Synergien nutzen für die personalisierte Medizin

Werbung
d
2
s
s
709_761_BIOsp_0709.qxd
30.10.2009
9:58 Uhr
Seite 711
E D I TO R I A L
711
„SCHON EINE ZU GROßE RÄUMLICHE DISTANZ ODER
ADMINISTRATIVE UND LOGISTISCHE BARRIEREN ZWISCHEN
KLINIK UND FORSCHUNGSINSTITUTIONEN STÖREN DEN
TRANSLATIONSPROZESS.“
Uwe Heinrich
Translationsforschung – Synergien nutzen
für die personalisierte Medizin
ó Auch heute noch setzen viele Patienten
ihre Hoffnung auf die Entwicklung neuer
Medikamente für ihre Krankheit. Doch trotz
steigender Investitionen in Forschung und
Entwicklung in der Pharmaindustrie erreichen immer weniger neue Medikamente den
Markt. So steigerten die USA die Mittel für
die Pharmaforschung von 1996 bis 2006 von
17 auf 60 Milliarden US-Dollar; dagegen sank
die Zahl der jährlich zugelassenen Arzneimittel von 45 auf 30.
Einer der kritischen Schritte in den frühen
klinischen Untersuchungen First in Man und
Proof of Concept in Man ist die Extrapolation
der pharmakokinetischen Daten vom Modellorganismus zum Menschen. Dank der heutigen hochempfindlichen Analysentechnik
kann man schon mit geringsten Ausgangsdosierungen Verteilung und Abbau einer
Substanz im Menschen verfolgen. Mit solchen
Mikrodosierungen, unterhalb jeder Wirkungsbzw. Nebenwirkungsschwelle, lässt sich die
Stufe 0 der klinischen Prüfung realisieren.
Erste Humandaten zur wichtigen Frage der
Pharmakokinetik eines neuen Medikaments
können auf diesem Wege erhalten werden
und die Auswahl unter mehreren Kandidaten
für die klinische Entwicklung in eine Erfolg
versprechende Richtung lenken.
Tiermodelle können Wirkungen und
Nebenwirkungen von Medikamenten im Menschen häufig nur eingeschränkt darstellen,
aber auch innerhalb der Spezies Mensch treten genetisch bedingte Wirkungsunterschiede sehr deutlich zutage – Erkenntnisse, die
bei der Entwicklung von neuen Medikamenten nach der Blockbuster-Strategie nicht
berücksichtigt werden. Abhilfe ist hier durch
eine Verstärkung der personalisierten Therapie zu erwarten.
Dafür ist der derzeit noch mehrheitlich verfolgte Weg der Medikamentenentwicklung
aber nur bedingt geeignet, denn das Prinzip
BIOspektrum | 07.09 | 15. Jahrgang
des Proof of Principle erbringt erst nachträglich die Bestätigung für einen Prüfungsabschnitt. Neue Hypothesen oder Prognosen für
genotypisch unterschiedliche Organismen
können dagegen mit den Methoden der
modernen Molekularbiologie erstellt werden:
Hochdurchsatzverfahren für die Genom- und
Proteomanalytik lassen im Vergleich von
Patienten mit gesunden Probanden Rückschlüsse zu, die für das tatsächliche Krankheitsgeschehen des Menschen von Bedeutung
sind. Proben können im gesamten Krankheitsverlauf unter Verwendung von DNA- und
RNA-Vervielfältigungstechniken und hochsensitiver Proteinanalytik untersucht werden.
Organoide Modell- und Gewebesysteme aus
menschlichen Zellen sind über Tissue Engineering zugänglich. Die Identifizierung und
Entwicklung neuer Biomarker zur Diagnose
und Therapiebegleitung muss stärker vorangetrieben werden. Nur mit solchen validierten
Biomarkern ist der Arzt letztendlich in der
Lage, das für den individuellen Patienten am
besten wirksame und mit der geringsten
Nebenwirkung verbundene Medikament auszuwählen. Aber – es ist kein Geheimnis –
auch die Entwicklung von Biomarkern, möglichst parallel zur Therapieentwicklung ist
recht kostspielig.
Eine Optimierung von Diagnostik und Therapie mit diesen Methoden erfordert die intensive Kooperation aller Beteiligten. Schon eine
zu große räumliche Distanz, administrative
und logistische Barrieren sowie fachspezifische Verständnisschwierigkeiten zwischen
Klinik und Forschungsinstitutionen stören
die Translation, die enge iterative Erkenntniskette zwischen klinischen Befunden und
Therapieentwicklung im Labor.
Die fachlichen Voraussetzungen sind in
Deutschland gegeben, jetzt kommt es in erster
Linie darauf an, die vorhandenen Kompetenzen zu bündeln. Synergien für die schnellere
Entwicklung wirkungsvollerer Medikamente nutzen, das wollen auch die Partner, die
sich mit Erfolg für das Hannover Center for
Translational Medicine (HCTM) eingesetzt
haben. Drei große Einrichtungen, die Medizinische Hochschule Hannover (MHH), das
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
(HZI) und das Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) werden ab 2011 das HCTM gemeinsam betreiben.
Hier soll eine optimale Infrastruktur für frühe klinische Studien der Phasen I und IIa
geschaffen werden. Mit 60 Betten und hochspezialisierten, GLP-konformen Forschungslabors sind beste Voraussetzungen für eine
moderne Translationsforschung gegeben. In
gemeinsamer Anstrengung sollten wir alle
Ressourcen nutzen, die wartenden Patienten
auf schnellstem Wege mit den bestmöglichen
Medikamenten zu versorgen.
ó
Uwe Heinrich, Geschäftsführender Leiter
des Fraunhofer-ITEM, Hannover
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Dr. Uwe Heinrich
Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin
Nikolai-Fuchs-Straße 1
D-30625 Hannover
Tel.: 0511-5350-120
[email protected]
www.item.fraunhofer.de
Herunterladen