Statement von Heiko Gruner

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Ein knochenhartes Business
Dipl. Phys. Philipp Gruner, CEO und Dr. Heiko Gruner, Gründer der Medicoat AG
Die Menschen werden immer älter und sind oft übergewichtig. Das verschleisst die
Gelenke. Allein in Europa werden jährlich rund 800'000 künstliche Hüften eingesetzt, ein
guter Teil davon von der Medicoat AG in Mägenwil veredelt. Gründer Heiko Gruner
über sein Unternehmen, seine Produkte und den Aargau als Unternehmensstandort.
Herr Gruner, Medicoat ist spezialisiert
auf die medizintechnische Beschichtung
zementloser Implantate. Können Sie mir
als Laien erklären, was Sie genau tun?
Damit ein Implantat vom umgebenden Knochen problemlos akzeptiert
wird, müssen zwei Anforderungen
erfüllt sein: Die Oberfläche muss rau
und offenporig sein, damit die Struktur dem Knochengewebe entspricht –
und die Chemie muss stimmen. Die
aus Metall, Kunststoff oder Keramik
hergestellten Implantate werden zunächst mit einer Titan-Beschichtung
versehen, welche sehr rau ist. Um das
Verwachsen zu beschleunigen, wird
zusätzlich eine bioaktive Schicht aus
künstlichem Knochen (Kalziumphos-
phat) abgeschieden, damit der umgebende Knochen praktisch zwangsweise mit der Beschichtung verwächst
und das Implantat rasch akzeptiert.
Wie kamen Sie auf die Idee, Implantate
zu beschichten?
Ich stamme aus einem Arzthaushalt
und habe Physik und Medizin studiert.
Mich faszinieren beide Bereiche und
unsere Beschichtungen verbinden sie.
Angefangen haben wir 1989 in einer
Garage mit einer Beschichtungsanlage. Unser Vorteil war, dass wir ein
Produkt auf den Markt brachten, das
eindeutig den Patienten nützt. Heute
beschichten wir hier in Mägenwil
jährlich rund 60'000 Implantate.
(Fotos: Remo Buess)
Was ist das Spezielle an der
Beschichtungstechnik?
Sie findet im Vakuum statt. Das Implantat wird vorher auf über 250° C
erhitzt, was alle Keime abtötet. Die
Haftung der Schicht übertrifft die
Stabilität des Knochengewebes.
Das Pulver für die künstliche Knochenschicht produzieren Sie auch selber.
Wieso das?
Das ist zunächst eine Frage der Qualität und wir wollten nicht von Lieferanten abhängig sein. Das Pulver
wird von Medicoat France hergestellt. Die Filiale in Frankreich haben
wir nach dem Schweizer EWR-Nein
gegründet, um freien Zugang zum
europäischen Markt zu haben.
Sie produzieren auch die Beschichtungsmaschinen und verkaufen sie. Kannibalisieren Sie sich damit nicht selber?
Nur zu einem gewissen Teil. Uns ist
wichtig, dass wir den Implantatherstellern eine für sie optimale Lösung
bieten können. Ab einer gewissen
Stückzahl ist es günstiger, wenn sie in
einer eigenen Anlage die Beschichtung selber ausführen. Wir haben uns
gesagt, statt dass wir sie als Kunden
verlieren, verkaufen wir besser auch
unsere hochqualitativen Maschinen.
Lohnt es sich in diesem Bereich überhaupt, in der Schweiz zu produzieren?
Natürlich leiden auch wir unter dem
starken Schweizer Franken und dem
Fachkräftemangel. Generell ist die
Schweiz aber ein sehr guter Standort
für innovative Ingenieurleistungen.
Wir sind in einem Bereich tätig, der
gut ausgebildete Fachkräfte braucht.
Auch sind wir darauf angewiesen,
immer weiter zu denken und Neues
zu entwickeln. So versuchen wir zum
Beispiel, eine antibakterielle Wirkung
in die Beschichtung einzubauen, um
eine Infektion bei der Operation zu
verhindern. Durch den exzessiven
Gebrauch von Antibiotika entstehen
immer mehr resistente Keime.
Wie kamen Sie nach Mägenwil?
Ich lebe mit meiner Familie am wunderschönen Hallwilersee. Als wir die
Firma vergrössern wollten, fanden
wir in Mägenwil die nötige Unterstützung und Land in der Industriezone.
Innert eines Jahres hatten wir die
Bewilligung, bauten und zogen ein.
Sie haben die Firma aufgebaut, lange
geleitet und sind heute Präsident des
Verwaltungsrates. Wie haben Sie die
Nachfolge geregelt?
Ich habe das grosse Glück, dass einer
meiner beiden Söhne begeistert ist
von unserer Anwendung der Physik
in der Medizintechnik. Er ist Werkstoffingenieur und Spezialist für Biomaterialien, also auch Experte für
beide Bereiche, und sichert so die
Kontinuität. Er hat von mir die operative Führung übernommen. Für
mich ist das natürlich eine grosse
Befriedigung.
www.medicoat.ch
Interview: Monique Ryser
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