Weltmacht Amerika - Das neue Rom von Peter Bender Neuausgabe Weltmacht Amerika - Das neue Rom – Bender schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Klett-Cotta 2004 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 608 96002 0 Leseprobe I. 2000 Jahre Abstand In der Geschichte der Welt gab es etliche Senate, aber nur zwei wirklich große, den römischen und den amerikanischen. Robert Byrd 1. Zwei strategische Köpfe Im Jahr 279 vor Christus stand der Senat in Rom vor einer Entscheidung, bei der es kaum Zweifel gab, wie sie ausfallen müsse. König Pyrrhos war aus Epiros (heute Albanien und NordwestGriechenland) nach Italien gekommen, hatte die römischen Legionen zweimal geschlagen und sich mit Roms Feinden im Süden der Halbinsel verbündet. Einen solchen Gegner hatten die Römer noch nicht erlebt. Pyrrhos war einer der besten Militärs seiner Zeit, und sein Heer war kaum schwächer als das Heer, mit dem Alexander fünfzig Jahre vorher das ganze Perserreich erobert hatte. Erstmals begegneten die römischen Legionen der überlegenen hellenistischen Kriegskunst und mußten den Panzern des Altertums, den Elefanten, standhalten. Sie hatten zwar tapfer gekämpft und Pyrrhos nur "Pyrrhos-Siege" gestattet mit schweren Verlusten, aber sie waren die Besiegten und mußten weitere Niederlagen fürchten. Doch dann eröffnete sich eine überraschende Möglichkeit: Der König bot Frieden und Freundschaft an, er sah sich genötigt, nach Sizilien zu gehen, um den Griechen dort gegen die Karthager zu helfen. Es war eine Wendung, die niemand in Rom erwartet hatte, man konnte einen unüberwindbaren Gegner auf leichte Weise loswerden. Der römische Gesandte schloß einen Vertrag mit Pyrrhos, und der König schickte seinen Minister Kineas nach Rom, um den Senat zur Ratifizierung des Abkommens zu überreden. Kineas war ein welterfahrener Mann und geschickter Diplomat, seine Worte sollen mehr Städte gewonnen haben als die Waffen des Königs. Auch in Rom arbeitete er nicht ohne Erfolg, im Senat wuchs die Neigung, den Vertrag zu bestätigen. Doch dann schlug die Stimmung um. Aus Karthago kam ein Angebot, den Kampf gegen Pyrrhos gemeinsam zu führen, und aus der Stadt kam eine Mahnung, die der Senat nicht ignorieren konnte. Appius Claudius Caecus war eine Autorität; er entstammte ältestem Adel, hatte die höchsten Ämter bekleidet und innen- wie außenpolitisch große Weitsicht bewiesen. Er war zwar schon alt und hatte sich aus der Politik zurückgezogen, doch als er von der Friedensbereitschaft des Senats hörte, ließ er sich von seinen Söhnen und Schwiegersöhnen in die Sitzung führen. Er sei blind, begann Claudius, aber nun bedaure er, nicht auch taub zu sein, weil er höre, wie hier Roms Ruhm und Macht vertan werden solle. Um beides, den Ruhm und die Macht, ging es Claudius, als er gegen den Frieden mit Pyrrhos plädierte, zuerst mit praktischen Gründen. Der König sei keineswegs so stark, wie er tue; vor allem sei er ein Abenteurer, deshalb wäre es ein schwerer Irrtum anzunehmen, man werde ihn los, wenn man sich mit ihm vertrage oder gar verbünde. Dann wurde Claudius grundsätzlich. Wenn Rom nach zwei Siegen des Pyrrhos mit ihm Frieden schließe, müsse alle Welt das als Schwächebeweis nehmen. Die Tarentiner, die Pyrrhos nach Italien geholt hatten, und die Samniten, die zu Pyrrhos übergelaufen waren, würden lachen über Rom. Alle Feinde würden glauben: Wenn Rom mit Pyrrhos nicht fertig wird, kann es nicht schwer sein, mit Rom fertig zu werden. Deshalb gebe es nur eins: Pyrrhos müsse für seinen Überfall auf Italien bestraft werden. Claudius appellierte an den römischen Sinn für Ruhm und Macht: Niemals Schwäche zeigen! Rom sollte stark sein gegen Pyrrhos, damit die Samniten, die man nach fünfzig Jahren Krieg fast bezwungen hatte, nicht wieder Mut faßten. Es sollte stark sein, damit die frechen Griechen in Tarent nie wieder auf den Gedanken kämen, sich aus Übersee Helfer zu holen. Ein Frieden mit Pyrrhos hätte verlangt, dessen Verbündete in Italien, Lukaner, Brettier, Samniten und Griechen, in die Unabhängigkeit zu entlassen. Rom aber, mahnte der alte Mann, müsse Herr sein in Italien. Der Senat verstand und verabschiedete den Botschafter des Königs mit der Weisung: Pyrrhos müsse Italien räumen, erst dann