Protokoll der Bürgerkonferenz Verden herunterladen

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Protokoll zur Bürgerkonferenz „Wohnumfeldschutz und
Gesundheit“, 20. Juni 2015, Stadthalle Verden
Datum:
Samstag, 20.06.2015
Uhrzeit:
10:00 – 14:30 Uhr
Ort:
Stadthalle Verden, Holzmarkt 15, Verden
Moderation:
Joachim Lück (Bürgerdialog Stromnetz)
Anwesend:
13 Teilnehmer zzgl.
Ulrike Voß, Gabi Rüger, Anja Scholz, Mikiya Heise, Melanie Pust - Bürgerdialog
Stromnetz (BDS)
Referenten: Bernhard Heidrich, Guido Franke, Hauke Brüggemeyer, Hannah
Heinrich
Vorbemerkungen
Das Protokoll wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Unklarheiten wurden im Sinne
einer besseren Verständlichkeit redaktionell bereinigt.
Vorstellung Bürgerdialog Stromnetz, Joachim Lück (Bürgerdialog Stromnetz)
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Der BDS ist eine Plattform, wo unterschiedliche Perspektiven zusammentreffen und
ausgetauscht werden können.
Eines der Formate, mit denen der BDS arbeitet sind Bürgerkonferenzen. In Verden findet
die erste Bürgerkonferenz im Rahmen des Projektes statt.
Draußen vor der Stadthalle steht das Bürgermobil als weiteres Angebot des BDS.
Der BDS informiert i.d.R. nicht über Trassenverläufe, das ist Aufgabe der Netzbetreiber.
Wir stellen Informationen aus verschiedenen Perspektiven bereit und diskutieren mit
Ihnen über die häufig gestellten Fragen rund um die Energiewende und den Netzausbau,
wie hier zum Thema Wohnumfeldschutz und Gesundheit.
Input 1: Wohnumfeldschutz und Netzausbau in Niedersachsen
Bernhard Heidrich, Amt für regionale Planungsentwicklung Weser-Ems
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Das Landesplanungsamt ist von Beginn an mit dem Thema Wohnumfeldschutz beim
Netzausbau beschäftigt.
Das Thema wird anhand eines kurzen historischen Abrisses erläutert.
Bereit im Landesraumordnungsprogramm von 1998 gab es erste Regelungen. Hier hieß
es: Soweit es technisch möglich ist, ist zu verkabeln. Leitungen sollen möglichst große
Abstände zu Siedlungsbereichen haben, um die Belastung für Menschen zu reduzieren.
Im November 2004 wurde das Raumordnungsverfahren Ganderkesee – St. Hülfe
eingeleitet und zwei Jahre später (2006) abgeschlossen. Bereits hier gab es den Ansatz
die Abstände zu Siedlungen zu vergrößern. Damit wurden erste Erfahrungen mit den
Konflikten zwischen den Themen „Menschenschutz“ und „Naturschutz“ gemacht.
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Im August 2007 gab es ein Rechtsgutachten (Prof. Schulte) mit dem Ergebnis, dass die
Bundesländer die Möglichkeit haben, eigene gesetzliche Regelungen zur Erdverkabelung
auszuführen. Das Ergebnis war das niedersächsische Erdkabelgesetz.
Im Januar 2008 wurden im Niedersächsischen Erdkabelgesetz Abstandsregelungen von
400 Metern bei geschlossener Wohnbebauung und 200 Meter im Außenbereich und bei
Querung von Landschaftsschutzgebieten erlassen. Sind diese Abstände nicht einhaltbar,
sollte eine Erdverkabelung erfolgen. Diese Grundsätze wurden erstmalig von E.ON
später TenneT angewendet. Der Erdkabelanteil bei Ganderkesee – St. Hülfe betrug damit
55 PRozent (sechs Freileitungs- und sieben Kabelabschnitte).
2009 folgte das bundesweit gültige Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG). Hierin sind
vier Erdkabelpilotstrecken vorgesehen. Das Niedersächsische Erdkabelgesetz ist damit
nicht mehr anwendbar. Die Regelungen im EnLAG stehen im Widerspruch zum
Landesraumordnungsprogramm in Niedersachsen.
Im September 2012 erfolgte dann die Änderung des Landeraumordnungsprogramms –
die Abstandsregelungen werden vom Ziel der Raumordnung zum Grundsatz der
Raumordnung aufgeweicht.
Seit April 2015 ist ein neuer Gesetzentwurf für die Erdverkabelung in der Diskussion. Das
Land NRW hat als einziges Bundesland ähnliche Regelungen wie Niedersachsen.
Wie die Länderregelungen im Rahmen der Bundesfachplanung gehandhabt werden, ist
noch unklar. Die BNetzA nimmt diese zur Kenntnis, wie das am Ende aussieht, wird sich
zeigen.
Das Umweltministerium in Niedersachsen hat sich wiederholt zum Schutz des
Wohnumfeldes mit Erdverkabelung ausgesprochen.
Bisher ist kein Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben Ganderkesee – St. Hülfe
ergangen. Geplant ist dieser nach der Sommerpause.
Input 2: Wohnumfeldschutz in der Praxis
Guido Franke, BI SuedKreis
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BI Suedkreis ist betroffen von der 380-kV-Stromtrasse Wahle – Mecklar und von einigen
Alternativen des SuedLink.
Im Rahmen der Planung (Wahle – Mecklar) wurden 650 km mögliche Trassen untersucht,
die teilweise auch für den SuedLink in Frage kommen.
Der Bedarf ist per Gesetz festgestellt. Einen für die Betroffenen nachvollziehbaren
Nachweis gab es nicht. Der Begriff „Wohnumfeldschutz“ ist zu technisch, um eine
emotionale Debatte zu beschreiben.
Abstandsregelungen sind bisher keine Lösung, da es keine einheitliche Regelung zur
Messmethode gibt. Im EnLAG wird mal von Trasse mal von Leitung geredet. Das
Niedersächsische Landesraumordnungsprogramm kommt nicht zum Tragen, da das
EnLAG das höheres Recht darstellt.
Als Bsp.: Es bestehen unterschiedliche Definitionen bei Abstandsregelungen für
Windkraftanlagen und Stromtrassen. Bei Windkraftanlagen gehört der Garten dazu, bei
Stromtrassen gilt die Haushecke als Messpunkt.
Abstandsregelungen können auch zu Zick-Zack-Trassenführungen führen, damit kein
Erdkabel verlegt werden muss.
BI fordert eine Einheitlichkeit der Abstandsregelungen.
Das Thema elektromagnetische Felder (EMF) gehört ebenfalls zum Wohnumfeldschutz.
Zum Thema EMF gibt es bei 380-kV-Drehstromleitungen wenig Studien, bei 500-kVHöchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) sind der BI keine Studien bekannt.
Im September 2013 erfolgte eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK) zu
HGÜ-Leitungen im Auftrag des damaligen Bundesumweltministeriums.
Da es bei HGÜ-Leitungen eine begrenzte Datenlage gibt, ist laut SSK die Angabe
belastbarer Schwellenwerte derzeit nicht möglich.
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Die Forderung der BI lautet, die Bevölkerung die von HGÜ-Leitungen betroffen ist, nicht
als Versuchskaninchen zu betrachten.
Erdkabel kann dabei eine Lösung sein. Um das beurteilen zu können, wäre allerdings
eine „echte“ Erdkabel- und Freileitungsplanung notwendig.
Input 3: Der gesetzliche Rahmen und die Grenzwerte für elektrische und magnetische
Felder
Dr. Hauke Brüggemeyer, Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und
Naturschutz
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Leben ist immer mit Risiken verbunden. Eine staatliche Aufgabe besteht darin,
Maßnahmen zu ergreifen, um Risiken bewerten und ggf. begrenzen zu können.
Die gesetzliche Regelung im Bundesimmisionsschutzgesetz (BImSchG) dient dem
gesundheitlichen Schutz der Nachbarschaft und Bevölkerung vor schädlichen
Umwelteinwirkungen zu der auch nichtionisierende Strahlung gehört.
Die 26. BImSchV regelt die Exposition durch elektrische, magnetische und
elektromagnetische Felder (EMF) und legt dafür die Grenzwerte. Diese Verordnung
wurde 2013 novelliert.
Wie kommt man zu Grenzwerten: Zunächst erfolgt die Ermittlung des Stand der
Wissenschaft (Hinweis auf FEMU Aachen), dann erfolgt eine Risikoabschätzung und
Risikobewertung durch von staatlicher Seite beauftragte Gutachterorganisationen (z.B.
WHO, SSK) und erst dann das Risikomanagement durch die jeweils zuständigen
staatlichen Stellen (Gesetzgebungsverfahren).
In der 26. BImSchV ist der aktuelle Stand der Wissenschaft berücksichtigt. Es gibt aktuell
keine Studien, die einen Grenzwert im Hinblick auf Leukämie bei Kindern begründen
könnten. Dieses wird aber als Grund für die Vorsorge bei Niederfrequenzanlagen (50Hz)
angesehen.
Der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI), dass für das BImSchG zuständige
Bund-Ländergremium, hat zur 26. BImSchV „Hinweise zur Durchführung“ veröffentlicht,
die den zuständigen Behörden zur Anwendung empfohlen/vorgegeben werden.
Die Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung sind in Europa weitgehend gleich, da sie
alle auf einer EU-Empfehlung basieren. Es gibt aber kein einheitliches Vorgehen bei der
Vorsorge. Siehe Beispiel Schweiz: Hier gibt es gleiche Schutzgrenzwerte wie in
Deutschland aber ein unterschiedliches Vorgehen bei der Vorsorge. Beispiel
Niederlande: Hier werden die Vorsorgewerte anhand der Jahresmittelwerte des Stroms
auf einer Leitung festgelegt (in Deutschland anhand des maximal zugelassenen Stroms thermischer Grenzstrom). Da die eingesetzten Leitungssysteme fast überall vergleichbar
sind, ist auch das erreichte Schutzniveau in allen Ländern fast gleich. Diese
Vergleichbarkeit ist aber in den Zahlenwerten für die Vorsorgewerte nicht zu sehen.
Eine qualitative Beratung zum Thema EMF ist eine unabdingbare Voraussetzung für
einen Schutz mit Augenmaß.
Input 4: Gesundheitliche Aspekte von elektrischen und magnetischen Feldern bei Gleichund Wechselstrom
Hannah Heinrich, 2h-engineering & research
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Drehstrom und HGÜ-Freileitung: Bei einer Optimierung der Leiterseilbelegung ist eine
Reduzierung der elektrischen und magnetischen Feldstärken möglich.
Die elektrischen Felder betragen in 100 Meter Entfernung von der Leitung noch 100-150
Volt (bei Drehstrom).
Bei Gleichstrom (HGÜ) nimmt das Feld mit zunehmendem Abstand noch schneller ab.
Vergleicht man natürliche Felder mit Felder an Stromleitungen, kann man folgendes
sagen: Das Erdmagnetfeld beträgt zwischen 20-60 Mikrotesla. Es ist nicht homogen
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verteilt, die Äquatorzone hat ein schwaches Feld während es in anderen Regionen zu
Hotspots kommen kann.
Auch Schönwetter-Feldstärken sind schwächer als Gewitterfeldstärken.
Die Mittelwerte magnetischer Wechselfelder bewegen sich im Haushalt zwischen 0,01
und 0,03 Mikrotesla. Aber auch hier sind extreme Schwankungen bei temporärer
Verwendung elektrischer Haushaltsgeräte nicht selten.
Biologische Wirkung bei internem elektrischem Feld: Das statische elektrische Feld hat
die Frequenz 0. Das Feld bricht an der Körperoberfläche zusammen. Oberflächeneffekte
wie z.B. statische Aufladungen sind möglich. Es gibt keine biologischen
Wechselwirkungen.
Magnetische Felder: Auch ein magnetisches Gleichfeld induziert kein elektrisches Feld
(keine biologische Wirkung). Wenn man sich selbst im magnetischen Feld bewegt, treten
magnetische Feldstärken auf.
Als Corona-Entladung bezeichnet man das „Knistern“ unter einer Leitung (Verweis auf
Studien von Henshaw und Fews zur Wirkung von Aerosolen).
Es wurden 23 Studien am Menschen bzgl. der Wirkung von positiven und negativen
Ionen auf die Atemfunktion durchgeführt. Dabei wurden keine nennenswerten Wirkungen
festgestellt. Die Thesen von Few und Henshaw konnten nicht belegt werden.
Es gibt Studien zu HGÜ-Freileitungen in den USA.
Das Thema Mikroentladungen ist seit langem bekannt. Hier gibt es keine oder
unvollständige Festlegungen zum Schutz von Kontaktströmen und Mikroentladungen.
Wo besteht Forschungsbedarf? Elektrosensitivität ist kein anerkanntes Krankheitsbild.
Der wissenschaftliche Umgang damit ist schwierig und in den verschiedenen Ländern
auch unterschiedlich. Es gibt kein eindeutiges Diagnosekriterium für die Einwirkung von
EMF.
Kindliche Leukämie: Auch weltweite Studien ergeben bisher keine Klärung zu
Wirkzusammenhängen. Die Einstufung der Wirkung von EMF erfolgte in Gruppe 2b,
möglicherweise krebserregend. Zum Vergleich muss man sagen, auch Kaffee ist in die
Gruppe 2B eingestuft. Bisher gibt es „nur“ eine Metastudie über die mathematischen
Zusammenhänge zwischen Exposition und Kinderleukämie. Falls es ein
Wirkmechanismus gibt, ist das Risiko für die Bevölkerung sehr klein.
Fragen und Antworten zur Diskussionsrunde „Wohnumfeldschutz“
Abstände zu Siedlungen/Wohngebäuden: Wann befindet sich eine Siedlung im
Außenbereich, wann im Innenbereich? Wie ist das definiert?
Innenbereich und Außenbereich sind im Bauplanungsrecht geregelt.
Innen- und Außenbereiche sind über die Bebauungspläne der Gemeinde geregelt (§34
geschlossener Siedlungsbereich).
Wenn es keinen B-Plan gibt, dann ist die Definition oft sehr schwierig. Sie erfolgt dann in einem
Abwägungsprozess, der in der Praxis oft strittig ist.
Herr Franke verweist auf das Beispiel einer Wochenendsiedlung, die inzwischen auch für
dauerhaftes Wohnen genutzt wird.
Wieso Unterscheidung zwischen 200 und 400 Metern? Es wurde verstanden, dass das
mit elektromagnetischen Feldern zu tun hat, aber warum sind Einzelne weniger wert als
Siedlungen?
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Das beruht auf einer historischen Entscheidung zu Zeiten der Landtagswahlen in
Niedersachsen.
Bis heute gibt es keine plausible Antwort für die Festlegung der 200 und 400 Meter – das war
eine politische Entscheidung.
Damalige Politik in Hannover (CDU/FDP) hat versucht den Begriff „sensibler Bereich“ zu
definieren. Dabei sind die Abstände keine Werte, die nachrechenbar sind.
Bei 200 Metern sind die Messwerte hinsichtlich der elektromagnetischen Felder außerhalb der
festgelegten Grenzwerte. Bei der Abstandsregelung geht es vor allem um die „Optik“ – was ist
für einzelne Gehöfte zumutbar und was nicht. Bei 200 Metern Abstand zur Leitung sind die
Feldstärken kleiner als der zivilisatorische Hintergrund, der im normalen Haushalt anfällt.
Hintergrund der Abstandsregelung ist nicht der Gesundheitsschutz.
Technischer Unterschied zwischen Erdkabel und Freileitung?
Wechselstrom kann ca. 25 bis 30 km als Erdkabel geführt werden, dann muss man
kompensieren. Bei Drehstrom sind die Übertragungsverluste grundsätzlich höher als bei
Gleichstrom, egal ob ein Erdkabel oder eine Freileitung verläuft. Bei einer Erdverkabelung in
Teilabschnitten müssen die Kabel immer wieder in die und aus der Erde geführt werden. Dafür
ist ein zusätzliches Grundstück von 2000 bis 2500 m2 notwendig. Ein zusätzliches Problem bei
Erdkabeln sind die Kabeltrommeln. Es liegen max. 800 bis 1000 Meter Kabel auf einer
Trommel. Damit werden Muffen-Bauwerke notwendig, um die Kabelstücke zu verbinden.
Die Erdverkabelung ist bei einer Offshore-Anbindung mit 220 kV nicht mit einer 500-kV-Trasse
wie bei SuedLink vergleichbar.
Zum SuedLink (Fa. Infranetz): Verluste sind bei Freileitungen höher als bei Erdkabeln.
Infranetz hat beim BMWi einen Antrag auf Vollverkabelung einer 4GW-Verbindung von Wilster
nach Grafenrheinfeld gestellt.
500-kV-Erdkabelleitungen sind derzeit noch nicht Stand der Technik, da sie noch nicht
hinreichend erprobt wurden.
Das europäische Verbundnetz ist ein Drehstromnetz und funktioniert, da es von Kraftwerk zu
Kraftwerk transportiert.
Bei einer Höchstspannungsgleichstromübertragung kann Strom über mehrere tausend
Kilometer verlustarm transportiert werden. Aber Abzweigungen wie bei einem Drehstromnetz
sind derzeit technisch noch nicht erprobt.
Bei der Festlegung der 400 Meter (vom Mittelpunkt der Leitung 400 Meter nach rechts
und nach links, Summe 800 Meter) gehen Flächen verloren – ist das mal bewertet
worden? Landnahme der Vorhabenträger/großer wirtschaftlicher Schaden?
Die Regelung sagt, bei einer bestehenden Leitung, muss die Wohnbebauung im Abstand von
400 Metern weg bleiben. Gilt nicht für Industriegebiete.
Wirtschaftlicher „Schaden“ ist nicht berechnet worden.
Wieviel Platz braucht eine Erdkabeltrasse?
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Laut Fa. Infranetz braucht eine 2GW-Leitung 70cm plus Wirtschaftsweg.
Die übliche von den ÜNB verwendete Technik bei Erdkabeln geht von 30 bis 40 Metern Breite
aus. Sinnvoll wäre eine echte Erdkabelplanung.
Für Reparaturzwecke muss ein Zugang zur Kabeltrasse gewährleistet sein.
Referentenentwurf zu mehr Erdverkabelung – wie ist der Stand?
Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung gilt für den Drehstrombereich, da hier bisher
nur vier Pilotprojekte vorgesehen sind.
Für HGÜ ist eine Teilerdverkabelung bereits jetzt schon möglich, im Zusammenhang mit dem
Abstand zu Wohnbebauung.
Bundesrat hat zum Gesetzentwurf Stellung genommen und ein Änderungsbegehren geäußert.
Der Gesetzentwurf geht voraussichtlich im Herbst in die abschließende Lesung im Bundestag.
Die Änderungen im Gebiets- und Artenschutz beziehen sich in Zukunft dann auch auf
Erdverkabelung von HGÜ (Gleichstrom) und HDÜ (Wechselstrom).
Können 220-kV-Masten gegen 380-kV-Masten ersetzt werden?
Alle Änderungen, die zu einer höheren Exposition führen, bedürfen einer Planfeststellung.
Ausnahme ist, wenn Leitungen bereits für 380 kV geplant und genehmigt wurden, aber nur in
220 kV gebaut, dann braucht man keinen neuen Planfeststellungsbeschluss.
Fragen und Antworten zur Diskussionsrunde „Gesundheit“
Frau Heinrich, 2h-engineering – wer bezahlt Sie?
2h-engineering ist eine eigenständige Firma und wird von verschiedenen Institutionen weltweit
beauftragt.
Wo gibt es Magnetfeldstärke bei 50Hertz?
Überall wo Strom fließt, entstehen Magnetfelder. Es gibt auch Schweißverfahren, die mit 50
Hertz arbeiten und in der Nähe der Kabel hohe Felder erzeugen.
Ein Sonderfall ist der Kernspintomograph mit einem sehr hohen statischen Magnetfeld, einem
hohen Gradientenfeld (niederfrequenten Magnetfeld) und einem starkes hochfrequenten Feld.
Für Patienten bei gewollter medizinischer Anwendung gelten die Grenzwerte nicht. Für das
Personal gelten besondere arbeitsschutzrechtliche Grenzwerte. Ein Kernspintomograph ist für
den Patienten immer oberhalb der Grenzwerte der Bevölkerung und im Bereich biologischer
Wirkungen.
Statement Teilnehmer:
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Empfindet den Vortrag von Frau Heinrich als „sie will uns nur beruhigen“. Teilnehmer
ist im Bereich Umwelttoxikologie tätig. Es gibt auch gute Studien, die die Wirkungen
elektromagnetischer Felder klar nachgewiesen haben. Kritisiert, dass die Biophysik
nicht in die Bewertung eingeht. Es fehlt die Verbindung zwischen biophysikalischer
Grundlagenforschung und ökotoxikologischer Bewertung. Es wird i.d.R. immer nur ein
Effekt betrachtet und keine Kumulationswirkungen verschiedener Effekte. Fakt ist,
chronische Krankheiten nehmen zu, dafür gibt es keine Erklärungen.
Der Vortrag von Frau Heinrich sollte keine Beruhigungspille sein, sondern eine Einordnung des
Themas.
Der Beitrag zur Elektrosensitivität aus dem Vortrag ist die wiedergegebene Meinung der WHO
und nicht von Frau Heinrich. Bereits seit 20 Jahren wurden zahlreiche Studien und Versuche
zum Thema Elektrosensibilität gemacht. Leider ohne reproduzierbare Ergebnisse.
Wissenschaftliches Arbeiten folgt vorgegebenen Standards. Dazu gehören die
Reproduzierbarkeit von Ergebnissen und ein beschreibendes und sauberes methodisches
Vorgehen.
In Bezug auf das Thema Interdisziplinarität: Selbstverständlich schaut man über den Tellerrand
auch in Bezug auf Kumulationseffekte.
Frage zur Bezahlung und Hintergründe der Autoren von Studien
Um die Seriosität von Studien zu beurteilen, wird geschaut, passt es zu anderen Studien dazu,
welchen Hintergrund haben die Autoren. Eine gute Quelle zum Thema EMF ist das FEMU
http://www.arbeitsmedizin.ukaachen.de/femu/ . Hier werden zahlreiche Studien seriös
ausgewertet.
Sind da auch Langzeitstudien bei?
Ja, die längste Studie zu EMF stammt aus Skandinavien und läuft über 20 Jahre.
Warum gibt es nur Studien mit erwachsenen Menschen, nicht mit Kindern?
Man darf aus ethischen Gründen keine Untersuchungen mit Kindern machen.
Dann kann man Studien auf Kinder nicht herunterbrechen?
In anderen Ländern, wie z.B. USA, gibt es unter ganz strengen Auflagen die Möglichkeit auch
bei Kindern zu untersuchen. Auf die Frage, ob elektromagnetische Felder für Kinder
ungefährlich sind, kann man nur sagen: Unschädlichkeit kann man wissenschaftlich für nichts
feststellen, aber durch viele Untersuchungen, die keine schädliche Wirkung gezeigt haben,
wird die Unschädlichkeit immer wahrscheinlicher. Wissenschaft kann nie eine Theorie nicht
beweisen sondern nur widerlegen.
Studie von OECOS - geht es in die Gesamtbewertung ein oder nicht?
Bei Studien muss man unterscheiden zwischen Primärstudien und Sekundärstudien
(Metastudien) und Gutachten. Das von OECOS erwähnte Gutachten ist keine eigene Studie.
Wurden die vorhandenen HGÜ-Leitungen auf gesundheitliche Auswirkungen
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untersucht?
Der Northlink in den USA ist studienmäßig erprobt – Corona, Aerosole etc. Bis heute liegen
keine neuen Erkenntnisse vor. Das Projekt wird seit 10 Jahren untersucht und beobachtet.
Ionenwolken – Die Henshaw Studie ist doch eine mathematische Studie?
Das Thema der Studie sind die Aerosole. Die Originalstudien sind nicht widerspruchsfrei.
Außer der einen Forschungsgruppe ist das Ergebnis nicht reproduzierbar.
Fews und Henshaw sind von dem Effekt ausgegangen, dass Ionenwolken verdriftet werden
können und sich anderswo anlagern und damit lungengängig werden. Die Studie hat sich auf
Radonzerfallsprodukte spezialisiert, hat eine Modellierung draufgesetzt und auch Messungen
gemacht. Sowohl die Modellierung als auch die Messungen sind nicht widerspruchsfrei. So
erfolgt z.B. keine gleichzeitige Messung an der Leitung, sondern das Messgerät wurde
nacheinander von A nach B transportiert. Wettereffekte konnten damit nicht ausreichend
berücksichtig werden. Zum Teil traten auch bei abgeschalteten Leitungen Effekte auf, die mit
der Physik im Widerspruch standen. Damit ist geklärt, dass Ionenwolken nicht so weit verdriftet
werden wie angenommen.
Unterschied zwischen Nervenzellen und Körperzellen?
Nervenzellen brauchen Reize, Körperzellen sind weitgehend neutral.
Häufig gibt es erst nach Jahrzehnten gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse.
In der Wissenschaft ist der Disput notwendig. Widerspruch ist das, was weiterbringt.
Es gibt tausende von Hypothesen, die sehr schnell wieder verschwinden.
Es gibt immer ein Stück Risiko, auch ein methodisches Risiko. Aber der Hinweis bleibt richtig,
manchmal dauern gesicherte Erkenntnisse Jahrzehnte.
Was ist aus Ihrer Sicht eine glaubwürdige Information? Wie findet man sich in diesem
Informationsdschungel zurecht?
Man kommt in vielen Situationen nicht drum herum, sich selbst Leute zu suchen, denen man
vertraut. Die Institution, der sie per se vertrauen können, gibt es in Deutschland nicht. Häufig
vertraut man Leuten als Person, die mit den Themen kein Geld mehr verdienen müssen. Die
Strahlenschutzkommission hat Kriterien veröffentlicht anhand denen man überprüfen kann, ob
Gutachter über entsprechendes Fachwissen verfügen.
SuedLink
Fa. Infranetz: Hier „verbeißt“ man sich auf Freileitungen. Es muss alles nicht sein wie bei den
Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), wenn man sich die Alternativen anschaut. Infranetz setzt
auf Vollverkabelung mit VPE-Kabeln als Lösung für SuedLink und hat einen Antrag auf
Vollverkabelung für den SuedLink beim BMWi eingereicht. Grundlage für den Antrag ist Art. 4
des Grundgesetzes. Darüber hinaus ist lt. Bundesnaturschutzgesetz ein Vorhaben nicht
genehmigungsfähig, wenn es eine zumutbare Alternative gibt.
Das Kabel, das Infranetz verwenden will, ist ein Kabel von ABB. Nach Einschätzung von Herrn
Brüggemeyer sind VPE-Kabel bei 500 kV noch nicht Stand der Technik.
Laut ABB sind 220 kV Stand der Technik. Diese Technik ist für 500 kV weiterentwickelt. Aber
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der Markt ist sehr klein und auch ABB hat keine 500 km Kabel „auf dem Hof liegen“. Die
Übertragungsnetzbetreiber wollen sich nicht von einem Hersteller abhängig machen. Derzeit
sind noch zwei weitere Hersteller in der Entwicklungsphase.
Laut Infranetz ist es möglich VPE-Kabel in einem Kabelgraben mit 70 cm Breite zu verlegen.
Der Unterschied zu anderen Kabeln besteht in der Isolierung.
Statement von Frau Heinrich: Sie kann die Rechnung von Infranetz nicht nachvollziehen.
Angesprochene Links
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www.buergerdialog-stromnetz.de
www.bfs.de
www.ssk.de
www.netzausbau.de
www.infranetz.com
http://www.arbeitsmedizin.ukaachen.de/femu/
http://www.bi-megamasten.de/
Rückfragen bitte an:
Bürgerdialog Stromnetz
Schlesische Straße 26
10997 Berlin
Email: [email protected]
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