichen Verlauf die Wirkung nachzulassen. Manche Patienten sprechen auf diese teure Therapie nicht an. In jedem Fall sollte eine kontinuierliche, sorgfältige Kosten-Nutzenanalyse durch den behandelnden Therapeuten erfolgen." Dr. Christoph Neumann "Eine mögliche Nebenwirkung ist Übelkeit, wahrscheinlich weil die Magenentleerung langsamer stattfindet. Weitere Nebenwirkungen muss man abwarten. Diese neuen Medikamente sind nur zugelassen in Kombination mit anderen Diabetesmitteln, zum Beispiel Metformin, das ist eine sehr sinnvolle Präparatgruppe, die die Insulinresistenz beeinflusst, sodass Insulin wieder gut vom Körper aufgenommen wird. Beim GLP-1-Wirkstoff LIRAGLUTID sind allerdings in letzter Zeit Bedenken entstanden, die Substanz könnte bei einigen Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 21 Patienten Schilddrüsenkrebs und Entzündungen der Bauchspeicheldrüse hervorrufen, man muss also abwarten, ob das Präparat weiterhin empfohlen werden kann" Dr. Marianne Koch SGLT-2-Inhibitoren Eine neue Substanzklasse der Antidiabetika sind die sogenannten SGLT-2Inhibitoren, wie Dapaglifozin 5 mg oder 10 mg oder Empagliflozin 10 mg oder 25 mg. Sie wirken, indem sie die Reabsorbtion von Glukose in der Niere hemmen. Dadurch wird Glukose vermehrt durch den Harn ausgeschieden und der Blutzucker gesenkt. Vorteile: • • • Risikoreduktion eines diabetesbedingten Herztodes um 38 Prozent (gilt nur für Empagliflozin) Einnahme einmal täglich, unabhängig von der Mahlzeit Ausscheidung von Glukose (ca. 300 kcal) über den Urin begünstigt eine Gewichtsabnahme Nachteile: • • • Nebenwirkungen: Harnwegs- und Genitalinfekte, Austrocknung Nicht in Kombination mit Schleifendiuretika (bestimmte harntreibende Mittel) einzunehmen Nicht wirksam bei eingeschränkter Nierenfunktion (GFR<60 ml/min) "In der praktischen Anwendung ist der Effekt der SGLT-2-Inhibitoren nachvollziehbar, die blutzuckersenkende Wirkung ist jedoch begrenzt und in manchen Fällen zeitlich limitiert. Der Effekt der SGLT-2-Inhibitoren ist häufig eindrucksvoller auf die Gewichtsreduktion als auf die Absenkung des Blutzuckers. Die Ursache der deutlichen Risikoreduktion des Herztodes unter Empagliflozin ist nicht klar." Diabetologe Dr. Christoph Neumann. Diabetes-Chirurgie? Neuere Studien zeigen, dass eine operative Behandlung der Fettsucht z.B. durch Magen-Bypass-Methoden und die dadurch erreichte Gewichtsverminderung einen sehr positiven Effekt auf den Zuckerstoffwechsel hat. Allerdings können damit Risiken verbunden sein, sodass noch keine schlüssige Aussage über die Sicherheit und positive Wirkung der Methode gemacht werden kann. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 22 Ernährung - Was sollen Diabetiker essen, was nicht? Wie für jeden anderen Menschen empfiehlt sich auch für den Diabetiker eine gesunde, ausgewogene Ernährung - vor allem muss er auf sein Gewicht achten. Da Diabetiker ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen haben und somit anfälliger für Herzinfarkt und Schlaganfall sind, spielen auch die Fettarten eine wichtige Rolle. Und weil viele Diabetiker Übergewicht haben, ist es für diese Personen besonders wichtig, gesund und bewusst zu essen und damit ihr Gewicht zu reduzieren. Empfohlen sind • viel Gemüse und Obst, Rohkost, Salat und ausgewählte Obstsorten • viele Ballaststoffe • wenig Fleisch, Wurst und gehärtete Fette • einfach ungesättigte Fettsäuren (zum Beispiel Rapsöl, Olivenöl, Distelöl) • Fisch Nicht günstig sind • Weintrauben, Bananen, Trockenfrüchte, Nüsse • Weißmehlprodukte, geröstete Brotsorten • fette Wurst • fetter Käse • Sahne • Speck • Schokolade, Eis, Gummibärchen, Gebäck • fettreiche Fertigprodukte • Limonaden, Eistee, Säfte und Saftschorlen Zucker für Zuckerkranke? Von der Regel "Keinen Zucker für Diabetiker" hat sich die moderne Diabetestherapie verabschiedet - der jahrzehntelang praktizierte Verzicht von Haushaltszucker in der Nahrung hat sich schlicht als nicht notwendig erwiesen. "Natürlich sollte ein Diabetiker - genau wie jeder Gesunde - sparsam mit Zucker umgehen. Ein Verbot macht aber keinen Sinn. Spezielle Diät- oder DiabetikerLebensmittel werden von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft nicht empfohlen und werden aus dem Sortiment genommen." Diabetologe Dr. Neumann Tipp: Der Diabetologe rät, diese Nahrungsmittel zu meiden, zumal sie meist teurer sind und häufig einen ungünstigeren Fettanteil haben. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 23 Hilfe für Diabetiker - Tipps für den Alltag Wegweiser durch die Bürokratie vom Behindertenausweis, Führerschein und der richtigen Versicherung - hier erfahren Sie, worauf Sie als Diabetiker in verschiedenen Lebensbereichen achten müssen. Behindertenausweis Diabetiker können unter bestimmten Bedingungen einen Behindertenausweis beim Versorgungsamt beantragen. Dies bringt manche Vorteile (Kündigungsschutz, Steuerersparnis und mehr Urlaubstage). Doch Vorsicht: Der Behindertenausweis muss beim Arbeitgeber gemeldet werden und kann vielleicht ein Problem bei einer erneuten Jobsuche sein. Versicherung Man ist bei Vertragsabschluss mit einer Versicherung verpflichtet, die volle Wahrheit über den Gesundheitszustand zu melden - ansonsten kann die Versicherung rückwirkend Leistungen streichen oder kürzen. Es ist für Diabetiker oft schwer, Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit oder auch Lebensversicherungen zu bekommen - häufig gibt es massive Preisaufschläge. Tipp: Achten Sie darauf, dass bei den Versicherungen diabetische Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden, sonst macht die ganze Versicherung unter Umständen keinen Sinn. Fragen Sie bei Selbsthilfegruppen, dem Deutschen Diabetiker Bund oder dem Sozialverband VdK nach entsprechenden Angeboten. Berufe Bestimmte Berufe sind für Diabetiker ausgeschlossen, dazu zählen zum Beispiel Pilot, Dachdecker oder Starkstromelektriker. Führerschein Beim Führerscheinneuerwerb muss die Diagnose Diabetes mellitus nicht angegeben werden. Führerscheininhaber, die erst nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis an Diabetes erkranken, sind nicht verpflichtet, dieses nachzumelden. Erfährt die Führerscheinstelle jedoch von der Diagnose Diabetes, muss der Betroffene alle zwei Jahre ein meist teures Gutachten über seine Fahrtauglichkeit erstellen lassen, das nicht erstattet wird. "Selbstverständlich sollte jeder Diabetes-Patient gut geschult sein und die Zeichen einer Unterzuckerung kennen. Sie sollten daher bei einer längeren Autofahrt - auch aus juristischen Gründen - regelmäßig den Blutzucker messen. Führen Sie außerdem ausreichend Traubenzucker und andere Kohlenhydrate im Auto mit, denn es kann zu einem unvorhersehbaren Stau kommen. Und Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 24 unterbrechen Sie die Fahrt bei den kleinsten Anzeichen einer Unterzuckerung." Diabetologe Dr. Neumann Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 25