Teilprothetik - Thieme Connect

Werbung
Teilprothetik
Heiner Weber und Jürgen Setz
Einleitung 133
Indikationen 133
Aufklärung 133
Elemente von Teilprothesen 134
Prothesenbasis 134
Künstliche Zähne 134
Verbinder 134
Verankerungselemente 135
Prothesendynamik 136
Krafteinwirkung 136
Weiterleitung von Druckkräften 137
Kompensation von Zugkräften 139
Implantate in der Teilprothetik 141
Indikationen 141
Gerüsteinprobe 147
Wachseinprobe 147
Eingliederung 148
Nachsorge 149
Grenzen der Modellgussprothese 149
Drahtklammer-Kunststoffprothesen 149
Kombiniert festsitzendabnehmbarer Zahnersatz 150
Konstruktionselemente von
Kombinationsersatz 150
Planungsbeispiele 155
Praxis des kombiniert festsitzendabnehmbaren Zahnersatz 159
Materialien 142
Klammern 142
Präparation 159
Provisorium 159
Stumpfabformung 160
Primärteilanprobe, Zweitabformung und
Relationsbestimmung 160
Gerüsteinprobe 162
Probetragen 162
Zementieren 162
Patienteninformation 163
Grundlagen der Prothesenplanung 144
Nachsorge 163
Praxis der Modellgussprothese 145
Unterfütterung 163
Rezementieren 163
Prothesenerweiterung 163
Karies- und Parodontitisprophylaxe 164
Okklusion 141
Bewährung von Teilprothesen 141
Komplikationen und Nachsorgebedarf 142
Modellgussprothesen 142
Studienmodelle 145
Patientenberatung 145
Auflagenpräparation, Abformung,
Kieferrelationsbestimmung 145
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
6
Einleitung
Abnehmbarer Zahnersatz kann im Gegensatz zu festsitzendem Zahnersatz vom Patienten aus dem Mund entfernt werden. Aus diesem zunächst banal scheinenden
Unterschied ergeben sich entscheidende Konsequenzen:
• Aus der Sicht des Patienten ist festsitzender Zahnersatz
schon nach kurzer Tragezeit kein Ersatz und keine „Prothese“ mehr. Die Notwendigkeit hingegen, abnehmbaren Zahnersatz zur Reinigung aus dem Mund herauszunehmen, erinnert täglich daran, etwas Künstliches,
Fremdes zu tragen.
• Aus zahnärztlicher Sicht ergeben sich aus der Abnehmbarkeit Folgen für Indikation, Konstruktion, Behandlungsablauf und Nachsorge:
– Zahnersatz, den ein Patient nicht zur Pflege aus dem
Mund entfernen kann, muss so gestaltet sein, dass
seine Pflege im Mund möglich und damit die dauerhafte Gesunderhaltung von Zähnen, Parodont und
Schleimhaut gesichert ist.
– Bei abnehmbarem Zahnersatz muss lediglich sichergestellt sein, dass der Zahnersatz und die Mundgewebe nach der Entfernung des Zahnersatzes aus
dem Mund gereinigt und gepflegt werden können.
Indikationen
Immer wenn Zahnersatz so gestaltet werden muss, dass er
im Munde nicht pflegbar ist, kann kein festsitzender
Zahnersatz mehr eingegliedert werden. Dies ist z. B. der
Fall, wenn Zahnersatz große Teile eines Alveolarfortsatzes
ersetzen oder die Mundschleimhaut flächig abdecken
muss, um z. B. Kaukräfte auf die Mundschleimhaut und
den darunter liegenden Alveolarfortsatz zu übertragen.
Ein weiter Vorteil der Abnehmbarkeit ist die einfache
Erweiterungsfähigkeit des Zahnersatzes bei weiterem
Zahnverlust. Ist also in absehbarer Zeit mit weiterem
Zahnverlust zu rechnen, hat abnehmbarer Zahnersatz gegenüber festsitzendem Zahnersatz Vorteile.
Die Differenzialindikationen zwischen festsitzendem und
herausnehmbarem Zahnersatz veranschaulicht Abbildung
6.1.
Aufklärung
Grundsätzlich muss der Patient über seine zahnärztliche
Diagnose mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen
aufgeklärt werden. Die Information und Aufklärung fördert das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient und setzt den Patienten erst in die Lage, eine für ihn
optimale Therapie zu wählen. Schließlich ist die Aufklärung gesetzlich unumgänglich, da jede ärztliche Behandlungsmaßnahme Körperverletzung ist. Nur die Einwilligung des Patienten nach Aufklärung stellt die Körperverletzung straffrei.
Juristische Differenzierung
der ärztlichen Aufklärung
• Die Diagnoseaufklärung versetzt den Patienten in den
Wissensstand über seine zahnärztlichen Leiden.
• Die Therapieaufklärung zeigt dem Patienten, welche
Therapiemöglichkeiten für ihn infrage kommen. Auch
muss der Patient über die Folgen einer Nichtbehandlung
informiert sein.
• Die Risikoaufklärung gibt dem Patienten Einblick in die
typischen Gefahren, die mit jeder vorgeschlagenen Therapieform einhergehen können.
• Die wirtschaftliche Beratungspflicht gewinnt insbesondere im Bereich der zahnärztlichen Prothetik an Bedeu-
festsitzender Zahnersatz
gut
klein
geradlinig
klein
erhalten
festsitzend
Parodontalzustand
Lückenzahl
Lückenform
Lückengröße
Alveolarfortsatz
Versorgung
Gegenkiefer
schlecht
groß
bogenförmig
groß
resorbiert
herausnehmbar
herausnehmbarer Zahnersatz
Abb 6.1
Indikationsschema festsitzend – abnehmbar (nach Jüde).
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Einleitung
133
6 Teilprothetik
tung, da häufig finanziell voneinander stark abweichende Behandlungsmittel in Betracht kommen.
• Die Verlaufsaufklärung muss dem Patienten Kenntnisse
darüber vermitteln, wie die Behandlung organisatorisch
und zeitlich ablaufen wird.
• Die Sicherungsaufklärung muss dem Patienten verdeutlichen, dass seine Unterstützung und Mitarbeit, z. B. in
Mundhygiene, Recall zur Unterfütterung, unumgänglich
sind, um den Langzeiterfolg einer Therapie zu gewährleisten.
Hilfsmittel bei der Aufklärung
Für die Aufklärung des Patienten über prothetische Behandlungsmaßnahmen stehen zahlreiche Möglichkeiten
zur Verfügung:
• Reich bebilderte Bücher, welche die prothetischen Behandlungskonzepte exemplarisch wiedergeben.
• Speziell für die Patienteninformation angefertigte Modelle mit entsprechendem Zahnersatz.
• Digitalfotografie
• In Behandlungseinheiten integrierte intraorale Kameras.
• Klassische Hilfsmittel: Handspiegel oder Röntgenbild.
MERKE
Die Patientenaufklärung muss schriftlich in der Karteikarte fixiert werden. Sie ist für mögliche rechtliche
Auseinandersetzungen unabdingbare Voraussetzung
und für den Behandler bleibt sie eine gute Gedächtnisstütze.
Elemente von Teilprothesen
Teilprothesen bestehen aus künstlichen Zähnen auf einer
Prothesenbasis, Verbindern und Verankerungselementen
(Abb. 6.2).
Prothesenbasis
Die Prothesenbasis liegt der Schleimhaut flächig auf und
trägt die künstlichen Zähne. Da in der Funktionszeit der
Prothese mit einer fortschreitenden Alveolarfortsatzresorption gerechnet werden muss, müssen Prothesenbasen im Bereich der Alveolarfortsätze unterfütterbar sein.
Daher werden sie aus Kunststoff gefertigt. Material der
Wahl ist Polymethylmethacrylat.
Künstliche Zähne
In der Teilprothetik werden wie in der Totalprothetik
überwiegend industriell hergestellte, künstliche Zähne
aus Kunststoff oder Keramik verwendet (siehe S.173). Alternativ können besonders bei kleinen Lücken zwischengliedähnliche Zähne individuell gestaltet werden.
Verbinder
Verbinder verbinden Basiselemente und Verankerungselemente. Sie sollten möglichst starr sein, um elastische
Verformungen und Verwindung der Prothese zu vermeiden. Zugleich müssen Verbinder so gestaltet sein, dass sie
die natürliche Selbstreinigung am marginalen Parodont
möglichst wenig einschränken und die Retention von
Plaque im Sulcus gingivae nicht gefördert wird.
MERKE
Verbinder dürfen Gingiva nicht flächig abdecken, und
der Abstand zum Sulcus gingivae sollte wenigstens
4 mm betragen.
Große Verbinder
Große Verbinder verbinden Prothesenteile des rechten
und linken Kiefers miteinander.
Oberkiefer
Im Oberkiefer unterscheidet man:
• Rationierte große Verbinder überqueren den Gaumen nur an einer Stelle. Sie können als Transversalband
oder hufeisenförmig gestaltet werden (Abb. 6.3):
– Das Transversalband wird angewandt, wenn Sättel im
Seitenzahnbereich zu verbinden sind. Lange Freiendsättel erfordern breite Transversalbänder; kurze Sättel
oder rein parodontal gestützte Schaltlücken erlauben
schmalere Transversalbänder. Bei sehr langen Freiendsätteln (z. B. bei Fehlen aller Seitenzähne) wird
aus dem Transversalband eine flächige Abdeckung
des Gaumens.
– Hufeisenförmige Verbinder sind zweckmäßig, wenn
außer Seitenzahnlücken noch Frontzahnlücken versorgt werden müssen.
• Skelettierte große Verbinder überqueren den Gaumen an zwei Stellen. Sie sind sinnvoll, wenn mechanisch
günstige Voraussetzungen vorliegen, z. B. bei Schaltlücken im Seitenzahnbereich bei gleichzeitigem Vorhandensein kleiner Frontzahnlücken.
großer
Verbinder
Halteelement
Halteelement
Stützelement
Stützelement
Basiselement
kleiner
Verbinder
Basiselement
Abb. 6.2
Konstruktionselemente einer Teilprothese.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
134
Elemente von Teilprothesen
135
Abb. 6.3 Große Verbinder im Oberkiefer.
a Transversalband.
b hufeisenförmig.
c skelettiert.
a
b
c
Kleine Verbinder verbinden Verankerungselemente mit
der Prothesenbasis oder mit großen Verbindern. Da kleine
Verbinder die Gingiva überqueren und teilweise abdecken, entstehen unter ihnen habituell unsaubere Zonen,
die zu vermehrter Plaqueretention führen können.
MERKE
a
b
c
Abb. 6.4 Große Verbinder im Unterkiefer.
a, b Sublingualbügel.
c Labialbügel.
Überquerungen der Gingiva sind parodontalprophylaktisch ungünstig, daher sollte die Anzahl kleiner
Verbinder möglichst klein gehalten werden.
Verankerungselemente
MERKE
Steile Gaumenformen verlangen eine dickere und
damit mechanisch stabilere Ausführung des großen
Verbinders als flache Gaumen.
Unterkiefer
Im Unterkiefer ist der Sublingualbügel großer Verbinder
der Wahl. Seine Lage hängt von der Funktion der anterioren Mundbodenmuskulatur ab. Einerseits sollte der Bügel
so weit wie möglich vom marginalen Parodont entfernt
sein, andererseits darf er die Bewegungen der anterioren
Mundbodenmuskulatur nicht einschränken.
• Bei einem steilen anterioren Alveolarfortsatz kann der
Sublingualbügel der Mukosa angenähert werden (Abb.
6.4a).
• Bei flachem anterioren Alveolarfortsatz muss der Abstand zur Mukosa größer sein (Abb. 6.4b).
Selten ist ein Labialbügel (Abb. 6.4c) erforderlich:
• Wenn die Unterkieferfrontzähne sehr stark nach lingual
geneigt sind.
• Bei extrem hoher, nahe an der marginalen Gingiva ansetzenden Mundbodenmuskulatur.
MERKE
Bei bestimmten Formen des kombiniert festsitzendabnehmbaren Zahnersatz kann auch ganz auf große
Verbinder verzichtet werden.
Verankerungselemente sind die Teile einer Prothese, welche die an ihr angreifenden Kräfte auf Pfeilerzähne weiterleiten.
• Halteelemente wirken abziehenden Kräfte entgegen.
• Stützelemente leiten Druckkräfte auf Pfeilerzähne und
deren Parodont weiter.
Eigenschaften
• Verankerungselemente sollen verschleißfrei oder aktivierbar oder austauschbar sein.
• Im eingegliederten Zustand müssen Verankerungselemente passiv sein, also im Gegensatz zu aktiven kieferorthopädischen Geräten keine Zahnbewegung induzieren.
• Verankerungselemente sollten die Pfeilerzähne körperlich umfassen, um ein Ausweichen der Zähne bei der
Krafteinleitung unter Funktion zu verhindern.
• Ideal ist eine reziproke Wirkung, indem Verankerungselemente beim Ein- und Ausgliedern des Zahnersatzes
keine Horizontalbewegung der Pfeilerzähne induzieren.
• Für den Patienten von besonderer Bedeutung ist die
Ästhetik, daher sollten Verankerungselemente optisch
unauffällig sein.
• Verankerungselemente müssen hygienische Anforderungen erfüllen: Die Mundhygiene sollte durch sie nicht
erschwert werden und sie sollten nicht zu verstärkter
Plaqueanlagerung an den Pfeilerzähnen führen.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Kleine Verbinder
6 Teilprothetik
Klammern
• Gebogene Drahtklammern sind schnell und preisgünstig herzustellen, haben jedoch keine definierte Haltekraft und können sich im Mund unter Funktion verbiegen. Sie werden daher als Verankerungselemente bei
Interimsprothesen verwendet, die in absehbarer Zeit
durch definitiven Zahnersatz ersetzt werden.
• Gussklammern sind Halte- und Stützelemente von
Modellgussprothesen. Ihre Haltekraft kann berechnet
werden. Gussklammern umfassen Pfeilerzähne körperlich, eine reziproke Wirkung ist jedoch nur selten gegeben. Ihre Anwendung im Frontzahngebiet ist aus ästhetischen Überlegungen sowie wegen geringer Unterschnittstiefen von Frontzähnen begrenzt.
MERKE
Klammern können die natürliche Selbstreinigung der
Zähne einschränken, sodass es an Pfeilerzähnen zur
vermehrten Plaqueanlagerung kommt.
Komplizierte Verankerungselemente
Komplizierte Verankerungselemente können in Geschiebe, Stege, Anker, Doppelkronen, Riegel und Magnete
unterteilt werden. Sie bestehen aus einem festsitzenden
Anteil, dem Primärteil, der am Restgebiss oder an Implantaten fixiert ist, und einem Sekundärteil an der abnehmbaren Prothese.
Sieht man von den mit Säureätztechnik adhäsiv an
Restzähnen befestigten Verankerungselementen ab,
sind komplizierte Verankerungselemente wesentlich invasiver als Klammern, da immer Zähne beschliffen werden müssen. Trotz dieses Nachteils erweitern komplizierte Verankerungselemente das Spektrum der prothetischen Therapiemöglichkeiten erheblich. Sie eröffnen
z. B. in den Situationen eine Therapieoption, bei denen
Gussklammern vollständig versagen oder gravierende
Nachteile haben.
Prothesendynamik
Teilprothesen sollen beim Kauen, Sprechen und Lachen
lagestabil sein. Schaukelnde Prothesen leiten Kräfte unkontrolliert auf Schleimhaut und Alveolarfortsätze weiter.
Kurzfristig kann dies zu Missempfindungen, wie Schleimhautbrennen oder Schmerz (Druckulzera), führen. Langfristig kann mangelnde Lagestabilität zum Krankheitsbild
der Prothesenstomatitis beitragen, die Alveolarfortsatzresorption verstärken oder die Pfeilerzähne schädigen.
Krafteinwirkung
Zur Konstruktion lagestabiler Teilprothesen ist daher die
Kenntnis angreifender Kräfte und deren Weiterleitung
wesentlich (Abb. 6.5).
Druckkräfte
Kräfte in Richtung des Prothesenlagers entstehen beim
Kauen unbewusst und liegen in einer Größenordnung
von 50 N. Sie können beim bewussten Zusammenbeißen
im Molarenbereich aber auch auf bis auf ca. 400 N ansteigen. Parafunktionell treten beim Knirschen und Pressen noch weitaus größere Druckkräfte auf, sodass die
parafunktionelle Beanspruchung noch größere Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften von Zahnersatz stellt.
Zugkräfte
Zu den Zugkräften gehört im Oberkiefer zunächst die
Schwerkraft, die sich aus dem Eigengewicht der Prothese
ergibt. Außerdem entstehen Zugkräfte immer, wenn sich
beim Kauen klebrige Speisen zwischen den Kiefern befinden. Öffnet der Patient den Mund, führen klebrige
Speisen zum Abziehen der Prothese. Zugkräfte hängen
damit wesentlich von der Konsistenz und Klebrigkeit
des Kaugutes ab.
Abb 6.5
Kräfte.
Zugkräfte
Druckkräfte
Schubkräfte
Am Zahnersatz angreifende
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
136
Prothesendynamik
137
MERKE
Bei üblichen Nahrungsmitteln liegen die Zugkräfte bei
maximal 5–10 N, bei sehr klebrigen Speisen (z. B. Karamellbonbons) können sie auf 20–30 N ansteigen.
Horizontal wirkende Schubkräfte sind nur wenig untersucht und lassen sich somit nicht in ihrer Größe angeben.
Zur Weiterleitung von Schubkräften dienen alle Konstruktionselemente, die Zähne umfassen. Treffen horizontal
wirkende Kräfte auf den Zahnersatz auf, wird eine Horizontalbewegung der Prothese verhindert, indem die
Kräfte auf Pfeilerzähne und deren Parodont übertragen
werden. Wenn der Alveolarfortsatz noch gut ausgebildet
ist und er sattelförmig oral sowie vestibulär umfasst werden kann, haben auch Prothesenbasen eine horizontal
stabilisierende Funktion.
Weiterleitung von Druckkräften
Lückenklassifikation
Die prothesendynamischen Verhältnisse an unterschiedlichen Lücken führten zu einer Reihe von Lückengebissklassifikationen, von denen diejenige von E. Kennedy am
weitesten verbreitet ist (Abb. 6.6a–d). Kennedy unterscheidet:
• Beidseitige Freiendlücken,
• Einseitige Freiendlücken,
• Schaltlücken und
• Schaltlücken, deren Sättel anterior der Abstützung liegen.
Lückengebissklassifikationen sind didaktische Hilfsmittel,
die in der Praxis durch weitere, wesentliche Parameter bei
der Prothesenplanung ergänzt werden müssen (siehe
Abb. 6.1).
Abstützungs- und Lagerungsformen
Auf Prothesen auftreffende Druckkräfte können auf Zähne
und Parodont, Implantate oder Schleimhaut sowie den
darunter liegende knöchernen Alveolarfortsatz übertragen werden.
• Eine Prothese, die Druckkräfte ausschließlich auf Zähne
und Parodontien weiterleitet, wird als parodontal abgestützt bezeichnet.
• Werden nur Implantate benutzt, ist der Zahnersatz implantär abgestützt.
• Zahnersatz, der ausschließlich Kraft auf Schleimhaut
überträgt, wird als mukosal gelagert bezeichnet.
Darüber hinaus können Parodont, Implantat und Schleimhaut kombiniert zur Kraftübertragung herangezogen werden. So gibt es:
a
b
c
d
Abb. 6.6 Lückengebissklassifikation nach Kennedy.
a Klasse I. Sättel bilateral und posterior der Befestigung.
b Klasse II. Sättel unilateral und posterior der Befestigung.
c Klasse III. Unilaterale Sättel; Befestigung anterior und posterior.
d Klasse IV. Sättel anterior der Befestigung.
• parodontal-mukosal gelagerte Prothesen,
• implantär-mukosal gelagerte Prothesen,
• parodontal-implantär-mukosal gelagerte Prothesen.
Grundsätzlich sind parodontal/implantär gestützte Teilprothesen funktionell günstiger zu bewerten als ganz
oder teilweise mukosal gelagerte Prothesen. Teilprothesen sollten – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen –
immer soweit als möglich parodontal oder implantär abgestützt werden.
MERKE
Die rein mukosale Lagerung einer Teilprothese führt
beim Kauen zu einer schaukelnden, ungeführten und
unkoordinierten Sattelbewegung, die zu pathologisch
gesteigerter Alveolarfortsatzresorption führen kann.
Als Folge dieser Atrophie sinkt der Zahnersatz ab und
führt zur Destruktion des Parodonts lückenbegrenzender Zähne. Daher ist die rein mukosale Lagerung
nicht indiziert.
Abstützung Kennedyklasse 3
Bei geradlinigen und zahnbegrenzten Schaltlücken ist die
parodontale Abstützung des Sattels einfach zu realisieren.
Stützelemente, z. B. Auflagen von Klammern, die an die
die Lücke begrenzenden Zähne angebracht werden, sorgen dafür, dass Kaukräfte, die auf den Schaltsattel auftreffen, vollständig auf die die Lücke begrenzenden Zähne
übertragen werden.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Schubkräfte
6 Teilprothetik
MERKE
Die sattelnahe Abstützung ist die Standardtherapie
der geraden Schaltlücke.
Abstützung Kennedyklasse 1, 2 und 4
Ungleich komplexer wird die Abstützung bei Freiendlücken (Kennedy 1 und 2) und bei Schaltlücken, bei denen
die künstlichen Zähne anterior der Abstützung stehen
(Kennedy 4).
Zwischen Implantaten, Parodontien und Schleimhaut bestehen große Unterschiede in der Resilienz:
• Implantate weisen keine Resilienz auf.
• Das Parodont des Zahns ist nur wenig resilient
(10–50 µm).
• Die Eindrückbarkeit der Schleimhaut liegt je nach
Mundregion bei 100–1500 µm.
Der Resilienzunterschied zwischen Implantat und Parodont hat sich in der Praxis als unbedeutend erwiesen. Die
starre Verbindung von Implantat und natürlichem Zahn in
Zahnersatzkonstruktionen ist unproblematisch. Von großer klinischer Bedeutung ist hingegen die Kombination
von Parodont und Mukosa zur Abstützung von Zahnersatz. Da Freiendlücken nur auf einer Seite zahnbegrenzt
sind, können sie naturgemäß nicht wie eine Schaltlücke
beidseitig und damit rein parodontal abgestützt werden.
Es wird immer auch Kaukraft auf Mukosa weitergeleitet.
Dasselbe gilt für Frontzahnlücken, bei denen Kräfte anterior der Abstützung auftreten, obwohl diese Lücken ihrer Topographie nach auch Schaltlücken sind.
Mukosale Lagerung mit parodontaler Abstützung
Wird der Freiendsattel z. B. in Form einer Auflage am
endständigen Zahn abgestützt, werden Kräfte, die beim
Kauen in der Nähe der Auflage auf den Sattel auftreffen,
vollständig auf Zahn und Parodont übertragen. Je weiter
distal auf den Sattel gebissen wird, desto stärker verschiebt sich das Verhältnis zu Gunsten der Kraftübertragung auf die Mukosa. Der Freiendsattel wird infolge der
größeren mukosalen Resilienz posterior stärker in die
Mukosa einsinken. Das Profil der Einlagerung wird dreieckig (Abb. 6.7a). Durch die sattelnahe Abstützung wird
im Gegensatz zur rein mukosalen Lagerung vermieden,
dass der Alveolarfortsatz in der Nähe des endständigen
Zahnes belastet wird. So wird Schaden vom dorsalen Parodont des endständigen Zahnes ferngehalten.
Aus der dreieckigen Satteleinlagerung folgt, dass die dorsale Mukosa stärker belastet wird als die Mukosa näher
dem endständigen Zahn. Wünschenswert wäre jedoch,
die in die Mukosa eingeleiteten Kaukräfte möglichst
gleichmäßig zu verteilen. Dies ließe sich erreichen,
wenn der Sattel nicht sattelnah, am endständigen Zahn,
sondern sattelfern, z. B. am vorletzten Zahn abgestützt
würde. Hierdurch wird die Abstützung des Sattels nach
anterior verschoben. Der Sattel bleibt also noch abgestützt, durch die Verlagerung der Rotationsachse nach
anterior erfolgt die Einlagerung in die Mukosa gleichförmiger, allerdings immer noch nicht ideal parallel
(Abb. 6.7b).
Neue klinisch experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass der gewünschte Effekt nicht so groß ist wie
theoretisch erwartet. Die sattelferne Abstützung hat ferner den Nachteil, dass die Beweglichkeit des Sattels auch
in horizontaler Richtung erhöht wird.
Auch wenn die parodontale Abstützung des Freiendsattels
eine erhebliche Verbesserung gegenüber der rein mukosalen Lagerung bringt, hat sie unverändert eine Restbeweglichkeit zur Folge. Die parodontal abgestützte Freiendprothese rotiert um ihre Abstützung.
Einfluss der Verankerungselemente
a
b
Abb. 6.7 Einlagerung des Freiendsattels in Anhängigkeit vom
Verankerungselement.
Für die Beweglichkeit des Freiendsattels ist von Bedeutung, ob das Verankerungselement starr ist oder bewusst
eine Beweglichkeit zwischen abstützendem Zahn und Sattel eingebaut ist. Bei den starren Verankerungselementen
soll der Sattel so unbeweglich wie möglich mit dem Pfeilerzahn verbunden werden. Dies wird durch form- und
kraftschlüssige Verbindung erreicht. Bei der Belastung des
Freiendsattels führen form-kraftschlüssige, starre Verankerungselemente zu einer Entlastung der Mukosa und zu
einer erhöhten Kraftübertragung auf das Parodont des
Pfeilerzahns (Abb. 6.8).
Demgegenüber stehen Verankerungselemente, die bei
Aufbiss auf den Prothesensattel über Federmechanismen
oder Rotationsachsen oder Kombination von Federweg
und Rotation zuerst eine gewisse Einlagerung des Sattels
in die Mukosa ermöglichen sollen. Erst nach erfolgter Ein-
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
138
Prothesendynamik
Einfluss der Prothesenbasis
Die Gestaltung der Prothesenbasis ist optimal, wenn wenig Kaukraft auf eine möglichst große Schleimhautfläche
übertragen wird (Schneeschuhprinzip). Dies ist gewährleistet, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
• Das dorsale Drittel eines Freiendsattels darf keine
künstlichen Zähne tragen. Dies ist von großer Bedeutung, da die weit dorsal auftreffenden Kräfte nicht nur
eine tiefere Einlagerung in die Mukosa bewirken (dorsales Ende des Dreiecks!), sondern auch einen großen
Hebelarm für das abstützende Parodont des endständigen Zahnes oder der endständigen Zähne darstellen.
• Die Prothesenbasis muss maximal ausgedehnt werden
(Erfassung der Tubera maxillae, Trigonum retromolare).
• Die spaltfreie Passung zwischen Prothesenbasis und
Mukosa muss gewährleistet sein.
Prothesenabstützung als Ganzes
Aus systematischen Aspekten wurden bisher die einzelnen Lücken eines Lückengebisses separat untersucht. Betrachtet man nun ein Lückengebiss, das sich in der Regel
aus mehreren verschiedenen Lücken zusammensetzt, als
Ganzes, lassen sich mehrere Abstützungsformen von Teilprothesen in Abhängigkeit von der Zahnzahl und der
Zahnverteilung unterscheiden (Abb. 6.9a–e).
Teilprothesen können polygonal, linear oder bei Vorhandensein nur noch eines Zahn punktförmig abgestützt werden.
• Bei polygonaler Abstützung ergeben sich Stützfelder, die
bei Verbindung aller Abstützungspunkte z. B. triangulär
oder quadrangulär sein können.
• Sind nur noch so wenige Restzähne vorhanden, dass die
möglichen Abstützungspunkte in einer Linie liegen, ist
die Konstruktion eines Unterstützungsfeldes nicht mehr
möglich. Der Zahnersatz kann nicht mehr flächig sondern
nur noch linear parodontal abgestützt werden; aus dem
Stützfeld wird eine Stützlinie. Aus prothesendynami-
100 %
60 %
Auflageklammer: grün
Teleskop: schwarz
20 %
m
z
d
Belastung
Abstützung sattelnah-starr (Auflageklammer und Teleskop)
Abstützung sattelfern-starr (Auflageklammer und Teleskop)
Prothese nicht abgestützt (Halteklammer)
Abb. 6.8 Vertikalbelastung des zahnlosen Prothesenlagers in Prozent der mesialen (m), zentralen (z) und distalen (d) Sattelbelastung
(n. Ludwig).
schen Erwägungen ist es sinnvoll, die lineare Abstützung
von Teilprothesen weiter in eine tangential-periphere
und eine diagonal-zentrale Variante zu unterteilen:
– Bei tangential-peripherer Abstützung stehen die
künstlichen Zähne der fertigen Prothese nur auf einer
Seite der Stützlinie.
– Bei diagonal- zentraler Abstützung befinden sich
künstliche Zähne auf beiden Seiten der Stützlinie.
MERKE
Die diagonal-zentrale Stützlinie ist ungünstiger, da
die Prothese nach zwei Seiten um die Stützlinie rotieren kann und die Stützzähne daher nach zwei Seiten ausgelenkt werden können. Dies ist bei einer
linear-tangentialen Stützlinie nicht der Fall.
Kompensation von Zugkräften
Teilprothesen werden an noch vorhandenen Zähnen befestigt. Die Parodontien der Zähne werden demnach bei
Ausgliederung einer Prothese oder bei abziehenden Kräften durch klebrige Speisen auf Zug belastet, also aus den
Alveolen herausgezogen. Die dabei auftretenden Kräfte
können nicht beliebig gesteigert werden, ohne die Parodontien zu schädigen. Werden pro Zahn Kräfte von
10–15 N beim Ausgliedern auf die Zähne übertragen,
kann davon ausgegangen werden, dass die Parodontien
nicht geschädigt werden.
MERKE
Gegossene Klammern und Geschiebe können in ihrer
Haltewirkung so gestaltet oder eingestellt werden,
dass die Kraft beim Ausgliedern des Zahnersatzes an
jedem mit einem Halteelement versehenen Zahn
10 N nicht überschreitet. Bei Drahtklammern besteht
diese Möglichkeit nicht.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
lagerung in die Mukosa soll Kraft auf den Pfeilerzahn und
sein Parodont weitergeleitet werden. Ziel dieser Konstruktion war es, das Parodont des abstützenden Zahnes
zu entlasten. Solche komplizierten, feinmechanischen
Verankerungselemente wurden in den 50er- und 60erJahren in großer Zahl entwickelt. Letztlich hat die klinische Erfahrung jedoch gezeigt, dass mit einfachen, starren
Verankerungselemente gute Langzeiterfolge erzielt werden können.
Dies wirft die Frage auf, wie dies trotz des großen Resilienzunterschiedes zwischen Mukosa und Parodont erklärt werden kann. Klinisch-experimentelle Untersuchungen von K. H. Körber (1983) haben gezeigt, dass sich die
Mukosa unter gut passenden, starr abgestützten Freiendsätteln ähnlich verhält wie das Parodont des Zahnes. Verantwortlich hierfür ist, dass die „integrierte Resilienz“, die
Gesamteinsenkung in die Mukosa unter dem Freiendsattel, um Größenordnungen kleiner ist als die Schleimhautresilienz an kleinflächigen Messstellen z. B. mit einem
Kugelstopfer.
139
6 Teilprothetik
Abb. 6.9 Abstützungsformen von Teilprothesen.
a Punktförmige Prothesenabstützung.
b Diagonal-zentrale Stützlinie.
c Tangential-periphere Stützlinie.
d Trianguläres Stützfeld.
e Quadranguläres Stützfeld.
a
b
c
d
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
140
e
Funktion von Halteelementen
Halteelemente nutzen Elastizität oder Friktion. Das Prinzip der Elastizität findet sich bei allen Klammern, aber
auch bei den komplizierten Verankerungselementen, bei
denen ein Metall- oder Kunststoffelement verformt wird.
Man kann diese Verankerungselemente als „retentive“
Elemente bezeichnen. Demgegenüber stehen die „friktiven“ Elemente, bei denen das Prinzip der Haftreibung,
Friktion, zu den elastischen Eigenschaften hinzukommt.
Friktion entsteht, wenn z. B. die Innen- und Außenkrone
einer Doppelkrone teleskopartig aneinander vorbei gleiten. Bei diesem Gleiten haben nicht die gesamten Flächen
Kontakt zu einander (Abb. 6.10). Innen- und Außenkrone
nähern sich nur punktförmig an, weil die aufeinander
gleitenden Flächen nicht absolut glatt sind, sondern
Rauigkeiten aufweisen. Die wahre Kontaktfläche zwischen den Rauigkeiten auf der Außenseite des Innenteleskops und der Innenseite des Außenteleskops ist erheblich viel kleiner als die gesamte Außenfläche des Innenteleskops.
MERKE
Die Friktion zwischen zwei Passkörpern hängt von
deren Passungsspiel, dem E-Modul der verwendeten
Materialien, der Dimensionierung, der Temperatur
und dem Medium ab, das zwischen den beiden Passkörpern vorhanden ist und als Schmiermittel wirkt.
Bewährung von Teilprothesen
Innenteleskop
Berührungspunkte
141
Implantate im zahnlosen Kiefer können erst die Voraussetzung zur Eingliederung von Teilprothesen schaffen. Es
entstehen dann im zahnlosen Kiefer künstliche Prothesenpfeiler, auf die nach Konstruktionsprinzipien des kombiniert festsitzend-abnehmbaren Zahnersatz Teilprothesen eingegliedert werden. Implantate ermöglichen damit
erst Teilprothesen.
Außenteleskop
Zahn
Abb. 6.10
Funktion von Teleskopkronen (nach Stüttgen).
Implantate in der Teilprothetik
Indikationen
Durch Implantate kann erreicht werden, dass ein Lückengebiss, das ohne Implantate mit abnehmbaren Prothesen
zu behandeln wäre, mit festsitzendem Zahnersatz behandelt werden kann. Typische Situationen, in denen Implantate abnehmbare Teilprothesen vermeiden, sind:
• Die Freiendlücke, wo durch die Schaffung distaler Implantatpfeiler Brückenersatz eingegliedert werden
kann.
• Große Schaltlücken, bei denen durch Implantate die
Zahl der Pfeiler vermehrt wird.
Implantate können auch die prothesendynamischen Voraussetzungen für abnehmbare Prothesen verbessern.
Durch einige, an strategisch wichtigen Orten inserierte
Implantate, kann die Abstützung und Retention erheblich
verbessert werden. So kann die prothesendynamisch sehr
ungünstige, diagonal-zentrale Abstützung einer Teilprothese durch ein Implantat in eine triangulär abgestützte
Prothese und durch zwei Implantate in eine quadrangulär
abgestützte Teilprothese überführt werden. Letzteres
führt zunächst zu einer rotationsfreien, optimal abgestützten Prothese. Außerdem entfällt die ungünstige Beanspruchung der natürlichen Pfeilerzähne, wodurch
Komplikationen, wie Zahnlockerung oder Zahnfraktur,
verhindert werden.
Mit Zunahme der parodontal/implantären Abstützung
können die Prothesenbasen und Verbinder verkleinert
werden. So wird beim Übergang zum quadrangulär gestützten abnehmbaren Zahnersatz im Oberkiefer eine
gaumenfreie Gestaltung der Prothese möglich. Implantate
können also abnehmbare Teilprothesen optimieren.
Teilprothesen werden so in ein funktionsgesundes stomatognathes System eingefügt, dass die vorhandenen Funktionsabläufe nicht beeinträchtigt werden. Funktionsgestörte Systeme müssen vor der definitiven Zahnersatzbehandlung mit Aufbissbehelfen oder provisorischen Prothesen in einen akzeptablen Funktionszustand überführt
werden (siehe S. 10 u. S. 31). Anschließend wird dieser, mit
temporären Maßnahmen erreichte Zustand mit definitivem Zahnersatz gesichert.
In der Regel wird bei Teilprothesen die vorhandene, durch
Okklusion von Zähnen definierte Kieferrelation übernommen. Bei Lückengebissen, die keine dental definierte Kieferrelation mehr haben, werden zur Neudefinition der
Unterkieferlage Verfahren der Totalprothetik erforderlich
(siehe S.175).
Die typischen Okklusionskonzepte für die Teilprothetik
sind die Fronteckzahnführung und die Gruppenführung.
Weisen noch vorhandene Eckzähne, Frontzähne oder Prämolaren Führungsflächen in der Laterotrusion oder Protrusion auf, soll der eingegliederte Zahnersatz okklusal so
eingeschliffen werden, dass diese Führungsflächen mit
und ohne Zahnersatz identisch funktionieren. Teilprothesen sollen keine Kontakte auf der Mediotrusionsseite aufweisen, es sei denn, ein Kiefer ist zahnlos. Aus Gründen
der okklusalen Stabilisierung einer Totalprothese wird
dann die bilateral balancierte Okklusion zweckmäßig.
Dies kann auch sinnvoll sein bei Prothesen, die vielleicht
noch ein oder zwei Zähne als Pfeiler nutzen, aber in absehbarer Zeit durch weiteren Zahnverlust zu Totalprothesen ergänzt werden müssen. Diese Aufbauprothesen sollen nicht nur durch ihre Ausdehnung, sondern auch durch
ihre Okklusion optimal erweiterungsfähig sein.
Bewährung von Teilprothesen
Verweildauer
Die Verweildauer von Teilprothesen ist im Vergleich zu
festsitzendem Zahnersatz ungünstiger. Während bei Brücken zehn Jahre nach Eingliederung noch 80–90 % der
Restaurationen im Munde des Patienten sind, sinkt dieser
Wert bei abnehmbaren Teilprothesen auf 50–60 % ab. Dabei unterscheiden sich klammerverankerte Modellgussprothesen nicht nennenswert von Geschiebeprothesen.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass Prothesen, die Doppelkronen als Halte- und Stützelemente haben, günstigere
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Okklusion
6 Teilprothetik
Verweildauern als Modellgussprothesen aufweisen. Wesentlich ungünstiger ist die Verweildauer von Drahtklammer-Kunststoffprothesen. Hier sind bereits nach drei Jahren etwa 50 % der Prothesen nicht mehr funktionstüchtig.
Allerdings ist zweifelhaft, ob es überhaupt methodisch
korrekt ist, abnehmbare Teilprothesen mit festem Zahnersatz hinsichtlich der Verweildauer zu vergleichen.
Schließlich ist die erweiterungsfähige abnehmbare Teilprothese gerade bei prognostisch eher ungünstigeren Voraussetzungen indiziert.
Patienteneinschätzung
Patienten mit Kronen und Brücken als Zahnersatz schätzen ihre Mundgesundheit im Mittel etwa so ein wie Menschen, die voll bezahnt sind und damit gar keinen Ersatz
tragen. Befragt man jedoch Patienten mit abnehmbaren
Teilprothesen, berichten diese deutlich öfter über Probleme im Zusammenhang mit dem Zahnersatz. Untersuchungen zu den Tragegewohnheiten von Teilprothesen
zeigen ferner, dass ein Teil der Prothesen gar nicht oder
nur selten getragen wird. Dies trifft besonders für Prothesen zu, mit denen keine Frontzähne ersetzt werden. Trotz
dieser Einschränkungen sind etwa 90 % der Patienten mit
ihrem Zahnersatz zufrieden.
Komplikationen und
Nachsorgebedarf
Teilprothesen sind nachsorgeintensive Behandlungsmittel. Dies liegt an technischen und biologischen Komplikationen, wie:
• Klammerbrüchen,
• Abbrechen von Prothesenzähnen,
• Ablösen von Primärkronen,
• Fehlpassung von Sätteln nach Alveolarkammresorption.
Hier werden Reparaturen, Unterfütterungen und Rezementieren von Kronen erforderlich.
Teilprothesen verschlechtern durch das Entstehen habituell unsauberer Zonen die hygienischen Ausgangsbedingungen. Allerdings können diese ungünstigeren Bedingungen durch Verbesserung der Mundhygiene kompensiert werden. So zeigen Untersuchungen an Patienten mit
Modellgussprothesen, die in einem regelmäßigen Recall,
Remotivationsprogramm und professioneller Zahnreinigung überwacht werden, dass die Prognose von Pfeilerzähnen nicht zwingend ungünstiger sein muss als die von
Zähnen ohne Klammern.
Modellgussprothesen
Modellgussprothesen sind parodontal abgestützte Teilprothesen, deren Verbinder, Verankerungs- und Basiselemente an einem Stück gegossen werden. Der Begriff Einstückgussprothese wird synonym gebraucht.
Materialien
Zur Herstellung der metallischen Anteile einer Modellgussprothese werden Kobalt-Chrom-Molybdänlegierungen verwendet. Diese bestehen etwa aus 60 % Co, 30 %
Cr und 5 % Mo. Die verbleibenden ca. 5 % bestehen aus
weiteren Komponenten, die einzelne Eigenschaften der
Legierung beeinflussen können.
CoCrMo-Legierungen sind korrosionsbeständig und biokompatibel. Sie weisen einen E-Modul von ca.
210 000 MPa auf und sind damit etwa doppelt so steif
wie hochgoldhaltige Legierungen. Dies führt zu deutlich
grazileren Metallgerüsten als dies bei Verwendung hochgoldhaltiger Legierungen möglich wäre.
Die metallischen Modellgussgerüste werden in der Regel
mit autopolymerisierendem Polymethylmethacrylat
(PMMA) komplettiert. Hier ist von Vorteil, dass CoCrMoLegierungen über verschiedene Verfahren einen chemischen Metall-Kunststoffverbund ermöglichen und daher
die Kunststoffsättel spaltfrei an das Metallgerüst angefügt
werden können.
Von Patienten wird gelegentlich die silberne Farbe von
Modellgussprothesen kritisiert und eine goldene Farbe
gewünscht. Technisch lässt sich dieser Wunsch durch
elektrolytisches Abscheiden einer wenige µm dicken
Goldschicht oder durch eine Titannitridbeschichtung erreichen. Beide Verfahren führen zwar anfangs zu der gewünschten Farbänderung, sind jedoch nicht homogen
und können infolge Lochkorrosion zu verstärkter Korrosion des darunter liegenden Metalles führen.
MERKE
Versuche, Gussklammern zahnfarben zu verblenden,
sind bisher gescheitert.
Modellgussprothesen, die statt aus CoCrMo aus Titan gegossen werden, haben gravierende Nachteile bezüglich
ihrer mechanischen Eigenschaften, da der E-Modul von
Titan mit ca.105000 MPa nur halb so groß ist wie derjenige
von CoCrMo-Legierungen. Trotzdem kann Titan eine Alternative bei Patienten mit immunologischen Reaktionen auf
Bestandteile von CoCrMo-Legierungen sein.
Klammern
Das Verankerungselement der Modellgussprothese ist die
Gussklammer. Da Modellgussprothesen immer parodontal abgestützte Prothesen sind, ist ein wesentlicher Bestandteil einer Modellgussklammer die Klammerauflage.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
142
Modellgussprothesen
143
Über sie werden Druckkräfte auf Zahn und Parodont weitergeleitet.
MERKE
Klammerauflagen sind Stützelemente einer Modellgussprothese.
a
b
MERKE
Der Absolutbetrag der Haltekraft einer Klammer ist
abhängig vom E-Modul der verwendeten Legierung,
von der Länge des sich elastisch verformenden Klammerarms, seinem Querschnitt und der Tiefe des Unterschnitts, in den die Klammer eingreift.
Obwohl Klammerauflagen ihrem Wesen nach Stützelemente sind, können sie bei geeigneter räumlicher Anordnung zu Klammerarmen die Haltefunktion von Klammerarmen erst ermöglichen. Sie tragen dann indirekt dazu
bei, dass Klammerarme retentiv wirken. Haben Klammerauflagen diese Eigenschaft, werden sie etwas irreführend
auch als indirekte Halteelemente oder als Kippmeider
bezeichnet. Eine derartige Situation findet sich z. B. bei
der Abstützung und Retention des Freiendsattels, wenn
Klammerauflagen im Rahmen der sattelfernen Abstützung mesial von Klammerarmen angeordnet werden.
Neben der Haltefunktion umfassen korrekt konstruierte
Klammerarme einen Pfeilerzahn auch körperlich und vermeiden so Zahnbewegung. Ist körperliche Fassung nicht
gegeben, können sich Zähne aus der Klammer herausbewegen. Die Klammer verliert dann ihre Funktion. Mit
korrekter körperlicher Fassung geht auch einher, dass
horizontal wirkende Kräfte auf Zähne und Parodont übertragen werden (Schubverteilung).
In der Literatur finden sich zahlreiche Klammerkonstruktionen, die in einigen speziellen Anwendungssituationen
sinnvoll sein können. Trotzdem ist es zweckmäßig, bei der
Auswahl von Gussklammern auf ein beschränktes Repertoire einfacher Klammerarten zurückzugreifen (Abb.
6.11a–f).
c
d
e
E-Klammer
Die E-Klammer (Abb. 6.11a, b) besitzt zwei elastische
Klammerarme, die von einer gemeinsamen Auflage aus
in Unterschnitte des Pfeilerzahnes eingreifen können. Sie
ist die einfachste und zugleich vielseitigste Gussklammer
und wird auch als Akers-Klammer, Ney-1-Klammer oder
Doppelarmklammer mit Auflage bezeichnet. Die E-Klammer ist die typische Klammer zur Abstützung eines
f
Abb. 6.11 Häufig verwendete Klammern. a E-Klammer in der
geschlossenen Zahnreihe, b E-Klammer sattelnah, c Back-actionKlammer, d Bonwill-Klammer, e Ringklammer, f Geteilte Klammer
(RPI-Klammer).
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Die Haltefunktion von Modellgussprothesen erfolgt durch
Klammerarme, genauer gesagt durch die Anteile eines
Klammerarms, die in Unterschnitte unter den prothetischen Äquator eines Zahnes eingreifen. Bei abziehenden
Kräften werden die Klammerarme elastisch aufgebogen.
Die hierzu erforderliche Kraft ist die Haltekraft der Klammer. Alle Teile einer Gussklammer, die in Unterschnitte
der Pfeilerzähne eingreifen, sind demnach Halteelemente.
6 Teilprothetik
Schaltsattels und zur sattelnahen Abstützung des Freiendsattels.
Bonwill-Klammer
Die Bonwill-Klammer (Abb. 6.11d) ist eine Modifikation
der E-Klammer und entsteht, wenn zwei E-Klammern an
ihren Auflagen zusammengefügt werden. Sie hat daher
alle statischen Eigenschaften der E-Klammer. Da sie zwei
benachbarte Zähne bedeckt, bietet sie gute Voraussetzungen für eine Erweiterung der Prothese, falls einer der
Zähne mittelfristig extrahiert werden muss. BonwillKlammern werden typischerweise dort angewandt, wo
eine Überquerung der Gingiva ohnehin unvermeidbar
ist, z. B. zur Abstützung in der geschlossenen Zahnreihe
oder zur sattelfernen Abstützung des Freiendsattels.
Ringklammer
Ringklammern (Abb. 6.11e) umfassen den Pfeilerzahn
fast vollständig. Sie besitzen zwei Auflagen, die durch
einen starren Klammerarm verbunden werden. Die Ringklammer ist die typische Klammer zur Integration einzeln
stehender Molaren und Prämolaren.
Geteilte Klammern
Unter dem Begriff der geteilten Klammern (Abb. 6.11f)
werden mehrere Klammern zusammengefasst, bei denen
Abstützung, Retention und körperliche Fassung auf mehrere, voneinander getrennte Klammerteile verteilt sind.
Die vielseitigsten Varianten sind die Roachklammer und
die RPI-Klammer. Bei Letzterer wird das Prinzip der geteilten Klammer am konsequentesten verwirklicht, indem
Abstützung („Rest“), Fassung („Proximal-plate“) und Retention („I-Bar“) voneinander getrennt werden. Wegen
ihrer ästhetischen Vorteile werden geteilte Klammer typischerweise an Front- und Eckzähnen verwendet.
Kombination Krone-Klammer
Sind vorhandene Pfeilerzähne aufgrund ihrer Form oder
Stellung für die Versorgung mit Klammern nicht geeignet
oder wegen umfangreicher Füllungen nicht ausreichend
belastbar, ist die Überkronung dieser Zähne indiziert. Die
Modellation der Krone richtet sich nach den Funktionen
der Klammer. Sie wird mit Auflage, geeigneten Unterschnitten und einer zur Einschubrichtung parallelen Oralfläche versehen. Letztere dient der Verbesserung der reziproken Wirkung (Abb. 6.12).
Rücklaufklammer
Die Rücklaufklammer oder „Back-action“-Klammer (Abb.
6.11c) ist eine Klammer mit Auflage und nur einem, den
Zahn zu etwa fünf Sechsteln umfassenden, langen Klammerarm. Dadurch verfügt sie im Vergleich zu anderen
Klammern über sehr lange elastische Anteile. Nachteilig
ist, dass sie stets aus einem großen Verbinder herausgeführt wird und deshalb zu einer zusätzlichen Überquerung der Gingiva führt. Die „Back-action“-Klammer ist
sinnvoll zur Verankerung von Freiendsätteln im Unterkiefer mit endständigen Prämolaren und sattelferner Abstützung.
Abb. 6.12 Parallelisierung von Kronen zur Einschubrichtung bei
der Kombination Krone-Klammer.
Grundlagen
der Prothesenplanung
Auch wenn es für typische Lückengebisssituationen typische und bewährte Planungen gibt, ist es zweckmäßig,
das Design einer Teilprothese systematisch zu erarbeiten.
Dabei hat es sich bewährt, zunächst die prothesendynamische Situation zu analysieren und eine Planung für eine
unter prothesendynamischen Aspekten optimale Prothese zu erstellen. Dieses Design ist gegeben, sofern die
Prothese maximal parodontal abgestützt ist. Erstes Ziel
bei der Planung einer prothesendynamisch optimalen
Prothese ist es daher, Stützelemente so auf Zähne zu verteilen, dass ihre Verbindungslinien ein maximal großes
Feld umschließen.
Im zweiten Schritt wird die Zahl der künstlichen Zähne
auf der Prothese festgelegt. Es ist wünschenswert, Freiendsättel dorsal zahnfrei zu lassen. Die Frage, ob dies
möglich ist, entscheidet sich an der Bezahnung des antagonistischen Kiefers und der Ästhetik. Befinden sich im
Gegenkiefer natürliche Zähne, die extrudieren können,
müssen auf die Prothese künstliche Zähne aufgestellt werden, die über Okklusion die Extrusion ihrer Antagonisten
verhindern. Sind im antagonistischen Kiefer ebenfalls Prothesenzähne vorhanden oder natürliche Zähne anderweitig an Extrusion gehindert (Kronenverbände, Brücken,
Verankerungselemente von Teilprothesen), kann auf die
Aufstellung von dritten und zweiten Molaren verzichtet
werden, es sei denn, sie sind aus optisch-ästhetischen
Gründen unverzichtbar.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
144
Dieses prothesendynamisch optimale Design wird in einem zweiten Schritt unter ästhetischen sowie parodontalund kariesprophylaktischen Aspekten modifiziert. Diese
Modifikation kann abhängig von individuellen Rahmenbedingungen, wie Mundhygieneverhalten, individueller
Disposition zu Parodontitis und Karies sowie ästhetischen
Ansprüchen an einen Zahnersatz zu verschiedenen Prothesendesigns führen.
MERKE
Es kommt bei der Planung von Teilprothesen wesentlich darauf an, für einen bestimmten Patienten mit
seinen individuellen Rahmenbedingungen einen optimalen Kompromiss zu finden.
Frontzahnlücken
Diese Lückengebisse können zwar prinzipiell auch wie
oben erläutert versorgt werden. Da Abstützung und Retention der Modellgussprothese im Frontzahnbereich fast
immer unteroptimal sind, sind Alternativen zu erwägen:
• Erstens muss geprüft werden, ob mit Modellgussprothesen ersetzte Frontzähne überhaupt abgestützt und
retiniert werden müssen. So können in der Unterkieferfront bis zu zwei Unterkieferfrontzähne direkt aus dem
Sublingualbügel herausgeführt werden, ohne dass diese
abgestützt und retiniert werden müssen. Im Oberkiefer
ist es zweckmäßig, diese Variante auf nur einen Frontzahn zu begrenzen.
• Zweitens muss abgewogen werden, ob Frontzahnlücken
nicht durch festsitzenden Zahnersatz geschlossen werden können.
Praxis der Modellgussprothese
Für die Darstellung der Behandlungsschritte in der Modellgussprothetik wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die gesamte Vorbehandlung abgeschlossen ist:
• Prognostisch ungünstige Zähne wurden extrahiert.
• Die verbleibenden Zähne und ihr Parodont sind gesund
bzw. konservierend so versorgt, dass ihre Langzeitprognose gesichert ist.
• Das stomatognathe System ist funktionell gesund oder
durch eine funktionelle Vorbehandlung in einen für den
Patienten funktionell akzeptablen Zustand überführt
worden.
Studienmodelle
Ziel der ersten Behandlungssitzung ist es, nach Abformung mit Alginat und Konfektionslöffel Studienmodelle
zu erstellen, die durch eine provisorische Kieferrelationsbestimmung in einen Okkludator orientiert werden können. Die Betrachtung einzelner Kiefer ist auch in der Teilprothetik unzureichend und kann zu falschen Planungen
von Zahnersatz führen.
Nach Herstellung und Orientieren der Modelle erfolgt die
Modellanalyse zunächst unter dem Aspekt, ob die Okklusion mit den geplanten Modellgussprothesen zufriedenstellend einstellbar ist. Ist das nicht der Fall, müssen Okklusionshindernisse, wie elongierte oder gekippte Zähne,
soweit diagnostisch beschliffen werden, bis eine harmonische Okklusionsebene erzielt werden kann. Größere
Korrekturen, die das Dentin der Zähne eröffnen, führen
planerisch zur Notwendigkeit von Kronen.
Es schließt sich die Entwicklung des Prothesendesigns an.
Hierzu empfiehlt es sich für den Anfänger, das oben beschriebene systematische Vorgehen einzuhalten. Nach
Definition der Stützelemente wird durch Vermessung
der Unterschnitte an den mit Stützelementen zu versehenden Zähnen überprüft, ob diese über ausreichende
Infrawölbungen verfügen, um späteren Klammern Retention zu geben. Ist dies nicht der Fall, muss versucht werden, über Veränderung der Einschubrichtung, Retention
zu gewinnen. Lässt sich dies ebenfalls nicht erreichen,
sollte die Überkronung der wenig retentiven Zähne vorgesehen werden oder von vornherein auf Kronen mit
komplizierten Halte-Stützelemente (Doppelkronen, Geschiebe) ausgewichen werden.
Patientenberatung
Die Patientenberatung hat unter Berücksichtigung der
verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten und unter
Einbeziehung aller notwendigen Begleittherapien zu erfolgen.
Ein spezielles Problem der Modellgussprothese ist die
Einbeziehung vorhandener Restaurationen. Sind diese
noch funktionstüchtig und sollen mit Klammern versehen
werden, besteht bei der Präparation von Auflagekavitäten
das Risiko einer Perforation, die zur Neufertigung zwingt.
Darüber hinaus muss dem Patienten vermittelt werden,
dass von vorhandenen Restaurationen Risiken ausgehen
können (z. B. unerkannte Karies).
Auflagenpräparation, Abformung,
Kieferrelationsbestimmung
Zur Vorbereitung des Gebisses werden zunächst die an
den Modellen ermittelten Einschleifmaßnahmen zur
Schaffung einer harmonischen Okklusion übertragen. Es
schließt sich die Präparation der Kavitäten zur Aufnahme
von Klammerauflagen an.
PRAXISTIPP
Auflagen von Modellgussklammern haben ausschließlich mechanische Funktion. Bei der Präparation
von Auflagekavitäten stehen daher mechanische
Überlegungen an vorderster Stelle. Auflagekavitäten
sind nutzlos, wenn sie nicht ausreichend dimensioniert sind und keine ausreichend stabilen Auflagen
ermöglichen.
145
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Praxis der Modellgussprothese
6 Teilprothetik
PRAXISTIPP
a
2a
3a
a
Bei Eck- und Frontzähnen ist eine Besonderheit zu
beachten: Bei der Präparation mit dem Kugeldiamanten muss dieser möglichst exakt in der Einschubrichtung der späteren Prothese in den Zahnschmelz versenkt werden. Weicht man von der Einschubrichtung
ab, ergeben sich in Bezug auf die Einschubrichtung
der Prothese Unterschnitte, die nicht mit Klammerauflagen aufgefüllt werden können und damit nicht
nur nutzlos, sondern auch Retentionsnischen von
Plaque sind.
Auflagekanal
b
c
Abb. 6.13 Dimensionierung von Klammerauflagen.
a Die Breite der Auflagekavität sollte einem Drittel der Zahnbreite
entsprechen.
b Auflagekanal Ansicht von bukkal.
c Bonwill-Klammer im Auflagekanal, an den mit Pfeilen markierten
Stellen ist auf ausreichende Dimensionierung zu achten!
Auflagenmulde
• Als Richtwert für die Größe einer Auflagenmulde (Abb.
6.13) gilt ein Drittel der oro-vestibulären Zahnbreite.
Das entspricht etwa 2,5 mm.
• Die Mulde ist allseits ausgerundet zu gestalten und
sollte den Schmelzmantel des Zahnes nicht perforieren,
was die Tiefe auf maximal ca. 1,5 mm limitiert.
• Der Boden der Auflagemulde sollte nicht in Richtung
Lücke geneigt sein, sondern rechtwinklig zur Zahnachse
verlaufen oder besser zur Zahnmitte hin geneigt sein.
Für die Präparation der Mulde hat sich ein Kugeldiamant
mit einem Durchmesser von 2,5 mm mittlerer Körnung
bewährt. Dieser wird im roten Winkelstück unter Wasserkühlung an der gewünschten Stelle des Zahnes in den
Zahnschmelz zur Hälfte – also bis zu seinem größten
Umfang – versenkt. Er hinterlässt automatisch eine ausgerundete Form zweckmäßiger Größe, sodass zur Fertigstellung der Auflagekavität nur noch die verbleibenden
Kanten zur Okklusalfläche und zum Approximalraum gebrochen werden müssen. Abschließend wird die Kavität
mit einem Gummipolierer geglättet.
Zur Verbindung von oralen mit vestibulären Klammeranteilen bei Klammern in der geschlossenen Zahnreihe muss
durch Präparation eines Kanals zusätzlich Platz geschaffen
werden (Abb. 6.13). Dabei muss im Unterkiefer besonders
vestibulär auf eine ausreichende Dimensionierung geachtet werden, da bei Klammern in der geschlossenen Zahnreihe beim Übergang der okklusalen Anteile zu den elastischen Anteilen vestibulär wegen des begrenzten Platzes
zum bukkalen Höcker des Antagonisten ansonsten eine
bevorzugte Bruchstelle entsteht. Für den Oberkiefer betrifft diese Überlegung den Übergang der Okklusalfäche
zur Palatinalfläche.
Die Präparation des Auflagekanals erfolgt mit einer diamantierten Walze des Durchmessers 1,2 mm. Sie wird im
roten Winkelstück unter Wasserkühlung horizontal vollständig in die Randleisten der benachbarten Zähne versenkt und hinterlässt so einen 1,2 mm tiefen, von oral
nach vestibulär verlaufenden, ausgerundeten Kanal.
Nach Präparation des Kanals werden, wie oben beschrieben, die Auflagemulden in die benachbarten Zähne präpariert.
Abformung
Für die Abformung der Kiefer zur Herstellung von Modellgussprothesen ist Alginat, appliziert im Konfektionslöffel,
unverändert das Standardmaterial. Allerdings werden zunehmend einfache und preisgünstigere monophasige Silikone angeboten, die ebenfalls im Konfektionslöffel appliziert eine Alternative zum Alginat darstellen. Löffel der
ersten Wahl sind Rim-Lock-Löffel.
PRAXISTIPP
Im Unterkiefer ist die funktionelle Ausformung des
Sublingualbereichs wichtig, da hier der Sublingualbügel sonst die Zungenbewegungen beinträchtigen
könnte. Daher wird der Patient während der Abformung gebeten, die Zunge herauszustrecken und die
Zungenspitze über die Oberlippe zu bewegen.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
146
Kieferrelationsbestimmung
Kontrolle der Passung
Die Verfahren und Behelfe zur definitiven Kieferrelationsbestimmung ergeben sich aus der Zuordnungsfähigkeit
der Kiefermodelle durch noch vorhandene Okklusion.
Am einfachsten ist die Situation, wenn die Kieferrelation
im Mund durch Okklusion eindeutig definiert ist und die
okkludierenden Zähne so verteilt sind, dass Modelle der
Kiefer ebenfalls eindeutig und ohne weitere Hilfsmittel
zugeordnet werden können. In diesem Fall ist eine separate Kieferrelationsbestimmung nicht nur nicht erforderlich, sie ist sogar eher geeignet, Fehler zu provozieren.
Mit zunehmendem Zahnverlust und/oder ungünstiger
Verteilung der noch vorhandenen Zähne entsteht eine
Situation, bei der die Kieferrelation zwar im Mund noch
durch Okklusion eindeutig definiert ist, Modelle der Kiefer
kann aber wegen fehlender okklusaler Abstützung nicht
mehr eindeutig zugeordnet werden können. Dies ist z. B.
bei ausschließlichen Frontzahnkontakten der Fall. In diesen Situationen müssen die Modelle mit Registrierschablonen (siehe S.176) zugeordnet werden.
Aus Gründen der Passung müssen diese Registrierschablonen auf den originalen Meistermodellen angefertigt
werden. Daher müssen zunächst die Meistermodelle hergestellt werden und auf diesen für einen oder für beide
Kiefer Registrierschablonen hergestellt werden. Zur Registrierung der Kieferrelation muss dann eine zusätzliche
Behandlungssitzung vereinbart werden. Erst nach der Registrierung der Kieferrelation können die Modelle eindeutig zugeordnet werden.
• Klammerarme und Auflagen müssen den Zähnen spaltfrei anliegen. Abstehende Klammerarme sind Ausdruck
eines grundsätzlichen Konstruktionsfehlers. Das Anbiegen von vermessenen Modellgussklammern widerspricht deren Konstruktionsprinzip und ist sinnlos. Gerüste mit abstehenden Klammern sind neu zu fertigen.
• Große Verbinder im Oberkiefer müssen der Gaumenschleimhaut spaltfrei anliegen. Es darf jedoch keine
Anämie der Schleimhaut auftreten.
• Der Sublingualbügel muss ca. 0,5 mm vom Alveolarfortsatz abstehen und darf das Bewegungsspiel der Zunge
nicht stören. Zur Kontrolle wird der Patient gebeten, die
Zunge herauszustrecken und mit der Zungenspitze über
die Oberlippe zu fahren.
MERKE
Bei Lückengebissen ohne Okklusion werden dieselben
Verfahren angewandt wie in der Totalprothetik.
Kontrolle der Okklusion
Die Kontrolle der Okklusion ist erst sinnvoll, wenn die
Modellgussgerüste ordnungsgemäß in situ sind. Die Okklusionskontrolle mit und ohne eingesetzte Gerüste muss
identische Kontakte auf den natürlichen Zähnen ergeben.
• Auflagen können Okklusion haben, dürfen die Okklusion jedoch nicht verändern.
• Sind Auflagen zu hoch, können sie nur bis zu einer
Stärke von ca. 1,2 mm korrigiert werden. Danach muss
entschieden werden, ob Beschleifen des Antagonisten
möglich ist oder die Auflagenpräparation vertieft werden muss, um ausreichend Platz für mechanisch stabile
Auflagen zu schaffen. Ist Letzteres der Fall, muss neu
abgeformt werden und ein neues Gerüst gegossen werden.
Kieferrelationsbestimmung
Gerüsteinprobe
Die im Artikulator angelieferten Modellgussgerüste werden kontrolliert, ob sie der Planung entsprechen. Im Artikulator wird ferner überprüft, ob die Gerüste so gestaltet
sind, dass sie die Okklusion der natürlichen Zähne nicht
beeinträchtigen. Sind die Modellgussgerüste einwandfrei,
erfolgt die Anprobe beim Patienten.
Die Gerüste müssen durch geringen Druck auf die Sättel
aufschiebbar und durch geringen Zug wieder entfernbar
sein. Ein initiales, leichtes Spannungsgefühl des Patienten
ist möglich, da es nicht regelhaft möglich ist, völlig passive
Gerüste zu gießen. Außerdem können zwischen Abformung und Einprobe geringe Zahnwanderungen eingetreten sein.
MERKE
Das Spannungsgefühl bei der Gerüsteinprobe muss
nach einigen Minuten vollständig verschwunden sein,
sodass der Patient den Sitz der Gerüste als angenehm
und spannungsfrei empfindet.
Eine erneute Kieferrelationsbestimmung mit den Modellgussgerüsten ist nur sinnvoll, wenn diese bereits der
Schleimhaut flächig aufliegende Prothesenbasen haben.
Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr der Rotation
oder elastischen Verformung des Modellgussgerüstes bei
der Kieferrelationsbestimmung. Zu hohe Wachsaufstellungen sind die Folge.
Farbbestimmung
Den Abschluss der Behandlungssitzung bildet die Farbbestimmung. Bei teilbezahnten Gebissen stehen noch natürliche Zähne zur Verfügung, deren Farbe mit Zahnfarbmustern verglichen wird (siehe S. 57).
Wachseinprobe
Im nächsten klinischen Arbeitsschritt werden die Prothesen mit in Wachs aufgestellten künstlichen Zähnen und in
Wachs ausmodellierten Prothesenbasen geliefert.
Vor Einsetzen der Prothese in den Mund des Patienten ist
zunächst die Position der Zähne auf den Alveolarfortsät-
147
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Praxis der Modellgussprothese
6 Teilprothetik
zen im Seitenzahnbereich zu prüfen. Sie müssen aus statischen Erwägungen auf der Kieferkammitte stehen, um
Kippbewegungen der Prothese zu vermeiden.
• Im Frontzahngebiet werden die Zähne nach ästhetischen Gesichtpunkten aufgestellt. Sie sollten im harmonischen Bogen mit noch vorhandenen Frontzähnen stehen. Sind keine natürlichen Frontzähne mehr vorhanden, gelten für Teilprothesen dieselben Regeln wie für
die Zahnaufstellung auf Totalprothesen.
• Da die Zähne wesentlich an der Unterstützung der Lippen beteiligt sind, müssen sie unter optisch-ästhetischen Gesichtspunkten in der Regel vor den Kieferkamm gestellt werden.
Nach Einsetzen der Prothesen in den Mund sollten diese
problemlos passen. Lässt sich eine Prothese nicht einsetzen, kann nur überschüssiges Wachs stören und muss
entfernt werden.
Korrekturmöglichkeiten
• Sind die künstlichen Zähne außer Okklusion, sollte mit
den Wachsprothesen ein neues Registrat der Kieferrelation genommen werden. Hierzu wird auf die Kauflächen
eine ZnO-Eugenol-Paste aufgetragen und der Patient
gebeten, langsam und ohne zu Pressen auf den eigenen
Zähnen Kontakt zu suchen. Die Prothesen gehen zurück
ins Labor, werden neu einartikuliert, und es erfolgt eine
neue Wachsaufstellung.
• Sind die künstlichen Zähne zu hoch, werden sie bei nur
geringer Korrekturnotwendigkeit eingeschliffen.
• Sind die künstlichen Zähne massiv zu hoch, sollten sie
komplett von der Prothese entfernt werden. Die Wachssättel werden zu Wachswällen umgeformt und ein
neues Registrat der Kieferrelationsbestimmung genommen. Die Modelle sind neu einzuartikulieren und die
Wachsaufstellung zu wiederholen.
Eingliederung
• Vor der Eingliederung der Prothesen sind diese zunächst
auf korrekte Gestaltung der Kunststoffanteile zu kontrollieren:
– Freiendsättel müssen die Tubera maxillae umfassen
und im Unterkiefer bis zum Tuberculum alveolare
mandibulae reichen.
– Die Ränder der Kunststoffsättel sollen rund und keinesfalls scharfkantig sein.
– Die Sattelunterfläche muss glatt sein.
– Vestibulär sollen die Sättel nicht breiter als die Lücken
sein, um den Raum zwischen sattelangrenzendem
Zahn und Sattel nicht zu verschließen und der Selbstreinigung zu entziehen.
• Vor der Eingliederung sind ferner die statische und dynamische Okklusion im Artikulator zu kontrollieren.
Kontrolle der Passung
Nach Einsetzen der Prothesen wird die Ausdehnung der
Sättel kontrolliert. Der Patient wird gebeten, die Zunge,
die Wange und die Lippen extensiv zu bewegen. Da die
Ausdehnung der Sättel nicht wie in der Totalprothetik
durch einen Funktionsabdruck definiert und daher vom
Zahntechniker mehr oder weniger frei gestaltet wurde, ist
es nicht ungewöhnlich, wenn Prothesenränder mit der
Muskulatur kollidieren. Die Prothesenränder sind dann
soweit zu kürzen, bis die Bewegung der Muskulatur nicht
mehr beeinträchtigt wird.
Stößt die Muskulatur nicht mehr an die Prothesenränder
an, wird die Passung der Prothesenbasen im Bereich der
Sättel überprüft. Dies ist bei Freiendsätteln von entscheidender Bedeutung. Wenn bei Fingerdruck auf den distalsten Zahn eines Freiendsattels dieser deutlich einsinkt, ist
zu vermuten, dass ein Spalt zwischen Prothesenbasis und
Schleimhaut besteht. Zur Darstellung dieses Spaltes wird
dünn fließende Silikonabformmasse auf die Prothesenbasen aufgetragen und die Prothese eingesetzt. Der korrekte
Sitz der Prothese wird an den Auflagen kontrolliert und
die Prothese so lange in situ belassen, bis die Abformmasse abgebunden ist. Der Patient darf während dieser
Zeit nicht auf die Prothese aufbeißen! Ist die Silikonmasse
nicht hauchdünn ausgepresst, kann die Prothese nicht
eingegliedert werden, sondern muss unterfüttert werden.
Kontrolle der Okklusion
Die Kontrolle der statischen Okklusion erfolgt in identischer Methodik wie bei der Wachseinprobe (s.o.). In der
Regel sind nur geringe Korrekturen der statischen Okklusion durch Einschleifen der künstlichen Zähne erforderlich.
Bisher völlig unberücksichtigt blieb die Kontrolle der dynamischen Okklusion. Okklusionskonzept für die meisten
mit Modellgussprothesen zu behandelnden Situationen
ist die Fronteckzahnführung oder die Gruppenführung.
Lediglich bei Gebissen, bei denen ein Kiefer zahnlos ist,
ist die bilateral balancierte Okklusion zweckmäßig. Ersatzzähne der Prothese sind wenn möglich so einzuschleifen, dass die lateroprotrusive Führung natürlicher Zähne
unverändert besteht.
MERKE
Der Patient wird darauf hingewiesen, dass unter der
Funktion der Prothese Druckstellen auftreten können.
Modellgussprothesen können Tag und Nacht getragen werden. Nur bei Auftreten von Schleimhautkomplikationen sollen die Prothesen nachts nicht getragen werden.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
148
Drahtklammer-Kunststoffprothesen
Grundsätzlich sollte an Patienten nach Eingliederung von
umfangreichem Zahnersatz am Folgetag ein Kontrolltermin vergeben werden. Dies ist schon allein psychologisch
sinnvoll, da der Patient das Gefühl erhält, man kümmert
sich um ihn und wenn es Probleme gibt, ist Behandlungszeit für ihn reserviert.
Beim ersten Kontrolltermin nach Eingliederung von Modellgussprothesen wird vor allem nach Druckulzera gesucht und diese durch Beschleifen der Prothesenränder
oder der Prothesenbasis entlastet. Weitere Besonderheiten der Nachsorge abnehmbaren Zahnersatzes sind dem
entsprechenden Beitrag dieses Buches (siehe S. 252) zu
entnehmen.
Grenzen der Modellgussprothese
Die Indikationsgrenzen der Modellgussprothese ergeben
sich unmittelbar aus den Eigenschaften der Gussklammer:
• Im Frontzahngebiet stößt die Anwendung von Gussklammern wegen ihrer Sichtbarkeit sehr schnell auf
optisch-ästhetische Probleme. Hier sind die Überkronung mit metallkeramischen Kronen und einem Geschiebe oder mit Adhäsivtechnik an Zähnen befestigte
Geschiebe zu nennen.
• Die Gussklammer benötigt Unterschnitte an Pfeilerzähnen und Pfeilerzähne, deren klinische Kronen mechanisch belastbar sind. Sind diese Voraussetzungen nicht
gegeben, ist die Überkronung der Pfeilerzähne indiziert.
Auf den Kronen werden Klammern zur Verankerung
von Modellgussprothesen verwendet. Alternativ zum
System Krone/Klammer kann auch auf Doppelkronen,
Kronen mit Geschieben oder andere Präzisionselemente
ausgewichen werden. Dies ist besonders dann nahe liegend, wenn der zu überkronende Zahn gut sichtbar ist
und mit der Verwendung von Präzisionselementen zugleich ästhetische Verbesserungen erzielt werden.
• Modellgussprothesen sind bei stark reduzierten Lückengebissen mit diagonal-zentrischer Stützlinie oder
bei Kiefern mit nur noch einem Zahn nicht indiziert. In
beiden Fällen sollten Doppelkronen oder bei devitalen
Zähnen Druckknopfanker herangezogen werden.
• Prothesen, die nach Resektion von Tumoren erforderlich
werden, haben in der Regel ungünstige Voraussetzungen für Abstützung und Retention von Teilprothesen.
Weitere Hinweise zur Befestigung von Defektprothesen
sind dem entsprechenden Beitrag dieses Buches (siehe
S.196ff.) zu entnehmen.
Drahtklammer-Kunststoffprothesen
Drahtklammer-Kunststoffprothesen sind die einfachste
Form abnehmbarer Teilprothesen.
Indikationen
Drahtklammer-Kunststoffprothesen sind aufgrund der reduzierten mechanischen Eigenschaften von gebogenen
Drahtklammern jedoch nicht für dauerhafte Funktion geeignet, sondern dienen der Interimsversorgung bis zur
Eingliederung definitiven Zahnersatzes. Die Interimsversorgung erhält das Kauvermögen, die Ästhetik und sichert
die Kieferrelation.
Materialien
• Zur Herstellung von Interimsprothesen werden federharte Drähte aus V2A-Stahl (Durchmesser 0,8–1 mm)
verwendet.
• Zur Herstellung gebogener Klammern mit Stützfunktion
sind Halbfertigteile, z. B. sog. „Klammerkreuze“ verfügbar, deren Auflagen zugeschliffen und deren Klammerarme durch Biegen angepasst werden.
• Für die Abstützung und die Retention von Interimsprothesen in der geschlossen Zahnreihe eignen sich KugelKnopf-Anker (Rusch-Anker).
• Halbfertigteile sind ebenfalls sinnvoll zur Anfertigung
von Sublingualbügeln.
• Sättel im Unterkiefer sowie Sättel und großer Verbinder
im Oberkiefer werden aus PMMA angefertigt, wobei
Autopolymerisate unter der Voraussetzung zweckmäßig sind, dass keine immunologischen Reaktionen auf
deren Bestandteile vorliegen.
Konstruktion
Die Konstruktion von Drahtklammer-Kunststoffprothesen
folgt denselben Gesichtspunkten wie bei definitivem
Zahnersatz:
• Schaltsättel sind parodontal abzustützen.
• Bei Freiendsätteln ist die sattelnahe Abstützung eine
einfache und zweckmäßige Lösung.
• Die Gestaltung der Verbinder unterliegt den Gesichtspunkten der Parodontalprophylaxe: Mindestabstände
zum marginalen Parodont sind wie beim definitiven
Zahnersatz einzuhalten.
MERKE
Kragenplatten, die den Sulcus gingivae abdecken,
sind kontraindiziert.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Nachsorge
149
6 Teilprothetik
Kombiniert festsitzendabnehmbarer Zahnersatz
Kombiniert festsitzend/herausnehmbarer Zahnersatz ist
durch Verankerungselemente gekennzeichnet, von denen
ein Teil, das Primärteil, an einem Zahn oder Implantat
befestigt ist. Das zweite Teil, Sekundärteil, befindet sich
an der herausnehmbaren Prothese.
Kombinierter Zahnersatz hat gegenüber Modellgussprothesen ästhetische und funktionelle Vorteile:
• Metallkeramische Verblendkronen mit Geschieben sind
ästhetisch besonders vorteilhaft.
• Funktionelle Vorteile ergeben sich aus der verbesserten
Retention sowie je nach Konstruktion aus der verbesserten Erweiterungsfähigkeit des Zahnersatzes. Dies ist besonders für stark reduzierte Restgebisse mit u. U. prognostisch ungünstigen Voraussetzungen wichtig.
Ökonomisch betrachtet ist der erhöhte klinische und
technische Aufwand beim kombinierten Zahnersatz nachteilig. Der finanzielle Aufwand steigt mit der Zahl der
verwendeten Präzisionselemente.
Konstruktionselemente
von Kombinationsersatz
Verankerungselemente
Kombinierter Ersatz wird mit Präzisionselementen (Primärteil, Sekundärteil) am Restgebiss verankert. Unter
Matrize wird der negative hohle Teil eines Präzisionselementes verstanden, dem die Patrize, der positive, massive
Teil eines Präzisionselementes, gegenüber steht. Matrize
und Patrize können je nach ihrem Befestigungsort am
Zahnersatz Primär- oder Sekundärteil sein.
Geschiebe
Geschiebe (Abb. 6.14) sind Präzisionselemente, bei denen
das Sekundärteil unter Friktion in seine Endposition gleitet. Konfektionierte Geschiebe sind Geschiebe, die als Fertigteile gekauft werden können und die den individuellen
Geschieben gegenüberstehen, die vom Zahntechniker individuell angefertigt werden. In der Regel werden Kronen
– insbesondere Verblendkronen – mit Geschieben als Präzisionselementen versehen.
MERKE
Extrakoronale Geschiebe werden außerhalb der anatomischen Form der Krone angebracht, intrakoronale
Geschiebe in die Krone hinein verlegt.
Intrakoronale Geschiebe
Intrakoronale Geschiebe sind hygienisch günstiger zu bewerten als extrakoronale Geschiebe. Allerdings entsprechen sie nur selten ihrer begrifflichen Definition, da sie
häufig aufgrund von Platzmangel die Idealform der Zahnkrone im approximalen Bereich ausladend vergrößern.
Dieser unter Umständen hygienisch und ästhetisch hinderlichen Vergrößerung im Approximalraum muss durch
geeignete Präparationsmaßnahmen entgegengetreten
werden. So kann durch Einbeziehung im späteren Geschiebebereich vorhandener kariöser Läsionen oder alter
Füllungen Platz für ein intrakoronales Geschiebe geschaffen werden. Auch die Auswahl eines möglichst kleinen
Geschiebes ist sinnvoll. Allerdings verschlechtern sich
mit kleiner werdenden Abmessungen die mechanischen
Eigenschaften.
Extrakoronale Geschiebe
Extrakoronale Geschiebe müssen so an Kronen angehängt
werden, dass die Gingiva zwischen Krone und Geschiebe
einfach mit einer Interdentalbürste gereinigt werden
kann. Wird diese Hygiene vernachlässigt oder durch ungünstige Konstruktion unmöglich gemacht, entstehen in
diesem Bereich Gingivitiden. Vorteil der extrakoronalen
Geschiebe ist ihre Größe und solide Mechanik. Als besonders zweckmäßig haben sich extrakoronale Zapfengeschiebe erwiesen, deren Sekundärteile aus Kunststoffoder Metallmatrizen bestehen. Diese sind wenig verschleißanfällig und auswechselbar.
Aktivierbare Geschiebe
a, b
Abb. 6.14 Intra- und extrakoronales Geschiebe.
a Intrakoronales Geschiebe mit RS-Fräsung.
b Extrakoronales Geschiebe mit RS-Fräsung.
Aktivierbare Geschiebe weisen zwei Vorteile auf:
• Dem unter Funktion auftretenden Verschleiß kann
durch nachträgliches Aktivieren Rechnung getragen
werden.
• Man erleichtert dem Patienten zu Beginn die Handhabung der Prothese beim Aus- und Eingliedern wesentlich, indem zunächst die Geschiebe in ihrer Friktion sehr
leicht eingestellt werden. Die später vorgenommene
weitere Aktivierung wird dann individuell den Bedürfnissen angepasst.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
150
Kombiniert festsitzend-abnehmbarer Zahnersatz
151
Abb. 6.15 Sekundärteil eines konfektionierten Geschiebes.
a Das Geschiebe kann durch geringes
Drehen einer Schraube aktiviert werden.
b Durch Herausdrehen einer weiteren
Schraube kann das Sekundärteil entfernt
und durch eine neues Sekundärteil ersetzt werden.
b
Kombination individuell hergestelltes
und konfektioniertes Halte- und Stützelement
Als zweckmäßig hat sich die Kombination von einem
individuell hergestellten mit einem konfektionierten
Halte- und Stützelement erwiesen.
• Als individueller Anteil des Präzisionselementes werden
auf der Oralseite Schubverteiler angebracht. Dieser Anteil verstärkt die Verbindung zwischen herausnehmbarem und festsitzendem Teil und trägt somit zur Verhinderung von Geschiebebrüchen bei. Als Nebeneffekt
kann das dem Patienten durch diese Anteile erleichterte
Einsetzen der Prothese angesehen werden.
• Das individuelle Geschiebe wird durch ein konfektioniertes Präzisionselement ergänzt, das seinerseits für
die Retention sorgt. Zunehmend werden auch Präzisionselemente angeboten, bei denen das Sekundärteil
vollständig ausgewechselt werden kann, womit dem
Verschleiß über die Jahre der Funktion Rechnung getragen werden kann (Abb. 6.15).
Doppelkronen
Doppelkronen (Abb. 6.16a–d) sind das vielseitigste Präzisionselement. Vorteile der Doppelkronen sind:
• Günstige Bedingungen für die Parodontalhygiene.
• Einfache Erweiterungsfähigkeit der Prothese bei Einbeziehung mehrerer Restzähne bei notwendig werdender
Entfernung eines Pfeilerzahnes.
• Bei Einbeziehung aller Restzähne im anterioren Bereich
kann auf die großen Verbinder verzichtet werden, was
erheblich zum Tragekomfort der Prothese beiträgt.
Die Nachteile ergeben sich aus dem vermehrten Platzbedarf und der damit einhergehenden verstärkten Reduktion von Zahnhartsubstanz bei der Zahnpräparation. Hier
benötigt die Hybridkrone, bei der das Primärteil dem beschliffenen Zahnstumpf exakt folgt und nur im Approximalbereich für den friktionsgebenden Stift des Außenteils
einen geringen parallelwandigen Teil benötigt, noch den
wenigsten Platz. Ein weiterer Nachteil ist die Möglichkeit
eines kleinen sichtbaren Metallrandes.
Teleskopkrone
Die parallelwandige Teleskopkrone (Abb. 6.16a) zeichnet
sich durch parallele Flächen approximal und lingual-pa-
latinal, seltener auch labial aus. Teleskope gewinnen ihre
Haltefunktion durch Friktion. Präzise angefertigt, kann die
Haftreibung über mehr als ein Jahrzehnt in ausreichendem Maße vorhanden sein.
Konuskrone
Die Konuskrone (Abb. 6.16b) weist eine konische Form
des Primärteiles auf. Unter klinischen Bedingungen wird
die Haltekraft durch den Konuswinkel und die Größe der
Oberfläche definiert. Der Konuswinkel liegt in der Regel
bei einer Größenordnung von sechs Grad. Kleinere Winkel
führen zu einem erhöhten und größere Winkel zu einem
erniedrigten Widerstand gegen abziehende Kräfte.
Im Gegensatz zur parallelwandigen Doppelkrone erhält
die Konuskrone ihren festen Sitz erst in der Endposition.
Damit in dieser Position auch über längere Zeit eine leicht
klemmende Passung auch bei Verschleiß der Metallteile
erzielt werden kann, muss im okklusalen Bereich ein Spalt
zwischen den Primärteilen (ca. 0,3 mm) dafür Sorge tragen, dass das Außenteil bei Abnutzung nachrutschen
kann. Diese Vorgänge sind minimal und führen erfahrungsgemäß nicht zu Störungen im Bereich der Okklusalflächen, wo sich die mechanischen Anpassungen durch
das Kauen in einer anderen Größenordnung bewegen.
Als besonders vorteilhaft kann bei der Konuskrone die
Möglichkeit angesehen werden, den Widerstand gegen
abziehende Kräfte gut definieren zu können. Als nachteilig muss angesehen werden, dass durch die konische Form
im Vergleich zu den anderen Doppelkronentypen bei gleicher Größe und besonders eng stehenden oder gekippten
Pfeilerzähnen die hygienischen Vorteile der Doppelkrone
beeinträchtigt sind, während ihre Nachteile in ästhetischer Hinsicht, bezogen auf den marginalen Randbereich,
verstärkt werden können.
Doppelkronen mit zusätzlichem Halteelement/
Hybridkrone
Bei Doppelkronen mit zusätzlichem Halteelement (Abb.
6.16c) wird die Haltefunktion nicht durch die Haftreibung
von Innenkrone in der Außenkrone erzielt, vielmehr wird
ein weiteres Element eingebaut, das den Halt sichert.
Hierbei kann es sich z. B. um Friktionsstifte oder um Federbolzen handeln.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
a
6 Teilprothetik
Sekundärteil, -anker
Sekundär-, Außenteleskop
Primärteil,
-anker
Primär-,
Innenteleskop
a parallelwandige Doppelkrone
2
= Konuswinkel
verlaufenden Metallanteilen etwa 0,3 mm und im okklusalen/inzisalen Bereich etwa 0,5 mm breit ist.
Resilienzteleskope führen den Zahnersatz in vertikaler
Richtung und sichern ihn gegen Kippbewegungen. Sie
unterstützen damit die physikalischen Haftmechanismen
von Zahnersatz, der wie Totalprothesen ausgeformt ist
(Unterdruck, Adhäsion). Wegen der Spielpassung zwischen Innen- und Außenkrone haben Resilienzteleskope
jedoch keine Friktion. Die Entwicklung des Resilienzteleskopes beruht darauf, dass durch die Einsinkbarkeit des
Sekundärteiles und damit des gesamten herausnehmbaren Prothesenanteiles der unterschiedlich großen Resilienz der Mukosa und des Parodontes Rechnung getragen
wird.
MERKE
b Konuskrone
Friktionsstift
Von den vier Doppelkronentypen können nur drei als
Präzisionshalte- und Stützelement im Sinne eines
vollständigen Kraftschlusses bezeichnet werden, da
das Resilienzteleskop mit einem Spalt zwischen Primär- und Sekundärteil zum Ausgleich der Resilienz
der Schleimhaut hergestellt wird.
Stege
c Doppelkrone mit Halteelement
0,3 – 0,5 mm
d Resilienzkrone
Abb. 6.16 Vier Doppelkronentypen.
a Parallelwandige Teleskopkrone.
b Konuskrone.
c Doppelkrone mit Halteelement.
d Resilienzkrone.
• Friktionsstifte werden in die Außenkrone eingeschweißt und gleiten in einer an der Innenkrone angebrachten Rille. Da der Durchmesser dieser Friktionsstifte
0,7–0,9 mm beträgt, wird nur eine kleine parallele Fläche am Primärteil benötigt, während alle übrigen Metallanteile exakt der Stumpfkontur folgen können.
• Federbolzensysteme beruhen auf einer miniaturisierten
Kugel in der Wand des Sekundärteils, die in eine Bohrung oder Nut in der Wand des Primärteils eingreift. Die
Kugel ist elastisch durch Federn oder eine Kunststoffmembran (Marburger Doppelkrone) gelagert.
Resilienzkrone
Das Resilienzteleskop (Abb. 6.16d) ist kein Präzisionselement im eigentlichen Sinne, da sich zwischen Primär- und
Sekundärteil ein Spalt befindet, der zwischen den vertikal
Stege bestehen aus einem Metallstab und einem im abnehmbaren Teil des Zahnersatzes befestigten Stegreiter.
Das Sekundärteil kann je nach Stegtyp mit dem Steg friktiv oder retentiv einschnappend verbunden sein:
• Parallelwandige, friktiv wirkende Steggeschiebe (Abb.
6.17a) funktionieren wie Teleskopkronen. Sie sind starr,
form- und kraftschlüssig.
• Stegkonstruktionen mit rundem (Abb. 6.17b) oder eiförmigem Querschnitt (Abb. 6.17c) erlauben dem aufgesetzten Stegreiter und damit der abnehmbaren Prothese eine rotierende Bewegung um den Steg und werden daher als Steggelenke bezeichnet. Eine Besonderheit
weist der nach seinem Erfinder E. Dolder benannte Doldersteg auf. Er hat zusätzlich einen Resilienzraum, der
beim zahntechnischen Einbringen der Steghülse in den
abnehmbaren Zahnersatz durch einen entsprechenden
Platzhalter bereitgestellt wird.
Typisch für die Anwendung von Stegen sind zwei Eckzähne im Unterkiefer, die je nach ihrem Zustand mit
zwei durch einen Steg verbundene Verblendkronen oder
Wurzelkappen versorgt sind. Der Steg ist ferner eine typische Versorgungsform des mit 2 oder 4 interforaminal
mit Implantaten versorgten, zahnlosen Unterkiefers.
• Bei der Lösung mit zwei Implantaten ergibt sich prothesendynamisch betrachtet eine peripher verlaufende
Stützlinie, die eine Rotation der Prothese um die Stützlinie erlaubt. Demzufolge sind Steggelenke zur Verbindung derartiger Implantate indiziert. Zweckmäßig ist
die Ausrichtung des Stegs parallel zur Scharnierachse
des Unterkiefers.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
152
Kombiniert festsitzend-abnehmbarer Zahnersatz
153
a
b
b
Abb. 6.18 Schwenkriegel an einseitiger Freiendprothese.
a geöffnet,
b geschlossen.
MERKE
c
Abb. 6.17 Stege.
a Parallelsteg (Steggeschiebe).
b Rundsteg.
c Eiförmiger Steg (Dolder-Steggelenk).
• Bei drei oder mehr Implantaten ergibt sich bei der Verbindung der Implantate mit Stegen ein Unterstützungspolygon, das eine rotierende Abstützung der Prothese
ausschließt. Daher sind parallelwandige Steggeschiebe
zweckmäßig.
Riegel
Eine in ihrer endgültigen Position befindliche Prothese
wird durch Riegel (Abb. 6.18a, b) gegen unbeabsichtigtes
Loslösen gesichert. Dieses ist bei sehr kleinen Prothesen,
z. B. einseitigen Freiendprothesen, unverzichtbar, da sie
unter unglücklichen Umständen zunächst gelöst und
dann geschluckt oder aspiriert werden könnten. Bei größeren Zahnersatzkonstruktionen tragen Riegel dazu bei, dass
der Patient den herausnehmbaren Zahnersatz eher akzeptiert, da nach „Verriegeln“ der Prothese weder eine Herausnahme noch ein unbeabsichtigtes Verlieren möglich ist.
Riegel sind miniaturisierte, feinmechanische Elemente, die nicht geeignet sind, Druck und Zugkräfte
weiterzuleiten. Es kann daher nicht genügend betont
werden, dass Retention und Abstützung des herausnehmbaren Teiles einer Kombinationsprothese nicht
durch Riegel zu erreichen ist. Die Halte- und Stützfunktion muss immer durch andere Konstruktionselemente, z. B. Teleskopkronen, Stege oder Geschiebe übernommen werden. Wird von dieser
Grundregel abgewichen, sind mechanische Schäden
am Riegel bis hin zu seiner Zerstörung die Folge.
Anker
Anker (Abb. 6.19) weisen in ihrer Endposition einen Einrast- bzw. Einschnappmechanismus auf. Sie wirken damit
immer nur in ihrer Endposition und haben keine Führungsfunktion.
Eine besondere Form des Ankers ist der Kugelkopfanker.
Dieser wird in der Regel bei noch ein bis zwei verbliebenen, pulpatoten Restzähnen oder auf Implantaten angewandt. Durch die Verkürzung des klinischen Hebelarmes
wird eine größtmögliche Schonung der Pfeiler erzielt.
Magnete
Magnete nehmen als Halteelement eine Sonderstellung
ein. Sie gewinnen die Retention nicht aus elastischer Verformung oder Friktion, sondern aus der Eigenschaft einiger Legierungen, aktiv dauermagnetisch zu sein.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
a
6 Teilprothetik
Abb. 6.19
Druckknopfanker
• Magnetverankerungen können aus zwei aktiv dauermagnetischen Werkstoffen bestehen. Die beiden Magnete ziehen sich bei Ausrichtung Südpol-Nordpol gegenseitig an. Hier ergeben sich größere Haltekräfte
(bis zu 6 N) mit dem Nachteil größerer Bauhöhe.
• Alternativ kann auch nur ein aktiv dauermagnetischer
Werkstoff verwendet werden, der einem passiv magnetischen Werkstoff gegenüber steht. Diese Variante
benötigt weniger Platz, ist jedoch mechanisch schwächer.
Werkstoffe
• Aktiv dauermagnetische Werkstoffe sind Neodym-Eisen-Bor oder Samarium-Kobalt Legierungen (Sm2Co17
oder SmCo5).
• Passiv magnetische Legierung ist z. B. eine PalladiumKobalt-Gallium-Platin-Legierung.
Neodym-Eisen-Bor
und Samarium-Kobalt Legierungen sind unter den Bedingungen der Mundhöhle stark korrosionsanfällig und
damit nicht biokompatibel. Sie müssen daher z. B. in
luftdicht verschweißten Titangehäusen gekapselt werden.
Indikationen
• Wenige und parodontal geschädigte Restzähne, die endodontisch behandelt und mit Wurzelstiftkappen versehen werden, auf die die Magnete geklebt werden
können.
• Verankerungselemente für abnehmbare Prothesen auf
Implantaten. Mit Magneten retinierte Prothesen positionieren sich intraoral selbst. Sie haben daher große
Vorteile bei manuell eingeschränkten Patienten, z. B.
Patienten mit neurologischen Erkrankungen, wie Parkinson-Syndrom.
• Befestigung von Kiefer-Gesichtsprothesen im Zusammenhang mit intra- und extraoralen Implantaten.
Adhäsiv befestigte Präzisionselemente
Alle bisher vorgestellten Verankerungselemente haben
den Nachteil umfangreicher Zahnpräparation. Sie sind
damit invasive Behandlungsmittel. Beim festsitzenden
Zahnersatz haben sich seit ca. 20 Jahren Klebetechniken
etabliert, die es ermöglichen, Brücken minimal-invasiv
einzugliedern (siehe S. 63ff.).
Seit einigen Jahren wird dieses Konzept auch auf die
Primärteile von kombiniertem Zahnersatz angewandt. Voraussetzung ist wie bei den Adhäsivbrücken ein ausreichendes Schmelzangebot. D.h. bei kurzen klinischen Kronen und Karies oder Füllungen im Bereich der potenziellen Klebeflächen sind adhäsiv befestigte Verankerungselemente nicht zweckmäßig.
Auch die Zahnpräparation richtet sich nach den Regeln
der Adhäsivprothetik. Besondere Bedeutung hat die mechanisch retentive Gestaltung der Präparation; sie sollte
den Pfeilerzahn zu mindestens 180° umfassen und möglichst parallelwandig sein. Parallele Rillen verbessern die
mechanische Stabilität und entlasten die Klebeverbindung.
Prothesenbasis
Für die Basisgestaltung des herausnehmbaren Zahnersatzteiles von Kombinationsprothesen gelten prinzipiell
dieselben Kriterien wie in der Modellgussprothetik.
Besonderheiten können sich z. B. bei der Verwendung von
Kronen in Verbindung mit Geschieben ergeben. Hier kann
der erste, das Sekundärteil des Geschiebes enthaltende
Zahn der herausnehmbaren Prothese wie ein Zwischenglied gestaltet werden. Dies führt zwar zur Reduktion von
funktionell belasteten Sattelanteilen, hat aber erhebliche
ästhetische und hygienische Vorteile. Ebenso können von
der sonstigen Teilprothetik abweichende Konstruktionen
angewandt werden, wenn sämtliche Restzähne in eine
Doppelkronenkonstruktion eingebunden wurden. In solchen Fällen kann sowohl im Unter- als auch im Oberkiefer
auf das Anbringen eines großen Verbinders verzichtet
werden. Allerdings ist auf eine ausreichende Dimensionierung des Sekundärteils zu achten, um Brüche zu vermeiden. Bei Freiendsituationen im Oberkiefer sollten ferner gut ausgeformte Tubera vorliegen, die, durch Prothesensättel umfasst, ausreichende Schubverteilung ermöglichen.
Ein Sonderfall der Basisgestaltung ist die abnehmbare
Brücke. Sie ist indiziert bei Lückengebissen, die rein parodontal, rein implantär oder parodontal/implantär abgestützt versorgt werden können und bei denen festsitzende Lösungen wegen notwendiger Erweiterungsmöglichkeit ausscheiden. In diesen Situationen können alle
Zähne mit Doppelkronen versorgt werden und der abnehmbare Teil des Zahnersatzes ohne Sättel wie eine festsitzende Brücke gestaltet werden.
Verblendung
Werden als festsitzende Bestandteile von Kombinationszahnersatz Verblendkronen mit Geschieben verwendet,
sind diese keramisch zu verblenden. Im Gegensatz hierzu
sollten bei Doppelkronen die Sekundärteile mit Kunststoff
verblendet werden, da die Verwendung von keramischen
Materialien das Risiko von Frakturen nach sich zieht.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
154
Planungsbeispiele
Verblockung von Pfeilern
• Primär verblockte Zähne sind auch bei herausgenommenem Zahnersatzteil im Mund starr miteinander verbunden. Einfache Formen der primären Verblockung
sind der Steg oder durch Verblendkronen miteinander
verbundene Pfeilerzähne.
• Bei der sekundären Verblockung werden einzelne Pfeiler erst durch das Einsetzen des Zahnersatzes miteinander verblockt. Die sekundäre Verblockung hat hygienische Vorteile bei der Reinigung der Interdentalräume,
außerdem ist die Erweiterung des Zahnersatzes bei Pfeilerverlust einfacher.
Anzahl der Pfeilerzähne
Wie viele Pfeilerzähne in eine Zahnersatzkonstruktion
einbezogen werden müssen, kann nicht verallgemeinert
werden. Entscheidungskriterien sind der Zustand des
Alveolarfortsatzes, der parodontale und endodontische
Zustand der potenziell einzubeziehenden Restzähne, die
Verteilung der Zähne, die parafunktionelle Beanspruchung des Zahnersatzes und antagonistische Bezahnung
sowie wirtschaftliche Gesichtspunkte, da die Zahl der integrierten Pfeilerzähne auch den zahntechnischen und
zahnärztlichen Aufwand bestimmt.
• In der Regel wird bei gesunden parodontalen Verhältnissen und bei gleichzeitig vorliegender straffer, belastbarer Mukosa die Befestigung der herausnehmbaren
Prothese an nur einem Pfeilerzahn in jeder Kieferhälfte ausreichen. Günstig ist ferner, wenn die Zahl der
auf den Freiendsattel aufzustellenden Zähne klein und
gleichzeitig die Länge des Sattels groß ist.
• Parodontal geschwächte Pfeilerzähne, stark atrophierte
Alveolarfortsätze und eine erhöhte Resilienz des Kieferkammgewebes führen zur Einbeziehung von zwei Pfeilerzähnen je Kieferhälfte.
• Sind die eben angesprochenen Befunde noch ausgeprägter oder soll gar eine einseitige Freiendprothese
eingesetzt werden (unter dem für den Patienten komfortablen Verzicht auf einen großen Verbinder zur
kontralateralen Seite), so sind drei Pfeilerzähne zur
Abstützung des Freiendsattels heranzuziehen.
Planungsbeispiele
Im Folgenden sind einige typische Lückengebisse zusammengestellt und deren Behandlung mit verschiedenen
Konstruktionselementen festsitzend-herausnehmbaren
Zahnersatzes erläutert. Von den millionenfach denkbaren
Gebisssituationen wird hier jedoch nur eine geringe, möglichst repräsentative Auswahl gezeigt.
Es sei daran erinnert, dass nicht allein die Lückentopographie eines Kiefers für die Konstruktionsplanung die
ausschließliche Basis bildet. Ebenfalls bei den Konstruktionsüberlegungen berücksichtigt werden müssen:
• der parodontale und endodontische Zustand der Pfeilerzähne,
• die Ausprägung des Alveolarfortsatzes in den zahnfreien
Abschnitten,
• die Schleimhautresilienz,
• die Bezahnung bzw. prothetische Versorgung des Gegenkiefers.
Somit können bei den hier gezeigten Konstruktionsvorschlägen nur Grundsätzlichkeiten beschrieben werden.
Für die Beschreibung der Lückentopographie im Hinblick
auf ihren Einfluss auf Statik und Dynamik der Teilprothese
hat sich die Einteilung nach Kennedy als zweckmäßig
erwiesen (siehe auch Abb. 6.6, S. 137).
Planungsbeispiel 1
(Abb. 6.20)
Oberkiefer
Bei gutem parodontalen Zustand der endständigen Pfeilerzähne genügt es in der Kennedy-Klasse I, in jedem
Quadranten nur einen Zahn zur Befestigung der Teilprothese heranzuziehen. Dabei können sowohl Verblendkronen als auch Teleskopkronen zur Befestigung des herausnehmbaren Prothesenteils benutzt werden. In ästhetisch
sensiblen Bereichen (wie hier bei 14 angenommen) kann
der erste zu ersetzende Zahn wie ein Zwischenglied einer
Brücke konstruiert sein. Der Gaumenbügel wird sich überwiegend dorsal befinden. Starker Würgreiz (sehr selten)
oder eine fragliche Erhaltungswürdigkeit der anterioren
Restzähne mit einer zu erwartenden Erweiterung der
Prothese in diesem Bereich können eine anteriore Lage
des Bügels sinnvoll machen.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Diese entstehen in der Regel nicht bei der normalen Funktion des Zahnersatzes im Mund, sondern beim unbeabsichtigten Verbiegen im Zuge der Herausnahme der Prothese. Ursache ist auch, dass Prothesen bei der Pflege ins
Waschbecken fallen und hierbei Schaden erleiden. Da der
mit Kunststoff verblendete, herausnehmbare Zahnersatzanteil jederzeit entfernt werden und innerhalb weniger
Stunden mit einer neuen Verblendung versehen werden
kann, sind die Nachteile einer Kunststoffverblendung
(Verfärbung, Abrasion, Plaqueanlagerung) nicht entscheidend.
155
6 Teilprothetik
VK + RS
VK + RS
VB
(herausn.)
(altern.)
E
E
(Regel)
Unterkiefer
Ist in der Kennedy-Klasse I eine weitere Reduktion des
Restgebissbestands eingetreten, so empfiehlt sich die Einbeziehung aller Restzähne in die Prothesenverankerung.
Dabei haben sich Doppelkronen als besonders günstig
erwiesen, da sie neben einer guten Parodontalhygiene
auch das Weglassen des großen Verbinders (in diesem
Fall des Lingualbügels) ermöglichen. Im Unter- sowie im
Oberkiefer ist auf die gute dorsale Ausdehnung der Prothesenbasis zu achten (Erfassung des Tubers bzw. des
Trigonum retromolare).
Planungsbeispiel 2
E
E
VTK
VTK
E
Abb. 6.20 Planungsbeispiel 1. VK = Verblendkrone, VTK = Verblendteleskopkrone, RS = Rillen-Schulter-Geschiebe, VB = verblendetes Brückenglied, E = ersetzt.
VB
VK + RS
VK VB
VB
VK
VB
VB
(herausn.)
VK + RS
(altern.)
E
E
(Regel)
VB
VK + RS
VB VK VB VB VK VB
VK + RS
VB (herausn.)
VB (herausn.)
VTK
VTK
VTK
(Abb. 6.21)
Sind bei der Kennedy-Klasse I weitere Lücken im anterioren Bereich vorhanden, muss vor dem Hintergrund der
klinischen Situation und anhand des Patientenwunsches
abgewogen werden, ob eine festsitzende Brücke mit daran befestigter herausnehmbarer Prothese (gezeigte Lösung für den Oberkiefer) oder eine Doppelkronenkonstruktion unter Einbeziehung aller Restzähne (gezeigte Lösung für den Unterkiefer) infrage kommt. Während die beispielhaft gezeigte Lösung im Oberkiefer auch
nach Herausnahme des Teilprothesenteils noch weitgehend die Aufrechterhaltung von Ästhetik und Sprachfunktion ermöglicht, ist dies bei der im Unterkiefer gezeigten
Konstruktion stark eingeschränkt. Dafür weist die für den
Unterkiefer dargestellte prothetische Lösung aufgrund
der guten Zugänglichkeit der Pfeilerzähne nach Herausnehmen des partiellen Prothesenteils deutliche hygienische Vorteile auf. Weiterhin ist bei dieser Konstruktion die
einfache, schnelle und preiswerte Erweiterungsfähigkeit
hervorzuheben, die bei Zähnen mit unsicherer Parodontalprognose oder nicht optimalen endodontischen Verhältnissen sehr sinnvoll sein kann. Der Verlust eines Pfeilerzahns im Oberkiefer würde die gesamte Rekonstruktion infrage stellen. Im Unterkiefer können statt der aufwändigen verblendeten und mit der Gesamtkonstruktion
herausnehmbaren, individuell zu gestaltenden Zwischenglieder einfache Ersatzzähne verarbeitet werden.
VTK
Planungsbeispiel 3
E
E
VTK
VTK
VTK
VB
(herausn.)
Abb. 6.21
VB
(herausn.)
VTK
Planungsbeispiel 2.
VB
(herausn.)
(Abb. 6.22)
Beim stark reduzierten Restgebiss mit noch 1–2 vorhandenen Zähnen können bei deren parodontaler Schädigung
Kugelknopfanker (s. Oberkiefer) oder eine auf Wurzelkappen befestigte Dolder-Steggelenkkonstruktion (s. Unterkiefer) zur Anwendung kommen. Durch die Kürzung der
klinischen Krone in Verbindung mit der beweglichen Lagerung der Prothesen wird eine Reduktion der auf die
Restzähne einwirkenden Hebelkräfte herbeigeführt.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
156
Planungsbeispiele
157
E
E
E
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
(altern.)
E
E
E
Abb. 6.22
Planungsbeispiel 3.
Abb. 6.23
Planungsbeispiel 4.
Planungsbeispiel 4
(Abb. 6.23)
In stark reduzierten Gebisssituationen der Kennedy-Klassen I, III und IV können im Gegensatz zu den in Abb. 6.22
gezeigten Konstruktionen ebenfalls noch Präzisionselemente mit starrer Lagerung des herausnehmbaren Prothesenteils zur Anwendung kommen. Dies setzt einen
guten parodontalen Zustand der Restzähne (des Restzahns) voraus. Ist dies gegeben, so kann im Oberkiefer
sogar eine Reduktion der Prothesenbasis unter Fortfall der
Gaumenbedeckung erfolgen. Die verbleibende, von der
Basis bedeckte Fläche ist in der Regel immer noch größer
als die, die im Unterkiefer von der Anatomie her ohnehin
nur gegeben ist. Hinzu kommt, dass im Oberkiefer die
Ausprägung des Alveolarfortsatzes einer Translation der
Prothese und damit den transversal auftretenden Hebelkräften besser entgegenwirkt als dies im Unterkiefer möglich ist.
(VTK) VK + RS
Riegel
(VTK) VK + RS
(VTK) VK + RS
KL
Planungsbeispiel 5
(Abb. 6.24)
Die einseitige Freiendsituation (Kennedy-Klasse II) lässt –
wenn man von der festsitzenden Freiendbrücke absieht –
eine Versorgung ohne (s. Oberkiefer) und mit transversaler Versteifung (s. Unterkiefer) zu. Die einseitige Freiendprothese ohne transversale Versteifung besitzt für den
Patienten den höheren Komfort. Allerdings werden
Schubkräfte aufgrund des fehlenden großen Verbinders
nicht so gut abgefangen. Daher müssen je nach parodontalem Zustand 2–3 Restzähne in die Konstruktion einbe-
(VTK) VK + RS
Abb. 6.24
Planungsbeispiel 5.
zogen werden. Darüber hinaus ist auf eine den Alveolarfortsatz gut umschließende Prothesenbasis zu achten. Ungünstige Alveolarfortsatzverhältnisse, wie wir sie in der
Regel vor allem im Unterkiefer antreffen, machen eine
transversale Versteifung über einen großen Verbinder
sinnvoll.
6 Teilprothetik
E
VB
VB VB
VB
VTK
VTK
VTK
VB
VTK
VTK
VTK
VB
VB
TK
VB
TK
VTK E E E E E E
VTK
VK + RS
VK + RS
VK VK VK
KL
E
KL
E
E
E
E
E
Abb. 6.25
VTK
VTK
VK + RS
VK
E
VK + RS
Planungsbeispiel 6.
Aus Kostengründen wurde hier im Unterkiefer eine Bonwill-Klammer (KL) vorgesehen. Ein bereits überkronter
oder überkronungswürdiger Zahn oder eine weitere
Zahnlücke ermöglichen statt der Klammer auch andere
Präzisionshalte- und Stützelemente. Bei der einseitigen
Freiendprothese ohne transversal versteifenden großen
Verbinder ist die Anwendung eines Riegels als Sicherungselement aus forensischen Gründen notwendig, um ein
unbeabsichtigtes Lösen der Prothese mit nachfolgendem
Verschlucken oder gar Aspirieren zu verhindern.
Planungsbeispiel 6
(Abb. 6.25)
Bei Schaltlücken im Front- oder Seitenzahnbereich sollte
die Versorgung grundsätzlich mit festsitzenden Brücken
ermöglicht werden. Ein großer bogenförmiger Verlauf des
zahnfreien Abschnitts, der schlechte Parodontalzustand
der Restzähne oder Knochen-Weichteil-Defekte im zahnfreien Abschnitt können den Einsatz eines kombiniert
festsitzend-herausnehmbaren Zahnersatzes notwendig
machen. Zur Befestigung haben sich hierbei besonders
Doppelkronen bewährt.
Weisen bei der Kennedy-Klasse I die verbleibenden Restzähne eine stärkere parodontale Schädigung auf, so kann
mit einem Kronenverband ein Widerstandsblock geschaffen werden (s. Unterkiefer).
VTK
Abb. 6.26
Planungsbeispiel 7.
Planungsbeispiel 7
(Abb. 6.26)
Die Gebisssituation der Kennedy-Klassen III und IV bzw.
der Übergangsform zwischen ihnen müssen zunächst auf
die Möglichkeit der Eingliederung von festsitzendem
Zahnersatz hin überprüft werden. Fällt die Entscheidung
letztlich zugunsten von kombiniert festsitzend-herausnehmbarem Zahnersatz, müssen unter medizinischen, ästhetischen und ökonomischen Aspekten verschiedene
Modifikationen erwogen werden.
Bei gutem oder nach Vorbehandlung entsprechend stabilisiertem Parodontalzustand der Restzähne sowie bei gut
erhaltenem Alveolarfortsatz in den zahnfreien Abschnitten bietet sich die Eingliederung einer abnehmbaren Brücke an, wobei hier routinemäßig Doppelkronen als Präzisionselemente zum Einsatz kommen (s. Oberkiefer).
Wenn im zahnlosen Frontzahnbereich entsprechend der
ursprünglichen Gebisssituation eine lückige Zahnaufstellung notwendig ist oder wenn ein ausgeprägter KnochenWeichgewebe-Defekt im anterioren Bereich vorliegt,
müssen statt der hier gezeigten, für den Patienten aufgrund ihrer geringen Größe besonders komfortablen verblendeten Zwischenglieder, Ersatzzähne auf einem kleinen Sattel aufgestellt werden. Diese Ersatzzähne können
in Form, Farbe und Stellung völlig individualisiert werden.
Bei einer kurzen Oberlippe kann der vestibuläre Sattelanteil entfallen (bei gut erhaltenem Alveolarfortsatz).
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
158
Praxis des kombiniert festsitzend-abnehmbaren Zahnersatz
Praxis des kombiniert festsitzend-abnehmbaren Zahnersatz
Ebenso wie bei den Modellgussprothesen geht die nachfolgende Darstellung davon aus, dass Planung, Patienteninformationen und -aufklärung bereits erfolgreich beendet wurde. Details zu diesen präprothetischen Maßnahmen sind dem Beitrag Vorbehandlung dieses Buches
(siehe S. 7ff.) zu entnehmen. Der Behandlungsablauf ist
schematisch in Abbildung 6.27 zusammengefasst und in
einem Fallbeispiel in Abb. 6.28 dargestellt.
Behandlungsablauf Teleskopprothese
Zahnarztpraxis
Anatomische Abformung
Provisorische Kieferrelation
Modellherstellung
Orientieren in Okkludator
Tiefziehfolien für Provisorien
Individuelle Löffel
Zahnfarbauswahl
Zahnpräparation
Provisorien
Stumpfabformung
Provisorische Kieferrelation
Modellherstellung
Orientieren im Okkludator
Herstellung Primärteleskope
Individueller Löffel für
Fixationsabformung und def.
Kieferrelationsbestimmung
Einprobe Primärkronen
Fixationsabformung
Definitive Kieferrelation
Gesichtsbogenübertragung
Modellherstellung
Fräsen der Primärteleskope
Herstellung Sekundärkronen
Gerüstherstellung
Präparation
Grundsätzlich werden die Pfeilerzähne für kombinierten
Zahnersatz zunächst in gleicher Weise präpariert wie für
festsitzenden Zahnersatz (siehe S. 43ff.). Besonderheiten
bei der Präparation ergeben sich aufgrund der Einschubrichtung des abnehmbaren Zahnersatzteiles und des erhöhten Platzbedarfes für Präzisionselemente. Außerdem
werden die Primärkronen durch die abziehenden Kräfte
beim Herausnehmen der Prothese stärker auf Zug belastet
als Kronen beim festsitzenden Zahnersatz, auf eine retentive Präparationsform ist daher besonderer Wert zu legen.
Diese Besonderheiten gelten vor allem für Doppelkronen,
da die Achsneigung der Pfeiler die Einschubrichtung der
Prothese beeinflusst. Dies kann in einsehbaren Bereichen
insbesondere am Kronenrand zu ästhetischen Problemen
führen, da der Techniker unter Umständen gezwungen ist,
Metallränder sichtbar werden zu lassen. Vor allem im
oberen Frontzahnbereich sollten die Zähne zueinander
parallel beschliffen werden und die Einschubrichtung
der Primärkronen auf die natürlichen Zähne sollte mit
der Einschubrichtung der abnehmbaren Prothese identisch sein. Dabei kann in extremen Fällen die Vitalität
eines Zahnes sehr stark gefährdet werden. Es ist daher
im Einzelfall abzuwägen, ob an besonders gefährdeten
Zähnen eine prognostisch günstige Wurzelkanalfüllung
nach Vitalexstirpation dem Risiko des Absterbens des beschliffenen Zahnes vorzuziehen ist.
Der erhöhte Platzbedarf für Präzisionselemente geht aus
deren Konstruktionsprinzipien hervor. Wiederum sind es
die Doppelkronen, die eine vermehrte Reduktion von
Zahnhartsubstanz am Pfeilerzahn verlangen. Im Hinblick
auf die Verwendung von intrakoronalen Geschieben sollte
im Bereich derselben vermehrt Zahnhartsubstanz ent-
Labor
Einprobe Sekundärgerüst
Wachsaufstellung
Kontrolle Okklusion
Ästhetik/Sprache
Polymerisieren
Verblenden
Fertigstellen
Kontrolle Okklusion
Ästhetik Sprache
def. zementieren
Abb. 6.27 Schematischer Ablauf Behandlung Teleskopprothese.
Im Einzelfall kann hiervon abgewichen werden. So kann bei einfachen Situationen z. B. auf einen separaten Termin zur Wachseinprobe verzichtet werden.
fernt werden. Hierbei kann man vorhandene kariöse Läsionen oder alte Füllungen benutzen, wobei die Präparation solcher Kavitäten möglichst kastenförmig und in der
Achsrichtung auf die spätere Einschubrichtung hin orientiert sein sollte. Unabhängig von der Anbringung von Geschieben tragen möglichst parallel anpräparierte Kästen
und Rillen – insbesondere bei kurzen klinischen Kronen –
zur verbesserten Retention der beim Herausnehmen der
Prothese verständlicherweise stärker auf Zug beanspruchten Primäranker bei.
Provisorium
Die provisorische Versorgung bei kombiniertem Zahnersatz sollte möglichst mit festsitzendem Zahnersatz durchgeführt werden, da die Eingliederung von provisorischen
Kronen in Verbindung mit abnehmbarem Interimszahner-
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
Die im Unterkiefer analog zum Oberkiefer gezeigte Gebisssituation wurde aufgrund des Einsatzes von E-Klammern (KL) bei den Molaren sowie mithilfe einfacher Ersatzzähne in den zahnfreien Abschnitten deutlich preiswerter gestaltet als im hier gezeigten Gegenkiefer.
Beide gezeigten Versorgungen wären jeweils auch im anderen Kiefer denkbar.
159
6 Teilprothetik
a
b
c
d
e
f
g
h
satz eine Vielzahl von Problemen mit sich bringt (Passung
Drahtklammer – Provisorium, Zahnwanderung, Ablösen
von Provisorien).
Allerdings zwingt die festsitzende temporäre Versorgung
beim stark reduzierten Restzahnbestand zu mehreren
Kompromissen:
• Aus ästhetischen Gründen können angestrebte lückige
Zahnaufstellungen nicht nachgeahmt werden.
• Bei weitspannigen Lücken ist häufiger mit einem Bruch
des Provisoriums zu rechnen, was sich durch linguale/
palatinale Verstärkungen des temporären Zahnersatzes
verhindern lässt.
• Bei Freiendsituation kann es bei funktionsgesunden Patienten empfehlenswert sein, selbst bei distal vom Eckzahn beginnenden Freiendsituationen vorübergehend
Provisorien mit zwei angehängten Prämolaren einzugliedern, wobei die Prämolaren in ihrer Kaufläche bis
auf die vestibulären Höcker reduziert werden, da sie
lediglich eine ästhetische Funktion ausüben.
Abb. 6.28 Ablauf Behandlung mit Teleskopprothesen.
a Ausgangssituation nach Vorbehandlung
mit Aufbissbehelf.
b Roheinprobe der fertig gestellten Primärkronen. Nach erfolgter Feinanpassung werden diese Primärteile mit provisorischem Zement (mit Modifier) behandelt.
c Mithilfe zweier Bissschablonen, die mit
einem viskösen Abdruckmaterial beschickt wurden, wird nunmehr nochmals
ein Feinabdruck mit Resilienzausgleich
genommen. Gleichzeitig erfolgen die Fixierung der Primärteile an den Bissschablonen sowie die (trennbare) Verschlüsselung von Ober- und Unterkieferschablone im Sinne einer endgültigen
Relationsbestimmung. Hiernach kann
mit noch eingesetzter Oberkieferschablone eine Gesichtsbogenübertragung
des Oberkiefermodells vorgenommen
werden.
d Über die temporär fixierten Primärteile
mit den an ihnen befestigten individuellen Löffeln gleichenden Bissschablonen
werden Alginatabdrücke genommen.
Hiernach kann bei ausreichender Erfahrung des Behandlers sowie bei gutem
Zusammenspiel zwischen diesem und
dem zahntechnischen Labor die Arbeit
sofort fertig gestellt werden.
e Zementierte Primärkronen.
f Fertig gestellte Prothesen extraoral.
g Eingegliederte Oberkieferprothese.
h Eingegliederte Prothesen, Ansicht von
labial.
Stumpfabformung
Die Abformung unterscheidet sich nicht von der Stumpfabformung bei festsitzendem Zahnersatz.
Primärteilanprobe, Zweitabformung
und Relationsbestimmung
Die Einprobe der Primärteile erfolgt in der für festsitzenden Zahnersatz gewohnten Weise (siehe S. 50ff.).
Im Rahmen des kombiniert festsitzend-abnehmbaren
Zahnersatzes erfolgt eine Zweitabformung über die eingepassten Primärteile. Hierbei sind einige Besonderheiten
zu beachten, die sich aus dem Ziel der Zweitabformung
ableiten lassen.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
160
Praxis des kombiniert festsitzend-abnehmbaren Zahnersatz
Die Zweitabformung dient der Festlegung der Beziehung der Primärteile untereinander sowie der Festlegung der Beziehung der Primärteile zum mukösen
Prothesenlager. Auch muss ein neues, ungesägtes
Modell angefertigt werden, um Basisanteile oder/
und große Verbinder herstellen zu können.
Befestigung der Primärteile
Sind die Primärteile eingepasst, werden sie temporär mit
einem weich eingestellten provisorischen Zement (z. B.
Temp Bond mit Modifier) oder einem Silikon befestigt.
Hierdurch wird vermieden, dass sich die Primärteile bei
den weiteren Behandlungsmaßnahmen unbemerkt geringfügig vom beschliffenen Zahn ablösen und in falscher
Position fixiert werden.
Weisen die beschliffenen Zähne eine gemeinsame Einschubrichtung auf, können die Primärteile untereinander
starr, z. B. mit Kunststoff, an einer Bissschablone befestigt
werden. Dies reduziert die Fehlermöglichkeit bei den folgenden Arbeitsschritten. Haben die beschliffenen Zähne
keine gemeinsame Einschubrichtung, ist die starre Fixierung der Primärteile untereinander nicht sinnvoll. Hier ist
eine Zweitabformung mit einem möglichst festen Elastomer, z. B. Polyether, erforderlich.
PRAXISTIPP
Die Zweitabformung mit starrer Fixierung ermöglicht
die Fixierung der Primärteile, die Abformung der
zahnlosen Kieferabschnitte, die Kieferrelationsbestimmung und die Gesichtsbogenübertragung in einer Behandlungssitzung.
Zweitabformung
Zunächst werden die vom Labor gelieferten Bissschablonen einprobiert und auf die angestrebte Bisshöhe eingestellt. Diese Bissschablonen, die die von der späteren Prothese bedeckten Schleimhautareale genau erfassen, sollten im Oberkiefer in den zahnfreien Abschnitten mit einem mit kleinen Kerben versehenen Kunststoffwall und
im Unterkiefer mit einem harten Wachswall (Beauty Pink;
kein Modellierwachs) versehen sein. Hierdurch ist sowohl
die Möglichkeit einer Gesichtsbogenübertragung gewährleistet wie auch die Voraussetzung für eine gute Verschlüsselung gegeneinander bei der Relationsbestimmung gegeben.
Wird in nur einem Kiefer kombinierter Zahnersatz eingegliedert, so sollte der Wall ebenfalls aus Kunststoff angefertigt sein, aber in der Höhe die endgültige vertikale
Dimension um 1–2 mm unterschreiten. Dieser Spalt
wird genutzt, um entweder mit einer Wachsplatte oder
mit dem zur Fixierung der Primärteile an der Schablone
eingebrachten Autopolymerisat die endgültige Relation
festzulegen.
Nach provisorischem Zementieren der Primärteile werden die Schablonen mit einem mittelviskösen, elastomeren Abformmaterial dünn beschickt, eingesetzt und die
Schleimhaut unter Kaudruck abgeformt. Hierdurch wird
ein Resilienzausgleich zwischen dem Parodont einerseits
und der Schleimhaut andererseits erzielt. Nach Möglichkeit sollten die Schablonen nicht entfernt werden; vielmehr sollten die Primärteile mithilfe von Autopolymerisat
an der Schablone fixiert werden.
PRAXISTIPP
Das Autopolymerisat darf keine Interferenzen in der
Okklusion hervorrufen. Es kann zu einer eindeutigen
Fixierung der Kieferrelation beitragen, wobei diese im
Mund durch den Einsatz geeigneter Isoliermittel (Paraffinöl) voneinander lösbar gestaltet sein muss.
Ermittlung der endgültigen Unterkieferlage
Die endgültige Unterkieferlage sollte nach eigener Erfahrung mit Zungenführung seitens des Patienten aufgesucht
werden. Dazu muss der Patient bei aufrechter Körperhaltung im Behandlungsstuhl die Zungenspitze gegen die
Raphe mediana des Gaumens im Übergang zu den Gaumenfalten drücken. Der Unterkiefer wird vom Behandler
dabei nicht geführt, sondern bestenfalls am Unterkieferwinkel mit Zeige- und Mittelfinger gestützt. Die endgültige Vertikaldimension – ausgewählt nach der vom Patienten natürlich vorgegebenen oder durch die Provisorien neu eingestellten Bisslage – wird mithilfe von zwei
Hautpunkten (Philtrum und Kinnspitze) und einer Schieblehre eingestellt. Die Richtigkeit der Unterkieferlage wird
durch mehrfaches Mundöffnen und -schließen unter Zungenführung überprüft. Der Patient muss in die Verschlüsselung der selbst gewählten Position mehrfach ohne
Probleme hineinfinden. Nach Erreichen dieses Stadiums
bei der Zweitabdrucknahme kann nunmehr eine Gesichtsbogenübertragung durchgeführt werden.
PRAXISTIPP
Ist auch die Versorgung des Oberkiefers mit kombiniert festsitzend/herausnehmbarem Zahnersatz
durchzuführen, bietet der gekerbte Kunststoffwall
zusammen mit der Fixierung der Primärteile aus Autopolymerisat an der Schablone eine gute Möglichkeit zur Fixierung der Bissgabel.
Überabdruck
Hiernach wird nunmehr ein Überabdruck mit Alginat
(Rim-Lock-Löffel) genommen. Dieser erleichtert nicht
nur dem Zahntechniker die Modellherstellung, sondern
er formt auch die an die Pfeilerzähne angrenzenden
Schleimhautbezirke im vestibulären Bereich ab und er-
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
MERKE
161
6 Teilprothetik
möglicht eine bessere Fixierung von Primärteilen, die
nach Herauslösen des Alginatabdrucks im Munde verbleiben. Deren genaue Lage/Endposition bei der Reposition
muss allerdings durch die Kunststofffixierung gewährleistet sein.
Zahnfarbbestimmung
Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss die Zahnfarbbestimmung erfolgen. Werden Änderungen der Zahnstellung und -form in einsehbaren Bereichen angestrebt, so
muss auch zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Information (Modelle oder Fotos des Patienten) an das zahntechnische Labor weitergegeben werden.
Gerüsteinprobe
Bei genügender Erfahrung mit der zuvor beschriebenen
Zweitabdrucknahme und mit einem in dieser Arbeitsweise eingespielten zahntechnischen Labor kann prinzipiell nach der Zweitabdrucknahme die sofortige Fertigstellung erfolgen. Sieht man von noch mangelnder Erfahrung ab, so sind es große Änderungen in der Bisslage und
vor allem in der Ästhetik, die eine Einprobe des Sekundärgerüstes notwendig machen.
Bei der Gerüsteinprobe sollten Prothesenbasen bereits in
Kunststoff vorliegen. Hierdurch ist eine bessere, mundbeständigere Zahnaufstellung in Wachs gewährleistet.
Außerdem kann die Beziehung des Sattels zur Schleimhaut überprüft und gegebenenfalls durch nochmaliges
Unterlegen mit Abformmaterial korrigiert werden. Zu verblendende Sekundärteile (Doppelkronen) oder Primärteile (Verblendkronen) sollten mit zahnfarbenem Wachs
versehen sein, damit diese ohnehin schwierige ästhetische Überprüfung nicht zusätzlich erschwert wird.
Probetragen
Kombiniert festsitzend-abnehmbarer Zahnersatz sollte
nach seiner endgültigen Einprobe definitiv zementiert
werden. Von dieser Regel kann bei großen Änderungen
der Bisslage abgewichen werden. Auch aus ästhetischen
Überlegungen heraus kann es ratsam sein, den fertigen
Zahnersatz probeweise tragen zu lassen, damit nicht nur
der Patient, sondern auch ihm nahe stehende Personen
das Erscheinungsbild beurteilen können.
Das probeweise Tragen von kombiniert festsitzend herausnehmbarem Zahnersatz ist immer kritisch. Die temporär eingesetzten Primärteile sollen beim Herausnehmen des abnehmbaren Zahnersatzanteiles im Munde verbleiben, müssen sich aber zum endgültigen Zementieren
noch einmal vom Pfeiler ablösen lassen. Dies ist ein Widerspruch in sich, der nicht immer befriedigend gelöst
werden kann. Daher ist es besonders wichtig, dass der
Patient über die Problematik aufgeklärt wird:
• Der Zahnersatz darf nur über einer mit einem Tuch
bedeckten Fläche und nicht etwa über dem Waschbe-
cken herausgenommen werden. Herausfallende Primärteile können beschädigt werden oder verloren gehen.
• Nach Entfernung des Zahnersatzes muss der Patient
stets prüfen, ob sämtliche Primärteile im Mund vorhanden sind.
MERKE
Herausgelöste Primärteile sollten vom Patienten gesondert aufbewahrt werden. Bis zum unverzüglichen
Aufsuchen des Zahnarztes ist das Sekundärteil bei
Doppelkronen oder auch das Primärteil bei einer Verblendkrone mit Zahnpasta zu füllen.
In selteneren Fällen kann der Patient den Zahnersatz auch
für einen Tag im Munde belassen. In diesem Zeitraum
sollte allerdings die Meinungsbildung hinsichtlich Funktion und Ästhetik abgeschlossen sein.
Zementieren
Beim Zementieren von kombiniertem Zahnersatz ist man
häufig mit zwei Problemen konfrontiert:
• Oft müssen auf beiden Seiten eines Kiefers aufgrund des
Umfanges der Arbeit Pfeilerzähne zur Zementierung getrocknet werden.
• Überschüssiger Zement darf nicht zur Verbindung von
Primär- und Sekundärteil führen.
MERKE
Minimale Fehler beim Zementieren können den gesamten Behandlungserfolg infrage stellen.
Daher sollte der weniger Erfahrene bei umfangreichen Arbeiten das Zementieren der Primärteile in wenigstens zwei
Schritte aufteilen. So können zuerst Teleskope im rechten
Kiefer zementiert werden. Hierbei werden Primärteile im
linken Kiefer nur aufgesteckt. Nach Aushärten des Zementes schließt sich das Zementieren im linken Kiefer an.
• Um die Verbindung von Primär- und Sekundärteilen
durch Zement zu vermeiden, werden die Sekundärteile
mit Vaseline oder Paraffinöl ausgestrichen.
• Beim Zementieren der Primärteile ist darauf zu achten,
dass durch angemessenes Ausstreichen der Kroneninnenflächen mit Zement die Mengen von ausgepressten
Überschüssen klein gehalten werden. Diese Überschüsse werden sofort nach Einbringen des Primärteiles
mit Wattepellets entfernt.
• In jedem Fall sollte nach Einbringen der Primärteile das
Sekundärteil sofort aufgesetzt werden, da durch das
Zementieren zwar nur minimale, aber in unglücklichen
Fällen sich addierende Platzierungsfehler auftreten können. Das sofortige Einsetzen des Zahnersatzes hält diese
Fehler gering und sichert grundsätzlich die spätere Ausbzw. Eingliederbarkeit des abnehmbaren Teiles.
• Als Zemente sollten Materialien bevorzugt werden, die
eine längere Aushärtungszeit haben.
• In zugänglichen Bereichen kann der Zementüberschuss
entfernt werden.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
162
Nachsorge
Mit der Abnahme des Sekundärteils und dem vollständigen Entfernen des Zementüberschusses muss
bis zum sicheren Aushärten des Zements gewartet
werden. So kann man einen Patienten mit einer soeben eingegliederten Arbeit z. B. für eine Stunde im
Wartezimmer warten lassen, um danach selbst vorsichtig die herausnehmbaren Teile zu lösen und eine
Schlussreinigung vorzunehmen. Ist der Anfahrtsweg
des Patienten nicht zu groß, kann er auch am nächsten Tag zur erstmaligen Entfernung des abnehmbaren
Teiles nochmals einbestellt werden.
Patienteninformation
Nach Zemententfernung und Säuberung des Zahnersatzes
muss der Patient unter Aufsicht von Zahnarzt oder Helferin den Zahnersatz mehrfach selbständig aus- und eingliedern. Dies kann bei manuell ungeschickteren Patienten in der Anfangsphase mit großen Schwierigkeiten verbunden sein und bedarf oft einiger Übung. Im Sattelbereich vestibulär angebrachte Metallknöpfchen oder
eingefräste Griffrillen können die Handhabung wesentlich
erleichtern. Ansonsten müssen dem Patienten gerade für
die Anfangszeit unbedingt die gleichen Vorsichtsmaßnahmen empfohlen werden, wie sie ihm schon im Falle des
Probetragens (s.o.) mitgeteilt wurden.
Nachsorge
Unterfütterung
Zunächst ist auf die überragende Bedeutung der Unterfütterung von Freiendsätteln hinzuweisen. Diese resultiert aus der starren Verbindung der Sättel mit dem Restgebiss, die eine perfekte Passung der Sättel und damit
optimale Kraftübertragung auf Mukosa und Alveolarknochen erfordert.
Da die Alveolarfortsatzresorption interindividuell sehr
verschieden ist, lassen sich keine festen Intervalle angeben. Initial sollten Kontrollen sechsmonatig erfolgen.
Stellt man fest, dass eine Unterfütterung nicht nötig ist,
können die Intervalle ausgedehnt werden.
Zur Darstellung eines Spaltes infolge Fehlpassung zwischen Prothesenbasis und Schleimhaut wird ein dünnfließendes Silikon auf die Prothesenbasis aufgetragen und die
Prothese eingegliedert. Wesentlich ist, dass der perfekte
Sitz der Sekundärteile auf den Primärteilen gewährleistet
ist. Der Patient darf daher nicht auf die Freiendsättel aufbeißen. Im Zuge der Wiedereingliederung unterfütterter
Prothesen ist die Okklusion zu prüfen, da es nicht selten
zu Okklusionsstörungen kommt. Diese können durch fehlerhafte Unterfütterung bedingt sein. Sie kann aber auch
Folge der wiederhergestellten, korrekten Beziehung der
Prothesenbasis zu Mukosa sein. Diese verhindert eine
einlagernde Bewegung des Freiendsattels und äußert
sich in einer Okklusionsstörung.
Rezementieren
Das Ablösen der Primärkronen vom Pfeilerzahn bei Teleskopkronen und Konuskronen ist eine häufige Komplikation, vor allem, wenn nur kurze klinische Kronen vorhanden oder die Zähne zu konisch beschliffen sind.
MERKE
Wesentlich ist, dass der Patient möglichst schnell
nach dem Ablösen in die Praxis kommt, damit keine
Zahnwanderungen auftreten, die zu Passungsproblemen führen.
Zur Vermeidung weiterer Ablösungen kann bei glatten
Zahnstümpfen eine Aufrauung mit grobkörnigen Diamanten sinnvoll sein. Ferner kann die Innenfläche der Primärkrone durch Ausstrahlen aufgeraut werden. Schließlich
können Kunststoffbefestigungsmaterialien eingesetzt
werden, die Dentinadhäsiv auf der Zahnseite und chemische Metallkunststoffverbundsysteme auf der Kronenseite verwenden.
Prothesenerweiterung
In die Zeit der Nachsorge können auch Erweiterungen
fallen, wenn Pfeilerzähne selbst oder im Zahnbogen sonst
noch verbliebene und bis dahin vom Zahnersatz nicht
erfasste Zähne entfernt werden müssen. In solchen Situationen zeigt sich, wie vorausschauend der Zahnersatz geplant wurde.
Die einfachste Erweiterung erfolgt bei Fortfall eines Pfeilerzahnes innerhalb einer mehrere Doppelkronen umfassenden Rekonstruktion. Hier muss nach Entfernung des
entsprechenden Pfeilerzahnes lediglich das Sekundärteil
mit Kunststoff ausgefüllt werden. Auch wenn der einzige
auf einer Kieferhälfte noch befindliche Pfeilerzahn einer
Konstruktion fällt, kann durch Integration weiterer Zähne
abnehmbarer Zahnersatz erweitert werden. Es muss dann
ein weiterer Zahn präpariert werden, wobei die Stumpfabformung ohne eingegliederte Prothese erfolgt, damit
der Zahntechniker unter Zuhilfenahme der übrigen Primärteile die Einschubrichtung auf den neuen Pfeiler übertragen kann.
Nach der erfolgreichen Einprobe des neuen Primärteiles
ist dieses wie bei der oben beschriebenen Zweitabdrucknahme mithilfe von Kunststoff mit dem herausnehmbaren Zahnersatzteil zu verbinden. Ein Überabdruck ermöglicht eine neue Modellherstellung, auf dem dann die noch
fehlenden Schritte zur Vervollständigung der Erweiterung
ausgeführt werden können.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
PRAXISTIPP
163
6 Teilprothetik
Karies- und Parodontitisprophylaxe
Für den Langzeiterfolg kombinierter Prothesen ist die Gesunderhaltung der Pfeilerzähne essenziell. Für die Prävention von Karies und Parodontitis bei Gebissen mit Zahnersatz gelten dieselben Regeln wie in der allgemeinen
Prophylaxe. Über regelmäßige, dem individuellen Bedürfnis des Patienten angepasste Recalltermine muss die
Plaquefreiheit der Zähne gewährleistet werden. Reicht
Remotivation allein nicht aus, muss die Bemühung des
Patienten durch entsprechende professionelle Zahnreinigung ergänzt werden.
LITERATUR
Besford, J., Müller, F.: Gebogene und gegossene Halte- und
Stützelemente. In: Hupfauf, L., Nolden, R.: Ästhetik in der
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Urban & Schwarzenberg,
München 1995, S. 275-294
Kerschbaum, Th.: Langzeitergebnisse und Konsequenzen. In:
Hupfauf, L. (Hrsg.): Teilprothesen. Urban & Schwarzenberg, 2.
Auflage, München 1988, S. 265-289
Körber, E.: Die prothetische Versorgung des Lückengebisses.
Hanser Verlag, München, 3. Aufl. 1987
Körber, K. H.: Dynamischer Mechanismus von Parodontium und
Gewebsstrukturen unter herausnehmbarem Zahnersatz. Dtsch.
Zahnärztl. Z. 38,975-985(1983)
Körber, K.: Konuskronen. Hüthig Verlag, 8. Aufl. Heidelberg,
1988
Ludwig, P.: Grundlagen zur Abstützung von herausnehmbarem
Zahnersatz im Lückengebiß. Dtsch. Zahnärztl. Z. 967-974(1983)
Marinello, C.P.: Adhäsivattachments in der Teilprothetik. In:
Kerschbaum, Th. (Hrsg.): Adhäsivprothetik, Urban & Schwarzenberg, München 1995, S. 151-163
Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen. Thieme Verlag, Stuttgart, 2001
Renner, R. P., Boucher, L. J.: Removable Partial Dentures. Quintessence Publ. Co, Chicago, 1987
Blankenstein, F. (Hrsg.): Magnete in der Zahnmedizin. Flohr Verlag, Rottweil 2001
Spang, H.: Vorgefertigte Verbindungselemente in der Teilprothetik. Quintessenz Verlag, Berlin, 1981
Böttger, H., Gründler, H.: Die Praxis des Teleskopsystems. Verlag
Neuer Merkur, 3. Aufl., München, 1982
Spiekermann, H., Gründler, H.: Die Modellgussprothese. Quintessenz Verlag, Berlin, 1977
Gründler, H.: Die Riegel. Quintessenz Verlag, Berlin, 1984
Weber, H.: Edelmetallfreie (NEM) Kronen-, Brücken- und Geschiebeprothetik. Quintessenz, Berlin, 1985
Kennedy, E.: Partial Denture Construction. Dental Items of Interest Publ. Co, New York, 1928
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
164
Herunterladen