INHALT 1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK – SCHNELLÜBERSICHT 2. GÜNTER GRASS: LEBEN UND WERK 2.1 Biografie 2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Der Freistaat „Freie Stadt Danzig“ bis zum 1. September 1939 Zweiter Weltkrieg und Heimatverlust 2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken 3. TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION 3.1 Entstehung und Quellen 3.2 Inhaltsangabe 1. Buch 2. Buch 3. Buch 3.3 Aufbau Die verzweigte Handlung auf zwei Ebenen Die Erzähler und Erzählsituationen Erster Satz und erstes Wort als Einführung in die Situation Geometrische Begriffe (Dreieck u. a.) als Strukturelemente 6 11 11 20 20 23 27 29 29 37 37 40 44 49 49 50 53 54 3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken Figurengruppen machen nationale und soziale Konturen deutlich Oskar Matzerath, Hauptfigur und Erzähler Die Mütter (Anna, Agnes, Maria) Chronologie der Familiengeschichte und Begegnungen Oskars 3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen 3.6 Stil und Sprache Erzählersprache und Autorsprache Sprichwörter, Farben Literarische Verweise 3.7 Interpretationsansätze Familiengeschichte als Nationalgeschichte Mythische Parallelen – Odysseus, Jesus, der verlorene Sohn u. a. Danzig als Interpretationsschwerpunkt Mütter und Väter Erzählen in Gegensätzen: Goethe und Rasputin Anregungen aus der bildenden Kunst 4. REZEPTIONSGESCHICHTE Der größte Erfolg der deutschen Nachkriegsliteratur Variationen und Anknüpfungen anderer Autoren Die Verfilmung (Regie: Volker Schlöndorff) Handlungsstränge werden in späteren Werken Grass’ fortgeführt 58 58 60 61 62 67 96 96 98 99 102 103 103 106 107 108 108 110 110 111 112 113 Anerkennung und Verrisse Der Roman ist bis in die Gegenwart aktuelle Warnliteratur 115 116 5. MATERIALIEN 119 6. PRÜFUNGSAUFGABEN MIT MUSTERLÖSUNGEN 122 LITERATUR 135 STICHWORTVERZEICHNIS 141 1 SCHNELLÜBERSICHT 2 GÜNTER GRASS: LEBEN UND WERK 3 TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION 2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund ZUSAMMEN- Seit 1919 war Danzig der Freistaat „Freie Stadt Danzig“ und gehörte nicht zum Deutschen Reich. Grass wurde 1927 in Danzig geboren. Am 1. September 1939 ging dieses Staatsgebilde durch die Gleichschaltung mit dem Dritten Reich zu Ende. 1945 musste die Familie Danzig, wo sie in einem Vorort kleinbürgerlich gelebt hatte, verlassen; Grass verlor damit seine Heimat. Grass nahm als Soldat an den letzten Kriegsereignissen teil, lernte nach Zwischenstationen Steinmetz, studierte Malerei und wurde einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Endgültigkeit des Heimatverlustes ist für die Danziger Trilogie das zentrale Thema. Sein Hauptwerk Danziger Trilogie (Titel nach John Reddick) wurde mit dem Roman Die Blechtrommel eröffnet, der die Zeit von 1899 bis 1954 umfasst und damit auch Kindheit, Jugend und Ausbildung des Schriftstellers. Die Blechtrommel bedeutete Grass‘ Eintritt in die Weltliteratur, obwohl der Roman in Deutschland heftige Auseinandersetzungen auslöste. FASSUNG Der Freistaat „Freie Stadt Danzig“ bis zum 1. September 1939 Für den Roman werden Grundkenntnisse der Geschichte Danzigs im 20. Jahrhundert vorausgesetzt. Seit dem Versailler Vertrag (1919) war Danzig der Freistaat „Freie Stadt Danzig“ (1920–1939), zu zwei Dritteln umschlossen von der Republik Polen, und gehörte nicht 20 GÜNTER GRASS 4 2.2 REZEPTIONSGESCHICHTE 5 MATERIALIEN 6 PRÜFUNGSAUFGABEN Zeitgeschichtlicher Hintergrund zum Deutschen Reich. Die kaschubische Großmutter Grass’, die auf dem Markt in Danzig-Langfuhr ihre Eier und Butter verkaufen wollte, wurde oft daran gehindert, weil die Bahnfahrt von ihrem Dorf Viereck nach Danzig-Langfuhr (10 km) als Einreise genehmigt werden musste. Der Freistaat war ein Kompromiss: Die Polen hatten dadurch Zugang zu einem Seehafen, die zahlreichen Deutschen konnten in der Stadt bleiben. Außenpolitisch vertreten wurde die Stadt von Polen, der Völkerbund entsandte einen Hohen Kommissar in die Freie Stadt, der die Einhaltung der Verfassung überwachen und in Streitfällen schlichten sollte. Der erste Hohe Kommissar war der Schweizer Historiker und Schriftsteller Carl Jacob Burckhardt (1891–1974). Die Polen erhielten das Recht auf eigene Post- und Telegrafenanlagen in der Stadt8 , die in Grass’ Roman eine Rolle spielen. Der Hafen wurde gemeinsam von Danzig und Polen verwaltet; das brachte Streit: Polen baute in Gdynia einen Seehafen, der 1932 Danzig überflügelt hatte. Zur Freien Stadt Danzig (1914 km2 ) gehörten Danzig und Zoppot, das Weichseldelta, das Danziger und Marienburger Werder und die Hügellandschaft der Danziger Höhe im Westen. Anlieger waren im Osten die deutsche Provinz Ostpreußen, im Süden und Westen die polnische Wojewodschaft Pomorze und im Norden die Ostsee. 1933 erlangte die NSDAP – die nationalsozialistische (faschistische) Partei Adolf Hitlers – die Mehrheit im Volkstag (Danziger Parlament), es fehlte aber die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Machtübernahme und Staatsänderung. Das politisches Gebilde mit eigener 8 1925 kam es zum Danzig-polnischen Postkonflikt, der schließlich zur Regelung führte, dass alle Sendungen mit der Anschrift „Gdańsk“ vom polnischen Zustelldienst, alle mit „Danzig“ von der Danziger Post besorgt werden sollten. Es wurden auch unterschiedliche Briefmarken verwendet. DIE BLECHTROMMEL 21 Geografische Lage 1933: Die NSDAP kommt an die Macht 1 SCHNELLÜBERSICHT 2 GÜNTER GRASS: LEBEN UND WERK 3 TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION 2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Karte der Freien Stadt Danzig, nach Schmidt u. a. 1993, S. 57 Staatsangehörigkeit und eigener Währung, dem Danziger Gulden, ging am 1. September 1939 mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (s. S. 64 der vorliegenden Erläuterung) zu Ende. Grass verlor seine Heimat, erlebte als Soldat auf deutscher Seite den Krieg und suchte nach kurzer Gefangenschaft einen Neuanfang. 22 GÜNTER GRASS 4 2.2 REZEPTIONSGESCHICHTE 5 MATERIALIEN 6 PRÜFUNGSAUFGABEN Zeitgeschichtlicher Hintergrund Zweiter Weltkrieg und Heimatverlust Er beschrieb in der Autobiografie Beim Häuten der Zwiebel (2006) diese Zeit und seinen Dienst in der Waffen-SS. Daraufhin setzten heftige Diskussionen um den Schriftsteller und sein Werk, auch um den Roman Die Blechtrommel, ein. Unterschlagen hatte Grass die Zugehörigkeit zur Waffen-SS in seiner Biografie nicht. Wenige Tage nach seiner Erklärung konnten die Leser in Zeitungen und Zeitschriften die „Vorläufige Erklärung“ des Kriegsgefangenen Grass von 1945 lesen, in der er als Truppeneinheit „SS-Pz-Div. Frundsberg“ angegeben hatte9 . Freunde bestätigten, dass Grass bis 1963 keineswegs „verschwiegen (hatte), dass er in der SS war“.10 Seriös arbeitende Journalisten erinnerten an Belege, in denen Grass auch nach 1963 seinen Dienst in der Waffen-SS nicht verschwiegen hatte11 , und literaturwissenschaftliche Kommentare hatten sich, Indizien berücksichtigend, auf keine militärische Einheit festlegen wollen, sondern vom „Panzerschützen“ gesprochen. Zu den Indizien ist u. a. der Eröffnungssatz für den Jahresbericht „1944“, dem Zeitpunkt des Einberufungsbefehls, zu rechnen: „IRGENDWANN MUSSTE ES ZUM KRACH KOMMEN.“12 Auch der Roman Die Blechtrommel beschreibt den Automatismus, mit dem man in die Waffen-SS übernommen werden konnte: Der Musiker Meyn, der aus der Reiter-SA wegen Tierquälerei ausgeschlossen wird, tritt in die Heimwehr ein, „die später von der Waffen-SS übernommen wurde“ (259). Dass Grass, wäre er „drei Jahre früher geboren“13 , in Verbre- 9 10 11 12 13 Die Abbildung im Spiegel, Nr. 34 vom 21. August 2006), S. 49, wurde begleitet von Tageszeitungen, z. B. der Mitteldeutschen Zeitung (19./20. August 2006). Klaus Wagenbach: Günter Grass hat nichts verschwiegen. In DIE ZEIT Nr. 18 vom 26. April 2007, S. 50. – Vgl auch: Jens Jessen: Und Grass wundert sich. In: DIE ZEIT Nr. 34 vom 17. August 2006, S. 1. Christian Eger: Du bist schuld und du am allermeisten. In: Mitteldeutsche Zeitung vom 2. September 2006, S. 29. Günter Grass: Mein Jahrhundert. Göttingen 1999, S. 57. Heinrich Vormweg: Günter Grass mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg 1986, S. 15. DIE BLECHTROMMEL 23 Grass’ Mitgliedschaft in der Waffen-SS 1 SCHNELLÜBERSICHT 2 GÜNTER GRASS: LEBEN UND WERK 3 TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION 2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund chen verwickelt worden wäre, hat er stets zugegeben (s. S. 51 der vorliegenden Erläuterung). – Martin Walser erklärte das Verhalten Grass‘ treffend, es herrsche in Deutschland „kein Klima, das einlädt, mit sich selbst freimütig abzurechnen und entspannt darüber zu sprechen, was einem passiert ist. Es ist ein Klima der Vergiftungen, der schnellen Verdächtigungen und des Rufmordes.“14 Endgültigkeit des Heimatverlustes Die Endgültigkeit des Heimatverlustes ist für die Danziger Trilogie das zentrale Thema. Es ist Heimatverlust in einem fremden Land: Es gehörte nicht zu Deutschland, als Grass dort geboren wurde, und es hatte mit Deutschland nichts zu tun, als Grass darüber schrieb. Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 im damaligen Danziger Vorort Langfuhr, in dem vorwiegend Kleinbürger wohnten, geboren. (Heute ist Wrzeszcz ein großer und moderner Stadtteil von Gdańsk.) Danzig-Langfuhr ist ein Handlungsort der Danziger Trilogie. Grass rekonstruierte das Danzig seiner Kindheit in der Danziger Trilogie. Viele Gebäude und Straßen sind heute noch vorhanden. Unweit des Labeswegs 13, in dem Günter Grass als Kind wohnte und in dem sich ein großer Teil des Romans abspielt, befindet sich die Christuskirche – „früher eine evangelische Kirche, die auch heute noch ein Zwiebeldach mit Uhren hat.“15 Es entsteht eine Analyse der psychischen, geschichtlichen und politischen Situation der Kleinbürger eines Danziger Vororts, „Mittelschicht (proletarisch-klein- 14 15 24 S. Stimmen. In: Freie Presse vom 19./20. August 2006, S. A16. Schmidt, Sabine, Jan Blaszkowski u. a.: Oskar – Tulla – Mahlke. In Gdańsk unterwegs mit Günter Grass. Wydawnictwo „Marpress“ Gdańsk 1993, S. 135 f. GÜNTER GRASS STICHWORTVERZEICHNIS Apollo 75, 101 auktorialer Erzähler, auktoriale Erzählsituation 51, 52, 57, 108 Außenseiter 61 Autobiografie 18, 23, 49 Banalität des Bösen 43 Barockliteratur 9, 96, 100 Biedermeier 53, 108 bildende Kunst 102, 108 Bildungsroman 29, 30 Clown 39 Dante 95, 105 Danziger Trilogie 6, 13, 16, 20, 24, 25, 27, 32, 34, 35, 53, 97, 106, 122, 139 Dialekt 96 Dionysos 75, 101 Dostojewski 9, 93, 96, 99 Drei, Dreizehn, Dreißig 7–9, 23, 29, 32, 36–38, 42, 44, 49, 51, 53, 54, 56, 60–62, 64, 66, 77, 81, 84, 89, 97, 109, 125 Dreieck, Dreiecksbeziehung 36, 46, 49, 54–56, 81 Erlösung 75, 84, 100 Erster Weltkrieg 19, 32, 73, 81, 86 Erzählen in Gegensätzen 10, 96, 101, 102, 108 Erzähler 8, 9, 31, 32, 49–52, 55, 58, 60, 61, 69, 71, 96–98, 101, 104, 107, 108, 114, 122, 127–130 Erzählsituation 52, 129 Erziehungsroman 30 Familiengeschichte 9, 32, 43, 62, 63, 69, 102, 103 Farben 9, 46, 85, 96, 98, 130–132 Faschismus, s. Nationalsozialismus 111, 124, 125, 131 Freie Stadt Danzig 6, 20, 72, 122 Freistaat 6, 20, 122 Gegensätze 51, 81, 101, 102, 133 geometrische Begriffe 54, 55 Glas zersingen 7, 29, 30, 37, 38, 52, 55, 63, 76, 78, 111, 132 Goethe 9, 37–39, 51, 63, 74, 75, 79, 88, 95, 96, 98, 101, 102, 105, 108, 133 Groteske 43 Handlungsort 24, 34, 125, 126 Heimatverlust 6, 23, 24, 104 141 STICHWORTVERZEICHNIS Held 33 Ich-Erzählsituation 52, 129 Jesus 8, 36, 39, 40, 42, 43, 46, 48, 55, 59, 61, 62, 65, 66, 82, 90, 92, 95, 103, 106, 126 Kleinbürger 6, 8, 24, 61, 115 Komik 34, 119 Kreuz 72, 81, 85, 107, 132 Künstlerroman 30 Mütter, die 9, 11, 12, 33, 37–40, 45, 47, 54, 55, 58, 59, 61–64, 68, 90, 99, 100, 105, 107, 109, 114, 123 Motive 29, 34 Nationalgeschichte 9, 102, 103 Nationalsozialismus 9, 12, 26, 31, 87, 88, 92, 102, 103, 118, 124, 127 Odysseus, Odyssee 89, 103 Phallussymbol 46 pikareske Tradition, p. Roman 29, 31 Rasputin 9, 37, 75, 96, 98, 99, 101, 102, 106, 108 Säkularisierung, säkularisiert 36, 107 142 Sühne 9, 47, 48, 93, 97, 99, 102, 125 Satz, erster 53, 106, 128, 130 Schuld 9, 48, 82, 93, 94, 97, 99, 102, 103, 111, 124, 134 Schwarze Köchin 8, 9, 46, 48, 59, 96, 99, 103, 107, 130–134 Sieben 19, 56, 62, 85, 89 Sprichwörter 9, 96, 98 Straßenbahn 48, 94 Surrealismus 26, 91 Symbol 55, 62, 94, 123, 134 Symbol- und Motivkette 123 synonymische Folge 100 Traditionen 108 Verfilmung 112, 113, 140 verlorener Sohn 103 Versailler Vertrag 20, 122, 127 Viereck 21, 55, 56, 68 Warnliteratur 25, 116 Westerplatte 16 Zahlen, s. Drei, Dreizehn und Sieben 55 Zweiter Weltkrieg 23, 32, 37, 40, 41, 50