Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ist eine autonome Körperschaft der Europäischen Union, deren Anliegen es ist, die Formulierung künftiger politischer Maßnahmen im Sozialbereich und in Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitswelt zu unterstützen. Weitere Informationen enthält die von der Stiftung eingerichtete Website (Internet-Adresse: http//www.eurofound.ie). Verfasser dieses für die Stiftung erstellten Berichts sind Professor Paul Marginson, Professor für Arbeitsbeziehungen an der Universität Leeds im Vereinigten Königreich, Mark Gilman, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Warwick im Vereinigten Königreich, Otto Jacobi, Unternehmensberater in Frankfurt, Deutschland, und Hubert Krieger, leitender Mitarbeiter im Bereich Forschung der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin. Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Eine Analyse der Vereinbarungen nach Artikel 13 Paul Marginson Mark Gilman Otto Jacobi Hubert Krieger EUROPÄISCHE STIFTUNG zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Wyattville Road, Loughlinstown, Co. Dublin, Ireland. Tel: (353-1) 204 31 00 Fax: (353-1) 282 64 56/282 42 09 E-Mail: [email protected] Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa (http://europa.eu.int). Bibliographische Daten befinden sich am Ende der Veröffentlichung. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1999 ISBN 92-828-6651-3 © Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, 1999 Printed in Luxembourg Vorwort Seit der Verabschiedung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (94/45/EG) durch den Ministerrat am 22. September 1994 werden Vereinbarungen gemäß Artikel 13, wonach die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden multinationalen Unternehmen und Unternehmensgruppen freiwillige Vereinbarungen zur Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats treffen können, von der Stiftung mit Hilfe eines entsprechenden Registers verfolgt. Die Erfassung der Vereinbarungen erfolgte in Zusammenarbeit mit den multinationalen Unternehmen, mit den europäischen Organisationen der Sozialpartner und mit verschiedenen Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen im Bereich der Arbeitsbeziehungen. Diese Vereinbarungen wurden unter einer Reihe verschiedener Gesichtspunkte analysiert, und die Ergebnisse veröffentlicht. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die vierte derartige Publikation seit Verabschiedung der Richtlinie. Es ist das zweite Mal, daß ein Bericht von der Stiftung und der GD V der Europäischen Kommission gemeinsam veröffentlicht wurde. Gegenstand des ersten gemeinsamen Berichts, der als Teil der Reihe Soziales Europa (Beiheft 5/95) erschien, war die Untersuchung von etwa 50 Vereinbarungen unter Berücksichtigung von Fragen, die beispielsweise das Wesen, die Verfahren, den geographischen Geltungsbereich, die Zuständigkeiten sowie die in den Vereinbarungen enthaltenen Vertraulichkeitsklauseln betreffen. Die in dem vorliegenden Bericht angestellte Analyse befaßt sich nun unter Beibehaltung des gleichen thematischen Spektrums mit jenen 386 Vereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie am 22. September 1996 — und dem damit verbundenen Wegfall der Option zur Einrichtung eines europäischen Betriebsrates gemäß Artikel 13 — unterzeichnet worden sind. Für die Arbeit der Stiftung und der Kommission bei der Überwachung der Mitbestimmung und bei der Untersuchung von Faktoren, die für die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union von ausschlaggebender Bedeutung sind, erweist sich dieser Bericht als äußerst sachdienlich. Erleichtert wird dadurch insbesondere die Tätigkeit der Kommission, die vor der Aufgabe steht, die Umsetzung des Artikels 13 zu analysieren. Es erfüllt uns daher mit Freude, daß die Stiftung und die Kommission ihre Zusammenarbeit zu diesem wichtigen Thema auch weiterhin fortsetzen. Clive Purkiss Direktor Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Odile Quintin Direktorin Generaldirektion V – Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen und Soziale Angelegenheiten v Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort v Einleitung 1 Kapitel 1 Die beteiligten Unternehmen 1.1 Herkunftsland 1.2 Wirtschaftszweig 1.3 Beschäftugung 5 5 8 10 Kapitel 2 Die Art der Vereinbarung 2.1 Unterzeichnungsdatum 2.2 Arbeitnehmerseitige Unterzeichner 2.3 Anwendbares innerstaatliches Recht 13 13 14 17 Kapitel 3 Die Form und der Geltungsbereich der EBR-Vereinbarungen 3.1 Zusammensetzung 3.2 Geographischer Geltungsbereich 3.3 Geltungsbereich hinsichtlich der Unternehmensstruktur 19 19 21 22 Kapitel 4 Rolle und Zuständigkeit des EBR 4.1 Rolle des EBR 4.2 Zuständigkeit 4.3 Ausschluß bestimmter Themen 25 25 26 28 vii Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Kapitel 5 Die Zusammensetzung des EBR 5.1 Anzahl und geographische Verteilung der Arbeitnehmervertreter 5.2 Sitzverteilung 5.3 Auswahl der Arbeitnehmervertreter 5.4 Externe Teilnehmer 31 31 33 36 38 Kapitel 6 Der engere Ausschuß 6.1 Die Einsetzung eines engeren Ausschusses 6.2 Engerer Ausschuß als gemischt besetztes oder rein arbeitnehmerseitiges Gremium 6.3 Aufgaben des engeren Ausschusses 43 43 Kapitel 7 EBR-Sitzungen 7.1 Planmäßige Sitzungen 7.2 Außerordentliche Sitzungen 7.3 Sitzungsleitung 7.4 Festlegung der Tagesordnung 7.5 Protokollführung 7.6 Bereitstellung von Dolmetschern und Übersetzern 7.7 Rücklauf von Informationen 7.8 Bestimmungen zur Vertraulichkeit 7.9 Schutz der Arbeitnehmervertreter im EBR 49 49 50 52 53 54 56 57 59 61 Kapitel 8 Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen 8.1 Vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen 8.2 Sachverständige 8.3 Verwaltungsausgaben 63 63 65 67 Kapitel 9 Schlußfolgerungen 9.1 Vereinbarungen nach Artikel 13 und Anhang der Richtlinie 9.2 Unterschiede in Abhängigkeit von der Art des Unternehmens 9.3 Perspektiven 71 72 74 76 Anhang 1 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse 79 Anhang 2 Verzeichnis der Unternehmen, die Vereinbarungen nach Artikel 13 abgeschlossen haben 83 Literatur viii 45 46 89 Einleitung Die Verabschiedung der Richtlinie 94/45/EG des Rates über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats am 22. September 1994 hat in den multinationalen Unternehmensgruppen auf europäischer Ebene zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine außergewöhnlich rege Verhandlungstätigkeit ausgelöst. Nach Maßgabe der Richtlinie setzen gemeinschaftsweit operierende Unternehmen und Unternehmensgruppen einen Europäischer Betriebsrat (EBR) ein oder schaffen ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf multinationale Unternehmen und Unternehmensgruppen mit mindestens 1 000 Arbeitnehmern in den 17 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), die die Richtlinie verabschiedet haben, und mit jeweils mindestens 150 Arbeitnehmern in mindestens zwei dieser 17 Länder. Laut Artikel 13 der Richtlinie können die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter in diesen multinationalen Unternehmen, wenn sie dies wünschen, freiwillige Vereinbarungen zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer auf europäischer Ebene abschließen. Diese Vereinbarungen sind von den Bestimmungen der Richtlinie ausgenommen, sofern sie sich auf alle Arbeitnehmer der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Unternehmensgruppe beziehen. Seit dem 22. September 1996 gelten für die zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmervertretern geführten Verhandlungen zur Einrichtung von EBR in weiteren multinationalen Unternehmen die Verfahren nach Artikel 5 und 6 der Richtlinie, wonach ein besonderes Verhandlungsgremium einzusetzen ist. Gegenstand des vorliegenden Berichts sind jene freiwilligen Vereinbarungen, die nach Artikel 13 der Richtlinie abgeschlossen wurden. Das Ziel besteht in einer Analyse des Inhalts dieser Vereinbarungen und der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede. Etwaige Abweichungen zwischen den in diesen Texten enthaltenen Festlegungen und der praktischen Tätigkeit der EBR, die aufgrund der Vereinbarungen eingesetzt wurden, gehören nicht zum Untersuchungsgegenstand. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie im September 1994 gab es lediglich 40 Vereinbarungen über die Unterrichtung und Anhörung auf europäischer Ebene, die zum Teil nicht einmal in schriftlicher Form vorlagen. In welchem Maße sich der Artikel 13 auf die zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern auf europäischer Ebene geführten Verhandlungen ausgewirkt hat, kommt darin zum Ausdruck, daß in den zwei Jahren bis September 1996 fast 400 freiwillige Vereinbarungen zur Einsetzung eines EBR abgeschlossen 1 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte wurden — eine Zahl, die etwa einem Drittel der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden multinationalen Unternehmen entspricht. Als Grundlage für die Analyse dient die von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen erstellte umfangreiche Datenbank mit Angaben über insgesamt 386 nach Artikel 13 abgeschlossene Vereinbarungen. Aus der Tatsache, daß eine Vereinbarung in die Datenbank aufgenommen bzw. nicht aufgenommen wurde, sollten keine Rückschlüsse gezogen werden. Es wurden alle Anstrengungen unternommen, um einen möglichst vollständigen Erfassungsgrad zu gewährleisten, und es ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß die Datenbank Angaben über mehr als 95 Prozent der Vereinbarungen nach Artikel 13 enthält. Da die Richtlinie jedoch keine gemeinschaftsweite Registrierung der Vereinbarungen vorschreibt, ist eine Überprüfung auf Vollständigkeit nicht möglich. Eine Liste der multinationalen Unternehmen und Unternehmensgruppen, auf die sich die Vereinbarungen beziehen, ist im Anhang beigefügt. In einer geringen Zahl von Fällen (weniger als 2 Prozent) war die betreffende Vereinbarung noch nicht ratifiziert. Das einzige Kriterium für die Aufnahme einer EBR-Vereinbarung in die Datenbank ist das Vorliegen eines entsprechenden schriftlichen Textes. Auf eine Überprüfung, ob sich eine bestimmte Vereinbarung mit den Bestimmungen des Artikels 13 im Einklang befindet, wurde verzichtet. Die Kodierung des Inhalts der einzelnen 386 Vereinbarungen in der Datenbank erfolgt mit Hilfe eines Standardrasters. Für die Vereinbarungen wurden folgende Merkmale festgelegt und anschließend für die Erstellung des vorliegenden Berichts untersucht: • • • • • • • die Art der Vereinbarung, die Form und der Geltungsbereich der Vereinbarung, die Rolle und Zuständigkeit des EBR, die Zusammensetzung der Arbeitnehmerseite, der engere Ausschuß, falls vorhanden, Sitzungen des EBR, Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen. Carley und Hall konnten in einer früheren Untersuchung von 51 Vereinbarungen zur Einsetzung eines EBR bereits erhebliche inhaltliche Abweichungen feststellen (Carley und Hall, 1996). Daher wird in dem vorliegenden Bericht neben einer Analyse der Bestimmungen der einzelnen Vereinbarungen auch die Frage aufgeworfen, ob diese Unterschiede allgemeinen Trends unterliegen und dabei bestimmte Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa das Herkunftsland des multinationalen Unternehmens, der Wirtschaftszweig oder die Frage, bis zu welchem Grad die Vereinbarungen eine Beteiligung der Gewerkschaften vorsehen. • Herkunftsland: Zwischen den einzelnen Ländern des EWR bestehen Unterschiede hinsichtlich der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen im allgemeinen und in bezug auf die Strukturen und Traditionen der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer im besonderen. In dem Maße, wie die Inhalte der Vereinbarungen von Merkmalen der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen geprägt sind, ist auch damit zu rechnen, daß sich Abweichungen in Abhängigkeit vom Herkunftsland der am Abschluß der Vereinbarung beteiligten Unternehmen ergeben. Da dieser Einfluß in multinationalen Unternehmen mit Sitz außerhalb Europas möglicherweise weniger deutlich zutage tritt, könnte man in diesem Zusammenhang auch Unterschiede zwischen den Unternehmen aus Europa und den außereuropäischen Unternehmen erwarten. Für die vorliegende Analyse wurden die Länder, in denen die multinationalen Unternehmen (MNU) ansässig sind, in sieben Gruppen unterteilt. Dabei handelt es sich um den nordeuropäischen Raum, den deutschsprachigen Raum einschließlich der Niederlande, die Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg, die Ländergruppe Vereinigtes Königreich/Irland, die südeuropäischen Länder, Nordamerika und Asien. Die den einzelnen Gruppen zugeordneten Länder weisen hinsichtlich der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen mehr oder weniger große Gemeinsamkeiten auf (siehe Kapitel 1). 2 Einleitung • Sektor: Die branchenspezifischen Auswirkungen auf die Praxis der Arbeitsbeziehungen sind weniger deutlich auszumachen als der Einfluß der verschiedenen nationalen Systeme. Es könnte jedoch sein, daß die Beteiligung und der Politikansatz der Gewerkschaftsorganisationen auf der Ebene der Sektoren — und in einigen Branchen auch der Einfluß der europäischen Arbeitgeberverbände — sektorenabhängige Unterschiede bezüglich des Inhalts der Vereinbarungen zur Folge haben. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang möglicherweise auch der sektorenspezifische Einfluß von Produktmärkten, Arbeitsmärkten und Technologien auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. • Beschäftigung: Forschungsergebnisse aus jüngster Zeit deuten darauf hin, daß sich Fragen im Zusammenhang mit der Strategie und Struktur von MNU auf die Politik und Praxis im Bereich der Arbeitsbeziehungen auswirken (Marginson und Sisson, 1994). Dementsprechend ist auch damit zu rechnen, daß sich in Abhängigkeit von den Strukturmerkmalen der betreffenden Unternehmen, wie etwa der Anzahl der Beschäftigten, Unterschiede im Hinblick auf den Inhalt der Vereinbarungen ergeben. • Unterzeichnungsdatum: Man könnte davon ausgehen, daß die Vereinbarungen im Laufe der Zeit stärker ins Detail gehen und einen formelleren Charakter annehmen, da Bestimmungen, die in früheren Vereinbarungen noch innovativ waren entsprechend einer Lernkurve in späteren Vereinbarungen dann bereits übliche Praxis sind. Hier ist insbesondere zu erwarten, daß Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994 von den rechtsverbindlichen Bestimmungen der Richtlinie sowie auch von den Bestimmungen anderer Vereinbarungen weniger stark beeinflußt sind wie Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie abgeschlossen wurden. • Beteiligung der Gewerkschaften: Weitere qualitative Unterschiede hinsichtlich des Inhalts der Vereinbarungen hängen möglicherweise mit der Frage zusammen, ob und in welchem Maße in den Vereinbarungen ein Eingreifen der Gewerkschaften in die Arbeitsabläufe des EBR vorgesehen ist. Erkennbar wird dies anhand der Identität der arbeitnehmerseitigen Unterzeichner der Vereinbarung sowie an Bestimmungen zur Teilnahme von Gewerkschaftsfunktionären an den EBR-Sitzungen und zur Rolle der Sachverständigen. Neben einer Analyse der Merkmale der Vereinbarungen nach Artikel 13 in bezug auf die genannten Fragen konzentriert sich das Interesse auch darauf, zu untersuchen, inwieweit sich diese Merkmale der Organisation und Arbeitsweise des EBR auf die weitere Entwicklung dieses Gremiums auswirken. Man kann hier einen Vergleich ziehen zwischen jenen EBR, deren Entwicklungspotential sich auf die rein formale Seite der zu erfüllenden Aufgaben zu beschränken scheint, und jenen EBR, die offenbar das Potential besitzen, sich zu ständig arbeitsfähigen Gremien zu entwickeln. Aufgrund des begrenzten Charakters der formaljuristischen Bestimmungen der Richtlinie würde das im ersten Fall dazu führen, daß der EBR etwa einmal im Jahr eine Sitzung abhält und ansonsten eine eher symbolische Rolle spielt. Im zweiten Fall könnte sich der EBR dagegen innerhalb der MNU zu einer ständig arbeitsfähigen Arbeitnehmervertretung entwickeln, die für ihre erfolgreiche Arbeit bei der Belegschaft und der Unternehmensleitung gleichermaßen Respekt genießt. Die in diesem Bericht enthaltene Analyse ist im Hinblick auf die Vervollkommnung der Unterrichtung und Anhörung in multinationalen Unternehmen und Unternehmensgruppen innerhalb des EWR in dreierlei Hinsicht von Belang. Erstens ist festzustellen, daß sich die Verhandlungstätigkeit auf europäischer Ebene durch den Abschluß der 386 EBR-Vereinbarungen nach Artikel 13 in einem bisher nicht gekannten Ausmaß ausgeweitet und intensiviert hat. Eine Bewertung der Ergebnisse dieses Prozesses im Hinblick auf die Bestimmungen der Vereinbarungen nach Artikel 13 und die dabei festzustellenden Unterschiede besitzt somit bereits einen gewissen Eigenwert, und sie versetzt Praxisvertreter in die Lage, die von ihnen abgeschlossenen Vereinbarungen anhand bestimmter Kriterien mit anderen zu vergleichen. Außerdem läßt sich anhand der Untersuchung des Inhalts der Vereinbarungen bewerten, inwieweit die darin enthaltenen Regelungen qualitativ von den rechtsverbindlichen Bestimmungen des Anhangs der Richtlinie abweichen. 3 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Zweitens entspricht die Zahl der nach Artikel 13 abgeschlossenen Vereinbarungen nicht mehr als einem Drittel der multinationalen Unternehmen und Unternehmensgruppen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 94/45/EG fallen, und es ist möglich, daß viele der verbleibenden Unternehmen jetzt Vereinbarungen gemäß Artikel 5 und 6 abschließen werden. Für die Sozialpartner sowie für die betreffenden Unternehmensleitungen und Arbeitnehmervertreter wird eine Analyse der Bestimmungen der Vereinbarungen nach Artikel 13 daher von Nutzen sein und ihr Konzept für die Verhandlungen nach Artikel 6 entsprechend beeinflussen. Durch den Beitritt des Vereinigten Königreiches zum Sozialprotokoll des Vertrags von Maastricht und die im Dezember 1997 verabschiedete Richtlinie 97/74/EG des Rates, die die Einsetzung eines EBR oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer jetzt für alle 18 EWRLänder vorsieht, sind drittens nun weitere multinationale Unternehmen und Unternehmensgruppen dazu verpflichtet, die Bestimmungen dieser neuen Richtlinie einzuhalten. Der Grund dafür ist die Einbeziehung der Arbeitnehmer im Vereinigten Königreich in die Anwendung der von der Richtlinie vorgesehenen Beschäftigungsschwellen. Davon betroffen sind schätzungsweise mehr als 120 Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich und außerdem rund 180 Unternehmen oder Unternehmensgruppen mit Sitz innerhalb und auch außerhalb des EWR. Über einen Zeitraum von zwei Jahren, d. h. bis Dezember 1999, haben die Unternehmensleitungen und die Arbeitnehmervertreter dieser multinationalen Unternehmen aufgrund einer dem Artikel 13 ähnlichen Bestimmung die Möglichkeit, freiwillige Vereinbarungen abzuschließen. 4 Kapitel 1 Die beteiligten Unternehmen 1.1 Herkunftsland Bisher haben Unternehmen mit Sitz in 25 Ländern Vereinbarungen über die Einsetzung eines EBR gemäß Artikel 13 der Richtlinie von 1994 abgeschlossen. In einigen wenigen Fällen (2 Prozent), zu denen sowohl Joint-ventures als auch einige zu 100 Prozent im Besitz der Muttergesellschaft befindliche Betriebe zählen, handelt es sich um Unternehmen mit Sitz in mehr als einem Land. 60 Prozent der Vereinbarungen entfallen auf multinationale Unternehmen mit Sitz in den 17 Ländern des EWR, für die die Richtlinie gilt. Tabelle 1.1 Herkunftsland der Vereinbarungen nach Artikel 13 Land % Anzahl Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Island Italien Liechtenstein Luxemburg Niederlande 4 2 23 4 11 — 1 — 4 — 1 5 17 6 89 14 42 — 3 — 14 — 2 18 Land % Anzahl Norwegen Österreich Portugal Spanien Schweden EWR 17 1 2 — 1 6 63 7 7 — 3 22 244 Schweiz Vereinigtes Königreich Japan USA Übrige Länder 5 15 4 15 1 19 58 14 59 5 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. NB: Die Summe der Prozentzahlen beträgt mehr als 100, und die absoluten Zahlen ergeben insgesamt 395. Das ist darauf zurückzuführen, daß es sich in neun Fällen um Unternehmen mit Sitz in mehr als einem Land handelt. 5 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Weitere 20 Prozent der Vereinbarungen wurden von Unternehmen abgeschlossen, die ihren Sitz in anderen, nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden europäischen Ländern haben, und die übrigen 20 Prozent von nichteuropäischen multinationalen Unternehmen. Es wird also deutlich, daß die Richtlinie auch außerhalb der 17 Länder, die sie ursprünglich verabschiedet haben, von großer Bedeutung ist. Von den 155 Vereinbarungen, die multinationale Unternehmen mit Sitz außerhalb der 17 EWR-Länder abgeschlossen haben, wurde der Standort der europäischen Unternehmenszentrale im Sinne der Richtlinie in einem von drei Fällen (32 Prozent der Vereinbarungen) bestimmt. Die Länder Deutschland, Belgien und Frankreich sind dabei am häufigsten genannt worden. Von den 24 in den USA ansässigen MNU, die den Standort ihrer europäischen Unternehmenszentrale angegeben haben, wurde beispielsweise in sechs Fällen Deutschland, in sieben Fällen Frankreich und in fünf Fällen Belgien angeführt. 64 Prozent der Vereinbarungen entfallen auf multinationale Unternehmen mit Sitz in den vier Ländern Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich und USA. Den größten Anteil mit 23 Prozent erreichen dabei die Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind, gefolgt von Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich und in den USA (jeweils 15 Prozent) und Unternehmen mit Sitz in Frankreich mit 11 Prozent. Auf in Schweden ansässige Unternehmen entfallen 6 Prozent der Vereinbarungen und auf Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und in den Niederlanden jeweils 5 Prozent. Bis zu welchem Grad die in den Geltungsbereich der Richtlinie von 1994 fallenden multinationalen Unternehmen von der Möglichkeit des Abschlusses von Vereinbarungen nach Artikel 13 Gebrauch gemacht haben, läßt sich anhand eines Vergleichs mit der vom EGI aufgestellten Liste der in der EBRRichtlinie berücksichtigten Unternehmen verdeutlichen (ETUI, 1995). Dort sind 1 144 Unternehmen aufgeführt, die Tochtergesellschaften in mindestens zwei der betreffenden 17 EWR-Länder haben und den in der Richtlinie geforderten Beschäftigungsschwellenwerten Genüge leisten. Da die Datenbank der Stiftung zwar Angaben über Vereinbarungen, nicht aber über Unternehmen enthält, dürfen hier generell keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden. In einer Minderheit der Fälle haben die Unternehmen mehrdimensionale EBR-Vereinbarungen abgeschlossen, die für unterschiedliche internationale Geschäftsbereiche gelten (siehe Kapitel 3). Wie sich jedoch bei einer genauen Prüfung der Datenbank zeigt, ergibt sich daraus kein großes Problem, da dies höchstens 20 Unternehmen bei insgesamt 386 Vereinbarungen betrifft. Es ist somit davon auszugehen, daß ungefähr jedes dritte in den Geltungsbereich der Richtlinie fallende Unternehmen Vereinbarungen nach Artikel 13 abgeschlossen hat. Trotz des Abbildung 1.1 Häufigkeitsrate der abgeschlossenen Vereinbarungen nach ausgewählten Ländern Öst erre i Bel ch g Dän ien em Fin ark Fra nland Deu nkreic tsch h lan d Irla nd Nie Italie n der No lande rwe g Spa en n Sch ien wed Sch en Ver weiz ei Kö nigtes nig reic h US A All Japan eL änd er Häufigkeitsrate in % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 6 Die beteiligten Unternehmen Widerstands der Arbeitgeber gegenüber der Richtlinie wurde nach deren Verabschiedung von einem beträchtlichen Teil der MNU offenbar relativ schnell erkannt, daß sich aus dem Zustandekommen von EBR-Vereinbarungen Vorteile ergeben können. In Abhängigkeit vom Herkunftsland treten bei dieser „Häufigkeitsrate“ einige deutliche Unterschiede zutage. Während sie in Frankreich, Deutschland und Italien etwa dem für die 17 EWR-Länder ermittelten Durchschnittswert entspricht, liegt sie in Finnland, Schweden und Norwegen mit 40 bis 50 Prozent deutlich darüber. Die Spitzenposition belegt Belgien, wo mehr als drei Viertel der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Unternehmen eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Erheblich niedriger mit höchstens 20 Prozent ist diese Häufigkeitsrate in Dänemark, in den Niederlanden und in Spanien. Für den übrigen Teil Europas läßt sich noch feststellen, daß im Vereinigten Königreich die Hälfte der Unternehmen, die den Bestimmungen der Richtlinie genügen, Vereinbarungen abgeschlossen haben, so daß die Häufigkeitsrate dort merklich höher ist als in Frankreich oder in Deutschland. Möglicherweise kommt darin das bei den im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen bestehende Interesse zum Ausdruck, Vereinbarungen außerhalb des in der Richtlinie festgeschriebenen Verfahrens für das besondere Verhandlungsgremium abzuschließen, das im September 1996 in Kraft trat. Außerdem könnte hier auch eine Rolle spielen, daß im Vereinigten Königreich, wo es keinerlei Traditionen für die Tätigkeit von Betriebsräten gibt, freiwillige Vereinbarungen bevorzugt werden. Im außereuropäischen Raum entspricht die Anzahl der US-amerikanischen Unternehmen, die Vereinbarungen abgeschlossen haben, dem allgemeinen Durchschnitt von etwa einem Drittel, während die Häufigkeitsrate in den multinationalen Unternehmen mit Sitz in Japan einen Wert von über 40 Prozent erreicht. Für die nachfolgende Analyse wurden die Länder, in denen sich die jeweiligen Unternehmenszentralen befinden, in sieben Gruppen unterteilt, die sich hinsichtlich der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen durch mehr oder weniger homogene, auffällige Merkmale auszeichnen. Es handelt sich dabei um folgende Ländergruppen: Nordeuropa (Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen); deutschsprachiger Raum und Niederlande (Österreich, Deutschland, Niederlande und die Schweiz); die Gruppe Frankreich, Belgien, Luxemburg; Vereinigtes Königreich und Irland; Südeuropa (Italien, Spanien); Nordamerika (Kanada, USA) und Asien, wobei der letztgenannten Gruppe auch jeweils ein MNU aus Südafrika und Australien zugeordnet wurde. Ein entscheidendes Kriterium für diese Einteilung ist die Frage, ob sich innerhalb der Unternehmen auf nationaler Ebene bereits Strukturen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer etabliert haben, deren Bestand durch die geltenden Gesetze oder durch grundlegende Vereinbarungen garantiert ist. Durch das Vorhandensein von Betriebsratsstrukturen unterAbbildung 1.2 Vereinbarungen nach Ländergruppen Deutschsprachiger Raum, Niederlande 33 % Nordeuropa 12 % Frankreich, Belgien, Luxemburg 16 % Südeuropa 4% Asien 4% Nordamerika 16 % Vereinigtes Königreich, Irland 15 % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 7 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte scheiden sich die Ländergruppen Frankreich/Belgien/Luxemburg, deutschsprachiger Raum/Niederlande, Nordeuropa und Südeuropa, wo derartige Systeme existieren, von den Gruppen Vereinigtes Königreich/Irland, Nordamerika und Asien, wo dies nicht der Fall ist. Innerhalb der Ländergruppen, in denen Betriebsräte bestehen, handelt sich im deutschsprachigen Raum einschließlich Niederlande, in Nordeuropa und in Südeuropa um reine Arbeitnehmervertretungen, in Frankreich/Belgien/Luxemburg dagegen um gemischt besetzte Gremien. Ein zweites hervorstechendes Merkmal betrifft die Form, in der sich die Arbeitnehmervertretung innerhalb des Unternehmens darstellt. Während den Gewerkschaften in den deutschsprachigen Ländern und in den Niederlanden keine direkte repräsentative Rolle innerhalb der Unternehmen zukommt, zeichnen sich die Arbeitsbeziehungen auf Unternehmensebene in Frankreich/Belgien/Luxemburg und in den südeuropäischen Ländern durch eine Verzahnung von Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretung aus. Dagegen stützt sich die Arbeitnehmervertretung in den nordeuropäischen Ländern und, falls sie existiert, auch im Vereinigten Königreich und Irland hauptsächlich auf die Gewerkschaften. Das gleiche gilt für Nordamerika, wobei Fälle, wo überhaupt keine Gewerkschaftsorganisation besteht, dort erheblich öfter auftreten als in Irland oder im Vereinigten Königreich. In den asiatischen Ländern und vor allem in Japan spielen schließlich verschiedene Formen betrieblicher Gewerkschaftsorganisationen die vorherrschende Rolle. 1.2 Wirtschaftszweig Bei einer Aufschlüsselung der Vereinbarungen nach einzelnen Wirtschaftszweigen zeigt sich die dominierende Stellung des verarbeitenden Sektors. Während auf diesen Bereich 80 Prozent und auf andere Branchen des produzierenden Gewerbes weitere 6 Prozent der Vereinbarungen entfallen, ergibt sich für die im Dienstleistungssektor abgeschlossenen Vereinbarungen nur ein Anteil von 13 Prozent. 35 Prozent, also mehr als ein Drittel der Vereinbarungen, sind dem Bereich der Metallverarbeitung zuzuordnen, gefolgt von der chemischen Industrie mit 17 Prozent und der Lebensmittel- und Getränkeindustrie einschließlich Tabakverarbeitung mit 12 Prozent. Innerhalb des Dienstleistungssektors wurden die meisten Vereinbarungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen und sonstige Dienstleistungen (einschließlich Beherbergungs- und Gaststättengewerbe) abgeschlossen. Die entsprechenden Anteile betragen jeweils 5 Prozent. Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren ergeben sich, wenn man die Anzahl der abgeschlossenen EBR-Vereinbarungen der Anzahl der Unternehmen gegenüberstellt, die innerhalb des betreffenden Sektors in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Als Ansatzpunkt für einen annähernden Vergleich dient hier wiederum die vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI) erstellte Liste von Unternehmen. Während der Bereich der Metallverarbeitung zwar die größte Anzahl an Vereinbarungen aufweist, fallen dort aber auch erheblich mehr Unternehmen in den Geltungsbereich der Richtlinie als in den anderen Sektoren. Daraus ergibt sich für die Metallverarbeitung eine Häufigkeitsrate von 38 Prozent, die den Gesamtdurchschnitt, der ein Drittel beträgt, nur geringfügig übersteigt. Etwas deutlicher über dem Durchschnitt liegt die Häufigkeitsrate in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie in der chemischen Industrie mit jeweils 45 Prozent. Für den Bereich Textil- und Bekleidungsindustrie einschließlich Ledergewerbe wurde dagegen eine merklich niedrigere Rate von etwa 20 Prozent ermittelt. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Häufigkeitsrate im verarbeitenden Gewerbe mit 20 Prozent fast doppelt so hoch ist wie im Dienstleistungsgewerbe, wo lediglich 20 Prozent erreicht wurden. Im letztgenannten Bereich zeigt sich außerdem eine beträchtliche Diskrepanz zwischen den Banken und Finanzdienstleistungen, die eine Häufigkeitsrate von über 25 Prozent erreichen, und dem Handel, wo nur jedes zehnte in Frage kommende Unternehmen eine Vereinbarung abgeschlossen hat. In den Abweichungen zwischen dem produzierenden Gewerbe und den Dienstleistungsbereichen widerspiegeln sich die großen Unterschiede in der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder und in der gewerkschaftlichen Organisation innerhalb dieser weitgefaßten Unterbereiche der Volkswirtschaft. Auch das 8 Die beteiligten Unternehmen differenzierte Bild, das sich bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Sektoren ergibt, ist wahrscheinlich ein Ausdruck der unterschiedlichen Entwicklungstrends in bezug auf die Mitgliederzahl und den Organisationsgrad der Gewerkschaften, wobei hier auch sektorenspezifische Unterschiede in der Unternehmenspolitik der MNU und, wie Rivest (1996) anführt, die Organisationsstrategien der einzelnen europäischen Industriegewerkschaftsverbände eine Rolle spielen könnten. Insgesamt ist die sektorenbezogene Analyse eine Methode, die zu einer Reihe neuer Erkenntnisse führen kann, da die Quellen auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen bezüglich möglicher sektorenspezifischer Differenzierungen weniger fundiert sind als im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Tabelle 1.2 Vereinbarungen nach Sektor Sektor % Anzahl Bergbau und Ölgewinnung Chemische Industrie, Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Tabakverarbeitung Metallverarbeitung Papierindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie, Ledergewerbe Sonstiges verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe und Versorgungsbetriebe Handel Finanzdienstleistungen Verkehr und Nachrichtenübermittlung Sonstige Dienstleistungen [nicht zugeordnet] 3 17 12 35 4 3 8 3 1 5 2 5 [1] 11 65 47 137 14 11 30 13 5 20 6 18 [9] Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Unterschiede lassen sich auch feststellen, wenn man die Häufigkeit des Abschlusses von Vereinbarungen in den einzelnen Sektoren einem Ländervergleich unterzieht. In den nordeuropäischen Ländern entfallen neun von zehn Vereinbarungen auf das verarbeitende Gewerbe, während der allgemeine Durchschnitt nur 80 Prozent beträgt. Besonders groß ist die Konzentration dort im Bereich der Metallverarbeitung, wo 48 Prozent aller Vereinbarungen abgeschlossen wurden. In der Ländergruppe deutschsprachiger Raum und Niederlande entspricht der Prozentsatz der Vereinbarungen im verarbeitenden Gewerbe dem länderübergreifenden Durchschnittswert, wobei die Anzahl der Vereinbarungen in der chemischen Industrie relativ hoch und in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie vergleichsweise niedrig ist. Die Gruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg erreicht bei den im verarbeitenden Sektor abgeschlossenen Vereinbarungen nur einen Anteil von 65 Prozent. Dementsprechend entfällt dort eine relativ größere Zahl von Vereinbarungen auf die Bereiche Baugewerbe und Versorgungsbetriebe sowie auf die Dienstleistungsbranchen und dort vor allem auf die Banken und Finanzdienstleistungen. In den südeuropäischen Ländern wurden 93 aller Vereinbarungen im verarbeitenden Gewerbe abgeschlossen, so daß die übrigen Bereiche kaum ins Gewicht fallen. Bei 77 Prozent und damit knapp unter dem allgemeinen Durchschnitt liegt der Anteil der auf das verarbeitende Gewerbe entfallenden Vereinbarungen im Vereinigten Königreich und in Irland, wobei dort eine relativ starke Konzentration in der Lebensmittelund Getränkeindustrie und eine im Vergleich erheblich geringere Zahl in der Metallverarbeitung festzustellen ist. Bei den Unternehmen mit Sitz in Nordamerika sind 90 Prozent der Vereinbarungen dem verarbeitenden Sektor zuzuordnen. Auch dort kommt der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ein relativ großer Stellenwert zu. 9 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte 1.3 Beschäftigung Die Belegschaftsgröße des Unternehmens oder Unternehmensbereichs innerhalb des EWR wurde in 30 Prozent der Fälle (117 Vereinbarungen) angegeben oder im Anhang vermerkt. In den meisten Fällen beziehen sich diese Angaben sowohl auf die Gesamtbeschäftigung in der EU bzw. im EWR als auch auf die Zahl der Arbeitnehmer in den einzelnen Ländern, auf die sich die Geschäftstätigkeit der Unternehmen erstreckt. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Vereinbarungen Beschäftigungsdaten enthalten, ist bei Unternehmen mit Sitz in Europa doppelt so groß wie bei Unternehmen, die in Nordamerika oder Asien ansässig sind. Da in den meisten Fällen keine entsprechenden Informationen vorliegen, läßt sich nur schwer schlußfolgern, durch welche Merkmale Vereinbarungen in großen und kleinen MNU per se gekennzeichnet sind. Günstiger ist es, wenn man anhand der Daten die Merkmale von Vereinbarungen zwischen MNU, die sich hinsichtlich der Gesamtbeschäftigung voneinander unterscheiden, entsprechend vergleicht und gegenüberstellt. Abbildung 1.3 Häufigkeitsrate der abgeschlossenen Vereinbarungen nach ausgewählten Sektoren Ber gba Che uu mis nd che Öl Ind ustr Leb ie u ens sw. mit tel/ Get rän Me ke tall ver arb eitu ng Pap ieri ndu Tex stri tilin e dus trie usw . Ver Ba u sor gun gewer gsb be/ etri ebe Fin anz Han die del nstl eist ung en usw . Ver keh r All eS ekt ore n Häufigkeitsrate in % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 377. NB: Bei neun der erfaßten Vereinbarungen und bei 59 der erfaßten Unternehmen erfolgte keine Zuordnung nach Sektor. Die Zahlen zur Gesamtbeschäftigung verdeutlichen die großen Unterschiede hinsichtlich der Größe der multinationalen Unternehmen, die EBR-Vereinbarungen abschließen. In 9 der 117 Fälle, die Beschäftigungsdaten für den EWR enthalten, beschäftigen die Unternehmen zwischen 1 000 und 2 000 Arbeitnehmer und überspringen damit knapp die in der Richtlinie festgelegten Beschäftigungsschwellenwerte. Mehr als 50 000 Arbeitnehmer im EWR haben dagegen 21 Unternehmen (19 Prozent), von denen 6 mindestens 100 000 Arbeitnehmer beschäftigen. Der Medianwert der Beschäftigung im EWR beträgt für diese 177 Unternehmen im Vergleich dazu 13 145. Zum Zwecke der weiteren Analyse wurde eine Einteilung in „kleine“ (weniger als 5 000 Arbeitnehmer im EWR), „mittlere“ (mindestens 5 000 aber weniger als 10 000 Arbeitnehmer) und „große“ Unternehmen (mehr als 10 000 Arbeitnehmer) vorgenommen. Bei einem Fünftel der Gesamtzahl handelt es sich demnach um kleine Einheiten, ein ähnlich großer Anteil entfällt auf die Kategorie der mittleren Unternehmen, und die übrigen drei Fünftel sind große Unternehmen. 10 Die beteiligten Unternehmen Tabelle 1.3 Belegschaftsgröße im EWR, Aufschlüsselung nach globalen Regionen anhand des ursprünglichen Unternehmenssitzes (in %) Region Kleine Unternehmen Mittlere Unternehmen Große Unternehmen Europa Übrige Länder 14 54 18 15 67 31 Alle Länder 19 18 63 Basis: Vereinbarungen, über die Angaben zur Beschäftigung im EWR vorliegen, N = 117. Kleine Einheiten in bezug auf die Beschäftigung im EWR sind bei den in Nordamerika und Asien ansässigen multinationalen Unternehmen häufiger anzutreffen als bei Unternehmen, deren Zentrale sich in Europa befindet. Während von den nichteuropäischen Unternehmen 54 Prozent der Kategorie der kleinen Einheiten zuzuordnen sind, liegt dieser Anteil bei den europäischen Unternehmen nur bei 14 Prozent. Auf die großen Einheiten entfallen dagegen zwei Drittel der Unternehmen mit Sitz in Europa, aber nur ein Drittel der nichteuropäischen Unternehmen. Sektorenspezifische Unterschiede lassen sich in dieser Hinsicht kaum feststellen. Dort, wo die Vereinbarungen für einen international operierenden Unternehmensbereich gelten (siehe Kapitel 3), ist der Anteil der kleinen Einheiten bei den multinationalen Unternehmen etwas größer und der Anteil der großen Einheiten etwas geringer als dort, wo sich der Geltungsbereich auf die gesamte Unternehmensgruppe erstreckt. Da sich aus dem unterschiedlichen Geltungsbereich bezüglich der Unternehmensstruktur keine nennenswerten Größendifferenzen ergeben, liegt die Vermutung nahe, daß Vereinbarungen auf Unternehmensbereichsebene durchaus von Unternehmen getroffen werden können, die im EWR eine sehr hohe Beschäftigungszahl erreichen. 11 Kapitel 2 Die Art der Vereinbarung 2.1 Unterzeichnungsdatum Nur 7 Prozent der Vereinbarungen (26 Fälle) datieren aus der Zeit vor Verabschiedung der EBR-Richtlinie im September 1994. Da sich das Datum in der von der Stiftung eingerichteten Datenbank in einigen wenigen Fällen auf die letzte Überarbeitung einer Vereinbarung oder auf die formelle Festschreibung einer bereits vor September 1994 etablierten Gepflogenheit bezieht, stellt diese Zahl eine Unterbewertung des Anteils der vor Verabschiedung der Richtlinie unterzeichneten EBR-Vereinbarungen dar. Weitere 10 Prozent der Vereinbarungen sind dann in den zwölf Monaten nach Annahme der Richtlinie, also bis September 1995, abgeschlossen worden, und mehr als drei Viertel, d. h. 78 Prozent, in den folgenden zwölf Monaten bis September 1996, dem letztmöglichen Zeitpunkt für die Einsetzung von EBR nach Abbildung 2.1. Unterzeichnungsdatum Jahr bis August 1996 45 % Jahr bis September 1995 10 % Vor September 1994 7% Keine Zuordnung 5% Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. September 1996 33 % 13 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Artikel 13. Jede dritte Vereinbarung datiert direkt vom September 1996. (In 5 Prozent der Fälle ließ sich das Datum der Unterzeichnung nicht ermitteln.) Die vor September 1994 unterzeichneten Vereinbarungen wurden bekanntlich zum weitaus größten Teil von Unternehmen mit Sitz in Frankreich und Deutschland getroffen, die allein fast drei Viertel (73 Prozent) der Gesamtzahl ausmachen. Ein ebenso hoher Anteil, d. h. annähernd ein Viertel bzw. 73 Prozent der Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994, entfällt auf die Wirtschaftszweige der Metallverarbeitung und der chemischen Industrie. Die aus dieser Frühphase stammenden Vereinbarungen wurden mit einer Ausnahme in großen multinationalen Unternehmen abgeschlossen. 2.2 Arbeitnehmerseitige Unterzeichner In der Richtlinie wird den Gewerkschaften keine spezielle Rolle bei Verhandlungen zur Einsetzung von EBR oder im Zusammenhang mit deren Tätigkeit zugewiesen. Allerdings ergibt sich aus den Bestimmungen des Artikels 13 ein gewisser Spielraum bezüglich der Verfahrensweise für Verhandlungen, die zwischen der Unternehmensleitung und bereits bestehenden Arbeitnehmervertretungen — d. h. entweder Gewerkschaften oder in einigen Ländern auch zentrale Betriebsräte, die sich im wesentlichen auf die Tätigkeit von Arbeitnehmervertretern stützen — zu führen sind. Anhand der Angaben über die arbeitnehmerseitigen Unterzeichner der Vereinbarungen, die zum größten Teil — d. h. in 94 Prozent der Fälle — vorliegen, läßt sich ablesen, inwieweit Gewerkschaften und zentrale Betriebsräte an Verhandlungen zur Einsetzung von EBR beteiligt sind. Tabelle 2.1 Arbeitnehmerseitige Unterzeichner Art der Unterzeichner % Internationale Gewerkschaftsorganisation Nationale Gewerkschaftsorganisation aus einem Land Nationale Gewerkschaftsorganisationen aus zwei oder mehr Ländern Alle Arten von Gewerkschaftsorganisationen Nationale Betriebsräte aus einem Land Nationale Betriebsräte aus zwei oder mehr Ländern Arbeitnehmerseitige EBR Alle Arten von Betriebsräten Besondere Verhandlungsgremien Arbeitnehmervertreter 32 18 14 45 17 9 9 34 8 37 Basis: Vereinbarungen, bei denen sich die Identität der Unterzeichner feststellen läßt, N = 364. NB: Addiert man die Prozentzahlen, so ergibt sich eine Summe von über 100 %, was darauf zurückzuführen ist, daß die Vereinbarungen auch die Unterschrift von mehreren Arten von arbeitnehmerseitigen Unterzeichnern tragen können. 45 Prozent der Vereinbarungen, über die Informationen vorliegen, tragen die Unterschrift von Gewerkschaftsorganisationen. Die Tatsache, daß jede dritte Vereinbarung (32 Prozent der Gesamtzahl) von europäischen und internationalen Gewerkschaftsorganisationen unterzeichnet wurde, bringt deren organisatorische und koordinierende Rolle beim Abschluß freiwilliger EBR-Vereinbarungen zum Ausdruck. Ebenfalls 32 Prozent der Vereinbarungen wurden von nationalen Gewerkschaften aus einem 14 Die Art der Vereinbarung oder mehreren Ländern unterzeichnet, wobei hier auch jene 19 Prozent enthalten sind, die zugleich die Unterschrift einer internationalen Gewerkschaftsorganisation tragen. Nationale Betriebsräte oder zum betreffenden Zeitpunkt bereits bestehende arbeitnehmerseitige Betriebsräte auf europäischer Ebene waren Unterzeichner von 34 Prozent aller Vereinbarungen. Darunter fallen auch jene 19 Prozent der Fälle, in denen sowohl Gewerkschaftsorganisationen als auch Betriebsräte die Unterschrift geleistet haben. Da die zentralen Betriebsräte in bestimmten Ländern, wie etwa Österreich und Deutschland, häufig in starkem Maße von Gewerkschaften beeinflußt werden, ist davon auszugehen, daß die Gewerkschaften zum Teil auch an jenen Vereinbarungen mitgewirkt haben, die ausschließlich mit Betriebsratsvertretern abgeschlossen wurden. Bereits etablierte Arbeitnehmervertretungen in Form von Gewerkschaften oder Betriebsräten haben insgesamt zwei Drittel der Vereinbarungen unterzeichnet. Darüber hinaus ist es möglich, daß Vertreter von Gewerkschaften oder Betriebsräten auch an jenen 5 Prozent der Vereinbarungen beteiligt waren, die ausschließlich von einem „besonderen Verhandlungsgremium“ abgeschlossen wurden. Während 26 Prozent der Vereinbarungen nur die Unterschrift von Gewerkschaften tragen, sind Betriebsratsvertreter die alleinigen Unterzeichner in 21 der Fälle. In weiteren 19 Prozent leisteten sowohl Gewerkschaftsorganisationen als auch Betriebsratsvertreter und in einigen Fällen auch nicht näher bezeichnete „Arbeitnehmervertreter“ die Unterschrift. Die bedeutende koordinierende Rolle der internationalen Gewerkschaftsorganisationen kommt darin zum Ausdruck, daß jede zweite Vereinbarung entweder von den internationalen Gewerkschaftsorganisationen selbst oder von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern in zwei oder mehr Ländern unterzeichnet wurde. Weniger stark verbreitet ist dies dagegen in jenen 17 Prozent der Fälle, wo die Unterschrift von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften oder Betriebsräte) aus einem einzigen Land geleistet worden ist. Abbildung 2.2 Vereinbarungen, die mit Vertretern aus einem einzigen Land abgeschlossen wurden Gewerkschaft/Betriebsrat, 2 oder mehr Länder 49 % Gewerkschaft/Betriebsrat, nur 1 Land 17 % Sonstige 8% nur Arbeitnehmervertreter 26 % Basis: Vereinbarungen, bei denen sich die Identität der Unterzeichner feststellen läßt, N = 364. Eine gewisse Besorgnis bei den Gewerkschaften hat die Tatsache ausgelöst, daß Vereinbarungen zum Teil mit nicht näher bezeichneten „Arbeitnehmervertretern“ abgeschlossen werden. Das betrifft 37 Prozent der Vereinbarungen, die jedoch auch jene 11 Prozent der Fälle umfassen, in denen Gewerkschaftsorganisationen oder nationale bzw. europäische Betriebsratsvertreter ebenfalls ihre Unterschrift geleistet haben. Der Anteil der Vereinbarungen, die von den MNU ausschließlich mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen wurden, beträgt somit nur 26 Prozent. 15 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Tabelle 2.2 Arbeitnehmerseitige Unterzeichner nach Herkunftsland (in %) Herkunftsland Nur Gewerkschaft Nur Gewerkschaft/ Nur ArbeitSonstige Betriebsrat Betriebsrat nehmervertreter Nordeuropa 21 9 12 42 17 Deutschsprachiger Raum, Niederlande 7 49 15 17 13 Frankreich, Belgien, Luxemburg 62 — 25 10 3 Vereinigtes Königreich, Irland 32 8 24 32 4 Südeuropa 79 7 14 — — Nordamerika 17 12 19 44 9 Asien 13 6 38 44 — Alle Länder 26 21 19 26 9 Basis: Vereinbarungen, bei denen sich die Identität der Unterzeichner feststellen läßt, N = 364. Betrachtet man nun die Unterschiede nach Herkunftsland, so läßt sich feststellen, daß die Vereinbarungen in der Ländergruppe, die den deutschsprachigen Raum und die Niederlande umfaßt, im Vergleich zu den übrigen Regionen weniger häufig von Gewerkschaftsorganisationen und dafür in stärkerem Maße von nationalen Betriebsräten unterzeichnet wurden. Das ist darauf zurückzuführen, daß in diesen Ländern ein anderes System der Arbeitnehmervertretung auf Unternehmensebene besteht. Die ausschließliche Beteiligung von nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern am Abschluß der Vereinbarungen findet in den nichteuropäischen MNU doppelt so große Verbreitung wie in den MNU mit Sitz in Europa. Innerhalb der in Europa ansässigen MNU sind derartige Fälle am häufigsten in den nordeuropäischen Ländern anzutreffen, wo auch der Anteil der Vereinbarungen, die von einem besonderen Verhandlungsgremium unterzeichnet wurden, am größten ist. Die MNU mit Sitz in Südeuropa haben dagegen keine der Vereinbarungen mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen. Vereinbarungen, die von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern aus einem einzigen Land unterzeichnet wurden, sind in der aus dem deutschsprachigen Raum und den Niederlanden bestehenden Ländergruppe am stärksten verbreitet. Ein differenziertes Bild ergibt sich auch bei einem Vergleich der Wirtschaftszweige. Internationale Gewerkschaftsorganisationen lassen sich in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Bekleidungsindustrie, im Baugewerbe sowie im Finanzsektor häufiger als Unterzeichner der Vereinbarungen feststellen als in der chemischen Industrie oder in der Metallverarbeitung. Vereinbarungen mit nationalen Betriebsräten sind besonders stark in der chemischen Industrie verbreitet, wobei die in den MNU mit Sitz in Deutschland getroffenen Übereinkünft nach einer Einigung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften auf Branchenebene erzielt wurden. Die chemische Industrie ist außerdem der Sektor, in dem Vereinbarungen mit bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern aus einem einzigen Land am häufigsten anzutreffen sind, während in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie nur wenige Vereinbarungen auf diese Weise zustande kamen. Vereinbarungen, die ausschließlich mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen wurden, finden die größte Verbreitung in den Sektoren Bergbau und Ölgewinnung, chemische Industrie und Papierindustrie und sind besonders selten in den Bereichen Baugewerbe und Versorgungsbetriebe, Textil- und Bekleidungsindustrie und Finanzdienstleistungen anzutreffen. 16 Die Art der Vereinbarung Bei einem Größenvergleich der multinationalen Unternehmen zeigt sich, daß die Vereinbarungen in den großen Einheiten häufiger von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern und insbesondere von internationalen Gewerkschaftsorganisationen unterzeichnet wurden als in den mittleren oder kleinen Einheiten. Dagegen sind nicht näher definierte Arbeitnehmervertreter als Unterzeichner der Vereinbarungen in den kleinen und mittleren Einheiten stärker verbreitet als in den großen Unternehmen. Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994 wurden häufiger von Gewerkschaften mit Sitz in einem Land unterzeichnet als Vereinbarungen, die danach zustande kamen. 2.3 Anwendbares innerstaatliches Recht Wenn bei auftretenden Problemen bezüglich der Auslegung oder Anwendung der Vereinbarungen nationales Recht zur Anwendung kommt, ist die Frage, welches innerstaatliche Recht dann gilt, in 60 Prozent der Vereinbarungen geregelt. Derartige Festlegungen sind bei Unternehmen mit Sitz in Belgien, Frankreich (wenn nach nationalem Recht ein Eintrag der Vereinbarung erforderlich ist), Norwegen und Japan am häufigsten (drei Viertel aller Fälle) und in Italien am seltensten (ein Viertel aller Fälle) anzutreffen. Von den multinationalen Unternehmen mit Sitz außerhalb jener 17 EWR-Länder, die die Richtlinie verabschiedet haben, wird in den meisten Fällen die Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften Belgiens, Frankreichs, Deutschlands und Irlands angegeben. Während die Frage, welches innerstaatliche Recht gegebenenfalls zur Anwendung kommt, in 62 Prozent der nach September 1994 unterzeichneten Vereinbarungen geregelt ist, beträgt der entsprechende Anteil bei den aus der Zeit davor datierenden Vereinbarungen nur 39 Prozent. Dies deutet darauf hin, daß die Vereinbarungen im Laufe der Zeit offenbar einen zunehmend formellen Charakter annehmen. 17 Die Form und der Geltungsbereich der EBR-Vereinbarungen Kapitel 3 3.1 Zusammensetzung Für die Zusammensetzung des EBR stehen zwei grundlegende Modelle zur Verfügung: • das „deutsche“ Modell einer reinen Arbeitnehmervertretung, die bilaterale Gespräche mit der Unternehmensleitung führt, und • das „französische“ Modell eines gemischt besetzten Gremiums aus Vertretern der Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern, in dem der geschäftsführende Direktor in der Regel den Vorsitz führt. Abbildung 3.1 Zusammensetzung der EBR Gemischt besetztes Gremium 69 % Reine Arbeitnehmervertretung 31 % Basis: Vereinbarungen, bei denen sich die Struktur des Gremiums feststellen läßt, N = 374. 19 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Obwohl im Anhang der Richtlinie eine reine Arbeitnehmervertretung entsprechend dem „deutschen“ Modell vorgesehen ist, hält sich nur ein Drittel der Vereinbarungen daran, während in zwei Dritteln die Einsetzung eines gemischt besetzten Gremiums nach dem „französischen“ Modell angestrebt wird. Das „deutsche“ Modell findet die größte Verbreitung in MNU mit Sitz in Südeuropa sowie in den „Traditionsländern der Betriebsräte“ Deutschland, Niederlande und Österreich, wobei es jedoch auch in diesen „traditionellen Ländern“ nicht in allen Fällen zur Anwendung kommt. Untersucht man die übrigen Regionen, dann läßt sich eine nennenswerte Zahl von EBR-Strukturen, die dem „deutschen“ Modell folgen, nur noch in MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern feststellen. Die Vereinbarungen der in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg ansässigen MNU zielen dagegen fast ausnahmslos auf die Einsetzung eines gemischt besetzten Gremiums ab, und auch in den MNU mit Sitz in den Ländergruppen Vereinigtes Königreich/Irland, Nordamerika und Asien, wo es auf nationaler Ebene keine Gesetzesvorschriften zur Einsetzung von Betriebsräten gibt, sind zum überwiegenden Teil gemischt besetzte Gremien anzutreffen. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch die Feststellung, daß immerhin 40 Prozent der MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden ebenfalls die Einsetzung von gemischt besetzten Gremien vereinbart haben. Tabelle 3.1 Zusammensetzung der EBR nach Ländergruppen (in %) Gemischt besetztes Gremium Reine Arbeitnehmervertretung Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 66 42 97 89 29 96 93 34 58 3 11 71 4 7 Alle Länder 69 31 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 374. Für die Entscheidung einer beträchtlichen Minderheit von Unternehmen mit Sitz in den „Traditionsländern der Betriebsräte“ zugunsten des „französischen“ Modells eines gemischt besetzten Gremiums gibt es mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen läßt sich schlußfolgern, daß die nationalen Modelle in diesen Ländern, die den Arbeitnehmervertretern relativ starke Anhörungsrechte gewähren, angesichts der neuen Konsultationsmechanismen auf europäischer Ebene Gefahr laufen, verwässert zu werden. Zum anderen könnte man vermuten, daß die Arbeitnehmervertreter auf nationaler Ebene jetzt bestrebt sind, die Rechte, die sie bereits gegenüber multinationalen Unternehmensgruppen mit Sitz in ihrem Land durchgesetzt haben, durch die Einsetzung eines europaweiten Forums mit relativ weniger starken Anhörungsrechten zu schützen. Innerhalb der verschiedenen Sektoren sind gemischt besetzte Gremien am häufigsten in den Bereichen Lebensmittel- und Getränkeindustrie einschließlich Tabakverarbeitung und Finanzdienstleistungen anzutreffen. Reine Arbeitnehmervertretungen finden dagegen die größte Verbreitung in der Metallverarbeitung, in der Papierindustrie und im Verkehrswesen. Außerdem fällt auf, daß die Tendenz zur Einsetzung von Gremien, die ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern bestehen, in der untersten Größenklasse der MNU am stärksten ausgeprägt ist. Nicht überraschend ist die Feststellung, daß die Einsetzung von EBR als reine Arbeitnehmervertretungen am häufigsten in jenen Vereinbarungen vorgesehen ist, die seitens der Arbeitnehmer nur von bereits 20 Die Form und der Geltungsbereich der EBR-Vereinbarungen eingesetzten Betriebsratsvertretern unterzeichnet wurden. Dagegen finden dort, wo die arbeitnehmerseitigen Unterzeichner ausschließlich Gewerkschaftsorganisationen waren, die gemischt besetzten Gremien die größte Verbreitung. Tabelle 3.2 Zusammensetzung der EBR nach ausgewählten Sektoren Gemischt besetztes Gremium (in %) Reine Arbeitnehmervertretung Bergbau und Öl Chemie Lebensmittel, Getränke, Tabak Metallverarbeitung Papierindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie Baugewerbe, Versorgungsbetriebe Finanzdienstleistungen 55 72 89 63 57 73 69 82 45 28 11 37 43 27 31 18 Alle Sektoren 69 31 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 370. 3.2 Geographischer Geltungsbereich Mehr als zwei Drittel der EBR-Vereinbarungen gelten auch für Tochterunternehmen außerhalb der Länder, auf die sich der Anwendungsbereich der Richtlinie von 1994 erstreckt. So umfassen 244 Vereinbarungen (63 Prozent) auch Betriebe im Vereinigten Königreich. Ausdrücklich ausgeschlossen wird dies nur von sieben MNU, deren Sitz sich in fünf Fällen in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande und in zwei Fällen in Nordamerika befindet. Der Umstand, daß das Vereinigte Königreich vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen war, scheint also die Unternehmen in der überwältigenden Zahl der betreffenden Fälle nicht daran gehindert zu haben, dort ansässige Tochterunternehmen in den Geltungsbereich der EBR-Vereinbarungen mit einzubeziehen. Für Betriebe in der Schweiz, in einem oder mehreren Ländern Mitteleuropas sowie in einem oder mehreren Ländern Osteuropas gelten die EBR-Vereinbarungen in 19, 15 bzw. 5 Prozent der betreffenden Fälle. Der Trend zur Ausdehnung des Geltungsbereichs der EBR-Vereinbarungen auf Betriebe in Mittelund Osteuropa ist am stärksten in den MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden ausgeprägt. In 4 Prozent der Fälle kommen die EBR-Vereinbarungen auch in der Türkei und in außereuropäischen Ländern zur Anwendung. Darüber hinaus haben zwei MNU Vereinbarungen getroffen, die weltweit gelten. 21 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Tabelle 3.3 Geltungsbereich außerhalb EWR 17 Betriebe in ... Vereinigtes Königreich Schweiz Tschechische Republik Ungarn Polen Mitteleuropa Slowakei Russische Föderation Slowenien Bulgarien Osteuropa Türkei Anzahl der Fälle % 244 72 23 20 16 59 9 4 4 2 19 4 63 19 6 5 4 15 2 1 1 1 5 1 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 3.3 Geltungsbereich hinsichtlich der Unternehmensstruktur Eine wichtige Rolle bei der Untersuchung des Geltungsbereichs der EBR-Vereinbarungen spielt auch die Frage, ob sich dieser auf die gesamte Unternehmensgruppe oder auf einen international operierenden Unternehmensbereich bezieht. Während 78 Prozent aller Vereinbarungen die Unternehmensgruppe als Ganzes umfassen, gelten 15 Prozent nur auf Unternehmensbereichsebene. In 7 Prozent der Fälle ist die Schaffung einer zweidimensionalen Struktur vorgesehen, die sowohl die Unternehmensgruppe als auch die Ebene der Unternehmensbereiche umfaßt. Abbildung 3.2 Geltungsbereich hinsichtlich der Unternehmensstruktur nur gesamte Unternehmensgruppe 78 % gesamte Unternehmensgruppe und Unternehmensbereiche 7% nur Unternehmensbereiche 15 % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Eindimensionale EBR-Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs sind am häufigsten in den nichteuropäischen MNU anzutreffen, wo man sich in fast vier von zehn Fällen für einen solchen Ansatz entschieden hat. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, daß diese außerhalb Europas ansässigen Unternehmen innerhalb Europas nicht über eine integrierte Struktur der Konzern- 22 Die Form und der Geltungsbereich der EBR-Vereinbarungen leitung verfügen. Die international operierenden Geschäftsbereiche berichten dort in erster Linie an die Zentrale im Heimatland des Unternehmens, so daß es zwischen den Geschäftsbereichen innerhalb Europas nur selten zu einem Informationsaustausch kommt. Bei den in Europa ansässigen MNU sind EBRStrukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs am häufigsten in MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich und Irland anzutreffen, wobei dort zweidimensionale Strukturen auf Ebene der Unternehmensgruppe und des Unternehmensbereichs genauso weit verbreitet sind wie eindimensionale Regelungen, die sich auf einen international operierenden Geschäftsbereich beziehen. EBRStrukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs sind am seltensten in MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden anzutreffen. Tabelle 3.4 Geltungsbereich hinsichtlich Unternehmensstruktur nach Ländergruppen (in %) Nur gesamte Unternehmensgruppe Nur einzelne Unternehmensbereiche Beide Ebenen Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordeuropa Asien 83 87 85 74 86 54 75 9 6 12 12 7 42 19 9 6 3 14 7 4 6 Alle Länder 78 15 7 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 382. Tabelle 3.5 Geltungsbereich hinsichtlich Unternehmensstruktur nach ausgewählten Sektoren (in %) Nur gesamte Unternehmensgruppe Nur einzelne Unternehmensbereiche Beide Ebenen Bergbau und Ölgewinnung Chemie Lebensmittel, Getränke, Tabak Metallverarbeitung 46 91 79 69 46 6 17 21 9 3 4 10 Papierindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie Baugewerbe, Versorgungbetriebe Finanzdienstleistungen 71 64 100 84 21 18 5 7 18 11 Alle Sektoren 78 15 7 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 377. In den Vereinbarungen lassen sich auch einige interessante sektorenspezifische Unterschiede erkennen. Sämtliche Vereinbarungen im Baugewerbe und fast alle Vereinbarungen in der chemischen Industrie beziehen sich auf die gesamte Unternehmensgruppe. EBR-Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs sind insbesondere in den Sektoren Bergbau und Ölgewinnung sowie Textil- und Bekleidungsindustrie verbreitet. Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist außerdem der 23 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Wirtschaftszweig mit dem größten Anteil an zweidimensionalen Strukturen, während im Bergbau und in der Ölgewinnung die eindimensionalen Strukturen auf Unternehmensbereichsebene am häufigsten anzutreffen sind. Ferner ist die Tendenz zur Schaffung eindimensionaler Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichsbei Vereinbarungen in der Metallverarbeitung besonders stark ausgeprägt. Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt wurde, führen Unterschiede in der Belegschaftsgröße zu keinen nennenswerten Differenzierungen bei der Häufigkeit von unternehmensbereichsbezogenen EBR-Strukturen. 24 Kapitel 4 Rolle und Zuständigkeit des EBR 4.1 Rolle des EBR Gemäß der Richtlinie ist die länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer eine wesentliche Voraussetzung für die Gültigkeit einer Vereinbarung nach Artikel 13. Dementsprechend finden sich in allen Vereinbarungen mit einer Ausnahme Festlegungen, wonach das Ziel des EBR in der Unterrichtung und Anhörung besteht, wobei der Begriff der Anhörung zumeist als „Dialog“ oder als „Meinungsaustausch“ definiert wird. 14 Prozent der Vereinbarungen enthalten noch weitere Angaben zur Rolle des EBR, und in 7 Prozent der Fälle wird der Begriff der Anhörung dahin gehend konkretisiert, daß die Arbeitnehmervertreter ausdrücklich die Möglichkeit erhalten, zu Vorschlägen der Unternehmensleitung offiziell ihre Meinung zu äußern und Stellung zu nehmen. In 6 Prozent der Fälle wird dem betreffenden EBR eine noch aktivere Rolle zugewiesen: Während er in 4 Prozent der Vereinbarungen das Recht erhält, eigene Empfehlungen und Vorschläge zu unterbreiten, kann er in 2 Prozent der Fälle auch Verhandlungen zu bestimmten Fragen führen. In Vereinbarungen von nichteuropäischen MNU wird den EBR eine solche aktivere Rolle seltener gewährt. Innerhalb der MNU mit Sitz in Europa ist eine aktivere Rolle des EBR am häufigsten in Vereinbarungen der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und am seltensten in Südeuropa vorgesehen. Tabelle 4.1 Aufgaben der EBR (in %) Unterrichtung und Anhörung Meinungsäußerung/Stellungnahmen Unterbreitung von Empfehlungen Verhandlungsführung 99 7 4 2 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 25 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Insgesamt ist festzustellen, daß der Handlungsspielraum, der den Arbeitnehmervertretern im EBR gewährt wird, die von der Richtlinie festgesetzten Grenzen nicht überschreitet. Das Anliegen der EBR besteht also in der Unterrichtung und Anhörung. Die von einigen europäischen Unternehmerverbänden vor Einführung der Richtlinie geäußerte Befürchtung, die Einrichtung von EBR würde innerhalb der MNU sehr schnell Möglichkeiten für Verhandlungen auf europäischer Ebene eröffnen, haben sich nur in einer geringen Anzahl von Fällen bestätigt. Allerdings waren diese Befürchtungen nicht ganz unbegründet, was sich daran zeigt, daß jene sieben Vereinbarungen, die dem EBR eine gewisse Verhandlungsrolle zubilligen, ausnahmslos vor Verabschiedung der Richtlinie im September 1994 abgeschlossen wurden. 4.2 Zuständigkeit Mit Ausnahme von sechs Fällen wurde in allen Vereinbarungen festgelegt, für welche Fragen der EBR zuständig sein sollte. Die hier angegebenen Themenbereiche sind als Veranschaulichung des Spektrums von Fragen zu betrachten, die gemäß den Vereinbarungen in den Zuständigkeitsbereich der EBR fallen, und nicht als eine erschöpfende Auflistung von Aufgaben, mit denen sich ein EBR möglicherweise befassen könnte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, daß sich die Vereinbarungen insofern voneinander unterscheiden, als sie die Themen, für die der EBR zuständig sein sollte, mehr oder weniger ausführlich angeben. Abbildung 4.1 Zuständigkeit der EBR % Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 380. NB: Themen, die von EBR am häufigsten behandelt werden (und die in über 5 % der Vereinbarungen Erwähnung finden). 1 = Wirtschaftliche und finanzielle Lage 2 = Beschäftigung/soziale Angelegenheiten 3 = Geschäftslage/Produktion/Absatz 4 = Investitionstätigkeit 8 = Verlagerungen/Fusionen/Verkleinerung von Unternehmen/ Betriebsschließungen/ Massenentlassungen 9 = Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 5 = Neue Arbeitsverfahren/Technologien 10 = Umweltschutz 6 = Unternehmensstruktur 11 = Ausbildung 7 = Organisation 12 = Chancengleichheit 26 Rolle und Zuständigkeit des EBR Hinsichtlich einer begrenzten Zahl von Kernfragen, die in den Gesprächen zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitung zu berücksichtigen und zu erörtern sind, lassen sich zwischen den einzelnen Vereinbarungen kaum Abweichungen feststellen. Das betrifft beispielsweise den Meinungsaustausch zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage und zu Beschäftigungs- und anderen sozialen Fragen, der in rund neun von zehn Vereinbarungen Erwähnung findet. Mehr als zwei Drittel der Vereinbarungen verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Unterrichtung über die Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage und über Investitionsentscheidungen. In dieser Hinsicht schlagen sich die subsidiären Vorschriften der Richtlinie, die diese Fragen in den Vordergrund stellen, deutlich in den Vereinbarungen nieder. Überraschend ist jedoch, daß dies nicht auch für die potentiell strittige Frage der Produktionsverlagerungen, Fusionen, Verkleinerung von Unternehmen, Betriebsschließungen und Massenentlassungen gilt, die insbesondere 1997 bei der Schließung des Renault-Werks in Vilvoorde im Mittelpunkt des Interesses stand. Trotz der besonderen Hervorhebung dieser Frage in den subsidiären Vorschriften der Richtlinie findet sie nur in etwa der Hälfte der Vereinbarungen Erwähnung. Ähnlich verhält es sich mit Änderungen der Organisationsstruktur des Unternehmens, auf die nur in knapp über der Hälfte der Fälle Bezug genommen wird. Die Tatsache, daß die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren nach Angabe von knapp über der Hälfte der Vereinbarungen in den Zuständigkeitsbereich der EBR fällt, bringt zum Ausdruck, daß den betrieblichen Arbeitnehmervertretern auf nationaler und örtlicher Ebene in diesen Fragen in letzter Zeit verstärkt ein Mitspracherecht gewährt wird. In mehr als einem Drittel der Unternehmen wurde das Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, das in der europäischen Gesetzgebung auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen eine große Rolle spielt, in die Vereinbarungen aufgenommen. Auch das Thema Ausbildung und Umwelt findet in einer beträchtlichen Minderheit der Vereinbarungstexte Erwähnung. Von besonderem Interesse ist schließlich, daß in wenigen Fällen auch auf die Zuständigkeit des EBR für Fragen der Chancengleichheit verwiesen wird. Obwohl Kernfragen, wie etwa die wirtschaftliche und finanzielle Lage sowie Beschäftigungs- und soziale Themen, in den meisten Vereinbarungen Erwähnung finden, lassen sich in Abhängigkeit vom Herkunftsland des MNU bedeutende Abweichungen feststellen. Die größten Unterschiede ergeben sich dabei zwischen den MNU mit Sitz in Südeuropa und den in Asien ansässigen Unternehmen. So wird beispielsweise die wirtschaftliche und finanzielle Lage bei den MNU mit Sitz in Südeuropa in allen Vereinbarungen erwähnt, während die in Asien ansässigen Unternehmen nur in sieben von zehn Fällen auf diesen Punkt verweisen. Ähnlich verhält es sich mit den beschäftigungsrelevanten und sozialen Themen, auf die in Südeuropa in allen Vereinbarungen, in den asiatischen Unternehmen aber nur in etwas mehr als der Hälfte der Fälle Bezug genommen wird. In den anderen Fragen sind die Unterschiede in Abhängigkeit vom Herkunftsland der MNU sogar noch größer. Die deutlichste Abweichung läßt sich beim Thema Ausbildung feststellen, das bei den MNU aus Südeuropa in zwei Dritteln der Vereinbarungen enthalten ist, während es bei den MNU mit Sitz in Asien in nicht einmal 5 Prozent der Vereinbarungen Erwähnung findet. Insgesamt läßt sich hier ein eindeutiger Trend erkennen. Von den zwölf Themenbereichen, die bei der Analyse der Vereinbarungstexte berücksichtigt wurden, sind sieben am häufigsten in den Vereinbarungen der MNU mit Sitz in Südeuropa enthalten. Auf weitere drei Themen wird am häufigsten in den Vereinbarungen von MNU aus dem deutschsprachigen Raum und den Niederlanden verwiesen. Das geringste Spektrum an Diskussionsthemen ergibt sich rein formell betrachtet offenbar für die EBR in den MNU mit Sitz in Asien, wo sechs der zwölf berücksichtigten Themen seltener genannt werden als in allen anderen Ländergruppen. Man sollte aus diesen Ergebnissen jedoch keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Die Erwähnung eines bestimmten Themas in einer Vereinbarung gibt nicht unbedingt darüber Auskunft, welche Bedeutung ihm von den unterzeichnenden Parteien beigemessen wird, und sie gewährt natürlich auch keinen Einblick in die tatsächliche Praxis in einem EBR. In Vereinbarungen von MNU mit Sitz in den nordeuropäischen 27 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Ländern wird beispielsweise auf einige der aufgelisteten Themen seltener Bezug genommen als in den übrigen europäischen MNU. Die Tatsache, daß etwa die Frage Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz dort nur in einer von fünf Vereinbarungen Erwähnung findet, ist aber mit großer Sicherheit kein Indiz dafür, daß dieses Thema in den meisten Fällen als unbedeutend betrachtet wird. Dieser geringe Anteil könnte vielmehr darauf hindeuten, daß das Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Nordeuropa einen ganz normalen Bestandteil des Meinungsaustauschs zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitung darstellt. Als zweite Begründung ließe sich dieses Phänomen aber auch als ein Anzeichen dafür werten, daß die Sozialpartner in den nordeuropäischen Unternehmen bei Fragen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz nicht die europäische sondern die örtliche Ebene als das angemessene Diskussionsforum betrachten. Der andere Extremfall betrifft die große Häufigkeit, mit der viele dieser Fragen in den Vereinbarungen von MNU mit Sitz in Südeuropa erwähnt werden. Die Fülle von formellen Festlegungen zur Zuständigkeit der EBR könnte dort entweder auf einen Mangel an langjähriger Erfahrung mit Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer hindeuten oder aber ein Ausdruck des fehlenden Vertrauens zwischen den Sozialpartnern sein. 4.3 Ausschluß bestimmter Themen In 48 Prozent, also in fast der Hälfte der Vereinbarungen nach Artikel 13, sind Regelungen enthalten, wonach bestimmte Themen vom Zuständigkeitsbereich des EBR ausgeschlossen sind. Neun von zehn dieser 185 Vereinbarungen schließen z. B. jene Fragen aus, die bereits auf örtlicher oder nationaler Ebene behandelt werden. Bezogen auf die Gesamtzahl der Vereinbarungen ergibt das einen Anteil von 42 Prozent. Gemäß der Logik des Richtlinientextes kommt in diesen Vereinbarungen also eine Art „Subsidiaritätsprinzip“ zur Anwendung. Zu den spezifischen Themen, die ausdrücklich ausgeschlossen sind, zählen in erster Linie Fragen der Bezahlung und des Arbeitsentgelts, die in 19 Prozent der Vereinbarungen nicht in den Zuständigkeitsbereich des EBR fallen. Derartige Regelungen bringen eindeutig die Absicht zum Ausdruck, die Verfahren im Zusammenhang mit den Tarifverhandlungen von den Verfahren der Unterrichtung und Anhörung klar zu trennen. In einem geringeren Teil der Vereinbarungen werden auch Arbeitsstreitigkeiten, politische Fragen und persönliche Angelegenheiten ausgeschlossen. Tabelle 4.2 Ausschluß bestimmter Themen (in %) Themen, die auf örtlicher oder nationaler Ebene behandelt werden Lohn- und Gehaltsfragen Arbeitsstreitigkeiten Persönliche Angelegenheiten Politische Angelegenheiten 42 19 4 7 5 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Die größte Verbreitung finden Ausschlußklauseln in Vereinbarungen von MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in den nichteuropäischen Ländern. Dies kann daran liegen, daß es dort auf nationaler Ebene keine bereits etablierten praktischen Beispiele für die Betätigung von Betriebsräten gibt, so daß die Verhandlungsparteien möglicherweise größeren Wert darauf legen, alle Fragen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich eines EBR fallen sollten, genau zu benennen. Insbesondere könnten davon Fragen der Bezahlung und des Arbeitsentgelts betroffen sein, zumal im Vereinigten Königreich und in 28 Rolle und Zuständigkeit des EBR Abbildung 4.2 Ausschluß bestimmter Themen All eL änd er As ien No rda me rik a Sü deu rop a No rde uro pa De u Ra tsch um spr , N ach ied ige erl r Fra and nkr e eic h, B Lu elgi xem en bur g Kö Ve nig rei rei nig ch, tes Irla nd % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Irland sowie in den nordamerikanischen Ländern auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen zwischen dem Recht auf Unterrichtung und Anhörung einerseits und dem Recht auf Verhandlungen andererseits in institutioneller Hinsicht eine deutliche Trennung vorgenommen wird. Im Gegensatz dazu sind Regelungen, wonach der EBR bestimmte Themen nicht behandeln darf, in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in Südeuropa am seltensten anzutreffen. Bei einer Gegenüberstellung der Wirtschaftszweige zeigt sich, daß der Ausschluß eines oder mehrerer spezifischer Themen von der Behandlung im EBR am häufigsten im Verkehrswesen und am seltensten im Bereich Baugewerbe und Versorgungsbetriebe vereinbart wurde. Außerdem gibt es bei den MNU erhebliche Unterschiede zwischen den großen Unternehmen einerseits und den mittleren und kleineren Einheiten andererseits. Während in der erstgenannten Gruppe nur jedes dritte Unternehmen bestimmte Themen von der Tagesordnung ausdrücklich ausschließt, ist dies in der letztgenannten Gruppe in zwei Dritteln der Vereinbarungen der Fall. Darüber hinaus sind Ausschlußklauseln in Vereinbarungen, die von Betriebsratsvertretern unterzeichnet wurden, am seltensten enthalten und in Fällen, wo „Arbeitnehmervertreter“ (entweder als alleinige Unterzeichner oder zusammen mit bereits eingesetzten Vertretern) die Unterschrift geleistet haben, am häufigsten anzutreffen. Ferner lassen sich Unterschiede auch in Abhängigkeit vom Unterzeichnungsdatum feststellen. So sind die Regelungen bezüglich des Ausschlusses bestimmter Themen in Vereinbarungen, die vor September 1994 zustande kamen, entschieden weniger strikt als in Vereinbarungen aus der Zeit nach Verabschiedung der Richtlinie, die sich offenbar stärker auf das von der Richtlinie vorgegebene „Themenspektrum“ konzentrieren. 29 Kapitel 5 Die Zusammensetzung des EBR Die Anzahl und Zusammensetzung der Arbeitnehmervertreter in den nach Artikel 13 eingesetzten EBR und die Art und Weise ihrer Auswahl und Benennung sind in den einzelnen Vereinbarungen sehr unterschiedlich geregelt. Das gilt auch für die allerdings nicht in allen Vereinbarungen behandelte Frage, inwieweit Gewerkschaftsfunktionäre und/oder weitere Personen, wie etwa Gäste, Beobachter oder Sachverständige an den EBR-Sitzungen von Rechts wegen oder auf Einladung teilnehmen können. Obwohl fast überall andere Systeme und Formeln vorgesehen sind, wie Carley und Hall (1996) in einer früheren Analyse von 51 Vereinbarungen bereits feststellen konnten, lassen sich hinsichtlich der Ähnlichkeiten und Abweichungen zwischen den einzelnen Vereinbarungen dennoch gewisse Grundmuster erkennen. 5.1 Anzahl und geographische Verteilung der Arbeitnehmervertreter Die Anzahl der Arbeitnehmervertreter in einem EBR läßt sich in rund zwei Dritteln der Fälle ermitteln. In den meisten anderen Vereinbarungen wird zwar eine Formel zur Bestimmung der Anzahl der Arbeitnehmervertreter aufgestellt, aber es werden entweder keine Angaben zur Verteilung nach Ländern, Belegschaftsgrößen, Betriebsart oder Berufsgruppe gemacht, oder es wird keine Gesamtzahl genannt. Von den 248 Vereinbarungen, für die sich die Anzahl der Arbeitnehmervertreter berechnen läßt, umfaßt der einzusetzende EBR in 18 Prozent der Fälle höchstens zehn Arbeitnehmervertreter. In den meisten EBR (51 Prozent) ist die Arbeitnehmerseite mit 11 bis 20 Mitgliedern vertreten und in weiteren 25 Prozent mit 21 bis 30 Mitgliedern. Mehr als 30 Arbeitnehmervertreter wurden in lediglich 6 Prozent der Fälle ermittelt. Während die drei kleinsten EBR jeweils nur drei Mitglieder haben, umfaßt das größte dieser Gremien 70 Mitglieder. Insgesamt werden die subsidiären Vorschriften der Richtlinie, die eine Anzahl von mindestens drei und höchstens 30 Arbeitnehmervertretern vorsehen, in über 90 Prozent der Vereinbarungen eingehalten. Die Einsetzung eines EBR mit zehn oder weniger Mitgliedern wurde am häufigsten von MNU mit Sitz in Südeuropa, in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande und in Asien und am selten- 31 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte sten in MNU mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und in Nordamerika vereinbart. Große EBR mit mehr als 30 Mitgliedern sind dagegen besonders stark in MNU mit Sitz in Frankreich, Belgien oder Luxemburg konzentriert, was damit zusammenhängen könnte, daß man es für notwendig hielt, die Anhängerschaften der zahlreichen verschiedenen Gewerkschaften in Frankreich zufriedenzustellen. Bei einer diesbezüglichen Untersuchung der Wirtschaftszweige wird deutlich, daß kleine EBR am häufigsten in der Papier- und in der Textilindustrie anzutreffen sind, während große EBR in der chemischen Industrie die größte Verbreitung finden. Nicht überraschend ist die Feststellung, daß in dieser Frage auch die Belegschaftsgröße der betreffenden multinationalen Unternehmen eine bedeutende Rolle spielt. Während die EBR in keinem der kleinen Unternehmen und nur in 12 Prozent der mittleren Unternehmen mehr als 20 Mitglieder haben, trifft dies bei den großen multinationalen Unternehmen auf 60 Prozent der Fälle zu. Darüber hinaus ist zu beobachten, daß die Einsetzung eines EBR mit höchstens zehn Mitgliedern dort am wahrscheinlichsten ist, wo die entsprechenden Vereinbarungen mit Vertretern von Betriebsräten oder mit bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern aus einem einzigen Land abgeschlossen wurden. Abbildung 5.1 Anzahl der Arbeitnehmervertreter in den EBR 3-10 18 % 11-20 51 % 30+ 6% 21-30 25 % Basis: Vereinbarungen, bei denen sich die Anzahl der Arbeitnehmervertreter berechnen läßt, N = 248. Die 248 Vereinbarungen enthalten auch Angaben zur geographischen Verteilung der EBR-Mitglieder. Bei der Interpretation der Zahlen ist jedoch Vorsicht geboten, da es zwischen den einzelnen Ländergruppen Abweichungen hinsichtlich der Verfügbarkeit dieser Daten gibt. Während bei den MNU mit Sitz in den südeuropäischen Ländern 87 Prozent der Vereinbarungen und bei den im Vereinigten Königreich oder in Irland ansässigen MNU 80 Prozent der Vereinbarungen Informationen zur geographischen Verteilung der EBR-Mitglieder enthalten, trifft dies bei den MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern und in Asien nur auf die Hälfte der Vereinbarungen zu. In 87 Prozent dieser EBR sind Arbeitnehmer aus Deutschland vertreten. An zweiter Stelle folgt Frankreich mit 78 Prozent und an dritter Stelle, obwohl es vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen ist, das Vereinigte Königreich mit 68 Prozent. Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang auch die Anzahl von EBR-Mitgliedern aus den Ländern Südeuropas, die selbst dann relativ hoch ist, wenn man berücksichtigt, daß für 87 Prozent, d. h. für 13 der 15 Vereinbarungen von MNU mit Sitz in diesen Ländern Daten vorliegen. So sind in 60 Prozent der vereinbarten EBR Mitglieder aus Italien und aus Spanien vertreten, in 30 Prozent Mitglieder aus Portugal und in 24 Prozent der Fälle Mitglieder aus 32 Die Zusammensetzung des EBR Griechenland. Neben der Vertretung einzelner Länder ist in einem kleinen Teil der Vereinbarungen auch vorgesehen, für mehrere Benelux- und nordeuropäische Länder nur einen Vertreter zu entsenden. Wenn man nur jene Länder betrachtet, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen und vom Vereinigten Königreich einmal absieht, dann kommen die meisten Vertreter aus der Schweiz, gefolgt von den Ländern Mitteleuropas. Tabelle 5.1. Arbeitnehmervertretung in EBR nach Ländern Anzahl der Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretung Österreich Anteil (in %) der Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretung 91 37 136 55 Dänemark 65 26 Finnland 46 19 Frankreich 194 78 Deutschland 216 87 Griechenland 48 20 Irland 66 27 Italien 148 60 Luxemburg 23 9 Niederlande 140 56 Norwegen 59 24 Portugal 75 30 Spanien 149 60 76 31 Benelux 9 4 Nordeuropa 7 3 42 17 Vereinigtes Königreich 169 68 Tschechische Republik 14 6 Ungarn 11 4 Polen 7 3 Slowakei 7 3 Mitteleuropa 3 1 Türkei 6 2 Belgien Schweden Schweiz Basis: Vereinbarungen, die Angaben über Arbeitnehmervertreter enthalten, N = 248. 5.2 Sitzverteilung Die Art der Sitzverteilung ist in 84 Prozent der Vereinbarungen festgelegt. Betrachtet man nur die vor September 1994 abgeschlossenen Vereinbarungen, dann liegt dieser Anteil dort nur bei 65 Prozent. In den Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, erfolgt die Sitzverteilung in den weitaus meisten Fällen nach einer Variante der beiden folgenden Methoden: a) nach einer einheitlichen Rate, die 33 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte den betreffenden Ländern oder Betrieben jeweils die gleiche Anzahl von Sitzen zuweist, und b) anhand der Belegschaftsgröße in den betreffenden Ländern oder Betrieben. In 35 Prozent der Vereinbarungen werden die Sitze nach einer einheitlichen Rate verteilt. Während man sich in zwei von fünf dieser Fälle ausschließlich auf diese Methode stützt, wird dieses Prinzip in den verbleibenden drei von fünf Fällen noch durch die Gewährung garantierter oder zusätzlicher Sitze für ein oder mehrere Länder oder Betriebe ergänzt. Das kann in der Regel dazu dienen, Betrieben im Heimatland des Unternehmens zusätzliche Sitze zu gewähren, weil dort die meisten Arbeitnehmer beschäftigt sind, oder aber Betrieben in Ländern, wo eventuell bestehende Beschäftigungsschwellenwerte nicht übersprungen werden (siehe weiter unten), sowie verschiedenen Unternehmensbereichen einer multinationalen Unternehmensgruppe eine bestimmte Zahl von Sitzen zu reservieren. Im überwiegenden Teil der Vereinbarungen (62 Prozent) ist jedoch eine Sitzverteilung entsprechend der Belegschaftsgröße festgelegt. In drei Vierteln dieser Fälle werden die Sitze ausschließlich auf der Grundlage der Belegschaftsgröße zugewiesen, während in dem verbleibenden Viertel eine Gewährung zusätzlicher oder garantierter Sitze für bestimmte Länder oder Betrieb vorgesehen ist. Tabelle 5.2 Grundlage für die Verteilung der Sitze im EBR (in %) Alle Arten der Sitzverteilung anhand einer einheitlichen Rate Ausschließlich anhand einer einheitlichen Rate Einheitliche Rate, jedoch mit garantierten/zusätzlichen Sitzen für ein oder mehrere Länder Alle Arten der Sitzverteilung entsprechend der Belegschaftsgröße Ausschließlich anhand der Belegschaftsgröße Anhand der Belegschaftsgröße, jedoch mit garantierten/zusätzlichen Sitzen für ein oder mehrere Länder Alle Arten der garantierten/zusätzlichen Sitzzuweisung Sonstige Verfahren 35 14 21 62 47 15 36 2 Basis: Vereinbarungen mit Angabe des Prinzips der Sitzverteilung, N = 325. Insgesamt ist die Gewährung zusätzlicher oder garantierter Sitze für bestimmte Länder oder Betriebe in 36 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. In 14 Prozent der Fälle wird durch das Verfahren der Sitzverteilung sichergestellt, daß die verschiedenen Unternehmensbereiche innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe oder die verschiedenen Branchen, in denen sich das Unternehmen betätigt, entsprechend vertreten sind. In 5 Prozent der Vereinbarungen basiert die Sitzverteilung darauf, daß zwischen verschiedenen Arten von Betrieben, wie etwa Produktionsstandorten und Verkaufs- oder Vertriebsstandorten, unterschieden wird, und in lediglich 3 Prozent der Fälle soll sie dazu dienen, die Vertretung verschiedener im Unternehmen tätiger Berufsgruppen sicherzustellen. Fast jede zweite Vereinbarung (44 Prozent) sieht vor, daß Betriebe in bestimmten Ländern nur dann eine Direktvertretung im EBR erhalten, wenn deren Beschäftigtenzahl einen feststehenden Schwellenwert übersteigt. Am weitesten verbreitet sind in diesem Zusammenhang Mindestgrößen von 100 oder 150 Arbeitnehmern, die zu gleichen Teilen in zwei Dritteln dieser Fälle zur Anwendung kommen. Ansonsten werden zumeist niedrigere Schwellenwerte festgelegt, wie z. B. 50 Arbeitnehmer in 14 Prozent und weniger als 50 Arbeitnehmer in weiteren 11 Prozent der betreffenden Fälle. Eine Mindestgröße von mehr als 150 Arbeitnehmern ist in 5 Prozent der Vereinbarungen mit entsprechenden Angaben vorgesehen. Mit Hilfe derartiger Schwellenwerte soll möglicherweise vermieden werden, daß Länder, in denen sich nur Verkaufsstandorte befinden, automatisch im EBR vertreten sind. 34 Die Zusammensetzung des EBR Abbildung 5.2 Beschäftigungsschwellenwerte für Vertretung im EBR Kein Schwellenwert 56 % Mindestens 150 Arbeitnehmer 2% Keine Angaben 3% Weniger als 100 11 % 100-150 Arbeitnehmer 28 % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Gemäß den subsidiären Vorschriften der Richtlinie erhält jedes der sieben EWR-Länder, in dem sich ein Betrieb des multinationalen Unternehmens befindet, mindestens einen Sitz, wobei die weitere Sitzverteilung dann entsprechend der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer erfolgt. Es werden jedoch keine Schwellenwerte hinsichtlich der Belegschaftsgröße von Betrieben in diesen Ländern festgelegt. Während sich das in der Mehrzahl der Vereinbarungen übernommene Prinzip der Sitzverteilung nach Belegschaftsgröße somit also im Einklang mit dieser Verfahrensweise befindet, stellt die in einem nicht unerheblichen Teil der Vereinbarungen nach Artikel 13 vorgesehene Sitzzuweisung an Länder und Betriebe anhand eines Beschäftigungsschwellenwerts eine Abweichung von den Bestimmungen der Richtlinie dar. Untersucht man nun die Unterschiede im Verfahren der Sitzverteilung in Abhängigkeit von den einzelnen Unternehmensarten, dann läßt sich feststellen, daß Varianten des Verfahrens der pauschalen Sitzzuweisung am häufigsten in Unternehmen mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden anzutreffen sind, während die Methode der Sitzverteilung entsprechend der Belegschaftsgröße in Vereinbarungen von Unternehmen in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/ Luxemburg und in Nordamerika die größte Verbreitung findet. Beschäftigungsschwellenwerte für die Sitzzuweisung an Länder oder Betriebe wurden am häufigsten von Unternehmen der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und am seltensten von britischen oder irischen Unternehmen vereinbart. Bei einem Vergleich der einzelnen Sektoren wird deutlich, daß die Sitzverteilung anhand einer einheitlichen Rate bei Unternehmen in den Branchen Papierindustrie und Druckgewerbe sowie Baugewerbe und Versorgungsbetriebe am weitesten verbreitet ist. Außerdem ist der Bereich Baugewerbe und Versorgungsbetriebe auch der Sektor, wo am häufigsten Beschäftigungsschwellenwerte vereinbart wurden. Die Anzahl der Beschäftigten und die Frage, ob die Vereinbarungen für die gesamte Unternehmensgruppe oder nur für bestimmte Unternehmensbereiche gelten, hat kaum Auswirkungen auf das Verfahren der Sitzverteilung, wobei natürlich Formeln mit einer bereichs- oder sektorenspezifischen Dimension dort erheblich häufiger anzutreffen sind, wo die Vereinbarungen gesonderte Regelungen für die Unternehmensgruppe und die Ebene der Unternehmensbereiche enthalten. 35 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte 5.3 Auswahl der Arbeitnehmervertreter Unter den Mitgliedern des EBR befinden sich in allen Fällen nichthauptberufliche („Laien-“) Vertreter, die Arbeitnehmer des multinationalen Unternehmens oder der multinationalen Unternehmensgruppe sein müssen. Nach Maßgabe der subsidiären Vorschriften der Richtlinie sind diese Arbeitnehmervertreter entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu wählen oder zu benennen. In fast allen Vereinbarungen wird dargelegt, nach welchem bzw. nach welchen Verfahren dies zu erfolgen hat, wobei sich hier drei verschiedene Varianten abzeichnen. Die erste Variante besteht darin, gemäß der Richtlinie entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zu verfahren. In einer zweiten Variante ist vorgesehen, die Vorgehensweise bei der Auswahl der Arbeitnehmervertreter im Rahmen einer nachfolgenden Einigung oder Absprache festzulegen, während die dritte Variante spezifische Methoden der Wahl oder Benennung dieser Vertreter vorsieht, die in der Praxis mit den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten der betreffenden Länder durchaus übereinstimmen können. Es besteht auch generell die Möglichkeit, daß innerhalb einer Vereinbarung in verschiedenen Ländern verschiedene Methoden zur Anwendung kommen. Außerdem können die alternativen Verfahren bei der Auswahl der Arbeitnehmervertreter in einigen oder allen Ländern als primäre Methode oder als zusätzliches Mittel dienen. In den folgenden Ausführungen werden die hier genannten Aspekte im einzelnen erläutert. Tabelle 5.3 Verfahren zur Auswahl der Arbeitnehmervertreter (in %) Alle Verfahren gemäß einzelstaatlichen Rechtsvorschriften/Gepflogenheiten Gemäß einzelstaatlichen Rechtsvorschriften/ Gepflogenheiten in allen Ländern Gemäß einzelstaatlichen Rechtsvorschriften/ Gepflogenheiten in einigen Ländern und anhand von spezifischen Methoden in anderen Ländern Durch nachfolgende Einigung oder Absprache Spezifische Methoden insgesamt Anwendung spezifischer Methoden in allen Ländern Anwendung spezifischer Methoden in einigen Ländern und anderer Verfahren in anderen Ländern Sonstige Verfahren Keine Angaben 63 50 13 4 40 25 16 1 5 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. In jeder zweiten Vereinbarung ist festgelegt, daß die Vertreter in allen betreffenden Ländern entsprechend den jeweiligen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten gewählt oder benannt werden. In weiteren 13 Prozent ist darüber hinaus noch ein weiteres Verfahren vorgesehen, wobei die beiden Verfahren jeweils nur in einigen und in keinem Fall in allen betreffenden Ländern zur Anwendung kommen. Von der zweiten Variante, bei der das Verfahren zur Auswahl der Arbeitnehmervertreter im Rahmen einer nachfolgenden Einigung oder Absprache zu bestimmen ist, wird weniger häufig Gebrauch gemacht. Sie kommt als einzig mögliches Verfahren lediglich in 4 Prozent und in Kombination mit anderen Verfahren in weiteren 2 Prozent der Vereinbarungen zur Anwendung. In einem Viertel aller Fälle ist dagegen vorgesehen, die Arbeitnehmervertreter in allen betreffenden Ländern mit Hilfe spezifischer Methoden zu wählen oder zu benennen. Darüber hinaus werden in weiteren 16 Prozent der Vereinbarungen neben dieser dritten Variante noch andere Verfahren angegeben, wobei jedes Verfahren nur für einige, nicht aber für alle Länder gilt. Weitere Methoden, die hier nicht näher unter- 36 Die Zusammensetzung des EBR sucht werden, kommen in 1 Prozent der Fälle zur Anwendung, während 5 Prozent der Vereinbarungen zur Verfahrensweise bei der Auswahl der Arbeitnehmervertreter keine Angaben enthalten. Jene Vereinbarungen, die spezielle Methoden zur Wahl oder Benennung von Arbeitnehmervertretern vorsehen, verweisen in diesem Zusammenhang am häufigsten auf die Entsendung durch nationale Betriebsräte (64 Prozent), die Benennung durch Gewerkschaften (45 Prozent) und die Direktwahl innerhalb der Belegschaft (40 Prozent). Darüber hinaus werden in 7 Prozent der Fälle noch weitere Methoden angegeben. In einer beträchtlichen Anzahl von Vereinbarungen (37 Prozent) sind zwei oder mehr Auswahlverfahren vorgesehen. Dabei ist festzustellen, daß sich die Verfahren je nach Land voneinander unterscheiden und daß in den einzelnen Ländern jeweils bestimmte Methoden bevorzugt werden können. In nahezu 30 Prozent der Vereinbarungen mit Festlegungen zur Benennung von Arbeitnehmervertretern durch die Gewerkschaften — und in einigen der betreffenden Länder sogar in knapp über 60 Prozent der Fälle — stellt diese Methode das primäre oder einzig mögliche Auswahlverfahren für alle von der Vereinbarung erfaßten Länder dar. Dagegen kommt sie in lediglich 3 Prozent der Fälle nur dann zur Anwendung, wenn andere Verfahren nicht praktikabel sind. Bei den Vereinbarungen, die eine Benennung der Arbeitnehmervertreter durch die nationalen Betriebsräte vorsehen, ist diese Methode in knapp über der Hälfte der Vereinbarungen — und in einigen der betreffenden Länder in rund 40 Prozent der Fälle — das primäre oder einzig mögliche Verfahren für alle erfaßten Länder, während sie in lediglich 2 Prozent der Fälle ein subsidiäres Verfahren darstellt. Insgesamt ist festzustellen, daß bei der Auswahl der Arbeitnehmervertreter in vier von fünf Vereinbarungen, die dafür spezielle Methoden festlegen, in einigen oder allen Ländern primär auf bereits bestehende Formen der Arbeitnehmervertretung, d. h. auf Gewerkschaften oder nationale Betriebsräte, zurückgegriffen wird. Die Direktwahl von Arbeitnehmervertretern durch die Belegschaft stellt dagegen in den meisten Fällen nur ein subsidiäres Verfahren dar, das dann zur Anwendung kommt, wenn andere Verfahren nicht möglich sind (57 Prozent der betreffenden Fälle). Regelungen, wonach die Direktwahl das primäre oder einzig mögliche Verfahren darstellt, gelten in zwei Dritteln der betreffenden Fälle für alle Länder im Geltungsbereich der jeweiligen Vereinbarung und in einem Drittel der betreffenden Fälle nur für einige dieser Länder. Bezogen auf die Gesamtzahl der Vereinbarungen, die spezifische Methoden zur Auswahl der Arbeitnehmervertreter vorsehen, sind Direktwahlen in rund einem von sechs Fällen (15 Prozent) das primäre oder einzig mögliche Verfahren. Die Auswahl von Arbeitnehmervertretern entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wurde am häufigsten von Unternehmen mit Sitz in Nordeuropa sowie im deutschsprachigen Raum und den Niederlanden vereinbart, während die Anwendung spezifischer Methoden in Unternehmen mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg stärker verbreitet ist. Regelungen, die eine Kombination mehrerer Verfahren vorsehen, finden sich vor allem in Vereinbarungen von Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich oder aus Irland. Als Ursache dafür kommt entweder das Nichtvorhandensein allgemeingültiger Rechtsvorschriften in Frage oder aber die Tatsache, daß die Verwendung mehrerer Verfahren den Bestimmungen der grundlegenden Vereinbarungen für die Arbeitnehmervertretung in diesen Ländern entspricht. Untersucht man nun jene Vereinbarungen, die eine Auswahl mit Hilfe spezifischer Methoden vorsehen, dann ist die Benennung der Vertreter durch die Gewerkschaften besonders häufig in Unternehmen mit Sitz in Nordeuropa, in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und in den südeuropäischen Ländern anzutreffen, während diese Auswahlmethode in Unternehmen im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden sowie in Nordamerika am seltensten vereinbart wurde. Dieses differenzierte Bild ist ein Ausdruck der nationalen Unterschiede in den Strukturen der Arbeitnehmervertretung auf Unternehmensebene. Das Verfahren der Entsendung von Vertretern durch die nationalen Betriebsräte findet dagegen in Vereinbarungen von Unternehmen mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden aber auch in nordamerikanischen Unternehmen eine besonders große Verbreitung. Ferner läßt sich feststellen, daß eine Direktwahl der Arbeitnehmervertreter am häufigsten in Vereinbarungen von Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in Nordamerika vorgesehen ist. 37 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Sektoren ergeben sich hinsichtlich der vereinbarten Auswahlverfahren nur wenige nennenswerte Unterschiede. Die Verwendung mehrerer Verfahren wurde besonders häufig von Unternehmen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Papierindustrie, im Bereich Baugewerbe und Versorgungsbetriebe sowie im Bereich der Finanzdienstleistungen vereinbart. Deutlicher ist der Differenzierungsgrad dagegen in bezug auf die in den betreffenden Vereinbarungen genannten spezifischen Methoden. Hier läßt sich feststellen, daß die Benennung der Vertreter durch die Gewerkschaften die größte Verbreitung in Vereinbarungen in der Textil- und Bekleidungsbranche findet, während man die Benennung durch nationale Betriebsräte am häufigsten in der chemischen Industrie und die Direktwahl am häufigsten im Bereich der Finanzdienstleistungen antrifft. Darüber hinaus ist zu beobachten, daß die Häufigkeit von Regelungen, die eine Benennung durch die Gewerkschaften vorsehen, in erheblichem Maße von der Unternehmensgröße abhängt: Während dieses Auswahlverfahren bei den kleinen Unternehmen nur in 9 Prozent der Vereinbarungen mit Angaben über spezifische Methoden genannt wird, beträgt der entsprechende Anteil in den mittleren Unternehmen bereits 33 Prozent und in den großen Unternehmen immerhin 70 Prozent. Eine Auswahl entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten ist in Vereinbarungen, die vor September 1994 zustande kamen, deutlich seltener vorgesehen als in den Vereinbarungen aus der Zeit nach Verabschiedung der Richtlinie (37 Prozent gegenüber 57 Prozent). Dagegen wurde ein Auswahlverfahren im Rahmen einer nachfolgenden Einigung oder Absprache oder die Anwendung spezifischer Methoden vor September 1994 häufiger vereinbart, was den Einfluß der subsidiären Vorschriften der Richtlinie auf spätere Vereinbarungen verdeutlicht. Auch die Benennung der Vertreter durch die Gewerkschaften findet in Vereinbarungen, die vor September 1994 unterzeichnet wurden, eine größere Verbreitung als in Vereinbarungen aus der Zeit nach Verabschiedung der Richtlinie. 5.4 Externe Teilnehmer Neben den nichthauptberuflichen („Laien-“)Vertretern umfaßt die Arbeitnehmerseite in einem Drittel der EBR auch weitere Personen, die als externe Vertreter an den Sitzungen teilnehmen. Hinsichtlich der Identität dieser Personen und in bezug auf die Frage, ob sie an den Sitzungen von Rechts wegen oder auf Einladung teilnehmen, ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. In 17 Prozent der Vereinbarungen schließt die Arbeitnehmerseite auch externe Vertreter ein, die Vollmitglieder des EBR sind. Dabei handelt es sich in neun von zehn Fällen um Gewerkschaftsfunktionäre, die jeweils zur Hälfte internationalen oder nationalen Gewerkschaften angehören. 21 Prozent der Vereinbarungen enthalten dagegen Bestimmungen, wonach externe Vertreter, die formell betrachtet keine Mitglieder sind, an den EBRSitzungen von Rechts wegen teilnehmen können. Dieses Recht wird in der Hälfte dieser Fälle Gewerkschaftsfunktionären eingeräumt, wobei Vertreter internationaler Gewerkschaftsorganisationen dabei fast doppelt so häufig genannt werden wie Vertreter nationaler Gewerkschaften. Die Unterscheidung zwischen externen Teilnehmern als Vollmitglieder des EBR und externen Vertretern, die von Rechts wegen an den Sitzungen teilnehmen, wird jedoch offenbar nur aus formellen Gründen vorgenommen und hat keine nennenswerten Konsequenzen. Gemäß den subsidiären Vorschriften der Richtlinie kann sich die Arbeitnehmerseite im EBR durch „Sachverständige“ unterstützen lassen (siehe Kapitel 8). Die Teilnahme dieser „Sachverständigen“ an den EBR-Sitzungen erfolgt in 10 Prozent der Vereinbarungen von Rechts wegen, zum größeren Teil jedoch auf Einladung (siehe weiter unten). „Beobachter“ (aus Betrieben in Ländern, die nicht im EBR vertreten sind), „Gäste“ oder „sonstige Personen“ erhalten das Recht auf Teilnahme in 7 Prozent der Fälle. Zu den insgesamt 33 Prozent der Vereinbarungen, nach denen die externen Vertreter entweder Vollmitglieder des EBR sind oder von Rechts wegen an den Sitzungen teilnehmen können, zählen auch 38 Die Zusammensetzung des EBR jene 23 Prozent der Fälle, wo dieser Personenkreis Gewerkschaftsfunktionäre mit einschließt. Ferner ist mit sehr großer Sicherheit davon auszugehen, daß die Erwähnung der Kategorien „Sachverständige“, „Beobachter“ und „Gäste“ in einem beträchtlichen Teil der übrigen Fälle die Beteiligung von Funktionären internationaler oder nationaler Gewerkschaften zur Folge hat. Tabelle 5.4 Teilnahme externer Vertreter als Vollmitglieder des EBR oder von Rechts wegen (in %) Vollmitglieder Teilnahme an EBR-Sitzungen von Rechts wegen Teilnahme externer Vertreter von Rechts wegen (insgesamt) Davon: Internationale Gewerkschaftsfunktionäre Nationale Gewerkschaftsfunktionäre Nicht näher bezeichnete Gewerkschaftsfunktionäre Gewerkschaftsfunktionäre (insgesamt) Sachverständige Beobachter Gäste/Sonstige Teilnehmer 17 21 33 14 12 2 23 10 2 5 Base: Alle Vereinbarungen, N = 386. Eine bedeutend größere Zahl von Vereinbarungen enthält Bestimmungen, wonach externe Vertreter an den EBR-Sitzungen auf Einladung teilnehmen können, und zwar auf Einladung der Arbeitgeberseite allein oder auf gemeinsame Einladung der Arbeitgeber und der Unternehmensleitung. Zu den insgesamt 69 Prozent der Vereinbarungen, die derartige Einladungen ermöglichen, zählen auch jene 49 Prozent, wo für externe Vertreter weder eine Vollmitgliedschaft im EBR noch ein Recht auf Teilnahme an dessen Sitzungen vorgesehen ist. Am häufigsten finden sich in diesem Zusammenhang Bestimmungen zur Einladung von „Sachverständigen“, die in der Hälfte der Vereinbarungen enthalten sind. Die Möglichkeit einer Einladung von „Gästen“ und Beobachtern wird in 16 bzw. 7 Prozent der Fälle eingeräumt. Auf Gewerkschaftsfunktionäre wird in 18 Prozent der Fälle verwiesen, wobei die Erwähnung der Kategorien „Sachverständige“, „Beobachter“ und „Gäste“ wiederum dazu führen dürfte, daß Funktionäre internationaler und nationaler Gewerkschaften auch in anderen Fällen zu den Sitzungen eingeladen werden. In fast jeder fünften Vereinbarung (18 Prozent) ist eine Beteiligung externer Vertreter weder von Rechts wegen noch auf Einladung vorgesehen. Tabelle 5.5 Externe Teilnahme am EBR auf Einladung (in %) Teilnahme externer Vertreter auf Einladung (insgesamt) Davon: Internationale Gewerkschaftsfunktionäre Nationale Gewerkschaftsfunktionäre Nicht näher bezeichnete Gewerkschaftsfunktionäre Gewerkschaftsfunktionäre (insgesamt) Sachverständige Beobachter Gäste/sonstige Teilnehmer 69 10 9 3 18 51 7 16 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 39 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Eine Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen — d. h. entweder als Vollmitglieder des EBR oder aufgrund des ihnen gewährten Rechts auf Sitzungsteilnahme — ist von den Unternehmen mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg, im Vereinigten Königreich/in Irland und in den südeuropäischen Ländern häufiger vereinbart worden als von Unternehmen, die in Nordeuropa, im deutschsprachigen Raum einschließlich Niederlande oder außerhalb Europas ansässig sind. Regelungen zur Einladung externer Sitzungsteilnehmer finden dagegen die größte Verbreitung in Vereinbarungen von Unternehmen aus der Ländergruppe, die den deutschsprachigen Raum und die Niederlande umfaßt. Am seltensten ist die Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen oder auf Einladung in Vereinbarungen der Unternehmen mit Sitz in Nordamerika und Asien vorgesehen. Von den in Asien ansässigen MNU beinhaltet beispielsweise nur eine Vereinbarung Bestimmungen für eine Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen. Gewerkschaftsfunktionäre erhalten das Recht auf Beteiligung am EBR am häufigsten in MNU aus Südeuropa, gefolgt von den Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich und aus Irland. Tabelle 5.6 Externe Teilnehmer nach Herkunftsland (in %) Teilnahme externer Vertreter von Rechts wegen Teilnahme von Gewerkschaftsfunktionären von Rechts wegen Teilnahme externer Vertreter nur auf Einladung Keine externen Teilnehmer Nordeuropa 32 17 51 17 Deutschsprachiger Raum, Niederlande 29 18 57 15 Frankreich, Belgien, Luxemburg 43 30 39 18 Vereinigtes Königreich, Irland 46 39 40 14 Südeuropa 60 53 27 13 Nordamerika 25 13 47 28 6 - 71 24 33 23 49 18 Herkunftsland Asien Alle Länder Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige ist eine Beteiligung externer Vertreter am EBR von Rechts wegen am häufigsten in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Bekleidungsindustrie und bei den Finanzdienstleistungen anzutreffen, wo auch die Wahrscheinlichkeit, daß Gewerkschaftsfunktionäre von Rechts wegen beteiligt werden, am größten ist. Am seltensten finden sich Bestimmungen für externe Teilnehmer im Bereich Bergbau und Ölgewinnung, in der chemischen Industrie und in der Metallverarbeitung. Eine Beteiligung externer Vertreter auf Einladung wurde besonders häufig in der chemischen Industrie, in der Metallverarbeitung und in der Papierindustrie vereinbart. Die Branche, die insgesamt den geringsten Spielraum für eine Beteiligung externer Vertreter bietet, ist der Bereich Bergbau und Ölgewinnung. Bestimmungen für die Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen sind darüber hinaus in EBR-Vereinbarungen von großen Unternehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit enthalten als in Vereinbarungen von mittleren oder kleinen Unternehmen, die im Gegensatz dazu eher eine Beteiligung auf Einladung vorsehen. Außerdem läßt sich noch feststellen, daß die Möglichkeit einer Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen in den kleinsten EBR mit zehn oder weniger Mitgliedern seltener gegeben ist als in den größeren Gremien. 40 Die Zusammensetzung des EBR Vereinbarungen, die vor September 1994 zustande kamen, enthalten genauso häufig Bestimmungen zur Einbeziehung externer Teilnehmer als Vollmitglieder des EBR wie Vereinbarungen aus der Zeit danach, sehen aber weitaus seltener eine Teilnahme an EBR-Sitzungen von Rechts wegen oder auf Einladung vor. Die Möglichkeit einer Beteiligung externer Vertreter von Rechts wegen ist außerdem dann erheblich häufiger gegeben, wenn die Vereinbarung von Gewerkschaften unterzeichnet wurde. Vereinbarungen, in denen Betriebsratsvertreter die Unterschrift geleistet haben, enthalten dagegen eher Bestimmungen für eine Teilnahme auf Einladung. Darüber hinaus ist die Frage der externen Teilnahme insgesamt in Vereinbarungen, die von Gewerkschaften oder Betriebsräten aus einem einzigen Land unterzeichnet wurden, weniger häufig geregelt als dort, wo bereits eingesetzte Arbeitnehmervertreter aus zwei oder mehr Ländern am Abschluß der Vereinbarung beteiligt waren. Am seltensten findet man Bestimmungen für die Beteiligung externer Vertreter am EBR in Vereinbarungen mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern. Tabelle 5.7 Externe Teilnehmer nach ausgewählten Sektoren (in %) Sektor Teilnahme Teilnahme Teilnahme Keine externer von Gewerkschaftsexterner externen Vertreter funktionären Vertreter nur Teilnehmer von Rechts wegen von Rechts wegen auf Einladung Bergbau und Ölgewinnung 18 9 18 64 Chemische Industrie usw. 20 14 61 20 Lebensmittel- und Getränkeindustrie 60 47 32 9 Metallverarbeitung 22 9 55 23 Papierindustrie 29 7 50 21 Textilindustrie usw. 58 58 42 — Baugewerbe usw. 46 31 39 15 Finanzdienstleistungen usw. 60 45 30 10 Alle Sektoren 33 23 49 18 Basis: Alle Vereinbarungen, in denen sich der Wirtschaftszweig bestimmen läßt, N = 377. Insgesamt läßt sich feststellen, daß das Ausmaß der Einbeziehung von Gewerkschaftsfunktionären in die Tätigkeit des EBR im krassen Widerspruch zu den subsidiären Vorschriften der Richtlinie steht. Während dort vorgesehen ist, daß die Arbeitnehmerseite des EBR nur solche Vertreter umfaßt, die Arbeitnehmer des betreffenden multinationalen Unternehmens oder der multinationalen Unternehmensgruppe sind und die sich von nicht näher bezeichneten „Sachverständigen“ unterstützen lassen können, enthalten 23 Prozent der nach Artikel 13 abgeschlossenen Vereinbarungen Bestimmungen, wonach Funktionäre internationaler und nationaler Gewerkschaftsorganisationen entweder Vollmitglieder des EBR werden können oder von Rechts wegen die Möglichkeit haben, an EBR-Sitzungen teilzunehmen. Darüber hinaus ist in weiteren 14 Prozent der Vereinbarungen eine Teilnahme auf Einladung vorgesehen, während sich in einer unbekannten Zahl zusätzlicher Fälle die Möglichkeit ergibt, daß sich unter den „Sachverständigen“, „Gästen“ oder „Beobachtern“, die von Rechts wegen oder auf Einladung an den Sitzungen teilnehmen können, ebenfalls Gewerkschaftsfunktionäre befinden. Vereinbarungen von Unternehmen mit Sitz in Nordamerika, die in der Regel keine eindeutigen Bestimmungen zugunsten einer Beteiligung von Gewerkschaftsfunktionären am EBR enthalten, befinden sich hier offenbar am weitesten im Einklang mit den subsidiären Vorschriften der Richtlinie. 41 Kapitel 6 Der engere Ausschuß 6.1 Die Einsetzung eines engeren Ausschusses Die Einsetzung eines engeren Ausschusses oder eines Büros ist in 62 Prozent aller Vereinbarungen vorgesehen. In den subsidiären Vorschriften der Richtlinie wird empfohlen, daß der EBR einen engeren Ausschuß oder ein Büro einsetzt, sofern die Anzahl seiner Mitglieder dies rechtfertigt. Dementsprechend sind engere Ausschüsse unter den größeren EBR häufiger anzutreffen als unter den kleinen. Während zwei Drittel der EBR mit mehr als 20 Mitgliedern einen engeren Ausschuß eingesetzt haben, trifft dies Abbildung 6.1 Einsetzung eines engeren Ausschusses nach Heimatländern All eL änd er As ien No rda me rik a No rde uro pa De u Ra tsch um spr , N ach ied ige Fra erl r and nkr e eic h, B e Lu lgie Ve xem n, rei bur nig g tes Kö nig rei c Irla h, nd Sü deu rop a % Basis: Alle Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 382. 43 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Abbildung 6.2 Einsetzung eines engeren Ausschusses nach ausgewählten Sektoren Be rgb au und Ölg ew Le inn ben ung sm itte l, G e und tränk Ta e Ch bak em isc he Ind ust Be rie kle Te idu xti ngs l- u ind nd Me ust tall rie ver arb eitu ng Pap ier ind ust rie Ba uge Fin we anz rbe die nst leis tun gen All eS ekt ore n % Basis: Alle Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 377. bei den EBR mit weniger als 10 Mitgliedern nur auf ein Drittel der Fälle zu. Der diesbezügliche Einfluß der Richtlinie wird auch daran deutlich, daß in den vor September 1994 abgeschlossenen Vereinbarungen die Einsetzung eines engeren Ausschusses in nicht einmal 40 Prozent der Fälle vorgesehen ist. Engere Ausschüsse finden die größte Verbreitung in EBR von multinationalen Unternehmen mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern, während sie in MNU mit Sitz in Südeuropa, die sich durch einen besonders hohen Anteil von EBR mit höchstens 10 Mitgliedern auszeichnen (siehe Kapitel 5), am seltensten anzutreffen sind. Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit, daß der EBR einen engeren Ausschuß einsetzt, in MNU mit Sitz in Nordamerika und in Asien etwas größer als in den nicht in Skandinavien ansässigen europäischen MNU. Bei einer Untersuchung der sektorenspezifischen Unterschiede wird deutlich, daß engere Ausschüsse am häufigsten in EBR der Branchen Metallverarbeitung, Baugewerbe und Versorgungsbetriebe sowie Bergbau und Ölgewinnung anzutreffen sind. Am wenigsten stark verbreitet sind sie in der chemischen Industrie, obwohl der Anteil der größeren EBR mit mindestens 30 Mitgliedern dort am höchsten ist (siehe Kapitel 5). Außerdem läßt sich noch feststellen, daß sich die Wahrscheinlichkeit der Einsetzung eines engeren Ausschusses mit zunehmender Belegschaftsgröße der MNU erhöht. Weitere Unterschiede in der Häufigkeit von engeren Ausschüssen ergeben sich in Abhängigkeit von der Art des betreffenden EBR. Engere Ausschüsse sind dort, wo sich der EBR ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern zusammensetzt, stärker verbreitet als in den gemischt besetzten Gremien, was damit zusammenhängen könnte, daß auf seiten der reinen Arbeitnehmervertretung ein größerer Bedarf an einer solchen ständig arbeitsfähigen Struktur besteht, um sich auch zwischen den EBR-Sitzungen mit der Unternehmensleitung austauschen zu können. Es läßt sich auch feststellen, daß eine von Rechts wegen garantierte Anwesenheit externer Teilnehmer einschließlich Gewerkschaftsfunktionären an EBRSitzungen häufiger in jenen EBR anzutreffen ist, die über einen engeren Ausschuß verfügen. Ferner enthalten Vereinbarungen, die von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften oder Betriebsräten) aus einem einzigen Land unterzeichnet wurden, seltener Bestimmungen zur Einsetzung eines engeren Ausschusses als Vereinbarungen, bei denen bereits eingesetzte Vertreter aus mindestens zwei Ländern die Unterschrift geleistet haben. 44 Der engere Ausschuß 6.2 Engerer Ausschuß als gemischt besetztes oder rein arbeitnehmerseitiges Gremium Entsprechend der Zusammensetzung des EBR können sich auch die engeren Ausschüsse entweder als gemischt besetzte Gremien aus Unternehmensleitung und Arbeitnehmern oder als rein arbeitnehmerseitige Gremien konstituieren. Zum weitaus größten Teil (71 Prozent) bestehen diese Ausschüsse jedoch nur aus Vertretern der Arbeitnehmerseite. Während der engere Ausschuß dort, wo bereits der EBR eine reine Arbeitnehmervertretung ist, in neun von zehn Fällen ausschließlich Vertreter der Arbeitnehmerseite umfaßt, setzt er sich bei den gemischt besetzten EBR häufiger, d. h. in sechs von zehn Fällen, aus Vertretern der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmerseite zusammen. In den meisten Ländergruppen handelt es sich bei den von den EBR der dort ansässigen MNU eingesetzten engeren Ausschüssen in der Mehrzahl der Fälle um reine Arbeitnehmervertretungen. Eine Ausnahme bilden dabei die EBR von multinationalen Unternehmen mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern und im Vereinigten Königreich/in Irland, wo gemischt besetzte Gremien genauso zahlreich anzutreffen sind wie engere Ausschüsse, denen ausschließlich Arbeitnehmervertreter angehören. Bei einem Vergleich der Wirtschaftszweige zeigt sich, daß engere Ausschüsse in der Metallverarbeitung häufiger als in anderen Sektoren die Form von reinen Arbeitnehmervertretungen annehmen. Gemischt besetzte engere Ausschüsse finden die größte Verbreitung in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Tabelle 6.1 Struktur des engeren Ausschusses nach Ländergruppen (in %) Gemischte Besetzung Nur (Unternehmensleitung/ Arbeitnehmer Arbeitnehmer) Nordeuropa Kein engerer Ausschuß 40 44 16 9 49 42 Frankreich, Belgien, Luxemburg 15 44 41 Vereinigtes Königreich, Irland 28 27 45 Südeuropa 13 27 60 Nordamerika 14 51 35 Asien 24 47 29 Alle Länder 18 44 38 Deutschsprachiger Raum, Niederlande Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Betrachtet man nun die Unterschiede in Abhängigkeit von der Art der EBR-Vereinbarung, dann wird deutlich, daß der engere Ausschuß dort, wo Betriebsratsvertreter die Unterschrift geleistet haben, fast immer die Form einer reinen Arbeitnehmervertretung annimmt. Gemischt besetzte engere Ausschüsse finden dagegen dann die größte Verbreitung, wenn die Vereinbarung mit nicht näher bezeichneten „Arbeitnehmervertretern“ abgeschlossen wurde. Außerdem führt die Art der Besetzung des engeren Ausschusses auch zu Unterschieden in der Verbreitung von Bestimmungen, nach denen externe Vertreter an EBR-Sitzungen teilnehmen können. Eine solche Beteiligung — sowohl von Rechts wegen als auch auf Einladung — ist weitaus wahrscheinlicher, wenn der engere Ausschuß nur aus Vertretern der Arbeitnehmerseite besteht. 45 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte 6.3 Aufgaben des engeren Ausschusses Zu den Aufgaben von engeren Ausschüssen zählen am häufigsten die Aufstellung der Tagesordnung (in drei Vierteln aller Fälle), die Vorbereitung und Organisation der EBR-Sitzungen sowie Fragen der Kommunikation, Kontaktpflege und Koordinierung (in mehr als 50 Prozent der Fälle). Über 40 Prozent der engeren Ausschüsse sind für die Protokollführung oder die Verfassung von Mitteilungen im Anschluß an die EBR-Sitzungen verantwortlich. Vier der in Tabelle 6.2 aufgeführten Aufgaben könnte man auch als Beweis dafür werten, daß die Arbeitnehmervertreter bis zu einem gewissen Grad „tatsächliche“ Entscheidungsbefugnisse haben und dauerhaft ihren Einfluß geltend machen können. Diese Aufgaben sind: Einberufung außerordentlicher Sitzungen, Entgegennahme von Informationen und Anhörung in besonderen Situationen, Entgegennahme von Informationen und Anhörung auf regulärer Basis sowie Verwaltung des Budgets für den EBR. Bei den ersten beiden Punkten handelt es sich um Aufgaben, die sich auf außergewöhnliche Situationen beziehen. Während die engeren Ausschüsse für die Einberufung außerordentlicher Sitzungen in 35 Prozent der Fälle vollständig oder teilweise verantwortlich sind, werden sie nach Angabe der Vereinbarungen in 28 Prozent der Fälle beim Eintreten außergewöhnlicher Situationen unterrichtet und angehört. Zur Entgegennahme von Informationen und Konsultation auf regulärer Basis und zur Verwaltung des Budgets für den EBR sind die engeren Ausschüsse dagegen nicht so häufig befugt. Tabelle 6.2 Aufgaben des engeren Ausschusses (in %) Kommunikation/Kontaktpflege/Koordinierung Vorbereitung und Organisation der EBR-Sitzungen Festlegung der Tagesordnung Festlegung von Zeit und Ort der EBR-Sitzungen Protokollführung/Verfassung von Erklärungen Verwaltung des Budgets Entgegennahme von Informationen und Konsultation in besonderen Situationen Entgegennahme von Informationen und Konsultation auf regulärer Basis Einberufung außerordentlicher EBR-Sitzungen Sitzverteilung im EBR Auswahl von Sachverständigen/Beratern Verstärkte Verbreitung von Informationen Sonstige 52 58 74 26 44 6 28 11 35 3 22 11 13 Basis: Vereinbarungen, in denen ein engerer Ausschuß vorgesehen ist, N = 238. Deutliche Unterschiede bei den Aufgaben der engeren Ausschüsse ergeben sich in Abhängigkeit vom Herkunftsland des Unternehmens. Die regelmäßige Entgegennahme von Informationen und Konsultation, die Verwaltung des Budgets und Aufgaben im Zusammenhang mit außerordentlichen Sitzungen fallen am häufigsten in den Verantwortungsbereich der engeren Ausschüsse in den EBR von multinationalen Unternehmen mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden. Darüber hinaus sind die engeren Ausschüsse in dieser Ländergruppe auch für die Festlegung von Zeit und Ort der EBR-Sitzungen und für Fragen in Verbindung mit der Auswahl von Sachverständigen häufiger verantwortlich als in den anderen Regionen. In den EBR von multinationalen Unternehmen mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern gehören die Entgegennahme von Informationen auf regulärer Basis und die Verwaltung des Budgets in einem Viertel der Fälle zu den Aufgaben des engeren Ausschusses. Am seltensten erhalten engere Ausschüsse Entscheidungsbefugnisse oder dauerhaften Einfluß dagegen in den EBR der multinationalen Unternehmen mit Sitz in der Ländergruppe Vereinigtes Königreich/Irland. 46 Der engere Ausschuß Innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige sind engere Ausschüsse, die bestimmte Entscheidungsbefugnisse haben und dauerhaft ihren Einfluß geltend machen können, am häufigsten bei EBR in der Metallverarbeitung anzutreffen, während engeren Ausschüssen das Recht auf Unterrichtung in außergewöhnlichen Situationen sowie Rechte im Zusammenhang mit außerordentlichen Sitzungen mit größter Wahrscheinlichkeit in der Lebensmittelindustrie gewährt werden. Dagegen erhalten engere Ausschüsse bei EBR im Finanzsektor eher weniger häufig Entscheidungsbefugnisse oder dauerhafte Einflußmöglichkeiten. Außerdem ist in der chemischen Industrie die Gewährung des Rechts auf regelmäßige Unterrichtung weniger stark verbreitet. Hinsichtlich der Belegschaftsgröße ist festzustellen, daß sich sämtliche engeren Ausschüsse, die das Recht auf regelmäßige Unterrichtung haben und zur Verwaltung des Budgets befugt sind, in größeren Unternehmen befinden. Tabelle 6.3 Entscheidungsbefugnisse des engeren Ausschusses Entgegennahme spezifischer Informationen Ständige Entgegennahme von Informationen Einberufung außerordentlicher Sitzungen 27 12 28 15 47 44 40 41 — 12 12 15 — 7 13 7 — 3 24 5 — 8 8 4 7 2 16 5 6 28 11 35 Verwaltung des Budgets Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien Alle Länder (in %) Basis: Vereinbarungen, in denen ein engerer Ausschuß vorgesehen ist, N = 238. In Abhängigkeit von der Art des EBR lassen sich ebenfalls einige Unterschiede erkennen. EBR, die sich ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern zusammensetzen, haben entschieden häufiger einen engeren Ausschuß mit bestimmten Entscheidungsbefugnissen und gewissen dauerhaften Einflußmöglichkeiten als EBR, die sich als gemischt besetzte Gremien konstituiert haben. Dies liegt höchstwahrscheinlich daran, daß den engeren Ausschüsse von EBR in den nordeuropäischen Ländern sowie im deutschsprachigen Raum und den Niederlanden eine andere Rolle zukommt als in den übrigen Ländergruppen. Außerdem ist zu beobachten, daß die regelmäßige Unterrichtung und die Verwaltung des Budgets nur in jenen EBR-Vereinbarungen in den Aufgabenbereich des engeren Ausschusses fallen, die von bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften oder Betriebsräten) unterzeichnet wurden. Von nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossene EBR-Vereinbarungen sehen für den engeren Ausschuß keine derartigen Rechte vor, obwohl in diesen Fällen Aufgaben im Zusammenhang mit außerordentlichen Sitzungen stärker verbreitet sind als in Vereinbarungen mit bereits eingesetzten Arbeitnehmervertretern. Abschließend läßt sich noch feststellen, daß Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie unterzeichnet wurden, detailliertere Angaben zu den Aufgaben und Rechte des engeren Ausschusses enthalten als Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994. Diese konzentrieren sich dabei in der Regel lediglich auf die vier Tätigkeiten Kommunikation und Kontaktpflege, Vorbereitung und Organisation von EBR-Sitzungen, Erstellung der Tagesordnung sowie Entgegennahme von Informationen und Konsultation in besonderen Situationen. 47 Kapitel 7 EBR-Sitzungen Dieses Kapitel enthält Ausführungen • zur Häufigkeit der Sitzungen des Europäischen Betriebsrats (EBR), • zu den Bestimmungen der Geschäftsordnung in bezug auf die Sitzungsleitung, den Ablauf der Sitzungen, die Protokollführung sowie • zu den Rahmenbedingungen, wie etwa Bereitstellung von Sprachendiensten, Vorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit und Schutz der Arbeitnehmervertreter im EBR. 7.1 Planmäßige Sitzungen 87 Prozent der Vereinbarungen sehen pro Jahr eine planmäßige Sitzung vor und befinden sich damit im Einklang mit den subsidiären Vorschriften der Richtlinie. In den übrigen 13 Prozent der Fälle werden planmäßige Sitzungen öfter einberufen, und zwar in aller Regel zweimal jährlich. Am häufigsten wurde die Einberufung von mehr als einer Sitzung pro Jahr von den MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern und am seltensten von den MNU mit Sitz in Südeuropa und Nordamerika vereinbart. In dieser Hinsicht läßt sich ein deutlicher Unterschied zwischen dem produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor feststellen. So finden EBR-Sitzungen in dem letztgenannten Bereich mit größerer Wahrscheinlichkeit mehr als einmal im Jahr statt als in Branchen, die dem erstgenannten Bereich zuzuordnen sind. Insbesondere in der chemischen Industrie und im Bereich Baugewerbe und Versorgungsbetriebe tritt der EBR äußerst selten mehr als einmal im Jahr zu einer Sitzung zusammen. Dagegen sieht im Dienstleistungssektor jede vierte Vereinbarung - und damit doppelt so viele Vereinbarungen wie im Gesamtdurchschnitt - mehr als zwei Sitzungen pro Jahr vor, wobei derartige Regelungen besonders häufig im Bereich der Finanzdienstleistungen anzutreffen sind. Möglicherweise liegt das daran, daß die MNU im Dienstleistungssektor aufgrund des überdurchschnittlich großen Umfangs an länderübergrei- 49 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte fender Kommunikation die EBR als ein Gremium betrachten, das über die Ländergrenzen hinaus zur Erhöhung des sozialen Zusammenhalts innerhalb des Unternehmens beitragen kann. Tabelle 7.1 Planmäßige Sitzungen nach Ländergruppen (in %) Eine Sitzung pro Jahr Zwei Sitzungen pro Jahr Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 75 87 85 88 93 95 88 25 13 15 12 7 5 12 Alle Länder 87 13 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Tabelle 7.2 Planmäßige Sitzungen nach ausgewählten Sektoren Bergbau und Ölgewinnung Chemische Industrie Lebensmittel, Getränke, Tabak Metallverarbeitung Papierindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie Baugewerbe, Versorgungsbetriebe Finanzdienstleistungen Alle Sektoren (in %) Eine Sitzung Zwei Sitzungen 100 96 91 87 86 83 100 75 — 5 9 13 14 17 — 25 87 13 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 377. Während von den vor September 1994 unterzeichneten Vereinbarungen 24 Prozent mehr als eine Sitzung pro Jahr vorsehen, trifft dies bei den Vereinbarungen aus der Zeit nach Verabschiedung der Richtlinie nur auf 12 Prozent der Fälle zu. 7.2 Außerordentliche Sitzungen 81 Prozent der Vereinbarungen sehen die Möglichkeit vor, außerordentliche Sitzungen einzuberufen. Solche zusätzlichen Sitzungen können dann stattfinden, wenn „außergewöhnliche Situationen“ eingetreten sind oder wenn beide Seiten sie für notwendig und nützlich halten. Am seltensten sind außerordentliche Sitzungen in Vereinbarungen von MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich oder in Irland vorgesehen. Innerhalb der einzelnen Sektoren wurde die Möglichkeit der Einberufung außerordentlicher Sitzungen am häufigsten in der chemischen Industrie und in der Textil- und Bekleidungsindustrie vereinbart. Darüber hinaus lassen sich Unterschiede auch hinsichtlich des Unterzeichnungsdatums feststellen. In Vereinbarungen, die nach September 1994 abgeschlossen wurden, sind Bestimmungen zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen mit größerer Wahrscheinlichkeit enthalten als in Vereinbarungen aus der Zeit davor. Die subsidiären Vorschriften der Richtlinie haben sich also offenbar auch in dieser Hinsicht ausgewirkt. 50 EBR-Sitzungen Bei den Unterschieden, die sich aus der Struktur des EBR ergeben, spielt vor allem die Frage der Existenz eines engeren Ausschusses eine Rolle. So sind Bestimmungen zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen häufiger in jenen Vereinbarungen enthalten, die auch die Einsetzung eines engeren Ausschusses vorsehen. Durch die Regelung dieser beiden Fragen werden die betreffenden EBR in stärkerem Maße in die Lage versetzt, sich als ständig arbeitsfähige Gremien zu etablieren. Diese außerordentlichen Sitzungen können auf verschiedene Art und Weise stattfinden, und zwar a) in Form einer vollständigen EBR-Plenarsitzung, b) als Sitzung des engeren Ausschusses und/oder c) als ein Zusammentreffen der Mitglieder des engeren Ausschusses mit Vertretern der Belegschaftsmitglieder jener Bereiche, die von den zur Diskussion stehenden Entscheidungen der Unternehmensleitung berührt werden. In ungefähr einem Viertel der betreffenden Vereinbarungen sind je nach Sachlage verschiedene Arten von außerordentlichen Sitzungen vorgesehen. Von den insgesamt 314 Vereinbarungen, in denen die Frage der außerordentlichen Sitzungen geregelt ist, beinhalten 65 Prozent die Möglichkeit einer Einberufung des gesamten EBR. Zusätzliche Zusammenkünfte der Unternehmensleitung mit dem engeren Ausschuß sind in rund 20 Prozent der Fälle und Sitzungen des engeren Ausschusses zusammen mit Vertretern der betreffenden Tochterunternehmen in ebenfalls 20 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. Darüber hinaus werden in 11 Prozent der Vereinbarungen noch weitere Verfahrensweisen angeführt. In Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie zustande kamen, ist die Wahrscheinlichkeit, daß in Abhängigkeit von der zu erörternden Frage verschiedene Möglichkeiten der Konstituierung von außerordentlichen Sitzungen zur Auswahl gestellt werden, größer als in Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994. Tabelle 7.3 Verfahren zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen nach Ländergruppen (in %) Ausschließlich durch Unternehmensleitung Ausschließlich durch Arbeitnehmerseite Gemeinsames Verfahren Nordeuropa 29 23 69 Deutschsprachiger Raum, Niederlande 18 27 69 Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 57 53 15 45 54 39 25 15 23 15 55 53 85 51 62 Alle Länder 36 27 62 Basis: Vereinbarungen, die außerordentliche Sitzungen vorsehen, N = 314. Das Verfahren zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen ist in 62 Prozent der betreffenden Fälle so geregelt, daß die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter gemeinsam darüber entscheiden, ob aufgrund einer außergewöhnlichen Situation eine außerordentliche Sitzung einzuberufen ist. 36 Prozent der Vereinbarungen berechtigen die Unternehmensleitung zur Einberufung solcher Sitzungen, während die Arbeitnehmervertreter in 27 Prozent dazu befugt sind. In ungefähr einem Viertel der betreffenden Vereinbarungen sind darüber hinaus Festlegungen über alternative Verfahren zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen enthalten, die jeweils in Abhängigkeit von der Art der eingetretenen Situation zur Anwendung kommen. Untersucht man die Frage, in welchem Ausmaß die Unternehmensleitung das Recht hat, die Einberufung außerordentlicher Sitzungen einseitig zu beschließen, dann lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Herkunftsländern erkennen. Während dieses Recht besonders häufig in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in den Ländergruppen Frankreich/Belgien/Luxemburg, 51 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Vereinigtes Königreich/Irland sowie in den nichteuropäischen Ländern gewährt wird, sind derartige Regelungen in den MNU mit Sitz in Südeuropa und in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande am seltensten anzutreffen. In diesem Zusammenhang spielt offenbar die Frage eine Rolle, inwieweit die nationalen Systeme der Unterrichtung und Anhörung auf Strukturen basieren, die sich ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern zusammensetzen. Ferner läßt sich feststellen, daß die Arbeitnehmervertreter in Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie unterzeichnet wurden, häufiger das Recht zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen erhalten als in Vereinbarungen, die vor diesem Zeitpunkt zustande kamen. 7.3 Sitzungsleitung Die Frage, wer bei den gemeinsamen Sitzungen von Arbeitnehmern und Unternehmensleitung den Vorsitz führt, kann sich einerseits auf den Ablauf und die Ergebnisse der Sitzung auswirken und bringt andererseits zum Ausdruck, auf welcher Basis die Beziehungen zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmern innerhalb des Unternehmens stehen. In 54 Prozent aller Fälle werden die EBR-Sitzungen stets von der Unternehmensleitung und in 17 Prozent ausschließlich von Arbeitnehmervertretern geleitet. Ein gemeinsamer Vorsitz oder die Anwendung eines Rotationsprinzips sind in 8 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. In einem beträchtlichen Teil der Fälle (21 Prozent) ist die Frage der Sitzungsleitung nicht geregelt. Bei einem Vergleich der einzelnen Ländergruppen lassen sich in diesem Zusammenhang bedeutende Unterschiede feststellen. Die größte Diskrepanz besteht dabei zwischen den EBR in multinationalen Unternehmen mit Sitz in Ländern, wo von Arbeitnehmern geleitete Betriebsratssitzungen unbekannt sind (z. B. in den Ländergruppen Frankreich/Belgien/Luxemburg, Vereinigtes Königreich/Irland sowie in den nichteuropäischen Ländern), und den EBR der im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden ansässigen MNU. In der letztgenannten Ländergruppe werden die Sitzungen in 40 Prozent aller EBR von Arbeitnehmervertretern geleitet. Fälle, in denen die Frage des Vorsitzes nicht geregelt ist, häufen sich vor allem in den MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden sowie in den Nord- und südeuropäischen Ländern. Es ist jedoch durchaus möglich, daß die Sitzungen in einem Teil dieser Fälle ebenfalls von Arbeitnehmervertretern geleitet werden, zumal man dies im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden fast als selbstverständlich betrachtet. Tabelle 7.4 Vorsitz in Sitzungen nach Ländergruppen und Art des Gremiums (in %) Unternehmensleitung Arbeitnehmer Gemischt/ rotierend Keine Angaben Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande 49 11 11 29 18 40 9 33 Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien Art des Gremiums: Gemischtes Gremium Arbeitnehmervertretung 82 86 33 73 94 7 4 — 7 6 3 5 — 13 — 8 5 67 7 — 72 14 8 39 8 8 12 39 Alle Länder 54 17 8 21 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 52 EBR-Sitzungen Zwischen der Frage, ob sich der EBR als gemischt besetztes Gremium aus Vertretern der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmer oder als reine Arbeitnehmervertretung konstituiert, und den Regelungen bezüglich der Sitzungsleitung besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Während die Unternehmensleitung in den gemischt besetzten Gremien in annähernd drei von vier Fällen den Vorsitz führt, gilt dies in EBR, die ausschließlich Arbeitnehmervertreter umfassen, nur in 15 Prozent der Fälle. In den letztgenannten EBR werden dagegen annähernd 40 Prozent der Sitzungen von Arbeitnehmervertretern geleitet. Diesem Trend entspricht auch die Feststellung, daß EBR, in denen Vertreter der Arbeitnehmerseite den Vorsitz führen, dort entschieden häufiger anzutreffen sind, wo die Vereinbarung von Betriebsratsvertretern unterzeichnet wurde. Der zentralen Unternehmensleitung, die in der Mehrzahl der EBR den Vorsitz führt, erwachsen daraus möglicherweise gewisse Vorteile, die sich jedoch in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen insofern wieder ausgleichen, als die Arbeitnehmerseite das Recht erhält, einen oder mehrere Vertreter aus ihrer Mitte in ein offizielles Amt, wie z. B. das des EBR-Sekretärs, zu wählen. Von den 215 EBR, in denen die Unternehmensleitung den Vorsitz führt, ist dies in knapp 60 Prozent der Fälle vorgesehen. So läßt sich für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie und den Bereich der Finanzdienstleistungen, wo der Anteil der EBR, in denen die Unternehmensleitung den Vorsitz führt, überdurchschnittlich hoch ist, auch eine überdurchschnittlich große Anzahl von Arbeitnehmern feststellen, die innerhalb des EBR in ein offizielles Amt gewählt wurden und somit ein entsprechendes Gegengewicht bilden. 7.4 Festlegung der Tagesordnung Der weitaus größte Teil der Vereinbarungen (86 Prozent) enthält Bestimmungen hinsichtlich der Festlegung der Tagesordnung. Deutlich niedriger ist dieser Anteil in den MNU mit Sitz in der Ländergruppe, die den deutschsprachigen Raum und die Niederlande umfaßt, und in den nordeuropäischen Ländern. Das hängt höchstwahrscheinlich mit einer weiteren diesbezüglichen Erkenntnis zusammen, die darin besteht, daß Regelungen zur Festlegung der Tagesordnung dort, wo die EBR-Sitzungen von Arbeitnehmervertretern geleitet werden, weniger häufig anzutreffen sind als in Fällen, wo die Unternehmensleitung den Vorsitz führt. EBR, deren Sitzungen von Arbeitnehmern geleitet werden, haben vielfach eine Geschäftsordnung, die auch Bestimmungen zur Frage der Tagesordnung enthält. Möglicherweise hält man es in diesen Fällen für selbstverständlich, daß die Tagesordnung von der Arbeitnehmerseite festgelegt wird, und sieht daher keine Notwendigkeit, dies in den Vereinbarungen festzuschreiben. Unterschiede lassen sich auch hinsichtlich des Unterzeichnungsdatums erkennen. Vereinbarungen, die nach September 1994 abgeschlossen wurden, enthalten mit größerer Wahrscheinlichkeit Bestimmungen zur Festlegung der Tagesordnung als Vereinbarungen aus der Zeit davor. Tabelle 7.5 Bestimmungen zur Festlegung der Tagesordnung Bestimmungen enthalten (in %) Zuständigkeit UnternehmensArbeit- Gemeinsames leitung nehmer Verfahren Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 74 2 7 65 78 98 91 80 95 82 2 8 15 6 13 17 11 2 0 6 3 0 65 88 76 68 79 65 Alle Länder 86 8 5 73 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 53 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Von größerer Bedeutung ist hier die Frage, wie sich die Zuständigkeiten für die Tagesordnung für EBRSitzungen auf die beiden Seiten verteilen. Wer zur Festlegung der Tagesordnung befugt ist, hat auch einen entscheidenden Einfluß auf die Arbeitsweise des Gremiums. In fast drei von vier Vereinbarungen (73 Prozent der Gesamtzahl) entscheiden die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter gemeinsam über die Tagesordnung. In 8 Prozent der Fälle ist dafür die Unternehmensleitung zuständig, wobei eine solche Regelung vor allem in jenen Vereinbarungen enthalten ist, die mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen wurden. Die Festlegung der Tagesordnung durch die Arbeitnehmerseite ist in 5 Prozent aller Fälle vorgesehen, und zwar vor allem in jenen Vereinbarungen, die arbeitnehmerseitig ausschließlich von Betriebsratsvertretern unterzeichnet wurden. Dieser Gruppe lassen sich wahrscheinlich auch jene Vereinbarungen zuordnen, die zwar keine Bestimmungen zur Tagesordnung enthalten, aber eine Sitzungsleitung durch die Arbeitnehmer vorsehen (siehe oben). 7.5 Protokollführung Die Protokollführung ist in 65 Prozent aller freiwilligen EBR-Vereinbarungen geregelt. Am häufigsten wurden derartige Bestimmungen von den MNU mit Sitz in Asien, in Nordamerika, im Vereinigten Königreich und in Irland vereinbart, während sie in MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und den Niederlanden sowie in den nordeuropäischen Ländern die geringste Verbreitung finden. Bestimmungen bezüglich der Protokollführung sind außerdem in jenen EBR, deren Sitzungen von Arbeitnehmervertretern geleitet werden, entschieden seltener anzutreffen als dort, wo die Unternehmensleitung den Vorsitz führt. Möglicherweise halten es die Unterzeichner von EBR-Vereinbarungen in Unternehmen mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden sowie in den nordeuropäischen Ländern hier wiederum für selbstverständlich, daß die in ihren Ländern bestehende langjährige Praxis der Tätigkeit von Betriebsräten auch auf europäischer Ebene Berücksichtigung finden wird, und sehen deshalb keine Notwendigkeit, dies in den Vereinbarungen festzuschreiben. Abbildung 7.1 Erstellung von Sitzungsprotokollen All eL änd er As ien No rda me rik a No rde uro De pa u Ra tsch um spr , N ach ied ige Fra erl r nkr and eic e h, B e Ve Lu lgie rei xem n, nig bur tes g Kö nig rei c Irla h, nd Sü deu rop a % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Die Zuständigkeit für die Protokollführung ist in fast drei von vier Fällen so geregelt, daß die Sitzungsprotokolle im Rahmen eines gemeinsamen Verfahrens erstellt werden. In 20 Prozent der Vereinbarungen fällt diese Aufgabe ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Unternehmens- 54 EBR-Sitzungen leitung, während in den verbleibenden 6 Prozent der Fälle allein die Arbeitnehmervertreter dafür zuständig sind. Regelungen, nach denen ausschließlich die Unternehmensleitung für die Protokollführung verantwortlich ist, finden eine überdurchschnittlich große Verbreitung in Vereinbarungen der MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in Asien. Auch bei einem Vergleich der einzelnen Sektoren ergeben sich merkliche Unterschiede. In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie in der chemischen Industrie fällt die Protokollführung häufiger als in anderen Sektoren in den Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung, während gemeinsame Verfahren entsprechend seltener zur Anwendung kommen. Für die Metallverarbeitung läßt sich dagegen feststellen, daß Bestimmungen, wonach allein die Unternehmensleitung für die Protokollführung zuständig ist, dort die geringste Verbreitung finden, während das gemeinsame Verfahren eine größere Rolle spielt. Tabelle 7.6 Verantwortlichkeiten für Protokollführung nach Ländergruppen (in %) Unternehmensleitung Arbeitnehmer Gemeinsames Verfahren Nordeuropa 16 12 72 Deutschsprachiger Raum, Niederlande 14 9 77 Frankreich, Belgien, Luxemburg 15 4 81 Vereinigtes Königreich, Irland 30 2 67 Südeuropa 11 11 78 Nordamerika 19 9 72 Asien 35 - 65 Alle Länder 20 6 74 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 248. Tabelle 7.7 Verantwortlichkeiten für Protokollführung nach ausgewählten Sektoren (in %) Nur Unternehmensleitung Nur Arbeitnehmer Gemeinsames Verfahren Bergbau und Ölgewinnung Chemische Industrie Lebensmittel, Getränke, Tabak Metallverarbeitung Papierindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie Baugewerbe, Versorgungsbetriebe Finanzdienstleistungen 11 30 38 13 40 14 8 8 3 20 - 89 62 54 84 40 100 100 86 Alle Sektoren 20 6 74 Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 245. Während Regelungen, nach denen die Protokollführung alleinige Aufgabe der Unternehmensführung ist, mit größerer Wahrscheinlichkeit in jenen Vereinbarungen enthalten sind, die mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen wurden, ist eine alleinige Zuständigkeit der Arbeitnehmerseite am häufigsten dort vorgesehen, wo die Vereinbarungen die Unterschrift von Betriebsratsvertretern tragen. Die Struktur des EBR im weiteren Sinne spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls 55 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte eine Rolle. In Gremien mit einem engeren Ausschuß werden die Sitzungsprotokolle entschieden seltener von der Unternehmensleitung und entsprechend häufiger gemeinsam erstellt. Das gemeinsame Verfahren findet außerdem in Vereinbarungen aus der Zeit nach Verabschiedung der Richtlinie eine größere Verbreitung als in Vereinbarungen, die vor September 1994 unterzeichnet wurden. Die Berücksichtigung von Fragen der Sitzungsleitung, der Festlegung der Tagesordnung und der Protokollführung in den einzelnen Geschäftsordnungen deutet insgesamt darauf hin, daß die Aufteilung der Verantwortlichkeiten und die gemeinsamen Verfahren eine größere Rolle spielen als einseitige Rechte der Unternehmensleitung. Viele der Vereinbarungen enthalten also offenbar ein beträchtliches Potential für eine Zusammenarbeit der beiden Seiten. 7.6 Bereitstellung von Dolmetschern und Übersetzern Bei Veranstaltungen mit Vertretern aus mehreren Ländern besteht nach wie vor eine erhebliche Sprachbarriere. So wird in den ersten Berichten über die Tätigkeit der EBR häufig auf den „Babylon-Effekt“ verwiesen und insbesondere zum Ausdruck gebracht, daß eine grenzübergreifende Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretern aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht zustande kommt. Somit ist die Frage, inwieweit Übersetzungsdienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, von entscheidender Bedeutung für eine reibungslose Arbeitsweise der EBR. Der Einsatz von Übersetzern und/oder Dolmetschern ist in 75 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. Darin enthalten sind sowohl jene 53 Prozent der Fälle, in denen in alle betreffenden Sprachen übersetzt und/oder gedolmetscht wird, als auch jene 19 Prozent, wo man sich dabei auf die wichtigsten Sprachen beschränkt. (6 Prozent der Vereinbarungen enthalten keine Angaben zur Anzahl der jeweiligen Sprachen.) Während in der Mehrzahl der Fälle eine Übersetzung in alle Sprachen vorgesehen ist und dies eine große Hilfe für die Arbeitnehmervertreter bei der Entwicklung der Zusammenarbeit darstellt, werden in fast jedem fünften Fall keine Übersetzungsdienste bereitgestellt und in einem weiteren Fünftel nur die wichtigsten Sprachen abgedeckt. Es ist also davon auszugehen, daß die Sprachbarriere in einer nicht unerheblichen Minderheit der EBR nach wie vor ein Hindernis darstellt. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, daß einzelne Belegschaftsvertreter aus bestimmten Ländern aufgrund mangelnder Verständigungsmöglichkeiten ausgegrenzt werden. Tabelle 7.8. Bereitstellung von Sprachendiensten nach Ländergruppen (in %) Festlegung auf eine (Unternehmens-) Sprache Bereitstellung von Sprachendiensten insgesamt Alle betreffenden Sprachen Begrenzung auf bestimmte Sprachen 81 51 12 53 64 40 21 30 Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 92 68 22 18 91 80 77 88 67 74 54 53 19 6 15 35 35 — 48 59 Alle Länder 78 53 19 35 Basis für Angabe der Sprache: Alle Vereinbarungen, N = 386. 56 EBR-Sitzungen In einem Drittel (35 Prozent) der Vereinbarungen wurde für die EBR-Sitzungen die Verwendung einer einzigen Unternehmenssprache festgelegt, die in drei von vier dieser Fälle Englisch ist. Die in einer Reihe von Fällen ebenfalls vorgesehenen Übersetzungs- und/oder Dolmetscherdienste stellen hier eine Übergangslösung dar, die nur so lange gilt, bis die Arbeitnehmervertreter die Unternehmenssprache im erforderlichen Umfang beherrschen. Inwiefern es sich dabei um einen Trend handelt, der sich in Anbetracht der hohen Kosten von Sprachendiensten noch ausweiten wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar. 7.7 Rücklauf von Informationen Damit sich die EBR als ständig arbeitsfähige Gremien etablieren können, müssen die Arbeitnehmer und ihre Vertreter innerhalb des Unternehmens, die nicht dem EBR angehören, über den Inhalt und die Ergebnisse der EBR-Sitzungen einen entsprechenden Rücklauf erhalten. Wenn sich ein großer Teil der Belegschaft nicht darüber im klaren ist, worin die Rolle und die Bedeutung des EBR besteht, dann läuft dieses Gremium Gefahr, als unbedeutende Struktur von geringem Einfluß betrachtet zu werden. Insbesondere die Arbeitnehmervertreter müssen ihrer Rolle gerecht werden und die Belegschaft über die Arbeit des EBR informieren. Bestimmungen zur Weiterverbreitung von Informationen aus den EBR-Sitzungen sind in zwei Dritteln aller Vereinbarungen enthalten, während in einem Drittel der Fälle diese Frage keine Erwähnung findet. Vergleicht man dabei die MNU nach den jeweiligen Herkunftsländern, dann ergeben sich frappierende Unterschiede. Am häufigsten ist die Informationsverbreitung in Vereinbarungen von MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in den nichteuropäischen Ländern geregelt, während man bei den in Südeuropa ansässigen MNU derartige Bestimmungen nur in einem Drittel der Vereinbarungen antrifft. Darüber hinaus finden sich Bestimmungen zum Informationsrücklauf vor allem in jenen Vereinbarungen, die von nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern — entweder allein oder zusammen mit bereits eingesetzten Vertretern — unterzeichnet wurden, was wiederum am häufigsten in den MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in den nichteuropäischen Ländern der Fall ist. Wo keine bereits Abbildung 7.2 Bestimmungen zum Informationsrücklauf nach Ländergruppen As ien No De rde uts uro chs pa pra chi ger Nie Rau Fra der m, nkr lan de eic h, B e Ve Lu lgie rei xem n, nig bur tes g Kö nig rei c Irla h, nd Sü deu rop a No rda me rik a All eL änd er % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 57 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Abbildung 7.3 Bestimmungen zum Informationsrücklauf nach ausgewählten Sektoren All eS ekt ore n Be r Ölg gbau Le ew und ben inn sm ung itte l, G e und tränk Ta e Ch bak em isc he Ind ust rie Be kle Te idu xti ngs l- u ind nd ust Me rie tall ver arb eitu ng Pap ier ind ust rie Ba uge we Fin rbe anz die nst leis tun gen % Basis: Vereinbarungen, die entsprechende Angaben enthalten, N = 377. etablierten Strukturen der Arbeitnehmervertretung für die gesamte Belegschaft vorhanden sind, werden Regelungen zum Informationsrücklauf also offenbar häufiger in den Vereinbarungen festgeschrieben. Ein differenziertes Bild ergibt sich auch, wenn man die einzelnen Wirtschaftszweige miteinander vergleicht. Bestimmungen zur Informationsverbreitung sind in der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie im gesamten Dienstleistungssektor häufiger als in den übrigen Branchen des produzierenden Gewerbes anzutreffen. Im Bereich Baugewerbe und Versorgungsbetriebe ist diese Frage dagegen nur in einer Minderheit der Fälle Gegenstand der Vereinbarungen. Während die Gewährleistung des Informationsrücklaufs vor September 1994 nur in knapp über einem Viertel der Vereinbarungen Berücksichtigung fand, ist diese Frage seit der Verabschiedung der Richtlinie häufiger geregelt. Der Einfluß der subsidiären Vorschriften der Richtlinie kommt also auch hier deutlich zum Ausdruck. Die Verfahren der Weiterverbreitung von Informationen sowie der Adressatenkreis dieses Informationsrücklaufs sind von Unternehmen zu Unternehmen sehr verschieden. Dennoch lassen sich bei den betreffenden 254 Vereinbarungen hinsichtlich der Kommunikation zwischen dem EBR und der Belegschaft fünf typische Formen erkennen. Diese Kommunikationsformen, die sich gegenseitig nicht ausschließen, werden in der folgenden Auflistung drei verschiedenen Prozessen zugeordnet: (A) Verteilung einer gemeinsamen Erklärung oder eines Berichts, eines Protokolls oder einer Mitteilung — (A 1) direkt an die gesamte Belegschaft (A 2) an Arbeitnehmer- und/oder Gewerkschaftsvertreter im gesamten Unternehmen (B) Für den Informationsrücklauf sind nur die Arbeitnehmervertreter im EBR verantwortlich — (B 3) direkte Übermittlung der Informationen an die gesamte Belegschaft (B 4) Übermittlung der Informationen an Arbeitnehmer- und/oder Gewerkschaftsvertreter im gesamten Unternehmen (C 5) Verteilung einer gemeinsamen Erklärung oder eines Berichts, eines Protokolls oder einer Mitteilung an die gesamte Unternehmensleitung. 58 EBR-Sitzungen Tabelle 7.9 Informationsverbreitung (in %) Empfänger: Unternehmensleitung Empfänger: Belegschaft Empfänger: Arbeitnehmergremien A 1: A 2: C 5: 9 23 25 25 6 7 4 2 Mitteilungen 17 8 Alle 51 37 B 3: B 4: 21 18 Informationsmodus A: Gemeinsame Kanäle: Protokolle Erklärungen Berichte B: Arbeitnehmervertreter 31 Basis: Vereinbarungen, mit Angaben zum Informationsrücklauf, N = 254. Das Muster A 1 ist in der Hälfte der Vereinbarungen vorgesehen und findet besonders große Verbreitung in den MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland und in Asien. Das Muster A 2, nach dem in mehr als einem Drittel der Vereinbarungen verfahren wird, ist besonders häufig in MNU mit Sitz in Frankreich/Belgien/Luxemburg und in Nordamerika anzutreffen. Die Muster B 3 und B 4, die in knapp über 20 Prozent bzw. in etwas weniger als 20 Prozent der Fälle gewählt wurden, sind vor allem in Vereinbarungen der MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden vorgesehen und befinden sich im Einklang mit den subsidiären Vorschriften der Richtlinie. Das Muster C 5, das in 30 Prozent der Vereinbarungen gewählt wurde, findet die größte Verbreitung in den MNU mit Sitz in Frankreich/Belgien/Luxemburg und im außereuropäischen Raum. In Anbetracht der Eindringlichkeit, mit der einige Arbeitgeberverbände auf das Potential des EBR zur Stärkung des länderübergreifenden Zusammenhalt verweisen, erstaunt es vielleicht, daß die Unterrichtung der einzelnen Bereiche der Unternehmensleitung in den verschiedenen Ländern über die Sitzungen des EBR in den anderen Regionen keine besondere Berücksichtigung findet. Zwischen den einzelnen Sektoren gibt es weniger deutliche Abweichungen. Während die Muster A 1 und A 2 am weitaus häufigsten in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie anzutreffen sind, finden die Muster B 3 und B 4 in der chemischen Industrie die größte Verbreitung. 7.8 Bestimmungen zur Vertraulichkeit Eine der Fragen, über die sich die Unternehmensleitung im Hinblick auf die Tätigkeit des EBR die Größten Sorgen macht, ist die Vertraulichkeit von unternehmensinternen Informationen, die den Arbeitnehmervertretern in den Sitzungen zugänglich gemacht werden. In Artikel 8 der Richtlinie werden die Arbeitnehmervertreter dazu verpflichtet, Informationen, die ihnen von der Unternehmensleitung als vertraulich mitgeteilt werden, nicht weiterzugeben. Bei einer Untersuchung der freiwilligen Vereinbarungen deutet sich an, daß es den zentralen Unternehmensleitungen gelungen ist, eine breite Palette von restriktiven Vertraulichkeitsbestimmungen durchzusetzen. 88 Prozent der Vereinbarungen enthalten diesbezügliche Regelungen. 59 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Die Vereinbarungen beinhalten in fast allen Fällen (84 Prozent) eine allgemeine Klausel, die von den EBR-Mitgliedern verlangt, als vertraulich mitgeteilte Informationen auch entsprechend vertraulich zu behandeln. In 8 Prozent der Fälle werden die Angehörigen des EBR allgemein zur Diskretion verpflichtet. In Übereinstimmung mit der Richtlinie ist in knapp über der Hälfte der Vereinbarungen (52 Prozent) vorgesehen, daß die Vertraulichkeitsbestimmungen nach Ablauf des Mandats eines EBR-Mitglieder weiterhin ihre Gültigkeit behalten. In 22 Prozent der Fälle wird ausdrücklich festgelegt, daß auch Sachverständige zur Vertraulichkeit verpflichtet sind. 20 Prozent der Vereinbarungen sehen für den Fall eines Verstoßes gegen diese Bestimmungen entsprechende Sanktionen vor. In einer Minderheit der Fälle wurden restriktivere Maßnahmen vereinbart. So erhält die Unternehmensleitung beispielsweise in 24 Prozent der Vereinbarungen gemäß der Richtlinie das Recht, bestimmte Arten von Informationen nicht weiterzuleiten, während in 7 Prozent der Vereinbarungen die Weiterverbreitung von Informationen aus dem EBR noch dadurch eingeschränkt wird, daß auch Sitzungsprotokolle und Berichte den Vertraulichkeitsbestimmungen unterliegen. Tabelle 7.10 Vertraulichkeitsbestimmungen (in %) Vertraulichkeit geregelt Art der Vertraulichkeitsklausel A B C D E Nordeuropa 77 75 21 30 50 17 Deutschsprachiger Raum, Niederlande 88 84 24 22 53 4 Frankreich, Belgien, Luxemburg 79 77 18 25 40 12 Vereinigtes Königreich, Irland 95 93 42 25 70 39 Südeuropa 80 65 7 15 22 29 Nordamerika 100 98 67 37 60 37 Asien 100 100 29 24 71 59 88 84 27 22 52 20 Alle Länder Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. A = Als vertraulich mitgeteilte Informationen B = Vertrauliche Sitzungsprotokolle/Berichte und/oder Recht auf Einbehaltung von Informationen C = Geltungsbereich auch für Sachverständige D = Verpflichtung zur Vertraulichkeit nach Ablauf des Mandats E = Sanktionen bei Verstößen In Abhängigkeit vom Herkunftsland ergeben sich in der Häufigkeit von Vertraulichkeitsklauseln deutliche Unterschiede. Während sie bei den in Nordamerika und Asien ansässigen MNU in allen Vereinbarungen und bei den MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich/in Irland in fast allen Vereinbarungen enthalten sind, findet man sie bei den MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern, in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und in den südeuropäischen Ländern nur in vier von fünf Fällen. Fast immer anzutreffen sind Vertraulichkeitsbestimmungen auch in jenen Vereinbarungen, die mit nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern abgeschlossen wurden. In ausschließlich von Gewerkschaften unterzeichneten Vereinbarungen ist dies im Vergleich dazu seltener der Fall. 60 EBR-Sitzungen Außerdem läßt sich feststellen, daß Vertraulichkeitsbestimmungen, die stärker ins Detail gehen und einen restriktiveren Charakter haben, am häufigsten von MNU aus nichteuropäischen Staaten und aus der Ländergruppe Vereinigtes Königreich/Irland vereinbart wurden. Das könnte einerseits daran liegen, daß es in diesen Ländern im nationalen Rahmen keine Erfahrungen auf dem Gebiet der Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern gibt und sich daher zwischen den beiden Seiten noch kein entsprechendes Vertrauen bilden konnte. Andererseits könnten hier aber auch die unterschiedlichen Traditionen der Unternehmensführung eine Rolle spielen: In den angelsächsischen Ländern wird den Rechten der Aktionäre höchste Priorität eingeräumt, und die Arbeitnehmer haben innerhalb der Unternehmen keine formaljuristischen treuhänderischen Rechte, die ihnen in den Systemen der Unternehmensführung auf dem europäischen Kontinent dagegen in mehr oder weniger großem Umfang zugebilligt werden. Der Einfluß der Richtlinie auf den Inhalt der freiwilligen Vereinbarungen macht sich auch im Hinblick auf die Bestimmungen zur Vertraulichkeit bemerkbar: So enthalten nicht einmal die Hälfte der Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994 derartige Klauseln, die zudem weniger ins Detail gehen und weniger restriktiv sind als in den Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie abgeschlossen wurden. 7.9 Schutz der Arbeitnehmervertreter im EBR Artikel 10 der Richtlinie legt fest, daß die dem EBR angehörenden Arbeitnehmer während der Ausübung ihres Mandats bei Sanktionen seitens der Unternehmensleitung den gleichen Schutz genießen, der nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zur Anwendung kommt. Entsprechende Bestimmungen finden sich in 59 Prozent der Vereinbarungen. Gemäß der Richtlinie ist in ungefähr der Hälfte der Vereinbarungen (49 Prozent) vorgesehen, daß den Vertretern der Arbeitnehmerseite der gleiche Schutz zuteil wird, den sie auch nach den nationalen Rechtsvorschriften und landesüblichen Gepflogenheiten genießen. 19 Prozent der Vereinbarungen enthalten als Alternative, die jedoch in der Regel eine Ergänzung darstellt, noch eine Bestimmung, wonach den Arbeitnehmervertretern aus der Ausübung ihrer Funktion keine Vor- oder Nachteile erwachsen dürfen. Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmervertreter wurden am häufigsten von den MNU mit Sitz in Südeuropa und in Nordamerika und am seltensten von den MNU mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg vereinbart. Bei einer Gegenüberstellung der Wirtschaftszweige zeigt sich, daß diese Bestimmungen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie relativ stark verbreitet sind, während man sie in der chemischen Industrie, in der Textil- und Bekleidungsbranche und im Baugewerbe relativ selten antrifft. Untersucht man die Unterschiede im Hinblick auf die Struktur des EBR, dann stellt sich heraus, daß diese Bestimmungen mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit in jenen EBR vereinbart wurden, die einen engeren Ausschuß einsetzen und eine Sitzungsleitung durch Vertreter der Arbeitnehmerseite vorsehen. In Vereinbarungen, die von nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern unterzeichnet wurden, trifft man Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer interessanterweise genauso oft an wie dort, wo bereits eingesetzte Vertreter die Unterschrift geleistet haben. Außerdem ist der Schutz der Vertreter der Arbeitnehmerseite nach Verabschiedung der Richtlinie häufiger in den Vereinbarungen festgeschrieben worden als in der Zeit vor September 1994. 61 Be r Ölg gbau ew und inn Ch ung em isc he Ind ust rie Ge Le trä ben nke sm und itte Ta l, bak Me tall ver arb eitu ng Pap ier Te ind xti ust l- u rie nd Be kle idu ind ngsust rie Ba uge we Fin rbe anz die nst leis tun gen Basis: Alle Vereinbarungen, N = 377. 62 All eL änd er As ien No rda me rik a Sü deu rop a No rde De uro uts chs pa pra chi ge Nie r Rau der m, Fra lan nkr de eic h/B Ve Lu elgie rei xem n/ nig bur tes g Kö nig rei c Irla h, nd Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Abbildung 7.4 Schutz der Arbeitnehmer, die dem EBR angehören % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Abbildung 7.5 Schutz der Arbeitnehmer nach ausgewählten Sektoren % Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen Kapitel 8 Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, bis zu welchem Grad den Vertretern der Arbeitnehmerseite im EBR in den Vereinbarungen das Recht gewährt wird, vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen abzuhalten und sich von Sachverständigen beraten zu lassen. Ferner enthält es Ausführungen zu den Bestimmungen hinsichtlich der Verwaltungsausgaben des EBR. 8.1 Vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen Da die meisten EBR nur einmal im Jahr eine Sitzung abhalten, können vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen für die Arbeitnehmerseite von großem Nutzen sein. Insbesondere vorbereitende Sitzungen bieten den Arbeitnehmervertretern die Chance, sich im Vorfeld der Gespräche mit der Unternehmensleitung über bestimmte Fragen zu einigen oder gemeinsame Strategien zu entwickeln, während in den Folgesitzungen Gelegenheit ist, nachträgliche Betrachtungen über die erhaltenen Informationen anzuAbbildung 8.1 Vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen Nur vorbereitende Sitzungen 63 % Keine Regelung 15 % Vorbereitende Sitzungen und Folgesitzungen 22 % Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. 63 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte stellen und diese entsprechend zu reflektieren. In den Bestimmungen des Anhangs der Richtlinie sind zwar vorbereitende Sitzungen, aber keine Folgesitzungen vorgesehen. Die weitaus meisten EBR (85 Prozent) haben das Recht, vorbereitende Sitzungen ohne das Beisein der Unternehmensleitung abzuhalten. Folgesitzungen sind dagegen weniger verbreitet und nur in 22 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. In lediglich drei Fällen (weniger als 1 Prozent) ermöglichen die Vereinbarungen zwar Folgesitzungen, aber keine vorbereitenden Sitzungen. Die Durchführung vorbereitender Sitzungen wurde von fast allen MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern, aber von nicht einmal 80 Prozent der MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden vereinbart. Letzteres könnte mit einer weiteren Tendenz zusammenhängen, die darin besteht, daß Bestimmungen über vorbereitende Sitzungen in Vereinbarungen, die nur von Betriebsratsvertretern unterzeichnet wurden, seltener enthalten sind. Man könnte daraus schließen, daß Strukturen für die Durchführung von vorbereitenden Sitzungen in diesen Fällen bereits existieren. Sektorenspezifische Unterschiede lassen sich hinsichtlich der Bestimmungen über vorbereitende Sitzungen kaum feststellen. Die Möglichkeit, vorbereitende Sitzungen abzuhalten, steht auch im Zusammenhang mit Aspekten der Struktur und Arbeitsweise des EBR. Regelungen zur Durchführung solcher Sitzungen sind dort stärker verbreitet, wo die Einsetzung eines engeren Ausschusses vereinbart wurde und wo an den EBR-Sitzungen auch externe Vertreter teilnehmen können. Erheblich seltener sind sie dagegen dann anzutreffen, wenn die Festlegung der Tagesordnung und die Verfassung der Sitzungsprotokolle einzig und allein das Recht der Unternehmensleitung ist. Ein weniger einheitliches Bild ergibt sich hinsichtlich der Folgesitzungen. Am häufigsten finden sich dazu entsprechende Bestimmungen in Vereinbarungen der MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich und in Irland, während bei den in Südeuropa ansässigen MNU keine Vereinbarung eine solche Möglichkeit vorsieht. Innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige sind Folgesitzungen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie im Bereich der Finanzdienstleistungen relativ weit verbreitet und in der chemischen Industrie sowie in der Textil- und Bekleidungsbranche am seltensten anzutreffen. Hinsichtlich der Struktur und Arbeitsweise des EBR werden Folgesitzungen mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit in jenen Gremien durchgeführt, die einen engeren Ausschuß eingesetzt haben, was auf ein Potential für dauerhafte Aktivitäten auch zwischen den EBR-Sitzungen hindeutet. Sie finden außerdem eine größere Verbreitung, wenn die Arbeitnehmerseite allein für die Aufstellung der Tagesordnung zuständig ist, und sind besonders selten dann anzutreffen, wenn Tagesordnung und Protokollführung ausschließlich in den Aufgabenbereich der Unternehmensleitung fallen. Allerdings läßt sich eine größere Häufigkeit von Folgesitzungen auch dort feststellen, wo die Unterzeichner der Vereinbarung nicht näher bezeichnete „Arbeitnehmervertreter“ umfassen. Das deutet darauf hin, daß Folgesitzungen in Unternehmen, die nicht über etablierte Strukturen der Arbeitnehmervertretung verfügen, eine Rolle bei der Bereitstellung des entsprechenden Informationsrücklaufs spielen können. Der Einfluß der subsidiären Vorschriften der Richtlinie zeigt sich daran, daß die Aufnahme von Bestimmungen über vorbereitende Sitzungen, allerdings nicht über Folgesitzungen, bei den Vereinbarungen seit September 1994 inzwischen zur üblichen Praxis geworden ist. Obwohl auch die meisten früheren Vereinbarungen die Durchführung vorbereitender Sitzungen vorsehen, beträgt der entsprechende Anteil nur 65 Prozent. Folgesitzungen waren in der Zeit vor Verabschiedung der Richtlinie eine große Ausnahme und wurden nur in 10 Prozent der Fälle vereinbart. 64 Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen 8.2 Sachverständige Innerhalb der Vereinbarungen getroffene Regelungen bezüglich der Einschaltung externer Sachverständiger zur Beratung und Erstellung von Berichten spielen eine wichtige Rolle. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß die Arbeitnehmerseite der EBR über die entsprechenden Voraussetzungen für ihre Arbeit verfügt. In den subsidiären Vorschriften der Richtlinie heißt es dazu: „Der Europäische Betriebsrat und der engere Ausschuß können sich durch Sachverständige ihrer Wahl unterstützen lassen, sofern dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.“ Die Rolle von Sachverständigen war bereits Gegenstand des Kapitels 5, wo Regelungen erörtert wurden, die eine Teilnahme externer Vertreter an den EBR-Sitzungen von Rechts wegen oder auf Einladung ermöglichen. In etwa vier von fünf Vereinbarungen ist eine Teilnahme externer Vertreter an den EBR-Sitzungen vorgesehen, wobei in vielen Fällen auch ausdrücklich von „Sachverständigen“ die Rede ist. 78 Prozent der Vereinbarungen gewähren der Arbeitnehmerseite die Möglichkeit, externe Sachverständige hinzuzuziehen. Eine Begrenzung auf höchstens einen Sachverständigen ist in 17 Prozent aller Vereinbarungen vorgesehen. In den meisten Fällen finden sich dagegen entweder keine speziellen Bestimmungen zur Anzahl der Sachverständigen (29 Prozent), oder es wird ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, zwei oder mehr Sachverständige einzuschalten (31 Prozent). Tabelle 8.1 Möglichkeit der Einschaltung von Sachverständigen nach Ländergruppen (in %) Anzahl Vorgesehen ein Sachverständiger zwei oder mehr Sachverständige keine Angaben zur Anzahl 87 15 28 44 81 15 23 43 Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 71 24 38 9 79 67 75 77 13 7 19 24 40 27 41 30 26 33 15 23 Alle Länder 78 17 32 28 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. In vier von fünf Vereinbarungen, die diesbezügliche Bestimmungen enthalten, finden sich Regelungen, die eine Teilnahme dieser Sachverständigen an den Vollsitzungen der EBR ermöglichen. (Das entspricht einem Anteil von 59 Prozent an der Gesamtzahl der Vereinbarungen.) Wie bereits im Kapitel 5 festgestellt wurde, ist eine Teilnahme auf Einladung stärker verbreitet als eine Teilnahme von Rechts wegen: In drei von vier der betreffenden Fälle bedarf es einer Einwilligung seitens der Unternehmensleitung. Ganz allgemein läßt sich feststellen, daß dort, wo eine Einschaltung externer Sachverständiger vereinbart wurde, in neun von zehn Fällen auch eine Teilnahme externer Vertreter an den EBR-Sitzungen von Rechts wegen oder auf Einladung vorgesehen ist. Darüber hinaus — in einigen Fällen aber auch anstelle dessen — können die Vereinbarungen Bestimmungen enthalten, die externen Sachverständigen eine Teilnahme an Sitzungen des engeren Ausschusses (in 11 Prozent der Fälle) und an vorbereitenden Sitzungen ermöglichen. So ist beispielsweise die Möglichkeit einer Beteiligung externer Sachverständiger 65 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte an Sitzungen des engeren Ausschusses in 11 Prozent der Vereinbarungen vorgesehen. Dies entspricht knapp einem Fünftel der EBR, die über einen solchen engeren Ausschuß verfügen. In mehr als einem Viertel dieser Fälle bedarf es dazu einer Einwilligung seitens der Unternehmensleitung. Regelungen, die eine Teilnahme externer Vertreter an vorbereitenden Sitzungen ermöglichen, sind in 42 Prozent der Vereinbarungen enthalten, wobei es jedoch sein könnte, daß die Präsenz von Sachverständigen in diesen Sitzungen in der Praxis ein deutlich größeres Ausmaß erreicht. Die Aufnahme spezifischer Regelungen in die Vereinbarungen ist nur dann möglich, wenn die Kosten für eine Beteiligung von Sachverständigen an vorbereitenden Sitzungen von der Unternehmensleitung übernommen werden (siehe weiter unten). Die größte Verbreitung finden Bestimmungen zur Einschaltung externer Sachverständiger in Vereinbarungen, die von MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern abgeschlossen wurden. Am schwächsten ist diese Tendenz dagegen in Südeuropa ausgeprägt. Während sämtliche derartigen Übereinkünfte, die dort zustande kamen, eine Teilnahme von Sachverständigen an den Vollsitzungen des EBR vorsehen, wird die Möglichkeit einer Beteiligung an vorbereitenden Sitzungen aber nur in den seltensten Fällen eingeräumt. Vereinbarungen, die eine Teilnahme von Sachverständigen an Vollsitzungen des EBR vorsehen, sind in MNU mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg am wenigsten stark verbreitet (zwei Drittel aller betreffenden Fälle). Bei der Ermöglichung einer Teilnahme von Sachverständigen an den vorbereitenden Sitzungen stehen die MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich und in Irland an der Spitze. Darüber hinaus läßt sich feststellen, daß Angaben zur Anzahl der Sachverständigen, die von der Arbeitnehmerseite zu Rate gezogen werden können, sowie Bestimmungen, nach denen nur ein Sachverständiger eingeschaltet werden darf, in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg am häufigsten anzutreffen sind, wobei Regelungen zur Beschränkung auf lediglich einen Sachverständigen auch in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in Nordamerika und Asien im Vergleich zu den übrigen Regionen relativ große Verbreitung finden. Deutlich geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Festschreibung der Anzahl der von der Arbeitnehmerseite einzuschaltenden Sachverständigen dagegen in Vereinbarungen, die von MNU mit Sitz in Nordeuropa, im deutschsprachigen Raum und den Niederlanden sowie in den südeuropäischen Ländern abgeschlossen wurden. Tabelle 8.2 Möglichkeit der Einschaltung von Sachverständigen nach ausgewählten Sektoren (in %) Anzahl Vorgesehen ein Sachverständiger zwei oder mehr keine SachverAngaben ständige zur Anzahl Bergbau und Öl 46 28 9 9 Chemie 71 5 26 40 Lebensmittel, Getränke, Tabak 81 13 43 25 Metallverarbeitung 79 21 31 27 Papierindustrie 86 22 22 42 Textil- und Bekleidungsindustrie 75 37 — 38 Baugewerbe, Versorgungsbetriebe 92 16 46 30 Finanzdienstleistungen 80 17 31 29 Alle Sektoren 78 17 31 29 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. Untersucht man nun die Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren, so ergibt sich der geringste Spielraum für eine Einschaltung von Sachverständigen im Bereich Bergbau und Ölgewinnung. Am wei- 66 Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen testen verbreitet sind Regelungen bezüglich des Hinzuziehens externer Sachverständiger dagegen in Vereinbarungen im Baugewerbe und in den Versorgungsbetrieben, wo zudem auch die Möglichkeit, zwei oder mehr Sachverständige zu Rate zu ziehen, häufiger festgeschrieben wurde als in den übrigen Wirtschaftszweigen. Bestimmungen zur Begrenzung auf lediglich einen Sachverständigen sind am häufigsten in der Textil- und Bekleidungsindustrie anzutreffen. Bei der Frage der Einschaltung von Sachverständigen spielen noch andere Merkmale der Struktur und Tätigkeit der EBR eine Rolle. So ist diese Tendenz in EBR, die über einen engeren Ausschuß verfügen, stärker ausgeprägt als dort, wo ein solches Gremium nicht existiert. Bei Vorhandensein eines engeren Ausschusses wird Sachverständigen auch eher die Möglichkeit eingeräumt, an vorbereitenden Sitzungen teilzunehmen, während Regelungen zur Begrenzung auf ausschließlich einen Sachverständigen in diesen Fällen weniger häufig anzutreffen sind. Außerdem findet das Hinzuziehen von Sachverständigen auch dort eine stärkere Verbreitung, wo vorbereitende Sitzungen stattfinden und wo die Durchführung von Folgesitzungen vorgesehen ist. Insgesamt deuten diese Merkmale darauf hin, daß sich in bestimmten EBR ein Trend zur Professionalisierung abzeichnet. Die Auswirkungen der Richtlinie treten auch in diesem Bereich deutlich zutage. Vereinbarungen, die seit Verabschiedung der Richtlinie abgeschlossen wurden, enthalten häufiger Bestimmungen hinsichtlich der Einschaltung von Sachverständigen und deren Teilnahme an verschiedenen Arten von Sitzungen als Vereinbarungen, die aus der Zeit vor September 1994 datieren. 8.3 Verwaltungsausgaben Nach Maßgabe der subsidiären Vorschriften der Richtlinie gehen die Verwaltungsausgaben des EBR zu Lasten der zentralen Leitung. Lediglich zehn der insgesamt 386 Vereinbarungen enthalten keine entsprechende Regelung, wohingegen in den übrigen Fällen (97 Prozent aller Vereinbarungen) eine Übernahme der Verwaltungsausgaben des EBR durch die Unternehmensleitung festgelegt worden ist. In 86 Prozent der Vereinbarungen hat die Unternehmensleitung die Reise- und Aufenthaltskosten zu tragen, und in drei von vier Fällen wird den Arbeitnehmervertretern auch eine bezahlte Freistellung zur Teilnahme an den Sitzungen gewährt. Wie in Kapitel 7 bereits ausgeführt wurde, sorgt die Unternehmensleitung in 78 Prozent der EBR für die Bereitstellung der Dolmetscher- und Übersetzungsdienste. Außerdem übernimmt die Unternehmensleitung bei einer Einschaltung von Sachverständigen in vier von fünf Fällen (d. h. in 61 Prozent aller Vereinbarungen) die Kosten für mindestens einen Sachverständigen, wobei sich diese Fälle zu gleichen Teilen auf die Kostenübernahme für einen Sachverständigen und die Kostenübernahme für zwei oder mehr Sachverständige verteilen. Darüber hinaus werden in einem geringeren Anteil der Vereinbarungen noch weitere Aspekte der Verwaltungsausgaben der EBR spezifiziert. 55 Prozent der betreffenden Fälle (d. h. 45 Prozent aller Vereinbarungen) enthalten spezifische Regelungen, wonach die Unternehmensleitung die Kosten für vorbereitende Sitzungen zu tragen hat, wobei dies de facto wahrscheinlich noch in einer Reihe von weiteren Unternehmen der Fall ist, da die vorbereitenden Sitzungen fast immer unmittelbar vor den Vollsitzungen des EBR durchgeführt werden und sich der Sitzungsort in der Regel in der Nähe des Sitzungsortes für die Vollsitzung befindet. Eine finanzielle Unterstützung der fortlaufenden Tätigkeit der Arbeitnehmervertreter in den EBR wird in 5 Prozent der Vereinbarungen gewährt. 22 Prozent der Vereinbarungen legen fest, daß die Kosten für die Unterstützung der Arbeitnehmerseite durch Sekretariatstätigkeiten und in technischen Fragen zu Lasten der Unternehmensleitung gehen. Außerdem erhalten einige oder alle Arbeitnehmervertreter in 19 Prozent der Vereinbarungen auch einen Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Wahrnehmung von Aufgaben im EBR, die über die Teilnahme an den Sitzungen hinausgehen. Nach Maßgabe von 10 Prozent der Vereinbarungen verfügt der EBR über ein eigenes Budget mit eigener Haushaltskontrolle. 67 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Tabelle 8.3 Verwaltungsausgaben nach Ländergruppen (in %) A B C D E F G H 81 85 38 19 23 53 17 23 52 75 31 21 27 33 10 23 Nordeuropa Deutschsprachiger Raum, Niederlande Frankreich, Belgien, Luxemburg Vereinigtes Königreich, Irland Südeuropa Nordamerika Asien 97 95 69 30 21 41 13 36 88 73 78 70 95 80 88 100 56 47 43 47 19 13 30 29 40 13 25 18 32 13 35 12 5 7 8 — 9 26 18 12 Alle Länder 74 86 45 23 26 35 10 22 Basis: Alle Vereinbarungen, N = 386. A = bezahlte Freistellung zur Sitzungsteilnahme C = vorbereitende Sitzung E = Einschaltung von mehr als einem Sachverständigen G = Budget B = Reise-/Aufenthaltskosten D = Einschaltung eines Sachverständigen F = Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmervertreter H = Sekretariatskosten und technische Unterstützung Eher überraschend ist die Feststellung, daß Bestimmungen zur Kostenübernahme bei Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmervertreter nur in 35 Prozent der Vereinbarungen enthalten sind. Wo dies der Fall ist, beziehen sich solche Regelungen zumeist auf die Verbesserung der Sprachkenntnisse (22 Prozent aller Vereinbarungen). Eine Übernahme der Kosten für Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet Wirtschaft und Finanzen sowie zu unternehmensspezifischen Themen ist jeweils nur in 5 Prozent aller Vereinbarungen geregelt. Tabelle 8.4 Verwaltungskosten nach ausgewählten Sektoren A B C D E F G (in %) H Bergbau und Öl Chemie Lebensmittel und Getränke Metallverarbeitung Papierindustrie Textilindustrie usw. Baugewerbe, Versorgungsbetriebe Finanzdienstleistungen 73 83 68 68 100 67 69 90 82 94 82 81 100 100 85 80 27 57 53 39 36 42 38 60 27 30 15 27 29 33 23 45 9 38 20 24 14 25 31 20 18 28 35 36 21 33 38 35 — 6 6 12 — 17 15 10 18 23 18 22 — 17 31 25 Alle Sektoren 73 85 44 23 26 34 10 22 Basis: N = 386. A = bezahlte Freistellung zur Sitzungsteilnahme C = vorbereitende Sitzung E = Einschaltung von mehr als einem Sachverständigen G = Budget 68 B = Reise-/Aufenthaltskosten D = Einschaltung eines Sachverständigen F = Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmervertreter H = Sekretariatskosten und technische Unterstützung Erleichterung der Tätigkeit der Arbeitnehmerseite und Einschaltung von Sachverständigen Verglichen mit anderen Ländergruppen sind Bestimmungen zur Übernahme der Verwaltungsausgaben durch die Unternehmensleitung in Vereinbarungen von MNU mit Sitz im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden etwas weniger stark verbreitet, während die MNU mit Sitz in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg hier den größten Anteil erreichen. Das gleiche gilt auch für Regelungen, wonach die Unternehmensleitung die Kosten für vorbereitende Sitzungen zu tragen hat, die wiederum am häufigsten in Vereinbarungen der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und am seltensten in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande sowie in den nordeuropäischen Ländern anzutreffen sind. Auch hinsichtlich des Anteils der Vereinbarungen, die eine Erstattung der Aufwendungen für Sekretariatstätigkeiten und technische Unterstützung für den EBR vorsehen, steht die Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg an der Spitze, während die Wahrscheinlichkeit derartiger Übereinkünfte bei den MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich und Irland sowie in den nichteuropäischen Ländern am geringsten ist. Regelungen zur Übernahme der Ausbildungskosten finden die stärkste Verbreitung in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in den nordeuropäischen Ländern und sind am seltensten in Vereinbarungen von MNU mit Sitz in Südeuropa und Asien anzutreffen. Es zeichnet sich die Tendenz ab, daß in jenen EBR, wo der Vorsitz von einem Vertreter der Arbeitnehmerschaft und nicht von der Unternehmensleitung geführt wird, auch ein breiteres Spektrum der Verwaltungsausgaben zu Lasten der Unternehmensleitung geht. In Fällen, wo die Arbeitnehmerseite den Vorsitz führt und/oder ein engerer Ausschuß besteht, ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß sowohl die Kosten für Sachverständige als auch die Aufwendungen für Sekretariatstätigkeiten und technische Unterstützung erstattet werden und daß der EBR über ein eigenes Budget verfügt. Ferner enthalten die Vereinbarungen in diesen EBR auch häufiger Bestimmungen, die eine Übernahme sämtlicher Ausbildungskosten für Arbeitnehmervertreter vorsehen. Diese Erkenntnisse sind ein weiteres Anzeichen dafür, daß in einigen EBR ein Trend zur Professionalisierung besteht. 69 Kapitel 9 Schlußfolgerungen Der Artikel 13 der Richtlinie 94/45/EG des Rates hat die zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern auf europäischer Ebene geführten Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte in erheblichem Maße beeinflußt. Gemäß den Bestimmungen dieses Artikels wurden im Zeitraum bis zum 22. September 1996 annähernd 400 freiwillige Vereinbarungen abgeschlossen, so daß ungefähr jedes dritte der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden multinationalen Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. In dem vorliegenden Bericht, der sich auf die Datenbank der Europäischen Stiftung und die darin enthaltenen umfangreichen Angaben über 386 Vereinbarungen nach Artikel 13 stützt, wurden die wichtigsten Bestimmungen dieser Texte untersucht, und es wurde Versucht, innerhalb dieser erheblich voneinander abweichenden Regelungen bestimmte einheitliche Muster aufzuzeigen. Um die gewonnenen Erkenntnisse und die damit verbundenen Folgen einer allgemeinen Beurteilung zu unterziehen, befaßt sich dieses Schlußkapitel mit drei Fragestellungen. Als erstes wird untersucht, in welchem Maße sich die Bestimmungen der Vereinbarungen nach Artikel 13 und die im Anhang der Richtlinie enthaltenen rechtsverbindlichen Regelungen zur Einsetzung eines EBR qualitativ voneinander unterscheiden. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich die verhandlungsführenden Parteien beim Abschluß der Vereinbarungen an die subsidiären Vorschriften der Richtlinie gehalten haben und bis zu welchem Grad sie davon abgewichen sind. Ein besonders hervorstechendes Merkmal ist in diesem Zusammenhang die Rolle, die den Gewerkschaften sowohl bei der Aushandlung der Vereinbarungen als auch im Rahmen der Tätigkeit der EBR zugewiesen wird. Zweitens soll anhand der in den vorausgehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse gezeigt werden, welche wesentlichen Unterschiede sich zwischen den Vereinbarungen in Abhängigkeit von dem Land, in dem die betreffenden MNU ansässig sind, vom Wirtschaftszweig und von der Beschäftigungsgröße ergeben. Aus der Beurteilung des wesentlichen Charakters der in den Vereinbarungen nach Artikel 13 enthaltenen Bestimmungen lassen sich dann drittens einige Fragen bezüglich der künftigen Entwicklung der EBR erörtern. 71 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte 9.1 Vereinbarungen nach Artikel 13 und Anhang der Richtlinie In einer bedeutenden Anzahl der Fälle lassen sich zwischen den nach Artikel 13 abgeschlossenen Vereinbarungen und den Bestimmungen des Anhangs der Richtlinie inhaltliche Abweichungen feststellen, die vier Punkte betreffen. Dies betrifft die Rolle der Gewerkschaften, das Ausmaß der Anwendung gemeinsamer Verfahren bezüglich der Arbeitsweise des EBR, die Einbeziehung von Betrieben in Ländern außerhalb jener EWR-Staaten, die der Richtlinie zugestimmt haben, und Fragen des Geltungsbereichs der Vereinbarungen hinsichtlich der Unternehmensstruktur. Dennoch haben sich die subsidiären Vorschriften der Richtlinie in vielen Fällen erheblich auf den Inhalt der Vereinbarungen ausgewirkt, die seit September 1994 in zunehmendem Maße weitreichende und detaillierte Bestimmungen enthalten. Eine Rolle der Gewerkschaften bei Verhandlungen zur Einsetzung eines EBR oder bei der Tätigkeit dieses Gremiums ist in den Bestimmungen des Anhangs nicht vorgesehen, wobei sich in der Praxis der Arbeitsbeziehungen in Europa jedoch ein anderes Bild bietet. Wie sich anhand der Vereinbarungen nach Artikel 13 zeigt, sind Gewerkschaften in erheblichem Maße nicht nur am Abschluß der Vereinbarungen selbst, sondern auch an den Arbeitsabläufen des EBR beteiligt. Fast jede zweite Vereinbarung wurde direkt von Gewerkschaften unterzeichnet. Da weitere Vereinbarungen die Unterschrift von zentralen Betriebsräten tragen, die in Österreich und Deutschland auch von Gewerkschaften beeinflußt werden, ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß Gewerkschaften in bis zu zwei Dritteln aller Fälle maßgeblich an den Verhandlungen zur Einsetzung des EBR beteiligt waren. Hinsichtlich der Arbeitsabläufe im EBR läßt sich feststellen, daß Gewerkschaftsfunktionäre in annähernd einem von vier Fällen entweder Vollmitglieder sind oder das Recht auf Teilnahme an den Sitzungen haben, während in weiteren Vereinbarungen die Möglichkeit einer Einladung zu diesen Sitzungen vorgesehen ist. Ferner kann man davon ausgehen, daß es sich bei den „Sachverständigen“ oder „Gästen“, die von der häufig vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, von Rechts wegen oder auf Einladung an den Sitzungen teilzunehmen, in vielen Fällen ebenfalls um Gewerkschaftsfunktionäre handelt. Wie im letzten Abschnitt noch ausgeführt wird, dürften die Folgen dieses Eingreifens der Gewerkschaften in die Arbeitsabläufe des EBR von entscheidender Bedeutung für die Frage sein, ob sich die EBR zu aktiven Gremien entwickeln, die jederzeit handlungsfähig sind und ihren Einfluß geltend machen können, oder ob sie nur eine rein formelle oder symbolische Rolle spielen. Das in den rechtsverbindlichen Regelungen des Anhangs der Richtlinie vorgesehene Modell, wonach sich der EBR ausschließlich aus Vertretern der Arbeitnehmerseite zusammensetzt, ist in nicht einmal einem Drittel der Vereinbarungen vorgesehen. In den meisten Fällen wird dagegen die Einsetzung eines gemischt besetzten Gremiums angestrebt, dem neben Arbeitnehmervertretern auch Vertreter der Unternehmensleitung angehören. Dieses Prinzip der gemeinsamen Verantwortung kommt in den betreffenden EBR-Vereinbarungen dann auch bei anderen Fragen zur Anwendung, wie etwa bei den Verfahren zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen, bei der Festlegung der Tagesordnung, bei der Protokollführung und bei der Weiterverbreitung von Informationen über den Inhalt und die Ergebnisse der EBRSitzungen an andere Arbeitnehmervertreter und an die Allgemeinheit der Belegschaftsmitglieder. Fälle, in denen die Arbeitnehmerseite für diese Fragen zuständig ist, konzentrieren sich erwartungsgemäß in jenen EBR, die reine Arbeitnehmervertretungen darstellen. Ein weiterer diesbezüglicher Unterschied betrifft die Einsetzung von engeren Ausschüssen, die in rein arbeitnehmerseitigen Gremien häufiger anzutreffen ist als in gemischt besetzten EBR. Auch innerhalb der EBR, die sich als gemischt besetzte Gremien konstituieren, lassen sich in der Mehrzahl der Fälle Unterschiede erkennen. Während vielfach für die Arbeitsabläufe dieser EBR offenbar gemeinsame Verfahren angestrebt werden, fällt auf, daß ein geringerer Teil dieser Vereinbarungen in Fragen der Festlegung der Tagesordnung, bei der Verfassung der Sitzungsprotokolle und insbesondere bei der Einberufung außerordentlicher Sitzungen auch einseitige Rechte für die Unternehmensleitung vorsieht. 72 Schlußfolgerungen Nach den Bestimmungen des Anhangs umfaßt der EBR Arbeitnehmervertreter aus Betrieben in Ländern, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Es ist jedoch festzustellen, daß nahezu alle Unternehmen mit Betrieben im Vereinigten Königreich eine Vertretung der dortigen Belegschaft im EBR vereinbart haben, obwohl das Vereinigte Königreich aufgrund des nicht erfolgten Beitritts zum Protokoll über die Sozialpolitik des Vertrags von Maastricht vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen war. Zu den weiteren Ländern außerhalb dieses Geltungsbereichs, die in einem geringeren Teil der Vereinbarungen mit einbezogen wurden, zählen vor allem die Schweiz, gefolgt von den Ländern Mitteleuropas. Eine Abweichung ganz anderer Art von den Bestimmungen des Anhangs betrifft jene nicht unerhebliche Minderheit der Vereinbarungen, die vorsehen, daß für Betriebe in einem Land innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie bei Unterschreitung eines festgelegten Beschäftigungsschwellenwerts kein automatischer Anspruch auf Vertretung im EBR besteht. Eine vierte Art der Abweichung von dem in der Richtlinie vorgesehenen Modell ist die in annähernd einem Viertel der Vereinbarungen vorgesehene Einsetzung von EBR-Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs. In zwei Dritteln dieser Fälle wurde anstelle einer einheitlichen Struktur für die gesamte Unternehmensgruppe, wie sie in den subsidiären Vorschriften festgelegt wurde, eine eindimensionale Struktur für die Ebene der Unternehmensbereiche eingesetzt. In dem verbleibenden Drittel dieser Fälle bestehen dagegen neben dem EBR für die gesamte Unternehmensgruppe noch Strukturen für die Ebene der Unternehmensbereiche. Die Entscheidung für die Einsetzung solcher unternehmensbereichsbezogenen Strukturen steht offenbar im Zusammenhang mit den internationalen Leitungsstrukturen der betreffenden MNU — eine Überlegung, die in besonderem Maße die außerhalb Europas ansässigen MNU betrifft. Inwieweit sich durch eindimensionale EBR-Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs die Möglichkeit bietet, bei Fragen, die nicht nur einzelne Unternehmensbereiche sondern die gesamte Unternehmensgruppe betreffen, eine effektive Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu gewährleisten, muß sich noch erweisen. Bei einer Gegenüberstellung der vor September 1994 unterzeichneten Vereinbarungen mit jenen Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie abgeschlossen (oder verlängert) wurden, ist jedoch deutlich zu erkennen, daß die im Anhang der Richtlinie enthaltenen Vorschriften in anderen Punkten mittlerweile den Maßstab bilden, an dem sich die Verhandlungsparteien orientieren. Im Hinblick auf bestimmte zentrale Fragen hat die Verabschiedung der Richtlinie bei den Vereinbarungen zu einem größeren Maß an Konformität geführt. So läßt sich z. B. feststellen, daß jene wenigen Vereinbarungen, die dem EBR eine gewisse Verhandlungsrolle zubilligen, ausnahmslos aus der Zeit vor September 1994 stammen, während sämtliche in der Folgezeit unterzeichneten Vereinbarungen die Rolle des EBR im Sinne der Richtlinie auf die Unterrichtung und Anhörung eingrenzen. Auch die Durchführung von jährlich zwei Sitzungen ist mit größerer Wahrscheinlichkeit in Vereinbarungen aus der Zeit vor September 1994 vorgesehen als in Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie zustande kamen. Ein weiterer Unterschied betrifft die Aufnahme formaljuristischer Bestimmungen in die Vereinbarungen, die nach Verabschiedung der Richtlinie deutlich zugenommen hat. Spezifische Bestimmungen zu Fragen in bezug auf die Zuständigkeit des EBR, die Auswahl der Arbeitnehmervertreter, die Verfahren bei Sitzungen und die Vertraulichkeit von Informationen sind stets mit größerer Wahrscheinlichkeit in jenen Vereinbarungen anzutreffen, die aus der Zeit nach September 1994 stammen. Nach einer ersten Durchsicht der nach Artikel 6 abgeschlossenen Vereinbarungen deutet sich bereits an, daß sich diese formaljuristische Dichte nach Inkrafttreten der Artikel 5 und 6 noch weiter erhöht hat (EBRB, 1997). Die Bestimmungen der Richtlinie haben sich also auf den Inhalt der in der Folgezeit ausgehandelten Vereinbarungen deutlich ausgewirkt. 73 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte 9.2 Unterschiede in Abhängigkeit von der Art des Unternehmens Wie sich in der vorgenommenen Analyse gezeigt hat, ergeben sich in Abhängigkeit vom Herkunftsland des betreffenden MNU, von der Branche, in der dieses Unternehmen tätig ist, und von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer Unterschiede in der Häufigkeit des Abschlusses von Vereinbarungen sowie Abweichungen in bezug auf deren Inhalt. Die „Häufigkeitsrate“ des Abschlusses von Vereinbarungen nach Artikel 13 bezogen auf die Anzahl der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden multinationalen Unternehmen bewegt sich innerhalb jener Länder, wo jeweils mehr als 20 dieser Unternehmen ansässig sind, zwischen 15 und 55 Prozent, während dieses Spektrum bei einem Vergleich der einzelnen Sektoren von 10 Prozent bis 50 Prozent reicht. Warum von der Möglichkeit des Abschlusses von EBR-Vereinbarungen nach Artikel 13 in einigen Ländern und Sektoren erheblich häufiger Gebrauch gemacht wurde als in anderen, ist eine Frage, die sich nur mit Hilfe weiterer Untersuchungen beantworten läßt. Die deutlichsten Unterschiede sind in Abhängigkeit von der Ländergruppe festzustellen, in denen das jeweilige Unternehmen ansässig ist. Wie in Kapitel 1 ausgeführt wurde, lassen sich diese Unterschiede auf bestimmte hervorstechende Merkmale zurückführen, durch die sich die Arbeitsbeziehungen in den betreffenden Ländern auszeichnen. Eines dieser Merkmale betrifft die Frage, ob sich innerhalb der Unternehmen auf nationaler Ebene bereits Strukturen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer etabliert haben, deren Bestand durch die geltenden Gesetze oder durch grundlegende Vereinbarungen garantiert ist. Durch das Vorhandensein von Betriebsratsstrukturen unterscheiden sich die Ländergruppen Frankreich/Belgien/Luxemburg, deutschsprachiger Raum/Niederlande, Nordeuropa und Südeuropa, wo derartige Systeme existieren, von den Gruppen Vereinigtes Königreich/Irland, Nordamerika und Asien, wo dies nicht der Fall ist. Dort, wo diese Strukturen bereits vorhanden sind, ergeben sich weitere länderspezifische Abweichungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Betriebsräte. In dieser Hinsicht besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den eigenständigen Arbeitnehmergremien in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande und den gemischt besetzten Gremien in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg. In Vereinbarungen der MNU aus dem Vereinigte Königreich/Irland und Nordamerika, wo es auf nationaler Ebene keine bereits etablierten Betriebsratsstrukturen und somit keine praktischen Erfahrungen auf diesem Gebiet gibt, sind Regelungen zum Ausschluß bestimmter Themen von der Erörterung im EBR sowie formal Bestimmungen für die Sitzungsleitung, die Verfassung der Sitzungsprotokolle und die Verbreitung der Sitzungsergebnisse mit größerer Wahrscheinlichkeit anzutreffen als in Vereinbarungen von Unternehmen aus europäischen Ländern, in denen bereits entsprechende Betriebsratsstrukturen bestehen. Darüber hinaus werden gemeinsame Verfahren von MNU aus dem Vereinigte Königreich/Irland und aus den nichteuropäischen Ländern seltener vereinbart als von Unternehmen, die auf dem europäischen Kontinent ansässig sind. Bestimmte Vorrechte der Unternehmensleitung sind in der erstgenannten Gruppe entsprechend stärker verbreitet. Eine Rolle spielen hier auch die Exklusivrechte der Aktionäre im System der Unternehmensführung im Vereinigten Königreich/in Irland und Nordamerika, die dazu führen, daß die Vereinbarungen von MNU aus diesen beiden Ländergruppen besonders häufig Vertraulichkeitsbestimmungen enthalten. Ein zweites hervorstechendes Merkmal der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen betrifft die Form, in der sich die Arbeitnehmervertretung innerhalb des Unternehmens darstellt. Hier kann man unterscheiden zwischen den ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern bestehenden Betriebsräten in der Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande, wo den Gewerkschaften keine direkte repräsentative Rolle innerhalb der Unternehmen zukommt, den Strukturen in den Ländergruppen Frankreich/Belgien/ Luxemburg und Südeuropa, wo den Gewerkschaften formal eine solche Rolle gewährt wird, und den Betriebsräten der nordeuropäischen Länder, deren Tätigkeit auf der Vertretung durch Gewerkschaften basiert. Die entsprechenden Systeme im Vereinigten Königreich/in Irland und in Nordamerika zeichnen sich dadurch aus, daß sich die Strukturen der Arbeitnehmervertretung dort, wo sie vorhanden sind, fast immer auf Gewerkschaften stützen. Dementsprechend sind Vereinbarungen, die von Betriebsratsvertretern 74 Schlußfolgerungen abgeschlossen wurden, im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden am weitesten verbreitet, während man von Gewerkschaften unterzeichnete Vereinbarungen dort am seltensten antrifft. Vereinbarungen, in denen nicht näher bezeichnete Arbeitnehmervertreter die Unterschrift geleistet haben, findet man dagegen am häufigsten bei MNU aus der Ländergruppe Vereinigtes Königreich/Irland und aus den nichteuropäischen Ländern. Auch die Verfahren zur Auswahl der Arbeitnehmervertreter im EBR bringen — sofern sie angegeben wurden — diese Unterschiede zum Ausdruck. Die Direktwahl findet in diesem Zusammenhang die größte Verbreitung in den MNU aus dem Vereinigte Königreich/aus Irland und aus den nichteuropäischen Ländern. Für Gewerkschaftsfunktionäre ist eine Vollmitgliedschaft im EBR oder eine Teilnahme an den Sitzungen von Rechts wegen am häufigsten in MNU mit Sitz in Südeuropa, in der Ländergruppe Frankreich/Belgien/Luxemburg und im Vereinigten Königreich/in Irland vorgesehen. In den Vereinbarungen der außerhalb Europas ansässigen MNU sind Bestimmungen über die Beteiligung externer Vertreter einschließlich Gewerkschaftsfunktionären am EBR am seltensten anzutreffen. Bei den festgestellten sektorenspezifischen Unterschieden treten einheitliche Trends weniger deutlich zutage, wobei Vergleiche zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen auch durch die relativ geringe Zahl von Vereinbarungen in einigen Branchen erschwert werden. Für einige Sektoren lassen sich zwischen den Vereinbarungen aber dennoch einige eindeutige inhaltliche Unterschiede erkennen. Die deutlichsten Kontraste bestehen zwischen den drei Branchen Lebensmittel- und Getränkeindustrie einschließlich Tabakverarbeitung, chemische Industrie sowie Textil- und Bekleidungsindustrie einschließlich Ledergewerbe. Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie zeichnet sich durch eine verhältnismäßig hohe „Häufigkeitsrate“ aus, d. h. relativ viele der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Unternehmen haben eine Vereinbarung abgeschlossen. Dort ist, verglichen mit den anderen Sektoren (mit Ausnahme der Textil- und Bekleidungsindustrie), auch die Wahrscheinlichkeit am größten, daß sich unter den Unterzeichnern der Vereinbarungen eine internationale Gewerkschaftsorganisation befindet und daß für Gewerkschaftsfunktionäre eine Vollmitgliedschaft im EBR sowie eine Beteiligung von Rechts wegen vorgesehen ist. Die EBR in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie nehmen außerdem häufiger als in anderen Sektoren die Form eines gemischten Gremiums an, und in Fällen, wo die Einsetzung eines engeren Ausschusses vorgesehen ist, handelt es sich dabei auch mit größerer Wahrscheinlichkeit als in anderen Branchen um ein gemischt besetztes Gremium. Die Textil- und Bekleidungsindustrie zeichnet sich durch eine vergleichsweise niedrige „Häufigkeitsrate“ aus, wobei die Vereinbarungen wie in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie mit höherer Wahrscheinlichkeit als in den anderen Sektoren von Vertretern internationaler Gewerkschaftsorganisationen unterzeichnet wurden und häufiger eine Beteiligung von Gewerkschaftsfunktionären an EBR von Rechts wegen vorsehen. Darüber hinaus ist die Textil- und Bekleidungsindustrie die Branche, in der zweidimensionale Regelungen für EBR auf Ebene der Unternehmensgruppe und auf Unternehmensbereichsebene am weitesten verbreitet sind. In der chemischen Industrie ist die „Häufigkeitsrate“ wie in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie relativ hoch. Im Gegensatz zu den beiden anderen Sektoren finden sich dort Betriebsratsvertreter häufiger und internationale Gewerkschaftsorganisationen seltener unter den Unterzeichnern der Vereinbarungen als dies in den anderen Wirtschaftszweigen der Fall ist — eine Tendenz, in der sich die Konzentration von Vereinbarungen im Bereich der chemischen Industrie auf die Ländergruppe deutschsprachiger Raum/ Niederlande widerspiegelt. Für externe Personen einschließlich Gewerkschaftsfunktionäre ist eine Beteiligung an EBR-Sitzungen von Rechts wegen in Vereinbarungen der chemischen Industrie seltener vorgesehen als in den meisten anderen Sektoren, während man Bestimmungen über eine Beteiligung dieses Personenkreises auf Einladung dort am häufigsten antrifft. Regelungen für außerordentliche Sitzungen finden in Vereinbarungen der chemischen Industrie eine geringere Verbreitung als in den anderen Wirtschaftszweigen. In fast allen Vereinbarungen der chemischen Industrie ist die Einsetzung eines EBR ausschließlich für die Ebene der gesamten Unternehmensgruppe vorgesehen. Insgesamt läßt sich feststellen, daß Bestimmungen für ein Eingreifen der Gewerkschaften in die Arbeitsabläufe des EBR in der chemischen Industrie offenbar weniger häufig vereinbart wurden als in den Bereichen Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie Textil- und Bekleidungsindustrie. 75 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Eine Erklärung für diese Unterschiede könnte darin bestehen, daß auf Sektorenebene im nationalen und europäischen Rahmen unterschiedliche Strategien für die Aushandlung von Vereinbarungen nach Artikel 13 entwickelt wurden (Rivest, 1996). Möglicherweise werden die scheinbaren sektorenspezifischen Unterschiede aber auch durch eine Konzentration der Vereinbarungen auf bestimmte Ländergruppen verursacht. Wie sich bei einer genaueren Untersuchung der Daten gezeigt hat, könnte dies in der chemischen Industrie durchaus der Fall sein, während es in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie in der Textil- und Bekleidungsbranche aber unwahrscheinlich ist. Um diese Frage eindeutig zu klären, bedarf es weiterer Untersuchungen. Bei Schlußfolgerungen über den Einfluß der Belegschaftsgröße ist Vorsicht geboten, da die Beschäftigung im EWR nur für eine begrenzte Zahl der betreffenden MNU ermittelt werden konnte. Außerdem zeichnen sich die nichteuropäischen MNU, über die Daten vorliegen, hinsichtlich der Beschäftigung im EWR durch einen höheren Anteil von kleinen Einheiten (1 000 bis 5 000 Arbeitnehmer) aus als die Unternehmen mit Sitz in Europa, so daß die scheinbar beschäftigungsabhängigen Unterschiede zum Teil auch mit länderspezifischen Unterschieden zwischen diesen beiden Arten von MNU zusammenhängen könnten. Wenn man diese Einschränkung mit in Betracht zieht, dann betreffen die beschäftigungsabhängigen Unterschiede in erster Linie die bereits etablierten Strukturen der Arbeitnehmervertretung (Gewerkschaften oder Betriebsräte), denen in den großen MNU mit mindestens 10 000 Arbeitnehmern ein erheblich höherer Stellenwert zukommt als in den kleinsten Einheiten. Vereinbarungen, die von Betriebsrats- oder Gewerkschaftsvertretern unterzeichnet wurden, sind daher in den großen MNU entsprechend häufiger anzutreffen. Außerdem enthalten die Vereinbarungen dort häufiger Bestimmungen, die für externe Vertreter einschließlich Gewerkschaftsfunktionäre eine Vollmitgliedschaft im EBR oder eine Teilnahme an EBR-Sitzungen von Rechts wegen vorsehen. 9.3 Perspektiven Die in dieser Analyse der Vereinbarungen nach Artikel 13 gewonnenen Erkenntnisse sind auch von Bedeutung für weitere Verhandlungen zur Einsetzung von EBR nach Artikel 5 und 6. Eine wesentliche Veränderung, die das Verfahren für Vereinbarungen nach Artikel 6 von der zuvor üblichen Praxis unterscheidet, besteht darin, daß zu diesem Zweck ein besonderes Verhandlungsgremium einzusetzen ist, in dem Gewerkschaftsorganisationen formal keine Rolle zugewiesen wird. In Anbetracht der maßgeblichen Einflußnahme von Gewerkschaften auf die Aushandlung von Vereinbarungen nach Artikel 13 und auf die Arbeitsabläufe der dabei eingesetzten EBR ist die Frage von Bedeutung, inwieweit es den Gewerkschaften gelingen wird, durch eine koordinierende und maßgebliche Mitarbeit im besonderen Verhandlungsgremium auch in den nach Artikel 6 eingesetzten EBR eine entsprechende formelle Präsenz zu erlangen. Darüber hinaus sind die Erkenntnisse von Bedeutung für die künftige Entwicklung der EBR. Während es in der Praxis zwar zu Abweichungen von den in den Vereinbarungen enthaltenen Regelungen kommen kann, werden diese formaljuristischen Bestimmungen dennoch eine Erleichterung und Straffung der Tätigkeit der EBR zur Folge haben. Nach Schulten (1996) und gemäß den diesbezüglichen Bemerkungen in der Einleitung ergeben sich hier zwei gegensätzliche und sich einander ausschließende Szenarien: In jenen EBR, die sich auf die Durchführung einer jährlichen Sitzung beschränken und somit offenbar eine weitgehend formelle und symbolische Rolle spielen, kommt es zwischen den Sitzungen unter den Arbeitnehmervertretern nur selten oder überhaupt nicht zu einer selbständigen Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit. Andere EBR sind dagegen in der Lage, eine aktive Rolle zu entfalten, die darin zum Ausdruck kommt, daß die Arbeitnehmerseite auch zwischen den Sitzungen nicht untätig bleibt und ständig Kontakt zur Unternehmensleitung gehalten wird. 76 Schlußfolgerungen Eine rein formelle oder symbolische Rolle der EBR ist dann um so wahrscheinlicher, wenn die Vereinbarungen nur wenige oder überhaupt keine Bestimmungen enthalten, die neben den jährlichen Sitzungen weitere Aktivitäten oder zusätzliche Möglichkeiten und eine gemeinsames Vorgehen der Arbeitnehmer vorsehen. Dazu zählen Vereinbarungen, die keine Bestimmungen für außerordentliche Sitzungen oder — bei größeren EBR — für die Einsetzung eines engeren Ausschusses enthalten, Vereinbarungen, die der Arbeitnehmerseite nicht das Recht einräumen, vorbereitende Sitzungen abzuhalten oder an der Festlegung der Tagesordnung, an der Protokollführung und an der Weiterverbreitung von Informationen über den Inhalt und die Ergebnisse der Sitzungen mitzuwirken, sowie Vereinbarungen, die keine Beteiligung externer Vertreter an den Sitzungen des EBR vorsehen und somit der Arbeitnehmerseite keine Möglichkeit bieten, als Gegengewicht zur Unternehmensleitung unabhängige, externe Berater und Sachverständige einzuschalten. Außerdem werden sich diese EBR wahrscheinlich dadurch auszeichnen, daß sie innerhalb der multinationalen Unternehmensgruppe ins Abseits geraten und dort, wo in den Betrieben des MNU auf nationaler oder lokaler Ebene bereits Arbeitnehmervertretungen vorhanden sind, keine intensiven Verbindungen zu diesen Strukturen unterhalten. Letzten Endes wird dies dazu führen, daß solche EBR keinen nennenswerten Einfluß auf Entscheidungen der Unternehmensleitung ausüben und daß sie von der Allgemeinheit der Belegschaftsmitglieder nicht als deren legitime Vertreter anerkannt werden. Aktive EBR werden sich dagegen mit höherer Wahrscheinlichkeit dann entwickeln, wenn die Vereinbarungen Bestimmungen zugunsten einer fortlaufenden Vertretung auf seiten der Arbeitnehmer und regelmäßige Kontakte zwischen den beiden Seiten umfassen. Die Tatsache, daß derartige Regelungen in einer Reihe von Vereinbarungen nach Artikel 13 enthalten sind, ist ein Anzeichen dafür, daß der Prozeß der Schaffung innovativer Institutionen auf europäischer Ebene bereits begonnen hat. Zu diesen Bestimmungen zählt z. B. die Einrichtung eines engeren Ausschusses, der das Recht hat, zwischen den Plenarsitzungen Fragen von substantieller Bedeutung zu erörtern, und der an der Festlegung der Tagesordnung, an der Verfassung der Sitzungsprotokolle und an der Verbreitung der Sitzungsergebnisse entsprechend beteiligt ist. Weitere diesbezügliche Bestimmungen betreffen die Möglichkeit, daß ein Vertreter der Arbeitnehmerseite eine ständige Funktion ausübt (z. B. Leitung der Sitzungen, zweiter Vorsitzender bei Sitzungen oder Sekretär) oder gemeinsam mit einem anderen EBR-Mitglied bzw. selbständig außerordentliche Sitzungen einberuft. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch Bestimmungen, wonach die Arbeitnehmerseite externe Vertreter einschließlich Gewerkschaftsfunktionäre von Rechts wegen an den Sitzungen beteiligen kann, und die Unterstützung durch Sachverständige in vorbereitenden Sitzungen, in Sitzungen des engeren Ausschusses sowie in den EBRVollsitzungen. Wahrscheinlich wird sich dieser Zuständigkeitsbereich nicht nur innerhalb des in den subsidiären Vorschriften der Richtlinie vorgesehenen Spektrums bewegen, sondern darüber hinaus noch weitere Aufgaben umfassen. Diese aktiven EBR unterhalten intensive Beziehungen zu den Arbeitnehmervertretungen auf nationaler und örtlicher Ebene innerhalb der MNU sowie auf sektoraler Ebene auch außerhalb der multinationalen Unternehmensgruppe. Sie haben das Potential, neue Formen der länderübergreifenden Interessenvertretung der Arbeitnehmer, einschließlich gemeinsamer Stellungnahmen oder Rahmenvereinbarungen zu Aspekten der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, zu entwickeln und auf diese Weise die Entscheidungen der Unternehmensleitung maßgeblich zu beeinflussen. 77 Anhang 1 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse Der vorliegende Bericht enthält eine Analyse von 386 Vereinbarungen, die gemäß Artikel 13 der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats abgeschlossen wurden. Als Grundlage für diese Analyse dient die umfangreiche Datenbank der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Vereinbarungen wurden von multinationalen Unternehmen (MNU) mit Sitz in 25 Ländern abgeschlossen. Fast zwei Drittel der Vereinbarungen entfallen auf Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA. Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern ergeben sich in der „Häufigkeitsrate“ des Abschlusses dieser Vereinbarungen bezogen auf die Anzahl der in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Unternehmen. Sie ist in MNU mit Sitz im Vereinigten Königreich höher als in Frankreich oder Deutschland. Vier von fünf Vereinbarungen wurden in der Metallverarbeitung abgeschlossen. Die „Häufigkeitsrate“ in der Metallverarbeitung ist doppelt so hoch wie im Dienstleistungssektor. Die weitaus meisten Vereinbarungen wurden in den zwölf Monaten bis September 1996 abgeschlossen. 7 Prozent der Vereinbarungen stammen aus der Zeit vor September 1994. Nahezu die Hälfte der Vereinbarungen wurde von Gewerkschaftsorganisationen unterzeichnet, während jede dritte Vereinbarung die Unterschrift von Betriebsratsvertretern trägt. Ein Viertel der Vereinbarungen wurde ausschließlich von nicht näher bezeichneten Arbeitnehmervertretern unterzeichnet. Die Einsetzung eines Betriebsrates als reine Arbeitnehmervertretung ist in einem Drittel und die Einsetzung eines gemischten Gremiums aus Vertretern der Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern in zwei Dritteln der Vereinbarungen vorgesehen. 79 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Der geographische Geltungsbereich erstreckt sich in zwei von drei Vereinbarungen über die 17 EWRLänder hinaus auch auf Länder, für die die Richtlinie nicht gilt. Betriebe im Vereinigten Königreich werden in fast allen Fällen in den Geltungsbereich des EBR mit einbezogen. In einem Viertel der Vereinbarungen werden EBR-Strukturen auf der Ebene des international operierenden Unternehmensbereichs eingerichtet, die in einer Minderzahl von Fällen parallel zur Struktur auf der Ebene der Unternehmensgruppe bestehen. Die dem EBR zugewiesene Rolle besteht in der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer. Eine Verhandlungsrolle des EBR ist nur in zwei Prozent der Fälle vorgesehen. Die Zuständigkeit des EBR umfaßt in den meisten Vereinbarungen wirtschaftliche und finanzielle sowie beschäftigungsrelevante und soziale Kernfragen. Eine Zuständigkeit für Fragen im Zusammenhang mit Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen ist nur der Hälfte der Vereinbarungen vorgesehen. In der Hälfte der Vereinbarungen werden bestimmte Fragen von der Erörterung im EBR ausgeschlossen. In neun von zehn Vereinbarungen umfaßt der einzusetzende EBR höchstens 30 Mitglieder. In der Hälfte der Vereinbarungen ist für Betriebe in bestimmten Ländern eine Direktvertretung im EBR nur dann vorgesehen, wenn sie eine bestimmte Mindestgröße in bezug auf die Beschäftigung erreichen. In einem Drittel der Vereinbarungen finden sich Bestimmungen über externe Mitglieder oder Personen, die an den Sitzungen von Rechts wegen teilnehmen können. Dabei handelt es sich häufig um Gewerkschaftsvertreter. In der Mehrzahl der Vereinbarungen ist eine Teilnahme externer Vertreter auf Einladung vorgesehen. Die Einsetzung eines engeren Ausschusses ist in sechs von zehn Vereinbarungen vorgesehen. Die Mehrzahl dieser Gremien umfaßt ausschließlich Vertreter der Arbeitnehmerseite. Die engeren Ausschüsse sind für Fragen der Koordination und Kontaktpflege sowie für die Festlegung der Tagesordnung verantwortlich. In einer Minderzahl der Fälle ist auch die Entgegennahme von Informationen auf regulärer Basis vorgesehen. EBR-Sitzungen werden in fast allen Fällen einmal im Jahr einberufen. Zwei Sitzungen im Jahr werden besonders häufig im Dienstleistungssektor abgehalten. In den meisten EBR-Sitzungen führen Vertreter der Unternehmensleitung den Vorsitz. Außerordentliche Sitzungen sind in vier von fünf Vereinbarungen vorgesehen. Bei der Festlegung der Tagesordnung, bei der Verfassung der Sitzungsprotokolle und bei der Weiterverbreitung von Informationen über die Ergebnisse der EBR-Sitzungen sind gemeinsame Verfahren weit verbreitet. Die Frage der Weiterverbreitung von Informationen an die Allgemeinheit der Belegschaftsmitglieder ist nur in zwei Dritteln der Vereinbarungen geregelt. Bei der Informationsverbreitung lassen sich fünf Grundmuster erkennen. Der Einsatz von Übersetzern und Dolmetschern ist in über drei von vier EBR vorgesehen, wobei in einem Fünftel nicht alle Sprachen abgedeckt werden. Die Vertraulichkeitsbestimmungen der meisten Vereinbarungen befinden sich im Einklang mit den subsidiären Vorschriften der Richtlinie. 80 Anhang 1: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse Vorbereitende Sitzungen der Arbeitnehmerseite finden große Verbreitung, während Folgesitzungen seltener vorgesehen sind. Die Arbeitnehmerseite erhält in vier von fünf Vereinbarungen die Möglichkeit, Sachverständige einzuschalten. In einem von fünf Fällen wird die Anzahl auf einen Sachverständigen begrenzt. Eine bezahlte Freistellung zur Teilnahme an den EBR-Sitzungen sowie die Übernahme der Reise- und Aufenthaltskosten ist fast überall vorgesehen. Bestimmungen zur generellen Kostenübernahme bei Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmervertreter sind nur in einem Drittel der Vereinbarungen vorgesehen. In vier Fragen lassen sich Abweichungen zwischen den Vereinbarungen nach Artikel 13 und den subsidiären Vorschriften der Richtlinie feststellen: Diese Fragen betreffen das Ausmaß der Beteiligung von Gewerkschaften, die große Verbreitung gemischt besetzter Gremien, die Einbeziehung von nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallenden Ländern sowie jene Minderzahl von Fällen, in denen EBR-Strukturen auf der Ebene des Unternehmensbereichs eingesetzt werden. In anderen Punkten sind die Bestimmungen der Richtlinie bereits der Maßstab, an dem sich die Verhandlungsparteien orientieren. Seit Verabschiedung der Richtlinie enthalten die Vereinbarungen in wachsendem Maße detaillierte Bestimmungen und nehmen einen zunehmend formellen Charakter an. Die Vereinbarungen weisen in Abhängigkeit vom Herkunftsland des betreffenden Unternehmens deutliche inhaltliche Unterschiede auf, die mit hervorstechenden Merkmalen der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen in den verschiedenen Ländergruppen zusammenhängen. Unterschiede ergeben sich auch zwischen den einzelnen Sektoren: Vereinbarungen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der chemischen Industrie sowie in der Textil- und Bekleidungsbranche unterscheiden sich voneinander durch typische Merkmale. Viele EBR besitzen das Potential, sich zu aktiven, ständig arbeitsfähigen Gremien zu entwickeln, während sich andere möglicherweise auf eine symbolische Rolle beschränken, die über das Abhalten einer jährlichen Sitzung nicht hinausgeht. 81 Anhang 2 Verzeichnis der Unternehmen, die Vereinbarungen nach Artikel 13 abgeschlossen haben Accor APV Adtranz Aramark Aer Lingus ARBED AGA Arjo Wiggins Appleton AGF Asea Brown Boveri (ABB) AGREVO Assidoman Ahlström Koncernen ASW Holdings Air Products Europe Atlas Copco Airbus AXA Albert Fisher Group Babcock Alcan Aluminium Baker Hughes Alcatel Alsthom Barclays Alfa Laval BASF Allianz Bass Allied Domecq Bat Industries Altana AG Group Bau Holding Alusuisse -Gonza Europe Baxter Amylum Group Bayer Antibioticos BBL Apple Behr 83 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Beiersdorf Carrefour Benckise Konzern Carrier Europe Bertelsmann Caterpillar Bicc Cables Chargeurs International Bilfinger & Berger Ciba Blue Circle Industries Claas * BMW Clariant Companies BNP CLT * Boc Group Club Mediterranée Boehler-Uddeholm Coats Viyella Plc/Thread Boehringer Ingelheim Coats Viyella/Textiles Bols Wessanen Cockerill Sambre Boots Contract Manufacturing Colgate Palmolive Bord na Móna Compass Group Borealis Continental Bouygues Cooper Industries BP Oil Europe Corning BPB Courtaulds Braas Courtaulds Textiles Braun Melsungen CPC Bridgestone / Firestone Crédit Communal British Airways Crédit Lyonnais British Steel Daf Trucks British Telecom Daimler Benz Konzern Bühler International Dalli Werke Mäurestwirtz Bull Danfoss Bunzl * Danisco Group Burda-Holding Danone Burelle Danzer Burgo David S. Smith (Holdings) Cabot Group De La Rue Campina Melkunie Degussa Canon Delco Electronics Europe Cardo Group Delphi Cargill Delta Carnaud Metal Box Deutsche Bank-Gruppe 84 Anhang 2: Unternehmen, die Vereinbarungen nach Artikel 13 abgeschlossen haben DHL Worldwide General Motors * Dillinger Hüttenwerke AG General Motors Acceptance Corporation DLW Générale de Banque DMC Générale des Eaux DOMO Georg Fritzmeier Dow Europe Gerresheimer Group Dupont GKN Duracell Batteries Groep van roey Dyckerhoff Groupe Falke Dynamit Nobel Groupe Soparind Dyno Industries Gruener + Jahr Electrolux Grundig Elf Aquitaine Gruppo Snaidero Elopak Group Guinness ENI Hafslund Nycomed Ericsson Hager Electro Eridana Beghin Say Hamilton Standard Eurocopter Hans Schwarzkopf Gruppe Europa Metalli Hanson Brick Fag Kugelfischer Hanson Electrical Felten & Guilleaume Energietechnik Hebel Ferrero Heidelberger Druck Maschinen Fiat Heidelberger Zement Ford Motor Co. Hella Gruppe Fortis Henkel Framatome Herberts Franke Gruppe Hercules Frantschach Hewlett Packard Freudenberg & Co. Hitachi Gallaher Ltd Hochtief Gama Holding Hoechst Gate Gourmet Group HolderBank Geberit * Honda GEC Alsthom Hoogovens Gehe Howden General Accident HSBC Group 85 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Hughes Leica ICI Liebherr ICL Linde ING Linpac Plastic Interbrew L’Oréal IPT Lyonnaise des Eaux ISS Mahle Italcementi MAN ITT Automotive Europe Mann + Humel ITT Canon Mannesman ITT Flygt Marazzi ITT Industries Matra Marconi Space Jefferson Smurfit Group Mayr Melnhof John Deere McDonalds Johnson Controls Mead Packaging Europe Kaefer Merck Kao Group Merloni KCI Konecranes International Group Metsa serla Kelloggs Meyer Kemira Miroglio Group Keramik Laufen Group Mitsubishi Electric Kimberly Clark Mobil Chemical KLM Mobil Marketing + Refining KM Europa Metal Mobile Exploration + Producing Knorr-Bremese Systeme Modo Group KNP Leykam Myllykoski Komatsu Europe Int Natwest Kone Neste Koninklijke Nedschroef Holding Nestlé Kraft Jacobs Suchard NKT Holding Kronos Nokia Group Krupp AG Hoesch-Krupp Norsk Hydro KSB Norske Skogindustrier ASA Kvaerner ASA Norwich Union * Laffarge Coppée Nutricia Lagardere Oetker International 86 Anhang 2: Unternehmen, die Vereinbarungen nach Artikel 13 abgeschlossen haben Orkla ASA RMC Otis Roche Outokumpu Rothmans Int. Europe Owens Corning Rothmans International (RITP) Panasonic/Matsusuita RWE Parmalat RWE-DEA Partek Saffa Paul Hartmann Saint Gobain Pauwels Sandoz Pearson* Sandvik Pechiney Sanyo Pepsico Sara Lee Personal Products Petrofina Sara Lee Processed Meats Europe Pharmacia UpJohn SCA Philip Morris Tobacco Scandic Hotels Philipp Holzmann Scansped Philips Schering Philips Petroleum Schering Plough Phoenix Schiesser Pilkington Schmalbach-Lubeca Pioneer Schneider Polimeri Europa Schott Preussag Schweppes Primagaz Scottish and Newcastle Procter and Gamble Seagram PSA Peugeot Citroën Securicor Randstad SEW-International - SEW Eurodrive Rank Xerox SGS Rauta Ruukki Shell Raychem * Sibelco Reckitt & Colman Siemens Redland * Sigma Coatings Renault Skanska RH SKF Rhone Poulenc Société Générale RJ Reynolds Int. Solvay 87 Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte Sony Union Minière Steigenberger Hotels Unisource Stena Line * United Biscuits Stora * United Technologies Automative Europe Strafors * United Technologies Pratt + Whitney Südsucker UPM kymnene Sulzer Holding Usinor Sacilor Sumitomo Rubber Valmet T&N Vandemoortele TNT Tarkett VAW Aluminum Tate & Lyle VEBA-Konzern TDK Recording Media Europe Verlags Gruppe Passau Tetra Laval * VF Europe Jeans Texaco VHB Industrial Batteries Thomson Consumer Electronic Villeroy + Boch Thomson CSF Voith Thomson Multimedia Volkswagen Thomson-DASA SAS Volvo TNT Wartsila Diesel Tomkins Wella Touristik Union International (TUI) Whirl Pool Tractebel Wienerberger Transport Development Group Wilhelm Böllhof Trelleborg Winterthur Triumph International WMX Tulip International Zehnder UCB Zeneca Unilever Zumtobel Union des Assurances de Paris * Vereinbarung war im September 1996 noch nicht ratifiziert. 88 Literatur Carley, M., und Hall, M., „Vergleichende Untersuchung der Vereinbarungen“, in: Soziales Europa — Beiheft 5/95: „Überblick über bestehende Vereinbarungen über Unterrichtung und Anhörung in europäischen multinationalen Unternehmen“, Luxemburg, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1996 ETUI, European Works Councils: Inventory of Companies Affected by Council Directive No 94/95 of 22 September 1994, Brüssel, 1995 EWCB, „Artikel 6 Agreements — a preliminary review“, in: European Works Council Bulletin, Nr. 11, September/Oktober 1997, S. 12-17 Marginson, P., und Sisson, K, „The Structure of Transnational Capital in Europe: the Emerging EuroCompany and Its Implications for Industrial Relations“, in: R. Hyman und A. Ferner (Hrsg.): New Frontiers of European Industrial Relations, Oxford, Blackwell, 1994 Rivest, C., „Voluntary European Works Councils“, in: European Journal of Industrial Relations, Nr. 2, 2, 1996, S. 234-254 Schulten, T., „European Works Councils: Prospects for a New System of European Industrial Relations“, in: European Journal of Industrial Relations, Nr. 2, 3, 1996, S. 303-324 89 Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte — Eine Analyse der Vereinbarungen nach Artikel 13 Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 1999 — VIII, 89 S. — 21 x 29,7 cm ISBN 92-828-6651-3 Preis in Luxemburg (ohne MwSt.): EUR 20